Es gibt keinen Weg zum Frieden, Frieden ist der Weg. · 2016. 9. 2. · Mahatma Gandhi...

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Zeitschrift des Internationalen Versöhnungsbundes · Österreichischer Zweig Forum für aktive Gewaltfreiheit l Aktive Friedenspolitik ohne Heer l Grundeinkommen l Friedenslobby beim II. Vatikanischen Konzil Nr. 4 Dezember 2012, 3,- Es gibt keinen Weg zum Frieden, Frieden ist der Weg. Mahatma Gandhi 6602_12_Spinnrad4_12_Umschlag_wd_Spinnrad4_05_Umschlag1.qxd 10.12.2012 16:08 Seite 3

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Zeitschrift des Internationalen Versöhnungsbundes · Österreichischer Zweig

Forum für aktiveGewaltfreiheit

l Aktive Friedenspolitikohne Heer

l Grundeinkommen

l Friedenslobby beimII. VatikanischenKonzil

Nr. 4Dezember 2012, € 3,-

Es gibt keinen Weg zum Frieden,

Frieden ist der Weg.Mahatma Gandhi

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EdITorIAl, ImPrESSum 2

WArum WIr KEIn HEEr BrAucHEn, WEnn 3WIr FrIEdEn WollEn

von Pete Hämmerle

GEWAlTFrEIHEIT und BEdInGunGSloSES 7GrundEInKommEn

von Robert Reischer

FrIEdEnSloBBy BIEm II. VATIKAnIScHEn KonzIl, TEIl 1 10Vortrag von Hildegard Goss-mayr im Hausder Begegnung in Innsbruck, 15. Oktober 2012

ErnTEn Für dEn FrIEdEn?! 14Olivenernte in Palästinavon Michaela Hofer

mEXIKo: Vor dEm FrIEdEn - GErEcHTIGKEIT 16von Pietro Ameglio

„SIE SPrEcHEn jETzT, Wo SIE FrüHEr nur 18GEScHWIEGEn HäTTEn”Interview von Christian Zettl mit Martha Bonillazur Kinder- und Jugendrechtsarbeit in Ecuador

Gastkommentare müssen nicht mit der Meinung des Redaktions-teams der Zeitschrift Spinnrad übereinstimmen.

ImPrESSum (alle anderen ungültig):

Verleger, Herausgeber: Internationaler Versöhnungs bund, österreichischer Zweig (IVB)

redaktion: Irmgard Ehrenberger, Pete Hämmerle

Adresse: Lederergasse 23/3/27, A - 1080 Wien; Tel./Fax: 01/408 53 32; Email: [email protected]

umschlagdesign: Monika Naskau

layout: Irmgard Ehrenberger, Veronika Reininger

Hersteller: AV+Astoria Druckzentrum GmbH,Faradaygasse 6, 1030 Wien; Verlagspostamt: 1080 Wien

Bankverbindung: PSK, Kto.Nr. 92022553 (BLZ 60000);

BIC: OPSKATWW, IBAN: AT94 6000 0000 9202 2553

Preis der Einzelnummer: € 3,-Abonnement: € 12,- (Inland), € 15,- (Ausland)Für mitglieder des IVB kostenlos!

Der IVB ist ein Zweig der internationalen gewaltfreien BewegungInternational Fellowship of Reconciliation (IFOR). IFOR hat bera-tenden Status bei ECOSOC und UNESCO. IFOR umfasst einNetzwerk von 80 Zweigen und Gruppen auf allen Kontinenten.www.ifor.org

Der Internationale Versöhnungsbund isteine Vereinigung von Menschen, diesich aufgrund ihres religiösen Glaubens oder ihrer humanistischen Grundhaltungzur Gewaltfreiheit als Lebensweg und als Mittelpersönlicher, sozialer und politischer Veränderung bekennen.

I n h a l t Liebe Leserinnen und Leser!

Aufzeigen, dass es die aktive Gewaltfreiheit als kon-struktive und wirksame Kraft zur Überwindung vonUnrecht und Krieg gibt, und wir nicht gefangen sindzwischen den Alternativen Gewalt und Passivität - die-se Aufgabe begleitet den Internationalen Versöh-nungsbund seit seiner Gründung vor fast hundertJahren und wird sicher auch zukünftige Generationenvon VB-Mitgliedern intensiv beschäftigen. In dieserletzten Ausgabe des SPINNRADs in diesem Jahr veröf-fentlichen wir einen Vortrag über die geduldigen Be -mühungen von Hildegard Goss-Mayr und Jean Goss,die Frage von Krieg und Frieden auf der Grundlageder Gewaltfreiheit des Evangeliums in das II. Vatikani-sche Konzil einzubringen.

Pete Hämmerle analysiert, was Gewaltfreiheit im Rah-men der österreichischen Außen- und Sicherheitspoli-tik bedeuten könnte und welche Möglichkeiten unsbleiben, wenn wir nach dem, was wir eigentlich wol-len, gar nicht befragt werden. In diesem Zusammen-hang bitten wir euch, unsere BürgerInneninitiative“Abschaffung des Bundesheeres und aktive Frie-denspolitik" auf der Homepage des Parlaments zuunterstützen und in eurem Verwandten- und Freun-deskreis zu bewerben, um der Option der Gewaltfrei-heit eine kräftige Stimme zu verleihen: http://www.par-lament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/BI/BI_00053/index.shtml(Fernsehtipp: Am 8. Jänner wird Pete Hämmerle im Rahmendes “Bürgerforums” zu diesem Thema mit-diskutieren).

Irmgard Ehrenberger

Wir wünschen euch gesegnete Weihnachten,erholsame Feiertage und ein friedliches Jahr

2013!

Unser Büro ist von 24. Dezember 2012 bis 6. Jänner2013 geschlossen.

Sponsoren des Versöhnungsbundes:

Bitte vormerken:

Am 27. April 2013 findet die 4. Romaria - Wallfahrtin Solidarität mit Flüchtlingen von Schwechat nachMaria Enzersdorf statt!

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Aufgrund der anstehendenVolksbefragung am 20. Jän-ner 2013 ist seit längerer

Zeit wieder einmal eine öffentlicheDiskussion über das Bundesheer inÖsterreich im Gange. Allerdingswird sie bisher aufgrund parteipoli-tischer Vorgaben und Interessengroßteils über zwei mögliche Orga-nisationsformen einer Heeresstruk-tur geführt, ohne die grundlegendeFrage nach dem Sinn eines öster-reichischen Bundesheeres über-haupt anzusprechen.

Ich möchte zunächst ein paar histo-rische Anmerkungen dazu machen,dass die Existenz einer Armee inÖsterreich nicht immer als selbst-verständlich angesehen wurde.Insbesondere nach den Erfahrun-gen des Ersten wie des ZweitenWeltkriegs gab es in der Bevölke-rung die starke Grundstimmung„Nie wieder Krieg!“, und zehn Jahrelang, von 1945 – 55, wenn auchnicht freiwillig, auch kein österrei-chisches Bundesheer. Sowohl imUmkreis der 68er Jahre wie nachdem Ende des Kalten Krieges wur-den Initiativen zur Abschaffung desBundesheeres gestartet, die zwarformell nie in einen politischen Ent-scheidungsprozess mündeten,aber dennoch jeweils Auswirkun-gen auf die Politik hatten (v.a. dieEinführung des Zivildienstes unddiverse Reformen bzw. Verkürzun-gen des Wehrdienstes). Dazu ka -men in den 1970er Jahren auchAn sätze einer aktiven Friedenspoli-tik im Sinne einer österreichischenNeutralitätspolitik, die vermehrt aufdas Konzept einer umfassendenSicherheit und eine Vermittlungs-rolle Österreichs in internationalenKonflikte setzte.

der sicherheitspolitische Kontext

Sogar unter militärischen und politi-schen ExpertInnen besteht weitge-hende Übereinstimmung darin,dass Österreich auf absehbare Zeitkeiner militärischen Bedrohung imklassischen Sinn ausgesetzt ist.Wir sind „von Freunden umzingelt“,ein Angriff auf österreichischesStaatsgebiet am Boden oder in derLuft ist auf Grund des politischenUmfelds so gut wie ausgeschlos-sen. Das wird u.a. auch im Entwurfeiner neuen Sicherheitsdoktrin fest-gestellt, die allerdings schon seitgeraumer Zeit der Beschlussfas-sung im Parlament harrt, und dieeiner breiteren Öffentlichkeit wederbekannt gemacht noch in dieaktuelle Diskussion mit einbezogenwird, obwohl ihr Inhalt eigentlich dieGrundlage für eine sinnvolle Ent-scheidung über die zukünftige Ge -staltung eines Bundesheeres bil-den müsste. Statt der militärischenBedrohung des Staatsgebieteswerden darin allerdings eine ganzeReihe von „neuen Bedrohungssze-narien“ mehr oder weniger willkür-lich aufgelistet, die von Terroris -mus, Cyber War und unkontrollier-ter Verbreitung von Atomwaffen biszum Klimawandel und der globalenWirtschaftskrise reichen. Einigedieser Szenarien sind durchausreal und betreffen auch unser Land– die Frage ist allerdings, ob undwie diesen überhaupt militärischbegegnet werden kann und soll,oder ob nicht viele davon besserdurch eine aktive Friedenspolitiküberwunden werden könnten. Alldiese Fragen fallen jedoch in deraktuellen Debatte großteils unterden Tisch.

der Ansatz des Versöhnungsbundes

Ein wesentliches Merkmal aktiverGewaltfreiheit, wie es v.a. vonGandhi immer wieder hervorgeho-ben wurde, besteht darin, sich als„Gewaltfreie/r“ nicht die Wahl derInstrumente von außen vorschrei-ben zu lassen, sondern selbst pro-aktiv und kreativ für die eigenenStandpunkte einzutreten und überscheinbar vorgegebene Grenzenhinauszugehen. Aus diesem Grundwollen wir uns auch nicht auf dievorgegebene Fragestellung „Be -rufs heer oder Wehrpflicht“ ein-schränken lassen, sondern habenschon beim ersten Aufflackern derDiskussion im Winter 2011 eineStellungnahme für eine aktive,gewaltfreie Friedenspolitik ohneBundesheer erarbeitet. Als sichdann im Augst 2012 abzeichnete,dass die Regierungsparteien dasVolk befragen wollen, haben wirdurch Schreiben an die zuständi-gen MinisterInnen Darabos undMikl-Leitner versucht, eine dritteFragestellung – „Sind Sie für dieAbschaffung des Bundesheeresund eine aktive Friedenspolitik?“ -in den Text der Volksbefragung ein-zubringen, was sich allerdings sehrschnell als nicht realisierbar erwies.Um diese Option trotzdem in ir -gendeiner offiziellen Form in deran hebenden Diskussion publik zumachen, haben wir uns in Zu sam -menarbeit mit einigen anderen anti-militaristischen Organisationen fürden Weg einer „parlamentarischenBürgerInneninitiative“ entschieden,mittels derer alle stimmberechtig-ten österreichischen Staatsbürger -Innen ihren Wunsch nach dieserdritten Option auch in den parla-

Friedenspolitik

Warum wir kein Heer brauchen, wenn wirFrieden wollen…Pete Hämmerle

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mentarischen Entscheidungspro-zess – wenn auch auf einer niedri-geren Ebene als die Volksbefra-gung – einbringen können. Nachder Übergabe der ersten 750 Un -terschriften an Nationalratspräsi-dentin Barbara Prammer am 12.No vember 2012 ist die BürgerIn-neninitiative nunmehr in Behand-lung von Seiten des Petitionsaus-schusses und kann während die-ser zeit auch online auf derHomepage des Parlaments un -terstützt werden:http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/BI/BI_00053/index.shtml

Der Text unserer Stellungnahmewie der BürgerInneninitiative gehtdavon aus, dass Österreich alsneutraler Staat in Europa ein Mo -dell einer aktiven, gewaltfreien Frie-denspolitik umsetzen und damit einBeispiel dafür geben kann, wieFrieden und Sicherheit durch zivile,nicht-militärische Mittel verwirklichtwerden können. Dabei knüpft derVersöhnungsbund an positive Er -fahrungen und Aktivitäten sowohlvon staatlicher (Engagement fürAb rüstung, Vermittlungstätigkeit inKonflikten usw.) wie von zivilgesell-schaftlicher Seite an. Zur Förde-rung von Konfliktprävention undgewaltfreiem Umgang mit Konflik-ten sowie zum Aufbau friedensför-dernder Strukturen schlagen wirbei spielsweise die Einführungstaatlich geförderter Ziviler Frie-densdienste mit ausgebildetenFach kräften im In- und Ausland, dieFörderung der Friedensforschungund Friedenserziehung im gesam-ten Bildungsbereich, die Einrich-tung eines Friedensministeriumsan Stelle des Verteidigungsministe-riums sowie die Aufstockung derEntwicklungshilfe und Investitionenin den Sozialstaat und eine nach-haltige und sozial gerechte Wirt-schaftspolitik zur Bekämpfung vonArmut und Ungerechtigkeit alsUrsachen für Konflikte und Kriegevor. Dem Konzept einer unbewaff-

neten immerwährenden Neutralitätund der aktiven Gestaltung einerösterreichischen Neutralitätspolitikals Ausdruck der Nichtteilnahme anjeglichen militärischen Aktivitätenwird ein besonderer Stellenwerteingeräumt, da dieses eine besse-re Grundlage für eine aktive Frie-denspolitik bildet als die Beteili-gung an einem militärischen Bünd-nis (NATO) oder einer Europäi-schen Union, die auf militärischeMittel der Gemeinsamen Außen-,Sicherheits- und Verteidigungspoli-tik baut.

