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Ergonomie Ergonomie a k t u e l l Ergonomie Lehrstuhl für Ergonomie Boltzmannstr. 15 • 85747 Garching • Tel. 089 - 289-15388 • Fax 089 - 289-15389 • Internet: www.ergonomie.tum.de EDITORIAL Liebe Kolleginnen und Kollegen Sehr geehrte Leserinnen und Leser Freunde und Förderer der Ergonomie Das diesjährige Heft der Ergonomie aktuell wird Ihnen einmal mehr eindrucksvoll die Bandbreite der Themen vermitteln, zu denen am Lehrstuhl für Ergonomie der Technischen Universität München intensiv geforscht wird. Dabei werden Sie Arbeiten entdecken, in denen noch die Früchte der Forschungsaktivitäten meines Vor- gängers Professor Bubb geerntet werden konnten. Zusätzlich auch neue Projekte, die seit dem Erscheinen der vorherigen Ausgabe gestartet wurden. In diesem Zu- sammenhang tauchen die Namen und Gesicher zahlreicher neuer MitarbeiterInnen auf, die inzwischen in den Bereichen Anthropometrie, Systemergonomie und Mo- dellierung menschlicher Zuverlässigkeit aktiv sind. Im Bereich der Fahrzeugforschung arbeiten wir, über die aktive Sicherheit und Controllability hinaus, unter anderem im Cluster Elektromobilität an Assistenzkon- zepten für vorausschauendes Fahren und effiziente Mobilität. Im Bereich der Pro- duktionsergonomie gewinnt die sichere und effiziente Kooperation zwischen Mensch und Roboter an Bedeutung. Der LfE führt hier entsprechende Bewegungs- studien durch und arbeitet an den notwendigen Interaktionskonzepten. Die Mitarbeiter des Lehrstuhls sind international gesuchte Ansprechpartner und die Abgänger des vergangenen Jahres wurden bei namhaften Unternehmen ange- stellt. Als Lehrstuhlinhaber freut es mich besonders, dass die Münchner Ergonomie gerade auf diesem Weg ihre Bestätigung findet. Das vergangene Jahr war vor allem geprägt durch den Ausbau des Usability La- bors, des Sportlabors in Garching und die Verankerung der Vorlesung Versuchs- planung & Statistik im Lehrangebot. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei allen MitarbeiterInnen für ihr Forschungsen- gagement und bei Professor Heiner Bubb für seine – wie könnte es anders sein – nach wie vor intensive Mitarbeit. Das LfE Team und mich würde es freuen, wenn diese Ausgabe der Ergonomie ak- tuell Sie neugierig gemacht hat und wir Sie in Garching am Lehrstuhl begrüssen können. Wir wünschen Ihnen viel Freude bei der Lektüre. Ihr Klaus Bengler „Projekte im Zieleinlauf und an der Startlinie“ Prof. Dr. phil. Klaus Bengler Editorial 1 RAMSIS kognitiv Wolfram Remlinger 2 A-Säulenverdeckung im Kreuzungsverkehr Wolfram Remlinger, A. Zaindl 4 DHErgo: Mehr Dynamik für digitale Menschmodelle Florian Engstler, Fabian Günzkofer 5 Zeichnen für illustrative und präsentations- fähige Darstellung Andreas Haslbeck 9 LfE- Themen zum Sitzkomfort O. Sabbah, U. Herbst, D. Lorenz, St. Lorenz 10 Eigenschaftsentwicklung für Fahrerassistenzsysteme mittels eines innovativen und durchgängigen Entwicklungsprozesses B. Strasser; Th.Bock; K.-H. Siedersberger; G. Duba; M. Maurer; H. Bubb 13 Herausforderungen für die Gestaltung von Überwachungs - Arbeitsplätzen I. J.-Fraczek, D. Bortot, S. Popova, K. Bengler 17 Ehrungen / Preisse / Veranstaltungen 23 - 27 Analyse des Blickverhaltens an Kreuzungen als Grundlage für die Gestaltung von Assistenzsystemen 28 Marina Plavšić Internationale Messe-Präsentation der TUM 31 Veit Senner Wissenschaftlicher Skivergleichstest 32 Veit Senner Neue Projekte 33 - 35 Wer ist neu am LfE 36 Werner Zopf Veröffentlichungen des LfE 39 Aktuelle Forschung am Fachgebiet SpGM 41 Veit Senner Ausgabe 011 Sommer 2010 ISSN 1616-7627 Die Fach-Zeitschrift aus dem Lehrstuhl für Ergonomie

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EDITORIAL

Liebe Kolleginnen und KollegenSehr geehrte Leserinnen und LeserFreunde und Förderer der Ergonomie

Das diesjährige Heft der Ergonomie aktuell wirdIhnen einmal mehr eindrucksvoll die Bandbreiteder Themen vermitteln, zu denen am Lehrstuhlfür Ergonomie der Technischen UniversitätMünchen intensiv geforscht wird. Dabei werdenSie Arbeiten entdecken, in denen noch dieFrüchte der Forschungsaktivitäten meines Vor-gängers Professor Bubb geerntet werden konnten. Zusätzlich auch neue Projekte,die seit dem Erscheinen der vorherigen Ausgabe gestartet wurden. In diesem Zu-sammenhang tauchen die Namen und Gesicher zahlreicher neuer MitarbeiterInnenauf, die inzwischen in den Bereichen Anthropometrie, Systemergonomie und Mo-dellierung menschlicher Zuverlässigkeit aktiv sind.

Im Bereich der Fahrzeugforschung arbeiten wir, über die aktive Sicherheit undControllability hinaus, unter anderem im Cluster Elektromobilität an Assistenzkon-zepten für vorausschauendes Fahren und effiziente Mobilität. Im Bereich der Pro-duktionsergonomie gewinnt die sichere und effiziente Kooperation zwischenMensch und Roboter an Bedeutung. Der LfE führt hier entsprechende Bewegungs-studien durch und arbeitet an den notwendigen Interaktionskonzepten.Die Mitarbeiter des Lehrstuhls sind international gesuchte Ansprechpartner und dieAbgänger des vergangenen Jahres wurden bei namhaften Unternehmen ange-stellt. Als Lehrstuhlinhaber freut es mich besonders, dass die Münchner Ergonomiegerade auf diesem Weg ihre Bestätigung findet.

Das vergangene Jahr war vor allem geprägt durch den Ausbau des Usability La-bors, des Sportlabors in Garching und die Verankerung der Vorlesung Versuchs-planung & Statistik im Lehrangebot.Ich bedanke mich an dieser Stelle bei allen MitarbeiterInnen für ihr Forschungsen-gagement und bei Professor Heiner Bubb für seine – wie könnte es anders sein –nach wie vor intensive Mitarbeit.Das LfE Team und mich würde es freuen, wenn diese Ausgabe der Ergonomie ak-tuell Sie neugierig gemacht hat und wir Sie in Garching am Lehrstuhl begrüssenkönnen.Wir wünschen Ihnen viel Freude bei der Lektüre.

Ihr

Klaus Bengler

„Projekte im Zieleinlauf und an der Startlinie“

Prof. Dr. phil. Klaus Bengler

Editorial 1

RAMSIS kognitivWolfram Remlinger 2

A-Säulenverdeckung im KreuzungsverkehrWolfram Remlinger, A. Zaindl 4

DHErgo: Mehr Dynamik für digitale MenschmodelleFlorian Engstler, Fabian Günzkofer 5

Zeichnen für illustrative und präsentations-fähige DarstellungAndreas Haslbeck 9

LfE- Themen zum SitzkomfortO. Sabbah, U. Herbst, D. Lorenz, St. Lorenz 10

Eigenschaftsentwicklung für Fahrerassistenzsysteme mittels eines innovativen und durchgängigen EntwicklungsprozessesB. Strasser; Th.Bock; K.-H. Siedersberger; G. Duba; M. Maurer; H. Bubb 13

Herausforderungen für die Gestaltung von Überwachungs - ArbeitsplätzenI. J.-Fraczek, D. Bortot, S. Popova, K. Bengler 17

Ehrungen / Preisse / Veranstaltungen 23 - 27

Analyse des Blickverhaltens an Kreuzungenals Grundlage für die Gestaltung von Assistenzsystemen 28Marina Plavšić

Internationale Messe-Präsentation der TUM 31Veit Senner

Wissenschaftlicher Skivergleichstest 32Veit Senner

Neue Projekte 33 - 35

Wer ist neu am LfE 36Werner Zopf

Veröffentlichungen des LfE 39

Aktuelle Forschung am Fachgebiet SpGM 41Veit Senner

Ausgabe 011Sommer 2010

ISSN 1616-7627Die Fach-Zeitschrift aus dem Lehrstuhl für Ergonomie

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Der Lehrstuhl für Ergonomie (LfE) beschäftigt sich be-reits seit mehr als 30 Jahren mit digitalen Modellendes Menschen. Bereits 1986 mündete dies in einer Zu-sammenarbeit mit dem Softwareunternehmen TecmathGmbH in Kaiserslautern zur gemeinsamen Entwick-lung des „Rechnergestützten Anthropometrisch-Ma-thematischen Systems zur Insassen-Simulation“(RAMSIS) im Auftrag der deutschen Automobilindu-strie. Obwohl im Zielkatalog für RAMSIS bereits da-mals ein sehr weites Spektrum von Simula-tions- und Analysefähigkeiten gewünscht wurde, stan-den die Abbildung des Körpermaßspektrums und dieSimulation der Körperhaltungen, speziell im Fahrzeug,im Vordergrund der programmtechnischen Implemen-tierung. Nachdem RAMSIS aufgrund vieler Ergänzun-gen und Optimierungen mit der Zeit zum führendenProdukt im internationalen Markt der 3D-Menschmo-delle heranwuchs, erweiterten sich auch die Ansprü-che von Erwartungen an den Einsatzbereich und dieFähigkeiten dieses Tools kontinuierlich.

Am LfE wurde bereits seit vielen Jahren die Möglich-keit diskutiert, RAMSIS auch bezüglich kognitiverAspekte weiterzuentwickeln. Diese Vision erscheintsehr verheißungsvoll zu sein. Gleichzeitig ist sie sehrambitioniert. Um einen ersten Umsetzungsschritt zudiesem ferneren Ziel eines kognitiven Menschmodellszu gehen, wurde im Jahr 2006 von der Human Soluti-ons GmbH, wie Tecmath heute heißt, ein Projekt kon-zipiert, das diesen Weg inzwischen eingeleitet hat.

Das Funktionsmodul ‚RAMSIS kognitiv’ erweitert dasbis dato rein anthropometrische Menschmodell um Fähigkeiten zur Analyse und Simulation des menschli-chen Wahrnehmungsprozesses. Dabei steht zunächstdie visuelle Informationsaufnahme im Vordergrund.Der Projektumfang von ‚RAMSIS kognitiv’ beinhalteteinen Umfang von elf neuen Funktionen zur Analyseund Simulation der geometrisch-optischen Eigenschaf-ten der visuellen Informationen sowie der optisch-phy-siologischen Bedingungen der Sichtbarkeit dieserInformationen für den Menschen.

Das Projekt selbst wurde getragen und finanziert vonmehreren Unternehmen aus dem RAMSIS-Konsor-tium, nämlich den Automobilherstellern Audi, BMW,Daimler, Porsche und Volkswagen. Sie alle verwendenRAMSIS in CATIA V5. Diese Tatsache bestimmte fürdas Projekt die bevorzugte Anwenderplattform. Denneinige der Funktionen basieren auf den geometrischenFähigkeiten dieses mächtigen CAD-Systems. Zeitlichwurde das Projekt auf eine Gesamtlaufzeit von dreiJahren ausgerichtet, in drei Phasen aufgeteilt und vonAnfang 2007 bis Anfang 2010 durchgeführt. Gegen-über zuvor durchgeführten RAMSIS-Projekten sollteeine Umsetzung der wissenschaftlichen Grundlagen indie reguläre Software deutlich zügiger vorgenommenwerden. Für jeweils drei bzw. vier der insgesamt elfFunktionen erfolgte in jedem Projektjahr am LfE dievollständige inhaltliche Konzeption und Spezifikation

sowie bei Human Solutions die Programmierung. Dadurch konnten in jedem der drei einjährigen Projekt-abschnitte neue Funktionsumfänge fertig gestellt wer-den, die jeweils direkt in die Software-Versionen derProjektpartner einflossen und sogleich für die Anwen-der in den Unternehmen nutzbar waren. Für alle Betei-ligten bestand so die Möglichkeit, kontinuierlichZwischenergebnisse zu prüfen, und auch gegebenen-falls erforderliche Korrekturen im Projekt unmittelbareinzubringen.

Die Funktionen selbst sind zugeschnitten auf dasSpektrum der visuellen Informationen, die ein Fahrersowohl aus dem Innenraum seines Fahrzeugs, alsovon der unmittelbaren Mensch-Maschine-Schnittstelle,erhält, als auch auf die Umgebungsinformationen ausdem Umfeld seines Fahrzeugs, die das Feedback sei-ner Führungsaufgabe vermitteln.Im Einzelnen stehen dem RAMSIS-Anwender nunFunktionen zu folgenden ergonomischen Aspekten zurVerfügung:� Sichtfelder und Blickfelder � Brillensicht, besonders durch Gleitsichtgläser� Akkomodationseinschränkungen� Sehschärfe� Identifikation von Blendungssituationen durch

Spiegelungen� Verdeckungseffekte� Sichtbedingungen von LCDs� Sichtanforderungen an Head up Displays� Projektion der Sicht nach außen� Bewertung der Sicht durch das Daimler-Scholly-

Verfahren� Sicht auf Streckenverlauf und andere Verkehrs-

teilnehmer� Vorausschau und dynamische Sichtgrenzen

Die Funktionen stützen sich dabei vielfach auf ergono-misches Grundlagenwissen, das größtenteils bereitsals wissenschaftlicher Kenntnisstand in der Literaturbekannt ist. Die besondere Anforderung des Projektesbestand darin, diese theoretischen Kenntnisse in An-wendungsfunktionen zu überführen, die eine direkteaussagefähige Nutzung im 3D-CAD-Modell mit Hilfevon RAMSIS erlauben. Damit wurde die Hürde deut-lich abgesenkt, bekanntes Theoriewissen mit direkter

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RAMSIS kognitivWolfram Remlinger

Akkomodationsabstände zum Auge

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praktischer Aussagekraft anzuwenden. Die Abbildun-gen zeigen eine Reihe von beispielhaften Einsatzsitua-tionen einiger dieser neuen RAMSIS-Funktionen.

Das ausgesprochen positive Feedback aus den Rei-hen der RAMSIS-Anwender in den Ergonomieabteilun-gen der Automobilunternehmen bestätigte bereits während der Projektlaufzeit den Erfolg des Projektes‚RAMSIS kognitiv’!

Einzelne Funktionen wie die Analyse von Spiegelungensind aus der täglichen Arbeit einiger Anwender in derIndustrie kaum mehr wegzudenken.

Die ersten Fahrzeugmodelle, bei deren Entwicklung Funktionen aus ‚RAMSIS kognitiv’ zum Einsatz kamen,

werden bereits in Serie pro-duziert und verkauft. Wir freuen uns am Lehr-stuhl für Ergonomie sehrdarüber, dass die Arbeitser-gebnisse dieses Projektesso schnell von den RAM-SIS-Anwendern angenom-men wurden und in derPraxis Fuß fassen. Denndies ist seit je her ein Kern-ziel der ‚Münchner Ergono-mie’. Diese Bestätigung gibt unsaußerdem große Hoffnung,dass nach diesem erstenSchritt die Weiterentwick-lung eines umfassendenkognitiven Menschmodellsin einem konkreten For-schungsprojekt weiterver-folgt werden kann.

Literatur zum Projekt:

Remlinger, Wolfram (2007). Erweiterte Möglichkeiten derSichtanalyse mit dem Menschmodell RAMSIS. InM. Grandt und A. Bauch (Hrgs.), Simulationsge-stützte Systemgestaltung (DGLR-Bericht 2007-04, S. 189-198). Bonn: Deutsche Gesellschaft fürLuft- und Raumfahrt e.V.

Remlinger, W.; Bubb, H.: RAMSIS kognitiv - das Menschmo-dell lernt sehen. In: Jahresdokumentation 2008.Bericht zum 54. Kongress der Gesellschaft für Ar-beitswissenschaft vom 9.-11. April 2008 in Mün-chen. Dortmund, GfA-Press, 2008, S. 51-56.

Remlinger, W.; Bubb, H.: Sichtanalyse mit dem Menschmo-dell RAMSIS unter Berücksichtigung altersbe-dingter Sehschwächen. In: Produktdesign für alle:Für Junge = für Alte? Tagungsband 15.und 16.Mai 2008 BG-Akademie Dresden, S. 131-135

Remlinger, W.; Bubb, H.; Wirsching H.-J. (2008): New Featu-res fort he Sight Analysis with RAMSIS; 11th SAEDigital Human Modeling for Design and Enginee-ring Conference, June 17-19, 2008 in Pittsburgh,PA, USA (Paper No. 08DHM 0014)

Remlinger, W.; Bubb, H.; Wirsching H.-J. (2009): Sight Analy-sis with ‘RAMSIS Cognitive’: Step II; SAE, 2009,(Paper No. 09DHM 0041)

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Binokulare ‚Sichtbanane’ durch das Lenkrad

Zeitbedarf für Blickwechsel

Sichtverdeckungsprojektion

Gesichtsfeld mit Gleitsichtbrille

Konzeption eines HUD-Strahlengangs

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Die A-Säule von Automobilen wurde in den vergange-nen Jahrzehnten zusammen mit der aerodynamischenOptimierung der Frontscheibe kontinuierlich flacher ge-stellt. Aufgrund einer Definitionslücke in der Zulas-sungsverordnung dürfen flacher angestellte A Säulenbreiter ausgeführt werden als steile. Dies führt dazu, dass moderne Fahrzeuge erheblichbreitere A-Säulen besitzen, die den Fahrern teilweiseerhebliche Sichtprobleme bereiten. Mit Hilfe des Fahr-simulators und umfangreicher Messtechnik wurde amLfE ein Probandenversuch mit insgesamt 46 Proban-den durchgeführt, um einen Effekt dieser Sichtverdek-kungsproblematik im Verkehr zu untersuchen.

Es wurde eine Versuchsstrecke mit mehreren Gefah-rensituationen an gut einsehbaren Kreuzungen vonLandstraßen programmiert. Zusätzlich wurde eineSynchronisation der Geschwindigkeiten des queren-den Verkehrs mit der Geschwindigkeitswahl des Pro-banden vorgenommen. Diese Synchronisierung derGeschwindigkeiten erfolgte mit dem Ziel, Fahrzeugedes Querverkehrs in eine definierte Verdeckungssitua-tion der A-Säulen des eigenen Fahrzeuges zu bringen.Die Fahrzeuge des Querverkehrs nähern sich somit ineiner so genannten ‚Stehenden Peilung’ hinter einer A-Säule und sind für die Versuchspersonen aus ihrernormalen Fahrhaltung somit praktisch unsichtbar(Abbi. So entstanden neun mehr oder weniger kritische Kreu-zungssituationen, die in eine 15-minütige Versuchs-fahrt über eine Überlandstrecke eingebettet wurden.

Obwohl die Konstruktion dieser kombinierten undsichtverdeckten Annäherung an eine Kreuzung füreinen einzelnen Autofahrer einen seltenen Ausnahme-fall darstellt, tritt dieses Phänomen aufgrund der Viel-zahl von Verkehrsteilnehmern auch auf BayerischenLandstraßen täglich auf und führt häufig zu Unfällenmit schwersten Personenschäden. Die Straßenbauäm-ter führen gemeinsam mit dem ADAC an unfallträchti-gen Kreuzungen bauliche Veränderungen zur Redu-zierung der Anfahrgeschwindigkeit mit dem Zweck derUnfallvermeidung durch.

Die Auswertung dieser Studie konnte erstmals diesesUnfallphänomen präzise abbilden und analysieren. DerSimulatorversuch erklärt auch den Wirkungsmechanis-mus der baulichen Maßnahmen an den Kreuzungen,die das Unfallrisiko wirkungsvoll reduzieren können.Bei den Versuchsfahrten wurde eine Vielzahl vonDaten aufgezeichnet, die für die Auswertung von Inter-

esse sind. Darunter sind unter anderem die Blickerfas-sung mit Dikablis, die Aufzeichnung der Strecken- undFahrdynamikdaten mit SILAB und die Kopfbewegungdes Fahrers mittels eines zweidimensionalen Infrarot-Trackings auf Basis einer modifizierten Wii-Remote,also einer Bedieneinheit der bekannten Videospielkon-sole.In einer ersten Auswertungsphase wurden die Vor-fahrtsmissachtungen, Kopfbewegungen und Ge-schwindigkeitsprofile ausgewertet. Über die Hälfte derProbanden hätten in ihrer ersten Situation mit verdeck-tem synchronisierten Verkehr einen Unfall, bzw. Bei-nahe-Unfall mit hoher Geschwindigkeit verursacht.Dies ist eine erschreckend große Zahl vor dem Hinter-grund eines hohen Verletzungsrisikos in der Realität! Die Probanden konnten anhand Ihrer Annäherungs-strategien in zwei Gruppen unterteilt werden. Der eineTypus bremst relativ stark vor jeder Kreuzung ab undüberzeugt sich dann, ob sich Querverkehr nähert.Diese Fahrer wurden hier als ‚Kreuzungsbremser’ be-zeichnet. Der andere Typus hält schon von weiter Ent-fernung Ausschau nach dem Querverkehr undüberquert die Kreuzung mit relativ hoher Geschwindig-keit, falls sie als frei eingeschätzt wird. Dieses Verhal-ten wurde als ‚Kreuzungshuscher’ tituliert. Die Stra-tegie des Kreuzungsbremsers konnte dabei als deut-lich sicherere Anfahrstrategie identifiziert werden.

In der Gruppe der risikobehafteten Kreuzungshuscherkonnte außerdem ein Zusammenhang zwischen derTranslationsbewegung des Kopfes und der Erken-nungshäufigkeit des Querverkehrs festgestellt werden.Das bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass intensiveund aktive Suchblicke mit großer Kopf- und Oberkör-perbewegung wichtig und wirksam sind.

Ebenso wurde über die Dauer der Versuchsfahrt einLerneffekt festgestellt, welcher sich sowohl in einemlangsameren Anfahren an die Kreuzung als auch ineinem veränderten Bewegungsverhalten der Fahr-zeugführer darstellte. Dieser Lerneffekt führt eindeutigzu einer Verhaltensänderung mit Risikoreduzierung. Das Zusammenspiel zwischen der Kopfbewegung undder Anfahrgeschwindigkeit, und das daraus resultie-

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A-Säulenverdeckung im KreuzungsverkehrWolfram Remlinger, A. Zaindl

Abb. 1: Blick in den Fahrversuch; Sichtverdeckungskonstellation

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rende Risiko sowie auch die Lerneffekte, sind in fol-gender Abbildung schematisch dargestellt.

Neben den Erkenntnissen über die unfallreduzierendeKreuzungsgestaltung und der Wirksamkeit eines vor-sichtigen und aufmerksamen Fahrerverhaltens bei derKreuzungsannäherung zeigt sich eindeutig auch ein

Sicherheitsmanko moderner Fahrzeuge. Die A-Säulensind trotz gesetzlicher Zulassung im Sinne der Ver-kehrsicherheit vielfach zu breit ausgebildet und zu weitinnen angeordnet. Die Automobilhersteller sollten un-bedingt im Sinne der Sicherheit ihrer Kunden mehr Au-genmerk auf die Gestaltung der A-Säulen ihrerFahrzeuge richten.

