ETH Bulletin 289 03 66 UG3 · WASSERHAUSHALT IM YANQI-BECKEN Philip Brunner 18_ Interessenkonflikt...

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BULLETIN Schutzgebühr Fr.12.– MAGAZIN DER EIDGENÖSSISCHEN TECHNISCHEN HOCHSCHULE ZÜRICH WASSER – GUT OHNE GRENZEN? GLOBALE WASSERRESSOURCEN WIRD WASSER KNAPP? BERGE ALS SÜSSWASSERQUELLE GEBIRGSWASSER IM KLIMAWANDEL MASSENBEWEGUNGEN WENN WASSER DIE ERDE INS RUTSCHEN BRINGT TRINKWASSER IN DER SCHWEIZ EIN ALLTÄGLICHES GUT Nummer 289 Mai 2003

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BULLETINSchutzgebühr Fr. 12.–

M AG A Z I N D E R E I D G E N Ö S S I S C H E N T E C H N I S C H E N H O C H S C H U L E Z Ü R I C H

WA S S E R – G U T O H N E G R E N Z E N ?G LO B A L E WA S S E R R E S S O U R C E N

W I R D WA S S E R K N A P P ?

B E R G E A LS S Ü S SWA S S E R Q U E L L E

G E B I R G SWA S S E R I M K L I M AWA N D E L

M A S S E N B E W E G U N G E N

W E N N WA S S E R D I E E R D E I N S R U T S C H E N B R I N G T

T R I N K WA S S E R I N D E R S C H W E I Z

E I N A L LTÄG L I C H E S G U T

Nummer 289 Mai 2003

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IMPRESSUM:

HERAUSGEBERIN: Schulleitung der ETH Zürich

REDAKTION: Lic. phil. I Martina Märki-Koepp (mm), RedaktionsleitungVanja Lichtensteiger-Cucak (vac), En brefRoman Klingler, Alumni AktuellCorporate Communications der ETH Zürich ETH Zentrum, 8092 ZürichTel. 01-632 42 52 Fax 01-632 35 25

INSERATE: Go! Uni-Werbung, Rosenheimstr. 129008 St. Gallen, Tel. 071-244 10 10

GESTALTUNG: inform, Zürich

DRUCK: NZZ Fretz AG, Zürich

AUFLAGE: Erscheint 4-mal jährlichAuflage dieser Ausgabe 26 000

Nachdruck mit Quellenangabe erwünscht. Die nächste Ausgabe, Nr. 290, zum Thema «Universum» erscheint im August 2003.Bulletin ist auch abrufbar unter: http://www.cc.ethz.ch/bulletin/

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16_ Globale WasserressourcenW I R D WA S S E R K N A P P ?

Wolfgang Kinzelbach

10_ GrundwasserK N A P P E R E S S O U R C E I M N Ö R D L I C H E N A F R I K A

Tobias Siegfried

14_ Bewässerungswirtschaft und VersalzungWA S S E R H AU S H A LT I M YA N Q I - B E C K E N

Philip Brunner

18_ Interessenkonflikt um ein NaturwunderN AC H H A LT I G E N U T Z U N G D E S O K AVA N G O - D E LTA S

Peter Bauer

22_ Hochwasser als PhänomenWA H R N E H M U N G U N D D I F F E R E N Z I E R U N G

Dietmar Grebner und Joachim Gurtz

26_ Hochwasser in EuropaG R E N Z Ü B E R S C H R E I T E N D EZ U S A M M E N A R B E I T N OT W E N D I G

Paolo Burlando

30_ Berge als SüsswasserquelleG E B I R G SWA S S E R I M K L I M AWA N D E L

Paolo Burlando

36_ MassenbewegungenW E N N WA S S E R D I E E R D E I N S R U T S C H E N B R I N G T

Sarah Springman und Lukas Arenson

40_Trinkwasser in der SchweizE I N A L LTÄG L I C H E S G U T

Urs von Gunten

46_Chemische SpurensucheN E U E V E R U N R E I N I G U N G E N I N A B WA S S E R U N D G E WÄ S S E R N

Walter Giger, Alfredo C. Alder, Eva M. Golet,Hans-Peter E. Kohler, Christa S. McArdell, Eva Molnar und Christian Schaffner

50_ Umweltarchiv WasserWA S S E R I M S P I E G E L D E S K L I M A S

Rolf Kipfer und Martin Frank

54_ En brefE R E I G N I S S E A N D E R E T H

66_Alumni Aktuell

I N H A LT

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Die Erde ist derzeit der einzige Planet unseres Sonnensystems, auf dem Wasser in flüssiger Form vorhanden ist.

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Wer kennt sie nicht, die Worte der Genesis: «Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.Die Erde war wüst und leer, Finsternis lag über der Urflut, und der Geist Gottes schwebte überden Wassern...» Die Genesis der Bibel ist nicht der einzige Schöpfungsmythos, der durch diegrenzenlose Ungeformtheit des Wassers inspiriert wurde und der den Ursprung des Lebens imWasser ortet. Ganz ähnlich beginnt zum Beispiel der Schöpfungsmythos der Maya in ihrer hei-ligen Schrift Popol Vuh: «Noch war der Erde Antlitz nicht enthüllt. Nur das sanfte Meer war daund des Himmels weiter Raum. Noch war nichts verbunden. Nichts gab Laut, nichts bewegte,nichts erschütterte, nichts brach des Himmels Schweigen. Noch gab es nichts Aufrechtes. Nurdie ruhenden Wasser, das sanfte Meer, einsam und still. Nichts anderes. Unbeweglich undstumm war die Nacht, die Finsternis. Aber im Wasser umflossen von Licht, waren diese: Tzakol,der Schöpfer, Bitol, der Former, der Sieger Tepeu und die Grünfederschlange Gucumatz...»

Doch wie kam das Wasser auf den Blauen Planeten? Die Wissenschaft nimmt an, dass vor etwa4,6 Milliarden Jahren eine erste Atmosphäre entstanden ist, die aber infolge starker Tempera-turzunahme durch Konzentration von radioaktiven Elementen und Meteoriteneinschlägenschnell wieder verdampft ist. Erst die anschliessende Abkühlung auf unter 100 Grad C erlaubteeine zweite Atmosphäre mit Wasserdampf, entstanden als vulkanisches Ausgasungsproduktvor etwa 4 Milliarden Jahren. In der Folgezeit sind dann durch Ausregnen die Ozeane entstan-den.

Die Erde ist der einzige Planet unseres Sonnensystems, auf dem Wasser in flüssiger Form vor-handen ist. Tatsächlich ist die Erde zu 70 Prozent mit Wasser bedeckt. Darum wird sie auch derBlaue Planet genannt. Der grösste Teil der riesigen Wassermenge schwappt allerdings in denOzeanen und ist salzig. Nur etwa drei Prozent sind Süßwasser. Davon sind zwei Drittel in denGletschern und Eisbergen gefroren. Der Rest des Süßwassers fließt in Flüssen und Seen oder istals Grundwasser unter der Erde versteckt – und wie die meisten Güter dieser Erde höchst un-gleichmässig verteilt. Die erneuerbare Wassermenge pro Person und Jahr wird häufig als Massder Wasserverfügbarkeit verwendet. In der Schweiz beträgt die erneuerbare Wassermenge proPerson und Jahr beispielsweise 6520 m3, in Algerien 770 m3, in Saudi-Arabien 160 m3. In Ländernmit erneuerbaren Wassermengen von unter 1700 m3 herrscht bereits Wasserknappheit. Unter1000 m3 besteht eigentlicher Wassermangel.ETH-Forschende befassen sich mit beidem: mit dem nachhaltigen Umgang mit Wassermangelund Wasserüberfluss. Und sie tun dies nicht nur theoretisch, sondern in ganz konkreten lokalenund internationalen Projekten auf der ganzen Welt. Denn Wasser kennt zwar keine Grenzen,aber es ist kein grenzenloses Gut.

Martina Märki-KoeppRedaktorin ETH-Bulletin

WA S S E R F Ü R D E N B L AU E NP L A N E T E NM A RT I N A M Ä R K I - KO E P P

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G LO B A L E WA S S E R R E S S O U R C E N

W I R D WA S S E R K N A P P ?WO L F G A N G K I N Z E L B AC H

In der Presse werden Kriege ums Wasser heraufbeschworen,die UNO ruft 2003 zum Jahr des Süsswassers aus,internationale Konferenzen zu Wasserfragen häufen sich.Wird Wasser tatsächlich knapp?

Ein Blick auf die Wasserbilanz unserer Erde(Abb. 1) zeigt die Grösse der erneuerbarenRessource. Der Kreislauf wird angetriebendurch den Niederschlag: Auf die Landmasseder Erde fallen jährlich von neuem rund 110 000 km3 Wasser. Der grösste Verbrau-cher von Süsswasser ist die natürliche Ve-getation, die fast die Hälfte davon durchEvapotranspiration in Wasserdampf über-führt. Aber schon in vergleichbarer Grössen-ordnung liegt mit 18 000 km3 pro Jahr dieEvapotranspiration durch den Trockenfeld-bau. Die Menschheit und die Natur stehenalso in Konkurrenz um die Wasserressour-cen der Erde.

In der Analyse der Situation ist es zweck-mässig, Wasserressourcen nach Vorrat undjährlicher Erneuerungsrate zu unterschei-den. Die Oberflächenwasserressourcen sindvom Volumen her mit rund 100 000 km3 re-lativ klein, ihre Erneuerungsrate von 40 000km3/Jahr ist dagegen sehr gross. Die mitt-lere Verweilzeit eines Wassertropfens imOberflächenwasser beträgt nur 2,5 Jahre.Bei den Grundwasserressourcen ist es ge-rade umgekehrt. Sie stellen mit rund 10 000 000 km3 ein sehr grosses Reservoirdar, das mit einer Rate von 3000 km3/Jahrnur sehr langsam, nämlich im Mittel alle33 000 Jahre, erneuert wird. Grundlage fürdie nachhaltige Bewirtschaftung muss diejährlich wiederkehrende Erneuerungsratesein, während der Vorrat nur zum Ausgleichvon zeitlichen Schwankungen dienen sollte.

Die von der Erdoberfläche ablaufenden unddem Menschen in Fliessgewässern, Seenund Grundwasserleitern zugänglichen Süss-wasserressourcen betragen 13 000 km3/Jahr,von denen wir derzeit etwa ein Drittel nut-zen. Wie kann man da von Wasserknappheitund Krise sprechen?

Lokal statt global

Die globalen Zahlen sind irreführend. Siegeben Mittelwerte über die Erde an. Sie ver-schleiern die Probleme, indem sie die Dürreeiner Region gegen die Überschwemmungin einer anderen aufrechnen. Die UNO defi-niert 1000 m3 pro Person und Jahr als dieGrenze, unterhalb der Wassermangel be-steht. Diese Zahl umfasst den Pro-Kopf-Mindestwasserbedarf für alle menschli-chen Aktivitäten in Haushalt, Ackerbau undIndustrie. Akzeptiert man diese Definition,so leiden heute rund 500 Mio. Menschenweltweit an Wassermangel. Im Jahr 2025werden es wahrscheinlich schon 3 Milliar-den sein. Wasser muss also regional be-trachtet werden, will man die Problemesachgerecht analysieren.

Eine Verknappung der regionalen Ressour-cen kann durch das Bevölkerungswachs-tum, das voraussichtlich noch bis Mitte desJahrhunderts anhalten wird, durch Miss-wirtschaft und durch Klimaveränderungenausgelöst werden.

Bewässerungswasser und Trinkwasser

Vergleicht man den Preis von Wasser (z. B.5 Franken pro m3 für Trinkwasser oder 0,01Franken pro m3 für Bewässerungswasser)mit dem Preis für 1 m3 Benzin (1500 Fran-ken) oder 1 m3 Bier (4000 Franken), so wirdklar, dass es eine Wasserkrise nicht im glei-chen Sinne wie eine Ölkrise geben kann.Wasser ist zu billig, um ein global gehan-deltes Gut zu sein. Trotzdem gibt es eineMöglichkeit, wie Wasserknappheit zu ei-nem globalen Problem werden kann. Dazumuss man sehen, dass rund 70% des ge-samten Süsswasserbedarfs auf die Bewäs-serungslandwirtschaft entfallen. Wirklichgetrunken wird nur ein sehr geringer Anteilvon weniger als 2 Promille. BewässerteLandwirtschaft ist für die Nahrungsversor-gung entscheidend, da sie 2- bis 3-mal so er-tragreich ist wie der Trockenfeldbau. Trotzder anteilsmässig wesentlich kleinerenFläche erzeugt die bewässerte Landwirt-schaft fast die Hälfte der weltweiten Nah-rung.

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Abb. 1: Globale terrestrische Wasserbilanz.

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Die Erde ist zu 70% mit Wasser bedeckt. Nur etwa 2,5% des Wassers auf der Erde sind Süsswasser und davon ist nur etwa 1/3zugänglich.

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Für die Erzeugung von 1 Tonne Getreide wer-den 1000–2000 Tonnen Wasser benötigt.Getreide ist also konzentriertes Wasser.Und für Getreide gibt es einen Weltmarkt,über den Wasser zum globalen Problemwerden kann. Bis 2050 wird mit rund 3 Mrd.zusätzlichen Menschen auf dem Planetengerechnet. Um sie zu ernähren, ist bei her-kömmlicher Technik eine Erweiterung derbewässerten Landwirtschaftsfläche um60% erforderlich. Es gibt Optimisten, diedies ohne weiteres als machbar ansehen.Pessimisten hingegen warnen vor einerErnährungskrise und der damit verbunde-nen Migration. Wer recht hat, kann derzeitnoch nicht mit letzter Sicherheit gesagtwerden. Im Gegensatz dazu ist sicher, dassregionale Engpässe schon lange existierenund in Zukunft noch akuter werden. Dabeiist es durchaus vorstellbar, dass Konfliktpo-tenziale bis hin zu bewaffneten Auseinan-dersetzungen resultieren. Dies ist beispiels-weise an internationalen Flüssen wie demNil, Euphrat und Tigris und vielen anderender Fall, wo Oberlieger den UnterliegernWasser vorenthalten, indem sie es in Formvon Bewässerungswasser verdunsten lassen.

Das Trinkwasserproblem ist im Vergleichzum Bewässerungswasserproblem von der

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Abb. 2: Bewässerungsanlagen in der libyschen Wüste.

Prof. Wolfgang KinzelbachInstitut für Hydromechanik und Wasser-wirtschaft, Eidgenössische TechnischeHochschule Zürich

ForschungsinformationenDer Autor leitet die Professur Grund-wasser und Hydromechanik. Die Gruppebefasst sich mit Strömungs- und Trans-portprozessen in Aquiferen und Fliess-gewässern, numerischen Methoden fürderen Simulation und mit der Nach-haltigkeit im Umgang mit Wasserres-sourcen.

[email protected]://www.baug.ethz.ch/ihw/welcome.html

Heute leiden rund 500 Millionen Menschen weltweit unter Wassermangel. Im Jahr 2025 werden es 3 Milliarden sein.

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G R U N DWA S S E R

K N A P P E R E S S O U R C E I M N Ö R D L I C H E N A F R I K ATO B I A S S I E G F R I E D

Einst waren die Oasen der Sahara als Paradiesgärten bekannt.Doch die heutige Übernutzung der Grundwasservorräte durch die Anrainerstaaten gibt Anlass zur Sorge. Lösungen sind nicht nur ein hydrologisches, sondern auch ein politisches Problem.

Die Sahara, so unwirtlich und karg sieDurchreisenden erscheinen mag, ist äus-serst reich an einem Bodenschatz, einemGut, dessen drastischer Mangel den eigent-lichen Charakter jeder Wüste ausmacht –Wasser. Unter dem grossen östlichen undwestlichen Erg in Algerien und Tunesien so-wie der libyschen Hamada El Hamra befin-den sich enorme Grundwasservorkommen.Diese erstrecken sich über eine Fläche dop-pelt so gross wie Frankreich und enthaltenein Volumen, das schätzungsweise demzweitausendfachen Inhalt des Bodenseesentspricht. Eine substanzielle Einspeisungvon Wasser trat letztmals in den Pluvial-phasen des Pleistozäns auf. Die heutigeNeubildung von annähernd 30 m3/s ist hin-gegen bezogen auf die Fläche vernachläs-sigbar gering und nur lokal, am südlichenEnde des algerischen Atlas, relevant. DasNordwest-Sahara-Aquifer-System (NWSAS)ist deshalb im Wesentlichen eine nicht er-neuerbare, fossile Wasserreserve.

