Ertrinkungsunfälle Akzidentielle Hypothermie · 45 – 60 mm Hg) - unwillkürliche Aspiration von...

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Medizinische Fakultät Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie Ertrinkungsunfälle Akzidentielle Hypothermie Unfälle im und am Wasser Dr. med. Stefan Bergt

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Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

Ertrinkungsunfälle

Akzidentielle Hypothermie

Unfälle im und am Wasser

Dr. med. Stefan Bergt

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Wasserunfälle

- Ertrinken

- Beinahe-Ertrinken

- Tauchunfälle

- Hypothermie

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Fallbeispiel 1

- ca. 70 jährige männliche Person

- Beobachtung durch Badegäste

- Pat. bewusstlos; Atem- und Herz-

Kreislaufstillstand

- EKG: Asystolie

- sofortige Reanimation nach Megacode

bzw. ALS durch Rettungsschwimmer

- Ausbildung eines Spontankreislauf; Übergabe an Notarzt

- Aufnahme auf Intensivstation; unauffälliges cCT

- Extubation nach 2 Tagen

- Entlassung des Patienten nach 2 Wochen in klinisch gutem

Zustand ohne neurologisches Defizit

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Fallbeispiel 2

- 15 jährige männliche Person

- Tauchsportgruppe im Schwimmbad

- plötzlich Bewusstlosigkeit u. Herz-

Kreislauf-Stillstand

- primär erfolgreiche Reanimation

- Diagnose: Beinaheertrinken / Aspiration

- Zwei Tage nach Unfall: Anisokorie

- cCT: Hirnschwellung mit Infarzierungen

- ICP-Sonde: 40 mm Hg

- massive Hirndrucktherapie (Mannitol, Barbiturate; Kühlung)

- Entlassung des Patienten nach mehreren Wochen in klinisch

gutem Zustand

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Südlich Satow 02/2009

Eiseinbruch im Dorfteich

2 Geschwister (3 bzw. 5 Jahre alt)

Bergung durch Feuerwehr und Anwohner

beide Kinder reanimationspflichtig

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Neuss – 04.02.2010

Eiseinbruch – 3 Kinder – Reuschenberger See

Bergung durch Passanten und Feuerwehr

1 Kind primär reanimationspflichtig

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Rostock – 11.03.2010

Eiseinbruch – 2 Kinder (6 bzw. 7 Jahre) IGA-Park

1 Kind primär reanimationspflichtig (Submerssion ca. 15 min)

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Konsensuskonferenz 2002 Amsterdam

„World Congress on Drowning“

Als ertrunken gilt ein Mensch, der einen Herz-

Kreislaufstillstand durch ein Submersions- oder

Immersionsschock erfährt und dessen Atmung im

Wasser versagt.

Definition - Ertrinkungsunfall

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Als Ertrinkungsunfall (drowning accident) wird heute jedes

Ereignis bezeichnet, bei dem es durch Submersion in

Wasser (oder einem anderen flüssigen Medium) zu einer

Atemstörung gekommen ist – unabhängig von Art und

Ausmaß einer Aspiration, letalem oder nicht-letalem

Ausgang und individuellem neurologischen Outcome.

Bierens JJLM. Handbook on Drowning: Prevention, Rescue, Treatment. Berlin: Springer, 2006

Definition - Ertrinkungsunfall

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Ertrinken (drowning)

= Eintauchen des Körpers (Immersion) und des

Kopfes (Submersion) in eine Flüssigkeit mit Tod des

Betroffenen durch Asphyxie innerhalb von 24 h

Beinahe-Ertrinken (near-drowning)

= umfasst alle anderen Verläufe, die für mind. 24 h

nach Submersion in Flüssigkeit überlebt werden

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Nasses Ertrinken (typisches Ertrinken)

Aspiration von Flüssigkeit (Wasser oder z.B.

