Enzymkinetische Untersuchungen mit Nahrungsergänzungsmitteln und moderner Medizindiagnostik

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DOI: 10.1002/ckon.201410214 Enzymkinetische Untersuchungen mit NahrungsergȨnzungsmitteln und moderner Medizindiagnostik Peter Heinzerling* und Sascha Schanze* [a] Zusammenfassung: Enzymkinetische Untersuchungen erfordern in der Regel einen hohen apparativen und analytischen Aufwand und fɒhren in der Schule nicht immer zu optimalen Ergebnissen. In der Schulliteratur wird ɒberwiegend mit Urease gearbeitet. Wir verwenden als Enzymquellen frei verkȨufliche NahrungsergȨn- zungsmittel aus der Apotheke. Analytisch werden die Resultate mit einem Glucometer erfasst. Diese Alltags- gerȨte liefern in fɒnf Sekunden fertige Resultate. Die Experimente waren auch mit Inhibitoren erfolgreich. Stichworte: Enzymkinetik · Inhibition · Michaelis-Menten-Konstante Enzyme Kinetics with dietary supplements and modern medical diagnostics Abstract: Experimental enzyme kinetics is of high technical and analytical complexity. The results under condi- tions of school laboratories are suboptimal in many cases. In textbooks experiments are mostly done with urease. We use as enzymes over the counter dietary supplements available at pharmacies. The analytical results were obtained without any transformation by a glucometer within five seconds. The experiments were success- ful with inhibitors, too. Keywords: enzyme kinetics · inhibition · Michaelis-Menten-constant 1. Einfɒhrung Kinetische Untersuchungen liefern im Laborexperiment in der Regel indirekte Messergebnisse (LeitfȨhigkeiten, photo- metrische oder optische Daten), die nach vorheriger Eichung in Konzentrationswerte umgerechnet werden mɒssen. Erst danach kann die eigentliche kinetische Interpretation vollzo- gen werden. Der vorliegende Beitrag greift auf Anregungen aus der amerikanischen Literatur der letzten Jahre zurɒck [1,2] und beschreibt die enzymkinetische Untersuchung von Hydrolysen, die als Produkt Glucose liefern. Zur Bestimmung der Glucose-Konzentration wird mit einem Glucometer gear- beitet, das mithilfe von Sonden amperometrisch die entspre- chenden Werte misst und direkt anzeigt. Am Markt gibt es mehrere Systeme, die mit den Enzymen GOD und GDH sowie den unterschiedlichen Coenzymen arbeiten. Die Tech- nologie wurde im letzten Jahrzehnt immer weiter miniaturi- siert und verbessert, sie arbeitet mit Probenvolumina im nano- skaligen Bereich und liefert in wenigen Sekunden ein direkt ablesbares Ergebnis. Einige GerȨte erlauben ɒber Datenkabel oder Bluetooth $ die elektronische Datenauswertung auf dem Computer, iPhone oder iPod. Die GerȨte kosten je nach Marktlage zwischen 5 und 50 E und die Sonden bei Versand- apotheken ca. 27 E/50 Stɒck. Damit ist dies eine erschwingli- che Technologie, die fɒr einen Einsatz sowohl in der Prakti- kumsausbildung an Hochschulen (insbesondere fɒr die Lehr- amtsausbildung), aber auch in vertiefenden Chemiekursen oder fɒr Facharbeiten als Schɒlerexperiment in der Schule ge- prɒft werden kann. Bei zeitversetzter Messung wird fɒr eine Gruppenarbeit nicht fɒr jede Gruppe ein MessgerȨt bençtigt. Wir haben einige Systeme getestet und es stellte sich heraus, dass sich die meisten nicht fɒr wȨssrige Lçsungen eignen. Als zuverlȨssig erwies sich allerdings ein System mit GOD/NAD von Lifescan, mit dem die vorliegenden Untersuchungen durchgefɒhrt wurden [3]. 2. Messprinzip In den Sonden liegen je nach Hersteller nachfolgende Enzym- Coenzym-Systeme vor: GDH/PQQ: Glucose-Dehydrogenase/Pyrrol-Chinolin- Chinin GDH/FAD: Glucose-Dehydrogenase/Flavin-Adenin- Dinucleotid GDH/NAD: Glucose-Dehydrogenase/Nicotinamid- Adenin-Dinucleotid GOD/NAD: Glucose-Oxidase/Nicotinamid-Adenin-Dinu- cleotid GOD/FAD: Glucose-Oxidase/Flavin-Adenin-Dinucleotid Deren Reaktionen sind in Abb. 1 schematisch mit den unter- schiedlichen Messmethoden dargestellt. In wȨssrigen Glucose- Lçsungen liegt infolge der Mutarotation auch b-D-Glucose vor. Diese wird mithilfe der Enzyme GOD bzw. GDH und deren Coenzymen substratspezifisch ɒber b-D-Glucono-d- lacton zur GluconsȨure oxidiert (Abb. 2). Bei dieser Redox-Reaktion werden zwei Elektronen ausge- tauscht, die ɒber den Mediator K 3 [Fe(CN) 6 ] zu einer Elektro- de transportiert werden (Abb. 3). Eine angelegte Spannung sorgt fɒr einen Stromfluss, der von der Konzentration der oxidierten Glucose abhȨngt. Die ge- messene StromstȨrke wird im Glucometer in entsprechende Konzentrationen umgerechnet. Diese werden in mgdL 1 oder mmol dL 1 umgerechnet und nach ca. 5 Sekunden angezeigt. [a] OStR Dipl. Chem. P. Heinzerling, Prof. Dr. S. Schanze Leibniz UniversitȨt Hannover Institut fɒr Didaktik der Naturwissenschaften Fachgebiet Chemiedidaktik Am kleinen Felde 30 30167 Hannover * E-Mail: [email protected] [email protected] CHEMKON 2014, 21, Nr. 1, 15 – 22 # 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 15 ARTIKEL CHEMKON

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DOI: 10.1002/ckon.201410214

Enzymkinetische Untersuchungen mitNahrungserg�nzungsmitteln und moderner

MedizindiagnostikPeter Heinzerling* und Sascha Schanze*[a]

Zusammenfassung: Enzymkinetische Untersuchungen erfordern in der Regel einen hohen apparativen undanalytischen Aufwand und f�hren in der Schule nicht immer zu optimalen Ergebnissen. In der Schulliteraturwird �berwiegend mit Urease gearbeitet. Wir verwenden als Enzymquellen frei verk�ufliche Nahrungserg�n-zungsmittel aus der Apotheke. Analytisch werden die Resultate mit einem Glucometer erfasst. Diese Alltags-ger�te liefern in f�nf Sekunden fertige Resultate. Die Experimente waren auch mit Inhibitoren erfolgreich.