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DHErgo: Mehr Dynamik für digitale MenschmodelleFlorian Engstler, Fabian Günzkofer

Entwicklungsgeschichte digitaler Menschmodelle

Die Geschichte digitaler Menschmodelle beginnt mitder Digitalisierung zweidimensionaler Anthropometrie-Schablonen in den 1960er Jahren (Schmidtke 2002).In den folgenden Jahren wurde von Seiten der Indu-strie wie auch der Forschung eine Vielzahl von Model-len für die Lösung meist sehr spezifischer Problemeund Fragestellungen entwickelt. Seit den 1980er Jah-ren begannen sich die umfangreicheren Eigenschaftenheutiger Modelle herauszukristallisieren. Dabei redu-zierte sich die Anzahl der Modelle, wogegen der Funk-tionsumfang und die Komplexität ständig gewachsensind (Mühlstedt 2008).Betrachtet man Funktionsumfang, Verbreitung und zuerwartende Entwicklung lassen sich nach Mühlstedt(2008) aktuell vier Menschmodelle identifizieren, dieauf Grund ihrer Bedeutung und Verbreitung als primärbezeichnet werden: Human Builder (DASSAULT SY-STEMES), Jack (Siemens/UGS), RAMSIS (HumanSolutions) und Santos (Virtual Soldier Research, Uni-versity of Iowa). Während die drei Erstgenannten amMarkt verfügbare Systeme darstellen, ist Santos bishernicht als kommerzielles Produkt erhältlich. Das Modellwird jedoch mit umfangreichen Ressourcen vorange-trieben und zeigt großes Potential. Der Lehrstuhl fürErgonomie pflegt eine enge Kooperation mit der Soft-warefirma Human Solutions in Kaiserslautern und warvon Beginn an bei der Entwicklung des Modells RAM-SIS beteiligt (Seidl 1993). Die genannten Modelle bie-ten bereits eine akkurate Wiedergabe menschlicherAnthropometrie, eine Vorhersage von Körperhaltungenund teilweise Bewegungen auf Basis geometrischerRandbedingungen und Aufgaben sowie eine Vielzahlvon Analysefunktionen für Sicht, Erreichbarkeit oderauch Komfort (Bubb et al. 2009). Im Fokus liegt dabeidie statistisch abgesicherte Darstellung von Nutzernbzw. Nutzerkollektiven, um Aussagen für die ergonomi-sche Produktgestaltung von Konsumgütern zu treffen. Weitere, weniger verbreitete Modelle werden zumeistfür die Behandlung spezieller Probleme eingesetzt,welche mit den primären Modellen nicht bearbeitetwerden können. So bieten beispielsweise die musku-loskeletalen Modelle AnyBody der Universität Aalborg,PamMuscle der Firma ESI oder OpenSim der Universi-

tät Stanford eine detaillierte Darstellung des menschli-chen Muskel-Skelett-Systems und ermöglichen damitdetaillierte Analysen im Bereich der Biomechanik. Al-lerdings sind solche Modelle nur teilweise validiert undin ihrer Bedienung nur für erfahrene Anwender geeig-net, was ihre Verbreitung und vor allem den industriel-len Einsatz erschwert.Während die primären Menschmodelle bei der Darstel-lung anthropometrischer Gegebenheiten sowie der Be-dienfreundlichkeit für den Anwender eine hohe Reifeerlangt haben, ist die Betrachtung dynamischer Vor-gänge mit ihnen bisher nur sehr eingeschränkt mög-lich. Allerdings besteht von Seiten der Anwendergerade hier großer Bedarf. Diese Lücke wird momen-tan nur zum Teil durch muskuloskeletale Modelle ge-schlossen, weshalb diese Funktionalitäten zukünftig indie primären Modelle einfließen sollen. Aus diesemGrund treiben Forschung und Entwicklung momentanvor allem die Simulation von Bewegungen und Kräftenvoran. Damit gekoppelt werden zumeist auch entspre-chende Bewertungsverfahren wie die Vorhersage derzu erwartenden physischen Belastungen oder des Dis-komforts betrachtet.

Das Projekt DHErgo

In diesem Kontext ist auch das Projekt „DHErgo“ zusehen, das im siebten Rahmenprogramm der Europäi-schen Union gefördert wird. Ziel des Projektes ist dieSchaffung eines Menschmodells zur Simulation dyna-mischer Bewegungen unter gegebenen geometrischenRandbedingungen sowie des dabei auftretenden Dis-komforts. Darüber hinaus soll auch die anatomischeGenauigkeit im Vergleich zu den bisherigen Ansätzengesteigert werden, beispielsweise bei der Abbildungvon Greifräumen. Dabei werden grundlegende Versu-che zu Muskelkräften, Gelenkmomenten und Beweg-lichkeit durchgeführt, neue Simulationsmethodenentwickelt und in Form eines Software-Demonstratorsumgesetzt. Die industriellen Projektpartner entstam-men zwar ausschließlich der Automobilindustrie, dasresultierende Menschmodell wird jedoch für allge-meine produktergonomische Analysen entwickelt. Die Stärke des Projektes liegt dabei in der komple-mentären Expertise des internationalen Konsortiums:

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Der Lehrstuhl für Ergonomie und das französischeForschungsinstitut INRETS übernehmen den Großteilder experimentellen Aktivitäten zu Kräften und Bewe-gung, während der Lehrstuhl für Anatomie der Univer-sität Brüssel (ULB) Erkenntnisse zu Skelett- undMuskelmodellierung einbringt. Diese Daten werden mitUnterstützung des spanischen ForschungsinstitutesCEIT und der französischen Softwarefirma ESI in Si-mulationsmodelle überführt und von Human Solutionsin einem RAMSIS-basierten Demonstrator umgesetzt.Die Validierung der Modelle wird von den Automobil-herstellern BMW, Renault und PSA Peugeot Citroënübernommen, die vorab auch die grundlegenden An-forderungen an das Menschmodell spezifiziert hatten.

Eine kurze Geschichte über Muskeln

Wie bereits erwähnt bildet die Simulation dynamischerBewegungen den Kern von DHErgo. Menschliche Be-wegungen sind dabei immer mit dem Einsatz der Mus-kulatur verbunden. Die Muskelkraft, die ein Menschaufbringen kann, hängt sehr stark mit der Körperhal-tung zusammen. Dies basiert darauf, dass die erzeug-bare Kraft von der Muskellänge abhängt. Im Falle vonMuskeln, die mehrere Gelenke überziehen, ist dieMuskellänge sogar von mehreren Gelenkwinkeln ab-hängig. Beispielsweise verläuft der Bizeps von derSpeiche zum Schulterblatt. Deswegen hängt die Kraftsowohl vom Ellenbogen- wie auch vom Schulterwinkelab. Weiterhin beeinflussen sich Muskeln gegenseitig.Befindet man sich in einer Haltung, in der ein Muskelnahezu vollständig kontrahiert ist, ist der Gegenspielernahezu maximal gedehnt und verursacht einen Zug indie entgegengesetzte Richtung. Die Kraft ist jedochnicht nur von der Körperhaltung abhängig, sondernauch von der Kraftrichtung. Bei Kugelgelenken wiez.B. der Schulter oder der Hüfte sind bei Vernachlässi-gung der Bänder Bewegungen in alle Richtungen mög-lich. Da hierfür aber unterschiedliche Muskeln undMuskelgruppen zuständig sind, unterscheidet sich dieKraft je nach Wirkrichtung.

Messung von Muskelkräften und Gelenkmomenten

Die Muskelkraft direkt zu bestimmen oder zu messenist äußerst schwierig und kann ohne chirurgische Ein-griffe nur näherungsweise durch EMG (Elektromyogra-phie) erfolgen. Will man das resultierendeGelenkmoment ermitteln, muss zudem der Hebel zwi-schen Muskel und Gelenk (Kraftarm) berücksichtigtwerden (siehe Abbildung 1). Da nach außen zunächstnur Gelenkmomente wirksam sind, ist es für ergonomi-sche Fragestellungen zweitrangig, welchen Anteil ein-zelne Muskeln übernehmen. Daher erfolgt dieKraftmodellierung in DHErgo über Gelenkmomente.

Wozu dient Kraft- und Bewegungsmodellierung?

Jede Haltung, Bewegung oder Manipulation erfordertden Einsatz der quergestreiften Muskulatur. Um be-werten zu können, wie beschwerlich bzw. diskomforta-bel eine Aufgabe ist, muss bekannt sein, zu welchemAnteil die Maximalkraft eines Menschen hierzu

mobilisiert werden muss. Zur Bestimmung dieses Aus-nutzungsgrades muss also die Maximalkraft in jederHaltung bekannt sein. Als Beispiel dient erneut die He-beaufgabe aus Abbildung 1. Betrachtet man nur dasEllenbogengelenk so verursacht das Gewicht über denLastarm ein bestimmtes Lastmoment. Dieses wird nunmit dem maximal aus Muskelkräften erzeugbarem Ge-lenkmoment, auch Kompensationsmoment genannt,verglichen.Gemäß dem hedonistischen Prinzip (Schäfer et al.,2006) wählt ein Mensch für eine Aufgabenerfüllung dieHaltung oder Bewegung, welche in Summe den ge-ringsten Diskomfort verursacht. Somit kann durchKenntnis der Gelenkmomentverläufe eine Haltungs-und Bewegungsprognose erfolgen. Für eine Simulation von Bewegungen ist es weiterhinerforderlich die Bewegungsräume, das heißt die jewei-ligen Gelenkwinkelgrenzen, zu kennen. Die Kenntnisder Bewegungsräume trägt zudem zur Kraftmodellie-rung bei, da bestimmte Momente an den Gelenkwin-kelgrenzen zu null werden. Ein Flexionsmoment kannbeispielsweise in vollständig flexierter Haltung nichtmehr erzeugt werden.

Ansatz zur Kraftmodellierung

Um in jeder beliebigen Haltung die Kraft in jeder mögli-chen Richtung vorhersagen zu können, müssen dieMomente pro Gelenk in verschiedenen Positionen ge-messen werden. Hierdurch kann ein Zusammenhangzwischen Gelenkwinkel und Maximalmoment ermitteltwerden. Da das Maximalmoment (Moment, das für vierSekunden gehalten werden kann) für eine bestimmteHaltung gemessen werden soll, werden die Versucheohne Bewegung durchgeführt. Dieses statische Vorge-hen erfolgt durch isometrische Messungen, bei wel-chen die Versuchsperson die Maximalkraft gegeneinen festen Widerstand ohne weitere Körperbewe-gung aufbringt (Kroemer 1977, Mital 1998 und Kumar2004).Um den genauen Verlauf der Gelenkmoment-Gelenk-winkel-Beziehung zu erhalten, müssen pro Bewe-gungsrichtung und Gelenk sehr viele Messungendurchgeführt werden. Hierbei stehen die Anzahl derMessungen und somit die Genauigkeit der Modellie-rung und der experimentelle Aufwand in einem Span-nungsverhältnis. Eine Auflösung dieses Konflikts solldurch einen methodenbasierten Ansatz erreicht wer-den. Hierzu werden wenige Versuchspersonen sehrdetailliert vermessen und deren Moment-GelenkwinkelKurven bestimmt. Ausgehend von diesen Ergebnissen

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Abb. 1: Darstellung der Hebelverhältnisse bei einer Hebe-aufgabe (Quelle: LfE)

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reicht eine geringere Anzahl an Messungen bei weite-ren Probanden aus.

Durchführung von Probandenversuchen am LfE

Der Lehrstuhl für Ergonomie konzentriert sich inDHErgo auf die detaillierte Messung von Gelenkmo-menten und Beweglichkeit. Hierzu müssen die Ver-suchspersonen sowohl in ihrer äußeren wie auchinneren Struktur erfasst werden. Dabei erfolgt die Er-mittlung der Körperform mit einem 3D-Bodyscanner.Zur Nachbildung des inneren Skeletts werden einigeKnochenpunkte der Versuchsperson palpiert (abgeta-stet) und vermessen. Ausgehend von den Koordinatendieser Punkte kann das Skelett mit Hilfe einer bei ULBbestehenden Knochendatenbank skaliert werden(siehe Abbildung 2).

Zur Kraftmodellierung finden daraufhin für jedes Ge-lenk Maximalkraftmessungen in allen möglichen Rich-tungen mit allen nötigen Gelenkwinkelkombinationenstatt. Abbildung 3 zeigt eine Kniegelenkmessung instark flexierter Haltung. Für diese Messungen werdensowohl Kniewinkel wie auch Hüftwinkel und verschie-dene Unterschenkelrotationen betrachtet.

In weiteren Experimenten werden die Bewegungs-räume aller Gelenke betrachtet und mit einem Bewe-gungserfassungssystem (Vicon) aufgezeichnet undausgewertet. Im Fall mehrgelenkiger Muskeln könnenauch bei Beweglichkeitsmessungen in Bezug auf einGelenk benachbarte Gelenke die Messung beeinflus-sen. So hängt zum Beispiel die maximale Streckungdes Knies (Knieextension) vom aktuellen Hüftwinkel ab(siehe Abbildung 4)

Zur Aussagekraft über Bewegungsräume eines Ge-lenks werden nicht nur Bewegungen in einer Ebene,sondern auch zusammengesetzte Bewegungen be-trachtet. So ist in Abbildung 5 eine Zirkumduktion zuerkennen. In diesem Fall wird die maximale Flexionder Hüfte mit einer Abduktion (Abspreizung des Bei-nes) überlagert.

Auf Grund all dieser Mes-sungen kann ein individu-elles Menschmodell mitspezifischen Kraft- undBeweglichkeitseigen-schaften erstellt werden.

Versuche an beteiligten Instituten

Im Rahmen des Projektes DHErgo finden darüber hin-aus Messungen an anderen Forschungseinrichtungenstatt. INRETS nimmt zur Modellierung des Weichteilverhal-tens Druckmessungen auf verschiedenen Sitzen vor.Betrachtet werden einerseits Messungen auf konven-tionellen Fahrzeugsitzen und andererseits auf einemPkw-Sitz mit hölzerner Sitz- und Lehnenfläche. JedeSitzdruckmessung findet mit unterschiedlicher Muskel-anspannung statt. Durch die unterschiedlichen Druck-bilder basierend auf unterschiedlicher Muskelan-spannung und Sitzflächenhärte werden von der ESIGroup die elastischen Eigenschaften des menschli-chen Gewebes berechnet. Mit der Kenntnis der Sitzei-genschaften (Elastizität, Schaumdicke etc.) wird eineverbesserte Simulation des Einsitzens durch realisti-sche auftretende Verformungen angestrebt.

Am Lehrstuhl für Ergonomie finden voraussichtlich nureingelenkige Kraftmessungen statt. Alltägliche Aufga-ben, wie z.B. Betätigung der Bremse, erfordern jedochmehrere Gelenkmomente (Sprunggelenk, Knie undHüfte) gleichzeitig. Daher finden wiederum bei IN-RETS mehrgelenkige Messungen, wie z.B. eine Maxi-malkraftmessung bei Kupplungsbetätigung, statt. Des

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Abb. 2: Vom Antasten einzelner Knochen zum Rückschlussauf das individuelle Skelett am Beispiel des Oberschenkel-knochen (linkes Bild aus Salvia et al. 2009, rechtes Bild ausVan Sint Jan 2007)

Abb. 3: Messung des Knie-gelenkmoments (Quelle: LfE)

Abb. 4: Messung der Knieextension in Abhängigkeit des Hüftwinkels (Quelle: LfE)

Abb. 5: Darstellung einerHüftzirkumduktion(Fraysse et al, 2009)

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Weiteren werden Validierungsversuche durchgeführt,um die durch das Menschmodell prognostiziertenKräfte bei bestimmten Aufgabenstellungen abzusi-chern.

Über den statischen Bereich hinaus werden Bewegun-gen, wie z.B. Ein-/Ausstieg in einen Pkw oder Beladeneines Kofferraums untersucht. Bei der Auswertungkommt CEIT, einem spanischen Institut für Mechanik,eine wichtige Rolle zu. Als Spezialist auf diesem Ge-biet obliegt dem Institut die Bewegungsrekonstruktionund gemeinsam mit INRETS die Identifikation von Be-wegungsstrategien für bestimmte Aufgaben. Da dieVersuche mit denselben Versuchspersonen durchge-führt werden, die auch an den Kraftmessungen partizi-piert haben, kann in jeder Einzelhaltung die lokaleAuslastung der Gelenke berechnet werden.

Ausgehend von der Bewegungsrekonstruktion wird aufzwei unterschiedlichen Wegen die Bewegungssimula-tion beschritten. Ein Versuch besteht darin, wie bereitserwähnt, aus erkannten Bewegungsmustern daten-bankbasiert je nach Anwendung passende Bewegun-gen zusammenzusetzen. Die zweiteHerangehensweise besteht in einer generischen Be-wegungsvorhersage über relative Gelenkmomentaus-lastung und Diskomfort. Auf diese Weise wirdversucht, die Bewegung zur Erfüllung einer Aufgabe sozu wählen, dass die benötigte Kraft bzw. der Diskom-fort in Summe minimiert wird. Beide Herangehenswei-sen haben ihre Vor- und Nachteile. Welche bessergeeignet ist, wird im Projektverlauf von DHErgo unter-sucht werden.Das auf den beschriebenen Versuchen beruhendeweiterentwickelte Menschmodell soll am Projektendein Form eines Demonstrators auf RAMSIS-Basis zurVerfügung stehen. Dieser wird vor allem von den betei-ligten Automobilherstellern, aber auch den anderenPartnern für die Validierung des im Rahmen vonDHErgo entwickelten Menschmodells eingesetzt undkann direkt für die Entwicklung ergonomischer Pro-dukte genutzt werden.

Literatur

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Salvia, P, Jan, S V S, Crouan, A, Vanderkerken, L, Moiseev,F, Sholukha, V, Mahieu, C, Snoeck, O andRooze, M. Precision of shoulder anatomicallandmark calibration by two approaches: ACAST-like protocol and a new anatomical palpa-tor method. Gait & Posture, 2009/6; 29:587–591.Copyright Elsevier 2009

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Van Sint Jan, S and Allard, P. Color atlas of skeletal land-mark definitions. Guidelines for reproduciblemanual and virtual palpations. Edinburgh, Copy-right Elsevier 2007.

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Impressum:

Herausgegeben vom Lehrstuhl für ErgonomieTechnische UniversitätMünchenBoltzmannstrasse 1585747 GarchingTel. 089/ 289-15388 www.ergonomie.tum.de

Verantw. i.S.d.P.:

Prof. Dr. K. BenglerLayout: Werner Zopf, LfERedaktion: K. Bengler, V. Senner, W. ZopfDruck: Printy, Digital-druck&Kopierservice80333 MünchenISSN: 1616-7627

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Um kreative Techniken rund um Handzeichnungen undSkizzen zu erlernen und zu verbessern, wurde Ostern2009 am Lehrstuhl für Ergonomie eine Weiterbildungzum Thema durchgeführt.

In einer Systemergonomie-Runde wurde im Frühjahr2009 die Fragestellung diskutiert, wie ergonomischeLösungsmöglichkeiten für Produkte einfach undschnell, aber optisch ansprechend präsentiert werdenkönnen. Durch geeignete Darstellungstechniken ist esmöglich, gute Ideen erfolgreich zu präsentieren. Zudiesem Zweck wurde von Wolfram Remlinger eine Mit-arbeiterschulung in Skizziertechniken am Lehrstuhl or-ganisiert.

Herr Manfred Geier, der hauptberuflich für einen ame-rikanischen Werkzeughersteller das Design koordi-niert, ist als Dozent an der TUM kein Unbekannter. AmLehrstuhl für Produktentwicklung werden seit langemalle neuen Mitarbeiter von ihm in Skizziertechnikeneingeführt.

In seiner dreitägigen Schulung bei den Ergonomengab der Referent zuerst eine Einführung in die wichtig-sten Materialien eines Designers: Stift und Papier. Be-reits die richtige Wahl dieser beiden Werkzeuge bildetfür eine gelungene Zeichnung die Basis.

Um dann jedoch die richtigen Strichzüge zeichnen zukönnen, waren die ersten Arbeitsschritte das Freihand-zeichnen von geraden Linien und runden Kreisen. Auf den Kreis folgt schließlich die Ellipse. Es lassensich mit Ellipsen und gebogenen Strichzügen bereitsVasen oder Krüge zeichnen. Nimmt man dazu dunklenKarton als Unterlage und zieht einige Kanten mit wei-ßer Farbe nach, kommen erste plastische Effekte zumVorschein. Das Ziel des ersten Schulungstags wareine zweidimensionale Freihandzeichnung eines rea-len Objekts. Ein Joystick aus dem H-Mode Labor standhierbei Modell.

Die folgenden Schulungstage widmeten sich den drei-dimensionalen Darstellungen. Je nach Zweck einerSkizze können dazu unterschiedlich viele Fluchtpunkteverwendet werden. Generell gilt: je mehr Fluchtpunkteeine Skizze besitzt, umso dramatischer wirkt die Dar-stellung. Während Skizzen mit nur einem Fluchtpunktnoch relativ ruhig wirken, ist es mit drei Fluchtpunktenbereits sehr einfach möglich, eine hohe Dramatik in dieSkizze einzubringen. Diese Bilder wirken dann schon fast surrealistisch: einStraßenzug aus dem menschlichen Blickwinkel wirktuns Menschen sehr vertraut, der Blickwinkel eines‚Gullideckels’ auf denselben Straßenzug wirkt für unsallerdings befremdlich oder comicartig.

Mit diesen neuen Techniken ausgestattet, gestaltetendie Ergonomen am letzten Tag des Zeichenkurseseine Skizze mit drei Fluchtpunkten. Das geeignete Mo-dell war schnell gefunden: ein Overheadprojektor.Während in der detailgetreuen Skizze der Abmessun-gen des Projektors die Pflichtaufgabe lag, stellte dasindividuelle Kolorieren anschließend die Kür dar.

Schattierungen und plastische Effekte lassen sich mitsehr eng aufeinander abgestimmten Farbtönen sehrgut darstellen. Die durchaus bemerkenswerten Ergeb-nisse lassen sich bei den Kursteilnehmern des Lehr-stuhls bestaunen.

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Zeichnen für illustrative und präsentationsfähige DarstellungAndreas Haslbeck

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1 Ausgangssituation

Bei der technischen Entwicklung von Sitzen spielt dieReduzierung des Diskomforts eine entscheidendeRolle. Hierzu werden Prototypenstände regelmäßigeiner Bewertung unterzogen. Meist erfolgt die Bewer-tung durch eine Expertengruppe, die anhand ihrer Er-fahrung Schwachstellen ermitteln und Optimierungs-potentiale aufzeigen soll. In Untersuchungen mussauch den Bedürfnissen von Menschen mit unter-schiedlicher Größe und Proportion Rechnung getragenwerden. Für die Begriffsdefinition von Komfort und Dis-komfort gilt (vgl. Zhang et al., 1996): Komfort um-schreibt Aspekte des „Gefallens“ und DiskomfortAspekte des „Erleidens“. Letzteres basiert auf eherphysikalischen Wahrnehmungen, wie Druck, Wärmeoder Kraftaufwand, und kann objektiver beurteilt wer-den.

Sitzkomfort sowie Sitzdiskomfort im Automobilbereichwerden häufig darauf beschränkt wie „bequem“ einFahrzeugsitz ist. Dabei ist der Sitzdiskomfort im Allge-meinen in einem wesentlich größeren Kontext zu be-trachten. Aus ergonomischer Sicht spielen hierbei eineganze Reihe von Faktoren eine wichtige Rolle (Abbil-dung 1).

Abb. 1 Einflussfaktoren auf den Diskomfort in einem Fahrzeugsitz (vgl. Mergl, 2006)

Das „Mikroklima“ wird vor allem durch die Wasser-dampfdurchlässigkeit des Sitzes festgelegt. Das Mikro-klima kann mit Klimasystemen, die aktiv eine Luftzirku-lation aufbauen, verbessert werden. Eine aktive Belüf-tung sorgt für Abführung von Hitze und Feuchtigkeitvon der Kontaktfläche. Der erste Eindruck beim Einsit-zen in einen Sitz wird als Ansitzgefühl bezeichnet –dieses ist nicht nur mit Diskomfort, sondern auch starkmit Gefallensaspekten also dem Komfortempfindenverbunden. Gleiches gilt für das Sitzambiente, wel-ches vom Raumgefühl und der allgemeinen Fahrzeu-ginnenraumwertigkeit abhängt. Des Weiteren beein-flusst die Seitenführung des Sitzes bei Kurvenfahrtenden Gesamteindruck des Sitzes. Die Eigenschaft, denInsassen von Stößen und Schwingungen des Fahr-zeugs durch Dämpfung zu entkoppeln, bezeichnetman als Schwingungseigenschaften. Der Einfluss vonSeitenführungs- und Schwingungseigenschaften aufden Diskomfort lässt sich erst unter dynamischen Be-dingungen, also während der Fahrt, untersuchen. DieKörperhaltung, die sich auf dem Sitz im Fahrzeugeinstellt, prägt ebenfalls stark den Sitzdiskomfort. Sie

ist abhängig von Sitzgeometrie, Sitzeinstellung unddem Fahrzeugpackage. Schließlich spielt auch dieDruckverteilung zwischen Mensch und Sitz eine ent-scheidende Rolle, da hier die größte Schnittstelle zumMenschen vorliegt.