Misswirtschaft und neue Technologien

In den vorherrschenden ariden bis hyperari-den klimatischen Verhältnissen ermög-lichte einzig durch den Überdruck desGrundwassers selbsttätig aufsteigendeQuellschüttung das Bestehen von räumlichisolierten Ökosystemen. Im Laufe von Jahr-hunderten lernte der Mensch sich an dieschwierigen klimatischen Bedingungen an-zupassen und schuf so die zahlreichen, vonfrühen europäischen Forschungsreisendenals Paradiesgärten beschriebenen Oasen.Diese sind jedoch seit der Ankunft der Bohr-lochtechnologie, der Motorpumpe und dermit der Anwendung dieser neuen Förder-mittel einhergehenden Zentralisierung jeg-licher Entscheidungen bezüglich Ressour-cenallokation bedroht. Die Geschichtedavon reiht sich nahtlos in die Liste derBeispiele von Misswirtschaft an natürlichenRessourcen im zwanzigsten Jahrhundert ein.Unter dem Vorzeichen des postkolonialenDranges nach Selbstbestimmung und wirt-schaftlicher Entwicklung adoptierten diedrei Anrainerstaaten des NWSAS – Algerien,Libyen und Tunesien – ab den Sechzigerjah-ren des vergangenen Jahrhunderts eine Po-litik der landwirtschaftlichen Expansion.Damit verdreifachte sich über die letzten 50 Jahre hinweg die bewässerte landwirt-schaftliche Fläche. Das zusätzlich benötigteWasser wurde aus Tiefbrunnen gefördert,die im Jahr 2000 gesamthaft rund 150 m3/slieferten. Natürlich, und so wird oftmals ar-gumentiert, bestünde hier kein Grund zurSorge, würden doch die immensen Grund-wasserreserven auch bei Beschränkung aufden wirtschaftlich erschliessbaren Anteil

noch für weitere 600 Jahre reichen, selbstwenn in dieser Rechnung die für 2050 vonden drei Anrainerländern geschätzte maxi-male Nachfrage von 500 m3/s entnommenwürde. Wie das Beispiel der tunesischenNefzaoua-Oasen zeigt, ist eine solche Argu-mentation jedoch aus verschiedenen Grün-den falsch.

Fallender Grundwasserspiegel,zunehmende Versalzung

In diesem Gebiet intensiver Grundwasser-förderung hatte die verbreitete Abnahmeder natürlichen artesischen Quellschüttungaufgrund einer zunehmenden Druckspiegel-absenkung zur Folge, dass Wasser nun-mehr unter zusätzlicher Energie- resp. Kos-tenaufwendung durch Pumpen zur Verfü-gung gestellt werden musste. Zudemwurde mit den fallenden Grundwasserspie-geln ein stetiges Steigen der Salinität derWässer beobachtet. Einerseits kann eineVerschmutzung durch hochkonzentriertelandwirtschaftliche Drainagewässer, diemit dem fossilen Grundwasserträger auf-grund ungünstiger hydrogeologischer Ge-gebenheiten kurzgeschlossen sind, festge-stellt werden. Andererseits werden durchdie Druckveränderungen im oberen Grund-wasserleiter salzige Wässer aus tiefer lie-genden Schichten mobilisiert, deren Ver-schmutzungsfahnen die Brunnen errei-chen. Schlussendlich kann auch eine Konta-mination durch das hypersaline Wasser desnahe gelegenen Salzsees Chott El Djerid fürdie Zukunft nicht ausgeschlossen werden.Während im ungestörten Zustand Wasserzum tiefstgelegenen Punkt, dem Schott,

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floss, kehren die erhöhten Entnahmen nundas Grundwassergefälle zwischen Oase undSchott um. Die chronisch steigende Salz-fracht des auf die Felder ausgetragenenWassers fördert die Bodenversalzung inden Oasen und lässt in letzter Konsequenzdie Palmengärten absterben. In den semi-ariden bis ariden Ländern bedeutet alsoGrundwassermanagement, sofern es dennnachhaltig sein soll, immer auch Salzma-nagement.

Lokale Entscheidungen und interna-tionale Interessen

Den Planern stellt sich eine schwierige Auf-gabe. Einerseits müssen sie auf regionalerSystemebene denken und andererseitsfähig sein, lokale Gegebenheiten möglichstpräzise in Entscheidungsmodelle einzu-bauen. So kann man beispielsweise abschät-zen, dass in den tunesischen Nefzaoua-

Oasen allein aufgrund der forcierten regio-nalen Wasserentnahmen der Grundwasser-spiegel in 40 Jahren um 15 bis 20 Meterabgesenkt wurde. In diesem bezüglich Ver-salzung sensitiven Gebiet führt die Über-lagerung der lokalen mit der regionalenAbsenkung zu den erwähnten negativenKonsequenzen.Die regionalen Entscheidungen haben in-ternationalen Charakter. Entscheidungen inAlgerien und Libyen bezüglich der Nutzungder fossilen Wasserreserven betreffen bei-spielsweise auch Tunesien. Im Gegensatz zuFlüssen, welche eine Externalität im ökono-mischen Sinne ausschliesslich stromab-wärts weitergeben, breitet sich eine Druck-spiegelabsenkung im Laufe der Zeit in Formeines logarithmischen Trichters über denAquifer aus.Nur durch einen internationalen Austauschvon Daten bezüglich Pumphistorie und Wis-sen betreffend der Hydrogeologie kann diePlanung für die Zukunft erfolgreich ange-

gangen werden. Dieser Austausch ist mitdem auch von der Schweiz mitfinanziertenSASS-Projekt zwischen Algerien, Tunesienund Libyen erstmals in Gang gekommen.Unter dem Gesichtspunkt strikter Nachhal-tigkeit müsste eine Reduktion der Förde-rung auf das Niveau der Neubildung imBecken gefordert werden. Dies ist aber auspolitischen und soziokulturellen Überle-

Die erneuerbare Wassermenge pro Person und Jahr beträgt in der Schweiz 6520 m3, in Algerien 770 m3, in Saudi-Arabien 160 m3.Unter 1000 m3 herrscht Wassermangel.

Abb. 1: Lage und Erstreckung des Nordwest-Sahara-Aquifers (Pfeile kennzeichnen die heutigen Zu- und Abflüsse des Systems)

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gungen keine Lösung. Die Wasserwirtschaftmuss deshalb das Augenmerk auf die Ver-teilung der Förderung richten, im räumli-chen wie auch im zeitlichen Sinne. Wasserist eine mobile Ressource, der Boden hinge-gen nicht. Die aufgrund einer Sterilisierungvon kultivierten Böden notwendige Um-siedlung der landwirtschaftlichen Aktivitätkann in den meisten Fällen nur marginalnutzbare Böden erschliessen. Dies bedeu-tet, dass sich die laufende Forschung aufdie Formulierung alternativer Pumpstrate-gien unter Erhaltung der Bodenfruchtbar-keit konzentrieren sollte. Die Verbindungwissenschaftlicher Methoden aus denFachbereichen Hydrogeologie und Ökono-mie verspricht hier erfolgreich anzusetzen.Einerseits erlaubt die Modellierung derGrundwasserträger, die zukünftige System-entwicklung in Abhängigkeit von derPumpbelastung zu verstehen. Die Identifi-kation potenzieller künftiger Gefährdun-gen von Boden und Wasser in Zusammen-hang mit alternativen Allokationsstrate-gien ist somit gegeben. Werden nun al-ternative Strategien untersucht und miteinem monetären Aufwand gewichtet, sokönnen intertemporale Verteilungsmustererforscht werden, die aufgrund ihrer güns-tigeren Kostenfolge für Mensch und Um-welt interessant sind.Die Entwicklung dieser Kostenfolge, d.h. derSchattenpreise von Wasser, ist einerseitsabhängig von den Installationskosten so-wie der Fördertiefe an einem bestimmtenOrt und andererseits von den Transportkos-ten zu den Verbraucherzentren. Wird dieProblematik mittels einer intertemporalenOptimierungsaufgabe formuliert, so erfor-dert deren Lösung das Absuchen eines

hochdimensionalen Parameterraums. Heu-ristische Suchverfahren wie beispielsweisegenetische Algorithmen sind in der Lage,günstige Lösungen zu finden, welche sichdadurch auszeichnen, dass sie eine Konzen-tration der Förderung genauso wie derenhomogene Verteilung über das ganze Sys-tem bestrafen und eine Dynamik der ab-schnittweisen Verlagerung von Pumpsta-tionen weg von den Verbrauchern und intiefere Aquiferstockwerke vorschreiben.Da sich die Einzugsgebiete der Grundwas-serträger im vorliegenden Fall nicht mit denGrenzen der Nationalstaaten decken, sinddie aus einer solchen Lösung resultierendenImplikationen sorgfältig zu untersuchen.Diese beinhalten nämlich, dass einzelneParteien im Sinne eines übergeordnetenWohls teilweise darauf verzichten müssten,auf die Ressourcen zurückzugreifen. Kön-nen diese Verzichte nicht mittels Transfer-zahlungen entsprechend kompensiert wer-den, so bleiben die aus dieser Arbeitgewonnenen wissenschaftlichen Erkennt-nisse nur Spielerei. Erste Ergebnisse zeigennun, dass Strategien der optimalen Nut-zung den monetären Gesamtnutzen um12% steigern können. Dies mag als ernüch-ternd wenig erscheinen, stellt jedoch trotz-dem ein Gewicht dar, das in die Schale derpolitisch-ökonomischen Entscheidungsfin-dung zugunsten einer langfristig orientier-ten Strategie der umsichtigen Nutzung ge-worfen werden kann.

ForschungsinformationenPartner und Partnerinstitutionen:Prof. Rolf Kappel, NADEL, ETHZMadame Mounira Zammouri, EcoleSupérieure des Ingénieurs de l’Equipe-ment Rural de Medjez el Bab, Medjez elBab, TunesienProf. Mohamed Matoussi, Faculté desSciences Economiques et de Gestion,Tunis, TunesienDGRE, Direction Générale des Ressour-ces en Eau, Tunis, TunesienOSS/SASS, Observatoire du Sahara et duSahel, Tunis, TunesienMinistère des Ressources En Eau,Agence Nationale des Ressources Hy-drauliques, Algier, AlgerienWeitere Informationen über E-Mail:[email protected]

Abb. 2: Konzeptmodell des Aquifersystems (links) und berechnete Druckspiegelverteilung im unteren Aquiferstockwerk(Prognose für 2050) (rechts).

Tobias Siegfriedwissenschaftlicher Mitarbeiter am Institutfür Hydromechanik und Wasserwirtschaft(IHW) der ETH Zürich

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Bodenversalzung beeinträchtigt die Boden-produktivität. Im fortgeschrittenen Sta-dium wird das Pflanzenwachstum stark ge-hemmt und schliesslich unmöglich. Dernatürliche Versalzungsprozess kann durchdie Bewässerung stark beschleunigt wer-den. Der Prozess, der in der Menschheitsge-schichte schon sehr früh zu grossräumigenUmweltschäden geführt hat, ist grundsätz-lich einfach zu verstehen. Wird durch denLösungsinhalt des verdunstenden Bewässe-rungswassers mehr Salz in den Boden ein-getragen als natürliche und technische Drä-nagen entfernen können, so steigt der Salz-gehalt im Boden an. Versickerndes Bewäs-serungswasser lässt den Grundwasserspie-gel ansteigen. Die direkte Verdunstung vonGrundwasser durch den Boden nimmt mitabnehmendem Flurabstand, dem Abstandzwischen Geländeoberkante und Grund-wasserspiegel, zu. Das gelöste Salz bleibtim Oberboden zurück und akkumuliert sichüber die Jahre. Neben der direkten Beein-trächtigung des Pflanzenwachstums durchVerschiebung des osmotischen Gleichge-wichts kann eine erhöhte Salzkonzentra-tion im Bodenwasser auch zu einer Ände-rung der Gefügestruktur führen. Zum Bei-

spiel zerstört eine hohe Konzentration vonNatriumionen das Bodengefüge. Die gerin-gen Flurabstände führen natürlich nichtnur zu einer Versalzung der lokalen Bo-denressourcen. Abflüsse, welche diese Sys-teme drainieren, transportieren ebenfallseine erhöhte Salzfracht mit sich. Wird die-ses Wasser wiederum für die Bewässerungeingesetzt, so verschärfen sich die Versal-zungsprobleme im Unterstrom. Letztlichwerden Oberflächengewässer durch dieSalzausträge belastet. Die ökonomischenFolgekosten durch Ertragsminderung in-folge der Versalzung sind enorm, die sozia-len Konsequenzen für die betroffenen Ge-biete oft weitreichend.

Vollständig durch Menschen kon-trolliert

Die Landwirtschaft im Yanqi-Becken wurdevor 50 Jahren aufgrund des zunehmendenBevölkerungsdrucks aufgenommen. Die in-tensive Bewässerung ermöglicht die Her-stellung einer breiten Palette von Agrarpro-dukten, darunter Baumwolle, Wassermelo-nen und Chili. Das Yanqi-Becken, das auf-

grund des geringen Niederschlags von 50 mm/a keinen Trockenfeldbau zulässt,gehört dank der Bewässerung zu einem derproduktivsten Gebiete in der Provinz Xinji-ang. Bewässert wird mit Flusswasser; derKaidu führt Wasser guter Qualität und inausreichender Quantität das ganze Jahrüber. Ohne Bewässerung wäre im Yanqi-Becken so gut wie keine Vegetation zu finden.

Das Becken ist durch die umliegendenBerge klar abgegrenzt. Der tiefste Punkt istder Bostan-See, ein Süsswassersee mit ei-ner Fläche von über 1000 km2. Der See wirdvom Kaidu durchflossen; die Existenz dervielen Fischer ist somit direkt abhängig vonder Flusswasserqualität. Der natürlicheAusfluss des Sees, der Kongque-Fluss, wirddurch eine Pumpstation reguliert, welcheSeeniveau und Abfluss des Kongque durchdie Pumprate steuert. Der Kongque verlässtdas Yanqi-Becken über ein Wasserkraft-werk, bevor er ein weiteres Bewässerungs-gebiet versorgt. Die natürliche, ökologischwertvolle Vegetation in Flussnähe sowiedie Agrarproduktion in diesem so genann-ten «grünen Korridor» sind somit direkt

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B E WÄ S S E R U N G SW I RT S C H A F T U N D V E R S A LZ U N G

WA S S E R H AU S H A LT I M YA N Q I - B E C K E NP H I L I P B R U N N E R

Eine typische Entwicklung intensiver Bewässerungswirtschaftin einer semi-ariden Region lässt sich am Beispiel des Yanqi-Beckens in Nordwestchina studieren. Eines der Hauptprobleme,welche die Bewässerung mit sich bringen kann, ist die Versalzung von Boden und Wasser. Ein Computerspiel soll den lokalen Autoritäten Lösungsvorschläge vermitteln.

Von den weltweiten Oberflächen- und Grundwasserabflüssen werden 8% genutzt,

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vom Wassermanagement im Yanqi-Beckenabhängig. Jeder Kubikmeter Wasser, derdurch die Landwirtschaft im Yanqi-Beckenverbraucht wird, steht stromab weder fürdie Stromerzeugung noch für den «grünenKorridor» zur Verfügung.

Die Menge des im Yanqi-Becken eingesetz-ten Bewässerungswassers wird über 2 Kon-trollpunkte im Oberstrom des Kaidu regu-liert; die Wasserbilanz des Beckens ist voll-ständig unter menschlicher Kontrolle.

Das Yanqi-Becken verfügt über mächtigeGrundwasservorkommen, die durch dienatürliche Versickerung von Flusswassergespeist werden. Seit der Inbetriebnahmeder Bewässerung steigt der Grundwasser-spiegel infolge der zusätzlichen Versicke-rung an. In den tiefliegenden Regionen desBeckens liegt er nur noch etwa einen Meterunter Gelände. Dadurch ist heute die Hälfteder bewässerten Fläche von Versalzung be-troffen; die jährlichen Erträge sinken, und in absehbarer Zukunft wird die Landwirt-schaft in weiten Teilen des Beckens nichtmehr rentabel sein. Bevor die Bewässe-

rungslandwirtschaft im «grünen Korridor»und im Yanqi-Becken in Betrieb genommenwurde, war die letztendliche Senke desKongque-Flusses und damit seiner Salz-fracht der Lop Nor, ein Salzsee am nörd-lichen Rand der Kuluk-Wüste. Heute wirdder Lop Nor von keinem Fluss mehr erreicht;die Salzsenke wandert aufgrund des zu-nehmenden Wasserbedarfs zu den Ver-brauchern im Oberstrom.