Stichworte: Enzymkinetik · Inhibition · Michaelis-Menten-Konstante

Enzyme Kinetics with dietary supplements and modern medical diagnostics

Abstract: Experimental enzyme kinetics is of high technical and analytical complexity. The results under condi-tions of school laboratories are suboptimal in many cases. In textbooks experiments are mostly done withurease. We use as enzymes over the counter dietary supplements available at pharmacies. The analytical resultswere obtained without any transformation by a glucometer within five seconds. The experiments were success-ful with inhibitors, too.

Keywords: enzyme kinetics · inhibition · Michaelis-Menten-constant

1. Einf�hrung

Kinetische Untersuchungen liefern im Laborexperiment inder Regel indirekte Messergebnisse (Leitf�higkeiten, photo-metrische oder optische Daten), die nach vorheriger Eichungin Konzentrationswerte umgerechnet werden m�ssen. Erstdanach kann die eigentliche kinetische Interpretation vollzo-gen werden. Der vorliegende Beitrag greift auf Anregungenaus der amerikanischen Literatur der letzten Jahre zur�ck[1,2] und beschreibt die enzymkinetische Untersuchung vonHydrolysen, die als Produkt Glucose liefern. Zur Bestimmungder Glucose-Konzentration wird mit einem Glucometer gear-beitet, das mithilfe von Sonden amperometrisch die entspre-chenden Werte misst und direkt anzeigt. Am Markt gibt esmehrere Systeme, die mit den Enzymen GOD und GDHsowie den unterschiedlichen Coenzymen arbeiten. Die Tech-nologie wurde im letzten Jahrzehnt immer weiter miniaturi-siert und verbessert, sie arbeitet mit Probenvolumina im nano-skaligen Bereich und liefert in wenigen Sekunden ein direktablesbares Ergebnis. Einige Ger�te erlauben �ber Datenkabeloder Bluetooth� die elektronische Datenauswertung auf demComputer, iPhone oder iPod. Die Ger�te kosten je nachMarktlage zwischen 5 und 50 E und die Sonden bei Versand-apotheken ca. 27 E/50 St�ck. Damit ist dies eine erschwingli-che Technologie, die f�r einen Einsatz sowohl in der Prakti-kumsausbildung an Hochschulen (insbesondere f�r die Lehr-amtsausbildung), aber auch in vertiefenden Chemiekursenoder f�r Facharbeiten als Sch�lerexperiment in der Schule ge-

pr�ft werden kann. Bei zeitversetzter Messung wird f�r eineGruppenarbeit nicht f�r jede Gruppe ein Messger�t bençtigt.Wir haben einige Systeme getestet und es stellte sich heraus,dass sich die meisten nicht f�r w�ssrige Lçsungen eignen. Alszuverl�ssig erwies sich allerdings ein System mit GOD/NADvon Lifescan, mit dem die vorliegenden Untersuchungendurchgef�hrt wurden [3].

2. MessprinzipIn den Sonden liegen je nach Hersteller nachfolgende Enzym-Coenzym-Systeme vor:– GDH/PQQ: Glucose-Dehydrogenase/Pyrrol-Chinolin-

Chinin– GDH/FAD: Glucose-Dehydrogenase/Flavin-Adenin-

Dinucleotid– GDH/NAD: Glucose-Dehydrogenase/Nicotinamid-

Adenin-Dinucleotid– GOD/NAD: Glucose-Oxidase/Nicotinamid-Adenin-Dinu-

cleotid– GOD/FAD: Glucose-Oxidase/Flavin-Adenin-Dinucleotid

Deren Reaktionen sind in Abb. 1 schematisch mit den unter-schiedlichen Messmethoden dargestellt. In w�ssrigen Glucose-Lçsungen liegt infolge der Mutarotation auch b-D-Glucosevor. Diese wird mithilfe der Enzyme GOD bzw. GDH undderen Coenzymen substratspezifisch �ber b-D-Glucono-d-lacton zur Glucons�ure oxidiert (Abb. 2).Bei dieser Redox-Reaktion werden zwei Elektronen ausge-tauscht, die �ber den Mediator K3[Fe(CN)6] zu einer Elektro-de transportiert werden (Abb. 3).Eine angelegte Spannung sorgt f�r einen Stromfluss, der vonder Konzentration der oxidierten Glucose abh�ngt. Die ge-messene Stromst�rke wird im Glucometer in entsprechendeKonzentrationen umgerechnet. Diese werden in mgdL�1 odermmoldL�1 umgerechnet und nach ca. 5 Sekunden angezeigt.