All diese Faktoren können nicht völlig unabhängig von-einander betrachtet werden, da diese sich unterschied-lich stark gegenseitig beeinflussen. So bewirkt bei-spielsweise eine aufrechtere Sitzhaltung in einem Mini-Van höhere Drücke unter den Sitzbeinhöckern; deut-lich ausgeprägte Seitenwangen verbessern nicht nurden Seitenhalt, sondern vergrößern auch die Kontakt-fläche und beeinflussen damit das Mikroklima.

Der Lehrstuhl für Ergonomie der Technischen Universi-tät München beschäftigt sich im Rahmen mehrererForschungsarbeiten mit den wesentlichen Facettendes Sitzkomforts. Im Folgenden werden zu diesen For-schungsbereichen die in diesem Zusammenhang ei-gens entwickelten Messwerkzeuge und Software-Toolsnäher erläutert.

2 Messtechnik und Software

In Bezug auf die Hardware kommen am LfE nebenStandardmesswerkzeugen, wie Druckmessmattenund SAE-Messmaschine auch spezieller, am Lehr-stuhl entwickelte Messwerkzeuge, wie ein For-schungsstuhl oder ein Silikon-Sitzprüfkörper zumEinsatz. Letzterer stellt einen Ansatz dar, die bisheri-gen Verfahren zur H-Punkt-Bestimmung wie die SAE-Messmaschine zu optimieren und realistische undgleichzeitig reproduzierbare Druckmessungen bei Sit-zuntersuchungen ohne Probanden erreichen zu kön-nen. Derzeit existiert ein Silikon-Sitzprüfkörper(Abbildung 2) des Oberschenkel- und Beckenbereicheines 50-Perzentil-Mannes. Mit FEM-Analysen undspeziellen Silikonmischungen konnte ein realistischesMaterialverhalten für Sitzuntersuchungen erreicht werden.

Abb. 2 Silikon-Sitzprüfkörper

Als einzigartiges Werkzeugzur Sitzkomfortuntersuchungwurde von J. Balzulat (2000)der sogenannte Forschungs-stuhl (FS2000) geschaffen(Abbildung 3).

Mit dem FS2000 ist es möglich, Haltungen in beliebi-gen Fahrzeugsitzen hinsichtlich ihrer Position, desempfundenen Diskomforts und der Gesundheit zu be-werten. Dafür werden für Sitz und Lehne jeweils 81pneumatische Stößel angeordnet (Stößelgröße: 40x40mm, Hub: 120mm), welche beliebige Sitzkonturendarstellen können. Die Härte eines Sitzes wird über

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LfE- Themen zum SitzkomfortOlaf Sabbah, Uwe Herbst, Daniel Lorenz, Stephan Lorenz

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Abb. 3 ForschungsstuhlFS2000

das Zusammenspielvon Drucksensoren, derRegelung und der Stö-ßelventile simuliert. DieDrucksensoren erfas-sen den Wert an derOberfläche der Stößelund geben die Daten anden angeschlossenenComputer weiter. Dieserberechnet daraus die

Einsinktiefe für die Stößel und die pneumatischen Ven-tile regeln den Luftstrom dementsprechend. Neben derMöglichkeit eigens erstellte Sitzgeometrien und Här-ten zu testen, ist es mit dem Forschungsstuhl auchmöglich bestehende Sitze zu vermessen und die ge-wonnenen Daten für Versuchszwecke weiter zu ver-werten.Zu den bedeutenden Software-Tools für die Sitzergo-nomie zählen, neben den Auswerttools der Druckess-matten, vor allem die digitalen MenschenmodellePC-Man (Abbildung 4) und RAMSIS.

PC-Man ist ein am LfE entwickeltes, markerloses Hal-tungserfassungssystem. Voraussetzung für die Ver-wendung des Programms sind mindestens zweiKameras, die den Probanden aus verschiedenenBlickrichtungen aufnehmen und dabei zeitlich syn-chron arbeiten. Zur Kalibrierung wird ein beliebigerKörper mit bekannter Geometrie herangezogen. Sinddie Voraussetzungen erfüllt, kann über eine Testper-son eine digitale Schablone bzw. das Drahtgittermodellden Bildern überlagert und exakt angepasst werden.Damit ist es zum Einen möglich, die Anthropometrieder Testpersonen zu erfassen und für weitere Untersu-chungen zu nutzen und zum Anderen die Haltungswin-kel der Probanden zu bestimmen.

Abb. 4 PC-Man

Als weiteres Tool ist RAMSIS (Abbildung 5) an dieserStelle zu nennen, welches am Lehrstuhl im Rahmender Forschungsgruppe Automobiltechnik (FAT) und derFirma Human Solutions entwickelt wurde. Genauer betrachtet zählt RAMSIS zu den Package-Tools, mit denen die Erreichbarkeit von Bedienelemen-ten und die Sicht durch Scheiben und Spiegel über-prüft werden kann. Dafür wird ein digitales Menschen-modell mit Restriktionen versehen und so in den digita-len Sitz bzw. in das Auto positioniert. Auf Grund unter-schiedlicher Haltungsmodelle, wie dem Wahrschein-lichkeits- oder dem Krafthaltungsmodell, kann aller-dings auch die Sitzhaltung mit niedrigstem Haltungs-diskomfort berechnet und so die optimalen Positionen

für Sitz und Lenkrad bestimmt werden. Hierzu ist alsbedeutende Erweiterung die Komponente „RAMSIS-Sitzt“ (in der Entwicklung) zu erwähnen.

Um auch klimatische Einflüsse in die Sitzkomfortbe-trachtungen einbeziehen zu können, gibt es außerdemeine Klimakammer am LfE. Diese Einrichtung ermög-licht das Einstellen und Halten klimatischer Beding-ungen von -30 bis +60 Grad. Mit den Parametern Tem-peratur, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und dermittleren Strahlungstemperatur (bzw. Bestrahlungs-stärke) können beliebige Atmosphären simuliert wer-den. Im Zusammenhang mit dem Sitzkomfort kommtdiese Einrichtung vor allem beim Thema Mikroklimazum Tragen.

Abb. 5 RAMSIS

3.1 Programm zur Diskomfortbewertung derSitzdruckverteilung BMXPress

Um während der Messung von Druckverteilungen aufdem Sitz eine objektive Diskomfortbewertung zu erhal-ten wurde ein Programm zur Echtzeitauswertung ent-wickelt (Abbildung 6).

Die Bewertung beruht dabei auf den Untersuchungenvon Hartung (2006) und Mergl (2006). Das ProgrammBMXpress von Severina Popova, Stephan Lorenz undWeihao Wu basiert auf einer Berechnung und Bewer-tung folgender Parameter: Lastverteilung, maximalerDruck und Gradient. Diese Parameter werden für dieeinzelnen Körperteile einer BodyMap (nach Hartung2006) in Echtzeit berechnet. Dazu wird die BodyMapdurch Eingabe der anthropometrischen Maße wie Sitz-tiefe und Schulterhöhe sowie relevanter Sitzmaßen anden jeweiligen Probanden und Sitz angepasst. Die Pa-rameter der Lastverteilung werden über einen Abgleichmit den Optimalwerten (nach Mergl, 2006) hinsichtlichdes Sitzkomforts bewertet. Die Ergebnisse lassen sichzum einen bezogen auf die BodyMap anzeigen. Zumanderen werden die Bereiche, mit einer Überschrei-tung der Grenzwerte, direkt auf einem Bild des Sitzesdargestellt, um in der Entwicklung gezielt auf die kriti-schen Stellen des Sitzes hinzuweisen.

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Abb. 6 Sitzdruckmess-matten undDruckbild

3.2 Sitzhaltung und -positionen in Abhängigkeit vom Fahrzeugpackage

Der Autositz ist zentrales Element der Schnittstellezwischen Mensch und Fahrzeug. Mit den bereitgestell-ten Einstellmöglichkeiten richtet sich der Insasse dieSitzposition nach seinen individuellen Bedürfnissenein. Die gewählte Sitzposition hängt dabei stark vomFahrzeugtyp und Fahrer ab.In der Konzeptentwicklung wird mit der Position desSitzverstellfeldes im Fahrzeug der Bereich möglicherSitzpositionen für den Insassen definiert. Durch dieEinstellung der Sitzposition legt der Insasse Sitzkom-fort und die anthropometrischen Bedingungen für dieBetätigung der primären und sekundären Bedienele-mente fest. Auch beruht die Perspektive, aus der dasFahrzeug und die Umgebung wahrgenommen werden,auf der eingestellten Sitzposition. Für eine anthropo-metrisch und visuell günstige konzeptionelle Ausle-gung eines Fahrzeugs spielt die Prognose der Sitz-

position demnach eine wich-tige Rolle.

In der frühen Phase des Pro-

duktprozesses werden Fahr-zeuge mit Hilfe vonmodernen, computergestütz-

ten Methoden ausgelegt. Um für möglichst viele Perso-nen eine komfortable Sitzposition zu ermöglichen istfür die Fahrzeugauslegung eine korrekte Positionie-rung mit digitalen Menschmodellen in der Simulations-umgebung (RAMSIS) von besonderer Bedeutung(Abbildung 7a, b). Erkenntnisse über detaillierte Ein-flüsse auf die Wahl der Sitzposition von Fahrern er-möglicht die Festlegung einer Auslegungsrichtlinie.Dadurch werden klare ergonomische Randbedingun-gen geschaffen und somit die Basis für die Fahrer-platzgestaltung festgelegt.

Abb. 8 PC-Man zurAnsitzanpassung

3.3 Ansitzkomfort

In vergangenen Unter-suchungen konnte be-reits bestimmt werden,welche Sitzeigenschaf-ten den ersten Kom-forteindruck beimAnsitzen beeinflussen(Romano, 2003). Um dies im Fahrzeug bestimmen zukönnen, werden gezielt Ein- und Ausstiegsuntersu-chungen durchgeführt bei denen die Sitzoberflächemanipuliert und dabei die dynamische Veränderungder Sitzdruckverteilungen betrachtet wurde. Zusätzlichwerden die Haltungen (mittels PC-Man, Abbildung 8)ermittelt, um über inverse Kinematik auf die vom Men-schen eigeleiteten Kräfte auf den Sitz rückrechnen zukönnen.

3.4 Sitzambiente und Wertigkeit

Gefallensaspekte gehen besonders im Zusammen-hang mit der allgemeinen Fahrzeugwertigkeit einher.Hierbei werden aktuell verschiedene Themen am LfEuntersucht. Beginnend mit dem Sitzbedienkomfort, beidem die Funktion der Sitzverstellung anhand der Formund Ort der Bedienelemente optimiert wird. Des Weiteren rücken altersspezifische Aspekte bei derSitz- und Fahrzeuginnenraumgestaltung in den Vorder-grund.

Abb. 9 Fahrzeugfondmit Wellnesssitz

Auch situationsge-rechter Sitzkom-fort, der beispiels-weise von derStraßenart ab-hängt, ist von Be-lang. Schließlich sind das Raumgefühl oder derCharakter eines Fahrzeugfonds weitere komfortrele-vante Aspekte. Hierbei ist es wichtig, Aspekte welchefür ein angenehmes Ambiente unabdingbar sind, klarherauszuarbeiten.

4 Zusammenfassung

Die Untersuchung des Sitzkomfort ist am Lehrstuhl be-reits seit längerem ein großer Themenschwerpunkt.Die dargestellte Themenvielfalt vom allgemeinen Hal-tungskomfort bis hin zum sitzspezifischen Druckvertei-lungsdiskomfort zeigt die wissenschaftliche Tiefe diebereits erreicht wurde. Die im Laufe der Zeit entwickel-ten Forschungsmethoden und Werkzeuge (Hard- undSoftware) für die Verbesserung des Sitzkomforts wer-den stets in ihrer Anwenderfreundlichkeit und der De-

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Abb. 7a RAMSIS Analyse-möglichkeiten

Abb. 7b RAMSISAnalysemöglich-keiten

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tailgenauigkeit optimiert. Dies wiederum ermöglicht tie-fere Einblick und Erkenntnisse zur Optimierung dieserMensch-Maschine-Schnittstelle.Immer größerer Wert wird darauf gelegt die allgemei-nen Sitzkomfort-Erkenntnisse, welche im Wesentlichenfür den Fahrerarbeitsplatz im Automobil erforscht wur-den, auf andere Sitz-Szenarien zu übertragen, wie bei-spielsweise allg. Sitzkomfort für Passagiere (Fahr-zeugfond, Bus, Zug, Flugzeug,..) oder auch für denBereich des Bürostuhlarbeitsplatzes.

Literatur:

Hartung, J.: Objektivierung des statischen Sitzkomforts aufFahrzeugsitzen durch die Kontaktkräfte zwi-schen Mensch und Sitz, Dissertation am Lehr-stuhl für Ergonomie der Technischen UniversitätMünchen, 2005.

Mergl, Ch.: Entwicklung eines Verfahrens zur Optimierungdes Sitzkomforts auf Automobilsitzen, Disserta-tion am Lehrstuhl für Ergonomie der Techni-schen Universität München, 2006.

Balzulat, J.: Ein holistischer Versuchsansatz zum Sitzverhal-ten, Dissertation am Lehrstuhl für Ergonomieder Technischen Universität München, 2000.

Romano, L.: Experimentelle Untersuchung von Parametern,die den Ansitzkomfort in Farzeugsitzen beein-flussen, Diplomarbeit am Lehrstuhl für Ergono-mie der Technischen Universität München, 2003

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1. Motivation

Die Steigerung der Mobilität hat zu einem stetenWachstum des Verkehrsaufkommens auf Autobahnenund Landstraßen geführt. Auch in Zukunft ist mit einemFortschreiten dieses Trends zu rechnen, was unter an-derem zur Folge haben wird, dass der Fahrzeugführereine vermehrte Anzahl unterschiedlicher Handlungenin immer kürzeren Abständen oder sogar gleichzeitigdurchführen muss. Deshalb erhalten heute Fahrerassi-stenzsysteme (FAS), die die Fahrumgebung wahrneh-men und aktiv in die Fahrzeugführung eingreifen, umden Fahrer in seiner eigentlichen Fahraufgabe unter-stützen zu können, zunehmend Bedeutung.Adaptive cruise control (ACC) erfasst beispielsweisemit Hilfe eines Long Range Radar (76,5 GHz) im Bugdes Fahrzeugs vorausfahrende Fahrzeuge. Die Elek-tronik ermittelt deren Ab-stand, Winkellage und Rela-tivgeschwindigkeit zum eigenen Fahrzeug, berechnetden vo-raussichtlichen Weg des eigenen Fahrzeugs(den sogenannten Fahrschlauch) und bestimmt darausden einzuhaltenden Sollabstand. Um diesen einregelnzu können muss ACC unter anderem die Motor-, Ge-triebe- und Bremsenelektronik aktiv ansteuern.Die stimmige Integration dieser Fahrerassistenzsy-steme in das Fahrzeug ist aber noch mit großen Her-ausforderungen verbunden. So müssen die Systemeauch bei zunehmender Komplexität für den Menschenbeherrschbar bleiben. Außerdem sind Wechselwirkun-gen zwischen Einzelsystemen bis heute nur wenig er-forscht und im Unterschied zu vielen anderenFahrzeugsystemen ist der Mensch eng in den Regel-kreis eingebunden. So genügt es in diesem Zusam-menhang nicht, das Fahrzeug isoliert zu betrachten,sondern es müssen, wie in Bild 1 dargestellt, die

Wechselbeziehungen zwischen der Trias Fahrer, Fahrzeug und Umwelt bzw. sogar in einem weiterenSchritt zwischen Fahrer, Fahrzeug, Umwelt und Fahre-rassistenzsystem berücksichtigt werden (vgl. [1], [2]und [3]).

Bild 1: Mensch-Maschine-System bei Fahrerassistenzsyste-men im Kraftfahrzeug

Durch diese ganzheitliche Betrachtung entstehen nichtnur Neuerungen, die den Komfort des Fahrers stei-gern, sondern auch die Sicherheit der Personen aktiverhöhen. Jedoch erfordert dies Anpassungen bzw. Ver-änderungen am Entwicklungsprozess sowie den dabeieingesetzten Hilfsmitteln.

2. Test- und Simulationswerkzeuge für Fahrerassi-stenzsysteme

Da moderne Fahrerassistenzsysteme teilweise auchohne explizite Handlung des Fahrers in die Fahrdyna-mik eines Fahrzeugs eingreifen, sind die Anforderun-

Eigenschaftsentwicklung für Fahrerassistenzsysteme mittelseines innovativen und durchgängigen Entwicklungsprozesses1Strasser, Benedikt; 2Bock, Thomas; 2Siedersberger, Karl-Heinz; 2Duba, Georg-Peter; 3Maurer, Markus; 1Bubb, Heiner

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gen an die Funktionssicherheit und Zuverlässigkeit derEinzelsysteme sowie deren Interaktion mit bereits be-stehenden Fahrzeugsystemen besonders hoch. DieseKomplexität der Fahrerassistenzsysteme formuliertauch die Anforderung an die bis zur Entwicklung derSerienreife benötigten Test- und Simulationswerk-zeuge. Die Verfügbarkeit und Qualität von Simulations-methoden und deren Prozessintegration wird damit zueiner unabdingbaren Bedingung und außerdem zueinem entscheidenden Wettbewerbsfaktor (vgl. [4]).

Im Folgenden werden deshalb die vier Test- und Simu-lationswerkzeuge Software in the Loop, Hardware inthe Loop, Vehicle in the Loop und der Realtest kurzvorgestellt. Hierbei orientiert sich der funktionale Auf-bau, der in Bild 2 dargestellt ist, an der allgemeinenStruktur eines Mensch-Maschine-Systems (vgl. [5] undBild 1), wobei folgende Einschränkung zu berücksichti-gen ist: Es wird jeweils nur eine Funktion bzw. nur einSteuergerät (z.B. ACC) getestet. Anhand der farblichenKodierung wird verdeutlicht, welche Anteile des Regel-kreises real (schwarz) oder simuliert (grau) sind

Bild 2: Übersicht der funktionalen Aufbauten der Test- und Simulationswerkzeuge

Software in the Loop (SIL)Bei einem Software in the Loop Prüfaufbau wird dieFahrerassistenzfunktion zum Zeitpunkt des Tests aufeinem Entwicklungsrechner ausgeführt. Dies ermög-licht in bereits frühen Phasen des Produktentstehungs-prozesses zu testen, wodurch Funktionslücken ein-fach, schnell und kostengünstig aufgedeckt werdenkönnen. Die Ausführung des Codes erfolgt in speziel-len Entwicklungsumgebungen wie z.B. ADTF [6] oderMATLAB/Simulink. Da der gesamte Testprozess simu-liert abgearbeitet wird, müssen alle restlichen Ele-mente (Umwelt mit Fremdverkehr, Fahrer und Fahr-zeug) in Form von Modellen vorhanden sein.

Hardware in the Loop (HIL)Im Fall eines Hardware in the Loop Prüfaufbaues han-delt es sich beim Testobjekt um das reale Steuergerät(hier ACC Steuergerät), wobei je nach Aufbau und Auf-gabe auch die Möglichkeit besteht, mehrere Hardware-

komponenten (z.B. Bremse, Antriebsstrang und/oderKombiinstrument) real zu vernetzen. Alle anderen Ele-mente müssen wieder in Form von Modellen verfügbarsein.

Vehicle in the Loop (VIL)Anders als bei der SIL und HIL Prüfung, befindet mansich beim Vehicle in the Loop direkt im Versuchsfahr-zeug zur Entwicklung und Erprobung neuer Fahreras-sistenzsysteme. Lediglich der für dieFahrerassistenzsysteme relevante Fremdverkehrsowie dessen Wahrnehmung durch die jeweilige Sen-sorik wird simuliert (vgl. Bild 3).

Bild 3: Aug-mented RealityDarstellung imVIL

Mit der VIL Simulation hatAudi eine Test- und Simu-lationsumgebung für Fah-rerassistenzsystemeentwickelt, welche dieVorzüge eines realen Ver-suchsfahrzeugs mit derSicherheit und Reprodu-zierbarkeit von Fahrsimu-latoren kombiniert.Virtueller Fremdverkehroder weitere Verkehrsteil-nehmer, wie z.B. Fußgän-ger, werden durch ein„Optical see throughHead Mounted Display“während der Fahrt reali-tätsnah und kontaktana-log für den Fahrer ein-geblendet. Durch die An-wendung der Augmented

Reality Technologie bleibt für den Fahrer die reale Um-welt (z.B. Fahrbahn, Straßenbebauung) weiterhin vollsichtbar. Der Vehicle in the Loop Prüfaufbau ermög-licht somit eine Funktionserprobung von Fahrerassi-stenzsystemen direkt in einem Fahrzeug, welches sichallerdings nicht im realen Verkehr bewegt, sondern aufFreiflächen oder abgesperrten Straßen, wie z.B. aufeinem Prüfgelände. Neben einer Augmented RealityLösung ist auch eine Virtual Reality Variante möglich,bei der der Fahrer die Umgebung nicht mehr wahrneh-men kann und somit zusätzlich die gesamte Umweltvirtuell dargestellt werden muss. Besonders für die Er-probung aktiver Sicherheitssysteme eröffnen sichdurch das Konzept des virtuellen Fremdverkehrs bzw.Fußgängers im realen Versuchsfahrzeug neue Mög-lichkeiten. Weitere Informationen zum Vehicle in theLoop sind z.B. in [7] und [8] zu finden.

RealtestBei Realtests ist keinerlei Simulation notwendig. Somuss hier die Regelung immer auf reale Objekte erfol-gen.

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Dies hat zur Folge, dass im öffentlichen Straßenver-kehr nur Systeme abgetestet werden können, die keinGefährdungspotential für andere Verkehrsteilnehmerbesitzen. Daher werden zusätzlich zum Fahrversuchmit realen Verkehrsteilnehmern in verschiedenen For-schungsvorhaben unterschiedliche Alternativen wieSchaumstoffwürfel und -fahrzeuge, Fahrzeuge mitAuslegern oder Versuchsfahrzeugen entwickelt undbewertet (vgl. u. a. [9] und [10]).

3. Erstellung einer Fahrerassistenzsystem-Eigen-schaftsspinne am Beispiel von ACC

Der state of the art bei der Analyse der Eigenschafteneines Fahrzeuges ist das menschliche Empfinden. Sokönnen auch die meisten Fahrerassistenzsysteme nursubjektiv bewertet werden (z.B. ACC Annäherungsver-halten). Ziel eines innovativen und durchgängigen Ent-wicklungsprozesses muss jedoch die einheitliche undobjektive Bewertung der Systemeigenschaften und soder Fahrzeugeigenschaften sein.Dadurch ergeben sich zwei wesentliche Vorteile: Zumeinen können auf diese Weise unterschiedliche Sy-stemausprägungen objektiv verglichen werden, zumanderen kann durch diese Methode die Fahrerassi-stenzfunktion anhand der oben vorgestellten Entwick-lungswerkzeuge (SIL, HIL, VIL) in der Simulationbewertet oder das zukünftige Systemverhalten progno-stiziert werden.Bild 4 zeigt das im Weiteren betrachtete Vorgehen zurErstellung der Fahrerassistenz-Eigenschaftsspinneauf, welches sich am Bewertungsprozess zur klassi-schen Fahrdynamik orientiert (vgl. [11]).

Bild 4: Bewertungsprozess für Fahrerassistenzsysteme

Hierbei werden in verschiedenen Testszenarien (vgl. 1)objektive Kennwerte ermittelt (vgl. 2), diese anschlie-ßend normiert (vgl. 3) und zu Fahrzeugeigenschaftenzusammengefasst (vgl. 4). Im Folgenden werden diesevier Prozessschritte näher vorgestellt:1 Die Auswahl geeigneter Testszenarien (Fahrmanö-ver) ist für die Güte der Bewertung von entscheidenderBedeutung. Um die relevanten Fahrmanöver aus derVielzahl möglicher Situationen im Straßenverkehr her-

ausfiltern zu können wurden deshalb die Messfahrtender Studie von Freyer (52 Probanden fahren ca. 1Stunde ohne Fahrerassistenzsysteme auf Autobahnen;vgl. [12] ) neu analysiert. Ziel war es hierbei herauszu-finden, welche für ACC relevanten Situationen über-haupt und in welcher Häufigkeit auf der Autobahn vor-kommen. Bild 5 gibt einen kleinen Überblick der Ergebnisse.