Mageninhalt) in die Lunge (90%)

Trockenes Ertrinken (atypisches Ertrinken)

Asphyxie infolge Laryngospasmus (10%); keine

Flüssigkeitsaspiration

Sekundäres Ertrinken

Zeitverzögerter Tod nach Beinahe-Ertrinken, zumeist

Folge eines akuten Lungenversagens

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Die gefährlichen Orte

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Die gefährlichen Orte

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- ca. 400 - 600 tödliche Ertrinkungsunfälle / Jahr

- dritthäufigste Unfalltodesursache

- sehr hohe Dunkelziffer für Beinahe-Ertrinken

(geschätzter Faktor in den USA ca. 500!!)

Epidemiologie

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- Kinder < 5 Jahre, besonders zwischen 2,5 – 3,5

Jahre, meist Jungen (75%) = zweithäufigste

Todesursache

- gefährlich sind Gartenteiche und Swimmingpools

- bis zu 25% Badewannenunfälle

- immer an Kindesmißhandlungen denken (ca. 20%)

- 20 – 35 jährige Opfer (> 90 % männlich)

- Alkohol- und Drogeneinfluss; Mutproben;

Selbstüberschätzung

- höheres Alter – zunehmend Erkrankungen des

Herz- Kreislaufsystems

Risikogruppen

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kein Fall von Ertrinken und Beinaheertrinken gleicht

einem anderen

- Unfallhergang

- Disposition des Opfers

- Umgebungsbedingungen

- Zeitpunkt und Effektivität der Ersten Hilfe

Pathophysiologie des Ertrinkens

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1. Panik Überlebenskampf; Versuch an der Wasseroberfläche zu

bleiben; kleine Wassermengen werden verschluckt

2. Tauchreflex (v.a. Kinder) Apnoe, Bradykardie, Laryngospasmus (durch Hypothermie

eingeschränkt)

3. Finaler Überlebenskampf große Wassermengen werden verschluckt, Erbrechen,

Aspiration, Bewußtseinsverlust

Ablauf eines Ertrinkungsunfalls

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- Apnoephase (bewusster Atemstop)

- Anstieg des arteriellen CO2-Partialdrucks

- stärkster physiologischer Atemtrigger - Atemnot

- Stress / Panik sowie Kälteexposition führen zu

weiterer Steigerung des Atemantriebs

- nach ca. 90 sec. Atemanhalten nicht länger möglich

„breathhold breakpoint“ (paCO2 45 – 60 mm Hg)

- unwillkürliche Aspiration von Wasser

- reflektorischer Laryngospasmus

Pathophysiologie des Ertrinkens

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- Verschlucken größerer Mengen Wasser

- Hypoxie, Bewusstlosigkeit

- Lösen des Laryngospasmus

- finale Atembewegungen / Zwerchfellkontraktionen

- aktive / passive Aspiration weiterer Wassermengen

- Bildung von Schaum in den Atemwegen

feinblasiger Schaumpilz nach der Bergung

Pathophysiologie des Ertrinkens

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- Herzrhythmusstörungen durch zunehmende Hypoxie

- Asystolie

- Absinken der Körpertemperatur mit Ausbildung einer

akzidentiellen Hypothermie

Prognose der Patienten wird durch den

Sauerstoffmangel in den Organen bestimmt

Pathophysiologie des Ertrinkens

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ZNS: zytotoxisches Hirnödem

Lunge: Lungenödem, Atelektasen, ARDS

Herz: Kontraktilitätsstörung, Arrhythmien

GI-Trakt: blutige Diarrhoe, Schleimhautabstoßung

Gefäße: Störung von Vasotonus und

Endothelfunktion

Niere: akute tubuläre u./o. kortikale Nekrose

Blut: Hämolyse, DIC - Koagulopathie

Asphyxie- / Hypoxiefolgen

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- geringe Aspirationsmengen (5 - 8 ml / kg KG)