Was tun mit den Aufgaben desBundesheeres?

Und wie steht es mit den Aufgaben,die bisher vom Bundesheer erfülltwurden? Zunächst ist dazu grund-sätzlich festzuhalten, dass jedeArmee letztlich dafür da ist, militäri-sche Gewalt einsetzen und Kriegführen zu können. Was das in derRealität bedeutet – für die von die-ser Gewalt Betroffenen, sei es dieZivilbevölkerung oder auch dieKämpfenden selbst – sehen wirganz direkt, wenn wir in Kontakt mitunseren ProjektpartnerInnen inKolumbien, in Palästina und Israel,im ehemaligen Jugoslawien usw.stehen, die alle Krieg erleben odererlebt haben, aber auch täglich inden Medienberichten aus Syrien,Afghanistan und vielen anderenKonfliktregionen auf der Welt. Ichbin überzeugt davon, dass die gro-ße Mehrheit dieser Menschen sagt:nie wieder Krieg, Schluss mitder Gewalt!

Verfassungsgemäß hat das öster-reichische Bundesheer folgendeAufgaben zu erfüllen, die ich gleichauch aus unserer Perspektive kom-mentieren möchte:

* die militärische Landesverteidi-

gung: Wie bereits erwähnt ist dieseFunktion – die eigentliche militäri-sche Kernaufgabe eines Heeres –aus unserer Sicht nicht mehr rele-

vant, weil keine adäquate Bedro-hung absehbar ist (und selbst wenndem so wäre, noch immer die Fra-ge offen bliebe, ob ein Heer dazu inder Lage wäre).

* der Schutz der verfassungsmä-

ßigen Einrichtungen und die Auf-

rechterhaltung von Ordnung und

Sicherheit im Inneren (i.S. vonAssistenzeinsätzen): Bei diesenAufgaben handelt es sich um denteils historisch belasteten unddaher von vielen kritisch betrachte-ten Einsatz im Inneren, der der Auf-rechterhaltung des staatlichen Ge -waltmonopols dient und deshalb inden Bereich der Polizei und ande-rer beauftragter Organe fällt, aberkeine genuin militärische Aufgabedarstellt (eine grundsätzliche Kritikzur Notwendigkeit und den Gefah-ren des Gewaltmonopols wird hiernicht ausgeführt).

* die Hilfeleistung bei Elementa-

rereignissen und Katastrophen:Dieser Bereich ist am wenigstenmit militärischen Strukturen ver-knüpft und kann jederzeit genau sogut mit zivilen Instrumenten (sei esmit dem Ausbau bestehenderStrukturen, v.a. den Feuerwehren,sei es durch die Schaffung einereigenen Einrichtung für Zivil- undKatastrophenschutz im In- undAusland) wahrgenommen werden.

* Einsätze im Ausland auf Ersu-chen internationaler Organisatio-nen: Seit 1965 gehören auch diesog. „UNO-Friedens- bzw. Peace-keeping-Einsätze“ zum Aufgaben-bereich des österreichischen Bun -desheeres, die in der letzten Zeitoft als (zukünftige) Hauptaufgabegenannt werden. Hierzu ist zumin-dest die Frage zu stellen, unter wel-chen Bedingungen (Mandat desUN-Sicherheitsrates, Art des Ein-satzes - „Blauhelme“ oder „robu-stes Peacekeeping/Peace Enforce-ment“, usw.) solche Auslandsein-sätze durchgeführt und legitimiertwerden sollten und ob sie über-

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haupt Sinn machen, oder ob nichtdas Zur-Verfügung-Stellen einesentsprechend großen Anteils zivilerAkteurInnen einen positiverenEffekt in vielen Konfliktsituationenhätte und das auch in gleichemAusmaß als Solidaritätsleistunganerkannt würde.

* Seit dem Beitritt Österreichs zurEU und den seither erfolgten ver-traglichen Änderungen kann dieBetrachtung der Aufgaben natürlichauch nicht mehr auf den österrei-chischen Rahmen allein be -schränkt bleiben. Neben dem „Frie-densprojekt EU“ gibt es auch ein„Militärprojekt EU“, dessen fort-schreitende Realisierung sich inBe griffen wie Gemeinsame Außen-und Sicherheitspolitik, Petersberg-Aufgaben oder EU-Battle groupsspiegelt. In diesem Rahmen gehtes meines Erachtens aus friedens-politischer Sicht darum, das eigeneModell einer aktiven österreichi-schen Friedenspolitik auf derGrundlage der Neutralität selbstbe-wusst und aktiv in die EU einzubrin-gen und auch gegen Widerständezu behaupten, andererseits wäredem Vorwurf mangelnder Solida-rität (oder „Trittbrettfahrerei“) da -durch zu begegnen, dass zivile An -sätze der Konfliktbearbeitung we -sentlich solidarischer (nämlich nicht

primär mit eigenen Interessen, son-dern mit den Betroffenen) sind alsmilitärische Interventionen. Durchein „neutrales Europa“ könnte derVerleihung des Friedensnobelprei-ses 2012 an die EU im Sinne eines„Friedensprojekts“ noch ein ganzanderer Sinn als lediglich die Auf-rechterhaltung des Friedens zwi-schen den Mitgliedsstaaten zukom-men.

Was tun mit der Volksbefragung?

Zum Schluss will ich doch noch aufdie Volksbefragung eingehen, beider leider nicht nach einer aktivenFriedenspolitik ohne Bundesheergefragt wird. Der Versöhnungsbundhat sich dafür entschieden, seineVision einer dritten Option zu pro-pagieren und so weit wie möglich indie öffentliche Diskussion einzu-bringen und die vorhandenen Ener-gien darauf zu konzentrieren. Da -her gibt er auch keine „Empfeh-lung“ für das Verhalten bei derVolksbefragung ab, sondern bieteteinige Grundlagen und Argumentefür die persönliche Entscheidungam 20. Jänner 2013 an. Die Kritikan der beschlossenen Fragestel-lung bleibt jedenfalls aufrecht undwird noch verstärkt durch denUnwillen oder die Unfähigkeit derProponentInnen beider Optionen,die Fragen nach der Sinnhaftigkeit,den Kosten und den konkretenImplikationen oder Plänen des je -weils favorisierten Modells schlüs-sig zu beantworten.

Eine Entscheidungsgrundlage fürdie Volksbefragung liegt darin zuüberlegen, ob man „prinzipiell“ (un -ter der Voraussetzung, dass dieeigentlich gewünschte Variantenicht wählbar ist und man sich kei-ner der beiden vorhandenen Optio-nen anschließen kann) oder „prag-matisch“ (im Sinne der Entschei-dung für das kleinere Übel, ausge-hend von der Frage „Wo ist – trotz-dem – mehr Frieden und weniger

Militär drin?“) entscheiden soll. Aufdieser Grundlage ergeben sich 2 +2 mögliche Handlungsweisen:

1. Boykott der Volksbefragung: Wiedurch jede Nicht-Teilnahme aneiner Wahl verzichtet man dadurchauf die Mitbestimmung in einer be -stimmten Angelegenheit. Eine Be -trachtungsweise in diesem konkre-ten Fall könnte zur Auffassunggelangen, dass das Ansetzen die-ser Volksbefragung in jedem Fall –unabhängig vom Ergebnis – dasEinzementieren militärischen Den-kens und der Existenz eines Bun -desheeres darstellt und deshalbein Ignorieren die einzig angemes-sene Handlungsmöglichkeit ist. Alspolitisch wahrnehmbare Aktion – imUnterschied dazu einfach nicht hin-zugehen – kann ein Boykott abernur durch umfangreiche Öffentlich-keitsarbeit in diese Richtung trans-portiert werden.

2. Ungültig stimmen: Auch für dieseMöglichkeit gilt Ähnliches wie obengesagt, allerdings kommt damitdoch zum Ausdruck, dass maneigentlich in dieser Frage mitbe-stimmen möchte, aber keine dervorgegebenen Alternativen wählenkann. Um die eigene Präferenz füreine aktive Friedenspolitik ohneHeer auszudrücken, kann derStimmzettel kreativ gestaltet undmit einer Botschaft versehen wer-den, die aber nur dann über dielokale Wahlkommission hinausrei-chen dürfte, wenn diese Möglich-keit entsprechend propagiert wirdund eine proportional hohe Anzahlungültiger Stimmen im Endergeb-nis aufscheint.

3. Für die Einführung eines Berufs-heeres und eines bezahlten freiwil-ligen Sozialjahres: Das ist bekannt-lich (überraschender Weise!) dieoffizielle Position der SPÖ, der sichin den Grundzügen auch Grüne,BZÖ und „Team Stronach“ an -schließen. Was bisher von denzuständigen Ministern Darabos und

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Hundstorfer dazu an Zahlen undFakten vorgelegt wurde, sieht imwesentlichen ein Mischsystem von8.500 Berufs- und 7000 Zeitsolda-tInnen, 9300 MilizsoldatInnen und6400 Zivilbediensteten und angeb-liche Kosten von 1,9 Mrd. Euro vor.Dazu kommen noch 211 Mio. Eurofür das vorgeschlagene Sozialjahrfür 8000 Personen (offen für Frau-en und Männer ab 18 Jahren) miteinem Bruttogehalt von 14 mal1.386 Euro, das den Ausfall vonZivildienern im Gesundheits- undSozialbereich kompensieren soll.

Zu diesem Modell ist zu sagen,dass es im Grunde anerkennt, dasseine militärische Landesverteidi-gung nicht mehr notwendig ist, unddie Aufgabenbereiche des sog.Profi-Freiwilligenheeres werden imwesentlichen mit Katastrophen-schutz und Auslandseinsätzen fest-gelegt. Von seinem Anspruch hersoll es auch den gleichberechtigtenZugang von Frauen und Männernzu beiden Formen des Dienstesgewährleisten.

Die größten Gefahren, die von vie-len in einem reinen Berufsheergesehen werden, sind die negativeAuslese und die Bildung einesSammelbeckens von rechtsgerich-teten, antidemokratischen oder na -tionalistischen Kräften, die sichleichter für einen Einsatz gegen dieeigene Bevölkerung mobilisierenließen (Stichwort: 1934), sowie dieleichtere Integrierbarkeit eines Be -rufsheeres in eine militarisierte EU.Meines Erachtens hängen diesebeiden Punkten nicht so sehr vonder Organisationsform des Heeres– es gibt empirische Beispiele inEuropa für beides –, sondern vorallem von der demokratischen Kul-tur und der politischen und militäri-schen Führung eines Landes ab.

Auch das Modell des freiwilligenSozialjahres hat neben positivenAspekten seine Schwächen: DieBezeichnung ist inkonsequent – de

facto handelt es sich dabei um eineinjähriges befristetes Dienstver-hältnis mit einigen zusätzlichenAnreizen, also eine Zwischenlö-sung zwischen regulären Arbeits-verhältnissen auf Dauer und einemechten, attraktiven Freiwilligen-dienst, was beides in der BürgerIn-neninitiative vorgeschlagen wird.Für andere, besonders friedenspo-litisch relevante Aufgaben und Ein-satzstellen von Zivildienern undFreiwilligen über den Gesundheits-und Sozialbereich hinaus sieht dasModell (bisher) keine Lösung vor(v.a. betroffen sind hier die „Aus-landszivildienste“), und auch frie-denspolitische Neuerungen wieetwa die Zivilen Friedens(fach)-dienste haben hier noch keinenPlatz.

4. Für die Beibehaltung der allge-meinen Wehrpflicht und des Zivil-dienstes: Auf noch mehr Problemeund offene Fragen stoßen wir beim(überraschender Weise!) von ÖVPund FPÖ präferierten Modell. Dasliegt einerseits daran, dass die Pro-ponentInnen dieser Option zwarvage von der Notwendigkeit vonReformen des Systems sprechen(„Österreich-Modell“), sich aber nä -heren Erläuterungen dazu vor derVolksbefragung bisher konsequententziehen. So kann nur vom Statusquo auf die Zukunft geschlossenwerden, und der besteht zur Zeit ineinem Bundesheer aus rund14.300 Berufs- und Zeitsoldatenund rund 22.000 Grundwehrdie-nern pro Jahr. Dazu kommen nochca. 13.500 Zivildiener jährlich, diefür ihre Gewissensentscheidunggegen den Wehr- bzw. Kriegsdienst(und das ist nach wie vor dasZulassungskriterium zum Zivil-dienst!) mit einem um die Hälftelängeren Zwangsdienst bestraftwerden, den trotzdem (aber nichtdeswegen!) viele noch als sinnvolleTätigkeit erleben.