Bild 5: Potentielle Szenarien mit relativer Häufigkeit

2 Eine weitere Herausforderung beim Realtest ist diemesstechnische Erfassung der fahrphysikalischenKennwerte. Hierfür musste ein Referenzsystem aufge-baut werden, das unter Anderem aus einer hochge-nauen DGPS-Inertialsensorplattform, einem PC, sowieeiner Spannungsversorgung besteht. Die kompakte In-tegration dieser Komponenten erlaubt eine einfacheInstallation der Messtechnik anstelle des Beifahrersit-zes (vgl. Bild 6 rechts) und ermöglicht somit eine kurzeZeit der Inbetriebnahme. Durch die Ausstattung jedesam Testszenario beteiligten Fahrzeuges mit einem die-ser Systeme können so Größen der Eigendynamik und

der Umwelt wie der exakte Abstand, Relativge-schwindigkeiten oder -beschleunigungen hoch-präzise erfasst werden. Über eineWLAN-Verbindung der Messsys-teme könnenbereits während der Versuchsdurchführung dieMessergebnisse in den Versuchsfahrzeugen be-trachtet und analysiert werden. Damit die durchgeführten Fahrmanöver zusätz-lich standardisiert und reproduzierbar hergestelltwerden können, muss das Zielfahrzeug miteinem Lenk- und Bremsrobotersystem ausge-stattet werden.

Bild 6: Beispielhafter Messaufbau

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3 Um aus den so ermittelten Ergebnissen die Fahr-zeugeigenschaften berechnen zu können, wird jederKennwert über eine Bewertungsfunktion in eine dimen-sionslose Bewertungszahl überführt. Die Bewertungs-funktion stellt hierbei das jeweilige Sollverhalten dar,welches durch Studien im Vorfeld festgelegt werdenmuss.

Bild 7: Beispielhafte Bewertungsfunktion

4 Über Abhängigkeiten und Gewichtungen der Bewer-tungszahlen werden abschließend die Eigenschaftenund so die Fahrerassistenzsystem-Eigenschaftsspinneermittelt. Dies ermöglicht die geforderte objektive Be-wertung der untersuchten Systeme bzw. Systemaus-prägungen.

Bild 8: Beispielhafte Fahrerassistenzsystem-Eigenschafts-spinne

4. Zusammenfassung und Ausblick

Für die Entwicklung von Fahrerassistenzsystemenwurden die eingesetzten Hilfsmittel vorgestellt. Diesesind die bekannten Test- und SimulationswerkzeugeSoftware in the Loop, Hardware in the Loop, Vehicle inthe Loop und Realtest. Außerdem wurde kurz auf denProzess zur Bewertung von Fahrerassistenzsystemenam Beispiel von ACC eingegangen.

Es wird deutlich, dass es zwar eine Vielzahl an Toolsfür die Entwicklung von FAS gibt, deren Anwendungs-möglichkeiten aber noch bei weitem nicht ausgereizt

sind. Außerdem sind sie bisher kaum aufeinander ab-gestimmt. So muss in der Praxis ein erheblicher Auf-wand betrieben werden, um sie bei der Entwicklungneuer Fahrerassistenzfunktionen anwenden zu kön-nen.Um die Komplexität im Automobilbau beherrschbar zugestalten, sollten die Test- und Simulationswerkzeuge

erweitert und optimal auf den Produkt-entstehungsprozess abgestimmt werden.Daher ist es wichtig, bei der Entwicklung vonFahrerassistenzsystemen eine durchgängigeToolkette zur Verfügung zu stellen, deren Ein-zelkomponenten perfekt aufeinander abge-stimmt, deren Einsatzspektren aber auch klarvon einander abgegrenzt sind (vgl. Bild 9). Soführen z.B. eine Verwendung der gleichen Ver-kehrsflusssimulation in allen virtuellen Werk-zeugen (SIL, HIL und VIL), sowie eine Aus-wertung der Messdaten im gesamten Entwick-lungsprozess anhand derselben Größen zueiner besseren Vergleichbarkeit der Ergeb-nisse.

Bild 9: Übersicht der Zielsetzung

Außerdem kann durch die Integration der definiertenFahrmanöver in die oben beschriebene Toolkette, eineFunktionsbewertung anhand der Fahrerassistenzsy-stem-Eigenschaftsspinne bereits zu einem frühen Ent-wicklungszeitpunkt erfolgen. Für die Entwicklung neuerFahrerassistenzsysteme bedeutet dies, dass eventu-elle Funktionslücken frühzeitig durch die Simulationenim Labor identifiziert werden können. Somit kann derzeitaufwendige Erprobungs- und Applikationsaufwandund damit die teure Prototypennutzung reduziert wer-den.

Ferner erleichtert ein definiertes Soll-Systemverhaltendie Systemübernahme bereits existierender Funktio-nen in neue Fahrzeugprojekte.Abschließend bietet dieser innovative und durchgän-gige Entwicklungsprozess bei Fahrerassistenzsyste-men auch Vorteile, welche die Kundenakzeptanzbetreffen, da auf diese Weise eine einheitliche, systemübergreifende Ausprägung der Einzelsystemeermöglicht wird.

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1 Lehrstuhl für Ergonomie,Technische Universität München;2 AUDI AG, Ingolstadt; 3 Institut für Regelungstechnik, Technische Universität

Braunschweig

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1. Ausgangssituation/Rahmenbedingungen

Im Zuge der Neuplanung der Verkehrsleitzentrale derAutobahndirektion Südbayern wurde ein interdiszipli-näres Projekt ins Leben gerufen, das von vielfältigenAnforderungen, formuliert durch Ergonomen, Architek-ten, Arbeitsplaner und Gebäudetechniker geprägt ist.Möglichst platzsparende Lösungen sind bei der Ausle-gung des Operatorraumes für die Architekten beson-ders wichtig, um die Dimensionen des größtenArbeitsraumes bei dem Projektentwurf zu berücksichti-gen. Ausgehend von den Tätigkeitsbeschreibungen der Mit-arbeiter benötigen verschiedene Arbeitsplatztypen (Ab-bildung 1) unterschiedliche Ausstattungen, die sichinsbesondere in der Größe der Monitore unterschei-

den. Für den Arbeitsplatz der Verkehrsregelung istwichtig, einen großen Teil der Autobahn auf einen Blickbetrachten zu können, weswegen Bildschirme miteiner Diagonale von 24 Zoll notwendig sind. Für die Ar-beitsplatztypen „Tunnelüberwachung“ und „Standstrei-fenregelung“ reichen kleinere Geräte aus. Diese For-derung des Ausstattungsmanagements kann einenZielkonflikt mit Vorgaben bzgl. der maximalen Höhedes Arbeitsplatzes produzieren, die von der Ergonomiegemacht werden. Eine ergonomische Auslegung desArbeitsplatzes sieht außerdem entsprechende Frei-räume hinter den Mitarbeitern vor. Diese wiederumführen zu erhöhten Platzbedarfen - ein weiterer Ziel-konflikt mit den Anforderungen aus der Architektur. Inder Entwicklungsphase dieses Projektes wird vor allemdie interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Ergo-

Herausforderungen für die Gestaltung von Überwachungs - ArbeitsplätzenIwona Jastrzebska-Fraczek, Dino Bortot, Severina Popova, Klaus Bengler

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nomie und Architektur deutlich. Ein wichtiges Gestal-tungsmerkmal für eine gelungene Gesamtlösung istdas Softwarekonzept und die damit verbundene Hard-ware-Entscheidung.

Abb. 1: Arbeitsplatztypen und deren Eigenschaften und Anforderungen

2. Anforderungen an den zu gestaltenden Arbeitsplatz

Die Anforderungen an die Gestaltung von Überwa-chungsarbeitsplätzen werden für den Überwachungs-arbeitsplatz für Tunnelanlagen formuliert, da an die-sem Arbeitsplatz den höchsten Belastungen ausge-setzt sind. Während sie zu großen Anteilen ihrer Ar-beitszeit lediglich monitive Aufgaben mit geringenBelastungen übernehmen, steigen die Anforderungenan die Operateure beim Eintreten kritischer Notfälle inkürzester Zeit erheblich (bspw. bei Unfällen in Tun-neln). Überfluss an dargestellter Information, hoherZeitdruck sowie große Verantwortung für die im Ver-kehrsgeschehen beteiligten Personen charakterisierendiese Tätigkeit. Eine ergonomisch optimal ausgelegteArbeitsumgebung ist unbedingt erforderlich, um die Ar-beitsbelastungen sowie das Stressempfinden der Ope-rateure und somit die Fehlerwahrscheinlichkeiteinerseits zu senken, andererseits die Dauertätigkeitohne Beeinträchtigung wahrnehmen zu können.Zielsetzung der nachfolgend dargestellten, interdiszi-plinären Untersuchungen mit Anforderungen aus derArchitektur, der Datentechnik, dem Ausstattungsmana-gement und der Ergonomie ist die Spezifikation vonTunnelüberwachungsarbeitsplätzen im Operatorraumeiner Verkehrsüberwachung im südbayerischen Raum.Wie bereits aus Abbildung 1 ersichtlich wurde, ist dieHauptaufgabe der Tunnelüberwachung die Überwa-chung der Verkehrssituation in den Tunneln über dieBildschirme (entspricht in etwa 70% des Gesamtum-fangs der Aufgaben). Die restlichen 30% des Gesamt-arbeitsumfanges sind gefüllt mit Nebentätigkeiten wieWetterwarnungen, regelmäßigen Prüfungen der tech-nischen Systeme, Baustellen-Management, Überwa-chung von Schwertransporten, Kommunikation mitTunneltechnikern und der Polizei. Um Ausfallzeiten zuvermeiden und einen Parallelbetrieb an einem Arbeits-

platz durch zwei Mitarbeiter in Krisensituationen zu er-möglichen, werden jeweils zwei Eingabegeräte pro Ar-beitsplatz vorgesehen. Außerdem ist auf dem Tischausreichend Platz für eine Kamerasteuerung und die

entsprechenden analogen Medien/Unterlagen(Notfallpläne u. Ä.) einzuplanen.

3. Die Arbeitsplatzauslegung

Eine gründliche Ist-Analyse bereits existierenderÜberwachungsarbeitsplätze sowie die Befragungder aktuellen Anlagennutzer dienen als Grundlagezur Neugestaltung der Arbeitsplätze, indem mo-mentan vorhandene Schwächen und unzurei-chend gelöste Probleme aufgedeckt werden.Sowohl die Besichtigung der Arbeitsplätze in derVerkehrsleitzentrale als auch die Durchführung er-gonomischer Checklisten mit EKIDES (Ergono-mics Knowledge and Intelligent Design System)haben eine erhebliche Mängelliste in den Berei-chen Umwelt, Prozessbeobachtung, Gestaltungdes Sehraumes u. Ä. ergeben. Ergonomische An-forderungen, sowohl an Überwachungsarbeits-

plätze als auch an Bildschirmarbeitsplätze wurden ausdem Katalog des EKIDES entnommen und illustriert.Die Ergebnisse dieser Untersuchungen bestimmen dieAnforderungen, die an die zukünftigen Arbeitsplätzegestellt werden. Anschließend werden unterschiedlicheVarianten hinsichtlich ihrer ergonomischen Eignungüberprüft. Die Überwachung der aktuellen Verkehrssituation be-inhaltet im Wesentlichen das Erkennen und Bewälti-gen von kritischen Situationen. Entsprechend dieserAufgabenverteilung werden pro Tunnel jeweils zweiBildschirme für die Videobilder aus dem Tunnel undein Bildschirm zur Bedienung der Steuerungs- undNotfallsysteme sowie zur Erledigung der Nebentätig-keiten benötigt. In Zukunft sollen an einem Arbeitsplatzbis zu sechs Tunnelanlagen überwacht werden, wo-durch sich eine Anzahl von 18 Bildschirmen pro Ar-beitsplatz ergibt.

Berechnung der Abmessungen des ArbeitsplatzesDie ermittelten Anforderungen führen zu mehreren Ar-beitsplatzvarianten, die sich bzgl. der Tischbreite undder Höhe der Bildschirmwand unterscheiden. Die Breite des Arbeitsplatzes hängt von zwei Faktoren ab:• Einerseits ist die benötigte Tischbreite ausschlag-

gebend, um ausreichend Platz für die Steuerungund die Unterlagen zu bieten,

• andererseits bestimmt die vertikale Anordnung derBildschirme (2-reihig oder 3-reihig) die Breitenab-messungen des Arbeitsplatzes. Bei einer Bild-schirmanordnung in zwei Reihen ist die Breite derBildschirmwand entscheidend, da insgesamt neunMonitore pro Reihe nebeneinander angebrachtwerden müssen. Bei einer Monitorgröße von 17 ″beträgt die Arbeitsplatzbreite somit ca. 378 cm.Werden nur sechs Bildschirme nebeneinander (unddementsprechend jeweils drei übereinander) posi-tioniert, ist die benötigte Arbeitstischfläche mit einerBreite von 300 cm der limitierende Faktor.

Die räumliche Gestaltung von Arbeitsplätzen mit Hilfe

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von anthropometrischen Daten soll unbedingt bezüg-lich der Gesichts-, Blick- und Umblicksfelder ergän-zend überprüft werden (Abbildung2).

Diese Daten stellen allgemeine, ergonomische Grund-lagen für die optimale ergonomische Gestaltung derSehbedingungen am Arbeitsplatz dar. Besonders dort,wo die Genauigkeit des Beobachtens eine wichtigeRolle spielt (visuelle Kontrolle der Tätigkeit, Anzeige-einrichtungen) müssen drei Felder, die zur Festlegungder Sehbedingungen wichtig sind, in Betracht kom-men:• Gesichtsfeld: Gesamtheit der Objektpunkte, die

bei ruhendem Kopf und ruhendem Auge wahrge-nommen werden können. Der Bereich des optima-len Gesichtsfeldes beträgt ca. 30° zirkular und derdes peripheren Sehens ca. 170° horizontal und ca.113° vertikal.

• Optimal nutzbares Gesichtsfeld: Positionierungvon zentralen Warnanzeigen und Anordnung vonInformationsmitteln zur häufigen Informationsauf-nahme: ±15°

• Optimal nutzbares Blick-Gesichtsfeld: Anord-nung von Warnanzeigen und Informationsmittelnzur gelegentlichen Informationsaufnahme: ±25°

Durch die Beachtung der Position der normalen Seh-achse bei entspanntem Kopf (10-15 Grad gegenüberder Horizontalen nach unten geneigt) und Augen (25-35 Grad von der Horizontale) können Zwangshaltun-gen und dadurch Schmerzen in Schulter, Hals undAugen reduziert werden. Eine zentrale Aufgabe ist, die Grenzwerte für die Aus-legung des Sehraumes zu bestimmen. Hierbei soll be-rücksichtigt werden, dass mindestens ein Arbeitsplatzauch Rollstuhlfahrern zur Verfügung gestellt werdensoll.

Abb. 2: Gesichts-, Blick- und Umblick-Gesichtsfeld. Quelle:LfE, Ergo. Praktikum, WS 1992/93

Die Werte aus drei verschiedenen Quellen sind in Ta-belle 1 dargestellt. Es ist zu betonen, dass sowohl inDIN 33403-2, 2005, in der Studie SizeGERMANY alsauch in ISO 7250 die „Augenhöhe, sitzend“ als vertika-

ler Abstand von einer horizontalen Sitzfläche zum äu-ßeren Augenwinkel definiert ist. Die „Augenhöhe, ste-hend“ dagegen wird als vertikaler Abstand von derStandfläche zum äußeren Augenwinkel definiert.

Die Studie "Size Germany", bei der deutschlandweitüber 13 000 Männer, Frauen und Kinder mit einemGanzkörperscanner vermessen wurden, ist 2009 ab-geschlossen worden. Die Studie wurde durch HumanSolutions in Kaiserslautern und die auf Bekleidungsfor-schung spezialisierten Hohenstein Institute durchge-führt. Die internationale Norm DIN EN ISO 14738, 2009 legtdie Grundlagen zur Ableitung von Abmessungen ausanthropometrischen Maßen und ihrer Anwendung beider Gestaltung stationärer Maschinenarbeitsplätzefest. Im Gegensatz zu der Norm DIN 33403-2, 2005 undden Daten aus SizeGermany werden die Daten in DINEN ISO 14738 nur in Werten für das 5.Perzentil unddas 95.Perzentil angegeben ohne Beachtung von Ge-schlecht und Alter.

Tabelle 1: Augenbezugspunkt im Sitzen - Werte und Bereiche

Die Höhe des Augenbezugspunktes im Sitzen in Ta-belle 1 wird als Summe der Sitzflächenhöhe und Au-genhöhe sitzend berechnet. Es wird deutlich, dass einVergleich der Werte nicht möglich ist. In der erstenSpalte sind die Werte für die Breite Bevölkerungs-gruppe (18-65 Jahre) dargestellt, die mittlere Spaltegibt die Grenzwerte an, die Daten in der dritten Spalte,berücksichtigen die Alters und Geschlechtsunter-schiede nicht. Während die Werte aus den Tabellenvon SizeGermany eine Differenz zwischen Mann undFrau von 424 mm aufweisen, ist die Differenz aus derDIN für die Altersgruppe 18 bis 65 Jahre 295 mm. DieWerte aus der DIN EN ISO, 2009 ohne Angabe des Al-ters und des Geschlechtes stellen den Unterschiedzwischen dem 95.Perzentil und 5.Perzentil im Bereichvon 355 mm dar.

4. Übersicht über verschiedene Arbeitsplatz-Varianten

Um die Arbeitsplätze der Tunnelüberwachung für mög-lichst viele Benutzer optimal auszulegen, werden diebeiden klassischen Grenztypologien, das 5.PerzentilFrau und das 95.Perzentil Mann, ausgewählt (sieheTabelle 2), wobei ein Zuschlag von 10% gewähltwurde. Aus der Literatur (DIN EN ISO 14738, 2009)sind Zuschläge und zusätzliche Maße zu entnehmen:z.B. 30 mm Zuschlag für die Schuhe, 130 mm Zu-schlag für Schuhe und Fußbewegungen. „Wo immer

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möglich, sollten die Freiräumemaße erweitert und dieReichweitemaße vermindert werden“ wird in der NormDIN EN ISO 14738, 2009 angegeben.

Tabelle 2: Berechnung des Augenbezugspunktes für das 5.Perzentil Frau und das 95. Perzentil Mann (Werte aus derDIN 33403-2, 2005)

Betrachten wir jedoch die Werte für Rollstuhlfahrer,sind die Berechnungen aus Tabelle 3 zu entnehmen.

Tabelle 3: Berechnung des Augenbezugspunktes (Werte ausSizeGermany) für Rollstuhlfahrer mit einer Sitzhöhe von 420-540mm

Abbildung 3 gibt den Überblick über die im Folgendenuntersuchten Arbeitsplatz-Varianten.

Abbildung 3: Übersicht über die Arbeitsplatz-Varianten

Die maximale Höhe des Arbeitsplatzes hängt von zweientscheidenden Größen ab: • dem Augenbezugspunkt und • den optimalen Sehbereichen des Menschen.

Ermittlung der maximalen Arbeitshöhe durch Be-rücksichtigung der Sehbereiche bezogen auf denAugenbezugspunkt

Ende des optimal nutzbaren Gesichtsfeldes bei: • 5.Perzentil Frau: 1188mm – 181mm = 1007mm• 95.Perzentil Mann: 1479,5 mm – 181 mm = 1298,5 mm

Ende des optimal nutzbaren Blick-Gesichtsfeldes bei: • 5.Perzentil Frau: 1188,0 mm – 61mm = 1127,0 mm• 95.Perzentil Mann: 1479,5 mm – 61 mm = 1418,5 mm

Berechnung der minimalen Breite des Arbeitsplatzes

Um die Breite des Arbeitsplatzes zu bestimmen, müs-sen zwei Größen betrachtet werden: • die benötigte Ablagefläche für Unterlagen auf dem

Arbeitstisch (radiale Nutzungsdistanz a bei häufi-gem Gebrauch und bei gelegentlicher

Distanz (Abbildung 4)) • sowie die aus der horizontalen Aneinanderreihung

von mehreren Bildschirmen resultierende Breite.

Abbildung 4: Ra-diale Nutzungs-distanz beihäufigem (a), gelegentlichen(b) seltenem Gebrauch (c)

Berechnung des Freiraums hinter dem Arbeitstisch

Nach dem Prinzip des dynamischen Sitzens sollen un-terschiedliche Sitzpositionen während der Arbeit einge-nommen werden können. Für die Auslegung des Rau-mes hinter dem Mitarbeiter ist eine zurückgelehnte Ar-beitshaltung in der hinteren Sitzposition anzunehmen(bspw. bei der Beobachtung einer im Raum zentralmontierten Medienwand). Es ist notwendig, für den Ab-stand der Rückenlehne des Stuhls bis zur vorderenSitzkante 1 m anzusetzen. Zusätzlich zu dieser Entfer-nung ist ein Mindestabstand von 1 m im Rücken desMitarbeiters (bei Durchgängen und Türen hinter demArbeitsplatz 2 m) einzuhalten. Daraus ergibt sich einFreiraum hinter der Arbeitsfläche von mindestens 2 m(bei Türen = 3 m).

5. Abmessungen der Arbeitsplatz-Varianten

Von einer 3-reihigen Bildschirmanordnung wird grund-sätzlich abgeraten. Selbst eine Verringerung der Höheder Oberkante durch den Gebrauch von Widescreensbewirkt keine ausreichende Verbesserung – die dritteMonitorreihe bleibt in einer aus ergonomischer Sichtsehr ungünstigen Position.

Bei einer 2-reihigen Anordnung der Bildschirme spieltdie Größe der Monitore eine entscheidende Rolle: DieVerwendung von Monitoren im Standard-Format 5:4führt zu einer ergonomisch ungünstigen Position derzweiten Monitorreihe für das 5.Perzentil Frau. Die Re-duktion der Höhe durch den Gebrauch von Wides-creens (16:9) bewirkt eine verbesserte Sicht auf diezweite Reihe.

Demzufolge wird eine 2-reihige Anordnung von Wides-creen-Monitoren im Format 16:9 empfohlen (Arbeits-platz-Variante 4). Die Umsetzung der Arbeitsplatz-Variante 4 setzt sich durch eine gute Erreichbarkeitaller auf dem Tisch befindlichen Gegenstände, dankeines geringen Platzbedarfes und ausreichend guterSichtbedingungen im Vergleich zu den anderen Va-rianten durch.

Ausgehend von der benötigten Anzahl an Bildschirmen(17 bzw. 18) ergibt sich die Mindestbreite des Arbeits-platzes zu 300 cm. Um die Anzahl an Bildschirmen umsechs Stück zu reduzieren und gleichzeitig den Erhaltdes Informationsgehaltes zu gewährleisten, solltenneue Anzeigekonzepte in Planung gebracht werden.

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Abb. 5: Splitscreen-Modus zur Darstellung der beiden Videobilder einer Tunnelanlage

Durch die softwaretechnische Kombination der beidenVideobilder auf einem Bildschirm im Splitscreen-Modus, die zu jeweils einem Tunnel gehören, ließesich eine solche Reduktion problemlos umsetzen (Abbildung 5).

6. Gestaltungshinweise zum barrierefreien Bauen

Bauliche Anlagen sind dann für alle Menschen barrie-refrei nutzbar, wenn die Nutzer bei ihrer Benutzungvon fremder Hilfe weitgehend unabhängig sein kön-nen.Das gilt insbesondere für:• Rollstuhlbenutzer – auch mit Oberkörperbehinde-

rung,• Blinde und Sehbehinderte,• Gehörlose und Hörgeschädigte,• Gehbehinderte,• Menschen mit sonstigen Behinderungen,• ältere Menschen,• Kinder, klein- und großwüchsige Menschen.

Bewegungsflächen

Die Bewegungsflächen in der DIN 18024/2, 1996 sindnach dem Mindestplatzbedarf der Rollstuhlbenutzerbemessen. Sie werden definiert als die zur Bewegungmit dem Rollstuhl notwendigen Flächen. Bestimmendfür die Auslegung sind dabei die in Abbildung 6 ersicht-lichen Abmessungen eines Elektro-Rollstuhls (ca. 70 cm breit und ca. 120 cm lang).

Abb. 6: Bewegungsflächen

Die Größe der Bewegungsflächen ist bestimmt durch:• Die Abmessungen des Elektro-Rollstuhls,• Die Ellenbogen und die Hände des Benutzers, die

auch beim Selbstfahrer seitlich über den Rollstuhlhinausragen,

• Den möglichen Bewegungsfluss und die Zielge-

nauigkeit, die je nach dem individu-ellen Vermögen des einzelnen Roll-stuhlbenutzers unterschiedlich sind.Bewegungsflächen dürfen nicht inihrer Funktion eingeschränkt sein,z.B. durch Rohrleitungen, Mauervor-sprünge oder Einrichtungen, insbe-sondere auch in geöffnetem Zu-stand. Bewegliche Geräte und Ein-richtungen an Arbeitsplätzen dürfendie Bewegungsflächen nicht ein-schränken.