- Unterscheidung zwischen Süß- und

Salzwasseraspiration ohne klinische Relevanz

- Füllung der Alveolen mit Wasser

- Auswaschung von Surfactant

- Atelektasenbildung u. Überblähung

- Reduktion der Gasaustauschfläche

- Hypoxie durch zunehmenden Rechts- /Links-Shunt

- Progredienz der Veränderungen noch über Stunden

Aspiration

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1. Rettung aus dem Gewässer

2. Basisdiagnostik, O2-Gabe, Beatmung

3. Kreislauftherapie, Reanimation

4. Schutz vor weiterer Auskühlung

5. Schonender Transport

6. adjuvante Maßnahmen

7. Stationärer Aufenthalt

Notfallmanagement

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- Bergung aus dem Wasser

- Absetzen des Notrufes

- Überprüfung der Vitalfunktionen

- Wärmeerhalt

- ggf. Beginn der Reanimation

Möglichkeiten des Ersthelfers

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- Aufgabe der Wasserrettungsdienste (Wasserwacht

DLRG; SAR; DGzRS; Feuerwehr)

- Rettung der Personen unter Beachtung des

Eigenschutzes

- Beginn der Atemspende im Wasser möglich

- schnellstmöglicher Transport auf sichere

Versorgungsplattform (Rettungsboot, Strand)

- 90 % aller Ertrinkungsunfälle finden in Strandnähe statt

Rettung aus dem Gewässer

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

- Vitalfunktionen

- Bewusstseinslage

- Atmung

- Kreislauf

- Begleitverletzungen (SHT, Wirbelsäule, Extremitäten)

- Neurologie (Pupillenreaktion, Reaktion auf

Schmerzreiz, Motorik der Extremitäten

- Glasgow-Coma-Scale

- Temperatur

Basisdiagnostik

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

- Ertrinkungsunfälle sind vorwiegend durch hypoxische

Gewebeschäden gekennzeichnet

Erstes Ziel ist Wiederherstellung einer suffizienten

Respiration / Oxygenierung

- großzügige Indikationsstellung für O2-Gabe

- mind. Nasensonde, besser Maske mit 4 – 6 l/min

- großzügige Indikation für Intubation / Beatmung

- Gefahr der Entwicklung eines ARDS ist hoch

Sauerstoff / Beatmung

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

- Zeichen der respiratorischen Insuffizienz

- Unruhe, Bewusstseinstrübung

- Abfall der O2-Sättigung unter Insufflation von

Sauerstoff

- Auskultatorisch: V.a. Lungenödem

Indikation zur Intubation / kontrollierte Beatmung /

Analgosedierung

(FiO2 1,0; PEEP 5 –10 cm H2O; AZV 7 – 8 ml/kg KG)

Sauerstoff / Beatmung

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

- Reanimation erfolgt grundsätzlich nach den Regeln des BLS u. ALS

Endotracheale Intubation

Elektrische und medikamentöse Reanimation

- kein Absaugen der tiefen Atemwege

- Magensonde bei Kindern indiziert (Einschränkung der Zwerchfellbeweglichkeit durch hohes Aspirationsvolumen)

- Anschlagzeit und Wirkdauer der Medikamente oft verlängert

Kreislauftherapie / Reanimation

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- Defibrillation unter 29°C häufig ohne Erfolgsaussicht

- Ausgleich eines Volumendefizits mit kristalloiden und

kolloidalen Volumenersatzmitteln

Cave: Ringer-Lactat ist hypoton (273 mosm/l)

Verstärkung der Ödembildung (Gehirn / Lunge)

Kreislauftherapie / Reanimation

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Beachtung von Begleitverletzungen

- großzügige Indikation zur Immobilisation

- bewusstseinsklare Patienten werden so gelagert, wie es

am bequemsten ist

- bei (beginnender) Atemnot Oberkörperhochlagerung

- bewusstlose Patienten mit Spontankreislauf und

suffizienter Spontanatmung:

- stabile Seitenlage durch Ersthelfer / Rettungsschwimmer

- Indikation zur Intubation / Beatmung durch Rettungsdienst

- Reanimationsbedingungen: Rückenlage

Lagerung

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- alle Patienten erleiden mehr oder weniger großen

Wärmeverlust

- nasse Kleidung entfernen

- Schutz vor weiterer Auskühlung (Rettungsfolie /

Wolldecke)

- aktive Erwärmung bei bewusstseinsklaren Patienten

erlaubt (heiße Getränke usw.)