[a] OStR Dipl. Chem. P. Heinzerling, Prof. Dr. S. SchanzeLeibniz Universit�t HannoverInstitut f�r Didaktik der NaturwissenschaftenFachgebiet ChemiedidaktikAm kleinen Felde 3030167 Hannover* E-Mail: [email protected]

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3. Michaelis-Menten-Theorie und derenAuswertungsmethoden

Die Theorie wurde experimentell am Beispiel der Saccharose-hydrolyse mit Invertase – damals Invertin genannt – entwi-ckelt [4]. Michaelis und Menten gehen dabei von folgendemReaktionsablauf aus:

Eþ Skþ1

k�1

�! � ESkþ2

k�2

�! � Eþ P ð1Þ

Die Herleitung der Kinetik erfolgte durch Briggs und Haldane[5]. Dabei werden zur Vereinfachung folgende Annahmen ge-macht:

– Eine R�ckreaktion zum Enzym-Substrat-Komplex findetnicht statt (k�2 =0)

– Das Substrat liegt in großem �berschuss vor (c(S)�c(S0))Die Maximalgeschwindigkeit wird erreicht, wenn der Sub-strat�berschuss so groß ist, dass das gesamte Enzym mit Sub-strat ges�ttigt ist. Diese w�rde dann nur noch von der An-fangskonzentration des Enzyms abh�ngen und es ergibt sichf�r die Anfangsgeschwindigkeit:

v0 ¼Vmax � cðSÞKM þ cðSÞ ð2Þ

In dieser Gleichung befinden sich nur noch die unabh�ngigeVariable c(S), eine abh�ngige Variable v0 als Geschwindigkeitder Produktbildung sowie die konstanten Grçßen Vmax undKM. Die Auftragung von v0 gegen c(S) ergibt Abb. 4.

Bei halber Maximalgeschwindigkeit ist die Michaelis-Konstan-te gleich der Substratkonzentration: Sie gibt also an, bei wel-cher Substratkonzentration die halbe Maximalgeschwindigkeiterreicht wird. Die Gleichung f�r v0 kann durch Umkehrunglinearisiert werden:

1v0¼ KM þ cðSÞ

Vmax � cðSÞ¼ KM

Vmax� 1cðSÞ þ

1Vmax

ð3Þ

Tr�gt man 1/v0 gegen 1/c(S) auf, so erh�lt man eine Gerademit den Achsenabschnitten 1/Vmax und �1/KM sowie der Stei-gung KM/Vmax: das Lineweaver-Burk-Diagramm [6] (Abb. 5).

Diese Auftragung ist Standard bei Experimenten zur Enzym-kinetik. Ihr Schwachpunkt ist die relativ große Streuanf�llig-keit bei geringen Substratkonzentrationen (Abb. 6).Neben dieser grafischen Auswertungsmethode kann auch eineiterative mithilfe des Solver-Add-Ins von EXCEL heran gezo-gen werden. Hier werden realistische KM- und Vmax-Werte vor-

Peter Heinzerling studierte von 1963 bis1970 Diplom-Chemie in Berlin, Hannoverund Clausthal. Nach dreij�hriger T�tigkeitim Hochschulbereich wechselte er in denSchuldienst, wo er auch in der Lehrerausbil-dung und in der Fortbildung mit Vortr�genund Workshops aktiv war. Seit 2000 arbeiteter f�r die PdN-ChiS, zuletzt als Herausge-ber. 2008 verlieh ihm die Fachgruppe Che-mieunterricht der GDCh den Friedrich Stro-meyer-Preis. An der Fern-Universit�t Hagenabsolvierte er ein Aufbaustudium zumDiplom-Wirtschaftschemiker. Seit Anfang

2013 baut er an der Universit�t Erlangen-N�rnberg am Lehrstuhl f�r Che-miedidaktik ein Schule-Hochschule-Projekt f�r das Exzellenzcluster Engi-neering of Advanced Materials (EAM) auf.

Sascha Schanze ist seit 2006 Professor f�rChemiedidaktik an der Universit�t Hanno-ver. Nach dem Referendariat mit den F�-chern Chemie und Mathematik am Gymna-sium begann er seine wissenschaftliche T�-tigkeit 1998 in der Arbeitsgruppe von Prof.Demuth in Kiel und promovierte 2001 amIPN Kiel. Dort war er ab 2002 Juniorprofes-sor f�r Didaktik der Chemie.Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehç-ren die Integration neuer Medien in denChemieunterricht und das kollaborative for-schende Lernen im naturwissenschaftlichenUnterricht.

Abb. 1: Messmethoden zur enzymatischen Bestimmung derGlucose-KonzentrationG GlucoseGL Glucono-d-LactoneGOD Glucose oxidaseE Electrochemical

Abb. 2: Enzymatische Oxidation von Glucose zu Glucons�ure im Bei-sein von Sauerstoff mit NAD als Coenzym

C Colormetric detectionGDH Glucode dehydrogenaseox. Med. oxidized mediatorred. Med. reduced mediator

Abb. 3: Messprinzip bei einer enzymatischen Oxidation von Glucosemit K3[Fe(CN)6] als Mediator

Abb. 4: v0/c(S0)-Diagramm bei Enzym katalysierten Reaktionen(Quelle: chemgapedia.de)

detection

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gegeben und Solver optimiert die Michaelis-Funktion nachder Methode der kleinsten Fehlerquadrate.

4. Experimente

Ausgehend von der Publikation von Perles und Volpe [1]wurde die Mutarotation der Glucose mithilfe des AkkuChek�-Systems von Roche Diagnostics erfolgreich nachvollzo-gen und vorgestellt [10]. Danach wurden die enzymatischeRohrzuckerhydrolyse mithilfe von Trockenhefe als Invertase-quelle und die Lactosehydrolyse mithilfe von Lactase-Kapselnuntersucht [11,12]. Im Laufe dieser Untersuchungen wechsel-te Roche Diagnostics sein Enzym/Coenzym GDH/PQQwegen Interferenzen mit anderen Kohlenhydraten gegen einmutiertes Enzym aus und dieses System lieferte in w�ssrigenLçsungen keine zuverl�ssigen Ergebnisse mehr. Hardee, Del-gado und Jones [2] untersuchten die Kinetik der Mutarotationder Glucose unter enzymatischer Katalyse mit einem One-Touch� Ultra2�-System von Lifescan (Abb. 7), das auf GOD/NAD beruht. Das OneTouch� Vita�-System arbeitet nachdem gleichen Reaktionsprinzip und liefert zuverl�ssige Ergeb-nisse mit recht geringen Standardabweichungen [12].Die Medizintechnik-Verordnungen in den USA und Europalassen Standardabweichungen von 20% bzw. 15% zu, was f�rLaborexperimente nicht akzeptabel w�re [3]. Die Glucometerund deren Sonden sind auf Vollblut und dort auf Plasmawertekalibriert. Da in w�ssrigen Lçsungen ganz andere Matrixbe-