Fast alle Argumente, die für dieBeibehaltung der allgemeinen

Wehr pflicht genannt werden (Ver-ankerung in der Bevölkerung, De -mokratie und Integration, Katastro-pheneinsätze und Zivildienst), ha -ben mit den militärischen Kernauf-gaben nichts zu tun – die bei Natur-katastrophen eingesetzten Grund-wehrdiener sind nur ein kleiner Be -standteil des Katastrophenschut-zes, in Auslandseinsätzen werdenkeine Grundwehrdiener eingesetzt.Die Zwangsverpflichtung von über30.000 jungen Männern pro Jahr istalso militärisch (angesichts dergenannten bzw. nicht mehr vorhan-denen Bedrohungsszenarien) sinn-los und zudem auch volkswirt-schaftlich pure Verschwendung.

Der Versöhnungsbund hat sich inseiner Stellungnahme aus all die-sen Gründen für die Abschaffungder allgemeinen Wehrpflicht, dochauch gegen die Einführung einerBe rufs- oder Freiwilligenarmeeaus gesprochen. Wenn durch eineAbschaffung des Bundesheeresfreiwerdende Mittel wirklich konse-quent für eine aktive Friedenspolitikund einen Ersatz für die sinnvollen,nicht-militärischen Aufgaben vonBundesheer und Zivildienst einge-setzt würden, hätten wir ein Mehran Frieden in Österreich, Europaund der Welt. Dieses Modell würdeauch einen wichtigen Anstoß zurFörderung einer Kultur des Frie-dens und der Gewaltfreiheit dar-stellen, in dem das Denken in Ka -tegorien gewaltsamer Konfliktlö-sung, das noch immer in den Köp-fen vieler tief verankert ist, durchein starkes Symbol und eine Struk-turänderung schrittweise abgebautund durch einen wegweisendenBeitrag zu gewaltfreier Konfliktbe-arbeitung, zum Schutz der Men-schenrechte, zu größerer Gerech-tigkeit und sozialem Frieden ersetztwürde. Klar ist jedenfalls, dass die-se Bemühungen am 20. Jänner2013 noch nicht zu einem Endekommen werden.

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Aus den politischen State-ments über die derzeit nursehr mangelhaft funktionie-

rende Vereinbarkeit von Beruf undFamilie lässt sich ableiten, dassvie le Konflikte aus den Widersprü-chen der Arbeitsbedingungen mitihren ökonomisch und organisato-risch scheinbar zwingenden Vorga-ben und den sozialen Be dürfnissenvon Familien, Beziehungen undKin dern entstehen.

In dieser „Problemzone“ zwischenErwerbsarbeit und Existenzsiche-rung will das BedingungsloseGrundeinkommen (BGE) einenPuffer einfügen, um den De-facto-Zwang zum Geldverdienen zu mil-dern und damit die Verteilung derbezahlten Arbeit, die Notwendigkeitund Sinnhaftigkeit von Leistungenund Arbeitsplätzen hinterfragbar zumachen und die unbezahlte Arbeitsowie die prekären Beschäftigun-gen finanziell abzusichern.

Statt um Erwerbsarbeit um jedenPreis und unter allen Bedingungengeht es um die Frage, wie allenMenschen ein Leben in Würde unddie materielle, soziale und kulturel-le Teilhabe an der Gesellschaft ge -sichert werden kann. Ziele sind dieVerhinderung von Armut, eine faireUmverteilung des gesellschaftli -chen Reichtums, materielle Unter-stützung der Care-Arbeit, gesell-schaftliche Teilhabe und freie Mei-nungsäußerung.

Die Einführung eines BGE ist eineAntwort, sofern die folgenden Krite-rien eingehalten werden.

l Garantiertund in der Verfassung verankertmuss das Grundeinkommen sein.Unsicherheit führt dazu, dass esfür spätere Zeiten aufgespart wird,anstatt den Lebensstandard zu ver-bessern und der Wirtschaft zu nüt-zen. BGE muss unpfändbar seinund kann nicht belehnt werden.

l Bedingungslosmuss das Grundeinkommen sein,weil ein Recht nicht von Bedingun-gen (Arbeitszwang, Verpflichtungzu gemeinnütziger Tätigkeit, Ge -schlechterrollen-konformes Verhal-ten etc.) abhängig ist.

Das Recht auf Erwerbsarbeit, freieBerufswahl und ausreichendes Ein-kommen soll durch Arbeitszeitver-kürzung und Mindestlöhne gesi-chert werden, aber niemand soll zuErwerbsarbeiten gezwungen sein,um die materielle Existenz zu si -chern.

l Allgemein muss das Grundeinkommen sein,damit es nicht diskriminierend wirkt.Es kommt allen Menschen zugute,die auf Dauer in einem Land leben.Dadurch wird sowohl die unwürdi-ge Bedarfsprüfung der bisherigenHilfesysteme, die „Neiddebatte“und auch der Missbrauch verhin-dert werden. Jedes Kind, jede Frauund jeder Mann soll in den Genussdieser Sicherheit kommen.

l Individuellheißt, dass alle in einem Land le -benden Menschen einen persön-lichen Rechtsanspruch auf ein BGEsowie auf eine medizinische Ver-

sorgung haben. Als BürgerInnen-recht steht Grundeinkommen jederPerson zu. Finanzielle Vorteile fürFamilien und Wohngemeinschaftensind erwünschte Nebeneffekte. FürMigrantInnen tritt dieses Rechtnach 3 Jahren legalen Aufenthaltesoder mit der erfüllten Anwartschaftauf Arbeitslosengeld ein.

l Ausreichend muss der Betrag sein, um die finan-zielle Absicherung von Existenzund Teilhabe am gesellschaftlichenLeben materiell, sozial und kulturellzu gewährleisten.

l Emanzipatorisch wirkt das Grundeinkommen, weildie Versorgungs- oder Ernährer-partnerschaft nicht mehr notwendigist. Die finanzielle Abhängigkeit derFrauen und Kinder wird deutlich re -duziert, auch wenn von einem BGEdie gesellschaftlichen Rollenzuwei-sungen und die Verteilung der un -bezahlten und häuslichen Arbeitenzwischen Männern und Frauennicht per se geändert werden wird.

l HöheBasis der Berechnung nach EU-SILC sind 70% des nationalen Me -dianeinkommens1.

Zusätzliches Erwerbseinkommenwird vom ersten Euro an besteuert,was den Nettoeffekt mit steigen-dem Einkommen verringert, bei

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Grundeinkommen

Gewaltfreiheit und BedingungslosesGrundeinkommenRobert Reischer

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mittlerem Einkommen wird dasBGE neutralisiert, hohe Einkom-men sowie Einkommen aus Kapi-talertrag und Spekulation verlieren.

l Erwartungen

Erwerbsarbeit verliert den absolu-ten Vorrang vor allen anderen Le -bensentwürfen. Manche Menschenwerden Teilzeit arbeiten, Erwerbs-zeiten unterbrechen, verschiedeneTätigkeiten verknüpfen, längereRei sen machen, Bildungsangeboteannehmen oder eine Zeit lang garnichts tun. Die Qualität der Arbeits-plätze und deren Rahmenbedin-gungen in Bezug auf Gesundheit,Sozialverträglichkeit und Rück -sicht nahme auf soziale Bedürfnissedes Menschseins werden verbes-sert.

Die Bereitschaft zu belastendenArbeiten sowie langen Arbeits- oderFahrzeiten wird sinken, Betriebewerden aus den Ballungsräumen indie Regionen gehen, manche un -angenehmen Arbeiten werden teu-rer werden, manche werden nichtmehr angeboten oder nachgefragtwerden.

Die steigende Kaufkraft führt vorallem in Randzonen zu verstärktemKonsum, verbesserter In frastrukturund steigendem Steueraufkom-men. Insbesondere Randzonenund benachteiligte Gebiete werdenstärker profitieren bzw. weniger alsbisher verlieren. Kleine Hand-werksbetriebe, Greißler, Wirte etc.werden wieder möglich, weil dieLeistungen nicht den Erbringerernähren, sondern nur die betrieb-lichen Sachkosten tragen müssen.Dadurch werden ländliche Struktu-ren aufgewertet, Abwanderung undArmut sowie die Entwertung derImmobilien und die Differenz zwi-schen Stadt und Land werden ver-ringert. Ehrenamtliche, soziale, so -lidarische Tätigkeiten für die Zivil-gesellschaft werden interessanter.

l Finanzierung Es gibt mehrere Berechnungsmo-delle, die allesamt zum Schlusskommen, dass die Finanzierungrechnerisch möglich ist, da bei ent-sprechender Umleitung der Geld-flüsse kein zusätzliches Geld erfor-derlich ist, sobald der politischeWille zur Umsetzung dazu vorhan-den ist.

Manche Vorschläge, die nur aufBesteuerung von Konsum oder Er -werbseinkommen abzielen, Erträgeaus Kapital und Vermögen abereher außer Acht lassen, bewirkenkeine Umverteilung von oben nachunten, verbessern das soziale Si -cherungssystem nicht und verrin-gern die Reichtumsproduktion aufKosten der unteren Schichtennicht. Ebenso sind Finanzierungs-modelle abzulehnen, die alle beste-henden Sozialleistungen ersetzenwollen, insbesondere jene, die indi-viduelle Wechselfälle des Lebensabfedern sollen. Ähnliches gilt fürModelle, welche die Armutsgrenze(= 60% vom nationalen Medianein-kommen) nicht deutlich überschrei-ten.

Innerhalb des bestehenden Sys -tems können Maßnahmen wie pro-gressive Einkommenssteuer für ho -he Einkommen, Wertschöpfungs-,Spekulations-, Finanztransaktions-Vermögenszuwachssteuer, Be -steue rung von großen Erbschaftenund Schenkungen ohne wesentli -chen Umbau der gesetzlichenGrund lagen eingeführt werden. DieAuf- oder Anhebung der Höchstbe-messungsgrundlage der Sozialver-sicherungsbeiträge bringt entspre-chende Mehreinnahmen, die auchden möglichen Ausfall der SV-Bei-träge durch eine geringere Er -werbsbeteiligung in den unterenEin kommensbereichen kompen-siert.

Bisher geleistete Transferzahlun-gen wie die laufende Sozialhilfe,Notstandshilfe, Pensionsaus-

gleichszulage, Teile der Witwen-und Waisenpensionen, Familien-beihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Ab -setzbeträge für Kinder, Alleinver-dienerInnen, Lohnsteuerfreibetrag,Studienbeihilfe werden kompen-siert und verbessert. Aber auch derWegfall der kontrollierenden unddisziplinierenden Bürokratie in denderzeit bestehenden Sozialsyste-men bringt nennenswerte Einspa-rungen.

Bestehen bleiben bzw. ausgebautwerden muss hingegen die öffentli-che Infrastruktur für Bildung, Kin-dergärten, Schulen, Krankenhäu-ser, Alters- und Pflegeheime, sowiedie medizinische Versorgung undRe habilitation, situationsbezogeneLeistungen wie Sozialhilfe in be -sonderen Lebenslagen, Pflegegeldund Wohnbeihilfe. Ebenso Versi-cherungsleistungen (ALG, Pension,Krankengeld, u. ä.), für die Prämienbezahlt wurden.

BGE muss monatlich ausbezahltwerden, weil auch die Lebensko-sten monatlich anfallen. Die Metho-de der negativen Einkommenssteu-er wäre zwar praktisch, könnteaber nur jährlich durchgeführt wer-den.

l Strategische Schritte zur Ein-führung des BGE

Eine gleichzeitige Einführung füralle Menschen in voller Höhe lässtgroße Widerstände erwarten, denndie beharrenden Kräfte klammernsich an bestehende Zustände undstellen Hürden zu einer raschenRealisierbarkeit auf. Daher müssenSzenarien für moderate Wege ent-worfen werden, die Ängste verrin-gern und Teile der Bevölkerungüberzeugen können.

l Selektive Einführung des BGE

Auch wenn das Ziel weiterhin einallgemeines Grundeinkommenblei ben muss, kann das BGE in

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Grundeinkommen

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Zwischenschritten selektiv einge-führt werden, ohne dass die positi-ven Auswirkungen geschmälertwerden. Dazu müssen für den nacheinem oder mehreren Kriterienaus gewählten Personenkreis je -doch die prinzipiellen Bedingungenerfüllt werden.

Denkbare Zwischenschritte sind:

Regionale Selektion:

- BGE für Menschen, die minde-stens drei Jahre den Hauptwohn-sitz in einer benachteiligten Regio-ne haben, wo Einwohnerdichte, Ab -wanderung, Altersstruktur, Einkom-mensdurchschnitt, Arbeitslosigkeit,Bildungsstandards, Infrastrukturund Arbeitsplatzangebot, aber auchScheidungsraten, Ge sund heits pa -ra meter und Teenagerschwanger-schaften deutlich schlech tere Wer-te als der Landesdurchschnitt auf-weisen.