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davon 70% durch die Landwirtschaft, 22% durch die Industrie und 8% durch Dienstleistungssektoren und private Haushalte.

Abb. 1: Übersichtskarte (links: Lage des Yanqi-Beckens in China, rechts: Vegetationsindex des Gebiets aus Satellitenaufnahme,blau: Wasserflächen, rot: Vegetation und Ackerflächen, grün: Wüste).

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Für die Erzeugung von 1 Tonne Getreide werden 1000–2000 Tonnen Wasser benötigt.

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Massnahmen gegen Versalzung

Wie ist es nun möglich, die Salzströmedurch das Becken und die internen Versal-zungsprozesse zu kontrollieren? Ausmassund Geschwindigkeit der Versalzung wer-den in erster Linie durch die Bewässerungs-intensität, die bewässerte Fläche und denWasserbedarf der angepflanzten Produktebestimmt. Daneben gibt es weitere Mög-lichkeiten, den Versalzungsprozess zu be-einflussen. Eine ausreichende Drainage ver-ringert die Grundwasserneubildungsrate.In Yanqi gibt es jedoch nur ein sehr dünnesNetz an Drainageröhren, deren Wartung zu-dem sträflich vernachlässigt wurde. Um dasganze Becken ausreichend zu drainieren,müsste ein weitreichendes Netz aufgebautund unterhalten werden.

Ein vielversprechender Ansatz ist die Sub-stitution von Fluss- durch Grundwasser.Grundwasser wird heute aus wirtschaftli-chen Gründen nur in geringem Umfang zurBewässerung eingesetzt. Durch diese Sub-stitution würde der Grundwasserspiegelgesenkt und dadurch die direkte Verduns-tung des Grundwassers reduziert. Die An-zahl der installierten Pumpen, ihre räumli-che Verteilung und die Pumpraten sind diewichtigsten Parameter für die Effizienz die-ser Massnahme. Auf der wasserwirtschaft-lichen Seite steht ein weiterer Vorschlag zurDiskussion: Mit seiner grossen Oberflächeist der Bostan-See der grösste Wasserver-braucher im ganzen Gebiet. Eine Senkungdes Wasserspiegels führt zu einer Verklei-nerung der Oberfläche, was die unproduk-tive Verdunstung von Wasser reduzierenwürde.

Mit Simulation und Computerspiel

Im Rahmen eines Forschungsprojekts zwi-schen dem Ministerium für Landnutzung

und Bodenressourcen und der ETH wird einComputermodell entwickelt, welches denWasserhaushalt und die daran gekoppeltenVersalzungsprozesse im Yanqi-Becken si-muliert. Basierend auf dem Modell werdenverschiedene Strategien der Bewirtschaf-tung getestet und bewertet. Die Bewer-tungskriterien für die verschiedenen Optio-nen sind das Ausmass der Versalzung imYanqi-Becken, die Wasserqualität des Bos-tan-Sees sowie die Abflussmenge, welchedem «grünen Korridor» zur Verfügung ge-stellt wird.

Um den Prozess der Versalzung modellierenzu können, müssen die Austauschraten undZusammenhänge zwischen den verschiede-nen Systemkomponenten Boden, Grundwas-ser und Oberflächenhydrologie erkannt undquantifiziert werden. Der Netto-Austauschzwischen Grundwasser und Atmosphäre istdirekt von der Topographie abhängig.

Sinkt der Grundwasserspiegel auf eine be-stimmte Tiefe unter die Erdoberfläche, wirdder Wassertransfer zwischen Boden und At-mosphäre stark reduziert und die Versal-zung entsprechend verlangsamt. Das Mo-dell simuliert deshalb in erster Linie denFlurabstand. Ohne genaue Kenntnis der To-pographie ist eine Prognose der Versalzungnicht möglich. Nur durch Kombination derMethoden aus verschiedenen wissen-schaftlichen Disziplinen können die Pro-zesse und Probleme der Versalzung ver-standen und modelliert werden. Im Rah-men des Forschungsprojekts wurde des-halb ein Forschungsverbund zwischen ver-schiedenen Instituten gegründet.Mit den Methoden der Fernerkundung undGeodäsie wird ein digitales Geländemodellmit hoher räumlicher Auflösung und in aus-reichender Qualität erstellt. Durch geophy-sikalische Messungen lässt sich das Aus-mass der Versalzung lokal quantifizieren.Mit Hilfe multispektraler Satellitenbilder

können diese geophysikalischen Punktmes-sungen auf grössere Gebiete übertragenwerden. Obwohl das Grundwasser imYanqi-Becken ausschliesslich vom Kaidu-Fluss stammt, findet die Neubildung desGrundwassers über verschiedene Wege mitunterschiedlichen Zeitskalen statt. Abhän-gig von der Art und Geschwindigkeit derNeubildung hinterlassen Umweltisotopecharakteristische Signaturen. Mit ihrerHilfe können die Zeitskalen sowie die Aus-tauschraten zwischen dem Kaidu und denverschiedenen Stockwerken des Aquifersabgeschätzt werden.Basierend auf diesen Informationen, wirddas Modell schrittweise entwickelt. Anhandhydrologischer Grössen wie der Lage desGrundwasserspiegels, des Abflusses desKaidu, aber auch durch den Vergleich derberechneten und beobachteten räumlichenVerteilung der Versalzung wird das Modellgetestet und validiert. Als Studienobjektweist das Yanqi-Becken eine sehr nützlicheEigenschaft auf: die Salzkonzentration imBostan-See ist eine Funktion der ein- undaustretenden Salzfrachten und damit deshistorischen Verlaufs des Wasser- undSalzmanagements im Yanqi-Becken. DerSee als Integrator erlaubt eine unabhän-gige Überprüfung der Stoffbilanzen desBeckens.

Um die Kommunikation zwischen Wissen-schaftlern und den Entscheidungsträgernzu erleichtern, soll das Modell in Form einesSpiels präsentiert werden, das im Kern dasSimulationsmodell enthält und durch inter-aktive, leichte Bedienbarkeit auch von Nicht-experten benutzt werden kann.

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ForschungsinformationenDas Yanqi-Projekt ist ein Verbundpro-jekt des DBAUG, an dem die InstituteIHW, IGP und IfG der ETH, die Umwelt-physikgruppe der EAWAG und das Insti-tute for Geoenvironmental Monitoringdes chinesischen Ministeriums fürLandnutzung und Bodenressourcen be-teiligt sind.Kontakt: Philip BrunnerInstitut für Hydromechanik und Was-serwirtschaftETH Zü[email protected]

Abb. 2: Digitales Geländemodell aus Stereobildern von Radarsatelliten.

Philip Brunnerwissenschaftlicher Mitarbeiter am Institutfür Hydromechanik und Wasserwirtschaft,ETH Zürich

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Botswana ist ein semiarid-arides Land imsüdlichen Afrika. Seit seiner Unabhängig-keit im Jahre 1966 erfreut es sich eines kon-tinuierlichen, hohen Wirtschaftswachs-tums und grosser politischer Stabilität.Dieses sehr positive Bild wird seit einigenJahren von den Auswirkungen der HIV/AIDS-Pandemie erheblich getrübt. Das Wirt-schaftswachstum in Botswana wird haupt-sächlich vom Diamantenabbau getragen.Im Bergbau werden nahezu 50% des BIP er-wirtschaftet. Erklärtes Ziel der Regierungist es, die Abhängigkeit vom Diamantenex-port zu mindern und die Wirtschaft zu di-versifizieren. Eine aus Sicht der Regierungvielversprechende Möglichkeit bietet dieBewässerungslandwirtschaft. Diese Politiksowie der steigende Lebensstandard imLande treiben den Wasserbedarf in dieHöhe. Traditionell greift die Wasserversor-gung hauptsächlich auf Grundwasserzurück, das auch heute noch mehr als 60%des Bedarfs deckt. Allerdings sind dieGrundwasserneubildungsraten gering, undzu grossen Teilen müssen die Grundwasser-entnahmen als nicht nachhaltig angesehenwerden. Deshalb wird vermehrt nach Mög-lichkeiten gesucht, Oberflächenwasser fürdie Versorgung und insbesondere für Be-wässerungslandwirtschaft heranzuziehen.Allerdings gibt es nur drei Flüsse im Lande,die ganzjährig Wasser führen – Limpopo,Sambesi/Chobe und Okavango. In allen dreiFällen handelt es sich um internationaleFlusssysteme, und deren Nutzung erfordertlangwierige und schwierige Verhandlungenmit den Nachbarn.

Der Okavango

Der Okavango entspringt im tropischenHochland von Angola, bildet für mehrerehundert Kilometer die Grenze zwischenAngola und Namibia, durchquert NamibiasCaprivi-Zipfel und fliesst nach Botswana,wo er in ein riesiges Feuchtgebiet auf-fächert – das Okavango-Delta – und letzt-endlich komplett verdunstet. Ein grosserTeil des Abflusses wird im feuchten angola-nischen Hochland generiert, während die inNamibia und Botswana gelegenen Teile desEinzugsgebietes äusserst trocken sind unddem Fluss netto Wasser entziehen. Überden Ursprung des Okavango-Deltas gibt esverschiedene Theorien: Wahrscheinlichdurchquerte der Okavango früher das heu-tige Delta und ergoss sich in einen grossenBinnensee in der Region der heutigen Mak-gadikgadi-Salzpfannen. Denkbar erscheintauch eine ehemalige Verbindung mit demLimpopo-System. Infolge grossräumigertektonischer Aktivität (African Superswell)kam es am südöstlichen Rand des heutigen

Deltas zu Verwerfungen (Thamalakane undKunyere Faults). Der Halbgraben, der sichnordwestlich der Verwerfungen auftat,wird seither von den Sedimenten des Oka-vango aufgefüllt, und es bildete sich einfast perfekt konischer Schwemmfächer mitäusserst geringer Neigung, auf dessenOberfläche sich das komplexe hydrologi-sche und geochemische Geschehen desDeltas abspielt.

Charakteristisch für das Delta ist der jährli-che Flutzyklus: Den Kern des Feuchtgebie-tes bilden etwa 6000 Quadratkilometerdauerhaft gefluteter Flächen. Darum herumlegt sich ein Gürtel von rund 12 000 Qua-dratkilometer saisonal gefluteter Flächen.Die jährliche Flut wird vor allem angetrie-ben von den starken Schwankungen im Ab-fluss des Okavango. Im Mittel beträgt derAbfluss ca. 300 m3/s. Zur Zeit der Abfluss-spitzen, im März und April, werden bis zu1000 m3/s erreicht, während bei Niedrig-wasser um die 100 m3/s fliessen. Die jährli-che Flut braucht einige Monate, um das

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I N T E R E S S E N KO N F L I K T U M E I N N AT U RW U N D E R

N AC H H A LT I G E N U T Z U N G D E S O K AVA N G O - D E LTA SP E T E R B AU E R

Das Okavango-Delta in Botswana ist ein einzigartiges Feuchtgebiet miteiner überwältigenden Tierwelt. Doch der steigende Wasserbedarf umliegender Länder könnte dieses Naturparadies empfindlich stören.Forscher der ETH Zürich entwickeln Modelle, wie der Interessenkonfliktzwischen Mensch und Natur entschärft werden könnte.

Abb. 1: Lage des Okavango-Beckens in Afrika (links). Rechts: NOAA-AVHRR Falschfarbenbild des Okavango-Deltas.

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Delta vom sogenannten Panhandle bisnach Maun zu durchqueren. Die höchstenWasserstände werden in den peripherenTeilen des Deltas im Juli und August gemes-sen, also mitten in der Trockenzeit. DiesePhasenverschiebung zwischen lokalem Re-gen und «importierter» Flut spielt einegrosse Rolle für die Wasserversorgung desÖkosystems. In den Auen des Okavango-Deltas und den umliegenden Trockengebie-ten hat sich eine überwältigende Vielfalt anWildtieren bis heute halten können. Diespektakuläre afrikanische Megafauna istebenso präsent wie eine Unzahl von Vogel-arten. Traditionell wurde das Delta von ein-heimischen Jägern und Sammlern genutzt,wobei der Fischreichtum des Okavango einegrosse Rolle spielte. Die extrem niedrige Be-völkerungsdichte verhinderte eine Über-nutzung der Ressourcen. Die Regierung hatseit langem die Bedeutung des Deltas alsinternationale Tourismusattraktion erkanntund betreibt eine Politik des «highprice/low intensity»-Tourismus. In den lu-xuriösen Lodges in und um das Delta wer-den bis zu 1000 US-Dollar pro Nacht be-zahlt. Die einheimische Bevölkerung wirdunter mehr oder weniger sanftem Druckumgesiedelt, und seit vielen Jahren schütztder Buffalo-Fence das Delta vor dem Ein-dringen der Rinderherden.

Seit langem schon hat die Tatsache, dass300 m3/s wertvollen Wassers «praktisch un-genutzt im Sand der Kalahari verdunsten»,Begehrlichkeiten geweckt. Seit den Achtzi-gerjahren gibt es Pläne, das Delta intensiverzu nutzen bzw. seinen Wasserverbrauchdurch eine Verkürzung der Aufenthaltszeitzu vermindern. Bisher sind alle schwerwie-

genden Eingriffe am Widerstand der inter-nationalen Umweltschutzorganisationengescheitert, doch mit steigendem Wasser-bedarf kommen alte und neue Vorschlägewieder auf den Verhandlungstisch. Aller-dings sind die Auswirkungen lokaler Was-serentnahmen klein verglichen mit denAuswirkungen möglicher Dammbauten inAngola, die nach dem Ende des dortigenBürgerkrieges schon bald sehr konkret wer-den könnten.

Das hydrologische Modell

In dem ETH-geförderten Forschungsprojektim Auftrag der Regierung von Botswanaentwickeln wir ein hydrologisches Modelldes Okavango-Deltas, welches aus denInputdaten über Zustrom, Regen und Eva-potranspiration die Wasserstände sowohlim Delta als auch im darunter liegendenSand-Aquifer berechnet. Insbesondere kön-nen aus der Differenz zwischen Wasser-stand und Geländehöhe die geflutetenFlächen für jeden Zeitschritt bestimmt wer-den. Diese Flutungsmuster vergleichen wirmit den Flutungsmustern, die aus grobauf-lösenden Satellitenbildern (NOAA-AVHRR)gewonnen werden. Im Gegensatz zu her-kömmlichen hydrologischen Modellen, diemeist nur mit Hydrographen von einigenwenigen Punkten kalibriert werden müs-sen, wird unser Modell im Hinblick auf opti-male Übereinstimmung zwischen berech-neten und beobachteten zweidimensiona-len Flutungsmustern geeicht. Wegen dergrossen Bedeutung der Topographie wirdam IGP mit den modernsten Methoden eindigitales Geländemodell erstellt. Wir hof-

fen, den lokalen Entscheidungsträgern mitdem hydrologischen Modell ein Werkzeugan die Hand zu geben, mit dem Auswirkun-gen geplanter Massnahmen im Voraus ab-geschätzt werden können. Wie wirkt sichzum Beispiel eine Verformung der Abfluss-ganglinie im Okavango infolge von Damm-bauten in Angola auf die Dynamik der Flutaus? Wie ernst ist eine Wasserentnahmevon 5000 Kubikmetern pro Tag im Ober-strom, wie sie für die Versorgung von Maunerforderlich wäre, und wie vergleicht siesich mit der Ausbeutung von peripherenAquiferen, wie sie im Moment praktiziertwird? Welche Folgen haben morphologi-sche Eingriffe wie das Offenhalten und Ein-tiefen der Kanäle im Delta selbst? Alle dieseFragestellungen können mit Hilfe des hy-drologischen Modells einer objektiven undquantitativen Beurteilung zugeführt wer-den, die dann in den politischen Prozesseinfliessen kann. Wir sind überzeugt, dasses trotz all der schwierigen Interessenkon-flikte im Delta Spielraum für Optimierunggibt, und das Modell kann dabei helfen, die-sen aufzuzeigen.