dingungen vorliegen, m�ssen die Sonden zun�chst kalibriertwerden (Abb. 8). Diese Kalibrierung dient als Grundlage zurAuswertung der Experimente. Bei Enzymkinetik-Experimen-ten muss in gepufferten Lçsungen gearbeitet werden. Hierbeiwird im Bereich von pH=4,5 bis 8,0 mit Phosphatpuffer-Stan-dard-Lçsungen nach Sørensen gearbeitet:

Na2HPO4 ðCAS 89140-32-9, M ¼ 120,01 g mol�1Þ :

c ¼ 0,067 mol L�1 bzw: 1=15 mol L�1

KH2PO4 ðCAS 7778-77-0, M ¼ 136,09 g � mol�1Þ :

c ¼ 0,067 mol L�1 bzw: 1=15 mol L�1

(siehe Tab. 1).

Die Dosierung der 70 mL Na2HPO4-Lçsung erfolgt mit einerEppendorf-Pipette und alle Lçsungen werden mit einem pH-Meter kontrolliert. F�r geringere pH-Werte wird eine Puffer-Lçsung zur pH-Meter-Eichung (Acetat-Puffer) oder einCitrat-Puffer eingesetzt.

4.1 Rohrzuckerhydrolyse mit Oligase� 600

Das Nahrungserg�nzungsmittel Oligase� 6001 soll bei Verdau-ungsproblemen von Kohlenhydraten – speziell bei der Ver-dauung von H�lsenfr�chten – helfen und Gasbildung imDarm unterdr�cken [13]. Die Angaben der Hersteller zu denEnzymaktivit�ten beziehen sich auf eine amerikanische Norm,den FCC (Federal Chemical Codex), der als Literatur inDeutschland nur bei der Zentralbibliothek f�r Gesundheitund Ern�hrung zug�nglich ist. Diese Angaben sollen dahernicht weiter vertieft werden. In Oligase� 600 befinden sichvier Enzyme: Invertase, Lactase, Hemicellulase und Cellulase.Die Angaben auf Verpackung und Beipackzetteln entspre-chen teilweise nicht den �blichen Enzymbezeichnungen [14].Als Enzymquellen wurden vom Hersteller auf Nachfrage an-gegeben:Invertase (EC 3.2.1.26): Saccharomyces cerevisiaeLactase (EC 3.2.1.23): Aspergillus oryzaeHemicellulase: Undefinierte Mischung glykolytischer Enzyme

aus Xylanase, Mannase und anderen Enzy-men, hergestellt aus Aspergillus niger (CAS9025-56-3, EINECS 232-799-9)

Cellulase (EC 3.2.1.4): Trichoderma longibrachatium

Abb. 7: GlucometerOneTouch� Vita� vonLifescan mit Sondenund Zubehçr

Tab. 1:

pH 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0 7,5 8,0

V(KH2PO4) in mL 99,93 99,05 96,1 87,9 68,7 38,8 14,8 3,3V(Na2HPO4) in mL 0,07 0,95 3,9 12,1 32,3 61,2 85,2 96,9

Abb. 5: Linearisierung nach Lineweaver und Burk(Quelle: chemgapedia.de)

Abb. 6: Streuungen beim Lineweaver-Burk-Diagramm(Quelle: chemgapedia.de)

Abb. 8: Kalibrierung des Systems OneTouch� Vita� von Lifescan

1 Als Alternative zur Invertase aus Oligase� 600 kann auch InvertinMERCK eingesetzt werden, das als Backhilfsmittel eingesetzt wird(Bezugsquelle: http://www.backfun.de).

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In einem Vorversuch bei Raumtemperatur und pH=7,0erwies sich Oligase� 600 als hydrolytisch wirksam. Zur Unter-suchung der Enzymkinetik wurden Experimente mit unter-schiedlichen Substratkonzentrationen, pH-Werten und Tem-peraturen durchgef�hrt.

Versuch 1a: Untersuchungen zur Substratabh�ngigkeit

Ger�te und Chemikalien: Rollrandgl�ser, Einmal-PP-Spritzen10 mL, Insulin-Spritze oder Terumo-Spritze 1 mL, Mikroliter-Pipette (Eppendorf-Pipette) variabel 100–1000 mL, elektroni-sches Thermometer, Stoppuhren, Glucometer OneTouch�

Vita�, Oligase� 600-Lçsung: 1 Kapsel/mL, Saccharose-Stammlçsung, b=10 gdL�1, Puffer-Lçsungen nach SørensenVersuchsdurchf�hrung: Die Oligase� 600-Lçsung wird frischangesetzt und ca. 1 Stunde stehen gelassen. Es wird eine Ver-d�nnungsreihe f�r das Substrat Saccharose hergestellt:Stammlçsungen des Substrats: b=10,00 gdL�1* bzw.1,00 gdL�1 Saccharose

Puffer pH=7,0T=295 K(Tab. 2)

Die Reaktion wird mit 0,1 mL=100 mL Enzym-Lçsung gestar-tet. Dies kann mit einer Eppendorf-Pipette oder einerTerumo-Spritze erfolgen. Nach 10 Minuten wird die Glucose-Konzentration gemessen.Auswertung nach Lineweaver-Burk: Die Messergebnissewerden tabellarisch erfasst und auf die erforderlichen Einhei-ten und Grçßen umgerechnet. Abb. 9 zeigt den Graph.Aus dem x-Achsenabschnitt errechnet sich die Michaelis-Kon-stante KM =11,4 mmolL�1. In der Literatur wird bei pH=5,0und 308C ein Wert von 9,4 angegeben [15].