Selektion nach sozialem Stand:

- BGE für Personen, von welchenEr werbsarbeit derzeit gar nicht er -wartet wird und es daher wenigeröffentliche Widerstände gegen de -ren Unterstützung gibt, wie z.B.Kinder, Jugendliche in Ausbildung,ältere Erwerbslose, Alleinerziehen-de, Behinderte usw.

Selektion nach Alter, z.B.:

- BGE ab einem bestimmten Ge -burtsdatum, (z. B. 1.1.2000) - ab dem 18. Lebensjahr- BGE für alle ab jetzt Neugebore-nen

Selektive Einführung für Personenmit geringem Einkommen ist abzu-lehnen, da sie weder die erwünsch-te Unabhängigkeit noch die sozia-len und ökonomischen Verände-rungen ermöglicht und drohendeArmut nicht verhindert.

Gemeinsam ist diesen Vorschlä-gen, dass fürs Erste viel wenigerGeld notwendig ist, dass durchbegleitende Sozialforschung so -wohl gesellschaftliche Veränderun-gen, aber auch die Anfangsschwie-rigkeiten rasch erkannt werdenkönnen, und dass die Gesellschaftdie „neue Freiheit“ und deren Vor-teile erkennen und sich darangewöhnen kann.

Die Forschungen und Forderungenum ein BGE sind weltweit unter-wegs, was eindrucksvoll beim Welt-kongress Basic Income Earth Net-work (BIEN) im September 2012 inOttobrunn bei München demon-striert wurde.

Zum Kongress im Wolf-FerrariHaus, der alle zwei Jahre stattfin-det, trafen sich die Gründerväter,Promis und Gallionsfiguren der glo-balen BGE-Szene wie z.B. PhilippeVan Parijs, Klaus Offe, SenatorSuplicy, Götz Werner und GuyStanding mit über 200 Fachleutenaus aller Welt, etlichen Studieren-den aus Japan, Korea und demsüdlichem Afrika und österreichi-schen VordenkerInnen wie MargitAppel, Markus Blümel, Klaus Sam-bor, Markus Schlagnitweit u.v.a.

Im Rahmenprogramm zeigte dieWiener Theatergruppe „WÜST“ einMitmachtheater zum Thema Ar -beitssuche und AMS, ein Stehem -pfang mit Bier und Brezen und eineTrommelsession mit z.T. selbst ge -bauten Trommeln und Pauken hol-ten uns wieder zurück in den Alltag.Natürlich gab es Büchertische,Infofolder und viele Diskussionsni-schen auf den Gängen.

Das Thema „Wege zum Bedin-gungslosen Grundeinkommen“wur de gewählt, um von den bishe-rigen, eher akademischen Diskus-sionen und wissenschaftlichen Mo -dellrechnungen in Richtung Reali-sierung ein Stück weiter zu gehen,andererseits gibt es schon einige

praktische Umsetzungen und Er -fahrungen, die zu berichten und zuevaluieren waren.

So gab es in dem namibischen DorfOjivero einen Modellversuch, deralle positiven Erwartungen über-troffen hat und wo keine der Be -fürchtungen eingetreten ist. DieSchulbesuchsquote stieg an, weildie Schuluniformen leistbar wur-den, der Handel mit Produkten ausden Gemüsegärten der Nachbar-dörfer blühte auf, weil zusätzlicheKaufkraft da war, Häuser aus Holzund Faserplatten ersetzten dieWellblechhütten und Zeltplanen,eine Schule und ein Dorfbrunnenwurden gebaut und der Alkoholkon-sum der Männer wurde reduziert.

In Brasilien wurde die bolsa familiaeingeführt. Ca. 12 Mio. bedürftigeFamilien mit Kindern bekommeneinen Zuschuss zum Haushalts-geld, wenn sie ihre Armut vom Bür-germeister bestätigen lassen undihre Kinder in die Schule schickenund impfen lassen.

In der Mongolei sollen die Pachter-träge aus den Minen der Seltener-den als Volksdividende ausbezahltwerden, ähnlich wie in Alaska der„permanent fund“ aus den Erdöl-verkäufen.

Auch wenn diese Versuche nichtalle Kriterien eines bedingungslo-sen Grundeinkommens, wie es hierbei uns diskutiert wird, erfüllen, sozeigen sie doch deutlich die positi-ve Dynamik der Idee, die materielleExistenzsicherung unabhängig vonErwerbsarbeit zu garantieren.

In den Arbeitsgruppen standenModelle, die Ökosteuern, Einkom-mensteuern oder Vermögensabga-ben als Finanzierungsquelle for-cierten, neben solchen auf Basisvon Mehrwert- und Konsumsteu-ern, Umwidmung der bestehendenSozialtransfers oder materielleGrundsicherung ohne Finanzmittel

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Grundeinkommen

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ebenso zur Diskussion wie Vor-schläge zu differenzierenden, par-tiellen Einführungsschritten, die vonder Idee, mit kleinen Beträgenanzufangen und langsam zu stei-gern, über Armutskriterien für dieEmpfängerInnen oder ausgefeiltenregionalen Auswahlkriterien bis zuBedingungen wie Schulbesuch derKinder und „freiwilligen“ Sozialdien-sten reichten.

Im Abschlussreferat von PhilippeVan Parijs wurde zusammenge-fasst, was sich über drei Tageerstreckt hatte. In 59 Workshopsmit jeweils drei ReferentInnen wur-den Versuche unternommen, dieverschiedenen Modelle darzustel-len, die Gemeinsamkeiten heraus-zustreichen und die Widersprüchezu diskutieren.

Die mitgeschnittenen Videos sindteilweise auf Youtube abrufbar, diegesamte Liste der ReferentInnenund ihre Inhalte sind unter www.bien2012.de/de/abstracts abrufbar.

Robert Reischer, langjähriges Mit-glied im österreichischen VB, war inden Bereichen Arbeitslosigkeit,(Re)Integration und Wohnungslo-sigkeit tätig und hat das Österrei-chische Armutsnetzwerk mitgegründet. Zur Zeit ist er designier-ter Treasurer von IFOR und Mit-glied des Netzwerks Grundeinkom-men:www.grundeinkommen.at

1) EU-SILC: "Statistics on Income andLiving Conditions". Diese Lebensbedin-gungen werden jährlich aus dem sogenannten median gemittelten Netto-äquivalenzeinkommen errechnet. InÖsterreich sind das derzeit etwa 20.000Euro pro Jahr. 70% davon wären alsomonatlich ca. 1.000 Euro (14x) fürJEDE Person.

Geehrte Anwesende, liebe Freundinnen und Freunde!

Mit großer Dankbarkeit denke ichan das Konzil. Es hat meinemGlauben und meinem Christsein inder Welt neue Dimensionen eröff-net, selbst dann, wenn so mancheEntschließungen nicht umgesetztwurden, umstritten blieben oderrückläufig sind. Die durch das Kon-zil erneuerte Kirche erlebt sich alsdurch die Taufe gemeinsam berufe-nes Volk Gottes unterwegs zuimmer tieferer Einsicht in das Evan-gelium, um Antwort zu geben aufdie Herausforderungen der Zeit.Die großen Themen: Neue Sichtder Kirche, Liturgiereform, Ökume-ne, Begegnung mit anderen Reli-gionen und Nichtgläubigen, Reli-gionsfreiheit, Menschenwürde undMenschenrechte, Bauen am Frie-den sind aus unserem ChristIn-seinnicht mehr fortzudenken.

Heute Abend werden wir uns aberausschließlich mit einem kleinen,doch wesentlichen Teil-Thema be -schäftigen, dem 5. Kapitel der Pas -toralkonstitution Gaudium et spes(Die Kirche in der Welt von heute)mit dem Titel „Die Förderung desFriedens und der Aufbau der Völ-kergemeinschaft“. Als Zeitzeuginmöchte ich berichten, wie meinMann, Jean Goss, und ich uns alsLaien einsetzten, um die Frage vonKrieg und Frieden in das Konzil ein-zubringen und dieses zu drängen,durch eine im Evangelium wurzeln-de Friedensbotschaft auf die Er - wartungen der Menschheit zu ant-worten. „Es handelt sich darum, diemoderne Welt mit den leben -spendenden Energien des Evange-liums in Kontakt zu bringen ... und

der angstgepeinigten Welt ... Ge -danken und Vorschläge für denFrieden anzubieten.“ Mit diesenWor ten aus der Einberufungs-Kons titution „Humanae Salutis“(1961) weist Johannes XXIII. be -reits auf diese wichtige Zielsetzungdes Konzils hin.

Mein Mann, Jean Goss, und ichwa ren damals bereits seit einigenJahren in der Friedensarbeit ausder Perspektive der Gewaltfreiheitengagiert und wussten uns als aufJesus Christus Getaufte mit-verant-wortlich für den Friedensauftrag derKirche. Aus dieser Glaubenshal-tung gelangten wir zu der Überzeu-gung, das Konzil müsse unbedingtdie Frage Krieg und Frieden auf-greifen und wir sollten, obgleichzwei Laien ohne kirchliche Position,uns nach besten Kräften dafür ein-setzen.

Wir waren beide im InternationalenVersöhnungsbund angestellt. Er istdie älteste ökumenische Friedens-bewegung, die die GewaltfreiheitJesu als grundlegendes und ver-pflichtendes Prinzip des christ-lichen Glaubens versteht und sichseit dem Ersten Weltkrieg dafüreinsetzt, dieser oft missachtetenBotschaft des Evangeliums in denchristlichen Kirchen wie in der Weltverstärkt zum Durchbruch zu ver-helfen. In die großen Tagungen desWeltkirchenrates brachte er jeweilsVorschläge zur Überwindung vonKrieg und Gewalt, für friedlicheKonfliktlösung und Versöhnung ein.Nun beauftragte uns der Internatio-nale Versöhnungsbund, diese Auf-gabe in Bezug auf das Konzilwahr zunehmen.

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Friedenspolitik

Friedenslobby beim II. Vatikanischen KonzilVortrag von Hildegard Goss- Mayr im Haus der Begegnungin Innsbruck, 15. Oktober 2012, Teil 1

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Geschichtlich-politische Situa-tion und Papst johannes XXIII.

Um die Brisanz der Friedensfrageinnerhalb der umfassenden The-men dieses Reformkonzils zu ver-stehen ist es notwendig, an den po -litischen Hintergrund und das Frie-densengagement von Papst Jo -han nes zu erinnern.

- Einerseits steht die Welt zu Be -ginn der 60er-Jahre des 20. Jahr-hunderts am Höhepunkt des KaltenKrieges, dem Machtkampf zwi-schen dem kommunistischen Os -ten und dem kapitalistischen Wes -ten, in einem erbitterten psycholo-gischen Krieg und der Bedrohungder Menschheit durch die massiveAufrüstung mit ABC-Waffen unddurch einen Atomkrieg. Es herrschteine Atmosphäre der Angst. Aufdiesem Hintergrund ist es verständ-lich, dass die Mehrheit der Bischö-fe die atomare Aufrüstung undDrohung mit diesen Waffen, d.h.das so genannte Gleichgewichtdes Schreckens, nicht ausschloss.Das Denken vieler Konzilsväterund nicht selten deren TheologIn-nen war besetzt von dieser Hal-tung, die den biblischen Blickpunktauszuschließen drohte.

- Andererseits erwartete die angs t -erfüllte Menschheit eine konkrete,starke Friedensbotschaft des Kon-zils, sowie dessen Solidarisierungmit den großen Menschheitsanlie-gen wie Abrüstung, Armut, kolonia-le und ideologische Unterdrückung,Missachtung der Menschenrechteusf.

Diese Hoffnung wurde durch dieFriedensinitiativen von Papst Jo -hannes genährt: Er war es, derden „Eisernen Vorhang des Miss -trauens“ durchbrach und den Dia-log mit kommunistischen Regierun-gen aufnahm. Er führte nicht nureine grundlegend neue, propheti-sche Haltung und Politik des Vati-kans ein, sondern schuf auch die

Voraussetzungen für einen Dialog,der selbst in der Kubakrise (Okto -ber 1962), als sich die Welt amRande des Atomkrieges befand,standhielt. Er kontaktierte J.F. Ken-nedy und Chruschtschow, deren“Falken” unter den Militärs zum Zu -schlagen drängten, und trug sodurch seine Autorität zur Entspan-nung der tödlichen Krise bei. In sei-ner Enzyklika „Pacem in terris“(1963) forderte er dazu auf, dasGleichgewicht des Schreckensdurch ein Gleichgewicht des Ver-trauens zu ersetzen. Das Ringenum Frieden kennzeichnete seinganzes Pontifikat. „Ich fürchte,dass meine Kinder in einen neuenKrieg hineingezogen werden!“ Die-se Wor te zählten zu seinen letzten.

unsere motivation

In dieser Weltsituation am Randeder Selbstvernichtung, so sagtenwir uns, muss die Kirche Zeichendes radikalen Friedensweges Jesuund dessen Umsetzung in der Weltsetzen. Das verlangt jedoch ihreeigene Hinwendung zur Gewaltlo-sigkeit Gottes. Kraft und Inspirationfür unser eigenes Engagement indem schwierigen Ringen um die-sen Schritt empfingen wir immerwieder neu aus der Überzeugungvon Papst Johannes, dass derGeist des Lebendigen Gottes in derkonziliaren Kirche am Werk ist –und damit auch in uns und durchuns. Das gilt auch für heute, 50Jahre danach.