Bewegungsflächen an Arbeitsplätzen sind in etwa ver-gleichbar mit Bewegungsflächen vor Fernsprechzellenund öffentlichen Fernsprechern (Abbildung 6).Die obige Auslegung der Überwachungsarbeitsplätzesieht einen Freiraum hinter der Tischvorderkante vonmindestens 2 m vor, in der Breite sind die Arbeitsplätzeaufgrund der großen Anzahl an Bildschirmen auf(knapp) 4 m bemessen. Demzufolge ergeben sichdurch die Berücksichtigung des barrierefreien Bauensin diesem Fall keine weiteren Anforderungen.

Gestaltung des ArbeitstischesZur rollstuhlgerechten Nutzung sollte die Höhe einesArbeitstisches 85 cm betragen.Bei mehreren gleichartigen Einrichtungen ist minde-stens ein Element in dieser Höhe anzuordnen und un-terfahrbar auszubilden. Kniefreiheit muss in 30 cmTiefe und in mindestens 67 cm Höhe gegeben sein.

BodenbelägeBodenbeläge müssen nach ZH 1/571 rutschhemmend,rollstuhlgeeignet und fest verlegt sein; sie dürfen sichnicht elektrostatisch aufladen.Es sind grundsätzliche alle üblichen, glatten und ebe-nen Beläge möglich, jedoch ist der Behandlung derBöden (mit Pflegemitteln, Wachs, etc.) besondere Auf-merksamkeit zu widmen. Insbesondere ist die Verfäl-schung der Eigenschaften eines ansonsten geeignetenBelags durch Nässe zu bedenken.

Zusätzlich hängt das sichere Begehen und Befahrender Beläge stark von nicht-baulichen Faktoren ab, wiez.B. Material und Profilierung von Schuhwerk bzw.Rollstuhlreifen. Materialwechsel zwischen großflächigen und kleinfor-matigen Belägen sollen nicht ausschließlich aus ge-stalterischen Gründen geplant werden, sondern derOrientierung dienen, wie z.B. Aufmerksamkeitsfelderan Beginn und Ende von verkehrsberuhigten Berei-chen oder Leitstreifen für Schlechtsehende und Blinde.Beläge unterschiedlicher Formate dürfen sich im Laufeder Benutzung nicht unterschiedlich setzen, weil sonstgefährliche Höhenunterschiede entstehen. Oben aufgeführte Angaben entstammen dem „Leitfa-den für Architekten, Fachingenieuren, Bauherren zurDIN 18024 Teil 2, Ausgabe November 1996 – Barriere-freies Bauen“. Darin enthalten sind u.a. weiterführendeInformationen zu:• Türen,• Stufenlose Erreichbarkeit, untere Türanschläge

und –schwellen, Aufzug, Rampe,• Wände und Decken,• Sanitärräume,

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Standart-Format 5:4 Widescreen-Format 16:9

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• Bedienungsvorrichtungen,• Orientierungshilfen, Beschilderung.

7. Arbeitsumgebung für Überwachungs-arbeitsplätze

Bei der Auslegung des Operatorraumes müssenneben den oben beschriebenen Anforderungen wei-tere Vorgaben beachtet werden. Diese beziehen sichinsbesondere auf die Beleuchtung des Raumes, aufdie akustische Arbeitsplatzgestaltung und auf die Lüf-tung und Klimatisierung des Raumes. Vorgaben bzgl. der Beleuchtung des Arbeits-raumesBei der Installation der Beleuchtung im Arbeitsraumsind einige ergonomische Anforderungen zu beachten:• Beleuchtungsstärke E (in Räumen mit Bildschir-

men): 300 ≤ E ≤ 600 lx• Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstärke:

Emin : E ≥ 0,6• Direktblendung kleiner als Grenzleuchtdichte Gü-

teklasse 1 nach DIN 5035/7, 2004• Abschirmwinkel > 30°

Vorgaben bzgl. der Akustik des ArbeitsraumesUm eine ergonomisch einwandfreie Akustik des Ar-beitsraumes zu gewährleisten, müssen u.a. folgendeVorgaben eingehalten werden:• Beurteilungspegel bei überwiegend kognitiven Ar-

beiten ≤ 55 dB(A)• Schalldruckpegel von Klimaanlagen ≤ 45 dB(A)• Störgeräusche von außen bei hohen Konzentrati-

onsanforderungen <30 dB(A), bei geringen Kon-zentrationsanforderungen < 35 dB(A)

• Schalldämmmaß der Türen > 30 dB(A)

Vorgaben bzgl. des RaumklimasHinsichtlich des Raumklimas sind folgende Vorgabendurch die Ergonomie definiert:• Raumtemperatur t: 20° C ≤ t ≤ 26° C• Relative Luftfeuchtigkeit bei einer Trockentempe-

ratur der Raumluft ≥ 22° C: mind. 30%, max. 55%• Anordnung von Ansaug- und Ausblasöffnungen

so, dass Rezirkulation ausgeschlossen wird• Luftgeschwindigkeit (v) 1000 mm über Boden im

Umkreis mit Radius 1 m unter Luftaustrittsöffnungin jeder Richtung bei Trockentemperatur < 25° C:≤ 0.2 m/s

• Vertikale Temperaturdifferenz im Aufenthaltsbe-reich ≤ 3 K

8. Raumgestaltung

Der Operatorraum beinhaltet zwölf einzelne Arbeits-plätze vor einer Großleinwand, auf der ein Überblickdes momentanen Verkehrsgeschehens dargestelltwird. Dieser Raum ist das Herzstück der neuen Ver-kehrsleitzentrale in Südbayern. Ein erster Entwurf desArchitekturbüros Schmidt-Schicketanz aus Münchenist in Abbildung 7 dargestellt.

Abb. 7: Erster Entwurf der Verkehrsleitzentrale

Zusammenfassung

Der Beitrag zeigt das Vorgehen und Ergebnis einer ge-lungenen interdisziplinären Kooperation am Beispieleiner komplexen Arbeitsplatzgestaltung. Die Ausle-gung konnte durch die Nutzung aktueller anthropome-trischer Daten (SizeGermany) sehr zukunftsorientiertvorgenommen werden -im Fall von Investitionsgüterneine außerordentlich wichtige Anforderung. Dabei fanden Aspekte des universal design durchausBerücksichtigung.

Interessant scheint die beschriebene Lösung auch,weil es gelungen ist, durch die gezielte Gestaltung derNutzersoftware (Splitscreen) einen positiven Einflussauf die Hardwareanordnung und somit die Arbeits-platzgestaltung zu erzielen.Weiterer Forschungsbedarf besteht nun in einer soft-wareergonomischen Betrachtung der verwendeten An-wendersoftware, da auch hier sehr extreme Anforder-ungen (Monitoring vs. Troubleshooting) abgedecktwerden müssen.

Literatur1. Engstler, F., Brandl, B., & Bubb, H. 2008, Entwicklung

eines Ramsis-Haltungsmodells für Bürostühle. In: Produkt-und Produktions-Ergonomie – Aufgabe für Entwickler undPlaner. Bericht zum 54. Kongress der Gesellschaft für Ar-beitswissenschaft. GfA-Press, Dortmund.

2. Jastrzebska-Fraczek, I., Schmidtke, H., Bubb, H., Kar-wowski W. (2006) Ergonomics Knowledge and IntelligentDesign System (EKIDES) - Software Tool for Design, As-sessment and Ergonomics Teaching in International Ency-clopedia of Ergonomics and Human Factors, SecondEdition, 2006 edited by W. Karwowski, Taylor & Francis p.1613-1625

3. Jürgens, H.W. 1999, Vorrangige Körpermaße. In: Hand-buch der Ergonomie. BWB, Koblenz, B-1.1.3 – B-1.1.4.

4. Schmidtke, H. 1993, Ergonomie. Hanser, München, 3. Auflage.

5. Schmidtke, H. 2005, Arbeitstische für sitzende Tätigkeit.In: Handbuch der Ergonomie. BWB, Koblenz, C-4.1.3.

6. DIN 5035 Beleuchtung mit künstlichem Licht. Teil 7: Be-leuchtung von Räumen mit Bildschirmarbeitsplätzen.Beuth Berlin, 2004

7. DIN 18024 Teil 2 Barrierefreies Bauen. Teil 2: Öffentlichzugängige Gebäude und Arbeitsstätten, Planungsgrund-lagen. Beuth Berlin 1996

8. DIN 33402 Teil.2, Körpermaße des Menschen; Werte.Beuth, Berlin 2005

9. DIN EN ISO 14738 Sicherheit von Maschinen - Anthro-pometrische Anforderungen an die Gestaltung von Ma-schinenarbeitsplätzen. Beuth, Berlin 2009

10. BGR 181 (ZH 1/571) Fußböden in Arbeitsbereichen mitRutschgefahr Schmidt, Köln 2003

11. HUMAN SOLUTIONS GmbH: SizeGERMANY, Die deut-sche Reihenmessung: http://www.sizegermany.de/

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Zitat:„ Laudatio zur Überreichung des Walter-Rohmert-Forschungs-preis an Ulrich Bergmeier für seine Dissertationsschrift

Kontaktanalog markierendes NachtsichtsystemEntwicklung und experimentelle Absicherung

Die Fahrer-Fahrzeug-Interaktion ist ein exzellentes Beispielfür Anwendung ergonomischer Kenntnis und die Notwendig-keit neuer Forschung, denn • teilweise müssen erst die in diesem Zusammenhang re-

levanten Eigenschaften und Fähigkeiten des Menschenmit den Methoden der Psychophysik untersucht werdenund dann

• dieses neu erworbene spezifische Wissen zusammenmit bekannten Kenntnissen genutzt werden, um techni-sche Lösungen zu finden, die menschliche Unzuläng-lichkeiten auffangen, ohne den menschlichen Operateurzu bevormunden und ohne seine zweifellos vorhande-nen kreativen Fähigkeiten für die Lösung eines ad hocauftretenden Problems ungenutzt zu lassen.

All diese Anforderungen hat Herr Dr. Bergmeier in hervorra-gender Wiese bearbeitet und zudem einen völlig neuartigenund zugleich realisierbaren konkreten Lösungsvorschlag er-arbeitet und dessen Tragfähigkeit im Ex-periment nach allen Regeln der Kunst,angefangen bei der Versuchsplanung bishin zur korrekten statistischen Auswer-tung und Interpretation nachgewiesen.

Die Zielsetzung der Arbeit bestand in derEntwicklung eines in sich konsistentenAssistenzkonzeptes zur idealen Unterstüt-zung der visuellen Wahr-nehmung des Fahrers bei nacht- und wit-terungsbedingter Sichtreduktion, welcheslichttechnische und infrarotbasierte Sy-steme zusammenfasst. Unter methodi-schem Gesichtspunkt mussten zunächsteinerseits der Assistenzbedarf objektiviertund anderseits auf der Grundlage desStands der Technik die Potenziale undGrenzen von sichtverbessernden Assi-stenzsystemen herausgearbeitet werden.Es waren einerseits Grundlagen für einkontaktanaloges Head-Up-Display (kHUD)zu schaffen und anderseits der Effekt vonBird-View-Anzeigen zu untersuchen.Diese beiden Aspekte stellen die Grund-lage für die Entwicklung von konkretenHMI-Lösungskonzepten dar. Diese werden sodann experi-mentell evaluiert. Aus den Ergebnissen leitet sich ein Assi-stenzkonzept für nacht- und witterungsbedingteSichtreduktion ab.

Das Konzept besteht in

• einem lichtbasierten Assistenzsystem mit Stadtabblend-licht und Abbiegelicht für den Stadtbereich,

• einem infrarotbasierten Nachtsichtsysteme, dessen In-formation bei niedrigen Geschwindigkeiten im richtungs-orientierten LED-Arrays dargestellt wird und bei höheren

Geschwindigkeiten im kontaktanalogen HUD. Letzteres wirdintegriert mit• einem innovativen „kontinuierlichen Fernlicht“ und dem

„Kurvenlicht“. • Bei extrem schlechten Witterungsbedingungen wird das

System durch eine kontaktanaloge Darstellung des Stra-ßenverlaufs ergänzt, dessen Information aus hochauflö-sender Straßentextur im Navigationssystem inVerbindung mit einem hochgenauen GPS (z. B. durchGALILEO) gewonnen wird.

Für die Bewertung der Arbeit von Herrn Bergmeier ist hervor-zuheben, dass die Ideen zu diesem Konzept, die versuchs-technische Absicherung und die prototypische Entwicklungder zugehörigen Technologien alle von ihm selbst initiiert unddurchgeführt worden sind. Dies weist auf sein sehr vielfälti-ges Talent in unterschiedlichen Bereichen hin.

Darüber hinaus findet sich in der Arbeit eine Vielzahl vonEinzelergebnissen, die auch für andere Anwendungszweckevon grundlegender Bedeutung sind.

Die umfassende Arbeit von Herrn Bergmeier repräsentiertsomit in hervorragender Weise den besonderen Anspruch

der Produktergonomie, nämlich technische Systeme zu ent-wickeln, die an die Eigenschaften des Menschen optimal an-gepasst sind und diesen dadurch zu einer größerenLeistungsentfaltung befähigen.“

Zitat-Ende.

Herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung vom ganzen Lehrstuhl.

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Erste Verleihung des Walter Rohmert Forschungspreis an junge Wissenschaftler.Dr.-Ing. Nicole Jochems und Dr.-Ing. Ulrich Bergmeier auf der GfA2010 geehrt

Laudatio zur Dissertation von U. Bergmeier mit freundlicher Genehmigung des Laudators Prof. i.R. H. Bubb

Walter Rohmert Preis 2010von links nach rechts: Ralph Bruder, Ulrich Bergmeier, Nicole Jochems, Christo-pher Schlick, Heiner Bubb, Gert Zülch

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Gerne erinnern wir uns an die gelungene Ver-bindung, Traditionelles und Neues mit undfür den Lehrstuhl zu einem motivierten Gan-zen zusammenzufügen. Die vielfältigen Bei-träge und die ausführlichen Präsentationenwerden Ihnen, geehrte Leser und Teilnehmersicher wieder in Erinnerung gerufen mit derkleinen Bilderauswahl des letztjährigen Som-merfestes.

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Kleine Sommerfest-2009-NachleseWerner Zopf

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„Houston- we have a problem“

Im Zeitraum vom 26. Januar2010 bis zum 26. März 2010(2 Monate) wurde ich einge-laden als Gastwissenschaft-ler (visiting scientist) an dasLyndon B. Johnson SpaceCenter (JSC) der NASA (Na-tional Aeronautics andSpace Administration) inHouston/USA zu kommen.

Die Einladung erfolgte durchDr. Sudhakar Rajulu, Techni-cal Manager der AbteilungABF (Anthropometry andBiomechanics Facility). Vorrausgegangen ist einTreffen von Dr. Rajulu aufder DHM-Konferenz (DigitalHuman Modelling) der SAE

(Society of Automotive Engineering) in Pittsburgh/USAin 2008 und der IEA-Konferenz (International Ergono-mics Association) in Peking/China 2009. Dort wurdebereits festgestellt, dass sich die Forschungsthemendes wissenschaftlich orientierten ABF-Labors mit de-nen des Lehrstuhls für Ergonomie (LfE) der Techni-schen Universität München (TUM) und insbesonderemit den Inhalten meiner Promotion (Doktorvater: Prof.i.R. Dr. rer nat. Heiner Bubb) gut ergänzen.

Dieser Aufenthalt sollte neben der persönlichen Aus-landserfahrung auch einen gastwissenschaftlichenAufenthalt von Dr. Sudhakar Rajulu am LfE vorbereitenund damit den LfE und die TUM als internationalenPartner der NASA etablieren.

Während des Aufenthaltes bei der NASA durfte icheinen Einblick in zahlreiche laufende Untersuchungenbekommen. Darunter waren unter anderem Ein- undAusstiegsuntersuchungen zur Definition und Gewähr-leistung von Mindestfreiräumen sowie Sitzhaltungsun-tersuchungen für die Erreichbarkeit von Instrumentenin einer Raumfähre (CEV – Crew Exploration Vehicle).

Auch zahlreiche Evaluierungen zur Beweglichkeit inRaumanzügen, ausgelegt sowohl für verschiedengroße Astronautentypologien (1.- 99. Perzentil bezo-gen auf alle Körpermaße) sowie für die verschiedenenEinsatzumgebungen, wurden durchgeführt. Diese sindfür Starts und Landungen (Druck- und Sicherheitsan-züge), für Außeneinsätze in der Mikrogravitationsum-gebung der ISS (International Space Station) undMond- bzw. Marsumgebungen besonders wichtig,

Die messtechnische Ausstattung für die Untersuchun-gen entsprach dabei in weiten Teilen der des LfE. ZurBestimmung von allgemeinen Körpermaßen wird bei-spielsweise ebenso neben dem klassischen Anthropo-meter zusätzlich noch ein Vitus-BodyScanner ver-wendet. Auch für geometrische 3D-Messungen wirdebenfalls ein 3D-Messarm von FARO verwendet undschließlich wird für die Bewegungsanalysen (MotionTracking) das VICON-System verwendet. Daher bedurfte es kaum einer Einarbeitung in den ver-schiedenen Untersuchungenmitwirken zu können.Außerdem konnten direkt die Ergebnisse mit Untersu-chungen am LfE verglichen und diskutiert werden.

Ein wichtiger Teil desgastwissenschaftlichenAustausches, war auch,eigene Expertise auf denGebieten der Anthropo-metrie und der Bewe-gungsmodellierungeinzubringen. Dazuhabe ich die wissen-schaftlichen Methodendes LfE präsentiert unddiese parallel zu denNASA-eigenen Untersu-chungen angewandt.

Dazu wurde beispielsweise die vollflexible und marker-lose Haltungs-bzw. Bewegungserfassungsmethode mitdem lehrstuhleigenen Tool PCMAN angewendet, umAusstiegsszenarien aus einem CEV zu simulieren.

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Gastaufenthalt bei der NASAOlaf Sabbah

Abb. Mars-Mobil

Abb. Shuttle-Mockup

Abb. Space-Suite mitPCMAN

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Diese Methode hatte dadurch überzeugt, dass dieseMessmethode ohne schwere Hardware (Pay-Load)auch für den Einsatz in Mikrogravitation (z.B. auf derISS) anwendbar ist. Auch die weitere Simulationsarbeitmit dem am LfE und der Firma Human Solution GmbHentwickelten Digitalen Menschmodell RAMSIS wurdehierzu vorgestellt. Von beiden Software-Tools hat dieNASA nun eine Testlizenz erhalten und will laut eige-nen Aussagen diese auch vollständig erwerben.

Bedingt durcheine derzeitigeBudget-Knappheitder US-Regie-rung, wurde offi-ziell die Finan-zierung desMondprogrammsder NASA starkeingeschränkt.

Dies hat dazu geführt, dass die NASA, insbesonderedie Abteilungen die sich mit Grundlagenforschung (wiedie ABF) befassen, an vertieften Kooperationen mit an-deren wissenschaftlichen Einrichtungen interessiertsind. Da der LfE ein Pendant zur ABF an der TUM darstellt,wurde hierzu ein erhöhtes Interesse einer internationa-len Zusammenarbeit geäußert. Darunter wurde auch inErwägung gezogen, die TUM (zusammen mit demDLR Mission Control in Oberpfaffenhofen) als eineweitere Station des NASA-internen Rotationspro-gramms zu etablieren. Auch wurde von der NASA derWunsch geäußert weitere wissenschaftliche Mitarbei-ter und evtl. auch Studenten der TUM (für Praktikaoder Studienarbeiten) für einen Auslandsaufenthalteinzuladen.

Schließlich habe ich gemeinsam mit Dr. Rajulu zweiProposals für Untersuchungen im Bereich der Kraft-und der Haltungsmodellierung bei der NASA einge-reicht (Status noch offen). Desweiteren wird Dr. Sud-hakar Rajulu einen mehrtägigen Besuch am LfEabsolvieren.

Im Allgemeinen befindet sich die NASA Einrichtungdes JSC an der im süd-osten viergrößten Stadt derUSA Houston im Bundesstaat Texas.

Als Fazit kann ich jedem Mitarbeiter des Lehrstuhlseinen vergleichbaren Aufenthalt empfehlen. Neben derwissenschaftlichen und sprachlichen Erfahrung istauch die menschliche und kulturelle Erfahrung außer-ordentlich wertvoll.

Dank der nun vertieften Beziehungen zwischen derABF und dem LfE besteht die Möglichkeit den Aus-tausch sowie die Zusammenarbeit auszubauen.

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Unser besonderer Glückwunsch zur Verleihung derEhrenurkunde zur Vollendung einer Dienstzeit von 25Jahren im öffentlichen Dienst richtet sich an Frau Dr.-Ing. I. Jastrzebska-Fraczek. Sie erhielt beieiner Feierstunde die von Staatsministerin ChristineHaderthauer verliehene Urkunde im Kollegenkreis amLehrstuhl.

Wir gratulieren!

Validierung des RAMSIS-Krafthaltungsmodells

Durch die äußerst großen interindividuellen anthropometrischenUnterschiede ergeben sich Anforderungen an die Innengestaltungvon Fahrzeugen, die derzeit durch den Einsatz digitaler Men-schmodelle im Entwicklungsprozess berücksichtigt werden. Im Be-reich der Fahrzeugindustrie wird zu diesem Zweck größtenteils dasMenschmodell und Entwicklungswerkzeug RAMSIS erfolgreicheingesetzt. Mittels RAMSIS können typische Fahrerhaltungen ingegebenen Fahrzeuginnenräumen mit hoher Präzision in der frü-hen Phase vorhergesagt werden. Allerdings gilt diese Aussage bis-her nicht für Haltungen, die sich aus der „normalen“ Sitzhaltungentfernen. Mittels eines validierten Krafthaltungsmodells (KHM)sollen nun auch diese Vorhersagen ermöglicht werden.

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25 jähriges DienstjubiläumWerner Zopf

Erfolgreiche Doktorprüfung:Dr.-Ing. Christin FröhmelWerner Zopf

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Einleitung

Ein Fahrerassistenzsystem, welches den Fahrer beimDurchfahren einer Kreuzung unterstützt, bietet einhohes Potenzial für die Erhöhung der Verkehrssicher-heit und Mobilität. Unfälle an Kreuzungen machen inden EU-Ländern zwischen 30% und 60% aller Unfälleaus (Fuerstenberg, 2007). Im Jahr 2008 gab es alleinin Deutschland ungefähr 180.000 Unfälle in Kreu-zungsbereichen (Statistisches Bundesamt, 2009). Eine Zahl, die über die letzen Jahre konstant auf die-sem hohen Niveau geblieben ist. Zusätzlicher Druckauf die Entwicklung von Methoden und Technologienfür Kreuzungsassistenzsysteme entsteht auch durchdie stetige Zunahme des innerstädtischen Verkehrs,durch eine immer älter werdende Gesellschaft unddurch das teilweise ausgeschöpfte Potential für Sy-steme der aktiven Sicherheit für den Längsverkehr.

Motivation und Ziel

Aufkommende Sensor- und Kommunikationstechnolo-gien, wie Car2Car (C2C) und Car2Infrastructur (C2I),ermöglichen schon jetzt eine zuverlässige Auslegungder Kreuzungsassistenzsysteme (Klanner, 2008). Allerdings haben Benutzerstudien gezeigt, dass Effi-zienz und Akzeptanz der Kreuzungsassistenzsysteme(KAS), welche nur auf realisierbaren Technologien ba-sieren, sehr niedrig ausfallen (Benmimoun, 2007). DieBestimmung der Funktionalität von KAS stellt ein kom-plexeres Problem dar als lediglich die Sensorfusionund die Technologieentwicklung, weil der Mensch alsein extrem variabler Faktor einbezogen werden muss.

Die bisherigen Ansätze für das Design von Kreuzungs-assistenzsystemen waren meist warnungsbasierte Lö-sungen. Solche Lösungen haben sich leider alsineffizient gezeigt, weil für einige Kreuzungsmanöver,z.B. beim Linksabbiegen, das sogenannte „Warndi-lemma“ nicht beherrschbar ist (Meitinger, 2006). Dasbedeutet, dass wegen der großen individuellen Unter-schiede im Fahrerverhalten, ein optimaler Warnzeit-punkt nicht existiert. Der Fahrer wird in meisten Fällenentweder zu spät oder zu früh gewarnt werden. Abbil-dung 1 visualisiert diesen Fall. In Abbildung 1(a) sinddie Spanne der möglichen Einlenkpunkte und dieGröße der Konfliktzone dargestellt und in Abbildung1(b) anhand von Linksabbiegetrajektorien auf einerKreuzung in München visualisiert.