Die Salzbilanz

Neben der Hydrologie ist die Salzbilanz desOkavango-Deltas ein weiterer Schwerpunktder Forschungsarbeiten am IHW. In aridenGebieten kann Wasserwirtschaft im Allge-meinen nicht losgelöst von Versalzungspro-blemen betrachtet werden. Bei einem Zu-strom von 300 m3/s zum Delta und einemvernachlässigbaren Ausstrom stellt sich so-fort die Frage nach dem Verbleib der imWasser gelösten Stoffe. Die Konzentration

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Von den 260 Mio. Hektaren bewässerten Ackerlands weltweit sind rund 80 Mio. Hektaren von Versalzung betroffen.

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der gelösten Stoffe im Zustrom ist zwar ver-gleichsweise gering, trotzdem ergibt sichübers Jahr eine Fracht von ca. 300 000 Ton-nen Salz, die irgendwo abgelagert werdenmüssen. Das Oberflächenwasser selbstweist bis hinab in die peripheren Teile desDeltas eine geringe Salzkonzentration auf.Dagegen finden sich im Grundwasser unterden zahlreichen Inseln und entlang der Küs-tenlinie z.T. extrem hohe Salzkonzentratio-nen. Eine typische Insel im Okavango-Deltaist Thata Island im nördlichen Teil des Del-tas. Ihr Radius beträgt ca. 100 m, und aufdiesen 100 m zwischen der Aue und demZentrum der Insel vertausendfacht sich dieKonzentration an gelösten Stoffen imGrundwasser. Hohe Salzkonzentrationentreten auch im tiefen Grundwasser unter-halb ca. 80 m auf. Eine interessante Frageist nun, ob es eine Verbindung zwischenden oberflächlichen Salinitätsanomalienunter den Inseln und entlang der Küstenli-nie und dem tief gelegenen Salinitätspoolgibt. Diese könnte durch dichtegetriebenevertikale Konzentrationsfinger bewerkstel-ligt werden. Stammt das Salz in der Tiefeletzten Endes von der Oberfläche oder hates eine ganz andere Genese als das Salz un-ter den Inseln? Dieser Frage versuchen wiram Beispiel von Thata Island auf den Grundzu gehen. Bohrungen und Tracerdaten so-wie geoelektrische Messungen geben Auf-schluss über Wasseralter und Konzentra-tionsverteilung unter der Insel. Die bishe-rigen Ergebnisse sprechen eher dafür, dasses sich beim Okavango-Delta um eine Süss-wasseranomalie in einem generell salinen

Umfeld handelt. Das tiefe salzhaltige Was-ser wäre demzufolge das «Hintergrundwas-ser», das vom zuströmenden Süsswasserdes Okavango teilweise verdrängt wird. Dieoberflächlichen Salzanomalien unter denInseln sind lokale Phänomene, die durchden geringen Flurabstand des Grundwas-sers und demzufolge hohe Evapotranspira-tionsraten zustande kommen. Dichtege-triebene Phänomene unter den Inseln kön-nen zwar lokal vorhanden sein, sind abernicht die Hauptursache der erhöhten Salz-konzentration in der Tiefe.

Nur die Tatsache, dass etwa ein Drittel desWassers nicht direkt verdunstet, sondernzunächst in die umliegenden Sande infil-triert, schützt das Oberflächenwasserselbst vor Versalzung. Mit einem einfachenBoxmodell kann überprüft werden, dass die

Salzkonzentration im Oberflächenwasserumgekehrt proportional ist zum Anteil amZustrom, der infiltriert. Die hohe Infiltra-tionsrate wiederum beruht auf dem kom-plexen Muster von Inseln und Halbinseln,der immensen Länge der Küstenlinie. JederEingriff (Begradigungen, Ausbau usw.) derdie Küstenlinie verkürzt, wird zwangsläufigauch das chemische Gleichgewicht desDeltas beeinträchtigen.

Schlüsselrolle des Hochpreis-Tourismus

Am Beispiel des Okavango-Deltas kann einKonflikt zwischen Mensch und Natur nach-vollzogen werden, wie er sich in Europa imletzten und vorletzten Jahrhundert vielfachzugetragen hat: Steigende Bedürfnisse der

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Abb. 2: Abfluss in Mohembo (m3/s), Niederschlag (mm/Monat), potenzielle Evapotranspiration (mm/Monat)und geflutete Fläche (km2). In rot sind die entsprechenden Modellierungsergebnisse dargestellt.

Das Überlebensminimum des Menschen liegt bei 2–6 l Wasser pro Kopf und Tag. Mit 50 l /Kopf und Tag können weitere Bedürfnisse

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lokalen Bevölkerung treffen auf die Bedürf-nisse des Ökosystems. Bei uns in Europawurden diese Konflikte meist ausschliess-lich zugunsten der kurzfristigen Bedürf-nisse des Menschen entschieden. Wo inEuropa findet man heute noch grössereFeuchtgebiete, geschweige denn einFeuchtgebiet von der Grösse der Schweizwie das Okavango-Delta? Wenn die Feucht-gebiete der Entwicklungsländer nicht das-selbe Schicksal ereilen soll, muss aufgezeigtwerden, wie die Bedürfnisse von Menschund Natur vereinbart werden können. EineSchlüsselrolle kommt dabei dem Tourismusund dem Umweltbewusstsein in den In-dustrieländern zu: Nur die Tatsache, dass es heute Menschen gibt, die bereit sind, fürErlebnisse der Okavango-Art, oder auch nurfür das Wissen um seine unbeeinträchtigteExistenz, viel Geld zu bezahlen, lässt für die

Zukunft des Okavango-Ökosystems Hoff-nung aufkeimen. In dieser Hinsicht unter-scheidet sich die heutige Situation etwa inBotswana von der im Europa des 19. Jahr-hunderts. Allerdings müssen zwei Dinge si-chergestellt sein: Der Tourismus darf nichtzerstören, was er sucht, und das erwirt-schaftete Einkommen muss direkt der be-troffenen Bevölkerung (Anliegern undOberliegern) zufliessen. Insbesondere derzweite Punkt ist im Falle des Okavango-Del-tas problematisch. Dennoch ist es bishergelungen, dieses spektakuläre Ökosystemweitgehend ungestört zu erhalten, und –wer einmal dort war, der wird uns beipflich-ten – seine Erhaltung für die Zukunft recht-fertigt alle wissenschaftlichen und politi-schen Anstrengungen.

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Peter Bauerwissenschaftlicher Mitarbeiter am Institutfür Hydromechanik und Wasserwirtschaft,ETH Zürich

ForschungsinformationenIn dem Projekt kooperieren die folgen-den Institutionen:

Institut für Hydromechanik und Was-serwirtschaft, ETH Hönggerbergwww.ihw.ethz.chInstitut für Geodäsie und Photogram-metrie, ETH Hönggerbergwww.igp.ethz.chDepartment of Water Affairs, Govern-ment of Botswanawww.gsf.de/UNEP/botdwa.htmlOkavango Research Center, Universityof Botswanawww.ub.bw/departments/centres/hoorc.html

Weitere Informationen bei:Peter BauerInstitut für Hydromechanik und Was-serwirtschaftETH [email protected]

Abb. 3: Querschnitt durch Thata Island (Oberfläche überhöht). Die Zahlen sind elektrische Leitfähigkeiten des Grundwassers (�S/cm), die blauen Pfeile geben die Fliessrichtung des Grundwassers an.

wie Waschen, Duschen, Nahrungsmittelzubereitung (Grundbedarf) befriedigt werden.

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Seit den jüngsten Jahrzehnten sind Stark-niederschläge und Hochwasser keine nurfachintern beachteten Ereignisse mehr. Inder Schweiz begann der Wandel von derdisziplinären Ereignisbeschreibung zur hy-drometeorologischen Analyse mit den Un-wettern von 1977 (Schächental) und 1978(Thur und Tessin). Seit 1987 werden dieGrossereignisse unter der Leitung des Bun-desamtes für Wasser und Geologie (BWG,früher BWW und LHG) interdisziplinär un-tersucht (Jahr 1987: ganze Schweiz; Sep-tember/Oktober 1993: Tessin und Wallis;Mai/Juni 1999: nordalpine Schweiz; Okto-ber 2000: Tessin und Wallis). Gleichzeitigsind solche Ereignisse aus jeweils aktuellenGründen, vor allem aber auch im Zuge derKlimadiskussion zu öffentlichen Themenund Interviewanlässen in den Medien ge-worden. Solche Dialoge kulminieren stets inder ungeduldigen Frage, warum nach welt-weit so vielen Unwettern das gerade aktu-elle Ereignis nicht endlich klar als Folge derKlimaänderung entlarvt werden könne. DieAntworten der Befragten fallen individuellaus. Die dahinter stehende Erkenntnis istjedoch sicher: Hochwasser ist eben nichtgleich Hochwasser und Ursache nichtgleich Ursache.

Hochwasser als Mengenvorstellung

Was ist ein Hochwasser? Die Definition lau-tet einfach: Hochwasser ist ein vorüberge-hend erhöhter Wasserdurchfluss oder Was-serstand (DIN 4049). Darunter fallen alsoalle Wasserstands- und Abflussspitzen vonklein bis gross mit grossflächigen Über-schwemmungen an einem Fluss oder an ei-ner Küste. Da die Forschung in diesem Zu-

sammenhang überwiegend durch Sicher-heits- und Dimensionierungsfragen ange-trieben wird, konzentriert sie sich meist aufstärkere Fälle. Was unter dieser Einschrän-kung der allgemeinen Definition als Hoch-wasser gilt, wird durch Regeln entschieden.Sie unterliegen den Anforderungen derAnalysemethoden und der Analyseziele.Mit den verschiedenen Regeln werdenzwangsläufig zum Teil unterschiedliche Er-eignisse als Hochwasser identifiziert. DerAbsolutwert des jeweiligen Wasserstandesoder Abflusses hängt ausserdem noch vombetrachteten Zeitintervall ab. Ein Ereignis,das mit seinem kurzzeitig erreichten Maxi-malwert, dem Hochwasserscheitel, regelge-recht als Hochwasser gelten mag, kann mitseinem höchsten Mittel über 24 Stundenoder 1 Tag aus der Auswahl fallen.

Eine der Auswahlregeln identifiziert zumBeispiel die pro Jahr höchsten Wasser-stands- oder Abflusswerte eines betrachte-ten Zeitintervalls in einer n-jährigen Mess-reihe als Hochwasser. Eine etwas andereAuswahl ergeben die n höchsten Fälle ausderselben n-jährigen Messreihe. Interes-santerweise erscheinen aber Überflutun-gen durch Flüsse als schwerwiegendsteForm dortiger Hochwasser in diesen Aus-wahllisten von den Überflutungsstellenflussabwärts meist nicht, da ihre Abflüsseabgeflacht und nur näherungsweise re-konstruierbar sind. Wieder eine andereAuswahl von Hochwassern ergibt sich an-hand von vorgebbaren Schwellenwerten,die zur Berücksichtigung eines Ereignisseserreicht oder überschritten werden müs-sen. Schwellenwerte lassen sich nach ope-rationellen Gesichtspunkten festlegen. Indiese Hochwasseridentifikation können

auch Überflutungsereignisse aufgenom-men werden, da das Überschreiten einer be-stimmten Schwelle ausreichend genau ab-schätzbar ist.

Aus den Stichproben lassen sich statistischBeurteilungsinstrumente herleiten, die zumBeispiel für technische Entscheidungenoder zur Einschätzung neu auftretender Er-eignisse dienen. Ein Mass ist die Schätzungder Wiederkehrperiode eines Abflussesoder Wasserstandes, d. h. die Schätzung desSeltenheitsgrades. Der direkte Bezug einesHochwassers auf Schwellenwerte, zum Bei-spiel des Wasserstands (Pegels) des Rheinsin Köln auf die Höhe der Schutzwände, gibteine Bewertung für den Risikograd eines Er-eignisses.

Die Eigenschaften der mit einer Regel aus-gewählten Hochwasser gelten primär nurfür das jeweils betrachtete Fluss- oderBacheinzugsgebiet oder für einen Küsten-abschnitt. Es bleibt also die Schlussfolge-rung: Das Hochwasser per se gibt es nicht,sondern nur Rangordnungen von Ereignis-sen. Sogar die bei Gelegenheit gern zitierteSintflut bedeutet nach dem germanischenUrsprung des Wortes einfach nur «grosse»Flut und ist erdgeschichtlich wohl ebenfallsnur eines in einer Reihe von Ereignissen.

Wahrnehmung und Vielfalt

Wie viel kommt von dieser wissenschaft-lichen Kategorisierung des PhänomensHochwasser nun bei der Öffentlichkeit an?Oder grundsätzlicher, wie nimmt die Bevöl-kerung Hochwasser wahr? Wahrnehmungbedeutet Kenntnisnahme und Differenzie-

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H O C H WA S S E R A LS P H Ä N O M E N

WA H R N E H M U N G U N D D I F F E R E N Z I E R U N GD I E TM A R G R E B N E R U N D J OAC H I M G U RT Z

Im Wasserschloss Schweiz ist Wassermangel kein Thema. Im Gegenteil:«Hochwasser» und «Starkniederschlag» sind zwei Begriffe der Hydrologie,die in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt sind und dort mit einer plausiblen Vorstellung von Ursache und Wirkung wahrgenommen werden.Was für den Laien plausibel scheint, stellt die Wissenschaft aber vor Probleme. Schon die scheinbar einfache Frage «Wann ist ein Hochwasser ein Hochwasser?» ist nicht einfach zu beantworten.

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Durchschnittlich fallen in der Schweiz jährlich 1500 mm Niederschläge (1500 l/m2 bzw. 60 km3);davon werden gesamthaft etwa 3 km3 oder 5% genutzt.

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rung. Unmittelbare Kenntnisnahme ergibtsich aus eigener Betroffenheit. Meist wirddie Kenntnis aber über die Medien vermit-telt. Die Differenzierung nach dem Prozess– Ursache und Dimension – kommt in derRegel zu kurz. Als Ursache wird intuitiv ex-tremer Niederschlag zugeordnet, und dieDimension wird am Schaden festgemacht.In diesen Verknüpfungen divergieren je-doch der reale Prozess und seine bürgerli-che Vorstellung weitgehend.

Ein erstes generelles Fragezeichen liegt inder Konsequenz des Informationsangebo-tes durch die Medien sowie in der Aufmerk-samkeit beim Konsum. Die Meldungen wer-den durch die räumliche Distanz zu einemEreignisort und täglich durch den Sensati-onswert gegenüber den laufenden Alltags-und Politgeschichten gefiltert. Ein weiteresFragezeichen erwächst aus der globalenInformationsvernetzung. Sie ermöglicht dieSammlung von Ereignissen weltweit undlässt völlig unterschiedliche Zusammen-hänge nebeneinander erscheinen. In Wirk-lichkeit setzt sich der Mechanismus Hoch-wasser aus zahlreichen Komponenten undderen räumlichen und zeitlichen Eigen-schaften zusammen. Er hängt grundsätz-lich vom Klima einer Region sowie von denEigenschaften eines Gebietes ab und ent-scheidet das räumliche Ausmass. So sindHochwasser durch Schauerniederschlagmit solchen durch Dauerniederschlag nichtmiteinander vergleichbar. Gleiches gilt fürDauerniederschlag z. B. in unseren Breitenund Dauerniederschlag in Monsunregionen

oder aufgrund von Hurricanes. Ausserdemkönnen im Einzelfall Kombinationen vonunterschiedlichen Zuständen der Kompo-nenten zu gleichen Hochwassern führen.

Ein Beispiel für Wahrnehmung und Wirk-lichlichkeit bietet das Hochwasser von Brigim September 1993. Die enormen Geschie-beablagerungen in Brig sind sicher nochvielfach in Erinnerung (vgl. Abbildung 1), dieUmgebungsschäden im Raum Brig/SaasAlmagell/Simplon vermutlich kaum. Dabeicharakterisieren gerade die Umgebungs-schäden das natürliche Ereignis. Die Über-flutung des Ortes dagegen entstand durchRückstau an einem unterdimensioniertenBrückendurchlass im Ort, war also techni-scher Art.

Rückstau als Ursache für Hochwasser undÜberflutungen kann auch auf natürlicheWeise entstehen, z. B. durch Erdbewegun-gen in einen Flusslauf oder an Einmündun-gen eines Flusses in seinen Hochwasserführenden Hauptfluss oder ins Meer bei be-stimmten Wetter- und Gezeitenbedingun-gen. Hauptgrund für Überflutungen sind je-doch hohe Wasserstände oder Wasser-führungen mit Brüchen oder Übersteigenvon Dämmen. In Fliessgewässern spielt da-bei die Komponente Regen oft, aber nichtimmer, eine entscheidende Rolle und ist so-mit kein konsequentes Mass, wie die weite-ren Beispiele zeigen.