Vorarbeit

Im Gegensatz zu großen Themendes Konzils wie Liturgie, Bedeu-tung der Laienarbeit, Bibelinterpre-tation oder Kirchenverständnis, wobereits beachtliche Vorarbeit gelei-stet worden war, erwies sich dieseauf dem Gebiet der Friedensbot-schaft des Evangeliums und ge -waltfreier Konfliktlösung noch sehrbescheiden.

Im Rahmen des InternationalenVersöhnungsbundes und nach demZweiten Weltkrieg auch durch PaxChristi war ein internationales Netzvon Gruppen und TheologInnenentstanden, die sich nicht nur derWiederaufrüstung in Deutschlandund vor allem der Atomrüstungwidersetzten, sondern auch dieFriedenstheologie auf der Grundla-ge des Evangeliums Jesu, dasBöse durch das Gute zu überwin-den, voranzubringen suchten. Esverband Initiativen in Österreich,Deutschland, Belgien, Frankreich,Italien, England und den USA(Catholic Worker von Dorothy Day,Thomas Merton, Bischof Gumble-ton von Pax Christi u.a.)

Von Bedeutung erwies sich auchder Kontakt, den mein Mann, JeanGoss, bereits 1950 mit dem dama-ligen Prälaten Msgr. Alfredo Ottavi-ani, dem späteren Kardinal undLeiter der Glaubenskongregation(Heiliges Offizium) hergestellt hat-te. Obgleich dieser während desKonzils eine führende Kraft deskonservativen Flügels („Bremse“)war, vertrat er mit Überzeugungund En gagement die Friedenstheo-logie. 1950 hatte er in einem seinertheologischen Werke festgestellt:“Der Krieg ist völlig zu untersagen“.Er solle durch menschenwürdigeFormen der Konfliktlösung ersetztwerden.

Ermutigt durch diese Aussage fuhrJean Goss (er lebte damals im ver-armten und politisch instabilenNachkriegsfrankreich und wurdevon der kommunistischen Frie-densbewegung wegen des Schwei-gens der Katholischen Kirche zurAufrüstung heftig angegriffen) imMärz 1950 nach Rom, obgleich ertrotz wiederholter Anfrage keineEinladung erhalten hatte. Dortmusste er sich den Zugang zu demPrälaten im Heiligen Offizium er -kämpfen. Zwei Stunden verbrachteer bei Msgr. Ottaviani: Er gab Zeug-nis von seinem Leben als engagier-

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Friedenspolitik

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ter französischer Soldat gegen Hit-ler, der viele unschuldige Men-schen tötete, und von dem Glau-ben, den Gott ihm schenkte, dassalle Menschen ausnahmslosgeliebte Kinder Gottes und des-halb absolut zu achten sind; vondem gewaltlosen BefreiungswegJesu und seiner Liebe, die wirselbst den KommunistInnen zugeben hätten; dass ein/e Christ Indeshalb jeden Krieg verweigernmüsse und dass Tausende Christ -Innen hiezu eine Stellungnahmeder Kirche erwarteten. Msgr.Ottavi-ani war tief beeindruckt. Er sagtezu Jean: “Die Kirche ist noch nichtso weit. Doch Gott hat dir eineWahrheit für die Kirche und dieWelt an vertraut. Geh und gib Zeug-nis, überall.” Und er segnete inJean alle Kriegsdienstverweigereraus Ge wissensgründen. - Währenddes Konzils leistete er uns großeHilfe.

1960 - Erstellung eines Arbeits-instrumentes: Eingabe und

dokumentation

Als ersten Schritt unserer Arbeitgalt es, eine Eingabe mit dazuge-höriger Dokumentation zu erarbei-ten. Mit einem belgischen Theolo-gen machten wir einen Entwurf,den wir 200 TheologInnen, Prie-stern und Laien zur Begutachtungund Verbesserung zusandten.

Dabei mussten wir von der Tatsa-che ausgehen, dass die Mehrzahlder Bischöfe in der Theologie des„bellum justum“, d.h. des so ge -nan nten gerechten Verteidigungs-krieges, fest verankert war. UnsereEingabe umfasste vier Stufen:

1. Der moderne Krieg ist wegender Massenvernichtung und derUn mö glichkeit, die Zivilbevölkerungzu schützen, den Bestimmungendes „gerechten Krieges“ radikalent ge gengesetzt und daher zu ver-urteilen. (Dokumente: Pius XII undP. Stratmann OP)

2. Abschreckung: In diesemPunkt, der in der Konzilsdebatteder umstrittenste war (und geblie-ben ist), geht es um den unmorali-schen Charakter der Erzeugungund Lagerung sowie der Ab -schreck ung mit ABC-Waffen, derenVerurteilung wir forderten. „Die Ab -schreckung ist unmoralisch, denndie Hoffnung, diese Waffen nichtanzuwenden, ist illusorisch, da dieDrohung nur dann wirksam ist,wenn man die Absicht hat, sie alsletztes Mittel zu gebrauchen.”(Christopher Butler OSB bei derDiskussion in der Aula)

3. Der dritte Punkt war unserbesonderes Anliegen: die christli-che Friedenstheologie auf bibli-sche Basis zu stellen, auf den vonJesus gelehrten und vorgelebtenge waltlosen Befreiungweg zurÜberwindung aller Gewalt undallen Unrechts, zu Vergebung undVersöhnung, und daraus die Leitli-nien für das Friedenshandeln derKirche zu erstellen.

4. Im 4. Punkt setzten wir uns fürden Schutz der Kriegsdienstver-weigerer aus Gewissensgründenein (sie wurden in vielen Staatenverfolgt und von der Kath. Kirchenicht geschützt), wie für die Pflichtder Gehorsamsverweigerung ge -gen über unmoralischen Gesetzenund Befehlen.

In einer begleitenden Dokumenta-tion begründeten wir die Eingabe,die 80 TheologInnen, Priester undqualifizierte Laien unterzeichneten.

Über Empfehlung von Kardinal Kö -nig (Wien) wandten wir uns daraufan den österreichischen Pax ChristiBischof Dr. Rusch (Innsbruck) mitder Bitte, die Eingabe offiziell beider theologischen Vorbereitungs-kommission einzubringen. Nachlängeren, nicht einfachen Ausspra-chen erklärte er sich dazu bereit.

April/mai 1961:Vorbereitungsarbeit in rom

Im Frühjahr 1961 fuhren wir nachRom um zu überprüfen, was mitunserer Eingabe geschehen war.Sie war tatsächlich bei der Theolo-gischen Kommission eingetroffen,deren Vorsitz Kardinal Ottavianiführte. Dort dominierte der konser-vative, kuriale Flügel mit dem Je -sui tenpater Tromp als Sekretär undder Mitarbeit des deutschen Jesui-ten Prof. Gundlach, dessen Stel-lungnahme zugunsten der Atom-waffen bei der Verteidigung gegenden Kommunismus in Deutschlandzu heftigsten Auseinandersetzun-gen geführt hatte. Trotz erhebli -chen Widerstandes setzte KardinalOttaviani für uns Gespräche mit P.Tromp und Prof. Gundlach durch.Diese gestalteten sich äußerstschwierig. Da keine Argumente ge -gen den modernen Krieg und dieatomare Abschreckung zielführendwaren, entschlossen wir uns,schlicht Zeugnis von unseren Er -fahrungen mit der GewaltfreiheitJesu in der Ost-Westarbeit zu ge -ben, wo wir seit 1955 das Ge -spräch, den Dialog mit dem Feind,in Polen und der Sowjetunion auf-gebaut hatten. Beide waren vondiesem Zeugnis sichtbar berührtund versicherten, dass es Kern derevangelischen Botschaft ist, dasBöse aus der Kraft des Guten zuüberwinden. Doch die großen Fra-gen blieben offen. Jedenfalls wares gelungen, die Problematik in derTiefe aufzureißen. P. Tromp be -schloss, die Eingabe an die Sach-kommission weiterzuleiten.

Mehr Verständnis und Offenheiterlebten wir bei der Kommission fürLaienapostolat unter der Leitungvon Msgr. Glorieux und Pavan.Wenngleich sie an der Möglichkeitder bewaffneten Verteidigung fest-hielten, waren sie sich der Leidender Menschen durch Unrecht, Aus-beutung und Krieg sehr bewusst,suchten nach Alternativen und ver-

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sprachen uns, Vorschläge für dengewaltfreien Einsatz für Gerechtig-keit und Frieden zu unterstützen.

Besondere Unterstützung erhieltenwir von Kardinal Augustin Bea,dem Leiter des Sekretariates zurFörderung der Einheit der ChristIn-nen. Dieses brachte am stärkstenden Geist von Papst Johannes zumAusdruck und arbeitete für Erneue-rung aus der Tiefe der Bibel. MitKardinal Bea hatten wir schon lan-ge unsere Erfahrungen in der Öku-mene des Versöhnungsbundes wiebei unserer Arbeit in Osteuropa undauf dem Balkan mit OrthodoxenKirchen geteilt. Mehrmals half unssein Sekretariat in schwierigen Si -tu ationen.

oktober/november 1962: ErsteSitzungsperiode des Konzils

Am 11. Oktober war es endlich soweit. Unvergesslich bleibt mir dieAtmosphäre des Aufbruchs und derFreude bei den zahlreichen Bi -schöfen, TheologInnen, Beobach-terInnen, Presseleuten aus allenTeilen der Welt auf dem Peters-platz. Auch aus der Botschaft derKon zilsväter vom 20. Oktobersprach der Geist von Papst Johan-nes: “Aus allen Völkern unter derSonne vereint, tragen wir in unse-rem Herzen die Nöte der uns an -vertrauten Völker, die Ängste ...Sehnsüchte, Hoffnungen ... be son -ders der Armen und Schwachen...Deswegen legen wir besonderesGewicht auf jene Probleme, die dieWürde des Menschen betreffen ...Christi Liebe drängt uns.“

Doch sehr rasch zeichneten sichdie divergierenden Strömungen ab:Die von der Kurie unterstützte kon-servative Linie und die auf Öffnungzur modernen Welt ausgerichtete,die vor allem von Konzilsväternund TheologInnen aus (West)Euro-pa bestimmt wurde. Zwei Ereignis -se, so scheint es mir, trugen dazubei, dass das Konzil sich von der

Bevormundung durch die Kuriebefreien und den Weg der Refor-men einschlagen konnte:

Bei der ersten Generalkongrega-tion sollte nach bereits vorliegen-den Listen über die Mitglieder derKonzilskommission abgestimmtwerden. Als das historische Votumgefilmt werden sollte, erhob sichKardinal Liénart von Lille, Frank-reich, und verlangte, dass die Kon-zilsväter ihre eigenen Vorschlägehiefür ausarbeiten. Darauf erhobsich Kardinal Frings, Köln, um die-ses Votum zu unterstützen. Diesebeiden ersten Konzilsinterventio-nen wurden mit starkem Applausbegrüßt und angenommen. DieListen wurden neu erstellt.

Noch größere Tragweite hatte daszweite Ereignis: Das von der Theo-logischen Vorbereitungskommis-sion erarbeitete Schema „Über dieOffenbarung“ stieß auf heftigenWiderstand als „zu scholastisch,mo ralisierend und ungenügend inder Bibel verwurzelt“. Es kam zueiner Abstimmung, bei der es vonder großen Mehrheit zurückgewie-sen wurde, verfehlte jedoch diedafür nötige Zweidrittelmehrheit.Sollte die konservative Minderheitden Sieg davontragen? Eine tiefeBeunruhigung erfasste die Aula.Schließlich wurde beschlossen,den Papst um Entscheidung zu bit-ten.

An diesem Nachmittag trafen wiruns mit Kardinal Da Silva aus San-tiago de Chile, der uns über dieseVorgänge informierte. Er forderteuns auf: “Beten wir die ganzeNacht, dass der Heilige Geist denPapst erleuchte“. Am nächstenMorgen entschied Papst Johannes,das Schema von einer speziellenKommission, der sowohl Mitgliederder Theologischen Kommission wiedes Sekretariats für die Einheit derChristInnen angehörten, neu erar-beiten zu lassen. Damit hatte dasKonzil seine eigene Perspektivegewonnen und beiden Richtungendie Chance zum Austausch aufgleichwertiger Ebene gegeben.