Die Alternative für die Vermeidung der Kreuzungsun-fälle könnte eine autonome Notbremsung sein. Ein sol-ches System würde aber hohe Investitionskosten undZulassungsfragen verursachen.

Abb. 1. Linksabbiegen (a) Spanne der möglichen Einlenk-punkten und die große der Konfliktzone, (b) AugmentierteLinksabbiegetrajektorien auf einer münchener Kreuzung(Klanner, 2008)

Der systemergonomische Ansatz, auf welchem dieseArbeit basiert, schlägt die Entwicklung eines Informati-onssystems vor, welches dem Fahrer die nötige Infor-mationen zum richtigen Zeitpunkt anbietet. Allerdingsbenötigt ein solches System umfassende Kenntnisseüber die Verkehrssituation und basiert auf einem nor-mativen Fahrermodell. Dabei soll überprüft werden, obdie Informationen so gefiltert und präsentiert werdenkönnen, dass sie den Fahrer nicht überfordern und nurrelevante Information weitergegeben werden. Dererste Schritt ist die Diskrepanz zwischen idealem undtatsächlichem Fahrerverhalten und dessen Variabilitätzu untersuchen. Dadurch soll systematisches Fehlver-halten identifiziert werden, welches in seltenen Fällenzu Unfällen führen kann..

Dafür wurde in diese Arbeit das kognitive Fahrverhal-ten auf der Führungsebene beim Durchfahren ver-schiedener Kreuzungen experimentell untersucht.

Methode

Um die Kreuzungssituationen auszuwählen, wurdeeine umfassende theoretische Analyse der wichtigstenEinflussgrößen auf die Fahraufgabe an einer Kreuzungdurchgeführt (Plavsic,2009). Dabei ist eine Versuchs-strecke entstanden, die aus 10 Kreuzungssituationenbesteht. Dazu wurden das Manöver (links, rechts undlinks), die Vorfahrtsegelung (Vorfahrt haben, Vorfahrtgewähren, Stopp-Schild und Rechts-vor-links) und diePräsenz eines vorausfahrenden Fahrzeugs variiert.Durch die Identifikation der wichtigsten Einflussgrößenauf die Fahraufgabe an einer Kreuzung ist die Aufga-beschwierigkeit in jeder Situation bewertet worden. Dieuntersuchte Kreuzungs-Situationen und deren Bewer-tung sind in Abbildung 2 skizziert.

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Analyse des Blickverhaltens an Kreuzungenals Grundlage für die Gestaltung von AssistenzsystemenMarina Plavšić

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Abb. 2. Übersicht untersuchten Kreuzungssituationen undRangierung auf Basis der geschätzten Aufgabeschwierigkeit

Für jedes Kreuzungsszenario wurde eine Aufgaben-analyse durchgeführt. Die Erstellung eines kognitivenFahrermodels und die Definition eines idealen Fahr-verhaltens waren die Grundlagen für diese Analyse.

Das kognitive Model wurde zusätzlich in einer simula-tionsfähigen Form spezifiziert (Plavsic, 2010). Generell, kann ideales Fahrverhalten als Verhalten be-schrieben werden, welches gesetzlich reguliert ist. Fürjede Verkehrssituation gibt es eine Spannweite deskorrekten Verhaltens. In Kreuzungssituationen mussder Fahrer viele unabhängige Aufgaben erledigen unddadurch ist die Spanne des idealen Verhaltens verklei-nert. Das ermöglicht eine erste Beschreibung desidealen Kreuzungsverhaltens.

Dafür wurde der Kreuzungsbereich in fünf Phasen un-terteilt: Annährung, Verzögerung, Durchfahren, Abbie-gen und Verlassen der Kreuzung. Für jeden Bereich isteine regelbasierte Entscheidung nötig. So-wohl die Entscheidungen als auch die Auf-gaben und deren Wichtigkeit wurden fürjede Kreuzung und jeden Bereich be-stimmt. Eine Fehleranalyse ist durch Ver-gleich zwischen definiertem undtatsächlichem Fahrverhalten durchgeführt.Zusätzlich wurden mittels Blickerfassungfolgende Werte analysiert: Blickdauer,Blickfrequenz, Zeitanteil und maximaleBlickdauer auf 16 vordefinierten Area of In-terest (AoI).

Versuchsbeschreibung

Der Versuch wurde im statischen Fahrsimulator desLehrstuhls für Ergonomie durchgeführt. An dem Ver-such haben 28 Versuchspersonen teilgenommen (vierPersonen haben den Versuch wegen Simulatorkrank-heit abgebrochen). Das Alter der Versuchspersonenwar zwischen 21 und 63 Jahren (mi=27, SD=8.7) (21Männer / drei Frauen).Der Versuch bestand aus zwei Durchläufen: beimzweitem Durchlauf wurde bei den VersuchspersonenZeitdruck in Form eines Wettbewerbs erzeugt. Das

Verhalten wurde im Simulator aufgenom-men und nach jedem Durchlauf warendie Fahrer mit eigenem Verhalten kon-frontiert und haben spezifisch gestellteFragebögen ausgefüllt. Das Blickverhal-ten wurde dabei durch das Blickerfas-sungssystem DIKABLIS aufgenommen.

Ergebnisse

Die Präsenz anderer Verkehrsteilnehmerwar der stärkste Peformance ShapingFactor (PFS) des visuellen Fahrverhal-tens. Wenn mehr als vier Objekte in derSzene anwesend waren, war das visu-

elle Fahrverhalten fast komplett durch die Objekte inder Szene (bottom-up Prozesse) gesteuert. DiesesBlickverhalten war unabhängig von dem ausgeführtenManöver oder der Vorfahrtsregelung. Die Konse-quenz war, dass in komplexen Szenarien, die Blicke invorfahrtsberechtigte Richtungen oft ausgelassen wur-den. In Abbildung 3 ist der Unterschied der Blickse-quenzen ohne Fremdverkehr und mit Fremdverkehrskizziert.

Im Gegensatz dazu ist das top-down gesteuerte Blick-verhalten, welches durch eine aktive Suche charakteri-siert ist, von Kreuzungsmerkmalen abhängig. Dabeihatte das Manöver stärkeren Einfluss als die Vorfahrts-regelung.

Nennenswert ist auch die Tatsache, dass meistens diegleichen Versuchspersonen den gleichen Fehlertypbegangen haben, sei es die Fokussierung der Ver-kehrszeichen, das Auslassen von wichtigen Teilaufga-ben oder die typische Anzahl von Blicken in bestimm-ten Phasen. Das unterstützt die Hypothese, dass einhoher Anteil der Fehler systematischer Natur ist unddeswegen auch verhindert werden könnte.

Abb. 3. Typische Blicksequenz in Szenario 6 für (a) Durch-fahren und Abbiegen wenn keine andere Verkehrsteilnehmeranwesend sind, (b) Durchfahren mit entgegenkommendenVerkehr und Verkehr von Recht (VP 18), (c) Durchfahren mitentgegenkommenden Verkehr und Verkehr von Recht (VP20)

Eine erste Beschreibung der wichtigsten Ergebnissepro Segment wird im Folgenden dargestellt. DetaillierteErgebnisse sind in (Plavsic, 2010) dargestellt.

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Annäherungsphase. In der Annährungsphase fokus-sieren die Fahrer meistens einen mittleren (1-2s) oderweiten (>2s) Fahrschlauch und in ca. 60% der Fällewar der Fokus nur auf die rechte Seite der Fahrbahngerichtet. Die wichtigste Aufgaben in Annährungs-phase sind antizipatorische Aufgaben. Dabei hat dieWahrnehmung der Verkehrszeichen und entspre-chende Anpassung des Fahrverhaltens die höchstePriorität. Allerdings haben nur ca. 60% der Versuchs-personen das regulative Verkehrszeichen foveal fokus-siert, mit Ausnahme des Stopp-Schilds. Der gravie-rendste Fehler war jedoch die nicht angepasste Ge-schwindigkeit.

Verzögerungsphase. Die Unfälle die sich in der drit-ten und der vierten Phase ereignet haben, waren mei-stens schon durch begangene Fehler in der Verzö-gerungsphase gekennzeichnet. Die Diskrepanz zwi-schen idealem und tatsächlichem Verhalten war in die-ser Phase sehr hoch. Die schwerwiegendsten Fehlerwaren das Auslassen von Blicken in Richtung schwä-cherer Verkehrsteilnehmer. Nur 15% der Versuchsper-sonen haben sich vergewissert dass der vorfahrts-pflichtige Fremdverkehr die Vorfahrtsregelung einhält.Der Einfluss von Zeitdruck war in dieser Phase amstärksten, was oft zum Auslassen der wichtigsten Auf-gaben geführt hat.

Abbiege Phase. Das Blickverhalten in dieser Phaseist, durch die Fokussierung des Punktes charakteri-siert, der sich in der Mitte der Fahrbahn (Ankerpunkt)befindet. Die Fokussierung auf diesen Punkt dient derbesseren Stabilisierung des Fahrzeugs während desAbbiegemanövers. Die typische Blicksequenz beiRechtsabbiegen war ein kurzer Blick nach links unddann ein Blick nach rechts. In 40% der Fälle war auchein Blick in die entgegenkommende Richtung vorhan-den. Die typische Blicksequenz beim Linksabbiegenwar ein Blick nach links, nach rechts, dann in die ent-gegenkommende Richtung und dann wieder nachlinks. Wenn die Probanden Vorfahrt hatten, war dererste Blick nur in ca. 25% Fällen vorhanden. Der Ein-fluss der anderen Verkehrsteilnehmer war sehr stark indiesem Segment und häufig haben die Fahrer die fal-schen Blicksequenzen durchgeführt. Dies resultierteoft in einem Übersehen des vorfahrtberechtigten Ver-kehrs.Verlassen der Kreuzung. Die in diesem Segment be-gangene Fehler waren nicht so kritisch wie die in denanderen Phasen.

Schlussfolgerung

Die Ergebnisse zeigen, dass die Fahrer am meistenvon einem Assistenzsystem profitieren können, wel-ches in der Verzögerungsphase geeignete Unterstüt-zung gibt. Ein einfaches System mit hohem Potenzialwürde dem Fahrer eine geeignete Geschwindigkeit bereits in der Verzögerungsphase anzeigen. Eine andere Unterstützungsmöglichkeit ist die Redu-zierung der Belastung durch die Unterstützung in denanspruchvollsten Teilaufgaben. Das sind beispielweisedie Kenntnis über die momentane Verkehrsregelung,vor allem in kritischen Momenten und in Situationen

mit einer großen Anzahl von Fremdverkehrsfahrzeu-gen. Deshalb würde ein Assistenzsystem, welchesdem Fahrer in kritischen Momenten die Vorfahrtsrege-lung anzeigt, den Fahrer deutlich entlasten. Diese Vi-sualisierung könnte z.B. im Head-Up Display erfolgen.Auf diese Weise ist die Priorisierung der relevantestenInformationen für den Fahrer bereits erfolgt.

Damit ist gezeigt dass bereits die im Fahrzeug vorhan-denen Sensoren und Karteninformationen die nötigenInformationen liefern können, um die gefährlichstenFehler bei Fahrmanövern im Kreuzungsbereich zu re-duzieren. Solche Systeme fördern die Fahrerkompe-tenz und haben einen kooperativen Charakter. DieAusführung der Aktion bleibt dem Fahrer überlassen.Im Vergleich zu vorhandenen Warnungssystemenkann ein solcher Ansatz die Akzeptanz des Nutzers er-höhen und wäre zudem kosteneffizient. Dieses Poten-zial soll in weiteren Experimenten untersucht werden.

Literatur

Benmimoun, A., Chen, J. C., and Suzuki, T. Design andPractical Evaluation of an Intersection Assistantin Real World Tests. In Proceedings of the 2007IEEE Intelligent Vehicles Symposium , Istanbul,Turkey, 2007

Fuerstenberg, K. INTERSAFE, Final Report, Project Evalua-tion and Effectiveness of the Intersection SafetySystem. Technical report, PReVENT project,2007.

Klanner, F., Thoma, S., und Winner, H. Fahrverhaltensunter-suchungen und Mensch Maschine-Interaktions-konzepte für die Kreuzungsassistenz, InTagung: Aktive Sicherheit, München, 2008

Meitinger, K., Heißing, B., und Ehmanns, D. Linksabbiegeas-sistenz–Beispiel für die Top-Down-Entwicklungeines Aktiven Sicherheitssystems. In Tagung:Aktive Sicherheit, Munchen, 2006

Plavsic, M. Analysis and Modeling of Driver Behavior for As-sistance Systems at Road Intersections, Disser-tation, Lehrstuhl für Ergonomie, TechnischeUniversität München, 2010 (in publishing)

Statistisches Bundesamt: Verkehr. Verkehrsunfälle, Wiesbaden, 2008

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Auch in diesem Jahr – bereits zum achten Mal – wardas Fachgebiet „Sportgeräte und –materialien“ auf derim Februar 2010 stattgefundenen ispo München, dergrößten Sportartikelmesse der Welt, vertreten.

Die traditionell guten Beziehungen zwischen der TUMund der Messe München GmbH sind in einem Koope-rationsvertrag festgeschrieben und dieser ermöglicht,nicht nur dem Lehrstuhl für Ergonomie und dem Extra-ordinariat, sondern auch anderen Einrichtungen derTUM ihre Leistungsfähigkeit im Bereich Sporttechnolo-gie auf einem kostenlosen Messestand zu präsentie-ren.

In diesem Jahr stand unser Messeauftritt unter demLeitbegriff „Sports Engineering - Forschung für innova-tive & funktionelle Sport- Produkte“.

Acht innovative Pro-dukte bzw. Projekte ausunserer und der Arbeitdes TUM Lehrstuhls„Industrial Design“(Prof. Frenkler) warenals Exponate für denMessestand ausge-wählt worden. Eine inDeutsch und Englischverfasste Broschürehalf den Messebesu-

chern, sich über diese Exponate ausführlicher zu infor-mieren.

Die Frage, ob der nicht unerhebliche finanzielle undpersonelle Aufwand eines solchen Messeauftritts einenunmittelbaren Nutzen hat, ist schwer zu beantworten.Sicher ist jedoch, dass Sporttechnologie heute mehrdenn je enorme Herausforderungen an die Entwick-lungsabteilungen, das Marketing und den Fachhandel

stellt. Die Kunden werden immer kritischer und sindimmer besser informiert. Die Produkte vereinen immer mehr – teilweise sehr komplexe – Funktionen. Verbes-serte Materialien oder neue Materialkombinationendrängen auf den Markt.

Um hier das Risiko von teuren Fehlentwick-lungen zu vermeiden, kann die Wissen-schaft unterstützend zur Seite stehen.

Um dies der Sportartikelbranche bewusstzu machen, anhand konkreter Beispiele zudemonstrieren und die TUM als kompeten-ten Partner anzubieten – diese mittelfristigen Ziele werden durch

derartige Messeauftritte vorangetrieben.

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Internationale Messe-Präsentation der TUM auf der ISPO 2010Veit Senner

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kelte Testvorgehensweise akribisch abgearbeitet wird.Ein Notar und die Vertreter der insgesamt 12 am Testbeteiligten Skifirmen überwachen das ganze Gesche-hen, denn schließlich geht es schlussendlich um Ver-kaufszahlen und Markenimage. Die Ergebnisse desTests werden in Deutschland der Zeitschrift Skimaga-zin, aber auch in entsprechend Ski- und Wintersport-zeitschriften in Italien, Holland, Tschechien und Polenveröffentlicht.

Bild 2a: Die fünf in Bezug auf das Aussehen am besten bewertetenSkimodelle in der Kategorie Performance Medium Turn. Ganz inter-essant: Die Farbe „weiß“ scheint gut anzukommen, die ursprüngli-che Gesamtauswahl umfasste nämlich 11 Modelle ganz

unterschiedlicher Farben.

Die insgesamt 82 Lesertester und Skilehrer, die sichals Testfahrer beworben haben, sind allesamt gute bissehr gute Skifahrer. Sie müssen hohe Anforderungenhinsichtlich körperlicher Fitness und Konzentration er-füllen, denn das tägliche Einfahren und dann zwei Ab-fahrten à knapp 400 Höhenmeter für jedes zu bewer-tende Modell summieren sich bei 10 Modellen zu im-merhin 8800 HM pro Tag – also einmal vom MountEverest bis ans Meer.Damit die Bewertung möglichst objektiv und reliabelist, sind die Abfahrten in einzelne Sektionen aufgeteiltund an jeder der insgesamt 8 Sektionen sind – abhän-gig von der zu testenden Skikategorie– bestimmteFahraufgaben genau vorgegeben. Auch die zu bewer-tenden Skieigenschaften sind nicht willkürlich, sonderneindeutig festgelegt. So müssen pro Skimodell 10 Be-

wertungen auf einer 6-stufigen Ratingskala abgegebenund auch Retests durchgeführt werden.Nachdem Ski aber nicht nur nach deren Eigenschaf-ten, sondern oft auch „nur“ nach dem Aussehen ver-kauft werden, entwickelten wir auch eine systema-tische Vorgehensweise zur Bewertung des Designs. Dabei werden in einer ersten Bewertungsrunde zu-nächst aus der Gesamtheit die „Top-5“-Modelle ausge-wählt. In der zweiten Runde kommt dann ein Verfahrenzum Einsatz, welches in der Psychologie mit dem Be-griff „Dominanz-Paarvergleich“ bekannt ist. Vorteil die-ses Verfahrens: Aus der zunächst einfachen Rang-reihung erhält man eine metrisch skalierte Rangreihe,d.h. auch Informationen über die echte Größe der Ab-stände der Modelle zueinander. Details dieses Verfah-rens haben wir in einer englischsprachigen Publikation(Böhm, Krämer, Senner, 2008), beschrieben.

Insgesamt betrachtet ist ein Skitest, durchgeführt nachwissenschaftlichen Kriterien, also durchaus als “Arbeit”zu bezeichnen. Zweifellos ist es aber eine der ange-nehmsten und in einer der schönsten Umgebungen.

Bild 2b: Ein Teil der Damen-Testergruppe bei der Designbewertung.

Literatur

Böhm H., Krämer C., Senner V. (2008) Subjective eva-luation of sport equipment - deriving preference valuesfrom pairwise comparison matrices, The Engineeringof Sport 7, Brisson P., Estivalet M., (Eds.), Springer, 2, 127-133.

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Die Fahreigenschaftenund das Design der Ski-modelle der jeweils neuenSaison beschäftigen dasTUM Fachgebiet Sportge-räte und –materialien be-reits seit 2005. Auch in diesem Jahr warunser Team als wissen-schaftliche Kontrollinstanzbei Europas größtem Ski-vergleichstest im schwei-zerischen St. Moritz prä-sent. Im Auftrag der Brink-mann Heinrich MedienGmbH, die u.a. auch dasbei den Skifahrern be-kannte „Skimagazin“ her-ausbringt, wurden insge-samt 75 Modelle der Sai-son 2010/11 auf Herz undNieren getestet, wobeieine über 50 Seiten um-fassende, von uns entwik-

Bild 1: Skivergleichstest 2010/11 in St. Moritz. Die freiwilligen Skitester, die Vertreter der Skifirmen, das Verlags- und das Testteam umfassen insgesamt weit mehr als 100 Personen.

Wissenschaftlicher SkivergleichstestVeit Senner

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Im Forschungsgebiet „Menschliche Zuverlässigkeit“wird mit SaMSys ein neues Projekt vorgestellt. Hinterdem Kürzel versteckt sich ein Safety Management Sy-stem zur Verbesserung der Flugsicherheit. Hierbei sol-len Pilotenfehler analysiert werden sowie Fehlerver-meidungsstrategien entwickelt und überprüft werden.

Der Projektpartner Deutsche Lufthansa ist weltweit alseine sehr sichere Fluglinie bekannt und spricht vorallem auch Kunden in den oberen Preissegmenten an.Im Luftverkehr ist langfristig mit einem global steigen-den Aufkommen zu rechnen. Um dabei einen Anstiegvon Unfallzahlen zu vermeiden, müssen weitere Si-cherheitsverbesserungen die Fehlerwahrscheinlichkei-ten in der Luftfahrt weiter reduzieren. Eine grundsätz-liche Problematik stellen jedoch die nationalen und in-ternationalen Gesetzgeber dar: während früher vorallem durch Reglementierung der Sicherheitsstandardfestgelegt wurde, sind Vorschriften mit der Zeit zurück-gedrängt worden. Fluglinien sind seit 2009 durch dieeuropaweite Regelung ICAO DOC 9859 (InternationalCivil Aviation Organization 2009) verpflichtet, ein Safe-ty Management System zu etablieren, welches einen„ausreichenden“ Sicherheitsstandard gewährleistet.Somit wandert die Verantwortung für die Ausgestaltungder Sicherheitskultur vom Gesetzgeber zu den Anbie-tern im Luftverkehr. Daraus resultiert für Fluglinien eingenereller Handlungsbedarf.

Neben dem Lehrstuhl für Ergonomie sind die weiterenProjektpartner auf der Seite der Luftfahrtexperten derLehrstuhl für Flugsystemdynamik der TU München unddas Fachgebiet Flugführung und Luftverkehr der TUBerlin. Für die Unterstützung seitens der Informatikund für eine spätere Implementierung sind die FirmaCognidata GmbH und das Bremer Institut für Produk-tion und Logistik GmbH mit im Konsortium. Schließlichist das Institut für Strategische Unternehmensführungvon Frau Prof. Tuschke an der LMU München für dieKommunikation des Projekts innerhalb des Konsorti-ums und nach außen verantwortlich. Auftraggeber sinddie Lufthansa, Projektträger das DLR. Somit steht die-sem für die Sicherheitssteigerung in der Luftfahrt wich-tigem Projekt ein sehr interdisziplinäres Team an For-schern zur Verfügung, was eine umfassende Betrach-tung der Problematik ermöglicht.

Ziel des Projektes ist die Konzeption und prototypischeUmsetzung eines methodischen Ansatzes, welcher diewesentlichen Einflussfaktoren der Flugsicherheit stän-dig beobachtet und dem Piloten ein Werkzeug an dieHand gibt, diese Risiken zu bewerten und dementspre-chend zu handeln. Aus Sicht der Ergonomie stellt dieUntersuchung der Risikoquellen, insbesondere desmenschlichen Verhaltens in Stresssituationen denwichtigsten Teil der Arbeit dar. Eine wichtige Vorbedin-gung dafür ist das Festlegen einer begrenzten Anzahlvon Betrachtungsfällen. Aus Unfalls- und Vorfallsstati-stiken sowie Expertenaussagen geht hervor, dass Trai-niertheit, Wetter und Müdigkeit jeweils einen über-proportional starken Einfluss auf die menschliche Lei-stung von Piloten besitzen. Gefährdungen entstehenhierbei oft, wenn diese Faktoren in Flugphasen zumTragen kommen, bei denen der Pilot nicht auf die Au-tomation zurückgreifen kann. Dies ist bei Landeanflü-gen mitunter am häufigsten der Fall.

Daher sind Landungen ein Hauptschwerpunkt der Be-trachtung, was auch beispielsweise durch die ICAOUnfallstatistik bestätigt wird: 2008 stand fast die Hälfteder Flugunfälle in Zusammenhang mit der Landung.Der Lehrstuhl für Flugsystemdynamik modelliert hierzuden Nominalprozess eines Flugs mit der Stateflow Me-thodik. Dieses Verfahren unterstützt das Modellierenund daraus folgende Simulieren dieser Abläufe. Anschließend ist es möglich, am statischen Flugsimu-lator der Flugsystemdynamiker den erstellten Prozessablaufen zu lassen. Ausgehend vom nominalen Verlaufeines Flugs können nun Ereignisse, welche aus Unfall-und Ereignisberichten entnommen werden, in diesemfür eine genauere Betrachtung implementiert werden.Dabei soll der Fokus auf Events liegen, die besondersgehäuft auftreten, als deren vorwiegende Ursache derPilot identifiziert wurde und welche das Potential fürgravierende Folgen aufweisen. Bei der Betrachtungdieser Ereignisse ist dann zu erforschen, wo dieGründe für deren Entstehung liegen.