Wiedererwärmung

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Transport grundsätzlich

im RTW anstreben

- rapide Verschlechterung des klinischen Zustandes jederzeit

möglich

- allseitige Zugangsmöglichkeit

- Reanimation / Defibrillation

Transport des Patienten

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- Heranführung des Rettungsteams

(Notarzt; Rettungsassistent)

- schlechte Erreichbarkeit des Notfallortes durch

bodengebundenen Rettungsdienst (Steilküste, fehlende

Straßen)

- sehr lange Transportstrecken (Herz-Lungen-Maschine)

- klinisch stabiler Patient

RTH - Indikation

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- kein Bewusstseinsverlust

- sofortige Reanimation durch Ersthelfer

- Unterwasserliegedauer < 5 min

- Alter > 3 Jahre

- Spontankreislauf (ROSC) < 10-minütiger Reanimation

- keine Hyperkaliämie (K+ < 7,5 mmol/l)

- pH > 7,1

- nach 24 h spontane, gerichtete Bewegungen und normale Hirnstammfunktion

Kriterien für eine gute Prognose

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Therapie der schweren akzidentiellen Hypothermie

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unbeabsichtigtes Absinken der Körperkerntemperatur auf

unter 35°C

Milde Hypothermie: 32 – 35°C

Moderate Hypothermie: 28 – 31,9°C

Schwere Hypothermie: < 28°C

Akzidentielle Hypothermie

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Stadien einer Unterkühlung nach Einteilung der

Schweizer Rettungsflugwacht

(ohne Bezug zur Körpertemperatur)

Stadium Klinisches Bild des Patienten

___________________________________

I ansprechbar, Muskelzittern

II somnolent, kein Muskelzittern

III nicht ansprechbar

IV Kreislaufstillstand

Akzidentielle Hypothermie

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1. Erhöhter Wärmeverlust

- Wasserunfall

- Lawinenunglück

- Immobilisation

2. Gestörte Thermoregulation

- Intoxikationen

- Stoffwechselerkrankungen

- Erkrankungen des ZNS (Tumor; Trauma)

- Verbrennung

Akzidentielle Hypothermie - Ursachen

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Herz-Kreislauf-System

Sympathikusaktivierung mit peripherer Vasokonstriktion,

Tachykardie, Anstieg des HZV

Auftreten von atrialen und ventrikulären Arrhythmien und

EKG-Veränderungen (Verlängerung von PQ- und QT-Zeit)

bei weiterem Temperaturabfall kommt es zu einer

Bradykardie und HZV-Abfall, Kammerflimmern, Asystolie

besonders Kinder reagieren mit dem Tauchreflex

= vagal vermittelter reflektorischer Herzstillstand

37°C

32°C

35°C

30°C

28°C

Akzidentielle Hypothermie - Pathophysiologie

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Atmungssystem

zunächst Steigerung der Atemfrequenz

später Abnahme der Atemfrequenz und AZV

Hypoxie, Hypoxämie, respiratorische Azidose

ödematöse Schwellung des Alveolarepithels, Ausbildung

eines Lungenödems

37°C

32°C

35°C

30°C

28°C

Akzidentielle Hypothermie - Pathophysiologie

Verschlechterung des pulmonalen Gasaustausches

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

Neurologie

zuerst Muskelzittern zur Thermogenese

Muskelverhärtung / Koordinationsstörung

später Areflexie und generalisierte Parese

zunehmende Bewußtseinstörung bis Koma

Störung der Pupillomotorik

Reduktion des Metabolismus um 5 – 8% / °C

37°C

32°C

35°C

30°C

28°C

Akzidentielle Hypothermie - Pathophysiologie

Neuroprotektive Wirkung der Hypothermie

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Metabolismus / Gerinnungssystem

Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve und

Ausbildung einer Azidose

Verminderung der hepatischen Clearance von

Medikamenten

Insulinresistenz mit Hyperglykämie

Thrombozyten- u. Gerinnungsdysfunktion

Induktion einer disseminierten intravasalen Koagulation

37°C

32°C

35°C

30°C

28°C

Akzidentielle Hypothermie - Pathophysiologie

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

Die Behandlung der systemischen und oft lebensbedrohlichen

Unterkühlung hat Vorrang gegenüber lokalen Erfrierungserscheinungen.

Therapieziel ist das Wiedererwärmen des Patienten bis zur Erlangung

der normalen Körpertemperatur.

Sofortmaßnahmen

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

- Eigenschutz / -sicherung geht vor Fremdrettung

- Notruf (Feuerwehr, Rettungsdienst, SAR, DGzRS, RTH)

- Bergung bewußtseinsgetrübter Patienten unter Immobilisation;

Cave: „after drop“ - Phänomen

- nasse Kleidung entfernen (in geschützter Umgebung)

- Schutz vor weiterer Auskühlung (Rettungsfolie / Wolldecke)

- aktive Erwärmung bei bewusstseinsklaren Patienten erlaubt (heiße

Getränke usw.)

Sofortmaßnahmen - Rettung

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

Vitalfunktion

- Bewusstseinslage

- Atmung

- Kreislauf

Neurologie (Pupillenreaktion, Reaktion auf Schmerzreiz, Motorik)

Glasgow-Coma-Scale (GCS)

Temperatur

Begleitverletzungen (SHT, Wirbelsäule, Extremitäten)

Sofortmaßnahmen - Basisdiagnostik

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

- Schutz vor Hypoxieschäden

- engmaschige Kontrolle der Vitalfunktionen

- frühzeitige Gabe von Sauerstoff und Sicherung der Atemwege

(ggf. Intubation / Beatmung)

Cave: Induktion von Kammerflimmern

- Ausgleich eines Volumendefizits mit kristalloiden Lösungen

(Kältediurese; hydrostatischer Druck durch Immersion)

- moderate / tiefe Hypothermie langsame Infusion / keine Infusion

Sofortmaßnahmen

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

- Schonender Transport in eine geeignete Zielklinik

- weitere Immobilisation des Patienten

- Passive Wiedererwärmung durch Rettungsfolie / Heizung

- Reanimationssituation – keine Wiedererwärmung / RTW nicht beheizen

- Anmeldung in der Zielklinik bei Herz-Kreislauf-Stillstand bzw.

instabilem Patienten

- Aufbau / Vorbereitung der HLM

Sofortmaßnahmen

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

1. wacher Patient mit stabiler Atmung und Kreislauf

Überwachung, passive Erwärmung, heiße Getränke

2. instabiler, schwer hypothermer Patient

Invasive Verfahren der Wiedererwärmung

Peritoneale Lavage Magenspülung Hämofiltration

Extrakorporale Zirkulation (Herz-Lungen-Maschine)

Klinische Therapiestrategien bei schwerer Hypothermie

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

Therapie nur in speziellen Zentren mit Herzchirurgie (SARRRAH-Projekt)

Problem

- Temperatur 26 – 30°C nicht-defibrillierbares Kammerflimmern

- Reanimationsmaßnahmen bis KKT > 30°C

- Schwierige superfizielle Wiedererwärmung von Erwachsenen

- Wiedererwärmungsschock bei ca. 30°C

Extrakorporale Zirkulation

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

Therapie nur in speziellen Zentren mit Herzchirurgie (SARRRAH-Projekt)