Unter geeigneten Klimabedingungen kön-nen auch durch die Komponente Tempera-tur Hochwasser und Überflutungen eintre-ten. Im Winter 2000/2001 liessen die ano-mal tiefen Temperaturen in Ostsibirien eineübernormale Eisdecke in der Lena entste-hen. Das Eis baute sich deshalb bis zurSchneeschmelze nicht genügend ab. Eis undEisgang verursachten auch bereits in derOder viele Hochwasser. Ein regelrechtes Bil-derbuch der abflussbildenden Komponen-ten bot sich beim Hochwasser in der nordal-pinen Schweiz ab 10. Mai 1999. Das betrof-fene Gebiet reichte vom Neuenburgerseebis zum Alpenrhein und vom Alpenrand biszum Bodensee und Hochrhein (Bild 2). Dieaktuelle Diskussion seinerzeit und damitdie Wahrnehmung kreiste um den Rück-schluss «Jahrhunderthochwasser» also«Jahrhundertregen». Tatsächlich waren dieGebietsniederschläge bis zu den erstenHochwasserspitzen (ca. 12. Mai) eher mäs-sig, d. h. unter 30 Jahren Wiederkehrperi-ode, am Alpenrand, z. B. im Raum Brienzer-und Thunersee, sogar unter 10 Jahren.Massgebend war vielmehr ein über Monatevorausgehender Aufbau eines Hochwasser-potenzials: eine übernormale Schneedeckeim Lawinenwinter 1998/99 bis Februar, hoheBodenfeuchte durch abtauende sporadi-sche Schneedecken und Regen im Alpenvor-land bei gleichzeitig geringer Verdunstungbis April und ein sehr feuchter April. Ab Maifolgte durch steigende Temperaturen einestarke Schmelzwasserbelastung der Flüsseaus den Alpen, die sich letztlich für die Aus-uferungen von Brienzer- und Thunersee alsmassgebend erwiesen. In diese Situationfiel das erste von zwei starken, aber nichtextremen Regenereignissen ab 10. Mai. Inden an den Alpenrand anschliessenden Ge-bieten addierten sich die Vorfeuchte der Bö-den, die Wasserführung der Flüsse aus denAlpen und schliesslich der Niederschlagvom 10. bis 15. Mai. Der Endzustand diesesEreignisses lieferte seinerseits weitgehenddie Anfangsbedingungen für eine zweiteRegenphase vom 19. bis 22. Mai. Durch denerwähnt gleichzeitigen günstigen Beitragder wichtigen Abflussbildungskomponen-ten erreichte der Bodensee fast den Rekord-stand seit Beginn der Messungen.

Dieses Beispiel bringt zwei weitere Kompo-nenten ins Spiel: die Regendauer und dieBodenversiegelung. Die Regendauern vonüblichen Wetterentwicklungen in unserenBreiten reichen bis knapp 3 Tage. Sie bildeneine Hochwassergefahr für kleine bis mitt-lere Einzugsgebiete. Die Versiegelung hateine eher lokale Auswirkung. Meteorolo-

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Abb. 1: Geröllablagerung in Brig durch die Saltina nach dem Unwetter vom 22.–24. September 1993.(Bild: Renato Jordan)

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gisch andere Eigenschaften besitzen län-gere Ereignisse bis ca. 10 Tage oder bei ei-nem anderen Typ bis über 30 Tage. Sie sindUrsache für Hochwasser in grossen Ein-zugsgebieten wie Mississippi 1993, Rhein1993 und 1995, Oder 1997, Wallis/Tessin/Po2000, Elbe 2002 usw. Mit zunehmender Re-gendauer und ausreichender Intensität ver-liert die plausible Vorstellung der Versiege-lung als Komponente an Bedeutung. DerBoden versiegelt sich vielmehr durch Sätti-gung zunehmend und vor allem gebiets-umfassend selbst.

Eine letzte Hochwasserkategorie unter demAspekt Wahrnehmung und Typgliederungsind saisonale Erscheinungen. Abgesehenvom Beispiel der Lena wurden bisher zufäl-lig auftretende Ereignisse erwähnt. Auchder periodische Abflussanstieg durchSchnee- oder Gletscherschmelze und durchausgeprägte Regenzeiten fällt unter denBegriff Hochwasser. Schmelzhochwassersind in flachen Gebieten, z. B. vom RaumWolga ostwärts, spektakulär steil, in Gebir-gen hingegen durch das vertikale Ab-schmelzen über Monate verteilt. Hochwas-ser von Regenzeiten gabeln sich durch Nie-derschläge von wenigen hundert Millimeternin semiariden Gebieten bis rund 11 000 mmin 7 Monaten durch den Sommermonsun inCherrapunji, im unteren Einzugsgebiet desBrahmaputra, oder sie setzen sich durch Ta-gesmengen bis über 700 mm in der Hurri-cane-Saison zusammen wie in Südwest-China. Für positive Abweichungen von die-sen saisonalen Hochwassern gilt wiederum

der Begriff Hochwasser. Die Wahrnehmungvon beiden Zuständen vermischt sich bis-weilen, abhängig von der Anzahl von Ob-dachlosen und Todesopfern. Darin spiegeltsich jedoch weniger die Grösse eines Hoch-wassers wider als vielmehr der Bevölke-rungsdruck und seine zeitliche Änderung.

Klimaschuld oder nicht?

Als abschliessendes Fragezeichen sei derbereits erwähnte Rückschluss von Hoch-wassern auf die Klimaveränderung als«Verursacher» betrachtet. Am einen Endeeiner solchen Überlegung steht die globaleZählung von Ereignissen, am anderen Endedie individuelle Kausalität. Je nach Zählkri-terien lässt sich eine Parallelität der Häufig-keiten zur Klimaveränderung feststellen.Regional verlieren sich aber einheitlicheSignale bereits. So besteht die Zunahme der Hochwasserhäufigkeit in Westeuropa,gemäss den beschriebenen Auswahlregeln,in Osteuropa nicht. Aber abgesehen davonbieten Zählungen keinen Ansatz, um zu er-kennen, ob ein individuelles Ereignis durchgeändertes Klima überhaupt oder beson-ders stark aufgetreten ist. Das Ausmass imEinzelfall ist kein zwingender Hinweis aufeine Klimaveränderung als Ursache. Die Be-deutung der Kombination der Prozesskom-ponenten besagt einfach: je näher ihr Zu-sammenwirken dem Optimum kommt, des-to grösser und seltener ist das Ereignis. Wasder Natur diesbezüglich möglich ist, mussspätestens bei Grenzwertabschätzungen

zur Kenntnis genommen werden, wie dieChroniken in Mitteleuropa vom Jahr 1342ahnen lassen. Allerdings gilt auch, wennsich die Klimaveränderung als Ursache imEinzelfall nicht nachweisen lässt, so lässtsie sich genauso wenig ausschliessen.

Dr. Dietmar GrebnerProjektleiter extreme Niderschlag-Abfluss-Prozesse am Institut für Atmosphäre undKlima der ETH Zürich

PD Dr. Joachim GurtzProjektleiter Abflussmodellierung am Institut für Atmosphäre und Klima der ETHZürich

Abb. 2: Schema der zeitlichen Folge und räumlichen Verteilung der Abflussbeiträge in der Hochwasserperiode Mai und Juni 1999.Grosse Ellipse: Hochwassergebiet.

ForschungsinformationenDie Forschungsgruppe Klima und Was-serkreislauf am Institut für Atmosphäreund Klima der ETH Zürich legt den Fo-kus der Forschung auf Klimaereignisseauf dem europäischen Kontinent und inden Alpenregionen. Klimaveränderun-gen, Niederschlagsentwicklungen undAbflussvorhersagen in komplexem Ter-rain sind ein Schwerpunkt.Weitere Informationen zu Forschungs-projekten:http://www.iac.ethz.ch/en/groups/schaer/index.html

Snow cover, February 1999

Wet April 1999

Heavy rain, 10.–15.May

Heavy rain, 19.–22.May

wet

rain

rain

rain

Rhein

snow melt

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Die Folge der Hochwasserereignisse, die inden letzten Jahren mehrere Gebiete mit zu-nehmender Häufigkeit getroffen hat, machtdeutlich, wie wichtig Kenntnisse über Pro-gnosen von Hochwasserereignissen gewor-den sind und wie entscheidend der Auf-bruch zu effizienteren Hochwasserschutz-strategien ist. Infolge intensiver Landnut-zung, vor allem in Überschwemmungsgebie-ten, erfordert die Bewältigung von Hoch-wasserereignissen die Entwicklung von Prog-nosen sowie Vorbeugungs- und Schutz-massnahmen, die lokale Vorkehrungen über-schreiten und in eine breitere Wasserwirt-schaftspolitik eingebettet sind.Diesbezüglich hat die Wissenschaft in denletzten zwanzig Jahren erhebliche Fort-schritte gemacht. Kenntnisse über physika-lische Abläufe und deren Modellierung wur-den weiterentwickelt. Die im Bereich vongrossen Skalen vermehrt verfügbaren Da-ten aus Fernerkundung und verbessertenComputertechnologien haben zur Weiter-entwicklung der Modelle geführt und somitMöglichkeiten für Prognose und Vorbeu-gung gegenüber Hochwassergefahren ge-schaffen. Die zunehmend intensive Nut-zung der Einzugsgebiete und die damit ver-bundenen, durch Menschen verursachten

Veränderungen erfordern jedoch weitereAnstrengungen von allen am Hochwasser-geschehen beteiligten Akteuren. Wissen-schaftliche Fortschritte, die natürlich not-wendig und möglich sind, reichen alleinnicht aus. Sowohl Wasserbehörden, Firmenund Forschungsinstitute als auch Einzelper-sonen sind aufgefordert, enger zusammen-zuarbeiten und somit auch grenzüberschrei-tende Kooperationen anzustreben, um Hoch-wassergefahren zu reduzieren.Die Prognose von Hochwassergefahren istseit langem eine wichtige Aufgabe sowohlfür physikalisch als auch technisch orien-tierte Wissenschaften. Die Zuverlässigkeitder Prognosen ist leider durch den Mangelan umfangreichen Daten mit Feinauflö-sung in Raum und Zeit beschränkt, was dieUnsicherheit der Analyse vor allem beikurzfristig und stossartig auftretenden Ab-flüssen von klein- und mesoskaligen Ein-zugsgebieten erhöht. Neue Techniken, diesolche Ungewissheiten überwinden unddamit eine robuste Analyse von Häufigkeitund Grösse von Hochwasserereignissen lie-fern können, gehören deshalb zu den aktu-ellen Forschungszielen. Darüber hinaus re-präsentieren diese Techniken das Bedürfnis,die Einrichtung von Hochwasserschutzsys-

temen zu verbessern. Diese beruhen auf der Einschätzung eines Dimensionierungs-hochwassers, das die Intensität der Gefahr(Abflussspitze, Abflussvolumen und Dauer)während einer bestimmten Wiederkehrpe-riode definiert, und liefern die Basis für einewirkungsvolle Minderung der Gefahrenbe-lastung. Die Einschätzung von Hochwasser-abflüssen und den damit verbundenenWiederkehrperioden ist oft als eine spezifi-sche Fachaufgabe betrachtet worden, los-gelöst von anderen hydrologischen undwasserwirtschaftlichen Modellierungsauf-gaben. Die zunehmenden Kenntnisse überdie Komplexität der physikalischen Abläufe,die zu Hochwasser führen, und der wichtigeEinfluss durch die Bevölkerung der Einzugs-gebiete deuten an, dass Hochwasserfor-schung ihren traditionellen Rahmen über-winden und neue Richtungen einschlagenmuss. Diese Richtungen ergeben sich imWesentlichen aus zwei wichtigen Tatsa-chen, welche die Ursachen von einigen deranscheinend unerwarteten Hochwasser seinkönnten, die weite Gebiete auf der Welt ge-troffen haben: dem anthropogenen Einflussauf die Einzugsgebiete und dem Klimawan-del.

Wachsende Verstädterung und landwirtschaftliche

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Siedlungsdruck und Klimawandel

Wachsende Verstädterung, verbreitete land-wirtschaftliche Landnutzung, zunehmendeAnsiedlungen in Hochwassergebieten unddie dadurch bedingte Abnahme von Rück-halteräumen sowie die Vernachlässigungder Gebirgsregionen führen zu problema-tischen Veränderungen der Einzugsgebiete.Bestimmte Veränderungen, die sich überJahre hinweg vollziehen, bewirken Insta-tionaritäten, die von Modellen, welche fürdie Hochwasserdimensionierung einge-setzt werden, kaum in Betracht gezogenwerden können und somit Auswirkungenauf die Dimensionierung der Schutzmass-nahmen haben. Je höher die Dynamik sol-cher Änderungen ist, desto weniger eignensich die traditionellen Dimensionierungs-methoden. Die scheinbare Zunahme von ka-tastrophalen Hochwasserereignissen magteilweise durch eine gezielte Analyse dieserEreignisse mit speziellem Blick auf die Ein-zugsgebietsveränderungen erklärt werden.Insofern besteht das Bedürfnis, Methodender Hochwasserabschätzung mit Ansätzenfür die Landnutzungsplanung zu verbinden.Gleichfalls muss die Auswirkung des Klima-wandels berücksichtigt werden, wenn es

darum geht, Strategien über das Vorgehenbei künftigen Hochwasserereignissen aus-zuarbeiten. Die Annahmen eines stabilenKlimas, das keine Tendenzen aufzeigt undseit Anfang der Hochwasserforschung dieBasis für die Hochwasserschätzmethodendarstellt, ist nun im Rahmen der zuneh-menden Zeichen klimatischer Veränderun-gen fraglich geworden. Das Konzept der Dimensionierungshochwasser mit einem be-stimmten Wiederkehrintervall, das hauptsäch-lich für die Planung von Vorbeugungs- undSchutzmassnahmen eingesetzt wird, mussüberdacht und in ein dynamisches Konzeptüberführt werden, das explizit gewissenPlanungshorizonten Rechnung trägt. Dieskann erreicht werden durch die Entwick-lung von Hochwasserschätzmethoden, dieauf breit angelegte Simulierungstechnikenabgestützt sind, welche weiterentwickelteMethoden aus mehreren Disziplinen (z. B.Klimatologie, Meteorologie und Hydrolo-gie) kombinieren und somit die Einschrän-kungen überwinden, die für monodiszi-plinäre Ansätze charakteristisch sind.

Hochwasserschutz und Verminde-rung des Hochwasserrisikos

Auch wenn die Hochwassersimulationsmo-delle durch den Einbezug des Klimawandelsund der Einzugsgebietsveränderungen ver-bessert werden können, bestimmen dersteigende Wert der Infrastruktur und dergefährdeten Siedlungen sowie die Bemühun-gen, die Anzahl von allfälligen menschli-chen Opfern zu minimieren, weiterhin dasBedürfnis nach umfassenderen Strategienbei der Suche nach Lösungen zur Minde-rung der Hochwasserrisiken. Erhöhtes Um-weltbewusstsein und die hohen Kosten, diemit baulichen Hochwasserschutzmassnah-men verbunden sind, regen dazu an, dasHochwasserrisiko in einem erweiterten ge-samtwasserwirtschaftlichen Rahmen zubehandeln. Insofern ist es denkbar, bauli-chen Hochwasserschutz mit Vorhersagesys-temen und der Bewirtschaftung von Über-schwemmungsgebieten zu vereinigen. Mankönnte dann zum Beispiel bestimmte Fluss-gebiete für natürliche Überschwemmun-gen bereithalten.

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Landnutzung, Siedlungsdruck in Hochwassergebieten und Einflüsse des Klimawandels verändern das Hochwasserrisiko.