Auswertung mit SOLVER: Das Add-In SOLVER unterEXCEL erlaubt es, nach Eingabe experimentell ermittelteroder abgesch�tzter Daten f�r KM und Vmax durch Iterationeine vorgegebene Gleichung zu optimieren. In der Literaturist dies auch auf die Michaelis-Menten-Gleichung angewendetworden [16] (Abb. 10).

Versuch 1b: Ermittlung des pH-Optimums

Bei diesen Experimenten muss das Enzym hinreichend langeinkubiert werden: 5 mL Puffer werden mit 0,1 mL Enzym10 Minuten stehen gelassen und sodann wird die Reaktion mit5 mL Substrat gestartet.

Stammlçsungen des Substrats: b=1,00 gdL�1 SaccharosePuffer pH=4,0; 4,5; 5,0; 5,5; 6,0; 6,5; 7,0T=294 K

Versuchsauswertung: siehe Abb. 11Der gefundene Wert von pH=6 stimmt mit dem Literatur-wert �berein [15].

Versuch 1c: Ermittlung des Temperatur-Optimums

Auch hier muss das Enzym hinreichend lange inkubiertwerden: 5 mL Puffer werden mit 0,1 mL Enzym 60 Minutenim Schnappdeckelglas inkubiert und sodann wird die Reaktionmit 5 mL temperierter Substratlçsung gestartet.

Stammlçsungen des Substrats: b=1,00 g/dL SaccharosePuffer pH=7,0d=208C; 378C; 458C; 558C

Versuchsauswertung: siehe Abb. 12Der gefundene Wert von 458C stimmt mit dem Literaturwert�berein [15].

4.2 Lactosehydrolyse mit Oligase� 600

In einem Vorversuch bei Raumtemperatur und pH=7,0erwies sich Oligase� 600 gegen�ber Lactose als hydrolytischnicht wirksam. Erst bei Temperaturen um 558C und pH=5,0ergaben sich vern�nftige Ergebnisse. Diese Reaktionsbedin-gungen liegen in der N�he des Temperatur- und pH-Opti-mums [19]. Das bedeutete bez�glich der Temperierung einenerheblich grçßeren experimentellen Aufwand als bei derRohrzuckerhydrolyse. Das Versuchsschema glich dann dembei der Rohrzuckerhydrolyse.Ger�te und Chemikalien: Rollrandgl�ser, Einmal-PP-Spritzen10 mL, Insulin-Spritze oder Terumo-Spritze 1 mL, Mikroliter-Pipette (Eppendorf-Pipette) variabel 100–1000 mL, elektroni-sches Thermometer, Stoppuhren, regelbarer Heizr�hrer mit

Tab. 2:

Versuch-Nr. 1* 2 3 4 5 6

V(Puffer) in mL 9,0 4,0 5,0 6,0 7,5 1,0V(Substrat) in mL 1,0 6,0 5,0 4,4 2,5 9,0b(Substrat) in gdL�1 1,00 0,67 0,5 0,33 0,25 0,1

Abb. 9: Ergebnis der Linearisierung nach Lineweaver und Burk

Abb. 10: Ergebnis der iterativen Auswertung der Messdaten mitSolver

Abb. 11: pH-Optimum von Invertase aus Oligase� 600

Abb. 12: Temperatur-Optimum von Invertase aus Oligase� 600

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Thermof�hler als Thermostat, Kristallisierschale 500 mL alsWasserbad, Glucometer OneTouch� Vita�

Oligase� 600: Lçsung 1 Kapsel/mLLactose-Stammlçsung: b=5,00 gdL�1

Puffer-Lçsungen nach Sørensen

Versuch 2a: Untersuchungen zur Substratabh�ngigkeit

Versuchsdurchf�hrung: Die Oligase� 600-Lçsung wird frischangesetzt und ca. 1 Stunde stehen gelassen. Es wird eine Ver-d�nnungsreihe f�r das Substrat Lactose hergestellt und 30 Mi-nuten bei 558C temperiert:

Stammlçsungen des Substrats: b=5,00 gdL�1 LactosePuffer pH=5,0T=328 K

Versuchsdesign: siehe Tab. 3

Die Reaktion wird mit 0,1 mL=100 mL Enzym-Lçsung gestar-tet. Hier kann sowohl mit einer Eppendorf-Pipette als auchmit einer Insulin- bzw. Terumo-Spritze gearbeitet werden. Ineiner fr�heren Untersuchung wurde die Linearit�t der Reakti-on getestet: Es kann zwischen 10 und 30 Minuten gemessenwerden [12]. Nach 30 Minuten wird die Glucose-Konzentrati-on gemessen.Versuchsauswertung nach Lineweaver-Burk: Die Messergeb-nisse werden tabellarisch erfasst und auf die erforderlichenEinheiten und Grçßen umgerechnet. Der Graph ergibt sichwie in Abb. 13 dargestellt. Aus dem x-Achsenabschnitt errech-net sich die Michaelis-Konstante KM =18 mmolL�1. Dies ent-spricht dem Literaturwert [19].

Versuchsauswertung mit SOLVER : siehe Abb. 14In dieser Iteration wurde als Lçsung f�r KM =19 mmolL�1 an-gegeben.

Versuch 2b: Ermittlung des pH-Optimums

Bei diesen Experimenten muss das Enzym hinreichend langeinkubiert werden: 5 mL Puffer werden mit 0,1 mL Enzym30 Minuten stehen gelassen und sodann wird die Reaktion mit1 mL Substrat gestartet.