Die Frage Krieg und Frieden warbei dieser Konzilsperiode in keinesder vorliegenden Schemata aufge-nommen, und es lagen noch 70weitere Problemkreise vor! Hattediese heikle Frage überhaupt eineChance? Für dringlich vorgebrach-te Fragen wurde jedoch ein Sekre-tariat für außerordentliche Angele-genheiten unter Leitung der Kard.Suenens (Mecheln/Belgien) undDöpfner (München) errichtet.Wirsahen nun die einzige Chance dar-in, eine Gruppe von Bischöfen da -für zu gewinnen, bei diesem Sekre-tariat die Friedensfrage mit großerDringlichkeit einzubringen.

So besuchten wir einzeln zahlrei-che Konzilsväter, um sie für dieseInitiative zu gewinnen. Diese Arbeitwar ungeheuer schwierig, da wirkeinen offiziellen Auftrag hattenund die Bischöfe und ihre Peritisehr überlastet waren. Oft wurdenwir abgewiesen, waren erschöpft,ja entmutigt. Doch langsam gelanges, zunächst unter französischenBischöfen, eine Gruppe für die Ein-gabe der Friedensfrage aufzubau-en. Zu unserer großen Freude warErzbischof Guerry von Cambray soüberzeugt von deren Dringlichkeit,dass er die Koordinierung derBischöfe für das Ansuchen an dasSekretariat übernahm.

Friedenspolitik

Hildegard Goss- mayr und jean Gossmit Kardinal Bea beim II. VatikanischenKonzil

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Ein Schlüsselgespräch für dasGelingen dieser Initiative war jenesmit Kardinal Döpfner (München),dem eine führende Rolle in demSekretariat zukam. Kardinal König,der uns während des Konzilsimmer wieder beriet und unterstütz-te, ebnete uns den Weg zur Aus-sprache mit ihm. Diese war nichteinfach. Auch bei ihm stand dieVerteidigung gegen den Ostenstark im Vordergrund. Er meinte,das Konzil sei nicht reif für eineStellungnahme zur Friedensfrage.Doch war auch er beeindruckt vonunserer Ost-Westarbeit, von dem„Gespräch mit dem Feind“ und erwar sich auch der großen Erwar-tungen der Menschheit von einerFriedensbotschaft des Konzils be -wusst. Schließlich versprach eruns, sollte die Friedensfrage demSekretariat vorgelegt werden, wür-de er alles tun, um deren Aufnah-me in die Konzilsarbeit zu ermög-lichen.

Inzwischen vermehrte sich derDruck lateinamerikanischer Bischö-fe für Solidarität der Kirche mit denArmen und deren Unrechtssituationdurch das Konzil. Die Dynamikwuchs und führte dazu, dass Kardi-nal Suenens in der Aula den Antragstellte, ein Schema über die großenAnliegen der Menschheit in Angriffzu nehmen. Es war die Geburts-stunde des Schemas 17 (13), ausdem „Gaudium et spes“ hervorging.Voll Freude berichtete uns Erzbi-schof Guerry: Unsere gemeinsa-men Bemühungen haben Früchtegetragen. Die Friedensfrage ist indieses Schema aufgenomen. Mü -de, aber glücklich machten wir unsauf den Heimweg.

Der 2. Teil des Vortrags folgt in dernächsten Ausgabe des Spinnrads1/2012.

Im Oktober verbrachte ich zweiWo chen in der Westbank. ZweiWo chen später kam es zu einer

bewaffneten Auseinandersetzungzwischen der Hamas und Israel.Kurz darauf erhielt Palästina einenBeobachterstatus bei der UNO,was einer Anerkennung als eigenerStaat gleichkommt. Israel reagiertemit dem Einfrieren von Steuerzah-lungen und der Planung neuerSiedlungen. Während meines Auf-enthalts erklärten mir palästinensi-sche GesprächspartInnner einstim-mig, dass in den nächsten Jahrenkeine politischen Veränderungen inPalästina/Israel zu erwarten seien.Ist Geschichte so wenig vorherseh-bar? Ist das ein Zeichen für dieWillkür israelischer Besatzungspo-litik? Oder zeigt es nur, wie wenigHoffnung die Leute haben, dasssich irgendwann etwas ändert?Doch beginnen wir von vorne.

die Ausgangssituation

Im Sommer wurde ich über einenFacebookeintrag darauf aufmerk-sam, dass der Versöhnungsbundund IWPS (International Womens’Peace Service) Freiwillige suchen,die für zwei Wochen palästinensi-schen Familien bei der Ernte ihrerOliven helfen wollen. Für Palästi-nenserIinnen ist es oft schwer, eineErlaubnis für das Ernten der eige-nen Bäume von den israelischenAutoritäten zu erhalten. Hat mandiese, besteht noch immer die Un -gewissheit, ob man auf das Feldgelassen wird, von dort vertriebenoder zumindest wesentlich in derErntearbeit gestört wird. IsraelischeSoldatIinnen können bisher öffent-lich zugängliche Gegenden zu ge -schlossenen Militärgebieten erklä-ren, auch sehr kurzfristig. Und is -

raelische SiedlerIinnen fühlen sichdurch die Anwesenheit von Palästi-nenserInnen des Öfteren in ihrerRuhe und Sicherheit gestört undre agieren mitunter mit Gewalt,wenn sich der Olivenhain unglückli-cherweise in der Nähe einer Sied-lung befindet. Die Erfahrung hatgezeigt, dass die Anwesenheit voninternationalen BeobachterInnendiese Situationen deeskalierenkann, weshalb eine mittlerweilelangjährige Zusammenarbeit zwi-schen Menschen vor Ort und Frei-willigen aus den USA, Europa undauch Israel besteht. Die Gäste hel-fen bei der Ernte mit und agierengleichzeitig als Puffer zwischen denKonfliktparteien. So weit die Aus-gangssituation, so klar der Auftrag.

Als Politikwissenschafterin und So -zialarbeiterin mit Interesse am Na -hen Osten und mit dem Luxus vongegenwärtig freier Zeiteinteilungme ldete ich mich für das Projektund lernte beim Vorbereitungstref-fen im August auch die anderen In -teressentInnen und ihre unter-schiedlichen Beweggründe ken-nen. Wir wussten, es würde nichtleicht werden zwischen Olivenhai-nen und Militärstützpunkten, fes -tungsgleichen Siedlungen und dörf-lichem Leben, doch wir fühlten unsbereit.

Es geht los

Im Oktober trafen wir uns alle in Je -rusalem wieder, motiviert und auf-geregt, und fuhren gemeinsamnach Kufr Qaddum in der nörd-lichen Westbank, einem kleinemDorf inmitten sanfter Hügel. Es warheiß und trocken. Die Anfangseu-phorie wurde gedämpft, als wir vomBürgermeister erfuhren, dass es

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olivenernte

Ernten für den Frieden?!Olivenernte in Palästina

Michaela Hofer

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vor erst keine Arbeit für uns gäbe.Die Erlaubnis zum Ernten in derNähe der Siedlungen würde erst ineiner Woche erteilt, davor erntendie Bauern abseits der Siedlungen,und da würde unsere Hilfe nicht be -nötigt. Schließlich waren wir keineErntehelferInnen, sondern politi-sche UnterstützerInnen. Im Laufeder Woche halfen wir aber dochimmer wieder auf den Feldern vonBauern und Bäuerinnen mit, dieüber jede arbeitende Hand froh wa -ren, nahmen an Aktionen teil undbeobachteten die Ereignisse beider wöchentlichen Demonstration.

So kamen wir schnell in Kontakt mitden Menschen. Die Gastfreund-schaft der PalästinenserInnen istgrenzenlos. Wir hörten viele Ge -schichten, v.a. Geschichten vongro ßen und kleinen Ungerechtig-keiten verschiedenster Art. Die Si -tuation der Menschen wurde unsallmählich klarer, wir erkannten dievielen Momente, wo die israelischeBesatzung das Leben der Men-schen täglich bestimmt und ein-schränkt.

Persönliche Herausforderungen

Neben dem allmählichen Realisie-ren der politischen Lage war unse-re Infrastruktur herausfordernd. Ineinem Saal über dem Rathaus ver-brachten wir unsere Zeit zu neuntim Matratzenlager, es gab keineDusche und kaum Rückzugsmög-lichkeiten. Selbst die schöne Dach-terrasse konnte nicht darüber hin-wegtäuschen, dass wir regelrechtaufeinander saßen. Denn wenn wirdas Haus verließen, erwartetenuns aufgeregte Kinderscharen, diefreudig hinter uns her liefen undwenigstens eine Reaktion von denseltsamen Fremden erleben woll-ten. So reizend das war, so an -strengend war es auch. Zudemkonnte die Aufregung leicht inAggression umschlagen, und dawurden schon mal Steine nach unsgeschmissen. Den Ort selbst zu

ver lassen war ebenfalls kein leich-tes Unterfangen. Zwar ist Nablusnicht weit vom Dorf entfernt, dochaufgrund der nahe gelegenenisraelischen Siedlung ist die direkteVerbindung gesperrt, die Umfah-rung ist kompliziert und langwierig.Am schwierigsten war aber wohl,alle Entscheidungen selbst treffenzu müssen, ohne über ausreichendInformationen zu verfügen, und kei-ne zuständige Ansprechperson zuhaben. Wir taten unser Bestes,aber die Situation zehrte an unse-ren Nerven und belastete uns zu -sätzlich.

Die Arbeit auf den Feldern wurderegelmäßig und tagefüllend. Die Ar -beit mit den Oliven ist schön, wennauch körperlich anstrengend. DieRuhe in den Olivenhainen, dieFreu de am gemeinsamen Tun, derStolz über die geleistete Arbeit, dasalles schien sowohl uns als auchden Familien gut zu tun. Umsoschockierender sind die Momente,in denen man mit der kalten Rea-lität konfrontiert wird. Wenn plötz-lich Soldaten dastehen und unge-fragt in unseren Taschen wühlen.Wenn uns Jugendliche in Uniformunter Hinweis auf die scheinbare„Military Zone“ des Feldes verwei-sen und uns zwingen, einen Bau-ern mit seiner alten Mutter direkt ander Siedlung zurückzulassen, woes in den Jahren zuvor bereitsÜbergriffe durch SiedlerInnen gab.Die Ohnmacht zu erleben, wennjunge SoldatInnen ihre Befehleaus führen, ohne zu realisieren, wieweit sie in das Leben der Men-schen eingreifen, es beschränken,sie demütigen, zur Verzweiflungbrin gen.

Doch auch die Auseinandersetzungmit den palästinensischen Freund -Innen war nicht immer leicht. DieReflexion über die eigene Situationverläuft immer über die Gegen-überstellung mit den Besatzern.Das ist nur zu verständlich, dennsie bestimmen ihr Leben. Doch

wichtige Fragen über das eigeneZusammenleben, über das eigeneHandeln, die eigenen Möglichkei-ten bleiben dabei ganz auf derStrecke. Fragen nach steine-schmeißenden Kindern auf De -monstrationen (für mich als Ju -gendsozialarbeiterin ein beunruhi-gendes Bild - wo werden die Kinderhineingezogen, welche Bewälti-gungsstrategien werden ihnen ver-mittelt, wie können sie die Angst,die Aufregung, die unbeantworte-ten Fragen verarbeiten?), Fragennach demokratischen Prozessen,Möglichkeiten der Versöhnung, pa -tri archalen Strukturen und antise-mitischen Ansichten und Äußerun-gen... sie alle wurden mit dem Hin-weis beantwortet: Wir haben keineWahl. Das ist Okkupation.

Ich habe nicht das Recht, die Wi -derstandskultur, die Art des Um -gangs mit dieser grenzenlosen Un -gerechtigkeit, ihr Leben unterschwierigsten Bedingungen zu ver -urteilen. Und doch ist es schwer, sovieles nicht zu verstehen, einfachak zeptieren zu müssen, hand-lungsunfähig zu sein. Ein Gefühlder Ohnmacht, wie es in Palästinaso stark verbreitet ist. Das Gefühl,dass doch alles sinnlos ist, nie-mand etwas tun kann, eine unsicht-bare Macht über allem, taucht zu -erst in Diskussionen auf, machtsich dann durch Magenschmerzenbemerkbar, führt schließlich zu Mü -digkeit, Gereiztheit, Traurigkeit undmitunter Aggression. Nach zweiWochen, zutiefst müde, stellte ichdie Frage, wie es sein kann, sich inso kurzer Zeit so ausgebrannt zufühlen. Eine Kollegin meinte: Du,wir alle, spüren die Okkupation.Mein Respekt gilt den Menschen,die dieses Gefühl jeden Tag ertra-gen, ganz besonders aber jenen,die dennoch Hoffnung haben undan einem Prozess in Richtung Frie-den arbeiten.