Vorteile der Herz-Lungen-Maschine

- Suffizienter Kreislaufstabilität auch bei Kammerflimmern

- zentrale Wiedererwärmung (Leber)

- geringere Stoffwechselentgleisung (Laktatazidose)

- Oxygenierung / evtl. Fortsetzung als ECMO

Extrakorporale Zirkulation

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

„Wiedererwärmungsschock“ bei ca. 30°C

Nachlassen der relativen Hypertonie durch Wiedereinsetzen von

- Thermoregulation

- Weitstellung der Gefäße

Adäquate Volumenzufuhr in der Phase der Wiedererwärmung

Ausgleich der (Laktat-)Azidose bei suffizienter Abatmung des CO2

Vermeidung eines „Overshoots“ mit hyperthermen bzw. febrilen

Temperaturen

Extrakorporale Zirkulation

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

Keine Anwendung von Medikamenten bei KKT < 30°C

- Keine Wirkung am Myokard

- Fehlende Metabolisierung

- Toxische Konzentrationen in der Phase der Wiedererwärmung

Tierexperimentelle Untersuchung

- Beeinträchtigung der CO2-Elimination; Verstärkung der metabolischen

Azidose

Schwere Hypothermie und Adrenalin / Amiodaron

Kondratiev, T.V., Myhre, E.S.P., Simonsen, O., Nymark, T.-B. & Tveita, T. Cardiovascular effects of

epinephrine during rewarming from hypothermia in an intact animal model.

[Abstract] 2006 JAppl Physiol Vol. 100(2), pp. 457-464

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

Rhythmisierung eines Kammerflimmerns durch Defibrillation bei

KKT < 30°C unwahrscheinlich

- maximal 3 Versuche der Defibrillation erlaubt

- Wiedererwärmung bis KKT > 30°C

Schwere Hypothermie und Defibrillation

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

Keine Transportverzögerung durch Versuch der Etablierung eines

i.v.-Zugangs

- Kein wesentlicher Volumenmangel – keine zwingende Indikation für

Infusion

- Keine Indikation für Medikamenten-Applikation

- Punktion peripherer Venen oft schwierig

- Evtl. Punktion der V.jug.ext.

- Kein präklinischer ZVK – Gefahr des Kammerflimmerns

Alternative: intraossärer Zugang

Schwere Hypothermie und Gefäßzugang

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Schwere Hypothermie und Gefäßzugang

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

Effektivität verschiedener Techniken der Wiedererwärmung

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

Vermeidung des hypoxisch-zytotoxischen Hirnödems

- Ausgeglichene Flüssigkeitsbilanz

- Ausreichender zerebraler Perfusionsdruck (suffizienter MAP; venöser

Abstrom)

- Normoventilation

- Vermeidung einer Hyperglykämie

- Senkung des zerebralen Energiebedarfs (tiefe Sedierung)

Therapie der zerebralen Hypoxie

Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

Milde therapeutische Hypothermie

Vermeidung von Apotose in reperfundierten, submaximal

hypoxiegeschädigten sensiblen Hirnregionen (CA1-Region des

Hippocampus)

Verstärkung der Apotose-Neigung durch Glucocorticoide

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Kinder und schwere Hypothermie - Eiswasser

1. Schnelle Abkühlung

2. Frühkindlicher Tauchreflex

3. Geringere Flimmerneigung

4. Hohe Hypothermietoleranz

Prognosebestimmend

Reflektorischer vs. Asphyktischer Herz-Kreislaufstillstand

Primär Immersion vs. Submersion

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Überleben einer schweren akzidentiellen Hypothermie

- was ist von Bedeutung -

1. Logistik

2. Richtige Primärversorgung (Rettungsdienst)

3. Auswahl des adäquaten Zielkrankenhauses

4. Schonende und langsame Wiedererwärmung

5. Vermeidung eines Temperatur-Rebound-Phänomens

6. Organbezogene Intensivtherapie