Stammlçsungen des Substrats: b=5,00 gdL�1 LactoseF�r die pH-Werte von 3,5 und 4,5 werden Citrat-Pufferlç-sungen verwendet.Puffer pH=3,5; 4,0; 4,5; 5,0; 5,5; 6,0; 6,5; 7,0; 7,5; 8,0T=294 K

Versuchsauswertung: siehe Abb. 15Der gefundene Wert von pH=5,0 stimmt mit dem Literatur-wert �berein [19].

Versuch 2c: Ermittlung des Temperatur-Optimums

Auch hier muss das Enzym hinreichend lange inkubiertwerden: 9 mL Puffer werden mit 0,1 mL Enzym 60 Minutenim Schnappdeckelglas inkubiert und sodann wird die Reaktionmit 1 mL temperierter Substratlçsung gestartet.

Stammlçsungen des Substrats: b=5,00 gdL�1 LactosePuffer pH=5,0d=218C; 378C; 458C; 558C; 708C

Versuchsauswertung: siehe Abb. 16Der gefundene Wert von 558C stimmt mit dem Literaturwert�berein [19].

4.3 Untersuchungen zur Inhibition

In Datenbanken findet man diverse Mçglichkeiten der Inhibi-tion bei Invertase und Lactase, z.B. mit Ag+- und Cu2+-Ionen[17]. Diese Ionen sind in der Schule gebr�uchlich und unbe-denklich. Da wir bei unseren Untersuchungen Phosphat-Puffer verwendeten, schied die Inhibition mit Ag+-Ionenwegen des Lçslichkeitsproduktes von Ag3PO4 aus. Bei der In-hibition mit Cu2+-Ionen muss aus gleichem Grunde wegen dermçglichen Bildung von Cu(OH)2 im sauren Bereich gearbeitetwerden.Der Inhibitionstyp kann wiederum mit dem Lineweaver-Burk-Diagramm ermittelt werden. Bei Schwermetall-Ionen

Tab. 3:

Versuch-Nr. 1 2 3 4 5

V(Puffer) in mL 5,0 6,0 7,0 8,0 9,0V(Substrat) in mL 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0b(Substrat) in gdL�1 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5

Abb. 15: Ermittlung des pH-Optimums f�r Lactase ausOligase� 600

Abb. 13: Ergebnis der Linearisierung nach Lineweaver und Burk

Abb. 14: Ergebnis der iterativen Optimierung mit SOLVER

Abb. 16: Ermittlung des Temperatur-Optimums f�r Lactase ausOligase� 600

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liegt h�ufig eine gemischt-kompetitive Hemmung vor: DerInhibitor kann reversibel das Enzym und den Enzym-Sub-strat-Komplex angreifen und steht somit in Konkurrenz zumSubstrat.

E þ Sk1

k�1

�! � ES k2�! E þ P

þ þI I

k�3

k3

�! �k�3

k3

�! �EI þ S

k1

k�1

�! � ESI

F�r die kompetitive Hemmung hat dies entsprechende Konse-quenzen f�r den Ansatz nach Michaelis und Menten:

v ¼ Vmax � c0ðSÞc0ðSÞ þKM � i

mit i ¼ 1þ ðk3 � c0ðIÞk�3

Þ ð4Þ

Die Linearisierung nach Lineweaver und Burk ergibt eineGerade mit grçßerer Steigung (Abb. 17):

1v¼ 1

VmaxþKM � i

Vmax� 1c0ðSÞ

ð5Þ

Beim gemischten Typ ergibt sich ein �hnlicher Ansatz:

v ¼ Vmax � c0ðSÞðc0ðSÞ þKMÞ � ð1þ cðIÞ

KiÞ

mit

Ki ¼cðEÞ � cðIÞ

cðEIÞ bzw: K0 i ¼cðESÞ � cðIÞ

cðESIÞ

ð6Þ

und in Lineweaver-Burk-Darstellung:

1v¼ð1þ cðIÞ

KiÞ

Vmaxþ

KM � ð1þ cðIÞKiÞ

Vmax� 1c0ðSÞ

ð7Þ

Ein vollst�ndiger Ansatz m�sste noch die mçglichen unter-schiedlichen Gleichgewichtskonstanten f�r Ki ber�cksichtigen.Die Gerade hat nicht nur eine andere Steigung, sondern aucheinen anderen Vmax-Achsenabschnitt (Abb. 18).

Versuch 3a: Inhibition von Invertase

In einer Untersuchung im Rahmen des Science One Programder University of British Columbia (CA) wurde festgestellt,dass bei Kupfer(II)-Sulfat ein gemischter Inhibitionstyp vor-liegt, der von der Konzentrationen der Cu2+-Ionen abh�ngigist: Bei Konzentrationen von weniger als 2,2 mmol fand maneine nichtkompetitive, bei Konzentrationen �ber 4,4 mmol

eine kompetitive Inhibition [18]. Kern, Dorer und Habekostkonnten bei Urease und Katalase mithilfe sogenannter Anti-dots die Inhibition r�ckg�ngig machen [19]. Bei allen Unter-suchungen muss beachtet werden, dass auch die verwendetenSubstratkonzentrationen einen Einfluss auf die Ergebnissehaben. Bei hohen Substratkonzentrationen kann es zu einerSubstrathemmung kommen. Die Cu2+-Ionen greifen in dieTerti�rstruktur des Enzyms ein, indem sie mit den Sulfhydryl-gruppen des Cysteins und Methionins komplexieren sowieSchwefelbr�cken zerstçren kçnnen. Diese Hemmungengelten nach Lehrbuchmeinung als irreversibel. ReversibleHemmungen sind durch Komplexierung der Cu2+-Ionen mitfreien Aminogruppen denkbar und werden diskutiert [20].Die ungehemmten Experimente gelingen problemlos beiRaumtemperatur. In Vorversuchen wurde die mçgliche Kon-zentration des Inhibitors getestet und daraus das Versuchsde-sign erstellt.Ger�te und Chemikalien: CuSO4-Lçsung, c=0,1 molL�1,Puffer-Lçsung nach Sørensen pH=5,0, Saccharose-Lçsung,b=10,00 gdL�1* bzw. 1,00 gdL�1