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Wir stehen jedoch vor einem neuenAnlauf zur Errichtung eines „bewaff-neten Friedens“, einem internationa-len Mo dell, dem eben sogar derFriedens nobelpreis verliehen wurde,bei dem die Idee der Sicherheit jenerdes Friedens übergeordnet wird,ausgehend von ei nem ständigenSäen von Unsicherheit in der Bevöl -kerung. Die Unsicherheit be gründetund fördert angesichts der wachsen-den Wehrlosigkeit der Bürgerin nenund Bürger ein großes Geschäft, dadiese, um „Sicherheit“ nach militäri-schen Vorstellungen zu bekommen,auf alle ih re Rechte und Garantienverzichten, die in Jahrhunderten er -rungen worden sind. Es handelt sichum eine „tödliche Falle“, auf derGrundlage eines zweifachen Para -doxons: Dem Reden vom Frieden,um den Krieg fortführen zu können,und der Bitte um Sicherheit, die anden ge richtet werden soll, der dieUnsicherheit schürt.

Aber Friede ist in den besten Tradi -tionen der menschlichen Species im -mer mit der Gerechtigkeit verbundenund kann ohne diese nicht bestehen.

Am 10. Oktober protestierte eine be -merkenswerte Grup pe von Mütternvon Verschwundenen mit einer radi-kalen und originellen gewaltfreienAktion vor dem Innenministerium, in -dem sie ihre Körper langsam undvollständig in grobes, schwarzesGarn wickelten, mit dem Ziel, selbstzu spüren und auch weiterzuvermit-teln, was es bedeutet, wenn ein Kör -per der unter uns ist, plötzlich nichtmehr da ist … verschwindet. Diesersymbolische Akt vermag es, indenen, die ihn durchführen oderdavon Zeugen sind, in einem ge -wissen Maß das brutale Gefühl derLee re und des Schmerzes entste-hen zu lassen, das das Verschwin -den einer Person hinterlässt.

Die Protestaktion sollte die Ergeb -nisse des eineinhalb Jahre dauern-den Dialo ges öffentlich machen, dendie „Bewe gung für Frieden mit Ge -rechtigkeit und Würde“ (MPJD) mitder Regierung ge führt hatte. Die Op -fer bewerteten sie als nicht gegeben:Keine Verschwundenen, die wieder-gefunden wurden. Keine Ver urteilungder Ermordungen, keine An nahme

des „Allgemeinen Opfer ge set zes“(„Ley General de Victimas“3). KeineErgebnisse der Arbeit von Provícti -ma4, keine Änderung des Modellsdes „Krieges für die öffentliche Si -cher heit“, keines der Anliegen derindigenen Völ ker erfüllt (jetzt geradegeht die Regie rung von Morelos(Anm. mexikanischer Bundesstaat)of fensiv gegen die Ge meinde Hue -xca vor, die auch Teil der „Karawanedurch die USA“ war5), und auch keinErgebnis hinsichtlich Gerech tigkeitfür die unmittelbaren Opfer, die imMPJD mitgewirkt hatten: Die Ermor -deten Pedro Leyva und Trinidad dela Cruz aus Ostula; NepomucenoMoreno aus Sono ra, die Verschwun -denen Eva Alarcón und Marcial Bau -tista aus dem Petatlán-Gebirge inGuerrero sowie der politische Ge -fangene Alberto Patishtán in Chia -pas.

In jüngster Zeit, am 2. Oktober, ha -ben die StudentInnen von „Ich bin132“ („Yo soy 132“) ein weiteres Bei -spiel gegeben, wie der Kampf ge -führt werden kann: Sie haben unsgezeigt, was es bedeutet, nicht mit

Gewaltfreiheit in Lateinamerika

Spinnrad IV / 2012 16/i

Mexiko: Vor dem Frieden – Gerechtigkeit!

Wir erleben in Mexiko wieder einmal wie die Staatsmacht ein zentrales Konzept der Geschich tejedes Volkes usurpiert – den Frieden. Das ist um so verwerflicher, weil wir gerade von einem Kriegzerrissen werden – einem „Krieg der massiven Auslöschung“ (mit 60.000 Toten, 10.000 Verschwun -denen und Hunderttausenden von Vertriebenen innerhalb von vier Jahren), einem „Krieg der selek-tiven Auslöschung“(letztes Beispiel dafür: der brutale Mord an den barzonistischen Aktivisten IsmaelSolorio und Manuela Solís1, die gegen ein kanadisches Bergbauunternehmen aufgetreten waren2,an einer Autobahn in Chihuahua), einem „Krieg gegen die Zivilbevölkerung“, denn dieser Krieggeht in differenzierter Weise quer durch die ganze Bevölkerung und alle Gebiete des Landes mitGewalt, Vertreibung und Sklavenarbeit. Das Wort Friede wird von der Staatsmacht zu nehmend alsinhaltsleeres politisches Schlagwort verwendet, man scheut sich in der Abgeordne tenkammer nicht,Johan Galtung (eine internationale Autorität in der Friedensthematik) für sich in An spruch zu neh-men. Und immer öfter bringt man Frieden in Verbindung mit dem Begriff des „Bürgersinns“ (ciuda-danía), der zweiten Speerspitze des kriegerischen Pakets, dessen man sich be dient.

1 El Barzón: eine Bewegung von kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Produzenten/innen, welche seit Jahrzehnten die Rechte

vor allem der verschuldeten Landwirte gegenüber Banken und Staat vertritt. In ihr gibt es zwei Richtungen, von denen die eine inner-

halb der korporativistisch verfassten und neoliberal agierenden „Fast-immer und-nun-wieder-Regierungspartei“ PRI aktiv ist, während

die andere, eher links orientierte der oppositionellen PRD nahe steht. http://en.wikipedia.org/wiki/El_Barzon2 Im konkreten Fall kämpften sie für die durch den Bergbau bedrohte Wasserversorgung für ihren Ejido (Bauerngemeinschaft).3 http://movimientoporlapaz.mx/wp-content/uploads/2012/04/LeyGrlVictimas.pdf. Der Gesetzesantrag sieht Schutz, Rechtsberatung

und Entschädigung der Opfer vor. Das Gesetz wurde von Abgeordnetenkammer und Senat approbiert, seine Umsetzung scheitert

am Veto des abgehenden Präsidenten Calderón, der einen eigenen Antrag eingebracht hat. http://www.proceso.com.mx/?p=3203224 Einer per Dekret geschaffenen staatlichen Einrichtung zur Unterstützung der Opfer.5 Die Gemeinde befindet sich im Widerstand gegen das Großprojekt eines Wärmekraftwerks und einer Gasleitung.

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dem Krieg gemeinsame Sache zumachen, das heißt, die Ungerechtig -keit der Arbeitsgesetze und der Prä -sidentschaftswahl nicht als „normal“durchgehen zu lassen, indem sieaktive Streiks mit Reflexion und Ak -tionen an ihren Studienorten durch-führten, um gegen den Krieg und füreinen Frieden mit Gerechtig keit zukämpfen.

Es scheint uns nun sehr wichtig, einBewusstsein dafür zu entwickeln,wie manipulativ die Macht vorgeht,wenn sie der Zivilgesellschaft den

Begriff des Friedens entreißt, um ihnseines unaufgebbaren Gerechtig -keitsgehalts zu berauben, ohne dener seinen Sinn verliert, gerade in ei -nem Land mit 98% Straflosigkeit. Daher schlagen wir vor, nicht mehrso viel von Frieden zu sprechen,son dern viel mehr von sofortiger Ge -rechtigkeit, dass die Verschwunde -nen auftauchen, dass Friede, Wür -de und Wahrheit für die Toten ge -schaffen wird und dass der Kriegendlich aufhört!Pietro Ameglio

La Jornada-Morelos

Pietro Ameglioist Historiker mit Tätigkeit an Uni -versitäten in Cuerna vaca und Mexi-co D.F. (UNAM), Mitgründer vonSERPAJ-México und Koordina torvon SERPAJ-Morelos, aktiver Mitar -bei ter des „Movimiento por la Pazcon Justic ia y Dignidad“ in „Ca rava-nas“, „Jorna das“, usw. - und ei nigenvon uns im ös terreichischen Versöh-nungsbund seit langem freund -schaftlich verbunden.Übersetzung und Kommentare: Roland Bangerter undPeter Pober-Lawatsch

Gewaltfreiheit in Lateinamerika

17/ii Spinnrad IV / 2012

Instrumente der Friedens -arbeit in Mexiko

Karawanen: Die erste „Karawane“ der Bewegungfür Friede in Gerechtigkeit und Wür -de (MPJD) formierte sich im Juni2011 auf Initiative des SchriftstellersJavier Sicilia, dessen Sohn imschmutzigen „Anti-Drogenkrieg“ er -mordet worden war. Einige hundertfür den Frieden engagierte Perso -nen fahren zu Aktionen an verschie-dene Brennpunkte offener oderstruktureller Gewalt und bringen inGe mein schaft mit lokalen AktivistIn -nen ihre Ablehnung dieses Kriegeszum Aus druck, aber auch die Hoff -nung auf ein friedliches und gerech-tes Me xiko und Frieden für alle, diein irgendeiner Weise vom Drogen -krieg und dessen unaufgearbeitetenHintergrün den betroffen sind. Siesammeln Zeugnisse von Gewalt,Unrecht und Widerstand, greifen An -liegen be drängter Gruppen im gan -zen Land auf und führen diese zu ei -nem Ver ständnis von Gemeinsam -keit und er forderlicher Solidari tät zu -sammen1:Das reicht von der Bedrohung desRechts auf Wasser und umweltzer-störenden Eingriffen übermächtigerBergbauinteressen über die Unter -drückung von MigrantInnen ausZen tralamerika und Mexiko auf ih -rem Weg in die USA bis zur Solidari -tät mit lokalen, oft indigenen Ge -meinden, die sich der Ausbeu tungdurch Kazi ken (lokalen Macht ha -bern) entgegenstellen, die ge decktdurch staatliche und paramilitäri-sche Gewalt agieren.

Die erste „Caravana del Consuelo“(Karawane des Trostes) führte im

Juni 2011 in das nördliche Mexiko,die zweite, im September 2011 als„Caravana del Sur“ in den Süden.Die dritte und längste „Caravan forPeace“ im September 2012 führtedurch die USA bis nach Washingtonmit Blick auf die vielfache Verstri -ckung der USA in den Antidrogen -krieg (insbesondere über den Waf -fen handel) und in die Diskriminie -rung von MigrantInnen2.

Jornadas:Sind Bedenk- und Aktionstage, andenen an bedeutsamen Orten Zei -chen gesetzt, Gespräche auch mitpolitischen Instanzen gesucht und /oder die Anliegen der Bewegungüber künstlerische Aktionen verbrei-tet und deutlich gemacht werden.Über eine solche Jornada in CiudadJuarez haben wir in einer früherenAusgabe dieser Zeitschrift berichtet- eine weitere beschloss die „Cara -van for Peace“ durch die USA vorder US-Botschaft in Mexiko-Stadt.

„Lauter Schrei“ und „weiter, stiller Ruf“:Der „Schrei“ hat in Lateinamerikaund besonders in Mexiko großeSymbolkraft. So ist der „Grito de losExcluidos“3 orientiert am biblischenBuch Exodus und ausgehend vonBrasilien eine jährliche lateinameri-kaweite Mobilisierung eines Netz -werks von „Ausgeschlossenen“. Die AktivistInnen in Mexiko folgendamit auch der Tradition des „Gritode Do lores“ von 1810 anlässlich desBe ginns des Kampfes um politischeUnabhängigkeit von Spanien, findenin ihrer Nationalhymne einen weite-ren Ansatzpunkt – „Mexikaner zumSchrei des Krieges…“ – und setzendiese Inspiration gewaltfrei um.

„Der lauteste Schrei“, „El Grito masfuerte“ nennt sich ein Kollektiv vonmehreren hundert KünstlerInnen,die mit verschiedenen Veranstaltun-gen in enger Zusammenarbeit mitdem MPJD den gewaltfreien Kampfun terstützen4. In einer ihrer Kampagnen – „In denSchuhen des / der Anderen“ – iden-tifizieren sie sich in über Youtubeverbreiteten Videos mit den Opferndes sogenannten „Kriegs gegen dieDrogen“.

Javier Sicilia, einer der bekanntenPro tagonisten der Bewegung, willsich nach den sichtbaren Anstren -gungen der öffentlichen Auftritte undder Karawanen für eine Zeit aus deröffentlichen Arbeit zurückziehen.

Jetzt geht es darum, in der Phasedes weiten, stillen Rufes das mittler-weile auch internationale Netzwerkzu stärken. Zahlreiche Netzwerk par -tner finden sich in den USA. Ein an -derer ist in Berlin die „Menschen -rechtskoordi nation Mexiko“, welchevon 30.11. bis 2.12.2012 gemein-sam mit der Hein rich-Böll-Stiftung ei-ne Tagung durchgeführt hat, die sichmit dem „Rechts staat Mexiko“ kri-tisch auseinandersetzt.5

1 http://movimientoporlapaz.mx/

2 www.globalexchange.org/mexico/carvan

3 www.gritodelosexcluidos.org/inicio

4 www.elgritomasfuerte.mx/El_grito_mas_fuerte/Inicio.html

5 www.rechtsstaat-mexiko.de/

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Christian: Gegenwärtig ist viel vonKrisen mit globalen Dimensionen dieRede – wir leben offensichtlich ineiner Zeit eines tiefgreifenden welt-weiten Umbruchs. Du versuchst indeiner Arbeit auf lokaler Ebene mitden Auswirkungen dieser Krisenumzugehen und auf der Basis derGewaltfreiheit neue Wege zu gehen.