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Die Umsetzung moderner Strategien in derHochwasserbewältigung, die im internatio-nalen Jahr des Wassers einen ausgezeich-neten Ausgangspunkt für einen weltweitenWechsel des Denkmusters finden könnte,verlangt weitere wichtige Veränderungeninnerhalb der Gesellschaft und bei denWasserbehörden. Auf der einen Seite solltedie Gesellschaft ihre Einstellung von Risiko-scheu zu Risikobewusstsein ändern. Da eineSytemkonfiguration mit Nullrisiko infolgetechnischer und wirtschaftlicher Einschrän-kungen nicht zu erreichen ist, werden Ge-meinschaften, die in gefährdeten Gebietenwohnen, aufgefordert, eine aktive Teil-nahme an der Verminderung der Hochwas-sergefahren zu leisten. Obwohl diese Ziel-vorstellung komplex ist, wäre dennoch dieRisikoakzeptanz als das Hauptproblem an-erkannt. Auf der anderen Seite sollte eineAusarbeitung neuer Strategien durch dieverantwortlichen Behörden des Hochwas-serrisikomanagements Vorbeugung, Schutzund Umgang mit dem Restrisiko zusam-menbringen. Darüber hinaus sollen dieseStrategien am Einzugsgebiet und am Fluss-netz entlang koordiniert werden und regio-nale und nationale Grenzen überschreiten.

Abschied von veralteten Konzepten

Während der bauliche Schutz (z. B. durchDeiche und Dammsysteme) ein wichtigerTeil des Hochwasserschutzes in dichtbesie-delten Gebieten bleibt, verkommt die Über-zeugung, dass die Natur eingeschränkt unddie Folgen der Hochwassergefahren unterKontrolle gebracht werden können, zu ei-nem veralteten Konzept. Abwehr durchBauten kann natürlich Probleme lokal lö-sen, z. B. an einem bestimmten Ort fluss-aufwärts in einer entlegenen Gegend; siekann aber gleichzeitig Probleme in denflussabwärts gelegenen Bereichen verursa-chen, vor allem bei grossen Flusssystemen.Dies hat sich öfters gezeigt bei den Hoch-wasserereignissen der letzten Jahre, diewichtige europäische Flüsse betroffen ha-ben (siehe Kästen). Daher sollten zwei alter-native Richtungen eingeschlagen werden.Die erste Richtung besteht darin, Menschenund transportierbare Güter bei einer dro-henden Hochwassergefahr umzusiedeln,wenn es nicht möglich (oder im weiterenSinne nicht machbar ist), sie lokal zu schüt-zen. Dies erfordert systematisches Einset-zen von Warnsystemen, deren Wirkungstark von der Leistungsfähigkeit der mathe-matischen Hochwasserprognosemodelle

abhängt. Da die ersten Beispiele der moder-nen Warnsysteme aus den 80er-Jahrenstammen, bieten die neuesten wissen-schaftlichen Errungschaften auf dem Ge-biet der aktuellen Wetterprognosen undder hydrologischen Modellierung für dieseAlternative einen breiteren Anwendungs-bereich.

Die zweite Richtung besteht darin, einendynamischeren Ansatz in der Planung vonLandbenutzung anzustreben, die es ermög-licht, den Flüssen die nahe gelegenen Fluss-gebiete zurückzugeben, welche zum Nach-teil von natürlichen Überschwemmungenund Rückhalteräumen anthropogen ge-macht worden sind. Die Freigabe dieser Ge-biete für die natürliche Flussausdehnungwird die erhöhte Fliessgeschwindigkeit derStröme ausgleichen (die durch Kanalisie-rung schiffbar gemacht worden sind), wo-durch die Zeit der Abflusskonzentrationverzögert und die Wasserstandsspitzen ge-dämpft werden. Während es offensichtlichsein sollte, dass die Planung neuer Siedlun-gen kurzfristige Landnutzung (vor allemin Überschwemmungsgebieten) vermeidenmuss, wird noch nicht erkannt, dass Um-siedlungen als kombinierter Versuch, dasSchadenspotential von Siedlungen zu redu-zieren und mehr Platz für die Flussausdeh-nung zu gewinnen, grösseren Nutzen brin-gen können als Investitionen in riesigeSchutzsyteme. Dies gilt vor allem bei lang-fristigen Planungshorizonten. Es ist denk-bar, dass das Umsiedlungsszenario attrakti-ver wird, wenn die Frequenz und die Inten-sität der Ereignisse infolge des Klimawan-dels ansteigen. Da die Kombination vonbaulichen Schutzmassnahmen, Warnsyste-men und Landnutzungsplanung das Hoch-wasserrisiko nicht beseitigen kann, mussder restliche Teil mit zusätzlichen adminis-trativen Massnahmen bewältigt werden;dabei könnte eine obligatorische Versiche-rung die wirksamste und praktikabelste Lö-sung sein.

Die zunehmende Rolle von planerischenMassnahmen durch eine fortschreitendeEinbettung des Hochwasserschutzes in denallgemeinen Rahmen der Wasserwirtschaftreduziert die Bedeutung von Hochwasser-schutzbauten zugunsten eines Ansatzes,der nicht von baulichen Massnahmen ge-prägt ist. So kann man das Überschwem-mungsgebiet der Flussdynamik überlassenund die ökologische Rolle von Hochwassernausnutzen, die sich aus der Reaktivierungder Verbindung zwischen Feuchtgebietenin den Überschwemmungsbereichen und

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Bild: Stadt Passau, wo der Durchfluss der Donauund des Inns zu einem Wasserstand führte,der in den vergangen 100 Jahren nur einmal überschritten worden war.

Das Hochwasser in Mittel-/Osteuropa im August 2002

In der ersten Hälfte im August 2002 führte eine sehr komplexe meteorologische Lagemit aufeinanderfolgenden Tiefdruckgebieten zu ausgedehnten und anhaltenden Re-genfällen in Süd- und Ostdeutschland sowie in Österreich und Ungarn und im Südender tschechischen Republik. Die grossen Flüsse dieser Regionen wiesen sehr hohe Ab-flüsse und Wasserstände auf, vergleichbar mit den grössten Ereignissen, die je beurkun-det worden waren. Die Elbe und die Donau überfluteten ausgedehnte Gebiete, darunterviele Siedlungsgebiete mit historischen und künstlerischen Merkmalen, z. B. den Zwin-ger in Dresden oder das Staatstheater in Prag. Die zunehmende Dichte von Siedlungenmit hohen Sachwerten in tief liegenden Gegenden der Überschwemmungsgebiete hatausser Opfern enorme Schäden im Betrag von über 20 Milliarden Euro verursacht.

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dem Hauptstrom ergibt. Solche Verbindun-gen, die durch regelmässige Hochwasserund kontinuierlichen unterirdischen Was-sertausch entstehen, leisten einen Beitragzum Reichtum des aquatischen und pflanz-lichen Ökosystems.

Internationale Zusammenarbeit füreine gemeinsame Strategie

Die Wirksamkeit neu entwickelter Strate-gien hängt jedoch von der Möglichkeit ab,eine räumliche Kontinuität der Aktivitäteninnerhalb des Einzugsgebiets sicherzustel-len. Die Kontinuität flussaufwärts und fluss-abwärts erfordert eine engere Zusammen-arbeit zwischen Ländern, die Teilhaber angrossen Einzugsgebieten sind. Mit anderenWorten muss sich der Gedanke vom Ein-zugsgebiet als geografische Bezugseinheitgegen nationale Grenzen durchsetzen unddie Festlegung der Massnahmen bestim-men, welche die Auswirkung des Hochwas-

sers minimieren sollen. Ansätze, die dasEinzugsgebiet einheitlich betrachten unddie Einschränkungen durch administrative,regionale und nationale Grenzen überwin-den, sollen bevorzugt werden. Wissen-schaftler und Techniker vermögen in der Re-gel bestimmte Gebiete innerhalb des Ein-zugsgebiets und entlang des Flussnetzes zuerkennen, die durch unterschiedliche Reak-tionen in Bezug auf Hochwasser und durchunterschiedliche Bedürfnisse bezüglich derBewältigung von Hochwassergefahren cha-rakterisiert sind. Diese Einsicht fehlt jedochhäufig den Politikern und den Behörden, dieoft nur kurzfristige Strategien unterstüt-zen anstatt eine langfristige, auf Risiko-abwägung gestützte Planung zu fördern.Dies deutet darauf hin, dass ein grenz-überschreitender Ansatz für den Hochwas-serschutz nicht nur in Bezug auf den Bei-trag von verschiedenen wissenschaftlichenFachgebieten zur Entwicklung von Progno-semodellen angestrebt werden muss, son-dern sehr wohl auch auf der Förderung ei-

ner starken internationalen Zusammenar-beit unter den zuständigen Behörden be-ruht. In diesem Sinne muss der erste Schrittdurch Investitionen in eine Vereinheitli-chung von Überwachungsdiensten in Eu-ropa und durch den freien Zugang zu hydro-meteorologischen Informationen für dieEntwickelung von gemeinsamen Warnsys-temen gemacht werden. Die deutliche Zu-nahme der Ereignisse in den letzten Jahrenhat bereits konkrete Pilotanstösse geför-dert, grössere Anstrengungen sind jedochweiterhin notwendig. Der zweite Schritt istdie Aushandlung von internationalen Ver-einbarungen, welche die Basis für eingleichmässig verteiltes Hochwasserrisikohinsichtlich der morphologischen, geografi-schen, technischen und administrativenEinschränkungen bildet. Obwohl Beispieleeiner solchen Zusammenarbeit in Europa(z. B. beim Rhein) vorhanden sind, fehlt esan einem systematischen Ansatz bei meh-reren wichtigen internationalen Flüssen.Nun zwingt die Umsetzung der EU-Wasser-rahmenrichtlinien, das Fluss-Einzugsgebietals geografische Bezugseinheit für die Was-serwirtschaft festzulegen. Dies kann einAusgangspunkt für entsprechende interna-tionale Vereinbarungen sein. Das interna-tionale Jahr des Süsswassers bietet eineausgezeichnete Gelegenheit, ein breites Pu-blikum auf dieses Problem aufmerksam zumachen.

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Prof. Dr. Paolo Burlandoordentlicher Professor für Hydrologie undWasserwirtschaft am Institut für Hydromechanik und Wasserwirtschaftder ETH Zürich

ForschungsinformationenProf. Dr. Paolo Burlando, E-Mail:[email protected],Tel. 633 3812/13www.baum.ethz.ch/ihw/hydrologie/index.htmlwww.cenat.chwww.planat.ch

Das Hochwasser im Oktober 2000in der Schweiz

Das Hochwasserereignis, das im Oktober 2000 das Wallis heimsuchte, war vergleichbarmit dem Ereignis von 1993. Niederschlagssummen bis 500 mm fielen innerhalb von we-nigen Tagen, was Hochwasserereignisse verursachte, die zu Überschwemmungen in derRhoneebene führten und zahlreiche Erdrutsche auslösten. In Gondo starben 12 Perso-nen. Dank Massnahmen, die nach dem Ereignis von 1993 (Überschwemmung von Brig)ergriffen worden waren, wurde die Wucht des Hochwassers 2000 gedämpft. DieSumme des unmittelbaren Schadens wurde auf 470 Millionen Schweizer Franken ge-schätzt. Die Dammbrüche und die ungenügende Transportkapazität des Flusses, welcheder Hauptgrund für die Hochwasserkatastrophe vom Oktober 2000 waren, stellen Auf-gaben für die dritte Rhonekorrektion.

Weitere Informationen:«Hochwasser 2000», Bericht des BWG, Serie Wasser, Nr. 2, Bern 2002Teysseire, Jean-Claude: Die dritte Rhonekorrektion, in: Wasser, Energie, Luft, Jg. 89, 1997,Nr. 5/6, S. 97–100.

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Einige der neuesten Schätzungen deutendarauf hin, dass 80% des Süsswasserab-flusses in den Flüssen des Unterlandes inGebirgseinzugsgebieten entspringen. Auf-grund vieler Ungewissheiten – beispiels-weise des Fehlens ausreichender Überwa-chungssysteme – ist eine genaue Abschät-zung schwierig. Es ist jedoch klar, dass vieleLänder ihr Wasserangebot Flüssen verdan-ken, die weit entfernt in den Bergen ent-springen. Grobe Abschätzungen zeigen,dass rund 50% der Weltbevölkerung – vonAsien bis Afrika, über Europa und Amerika –sich auf das Wasser verlässt, das von denBergen bis zum Meer fliesst. Ausserdem fälltbei etwa 200 Flüssen, die für rund 40% derWeltbevölkerung lebenswichtig sind, derFlusslauf in die Gebietshoheit von zwei odermehreren Ländern, was eine potenzielleQuelle für wasserbezogene Konflikte ist.

Wasser aus den Bergen – Leben fürdas Unterland

Gebirgswasser stellt eine lokale Ressourcedar und ist unter anderem die Süsswasser-quelle für menschliches Leben, Landwirt-schaft, Wasserkraft und Erhaltung der bio-logischen Vielfalt. Gleichzeitig bildet esauch die Grundlage für die Wirtschaft desUnterlandes, indem es dort das Abflussre-gime der Flüsse erheblich beeinflusst. Bei-spielsweise stammen ungefähr 90% desAbflusses des Indus aus den hohen Bergenvon Hindukush, Karakorum und Westhima-laya. Sie versorgen eines der grössten Was-serwirtschafts- und Bewässerungssysteme

der Welt, von dem der Lebensunterhalt vonhundert Millionen Personen abhängt. Inähnlicher Weise sind die südamerikani-schen Länder am Pazifischen Ozean vomSchmelzwasser der Gletscher in den Andenabhängig, das die langen trockenen Jah-reszeiten ausgleicht und die flussabwärts-gelegenen ariden Tiefebenen mit Wasserspeist.

Diese Ressourcen scheinen nun von einemsichtbaren Klimawandel bedroht zu sein,der das vorhandene Gleichgewicht zwi-schen Angebot und Nachfrage irreversibelverändern könnte. Insofern wächst das Be-dürfnis, nachhaltige wasserwirtschaftlicheStrategien zu entwickeln, die den Ausgleichzwischen Wassernutzung und -erhaltungschaffen. Solche Strategien können nur aufder Basis umfassender Kenntnisse über dieDynamik der Gebirgseinzugsgebiete erar-beitet werden. Dies trifft ganz besondersfür jene Gebiete zu, die von ganzjährigenSchneedecken und vergletscherten Flächenbeherrscht werden und dadurch natürli-cherweise eine ausgeprägte Sensitivität ge-genüber Klimaänderungen zeigen.

Gebirgswasser: Ressource und Risiko

Eine Veränderung der Klimaregime, hervor-gerufen durch die Zunahme des Treibhaus-effektes, wie er von vielen Studien voraus-gesagt wird, kann die Flusssysteme, die denGebirgsregionen entspringen, ernsthaft be-einträchtigen. Eine steigende Anzahl vonAnzeichen für Gletscherrückzug, Permafrost-

reduktion und Schneefallabnahme ist invielen Gebirgsregionen beobachtet wor-den; sie geben Hinweise, dass Klimaände-rungen (seien diese durch die Natur oderden Menschen hervorgerufen) ernsthaftden Wasserreichtum gefährden und dieErdrutschgefahr und flussabwärts dasÜberschwemmungsrisiko erhöhen können.Entsprechende Nachweise können zum Bei-spiel erbracht werden durch die Erhebun-gen der UNEP1 zu den Auswirkungen derglobalen Erwärmung in Gebirgsregionen.Jüngste Forschungskampagnen im Hima-laya deuten darauf hin, «dass die globale Er-wärmung sich zu einer, wenn nicht der gröss-ten, Bedrohung der Gebirgsregionen ent-wickelt. Die Spuren des Klimawandels warenalle rundherum feststellbar, von riesigenNarben, die durch abrupt auftretende Glet-scherhochwasser in Landschaften geschla-gen wurden bis zu den Seen, die aufgrundvon schmelzenden Gletschern angeschwol-len waren . . . ganz rasche und markante Ver-änderungen (vollzogen sich) über die letzten20 Jahre in den Eisfeldern und . . . diese Verän-derungen schienen sich zu beschleunigen.2»

Die Änderungen, die in den höher gelege-nen Gebirgseinzugsgebieten erwartet wer-den, werden das Schmelzwasserregime be-einträchtigen und folglich auch die Strom-produktion durch Wasserkraft sowie die Be-wässerungssysteme und die an das Wassergebundenen Ökosysteme. Ebenso werden

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B E R G E A LS S Ü S SWA S S E R Q U E L L E

G E B I R G SWA S S E R I M K L I M AWA N D E L PAO LO B U R L A N D O

Das Jahr 2002 wurde als das internationale Jahr der Berge gefeiert.2003 ist zum internationalen Jahr des Süsswassers erklärtworden und stellt eine ideale Fortsetzung des Jahres der Berge dar.Die Berge sind in der Tat die Hauptquelle des Süsswassers,von dem die Existenz und der Wohlstand vieler Regionen des Unter-landes abhängig sind. Ein Klimawandel könnte eine Gefahr für diesen wertvollen Reichtum darstellen.