Ansonsten wird wie bei der Saccharosehydrolyse verfahren.Versuchsdurchf�hrung: Die Oligase� 600-Lçsung wird frischangesetzt und ca. 1 Stunde stehen gelassen. Das Enzym-Puffer-Gemisch wird 20 Minuten inkubiert und dann mit derSaccharose-Lçsung gestartet. Es werden nebeneinander je-weils Experimente mit und ohne Inhibitor durchgef�hrt. Ge-startet wird nach einer Inkubationszeit von 20 min mit derLactose-Lçsung. Bei der Dosierung des Enzyms kann sowohlmit einer Eppendorf-Pipette als auch mit einer Terumo-Sprit-ze gearbeitet werden.Rechnerisch betr�gt die Konzentration des Inhibitors0,1 mL · 0,1 mol/L/10 mL=1 mmolL�1. Nach 10 Minuten wirddie Glucose-Konzentration gemessen.Versuchsdesign: siehe Tab. 4

Abb. 17: Lineweaver-Burk-Diagramm f�r die kompetitive Hemmung(1: ungehemmt, i2< i3)

Abb. 18: Lineweaver-Burk-Darstellung f�r die gemischt-kompetitiveHemmung

Tab. 4:

Versuch-Nr. 1* 2 3 4 5 6 7

V(Puffer) in mL 9,0 4,0 5,0 6,0 7,5 8,0 1,0V(Substrat) in mL 1,0 6,0 5,0 4,4 2,5 2,0 9,0b(Substrat) gdL�1 1,00 0,67 0,5 0,33 0,25 0,2 0,1

20 � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim CHEMKON 2014, 21, Nr. 1, 15 – 22

ARTIKEL Heinzerling, Schanze

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Bei der gehemmten Hydrolyse wird zum Puffer 0,1 mL Inhibi-tor gegeben. Die Inkubationszeit betr�gt 20 Minuten, jeweilsgleiche Reaktionspaare werden parallel durchgef�hrt(Abb. 19). Aus dem Graph geht eine kompetitive Hemmunghervor.

Versuch 3b: Inhibition von Lactase

Zur Inhibition von Lactase mit Cu2+-Ionen gibt es eine Unter-suchung [20], die zu �hnlichen Ergebnissen kommt wie dasoben zitierte White Paper. Der Einfluss erfolgt auf das alloste-rische Zentrum und f�hrt wie oben zu nicht eindeutigen Inhi-bitionsmustern. Die Experimente wurden mit einer Inhibitor-Konzentration von 1 mmol durchgef�hrt. Wegen des oben be-schriebenen großen Aufwandes bei der Verwendung von Oli-gase� 600 wurde hier mit dem Nahrungserg�nzungsmittelLactrase� 3300 gearbeitet. Die Kapseln enthalten neben Lac-tase nur noch schwer lçsliches Calciumhydrogenphosphat –vom Hersteller f�lschlicherweise Dicalciumphosphat genannt– als Trennmittel und sollen Patienten mit Lactoseintoleranzhelfen [21]. In einer fr�heren Untersuchung konnte gezeigtwerden, dass enzymkinetische Experimente bereits bei Zim-mertemperatur gelingen [12]. W�ssrige Lçsungen mit diesemEnzym sind im K�hlschrank tagelang stabil. Auch hier wurdein Vorversuchen die mçgliche Konzentration des Inhibitorsgetestet und daraus das Versuchsdesign erstellt.Ger�te und Chemikalien: CuSO4-Lçsung, b=0,1 molL�1,Puffer-Lçsung nach Sørensen pH=5,0, Lactrase� 3300-Lçsung: 1 Kapsel/mLAnsonsten wird wie bei der Lactasehydrolyse verfahren.Versuchsdurchf�hrung: Die Lactrase� 3300-Lçsung wird frischangesetzt und ca. 1 Stunde stehen gelassen. Die Linearit�tunter den Bedingungen pH=5,0 und T=394 K wird gemessen(Abb. 20). Aus dem Graphen geht eine optimale Messzeit vont=5 min hervor.Es werden nebeneinander jeweils Experimente mit und ohneInhibitor durchgef�hrt. Zur Puffer-Lçsung wird 0,1 mLEnzym-Lçsung gegeben. Bei der Dosierung des Enzyms kannsowohl mit einer Eppendorf-Pipette als auch mit einerTerumo-Spritze gearbeitet werden. Gestartet wird nach einer

Inkubationszeit von 20 min mit der Lactose-Lçsung. Rechne-risch betr�gt die Konzentration des Inhibitors 0,5 mL·0,1 mol/L/10 mL=5 mmolL�1. Nach 5 Minuten wird die Glucose-Konzentration gemessen.Versuchsdesign:Versuchsauswertung: siehe Abb. 21. Auch hier ergibt das Ex-periment unter diesen Randbedingungen eine kompetitiveHemmung.

5. Einbettung in die Ausbildung und in denUnterricht

Mit Experimenten zur Enzymkinetik werden Konzepte erar-beitet, die sowohl aus der Perspektive der Biochemie (z.B.Wirkungsweise von Enzymen, Einflussgrçßen, Inhibition) alsauch der Physikalischen Chemie (z.B. Reaktionsgeschwindig-keit, Reaktionsordnung, Einflussgrçßen) betrachtet werdenkçnnen. Die hier vorgestellten Experimente lassen sich somitressourcenschonend und zeitçkonomisch sehr gut in die Prak-tikumsausbildung relevanter Studieng�nge einbinden. Insbe-sondere den Studierenden des Lehramts Chemie bieten dieseExperimente mit Materialien aus der Lebenswelt einen kreati-ven Zugang, der auch f�r die eigene sp�tere Unterrichtspla-nung Impulse geben kann. Hier kann im begleitenden Semi-nar zum einen eine Analyse zum Potenzial und den Grenzenderartiger Messger�te durchgef�hrt werden; zum anderenkann die oben angesprochene unklare Befundlage in der Lite-ratur zur reversiblen oder irreversiblen Hemmung der Cu2+-Ionen f�r die fachliche Bewertung experimenteller Ergebnissethematisiert werden [22].Auch im Schulunterricht bieten sich Einsatzmçglichkeiten invertiefenden Kursen oder Facharbeiten. Enzymkinetik ist inden Kerncurricula einiger Bundesl�nder sowohl im FachChemie als auch Biologie als verbindlicher Inhalt vorgeschrie-