Martha: Die Krisen, die wir gegen-wärtig durchleben, gehen weit überdas Materielle hinaus - sie haben diekulturelle und soziale Organisation,ja das menschliche Sein erfasst.Strukturelle Rahmenbedingungen,wie das gegenwärtige neoliberaleWirtschaftssystem führen zu tiefgrei-fenden Umbrüchen. Bei uns inEcuador hat die materielle Notlageviele zur Migration ins Auslandgeführt. Eine der Konsequenzen die-ser massiven Migrationsbewegungist, dass Familien zerbrochen sindund traditionelle Familienformen inAuflösung begriffen sind. Wir lebenheute in einer unübersehbaren Viel -falt von Beziehungsformen – so wer-den die zurückgebliebenen Kindervon Großeltern, von Geschwisternoder auch von Nachbarn erzogen.

Neben die materielle Armut tritt eineweitere Form von Armut: Armut alsMangel an Bewusstsein oder bes-ser: ein irregeleitetes Bewusstsein.Auch diese Armut wird durch dasherrschende System verstärkt, in -dem die Aufmerksamkeit der Men -schen in Richtung Konsumis musgelenkt und Wertvorstellungen per-vertiert werden. Die ecuadorianischeGesellschaft erlebt in der immer

größeren Anglei chung an westlicheOrganisations- und Arbeitsformen ei -ne Beschleuni gung. Der Umgang mitZeit wird ein anderer, von einem „zir-kulären“ Zeitverständnis zu ei nemlinearen - mit all den bekannten Aus -wirkungen wie Stress und Burn out.

All das merken wir auch lokal in mei-nem Wohnviertel Latarazana. Emi -grierte Väter, alleinerziehende Müt -ter, die gezwungen sind mehrerenBeschäftigungen nachzugehen, umdie Familie über Wasser halten zukönnen. Die Leidtragenden sindauch die Kinder, die ohne Familieaufwachsen, die nachmittags unbe-treut bleiben.Auf diese Weise erlebe ich die Ver -schränkung krisenhafter globalerEntwicklungen und sehe die Heraus -forderung, auf lokaler Ebene zurEntwicklung eines Bewusstseins derMitverantwortung und zur Ermächti -gung beizutragen.

Christian: Eure Arbeit „Gotitas de

ternura Tröpfelchen der Zärtlichkeit“– Lern- und Freizeitbetreuung mitKindern und Jugendlichen setzt andieser krisenhaften Situation an undnimmt sie zum Ausgangspunkt füreinen autonomen Entwicklungspro -zess.

Martha: In Ecuador hat sich in denvergangenen Jahren eine starkeKinder- und Jugendrechtsbewegungentwickelt. An vielen Orten sind Akti -vitäten entstanden, die sich zum Zielgesetzt haben, die Rechte der Kin -der und Jugendlichen zu stärkenund diese zu befähigen, sich aktiv ankommunalen und sozialen Prozes -sen gestaltend einzubringen. Indi -rekt werden dadurch natürlich auchdie Eltern erreicht.

Christian: Unterstützt werdet ihru.a. von österreichischen PartnerIn -nen wie der Erklärung von Graz.Welche Veränderungen habt Ihrerreicht?

Martha: Wir haben heute Jugend -liche, die fähig geworden sind, sichauszudrücken, klar ihre Meinung zuartikulieren und auch zu vertreten,sich autonom zu organisieren ohneBevormundung, bis zu dem Maß,dass sie selbst neue Strukturen undSelbstverwaltungsformen entwickeln.

Die Aktivitäten werden durch diesenBeteiligungsprozess verändert undmit den Vorschlägen und Forderun -gen der Kinder und Jugendlichenweiterentwickelt. Aber auch in denFamilien finden Veränderungenstatt: Kinder und Jugendliche sind

Gewaltfreiheit in Lateinamerika

Spinnrad IV / 2012 18/iii

„Sie sprechen jetzt, wo sie früher nur geschwiegen hätten“

Interview mit Martha Bonilla

zur Kinder- und Jugendrechtsarbeit in Ecuador

Martha Bonilla arbeitet seit vielen Jahren in der ecuadorianischen Kinder- und Jugendrechts -bewegung. Sie ist auch Mitglied der Arche-Gemeinschaft von Lanza del Vasto. Anlässlich desGeneralkapitels der Gemeinschaft im August kam sie für einen längeren Aufenthalt nach Europa. InWien nahm Martha am interkulturellen Workshop „Gemeinsam für benachteiligte Kinder &Jugendliche“ teil, der vom Lateinamerika-Komitee gemeinsam mit dem Referat für Mission undEntwicklung der Erzdiözese Wien veranstaltet wurde. Christian Zettl führte das folgende Gesprächmit ihr.

Unermüdlich für Gewaltfreiheit und die

Rechte der Kinder: Martha Bonilla.

Foto: Christian Zettl

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fähig geworden, ihre Bedürfnisseund ihre Rechte zu artikulieren - siesprechen jetzt, wo sie früher nur ge -schwiegen hätten.

Christian: In welcher Weise ist dieGewaltfreiheit eine gestaltende Kraftin diesem Prozess?

Martha: Gleich zu Beginn unsererInitiative haben wir gemeinsam mitden Kindern und Jugendlichen Re -geln für ein gewaltfreies Miteinanderfestgelegt. Regeln, die von den Kin -dern und Jugendlichen - vor demHintergrund ihrer oft leidvollen Er -fahrungen - selbst formuliert wurden.Regeln, die sie selbst auch wirklichernst nehmen.

Eine dieser einfachen Grundsätzefür unser Zusammenleben lautet:Buben wie Mädchen sind fähig denTisch zu decken, abzuräumen undabzuwaschen. In der alltäglichenPraxis üben die Kinder so neueRollenbilder und Mitverantwortungein, indem sie miteinander für dieSauberkeit in den Räumen sorgen,die wir benutzen.

Ein weiter Punkt ist, wie Konfliktegelöst werden – in einer Kultur, inder den Kindern und Jugendlichenmedial und real ständig vorgeführtwird, dass Konflikte mit Gewalt ge -löst werden, versuchen wir mit ihnenandere Wege kennenzulernen undzu erproben: Mit Worten eigene Be -dürfnisse und Empfindungen auszu-drücken, zuzuhören, und wenn nötigeinen Dritten beizuziehen zur Ver -mittlung, Eskalationen zu vermeidenund statt Drohungen und Vorwürfezu äußern, konkrete Lösungsvor -schläge für Probleme zu erarbeiten.

Christian: Wenn es In den Familienviel Gewalt gibt, Ist es euch gelun-gen, mit eurer pädagogischen Arbeitin die Familien hineinzuwirken?

Martha: Für uns war zunächst wich-tig, Vertrauen zueinander aufzubau-en, Beziehungen und Freundschaf -ten wachsen zu lassen. Auch eineSeite der „Krise“ ist die gegenseitigeEntfremdung, die Individualisierung

und Entsolidarisierung. Durch diegelebte Beziehung sind Räume fürBewusstseinsbildung entstanden.Wir mussten natürlich auch gewisseklassische Vorstellungen von Bil -dungsarbeit mit den Erwachsenenvergessen – etwa jene, dass Bildungin Schulräumen stattfindet, in denenalle - regelmäßig, motiviert und„brav“ dasitzend - erscheinen. Dasspielt es bei uns nicht.

Dagegen nahmen wir das, was denMenschen vertraut ist, wo sie gernehingehen, etwa die populären Fies -tas und brachten dort Inhalte ein.Genau so bei der Konfliktlösung:Diese wird nicht theoretisch und for-malisiert vermittelt, sondern im kon-kreten Konfliktfall. Wenn ein solcherin der Familie auftritt und wir gerufenwerden, sind wir da. Dort geschiehtdann die „Bildung“: Im Finden einesLösungsweges in der konkretenSituation.

Christian: Im Workshop in Wienging es um das Thema, wie Kinder-und Jugendarbeit, wie ihr sie be -treibt, zu einem gemeinsamen Lern -prozess mit jungen Freiwilligen ausdem Ausland werden kann. Im Rah -men von Volontariaten in den Ein -richtungen der Don Bosco Sale -sianer in Ecuador konnten bereitsviele junge ÖsterreicherInnen neueErfahrungen sammeln und einenBeitrag leisten. Einige von ihnennahmen auch an dem Workshop teil.

Martha: In diesen Volontariaten er -öffnet sich eine großartige Gelegen -heit des Miteinanders: Sowohl fürdie, die nach Ecuador gehen undsich auf eine neue Erfahrung einlas-

sen, wie auch für die Jugendlichenvor Ort. Beide können voneinanderlernen. Im Workshop ist für michdeutlich geworden, dass die Jugend -lichen, die nach so einer Erfahrungnach Österreich zurückkehren, nichtmehr die sind, die sie waren, als sievon hier aufbrachen. Eine neue,umfassendere Sichtweise hat sichihnen eröffnet.Die Erfahrungen im Ausland stellenManches in Frage: Die Ungleichheitder Chancen so direkt zu spüren, zuerfahren wie Wohlstand und KomfortVerhaltensweisen und Haltungenprägt. Zu merken, dass Wissen nichtalles ist, dass es da noch anderesgibt, was etwa in der sehr lebhaftenund emotionalen Latino-Kultur zumAusdruck kommt.

Ich fände es erstrebenswert, auch fürecuadorianische Jugendliche die seMöglichkeit eines solchen Mit lebensin Österreich zu schaffen. Ein solcherAustausch könnte dazu beitragen,sich der eigenen Kultur, der eigenenWerte bewusster zu werden und sichgleichzeitig einer anderen Weise zuöffnen, die Dinge zu sehen und zu le -ben. Wenn damit gegenseitige Ach -tung und Toleranz wächst, sind wirauf dem Weg einer neuen Kultur desgewaltfreien Miteinan ders.

Gewaltfreiheit in Lateinamerika

19/iv Spinnrad IV / 2012

*** *** *** *** Kontakt: Lateinamerika-Komitee des Versöhnungsbundes: E-Mail: [email protected]: PSK,BLZ 60000, Kontonr.: 1.155.002

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Martha Bonilla: *1948 in Ambato / Ecuador, Anthropologin, langjährige Mitarbei -terin in der Diözese Riobamba unterBischof Leonidas Proaño („Bischofder Indios“), Mitarbeit in zahlreichenemanzipatorischen Projekten mitFrau en, Indigenas, Jugendlichenund Kin dern, Mitarbeit im Aufbauder ecuadorianischen Kinderrechts -be wegung. Lebt und arbeitet ineinem Randviertel der An denstadtRiobam ba.

Lernprozess: Auch Buben können

putzen! Foto: M.artha Bonilla.

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Page 20: Es gibt keinen Weg zum Frieden, Frieden ist der Weg. · 2016. 9. 2. · Mahatma Gandhi 6602_12_Spinnrad4_12_Umschlag_wd_Spinnrad4_05_Umschlag1.qxd 10.12.2012 16:08 Seite 3. ... Gandhi

Wer nicht an die Möglichkeit eines dauerhaften Friedens glaubt,glaubt nicht an die Göttlichkeit der menschlichen Natur ... Würdenanerkannte Führer der Menschheit, die staatliche Zer stö rungs -maschinen lenken, im vollen Bewusstsein der Folgen gänzlich aufihren Einsatz verzichten, so könnte ein dauerhafter Friede erreichtwerden. Das ist selbstverständlich unmöglich, solange die großenWeltmächte nicht ihre imperialistischen Pläne aufgeben. Daswiederum scheint unmöglich, solange die großen Nationen nichtaufhören, an den seelenzerstörenden Wettbewerb zu glaubensowie danach zu trachten, die Bedürfnisse zu vervielfältigen undfolglich ihre materiellen Besitztümer zu vermehren. Die Wurzel desBösen, davon bin ich überzeugt, ist der Mangel an lebendigemGlauben an einen lebendigen Gott. Es ist eine menschliche Tra -gödie erster Klasse, dass die Völker der Erde, die den Ansprucherheben, an die Botschaft Jesu zu glauben, den sie als Friedens -fürsten beschreiben, in ihrer konkreten Praxis wenig von diesemGlauben erkennen lassen...

Mahatma Gandhi

Haridschan, 16. 5. 1936

DVR 0583031

Zulassungsnummer:

GZ 02Z032555M

P.b.b.

Erscheinungsort: Wien

Verlagspostamt: 1080 Wien

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