1 United Nations Environment Program2 UNEP News Release 2002/46, available athttp://www.unep.org/Documents/Default.asp?Do-cumentID=253&ArticleID=3080

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Rund 50% der Weltbevölkerung verlässt sich auf Wasser, dessen Ursprung in Bergregionen liegt.

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Es gibt Anzeichen, dass Klimaänderungen ernsthaft den Wasserreichtum gefährden und die Erdrutsch- und Überschwemmungsgefahr erhöhen.

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sich voraussichtlich auch die Naturgefah-ren verstärken. Eine veränderte Saisonalitätder Abflüsse, verbunden mit einer stärkerenGletscher- und Schneeschmelze, kann einhöheres Hochwasserrisiko verursachen,und zwar sowohl in den höher gelegen Ein-zugsgebieten als auch flussabwärts in denÜberschwemmungsgebieten des Unterlan-des. Zudem werden der Rückzug der Glet-scher und das Ansteigen der mittleren Tem-peratur möglicherweise die Permafrost-gebiete der Erwärmung aussetzen undGletscherschutt zur Erosion bringen. Daswiederum führt zu einem grösseren Risikoinfolge erhöhter Hanginstabilitäten. Dieskann sowohl ganze Bevölkerungsteile imGebirge als auch Verkehrsverbindungen be-drohen.

In humiden Regionen liefern die Berge biszu 60% des Süsswassers, das im Unterlandgebraucht wird; in semi-ariden und aridenGegenden steigt dieser Anteil bis auf 95%.Deshalb ist es offensichtlich, dass die ge-sellschaftlich-wirtschaftlichen Strukturender an den Unterläufen der Flüsse lebendenBevölkerung auch betroffen werden, wasmöglicherweise die ohnehin schon kon-fliktgeladene Situation in unterentwickel-ten Ländern wie in Zentralasien und Süd-amerika noch verschärft. Diese Problemekönnen auch in einigen europäischen Län-dern auftreten, allerdings etwas wenigerausgeprägt. Dementsprechend wird dieAufmerksamkeit mehr auf die Bewahrungdes aquatischen Ökosystems, das die zu-nehmende Besiedlung überlebt hat, undauf die Dämpfung der wachsenden Hoch-wasser- und Erdrutschrisiken gerichtet, ob-

wohl einige schneegespiesene Flüsse inEuropa ebenfalls ernsthafte Verschiebun-gen im jahreszeitlichen Verlauf ihrer Ab-flüsse erfahren könnten.

Der schleichenden Erschöpfung der Res-sourcen und dem Anstieg der mit Wasserzusammenhängenden Naturgefahren mussdarum mit einer wachsamen Strategie be-gegnet werden. Nebst Aktionen, die direktauf die Verringerung der Klimaänderungenabzielen, können auch wirkungsvolle Ver-besserungen des Wassermanagements er-zielt werden. Dazu ist eine sorgfältigeAnalyse der gegenwärtigen zeitlichen undräumlichen Verteilung der Ressourcen inden gefährdeten Einzugsgebieten im Hin-blick auf die Auswirkungen durch einenmöglichen Klimawandel notwendig. Bei-spielsweise lässt sich dies erreichen, indemuntersucht wird, wie Klimaänderungen dasmittel- und langfristige Verhalten von Re-gionen der Erde, die von Schnee und ewi-gem Eis dominiert werden, beeinflussenkönnen und wie sich solche Veränderungenstromabwärts in die tiefer liegenden Ge-genden übertragen, wo der Wasserver-brauch für Energieproduktion, Bewässe-rung, Ernährung und das tägliche Leben amgrössten ist.

Eine Aufgabe für Natur-, Ingenieur-und für Sozialwissenschaften

Die Antizipation des Klimawandels unddessen Einfluss auf das Wasser der Gebirgeverlangt die Verfügbarkeit zuverlässigerPrognosemodelle, die es erlauben, Entwick-lungen wie Gletscheränderungen, Ausmassdes Schnees, Schneeschmelze und Verände-rungen der Wasserressourcen, welche vonden klimatischen Verhältnissen abhängigsind, vorherzusagen. Trotz der gegenwärti-gen Fortschritte beim Verständnis der phy-sikalischen Mechanismen der zugrunde lie-genden Prozesse ist die Modellierung desgesamtheitlichen Verhaltens von gebirgi-gen Einzugsgebieten in einigen Fällen (bes-ser gesagt in den meisten Fällen) schwierig– vor allem, weil ein adäquates Monitoringfehlt, aber auch weil die Prozesse sehr kom-plex sind. Dass hydrologische Modellegenügend leistungsfähig sind, um konsis-tente Szenarien zur Entwicklung geeigne-ter Managementstrategien bezüglich derWasserressourcen bereitzustellen, ist vorallem zweifelhaft in denjenigen Gebieten,in denen der Bedarf an Prognosen amgrössten ist. Aufgrund der immer besserenVerfügbarkeit von Fernerkundungsdatenbesteht zwar eine bessere Ausgangslagefür Modelleingaben und deren Verifizie-rung. Doch ist das Verständnis der Sensiti-vität von Gebirgsregionen auf den Klima-wandel, der sowohl von den Gletschern alsauch von der perennierenden und saisona-len Schneebedeckung dominiert wird, nochvon grossen Unsicherheiten begleitet. DerSchwerpunkt der Forschung liegt demzu-folge darin, genau diese ungelösten wis-

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Abb. 1: Beispiel einer simulierten Verschiebung in der Saisonalität des Abflusses der Aare, verursacht durch den Klimawandel. Die Auswirkung der erhöhten Konzentration der Treibhausgase (GHG) und der GHG plus Sulfat-Aerosole (SUL) führt zu einem höheren durchschnittlichen winterlichen Abfluss, der von dem steigendenAnteil des flüssigen Niederschlags im Zusammenhang mit der vorweggenommenen Schneeschmelze im Frühling resultiert (Burlando et al., 1999).

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senschaftlichen Fragen zu lösen, die die Ba-sis für die Entwicklung zuverlässiger Pro-gnoseinstrumente sind. Es geht somit umdie Bildung einer soliden wissenschaftli-chen Basis für die Fragestellungen dernachhaltigen Entwicklung. Eines der not-wendigen Hauptaugenmerke liegt dabeiauf dem Verständnis der räumlichen undzeitlichen Langzeitveränderungen der ver-fügbaren Ressource, angefangen bei dendurch Jahreszeiten und Schnee dominier-ten Oberläufen bis hin zu den oftmals ari-den Unterläufen.

In dieser Hinsicht sind Veränderungen, diedurch die Dynamik des menschlichen Ver-haltens als Konsequenz des Einflusses desKlimawandels auf die Wasserressourcenausgelöst werden, eine weitaus komple-xere Sache. Bevölkerungswachstum ist viel-leicht die offensichtlichste Bedrohung füreine ausreichende Wasserversorgung. Siegeht jedoch einher mit einem Wechsel derNormen und neu entstehenden Aktivitäten,die zu einem stärkeren Wettbewerb derWassernutzung zwischen Landwirtschaft,Industrie, Freizeit und häuslichen Aktivitä-ten führen. Nur angepasste Lösungen zumManagement der Wassernutzung werdendeswegen dazu beitragen können, eine effi-ziente und gerechte Nutzung zu erreichen.Wasserknappheit kann durch Missmanage-ment verstärkt werden, das soziale undökonomische Disparitäten anwachsen lässtund ein potentieller Grund ist für todbrin-gende internationale Konflikte. Die in denGebirgen lebenden Bevölkerungen habeneine lange Tradition des Managements die-ser kostbaren Ressource. Deshalb könnensie eine wichtige Quelle sein, um Erkennt-nisse über das Dilemma der Verwaltung ei-nes öffentlichen Gutes zu gewinnen, daskeine Grenzen kennt und deshalb umgelei-tet und gehandelt werden kann. Allgemeinzeigen Ressourcen, die in dieser Weisedurch natürliche Prozesse gesteuert wer-den, einen untrennbaren Zusammenhangmit politischen und ökonomischen Interes-sen und Kräften.

Als Antwort auf ihre einzigartige physischeUmgebung haben die in Gebirgen lebendenGesellschaften weltweit eine breite Vielfaltan institutionellen Einrichtungen geschaf-fen. Diese sind bestrebt, Vorzüge zu maxi-mieren und gleichzeitig Gefahren zu redu-zieren, die besonders im saisonalen hydro-logischen Muster und der damit verbunde-nen saisonalen Speicherung des Wassersliegen. Sowohl Gebirgsbevölkerungen alsauch Gemeinschaften der Tiefländer, die auf das Wasser der Gebirge angewiesen

sind, haben ihre Aktivitäten (z. B. in derLandwirtschaft) in einem sozialen Gefügeorganisiert, das auf den Speichereffektenvon Schnee und Gletschern basiert. In denGebirgsregionen haben sich daher relativausgedehnte und leistungsstarke Bewässe-rungssysteme entwickelt, insbesondere inden Alpen (in den Regionen Wallis undGraubünden/Schweiz) aber auch im Hima-laya, den Anden und anderen Hauptge-birgszügen. Nicht nur der Aufbau, sondernauch die Erhaltung und die Etablierung derNutzungsregeln für die Bewässerungssys-teme sind mit komplexer sozialer Organi-sation verbunden. Die Saisonalität ist je-doch nicht nur wichtig für die Gebirgsregio-nen an sich, sondern auch für die Landwirt-schaft und die Wasserkraft (d. h. Stromge-winnung) im Gebiet des Unterlaufes. Einklassisches Beispiel ist die ägyptische Kul-tur, welche abhängig von den saisonalenÜberschwemmungen des Nils war – Über-schwemmungen, welche ihren Ursprung imWasser des äthiopischen Hochplateaus hat-ten.

Der Klimawechsel ist dabei, diese Mustergrundlegend zu ändern. Dementsprechendwerden auch die Wasserressourcen in denGebirgen beeinflusst, und der Wasserge-brauch, sowohl in höheren als auch in tiefe-ren Regionen, wird dadurch beeinträchtigtwerden. Obgleich man argumentieren kann,dass die Menschen sich dem Wechsel an-passen werden und ihre sozialen Verknüp-fungen so arrangieren, dass sie Vorteile ausdem veränderten Wasserkreislauf ziehen,ist es nicht zu ignorieren, dass diese Ände-

rungen wahrscheinlich die Bevölkerungenin den ärmsten Regionen der Welt betreffenwerden. Die moderne Wissenschaft bietetMethoden an, um solche Entwicklungen zuuntersuchen und vorherzusagen. Die ver-antwortlichen Wissenschaftler und Institu-tionen sollten daher die Gelegenheit nichtverpassen, ihr Wissen zu hinterfragen undden Bedürfnissen der gefährdeten Lebens-gemeinschaften zu dienen.

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Prof. Dr. Paolo Burlandoordentlicher Professor für Hydrologie undWasserwirtschaft am Institut für Hydromechanik und Wasserwirtschaftder ETH Zürich

ForschungsinformationenProf. Dr. Paolo Burlando, E-Mail:[email protected],Tel. 633 3812/13www.arolla.ethz.ch

Ref.: BURLANDO, P., E.M. FRASCHINI, andA. KÜHNE, (1999) Impact of climatechange on river runoff in mountainousareas, in: RIBAMOD – River basin model-ling, management and flood mitiga-tion. Concerted action, EUR 18287, ed. byP. Balabanis et al., pp. 251–268.

Abb. 2: Feldarbeit auf dem Gletscher in Arolla, Wallis, Schweiz, die im Rahmen des Forschungsprojekts der Profes-sur Hydrologie und Wasserwirtschaft, ETH Zürich durchgeführt wird. Obwohl die experimentelle Forschungs-arbeit und das Monitoring der Gletschergebiete sehr wichtig sind, um die Prognosemodelle zu verbessern,muss man berücksichtigen, dass sie äusserst anspruchsvoll sind. Aufgrund der operativen und klimatischen Bedingungen trifft dies insbesondere in den entlegenen Gebieten des Himalaya und der Anden zu.Ref.: www.arolla.ethz.ch

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In vielen Fällen spielt Wasser als Auslöservon Massenbewegungen in Böden eine ent-scheidende Rolle. Dabei gibt es ein paar un-terschiedliche Mechanismen, welche alsAuslöser in Frage kommen. Beispiele dafürsind plötzliche und intensive oder lang an-dauernde Niederschläge, das Schmelzenvon Eis oder aber unterirdische Strömun-gen in Zonen mit einer erhöhten Durchläs-sigkeit, wie sie in zerklüftetem Fels odergrobkörnigen Böden vorkommen. Einige Si-tuationen, in welchen Wasser als Auslöserfür Böschungsinstabilitäten verantwortlichwar, sollen im vorliegenden Beitrag vorge-stellt und erläutert werden. Doch bevor wirmit den Beispielen beginnen, muss eine lei-der immer wieder auftretende falsche Vor-stellung geklärt werden. Das Versagen des

Bodens ist nicht die Folge einer Schmierungder Bodenkörner durch das Wasser. DieserArtikel möchte mit Hilfe von Beispielen ei-nen kleinen Überblick über die in der Naturwirklich auftretenden Mechanismen wie-dergeben.

Aktuelle Ereignisse

Der klimatische Einfluss, insbesondere auchdessen Veränderungen mit den Jahren, darfbei der Betrachtung von Böschungsinstabi-litäten nicht unbeachtet bleiben. Es gibtunzählige Beispiele, bei denen ein Erd-rutsch nach intensiven Niederschlägen aus-gelöst wurde und grosse Schäden angerich-tet hat. Aktuell kam es in der Nacht vom

12. auf den 13. Mai 2002 in den GemeindenRüdlingen und Buchberg, Kanton Schaff-hausen, zu solchen Ereignissen, nachdeminnerhalb von 40 Minuten ungefähr 100 mmRegen niedergegangen waren. Insgesamtwurden danach 42 Rutschungen unter-schiedlichen Ausmasses gezählt, welche einen Schaden an verschiedenen Bauwer-ken (Abb. 1) von mehr als einer Million Fran-ken verursachten. Zwei charakteristischeBruchmechanismen konnten beobachtetwerden: Das Wasser sättigte die bis anhinungesättigten obersten Bodenschichtenund löste dabei eine Rutschung aus. Ero-sionsprozesse entlang vorhandener Was-serläufe und Entwässerungssysteme führ-ten zu zusätzlichen Rutschungen.

M A S S E N B E W E G U N G E N

W E N N WA S S E R D I E E R D E I N S R U T S C H E N B R I N G TS A R A H S P R I N G M A N U N D L U K A S A R E N S O N

Wasser als Auslöser von Massenbewegungen in Böden ist in der Schweiz ein ernst zu nehmendes Problem. Erdrutsche zerstören Häuser,Bahndämme und Strassen und verursachen Schäden in Millionenhöhe.ETH-Forscher untersuchen die Mechanismen, die zu Erdrutschen führen.

Abb. 1: Schäden in der Gemeinde Rüdlingen nach dem Hochwasser vom 12. auf den 13. Mai 2002:Kilchenweg (links) und Hinterdorf (rechts) (Bilder: M. Sperl).

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Ein anderes Beispiel ist die oberflächen-nahe Rutschung an einem mit 22° geneig-ten Hang, dem Hellbüchel bei Lutzenbergim Kanton Appenzell AR. In der Nacht aufSonntag, den 1. September 2002, rutschtenum 3 Uhr morgens ungefähr acht- bis zehn-tausend Kubikmeter Erdmaterial auf einerGleitfläche in einer Tiefe von 2 m talwärtsund verschütteten ein Haus, aus dem dreiPersonen nur noch tot geborgen werdenkonnten. Weitere sechs Häuser gerietendurch den Erdrutsch in Bewegung und wur-den teilweise beschädigt. Auch diesem Er-eignis sind ausgiebige Regenfälle vorange-gangen, doch der verheerende Bruch wurdedurch Regenwasser ausgelöst, welches sichinnerhalb einer gut durchlässigen Schichtin der obersten Zone des verwitterten Fel-sens angesammelt hatte. In dieser Schichtkam es in der Folge zu einer Erhöhung desWasserdruckes und damit verbunden zueiner Reduktion der effektiven Spannungenzwischen den Bodenkörnern entlang demÜbergang zwischen Boden und Fels, welchefür die Scherfestigkeit des Bodens verant-wortlich sind (sog. Mohr-Coulomb-Bruch-kriterium).