Abb. 19: Ergebnisse zur Inhibition bei der Saccharosehydrolyse(pH=5,0 und T=394 K) (rot: Inhibition; blau: ungehemmt)

Tab. 5: Mit Inhibitor: Zum Puffer wird 0,5 mL CuSO4-Lçsung gege-ben

Versuch-Nr. 1 2 3 4 5

V(Puffer)in mL 4,5 5,5 6,5 7,5 8,5V(Substrat) in mL 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0b(Substrat)in gdL�1 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5

Abb. 21: Ergebnisse zur Inhibition beider Lactosehydrolyse (pH=5,0und T=394 K) (rot: Inhibition; blau: ungehemmt)

Tab. 6: Ohne Inhibitor

Versuch-Nr. 1 2 3 4 5

V(Puffer) in mL 5,0 6,0 7,0 8,0 9,0V(Substrat) in mL 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0b(Substrat) in gdL�1 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5

Abb. 20: Enzymatische Hydrolyse von Lactose bei pH=5,0 undT=394 K

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ben [23]. In der schulnahen Literatur wird f�r solche Untersu-chungen als Enzym meist Urease eingesetzt [24]. In einemSchulbuch findet sich ein interessanter Insulin-Kontext, zudem die oben beschriebenen Experimente gut passen w�rden[25]. Die vorhandene deutschsprachige Schulliteratur arbeitetmeist mit photometrischen Methoden. Von daher stellt dievorliegende Messmethode einen erheblichen Fortschritt dar,da sie das Messergebnis direkt und in k�rzester Zeit liefert.Im Chemie- und Biologieunterricht wird die Physik der Mess-methode nicht hinterfragt, sondern lediglich die Gesetzm�ßig-keit zum Zusammenhang zwischen Konzentration und Messsi-gnal, da Letzteres gesondert ausgewertet werden muss. DieseErçrterung entf�llt hier. Die im Informationsmaterial des Her-stellers erw�hnte Amperometrie ist mit einfachen Gesetzm�-ßigkeiten der Physik zu erkl�ren. Es ist sinnvoll, die Blutzu-cker-Messungen und ihre Bedeutung f�r den Diabetiker imZusammenhang mit den Kohlenhydraten zu behandeln unddabei die Historie der Messmethoden zu recherchieren.Gleichzeitig ist es sehr spannend, die neueste Entwicklung zuverfolgen. Das Innovationstempo ist so rasant, dass auf dieDauer nicht alle Marktteilnehmer dem gewachsen seinwerden. Ein großer deutscher Konzern �berlegte j�ngst, sichvon dem Gesch�ftsbereich zu trennen, nachdem ein starkerMitbewerber neue Systeme auf den Markt gebracht hat, die�ber das iPhone die Messwerte erfassen und kommunizieren.Dieser Mitbewerber bietet alles aus einer Hand: Von der Dia-gnose bis zur Insulintherapie.Weiterhin kçnnen im Unterricht auch Sinn und Unsinn derNahrungserg�nzungsmittel hinterfragt werden. Wenn empfoh-len wird, solche Mittel zu den Mahlzeiten einzunehmen, dieExperimente bei niedrigen Temperaturen versagen oder nursehr langsam ablaufen, so gibt das zu denken. Interessant f�rSch�lerinnen und Sch�ler kçnnten auch fachliche Anfragenzu den Beipackzetteln bei den Herstellern sein: Die Qualit�tder Antworten ist sehr schwankend.

6. Zusammenfassung und AusblickDer vorgelegte Beitrag zeigt auf, dass es sinnvoll ist, sich auchin der nichtdeutschsprachigen Literatur umzuschauen. Es istsehr spannend, in der amerikanischen Referenzzeitschrift zudiesem Thema zu recherchieren: Die Entwicklung der Mess-methoden zieht sich stringent durch die Quellen. Die vorge-stellte Methode ist einfach, liefert direkte und recht zuverl�ssi-ge Ergebnisse mit relativ geringem apparativem Aufwand. Eswird in weiteren experimentellen Untersuchungen die Kom-munikation der Ger�te mit Computer, Handhelds, Handysund der Cloud hinterfragt.

DankDer Fonds der chemischen Industrie (FCI) hat die Arbeit mitFinanzmitteln unterst�tzt.Sabine Klevenz von Lifescan Deutschland hat f�r die erstenUntersuchungen großz�gig Messger�t und Sonden zur Verf�-gung gestellt. Auch andere Hersteller, deren Systeme sich alsnicht tauglich herausstellten, unterst�tzten diese Arbeit(Roche Diagnostics, Bayer Health Care, B. Braun Melsun-gen).Prof. Dr. Detlef W. Bahnemann vom Institut f�r TechnischeChemie der Leibniz Universit�t Hannover stellte Laborres-sourcen zur Verf�gung und hat die Arbeiten mit hilfreichenDiskussionen begleitet.Prof. Dr. Dietmar Schomburg, Abteilung f�r Bioinformatikund Biochemie der Technischen Universit�t Braunschweig,hat bei einer schwierigen Literaturrecherche geholfen.

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Eingegangen am 25. Juli 2012Angenommen am 29. Juli 2013Online verçffentlicht am 21. Januar 2014

22 � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim CHEMKON 2014, 21, Nr. 1, 15 – 22

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