Für den Umgang mit Fehlern in der Luftfahrt gilt, dassein einzelner Fehler zu keiner Katastrophe führen darf.Bei Vorfällen (kritische Ereignisse) konnte die Fehler-kette rechtzeitig unterbrochen werden, hier wird von„recovery“ gesprochen. Dagegen konnte ein Abbruchder Fehlerkette bei Unfällen nicht erreicht werden. Eshat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass nicht aus-schließlich die Bediener von Systemen, in diesem Falldie Piloten, für alle begangenen Fehler zur Verantwor-tung gezogen werden können. Auch in darüber gelege-nen Ebenen ereignen sich Fehler (Reason 1990).Diese Ebenen können beispielsweise das Trainingeiner Fluglinie sein, welches die Piloten für alle Gefah-

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SaMSys: Ergonomie und FlugsicherheitAndreas Haslbeck

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Im EU Projekt eCoMove kooperieren 32 Partnern unteranderem aus den Bereichen der Automobilindustrie,der Logistik und mit verschiedenen Forschungsinstitu-ten und Universitäten.

Das Ziel dieses Projektes ist einerseits die Entwicklungvon Systemen, die den Fahrer bei der Verbrauchsre-duzierung im Fahrzeug unterstützen und das Ver-kehrsmanagement verbessern.

Dies soll erreicht werden durch eine Optimierung derRoutenplanung, die positive Änderung des Fahrverhal-tens und des Verkehrsflusses.

Der Lehrstuhl für Ergonomie konzentriert sich dabeivor allem auf die Entwicklung und Bewertung vonMMI-Systemen im Fahrzeug zur Unterstützung einervorausschauenden Fahrweise bei hoher Akzeptanzder gegebenen Information durch die Fahrer.

rensituationen schulen soll. Wenn hierbei systematischGefahrenfälle unberücksichtig bleiben, spricht man voneinem unentdeckten Fehler. Dieser kann sehr langeZeit verborgen bleiben. Wenn diese seltene Situationjedoch auftritt, sind die Cockpitcrews darauf nicht odernur unzureichend vorbereitet. Noch weiter darüber lie-gende Ebenen, beispielsweise die Unternehmensphi-losophie sowie die Sicherheitskultur, welche dasManagement vertritt, können verborgene Mängel auf-weisen. Somit sind in einem Luftfahrtunternehmenviele Ebenen vorhanden, in welchen Fehler passierenkönnen. Wenn jedoch ein Flugunfall geschieht, ist derBlick immer zuallererst auf die Piloten gerichtet. Dochanhand dieser wenigen Beispiele für übergeordneteEbenen zeigt sich, dass ein Ansatz zur Verbesserungder Flugsicherheit immer ganzheitlich angewandt wer-den muss, um echte Verbesserungen zu realisieren.

In den folgenden Projektschritten beginnt zuerst eineRekonstruktion der Prozesse, welche zum Durchlaufender Fehlerkette geführt haben. Anhand dieser wird esmöglich sein, die Entstehungsgeschichte eines TopEvents soweit zu analysieren, dass klar wird, auf wel-chen Ebenen zum Fehler beitragende Faktoren vor-handen waren. Aus einer Vielzahl dieser Analysen wirdes möglich, Schlüsse über die Auftretenswahrschein-lichkeiten der unterschiedlichen Randbedingungen undFehler zu ziehen. Darüber hinaus können dann auchFehlervermeidungsstrategien sowie Fehlerkorrekturenzugewiesen und genauer charakterisiert werden.

In einer zukünftigen Simulatorstudie soll der Aspektder Trainiertheit und dessen Einfluss auf die fliegeri-sche Leistung von Piloten beim manuellen Fliegen un-tersucht werden. Eine von Luftfahrtexperten derzeithäufiger geäußerte Befürchtung ist, dass die manuel-len Flugfertigkeiten von Piloten nicht mehr ausreichendtrainiert werden. Die geplante Simulatorstudie soll zei-gen, welchen Einfluss die Trainiertheit auf die fliegeri-schen Fähigkeiten beim manuellen Fliegen besitzt.

Eine für die Projektergebnisse weitere wichtige Rah-menbedingung muss in diesem Zusammenhang auchgenannt werden: Da für die Lufthansa als Auftraggeber

verwertbare Ergebnisse nötig sind, was bedeutet, dassdiese direkt anwendbar sein sollen, werden ergonomi-sche Verbesserungsmaßnahmen vor allem organisato-rische Prozesse und Abläufe, wie beispielsweise dasTraining, betreffen. Veränderung am Design derMensch-Maschine-Schnittstelle in den Flugzeugenkönnen zwar empfohlen, aber nicht unmittelbar umge-setzt werden.

Eine darüber hinaus sehr wichtige Fragestellung wirdsein, welche Versuchspersonen dabei zu verwendensind. Bei frisch ausgeruhten Piloten ist zu vermuten,dass sie einerseits auf von der Simulation dargestell-ten Herausforderungen sehr gut reagieren und im Ge-genzug selbst aber nur sehr wenige Fehler verur-sachen. Daher wird es notwendig sein, möglichst Pilo-ten als Probanden einzubinden, welche unausgeruhtsind, beispielsweise direkt von einem längeren Flugkommen. Unter diesen Bedingungen ist die Leistungs-fähigkeit der Piloten eingeschränkt und ein Auftretenvon Fehlern am wahrscheinlichsten.

Literatur

International Air Transport Association (2009). SafetyReport 2008. Issued April 2009 (No. 9049-09). Montréal.

International Civil Aviation Organization (2009). SafetyManagement Manual (No. Doc 9859).Montréal. Retrieved from www.icao.int.

Reason, J. (1990). Human error. Cambridge: Cam-bridge University Press.

Sträter, O. (1997). Beurteilung der menschlichen Zu-verlässigkeit auf der Basis von Betriebser-fahrung. Dissertation (Vol. 138). Köln:Gesellschaft für Anlagen- u. Reaktorsicher-heit (GRS) mbH.

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eCoMove: Optimales Verkehrsmanagement und VerbrauchChristoph Rommerskirchen

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Bewegungsprädiktion zur Steigerung der Effizienz von Mensch-Roboter-KooperationenDino Bortot

Verschiedene Faktoren wie der demografische Wandeloder auch der wachsende Anteil von Kleinserienpro-duktionen machen es zunehmend attraktiver, Menschund Roboter in den kommenden Jahren in der Produk-tion kooperieren zu lassen. Infolgedessen werden vonder Ausführung intelligenter Überwachungsaufgabendurch den Menschen bis hin zu seiner aktiven Teilnah-me am Produktionsprozess mehrere Formen derräumlichen und zeitlichen Kooperation von Menschund Roboter denkbar. Die Einbindung des Menschenerfordert die Beachtung gesetzlich festgelegter Sicherheitsanforderungen.

Da das menschliche Bewegungsverhalten innerhalbsolcher Kooperationsformen nicht a priori determinier-bar ist, muss das System online auf sich veränderndeRandbedingungen flexibel reagieren können. Fehlendetrennende Schutzeinrichtungen bergen das Gefahren-potenzial möglicher Kollisionen von Mensch und Pro-duktionsanlage, die den Werker stark verletzen kön-nen. Mensch-Roboter-Kooperationen (MRK) werden imLaufe ihrer Entwicklung nicht nur an ihrer grundsätzli-chen Anwendbarkeit, sondern insbesondere auch anihrer Effizienz gemessen.

Im Forschungsvorhaben EsIMiP (Effiziente und si-chere Interaktion von Menschen und intelligenten Pro-duktionsanlagen) wird demzufolge versucht, dasmenschliche Bewegungsverhalten in einer MRK mit-hilfe von Bewegungsmodellen vorherzusagen, um so-mit durch eine rechtzeitige Neuplanung der Roboter-trajektorien Systemausfälle zu vermeiden. Eine deutli-che Erhöhung der Systemeffizienz ist das Ziel.

Ein redundanter Aufbau der Steuerungsarchitektur desGesamtsystems hat demnach folgende Funktionen:

• die Erhöhung der Verfügbarkeit und der Zuverläs-sigkeit des Gesamtsystems, realisiert durch einestrategische Automatisierungskomponente, diemithilfe eines Optimierungsalgorithmus unsichere,aber möglichst effiziente Trajektorien berechnet

• die Gewährleistung der Einhaltung aller Sicher-heitsbestimmungen durch eine operative Automa-tisierungskomponente, die mithilfe sichererSensoriken die Gesamtsicherheit des Systemsgarantiert.

viEMA — vernetzte und informationsbasierte Einlern- und Ausführungsstrategien für autonome MontageabläufeUwe Herbst

Bedingt durch höhere Variantenvielfalt auf Grund stär-kerer Ausrichtung auf spezifische Kundenwünsche er-geben sich neue Herausforderungen für die Gestal-tung von Montageprozessen. Davon sind Kleinserieninsbesondere betroffen, da hier die üblichen Automati-sierungslösungen auf Grund ihrer niedrigen Flexibilitätnicht wirtschaftlich genutzt werden können. Weiterhinsind aber auch rein handarbeitliche Montageansätzeunzureichend bei möglichen Stückzahlerhöhungen, dadiese dann nur noch wenig praktikabel oder wirtschaft-lich sind.Das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte in-terdisziplinäre Forschungsprojekt viEMA (vernetzteund informationsbasierte Einlern- und Ausführungs-strategien für autonome Montageabläufe), mit den Pro-jektpartnern FZI, Robert Bosch GmbH, ISRA Vision AGund Faude Automatisierungstechnik GmbH, verfolgt fürdiese geänderten Anforderungen den Ansatz einesskalierbaren, roboter- und sensorgesteuerten Monta-gekonzepts. Dieses Konzept ermöglicht, im Bedarfsfalleiner Stückzahlerhöhung, die vorhandenen handar-

beitlichen Montagearbeitsplätze durch eine flexibleMontagezelle zu erweitern und somit die Ausbringungzu erhöhen. Die Kernaufgaben der Ergonomie zur Erhöhung derFlexibilität dieser Montagezellen sind die Vereinfa-chung der Programmierung durch die Entwicklung vonEinlern- und Ausführungsstrategien sowie die Gestal-tung eines optimierten Interaktionskonzepts für denNutzer. Voraussetzung für ein ergonomisches Pro-grammierungskonzepts ist die Untersuchung des Be-nutzermodells für den spezifischen Anwendungs-bereich, welches im Allgemeinen die Komplexität tech-nischer Vorgänge nicht berücksichtigt.

Aufbauend auf dieser systemergonomischen Analysedes Bedienvorgangs kann eine Auswahl von Interakti-ons- und Rückmeldetechnologien abgeleitet werden,die dann in weiteren Arbeitsschritten implementiert undvalidiert werden.

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Wir stellen Ihnen hier Kolleginnen und Kollegen vor,die wir als neue Mitarbeiter herzlich begrüßen:

Herr Dipl.-Ing. Martin Brenner ist seit Juni2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter amLehrstuhl für Ergonomie. Er absolviertesein Maschinenbaustudium an der TUMünchen mit den StudienschwerpunktenErgonomie und Fahrzeugtechnik. Im Rah-men seiner Diplomarbeit beschäftigte er

sich mit der „Konzeption, Auslegung und Konstruktioneiner Kopffreiheitsvorgabe für Fahzeuginnenräume“. In seiner Tätigkeit am Lehrstuhl beschäftigt sich HerrBrenner intensiv im Bereich der Anthropometrie mitdem Thema der „Nutzergruppenspezifischen Ergono-mie im Fahrzeug“ und untersucht dabei die Notwendig-keit einer Berücksichtigung der demographischenEntwicklung bei der ergonomischen Auslegung einesFahrzeugs.

Herr Dipl.-Ing. Dino Bortot ist seit Ab-schluss seines Studiums „Maschinenbauund Management“ im Juni 2009 als wissen-schaftlicher Mitarbeiter am LfE angestellt.Zu den Inhalten seiner Forschungstätigkei-ten gehören vielfältige Themen aus derProduktionsergonomie, schwerpunktmäßig

die Analyse und Modellierung menschlicher Bewegun-gen. Das von ihm bearbeitete Forschungsprojekt EsI-MiP (Effiziente und sichere Interaktion von Menschenund intelligenten Produktionsanlagen) versucht, die In-halte dieser Forschungen zu nutzen, um Mensch-Ro-boter-Kooperationen nicht nur sicher, sondern aucheffektiv zu gestalten.

Seit Februar 2010 ist Dipl.-Psych. ArminEichinger als wissenschaftlicher Mitarbei-ter am Lehrstuhl tätig. Er studierte Psycho-logie an der Universität Regensburg undInformatik an der Fachhochschule Regens-burg. Die inhaltlichen Schwerpunkte seinesberuflichen Werdegangs liegen im Bereich

der Mensch-Maschine-Interaktion und deren systema-tischer Untersuchung. Er war tätig als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehr-stuhl für Allgemeine und Angewandte Psychologie derUniversität Regensburg, im Bereich Softwareentwick-lung und -ergonomie für die Nigeno AG in Regensburgund zuletzt im Rahmen einer Projektzusammenarbeitmit EADS Military Air Systems in Manching.Aktuell bearbeitet er in Kooperation mit der Bundesan-stalt für Straßenwesen ein Projekt zur Untersuchungvon langfristigen Wirkungen von Systemen zur Fahrer-zustandserkennung. Diese Systeme sollen helfen,Aufmerksamkeitsdefizite undErmüdung des Fahrers zuidentifizieren und darauf zu

reagieren: von einfacher Warnung des Operateurs bishin zum Eingreifen in die Fahraufgabe. Werden diese Systeme vom Fahrer akzeptiert? Wiewird die Rückmeldung eines solchen Systems in denFahralltag integriert? Baut der Fahrer im Laufe der ZeitVertrauen in das Urteilsvermögen des Systems auf?Um Fragestellungen mit einer solch langfristigen Per-spektive beantworten zu können, wird ein spezifischesmethodisches Vorgehen entwickelt, das sich von typi-schen Untersuchungen unterscheidet, die nur denProof of Concept eines Systems im Rahmen klassi-scher Usability-Studien erbringen sollen.

Herr Dipl. Ing. (FH) Thomas Grund ist seitSeptember 2004 wissenschaftlicher Mitar-beiter am Fachgebiet Sportgeräte und –materialien. Er studierte an der FH Mün-chen Feinwerk- und Mikrotechnik mitSchwerpunkt Medizintechnik. In seiner Di-plomarbeit beschäftigte er sich mit demAufbau eines 3D mehrkörper-Simulations-modells in SIMPACK für die Untersuchung der Ruder-bewegung. Schwerpunkt seiner Arbeit am FG ist dasForschungsprojekt „Fußballschuh und Knieverletzun-gen“ in dessen Rahmen untersucht wird, ob und wennja welchen Einfluss das Stollendesign der Fußball-schuhe auf die Belastungen im vorderen Kreuzbandhat. Daneben arbeitet er an Fragestellungen zu Kunst-rasen im Fußball und der Charakterisierung desDämpfungsverhaltens von Laufschuhen.

Herr Dipl.- Tech. Math. Univ. MaximilianHainz ist seit 01.10.2009 als wissenschaft-licher Angestellter am Fachgebiet Sportge-räte und -materialien tätig. Er absolviertesein Technomathematikstudium mit denSchwerpunkten Medizintechnik und Bild-verarbeitung. Im Rahmen seiner Diplomar-beit hat er sich mit Blutfluß-Simulation anhandmedizinischer Daten befasst. Am Fachgebiet wird ersich mit der Simulation von Skelettmuskulatur sowieBiomechanikmodellen beschäftigen.

Herr Dipl.-Ing Franz Höchtl hat an der TUMaschinenwesen studiert und ist nach sei-nem Abschluss im März 2009 direkt beimFachgebiet SpGM geblieben. Er betreutschwerpunktmäßig das BFS-Projekt Be-triebsfestigkeit von Sportgeräten aus CFKund ist darüber hinaus mit allen Aufgaben-stellungen rund um das Thema Radfahren betraut.

Herzlich Willkommen am Lehrstuhl für ErgonomieWerner Zopf

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Herr Dipl. Sportwiss. (Univ.) MariusJanta ist seit Oktober 2009 als wissen-schaftlicher Mitarbeiter des FachgebietsSportgeräte und -materialen am Lehrstuhlfür Ergonomie beschäftigt. Sein Haupten-gagement gilt, im Rahmen des Projekts„House of Tests“, der Durchführung vonFeldstudien in Zusammenarbeit mit der

Sportartikelindustrie. Diese integriert heute verstärktdie Meinungen von Kunden in Ihre Produktentwick-lungspro-zesse, um so zu Durchbruchsinnovationen und bahn-brechenden Neuentwicklungen zu führen. Innovationsmanagement, Feldstudien, Lead UserWorkshops, Konzepttests und Netnographie sind hierSchwerpunkte seiner Diplomarbeit sowie der Arbeit amLehrstuhl. Parallel absolviert Herr Janta das Master-studium Consumer Affairs an der TU München undstrebt eine Dissertation im Bereich der Umweltergono-mie mit dem Fokus auf Klimabewertung und -komfort an.

Herr Dipl.-Ing. Martin Kohlmann ist abdem 1. Juni 2010 als wissenschaftlicherMitarbeiter am Lehrstuhl für Ergonomie be-schäftigt. Bei seinem Maschinenbaustu-dium an der TU München setzte er dieSchwerpunkte auf Leichtbau und Funkti-onsstrukturen und systematische Produkt-entwicklung. Seine Diplomarbeit umfasste

die Integration eines Peripheral Detection Task zurMessung der mentalen Beanspruchung in ein Gesamt-system zur Blick- und Verhaltenserfassung. Bei seinerTätigkeit am LfE wird sich Herr Kohlmann mit dem Ko-operationsprojekt SafeDrive beschäftigen.

SafeDrive- Sichere Fahrzeug-Infotainmentsysteme

Im Rahmen des Kooperationsprojektes SafeDrive sol-len ein allgemeines, herstellerübergreifendes, mobilesFahrsimulator-Blickerfassungslabor und die zugehöri-gen Verfahren entwickelt werden, um zukunftsorientierteine standardisierte Überprüfung von Infotainmentsy-stemen nach gültigen Normen und Standards durchzu-führen. Dabei steht auch die Entwicklung und Validie-rung von Methoden zur Absicherung neuartiger erken-nerbasierter Interaktionsformen wie Sprach- und Ge-stensteuerung im Fokus. Die Projektpartner sind derLehrstuhl für Ergonomie und die Ergoneers GmbH. Die Projektleitung am Lehrstuhl für Ergonomie erfolgtdurch den wissenschaftlichen Mitarbeiter Martin Kohl-mann. Das Projekt wurde am 1. März 2010 gestartet und wirdvon der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungs-vereinigungen (AiF) mit dem Kooperationsmodul „Zen-trales Innovationsprogramm Mittelstand“ (ZIM)gefördert.

Seit Dezember 2009 ist Dipl.-Ing. FlorianKremser als wissenschaftlicher Mitarbeiterneu an Bord. Aber schon während seinesStudiums an der TUM verbrachte er jedeMenge Zeit am LfE, so verfasste er eineSemesterarbeit zum Thema „Sichtverdek-kung durch A-Säulen“ und seine Diplomar-beit „Entwicklung eines sitzintegriertenDruckmesssystems“ hier. Seine Aufgaben am Lehrstuhl liegen schwerpunktmä-ßig im Themenfeld der Anthropometrie. Im Rahmenseiner Promotion wird er sich dann jedoch auch mit kognitiven Prozessen und dem Zusammenspiel vonHand und Auge befassen.

Frau Dipl.-Phil. Simona Chiritescu-Kretsch kommt aus Rumänien wo sie 7Jahre als Gymnasiallehrerin in den FächernFranzösisch und Rumänisch unterrichtethat. Sie war von 1991 bis März 2003 amLehrstuhl für Volkswirtschaftslehre an derTU München tätig. Seit April 2003 arbeitetsie zusammen mit Herrn Professor Senneram FG für Sportgeräte und –materialien und ist hier füralle Aufgaben im Sekretariat zuständig. Zusätzlich be-fasst sie sich am Lehrstuhl für Ergonomie sowohl mitder Bibliotheks- und Prüfungsverwaltung als auch mitder Erfassung der Lehrstuhlsemesterdaten und -veröf-fentlichungen.

Herr Dr. rer. nat. Dipl.-Ing.(FH) StefanLehner ist seit 01.10.2009 als wissen-schaftlicher Mitarbeiter am FachgebietSportgeräte- und materialien angestellt.Nach einer Lehre als Feinmechaniker stu-dierte er Medizintechnik an der FakultätFeinwerk- und Mikrotechnik / PhysikalischeTechnik der Hochschule München. Anschließend war er 6 Jahre in der Abteilung Biome-chanik der Klinik für Orthopädie und Sportorthopädieam Klinikum rechts der Isar der TU München und wei-tere 5 Jahre als geschäftsführender Gesellschafter derFirma BASiS-Angewandte Biomechanik GmbH tätig.Seit 3 Jahren arbeitet er freiberuflich als Consultant inder Medizintechnik sowie als externer Lehrbeauftragteran den Hochschulen München und Deggendorf. Sei-nen Arbeitsschwerpunkt bildet die Computersimulationmit Mehrkörper-Systemen, die auch Inhalt seiner Dis-sertation mit dem Thema „Entwicklung und Validierungbiomechanischer Computermodelle und deren Einsatzin der Sportwissenschaft“ am Institut für Sportwissen-schaft am Fachbereich Mathematik / Naturwissen-schaften der Universität Koblenz-Landau war.

Frau Michaela Nusser, MSc ETH, ist seitdem 1.12. 2008 als wissenschaftliche Mitar-beiterin am Fachgebiet Sportgeräte- undmaterialien (FG SpGM) angestellt. Sie hatBewegungswissenschaften und Sport mitdem Schwerpunkt Biomechanik an der ETH

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Zürich studiert und absolvierte zusätzlich die Ausbil-dung zur Biologie-und Sportlehrerin. Am FG SpGM be-schäftigt sie sich mit folgenden drei Projekten: 1. Entwicklung und Anwendung eines physikalischen

Kniemodells zur Erfassung im Kniegelenk auftreten-der Lasten unter skitypischen Bedingungen /Verlet-zungssituationen.

2. Erstellung einer wissenschaftlichen Expertise überKnieverletzungen im Alpinen Skisport im Bezug zumSki-Bindungs-Schuhkomplex,

3. Testentwicklung und -evaluierung für das HOUSEOF TEST

Herr Dipl.-Ing. Christoph Rommers-kirchen ist seit 2010 als wissenschaftli-cher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Ergono-mie beschäftigt. Er absolvierte seinMaschinenbaustudium an der TU Münchenmit den Schwerpunkten Fahrzeugtechnikund Informationstechnik. Im Rahmen seiner

Diplomarbeit beschäftigte er sich mit den zeitlichen An-forderungen eines Assistenzsystems zur Unterstüt-zung von vorausschauendem Fahren unter denGesichtspunkten der Effizienz und der Akzeptanz. ImRahmen seiner Tätigkeit am LfE wird sich Herr Rom-merskirchen schwerpunktmäßig im EU-Projekt eCo-Move einbringen. Es handelt sich hierbei um einländerübergreifendes Projekt mit 32 Partnern unter an-derem aus den Bereichen der Automobilindustrie, derLogistik und mit verschiedenen Forschungsinstitutenund Universitäten. Das Ziel dieses Projektes ist einer-seits die Entwicklung von Systemen zur Unterstüt-zung des Fahrers zur Verbrauchsreduzierung im Fahr-zeug, wie auch eine Verbesserung des Verkehrsmana-gements. Dies soll erreicht werden durch eine Opti-mierung der Routenplanung, des Fahrverhaltens unddes Verkehrsflusses. Der Lehrstuhl für Ergonomie kon-zentriert sich dabei vor allem auf die Entwicklung undBewertung von MMI-Systemen im Fahrzeug zur Ver-brauchsunterstützung des Fahrers.

Frau Nicole Trübswetter M.A. ist seit Au-gust 2009 wissenschaftliche Mitarbeiterinam Lehrstuhl für Ergonomie. Ihr Studiumabsolvierte sie an der Universität Regens-burg im Fachbereich Informationswissen-schaft und Psychologie.Die inhaltlichen Schwerpunkte ihres berufli-

chen Werdegangs liegen im Bereich der Mensch-Ma-schine-Interaktion im Kraftfahrzeug.Im Rahmen ihrer Tätigkeit am LfE beschäftigt sichFrau Trübswetter mit der Entwicklung zukünftiger Fah-rerassistenzkonzepte unter Berücksichtigung nutzer-gruppenspezifischer Anforderungen.

Herr Dipl.-Ing. Andreas Blattner ist seitdem 14. Juni 2010 als wissenschaftlicherMitarbeiter am Lehrstuhl für Ergonomie be-schäftigt.Er studierte Mechatronik und Informations-technik an der TU München und verfasstebereits seine Diplomarbeit am LfE, in der ersich mit der Entwicklung einer aufgabenori-entierten Menüstruktur für Fahrzeuginfotainmentsy-steme befasste. Im Rahmen seiner Promotion setzt er ein INI.TUM-Projekt des LfE fort, bei dem er sich in Kooperation mitder Audi AG mit der Optimierung der MMI-Bedienungbeschäftigt, was sowohl die Weiterentwicklung destechnischen Konzepts, also des Bedienelements, alsauch des Menü-Konzepts beinhaltet.

Herr Dipl.-Ing. Jurek Breuninger arbeitetam Lehrstuhl für Ergonomie in Zusammen-arbeit mit der Ergoneers GmbH an demProjekt "Blickgesteuerte Interaktion mit Pe-ripheriegeräten", das vom Bund der Freun-de der TU München e.V. mit einem einjähri-gen Doktorandenstipendium unterstütztwird. Das Projekt startete im Dezember2009 in direktem Anschluss an seine Diplomarbeitüber die Blickerfassungssoftware Dikablis. Er beschäf-tigte sich bereits während seines Studiums am Lehr-stuhl für Ergonomie mit Software-Ergonomie undUsability Engineering.

Seit dem 15.Juli 2010 ist Dipl.-Ing. AlbertZaindl als Wissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Ergonomie angestellt.Durch seine Semesterarbeit „Aufbau einesMockups mit einer Ein-/Ausstiegsunterstüt-zung für Probandenversuche“ und seineDiplomarbeit „Simulation von Kreuzungs-konflikten durch Sichtverdeckungen derA-Säule“ am hat er schon viele Erfahrungen am Lehr-stuhl sammeln können. Seine Aufgaben liegen schwer-punktmäßig im DH-Ergo-Projekt.

Für mehrere bewährte Mitarbeiter endete ihre erfolg-reiche Zeit am Lehrstuhl und sie konnten sich in Indu-strie und Wirtschaft neuen Herausforderungen mit denhier erworbenen Fähigkeiten stellen:

Florian Friesdorf, Christian Lange, Wolfram Rem-linger, Christian Rößer, Olaf Sabbah, MarcusSchneid, Roland Spies, Benedikt Strasser, MartinWohlfarter.

Für ihre persönliche und berufliche Zukunft wünschenwir allen viel Erfolg!

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Veröffentlichungen 2009 bis 2010

Bruder, R.; Flemisch, F.; Hakuli, S.; Löper, Ch.;Rausch, H.; Winner, H. (2009): Kooperative Automa-tion. In: Winner u.a. (Hrsg.): Handbuch Fahrerassi-stenzsysteme. Vieweg+Teubner, Wiesbaden

Bubb, H. und Spanner-Ulmer, B.: Ergonomics & De-sign. In Schlick, M. (Hrsg.): Industrial Engineering andErgonomics, Visions, Concepts, Methods and Tools.Festschrift in Honour of Professor Holger Luczak,Springer, Berlin Heidelberg, 2009

Bubb, H.: Menschmodelle (digital). In Landau, K. undPressel, G.: Medizinisches Lexikon der beruflichen Be-lastungen und Gefährdungen, Definitionen – Vorkom-men - Arbeitsschutz. p. 674 – 677.Gentner Verlag,Stuttgart, 2009.

Damböck, D.; Kienle, M.; Flemisch, F.O.; Kelsch, J.;Heesen, M.; Schieben, A.; Bengler, K.: Vom assistier-ten zum hochautomatisierten Fahren. In: VDI-Ta-gung Fahrer im 21. Jahrhundert, Braunschweig, 2009.

Engstler, F.; Bandouch, J.; Bubb, H. (2009): MeMoMan- model based markerless capturing of human mo-tion. In: International Ergonomics Association (IEA)(Hg.): 17th World Congress on Ergonomics IEA 2009,Beijing, China.

Engstler, F.; Bubb, H. (2009): Generation of Percen-tile Values for Human Joint Torque Characteristics.In: Vincent G. Duffy (Hg.): Digital Human Modeling:Springer Verlag (Lecture Notes in Computer Science),Bd. 5620, S. 95‐104.

Engstler, F.; Sabbah, O.; Cengiz, T. G.; Bubb, H.(2009): Statistical Approach to a Model-based An-thropometry Description. In: SAE (Hg.): DigitalHuman Modeling for Design and Engineering Confe-rence and Exhibition, June 2009, Gothenburg,SWEDE.

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Zum vorliegenden Artikel

Eine vollständige Aufstellung aller derzeit laufendenForschungsprojekte am Fachgebiet SpGM würde denUmfang dieses Artikels überschreiten und seine Les-barkeit gefährden. Das Nachfolgende stellt daher le-diglich eine Auswahl dar, um Ihnen einen Einblick inKernbereiche unserer Forschung zu geben.

Folgende Auswahl haben wir für Sie getroffen:

I. Betriebsfestigkeit für Bauteile aus CFK im Fahrrad-bau,

II. Biomechanische Muskel- und Skelettmodellierung,

III. Entwicklung mechatronischer Skibindungen,

IV. Bekleidungsphysiologie – Wirkung von Sportbe-kleidung.

Darüber hinaus wird der Artikel im abschließenden Ab-schnitt V einen Ausblick geben, mit welchen weiterenForschungsthemen sich das Fachgebiet SpGM zu-künftig beschäftigen wird.

I. Betriebsfestigkeit im Fahrradbau

Ausgangssituation und ForschungsproblemDieses in unserem Radsportlabor am TUM CampusOlympiapark laufende 3-Jahres-Projekt wird von derBayerischen Forschungsstiftung gefördert und läuft bisEnde 2012. Im Fokus stehen Carbonfaserverbund-werkstoffe (CFK), die ihr Potential im Sportgerätebauin den letzten Jahren eindrucksvoll bewiesen habenund die in vielen Disziplinen heute nicht mehr wegzu-denken sind. Die Entwicklung von Produkten aus CFKerfordert jedoch einen gesteigerten Aufwand im Ver-gleich zu Produkten aus metallischen Werkstoffen. DieAnisotropie von CFK und das andersartige Verhaltengegenüber Umwelteinflüssen (z.B. bei Steinschlägen)stellen neue Anforderungen an die Entwickler, bei de-nen die bisher angewandten Methoden und Konstrukti-onswerkzeuge an ihre Grenzen stoßen. Insbesonderestellt die betriebsfeste Auslegung im Zusammenhangmit der Forderung nach hoher Steifigkeit und niedri-gem Gewicht eine besondere Herausforderung dar.

ZielsetzungZiel des Vorhabens ist die Entwicklung von Methoden,die eine betriebssichere Konstruktion bzw. Nutzung di-verser Sportgeräte gewährleisten können. Es werdendaher sowohl Methoden zur robusten Auslegung vonHochleistungsstrukturen bzgl. Ermüdungserscheinun-gen, als auch zerstörungsfreie Verfahren zur Charakte-risierung auftretender Schädigungen entwickelt.Gleichzeitig sollen Impactschäden genauer untersucht

und Möglichkeiten zur Reduzierung dieser Schädengefunden werden.

DurchführungVersuche an Probenkörpern und Teilstrukturen gebenAufschluss über das Materialverhalten von CFK. Dierelevanten Parameter zur Charakterisierung von Ermü-dungserscheinungen und Impactschäden werden her-ausgearbeitet und in Berechnungsmodelle übertragen.Bestehende Methoden zur zerstörungsfreien Prüfungund Bewertung werden auf ihre Anwendbarkeit für diespezifischen Bedingungen dünnwandiger Rohrkörperanalysiert und ggf. durch neue Verfahren ergänzt. AlsUntersuchungsobjekt wird eine Fahrradrahmenstrukturaus CFK herangezogen, die als Beispiel für gegenwär-tige Hochleistungsstrukturen im Sportbereich dient.

Bild: Visuelle Inspektion durch Impact geschädigter CFK Unterrohrstrukturen

II. Biomechanische Muskel- und Skelett-modellierung

Die Modellierung von und Simulation mit Mehrkörper-systemen (MKS) unter Verwendung möglichst genaueranatomischer Teilmodelle wird am Fachgebiet weiter-hin intensiv betrieben. Für spezifische Fragestellungenentstehen unter Verwendung des ProgrammpaketsSIMPACK detaillierte Modelle der betroffenen Körper-regionen. Um die Realitätsnähe eines Modells und die Zuverläs-sigkeit der damit erstellten Berechnungen und Aussa-gen zu gewährleisten, werden die einzelnen Modellenach Möglichkeit validiert und verifiziert. Die Überprü-fung der Modelle, sowohl der isolierten Kraftelementezur Beschreibung des Materialverhaltens biologischerStrukturen als auch komplexer Modelle einzelner Ge-lenke oder Körperabschnitte, erfolgt mit Hilfe von invitro Untersuchungen. Zur genauen Kontrolle der mitden MKS-Modellen erzeugten Bewegungen werdenVergleiche mit realen Bewegungen von Versuchsper-sonen über die Auswertung von Bewegungsanalysendurchgeführt. Auch dynamometrische Messverfahren(Druckverteilung und Kraft) sowie die Elektromyogra-phie (EMG) dienen zur Verifizierung entstandener Teil(Modelle). Mit der Modellierung erhält man somit ein Instrument,welches unter variierenden Bedingungen bei der Be-wegungsausführung zuverlässige Aussagen über die

Aktuelle Forschung am Fachgebiet Sportgeräte- und materialienProf. Dr.-Ing. Dipl. Sportl. Veit Senner

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in den biologischen Strukturen auftretenden Belastun-gen ermöglicht. Zudem stellt die MKS-Modellierungeine sinnvolle Ergänzung zu der Entwicklung einesmodernen digitalen Menschmodells im Projekt DHErgodar.Inzwischen verfügt der Lehrstuhl über eine Netzwerk-installation des Programmpakets SIMPACK, was nunauch Studenten im Rahmen von Semester-, Bachelor-und Masterarbeiten ermöglicht, an Mehrkörpersyste-men zu arbeiten.Zwei aktuelle Anwendungsbeispiele unserer MKS-Mo-delle, einmal im Bereich des Sports und zum anderenin der Orthopädie, basieren auf Modellen der Hals-sowie der Lendenwirbelsäule (Lehner, 2008). Sie sind nachfolgend kurz beschrieben.

Einfluss eines Kopfschutzes zur Reduzierung derKopf- bzw. GehirnbelastungMit dem MKS-Modell Kopf-Halswirbelsäule wurde dasRisiko von Kopfverletzungen bei Kopfballsituationen imFußball unter Verwendung eines kommerziell erhältli-chen Kopfschutzes durchgeführt. Dabei konnte mit denuntersuchten Ballgeschwindigkeiten keine deutlicheReduzierung des Verletzungsrisikos bei Kopf-Ball-Kon-takt durch Verwendung des Kopfschutzes ermitteltwerden (Lehner, Wallrapp, Senner, 2010).

Einfluss der Dicke von operativ veränderten Wirbelkör-pern auf die in der Zwischenwirbelscheibe entstehen-den KompressionskräfteMit der abgeschlossenen Entwicklung des MKS-Mo-dells der Lendenwirbelsäule sind nun detaillierte Ein-blicke in Statik und Dynamik der Wirbelsäule und dieentstehenden Lasten z.B. zwischen Wirbelkörper derdazwischen liegenden Bandscheibe möglich. So wur-de das Modell u.a. eingesetzt, um eine bestimmteOperationstechnik, die sogenannte Kyphoplastie (einBallon wird in den defekten Wirbelkörper eingebrachtund anschließend Knochenzement injiziert) hinsichtlichihrer Wirkung auf die umliegenden Weichteilstrukturengenauer zu untersuchen.

So konnten die Effekte unterschiedlicher Wirbelkörper-höhen auf die resultierende Kompressionskraft in derZwischenwirbelscheiben und das Dehnungsverhaltender unmittelbat angrenzenden ligamentären Strukturensimuliert werden (Lehner und Bader, 2010).

III. Entwicklung mechatronischer Skibindungen

Obwohl bereits in den frühen Siebzigerjahren die er-sten Patentschriften zu elektronischen Skibindungenaufgetaucht sind, gibt es bis heute noch keine derarti-gen Konzepte auf dem Markt. Angesichts dieser Tatsa-che und vor dem Hintergrund der rasanten Fortschritteder Technik fragen sich die Skisportler in aller Welt,warum es den Ingenieuren bisher noch nicht gelungenist, eine Skibindung zu entwickeln, welche in allen kriti-schen Sturzsituationen das Bein freigibt und damit Ver-letzungen und insbesondere Verletzungen des Kniesvermeidet.

Um dieser Frage nachzugehen hat die SchweizerischeBeratungsstelle für Unfallverhütung (bfU) die Erstel-lung einer Expertise ausgeschrieben. Das FachgebietSpGM hat sich unter den Mitbewerbern durchgesetztund den Zuschlag fürdiese Standortbestim-mung erhalten. Hinterdem Titel Kniegelenks-verletzungen beim alpi-nen Skifahren imZusammenhang mit derPräventionswirkung desSchuh-Bindung-Ski-Komplexes steht dieAufgabe, den For-schungsstand zu den ur-sächlichenVerletzungsmechanis-men zu erheben unddiesen in Zusammen-hang mit den vorhanden technischen Lösungen, mögli-chen Lösungsansätzen und der aktuellenPatentsituation zu bringen. Das Projekt läuft noch bisEnde Juli 2010 und bereitet eine internationale Exper-tenrunde zur Diskussion sinnvoller Maßnahmen vor.Der bisherige Forschungsstand zum Thema Kniever-letzungen im alpinen Skisport hat eines aber bereitsdeutlich gemacht: die aktuellen rein mechanischenBindungskonzepte können konstruktionsbedingt – ob-

Start Ballberührung Ball-Aufprall Ball-Rückprall

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wohl technisch ausgereift – keinen Schutz für dasKniegelenk bieten. Der Grund ist, dass es Fahr- undSturzsituationen gibt, bei denen hohe Lasten auf dieBandstrukturen des Gelenkes einwirken, obwohl ander Bindung nur Kräfte und Momente deutlich unterden Bindungsauslösewerten auftreten. Letztere abereinfach abzusenken ist nicht möglich, weil damit dasRisiko für Fehlauslösungen (unerwünschte Auslösun-gen) beim Fahren anstiege. Daraus leitet sich ab, dasszusätzliche Kriterien gefunden werden müssen, die füreine Auslöseentscheidung herangezogen werden kön-nen. Bereits diese Formulierung legt ein mechatroni-sches Bindungskonzept nahe.Um die für eine solche Bindung sinnvollen Auslöseal-gorithmen zu finden und etwaige Bindungskonzeptedann systematisch evaluieren zu können, entsteht amFachgebiet SpGM ein physikalisches Kniemodell miteiner zugehörigen Lastsimulation (Kniesurrogat).

Die mit Hilfe von Stereolithographie aus vorhandenComputer-Tomographie (CT) Daten gefertigten knö-chernen Strukturen des Knies sind durch künstlicheBänder (die auch beim Menschen eingesetzt werden)verbunden. Sensoren am Ansatz des „Vorderen Kreuz-bandes“ und des „Medialen Seitenbandes“ registrierendie Zugkräfte im Band. Damit das Knie in eine realisti-sche Verspannung durch Muskeln gebracht werdenkann, entsteht derzeit die mechanische Nachbildungder wichtigsten, das Knie umfassenden Muskeln.Um auch die Wirkung von sogenannten Knieorthesenuntersuchen zu können (sie werden häufig nach Knie-operationen verschrieben, um schädliche Bewegungendes Knies in der Rehabilitationsphase zu verhindern),soll das gesamte physikalische Modell schließlich ineinen Weichteilmantel gebettet werden.Dieses Forschungsprojekt ist längerfristig angelegt undsteht in auch in Zusammenhang mit einem vom Inter-nationalen Skiverband (FIS) initiierten und am OsloTrauma Research Center (OSTRC) laufenden For-schungsprojekt mit dem Titel Injury Surveillance Sy-stem.

IV. Bekleidungsphysiologie – Wirkung von Sportbekleidung

Expertise über High-Tech-Textilien zur Trainings-und Wettkampfunterstützung im Leistungssport

High-Tech – Textilien haben seit einiger Zeit Einzuggehalten im Spitzensport und dieser Sammelbegriffsteht u.a. für Kompressionstextilien, Smart Textiles undWearable Electronics1 . Sie sollen den Athleten in derAusübung seiner sportlichen Tätigkeit optimal unter-stützen und im Idealfall zu besserer Leistung verhel-fen.Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) hat andas Fachgebiet SpGM den Auftrag für die Erstellungeiner Expertise gegeben, um den derzeitigen Standund Innovationsgrad der erhältlichen High-Tech-Texti-lien aufzuzeigen. Hierzu wurden eine eingehende Lite-raturrecherche und Marktanalyse betrieben, sowieeine Online-Umfrage mit Spitzensportlern (n = 34) undderen Betreuungsstab (n = 26) durchgeführt. Einedritte Befragung von Experten (n = 7) der Sporttextilin-

dustrie ergänzte die Bestandsaufnahme. Aus den zu-sammengetragenen Fakten zu den unterschiedlichenTechnologien erfolgte dann eine Klassifizierung undBewertung (i) hinsichtlich des Innovationsgrades, (ii)des Ausmaßes erwarteter Leistungssteigerung und (iii)dem Vorhandensein wissenschaftlicher Absicherungder mit der Technologie verbundenen Aussagen. Diewesentlichen Inhalte der Studie sind bei Nusser undSenner (2010) publiziert.Es hat sich gezeigt, dass die Wirkung von Kompressi-onsmaterialien hinsichtlich physiologischer und biome-chanischer Leistungssteigerung nach wie vor umstrit-ten ist. Aus diesem Grunde sollten in diesem Bereichweitere Forschungsarbeiten angestrebt werden. Hier-bei ist vor allem zu beantworten, zu welchem Zeitpunkt(vor, während oder nach der sportlichen Aktivität) undbei welcher körperlichen Belastung (Ausdauer, Kraft,Schnellkraft, Koordination) Kompressionstextilien zuempfehlen sind. Bei der Versuchsplanung entspre-chender Studien muss penibel darauf geachtet wer-den, dass die Limitierungen der bis dato durchge-führten Studien (zu wenig Kontrolle der Störvariablen,zu kleine Stichproben, keine Kontrollgruppen, keinePlacebo-Produkte u.v.m.) beseitigt werden.Die leistungssteigernde Wirkung von Smart-Textiles istbislang hauptsächlich in der Optimierung thermophy-siologischer Prozesse der Athleten begründet. Seit den80er Jahren wurden hierzu aber kaum noch Studiendurchgeführt und in Anbetracht der rasanten Material-entwicklung sind diese Studien inzwischen überholt.Die Materialien wurden oftmals nur in den Laboren alsTextilprobe untersucht. Da jedoch der aktive, Wärmeund Feuchtigkeit produzierende Sportler im Mittelpunktsteht, ist es unumgänglich, die neuen Funktionsmate-rialien systematisch über Probandenstudien im Feldund im Labor zu bewerten.Im Bereich der Verletzungsprävention und der biome-chanischen Unterstützung durch Smart Textiles undWearables sind ebenfalls sinnvolle Ansätze zu erken-nen. Obwohl das Forschungspotential in diesem Be-reich hoch ist, existieren noch kaum veröffentlichteForschungs- und Entwicklungsarbeiten über derenEinsatz im (Leistungs)Sport. Die Pionierarbeiten zurNutzung von Wearables im Gesundheitssektor und Ar-

43Wearable Electronics1 Dieser Begriff steht für Bekleidung,

in welche elektronische Komponenten integriertsind (bis hin zu elektrischen Leitungen, die in

das Textilgewebe eingewoben sind). Für diese Produkte hat sich auch der Begriff

„Wearables“ eingebürgert.

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beitsschutz sind dagegen schon geleistet. Die Ergeb-nisse und Erfahrungen aus diesen Bereichen könnenteilweise in den Bereich der Sporttextilien übertragenwerden. Die vorhandenen technischen Errungenschaf-ten müssen aber derart modifiziert werden, dass siefür den Sportler anwendbar sind (Ergonomie). Externgetragene elektronische Systeme sollten durch textilin-tegrierte elektronische Baugruppen ersetzt werden.Ein mögliches Einsatzgebiet für die Wearable Techno-logies im Sport ist z.B. in der Bewegungsdiagnostik.Durch ein geeignetes System könnte die Individual-technik verbessert und Verletzungen vorgebeugt wer-den. Weitere Möglichkeiten bestünden in derEntwicklung intelligenter Protektoren.

3D-Volumenmodell des Skelettmuskels

V. Die weitere strategischeAusrichtung unserer Forschung

Muskeln berühren sich unterein-ander und den Knochen und sieverändern beim Kontraktions-vorgang oder bei Änderungendes Gelenkwinkels ihre Form.Weil also u.a. geometrischeRandbedingungen vorliegen, ist

die aktuelle Muskellänge nicht einfach die Entfernungzwischen Ansatz und Ursprung und die klassischenAnsätze (z.B. Hill-Modell und Verwendung von Kraft-Lägen-Kennlinien) stoßen an ihre Grenzen. Aus die-sem Grund arbeiten wir an der Entwicklung vonFE-Modellen des Muskels, mit dem Ziel, dessen Kon-traktionsverhalten und Rückwirkung auf das Skelett imMehrkörpersystem realistischer als bisher abbilden zukönnen. Gleichzeitig dürften sich aus den Simulationendann auch genauere Aussagen über den Energiever-brauch menschlicher Bewegungen ableiten und damitOptimierungs-rechnungen durchführen lassen. Der Frage nach dem„energetisch optimierten“ oder „minimal gelenkbela-stenden“ Bewegungsablauf für bestimmte Verrichtun-gen sollten wir damit deutlich näher kommen.

Ausweitung in die Arbeitswissenschaft und in die RobotikNach mehr als 15 Jahren in der Entwicklung von Mus-kel- Skelettmodellierung mit den AnwendungsfeldernSport und Orthopädie möchten wir unsere Erkennt-nisse nun auch zunehmend für die Optimierung vonArbeitsplätzen bzw. Arbeitsvorgängen, sowie für dieEntwicklung leistungsfähigerer Roboter einbringen. Zu Letzterem gehört ein Antrag, den das FachgebietSpGM Ende 2009 gemeinsam mit dem TUM Lehrstuhlfür Angewandte Mechanik (Professor Ulbrich) und derOrthopädische Kinderklinik, Aschau (Klinischer Direk-tor Dr. Döderlein) bei der Deutschen Forschungsge-meinschaft eingereicht hat. Titel des Vorhabens:BIOROBICS- Implementierung des Zusammenwirkensvon Kokontraktion, mehrgelenkigen Muskeln und kom-plexer Gelenkkinematik für menschenähnliche Fortbe-wegung zweibeiniger Roboter.

Mikroklima und Antidekubitus-SystemeDie jahrzehntelange Forschung am Lehrstuhl für Ergo-nomie im Bereich Sitzoptimierung für das Automobil,welche im Wesentlichen Sitzdruckverteilungsmesssun-gen und Diskomfortbewertungen zueinander in Bezuggesetzt hat, kann durch die Ausweitung auf die Kom-ponente des Mikroklimas sinnvoll erweitert werden.Dies erhält zunehmende Bedeutung im Bereich desElektrofahrzeugs, wo weniger Energie als bisher zumHeizen oder Kühlen zur Verfügung steht. Hier möchtedas Fachgebiet SpGM Erkenntnisse aus seinen Stu-dien zum Bereich Bekleidungsphysiologie einbringen.Hier bietet sich an, die Forschung im Bereich der„Druck- und Mikroklimaoptimierung“ auch in den Be-reich der Antidekubitus-Systeme einfließen zu lassen.Als Dekubitusprophylaxe werden alle Maßnahmen zurVorbeugung eines Druckgeschwüres (Dekubitus) be-zeichnet. Hierzu zählen u.a. Einlegesohlen -besondersbedeutsam zur Vermeidung oder Versorgung von Ge-schwüren, wie sie bei Diabetikern an der Fußsohle oftauftreten- , Rollstuhlsitzkissen, aber auch aktive Ma-tratzensysteme (Wechseldrucksysteme). Letztere la-gern dauerhaft an das Bett gebundene schwerstkrankePatienten periodisch um und sorgen so für eine zeit-weise Entlastung der durch Feuchtigkeit, Reibungs-und Scherkräfte beanspruchten Haut. An dieser Schnittstelle Mensch-Produkt gibt es nocherheblichen Bedarf an Grundlagenforschung. Vielleicht können wir als Ingenieure die messtechni-schen Voraussetzungen dafür schaffen, dass man –gemeinsam mit der Medizin und der Biologie – die Ent-stehung des Dekubitus systematisch erforschen unddamit die Antidekubitus-Systeme weiter optimierenkann.

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