Diese Reduktion der Scherfestigkeit kannauch am Beispiel von «surging glaciers»,das sind Gletscher, die nach einem kontinu-ierlichen Rückzug plötzlich vorrücken, umsich dann wieder zurückzuziehen, erklärtwerden. Heftige Niederschläge führendazu, dass in den Kanälen unterhalb desGletschereises grosse Wasserdrücke entste-hen. Diese können so gross werden, dass siedie Eismasse anzuheben vermögen und dieKontaktspannungen zwischen dem Eis unddem Gletscherbett reduzieren. Als Folge da-von wird der Reibwiderstand bis zu einemkritischen Zustand vermindert, und derGletscher gleitet talwärts, bis die erhöhtenWasserdrücke abgebaut sind und die Rei-bung zwischen dem Eis und dem Unter-grund ein weiteres Vorrücken wieder ver-hindern kann.

Diese beiden Beispiele stehen stellvertre-tend für die Ereignisse, die heftige Regen-fälle in der Schweiz immer wieder auslösenund zu Schäden in Millionenhöhe führen.So verursachten die Unwetter Ende Novem-ber 2002 im Kanton Graubünden Schädenvon rund 150 Millionen Franken. Und erstAnfang Januar musste die Strasse über denBalmberg (SO) gesperrt werden, da rund30 000 Kubikmeter Schlamm und Geröllniedergegangen waren. Immer wieder wer-den Strassen oder Bahnlinien zerstört, wie

zum Beispiel im Juli 2002 im Centovalli.Glücklicherweise bilden Ereignisse wie je-nes am Hellbüchel oder aber die Katastro-phe von Gondo (14. 10. 2000) zurzeit nochdie Ausnahme. Doch können klimatisch be-dingte Veränderungen der Niederschlägeoder unüberlegtes Bauen diese Anzahl nurzu rasch erhöhen.

Nicht nur heftige Regenereignisse könnenMassenbewegungen beeinflussen, auchmarkante Veränderungen im jährlichenMittel der Niederschläge können dazuführen, dass sich die Verformungen des Bo-dens verändern. Ein Beispiel dafür ist die ingrösserer Tiefe liegende Scherzone bei St.Moritz, welche für die Schieflage des Turmsder ehemaligen St.-Mauritius-Kirche ver-antwortlich ist und vom Institut für Geo-technik seit beinahe 30 Jahren beobachtetwird. Ein direkter Zusammenhang zwischender Grundwasserströmung und der Kriech-bewegung in der Scherzone konnte dabeifestgestellt werden: bei zunehmendemStrömungsdruck bewegt sich der Hangschneller.

Erdrutsche im Versuchsfeld

Am Institut für Geotechnik laufen zurzeitzwei Forschungsarbeiten, welche sich in-tensiv mit den Zusammenhängen zwischenBöschungsstabilität und dem Einfluss desWassers auseinandersetzen. Im ersten Pro-jekt wird die Stabilität einer steilen Morä-nenböschung mit oberflächennahen Gleit-flächen untersucht. Dabei werden ganzunterschiedliche Kombinationen von langandauernden und intensiven Regenereig-nissen simuliert. Die Versuchsfelder wurdenin zwei unterschiedlich steilen Böschungenmit einer Neigung von 31° und 42° angeord-net. Während des Versuchs werden me-teorologische, hydrologische und geotech-nische Daten als Funktion der Nieder-schlagsmenge gemessen, wie die Boden-feuchtigkeit, die Veränderung des Sätti-gungsgrades mit der Tiefe sowie die Saug-spannungen in den unterschiedlichen Tie-fen. Zusätzlich wurde versucht, die angefal-lene Abflussmenge und die Verschiebungder Böschung zu messen. Die Böschungenwurden bis zu einer Woche lang mit einemkünstlich erzeugten Niederschlag, der ei-nem 500-jährigen Regenereignis ent-sprach, beregnet. In sämtlichen Versuchenblieb die 31°-Böschung stabil, während die42°-Böschung in einer Tiefe von 30–50 cmabrutschte, nachdem die obersten Schich-

ten fast vollständig gesättigt waren. Scher-versuche vor Ort zeigten dann auch, dassder Reibungswinkel des untersuchten Bo-dens einen Wert von ca. 39° aufweist. Ein-fach ausgedrückt heisst dies, dass die stei-lere Böschung nur aufgrund der Saugspan-nungen des teilgesättigten Bodens stabilsein konnte. Diese Wechselwirkung erlaubtes auch, dass wir am Strand tolle Sandbur-gen bauen können, da die Sandkörner auf-grund der Saugspannung zusammengehal-ten werden. Bei einer Sättigung der Boden-matrix von mehr als 90% muss jedoch miteinem Abbau der für die Scherfestigkeit po-sitiv wirkenden Saugspannungen gerech-net werden.

In einem nächsten Schritt geht es darum,analoges Wissen für andere Bodenarten zuerarbeiten. Insbesondere muss eine Me-thode entwickelt werden, damit der Sätti-gungsgrad und damit die Saugspannungdes Bodens in Abhängigkeit der Nieder-schlagsintensität, der Böschungsneigungund des Materials bestimmt werden kann.Mit dieser Information kann dann die Stabi-lität einer Böschung mit Hilfe vorhandenerStoffgesetze beurteilt werden. Wie immer,wenn wir versuchen, natürliche Phä-nomene mathematisch zu modellieren,sind Eingangsparameter erforderlich, dienie mit einer absoluten Genauigkeit be-stimmt werden können. Diese Unsicherhei-ten, sowohl in der Geometrie als auch inden Eigenschaften des Untergrunds, müs-sen richtig beurteilt werden, sodass das«worst-case»-Szenario abgedeckt wird.

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Abb. 2: Bohrungen auf dem Blockgletscher Muragl(Bild: L. Arenson)

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Der Kanton Graubünden rechnet mit 15 Millionen Franken, die ihn der Schutz von bewohnten Gebieten und Verkehrswegen vorUnwetterschäden jährlich kostet – die Millionenschäden aus aktuellen Extremereignissen nicht eingerechnet.

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Gletscher und Permafrost

Ein anderes Beispiel für ein Böschungsver-sagen ist eine Hanginstabilität infolgeSchmelzens von Permafrost, wie dies zumBeispiel bei den Murgängen im Jahr 1987beobachtet werden konnte. Dabei müssenzwei verschiedene Mechanismen unter-schieden werden. Der Permafrostspiegelbildet eine hydraulisch undurchlässigeSchicht, sodass das Schmelz- und Regen-wasser in der Auftauschicht, die obersteSchicht, welche im Sommer auftaut und imWinter wieder gefriert, abfliessen kann.Wie dies bereits vorgängig für «surgende»Gletscher beschriebenen wurde, kann esdadurch zu einer Instabilität der Auftau-schicht kommen. Neben dem Strömungs-druck bewirkt die Zunahme der Porenwas-serdrücke eine Reduktion der effektivenSpannungen und eine Zerstörung derSaugspannungen, sodass die Scherfestig-keit des Materials abnimmt. Die Auftau-schicht kann je nach Lage 3–5 m mächtigsein. Auch wenn das Volumen der Auftau-schicht relativ gering ist, können durch sol-che Prozesse, insbesondere in steilen Berg-regionen, grössere Erdrutsche in den darun-ter liegenden Gebieten ausgelöst werden.Zu grösseren Instabilitäten kann es auchkommen, wenn das Eis im Permafrostschmilzt und die zementierende, d. h. bin-dende Wirkung des gefrorenen Wassersverloren geht.

Die geotechnischen und geophysikalischenUntersuchungen, welche bei zwei Block-gletschern, (talwärts kriechender Per-mafrost), im Engadin durchgeführt wurden,ergaben, dass dieser gefrorene Untergrundsehr heterogen sein kann. Ein System vonPoren kann Wasser von der Oberfläche intiefer liegende Schichten bringen. Nebeneiner Reduktion der effektiven Spannungenund damit der Scherfestigkeit infolge dererhöhten Wasserdrücke kann dies auch zueinem beschleunigten Schmelzen des Eisesinfolge von Wärmetransport führen. Die ab-geteuften Bohrungen zeigten (Abb. 2), dassunterhalb der Permafrostbasis sehr durch-lässiges Material vorhanden ist, welcheseine gute Drainage des an der Basis schmel-zenden Eises bildet, sodass sich keine er-höhten Wasserdrücke aufbauen können.Andererseits wurden in diesen Schichtensaisonale Temperaturschwankungen ge-messen, die eine Verbindung zur Atmos-phäre belegen und dazu führen, dass dieTemperaturen im gefrorenen Boden auchvon der Basis her beeinflusst werden.

Beim Felssturz an der Axenstrasse vom 11. Februar dieses Jahres (Abb. 3) war sehrwahrscheinlich gerade der umgekehrte Pro-zess für das Versagen der Felspartie verant-wortlich. Wasser, welches in das Kluftsys-tem eindringen konnte, ist aufgrund derkalten Temperaturen in der Nacht gefrorenund hat sich dabei ausgedehnt. Der Felswurde auseinandergedrückt, und die Klüftewurden so weit verlängert, bis es zu einemVersagen gekommen ist, welches glückli-cherweise keine Menschenleben kostete.Diese Art der Verwitterung ist an sich sehrtypisch für den alpinen Raum, wurde aberin diesem Ausmass nicht erwartet.

Anhand einiger Beispiele wollten wir dieWichtigkeit von Wasser für die Stabilitätvon Hängen aufzeigen und demonstrieren,wie schnell eine stabile Situation zu einerGefahr werden kann. Viele für diese Kata-strophen verantwortliche Mechanismensind schon seit längerem bekannt, dochfehlen uns zurzeit noch die genauen Para-meter und detaillierte Angaben über derenWechselwirkungen, um die Mechanismenmodellieren und bessere Voraussagen ma-chen zu können. Doch wenn wir uns einmalder möglichen Gefahren bewusst sind, soll-ten wir in der Lage sein, angemessene Vor-kehrungen zu treffen und nicht im Nach-hinein wild zu spekulieren.

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Prof. Dr. Sarah Springmanordentliche Professorin für Geotechnik amInstitut für Geotechnik der ETH Zürich

Lukas Arensonwissenschaftlicher Mitarbeiter am Institutfür Geotechnik der ETH Zürich

LiteraturArenson, L. U. 2002. Unstable Alpinepermafrost: A potentially important na-tural hazard – Variations of geotechni-cal behaviour with time and tempera-ture. ETH Diss. No. 14801.Chikatamarla, R. 2003. Rockfall onAxenstrasse N4. IGT Interner Bericht.Müller, E. R. und Messina, G. 1992. Rut-schung Sass Runzöl – Brattas, St. Moritz.Geotechnisches Gutachten, Bericht Nr.2510-1. Büchi & Müller AG, Chur (unver-öffentlicht).Springman, S. M., Jommi, C. und Teys-seire, P. 2003. Instabilities on moraineslopes induced by loss of suction: a casehistory. Géotechnique 53, No 1, 3–10.Sterba, I. Lang, H.-J. und Amann, P. 2000.The Brattas landslide in St. Moritz. Pro-ceedings of the International Confe-rence on Geotechnical & Geological En-gineering, Melbourne, Australia.Teysseire, P. und Springman, S. M. 2001.Geotechnische Risiken bei der Beurtei-lung von Naturgefahren. Mitteilung derSchweizerischen Gesellschaft für Bo-den- und Felsmechanik Nr. 143, 55–64.

Abb. 3: Der Felssturz an der Axenstrasse zerstörte die Galerie der A4 (Bild: R. Chikatamarla).

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T R I N K WA S S E R I N D E R S C H W E I Z

E I N A L LTÄG L I C H E S G U TU R S VO N G U N T E N

Trinkwasser in guter Qualität ist in der Schweiz eine Selbstverständlichkeit.Dass Leitungswasser ohne Bedenken getrunken und sogar genossen werden kann, ist schon in Nachbarländern nicht immer garantiert. Ein Blick auf ein alltägliches Wunder und wie es zustande kommt.

Die Schweiz ist das Wasserschloss Europas. Obwohl sie nur 0,4% der europäischen Fläche ausmacht,lagern hier 6% der europäischen Süsswasserreserven.

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Die Schweiz als Wasserschloss Europas ver-fügt über grössere Mengen an Wasser, diein natürlichen Reservoiren gespeichert sind(ca. 270 km3). Diese natürlichen Reservoire(Seen, Grundwasservorkommen, Gletscher)werden durch etwa ein Drittel der rund 60 km3 Niederschläge/Jahr stetig erneuertund garantieren eine kontinuierliche Ver-sorgung der Schweiz mit gutem Trinkwas-ser. Der Verbrauch von Trinkwasser durchHaushalte, Industrie, Gewerbe und Land-wirtschaft beläuft sich in der Schweiz aufca. 1 km3/Jahr, was ungefähr einem Dritteldes Volumens des Zürichsees entspricht.Dieser grobe Vergleich der umgesetztenWassermengen zeigt deutlich auf, dass inder Schweiz nur ein kleiner Anteil der ver-fügbaren Wassermenge (1 von 20 km3) alsTrink- und Brauchwasser genutzt wird. Inder kleinräumigen Struktur der etwa 3000Wasserversorgungen in der Schweiz kannes lokal und zeitlich begrenzt vor allem beikleineren Quellen trotzdem zu einer Ver-knappung von Trinkwasser kommen, fallsüber längere Zeit trockene Witterung vor-herrscht.In der Schweiz werden etwa 80% des Trink-wassers aus Grund- und Quellwasser undca. 20% aus Seewasser gewonnen. Obwohlmengenmässig weniger bedeutend, kannSeewasser in grösseren Agglomerationeneine wichtige Rolle als Wasserressourcespielen. So wird in Zürich 70% des Trink-wasserbedarfs mit Seewasser gedeckt.Gemäss den obigen Zahlen über die Was-serbilanzen spielt die Frage der Verfügbar-keit von Trinkwasser in der Schweiz eine nuruntergeordnete Rolle. Hingegen wird dieQualität des Trinkwassers in verschiedenenBereichen durch natürliche und anthropo-gene Prozesse beeinflusst. Diese sind in Ab-bildung 1 schematisch dargestellt.

Natürliche Wasserinhaltsstoffe

Die Konzentrationen der wichtigsten Was-serinhaltsstoffe in Wasserressourcen wer-den durch biogeochemische Prozesse regu-liert. Der mikrobielle Abbau von biogenenSubstanzen im Boden und im Wasser führtzum Teil zu löslichem natürlichem organi-schem Material (NOM), welches auf ver-schiedenen Ebenen wichtig ist für die Was-serqualität. Einerseits führt ein erhöhterGehalt an NOM zu biologisch unstabilemWasser, d. h. unerwünschtem Bakterien-wachstum in verschiedenen Bereichen derWasserversorgung. Andererseits erzeugtdas NOM bei Aufbereitungsprozessen eineReihe von Nebeneffekten (Verminderungder Effizienz der Oxidation und Desinfek-

tion, organische Oxidationsnebenprodukte,Fouling von Membranen, usw.). In den Was-serressourcen wird beim mikrobiellen Ab-bau von natürlichem organischen Material(NOM) mit Sauerstoff Kohlensäure gebil-det. Diese löst Mineralien, insbesondereKalk und Dolomit, auf, was zu einer so ge-nannten Aufhärtung und Mineralisationdes Trinkwassers führt und dessen pH-Wertbestimmt. Die Härte des Wassers ist beimKochen und Waschen von Bedeutung undträgt wesentlich zur Verkalkung von Haus-installationen bei, ist aber aus toxikologi-scher Sicht unbedenklich.Neben diesen primären Wasserinhaltsstof-fen mit relativ hohen Konzentrationen kön-nen durch biogeochemische Prozesse aucheine Reihe von unerwünschten Spurenstof-fen freigesetzt werden. Die aus der Sichtder Wasserversorgung wichtigsten Stoffesind in den Oberflächengewässern bakte-rienbürtige Geschmacks- und Geruchs-stoffe und Cyanotoxine. In reduziertenGrundwässern sind es gelöstes Eisen, Man-gan und lokal begrenzt Arsen. Geschmacks-und Geruchsstoffe sind für Wasserversor-gungen besonders kritisch, da diese Stoffevon KonsumentInnen wahrgenommen wer-den können. Einige Substanzen (z. B. Geos-min, Methylisoborneol) sind in sehr tiefenKonzentrationen von nur 10 ng/l wahr-nehmbar. Eine relativ kleine Menge von nur30 kg, verteilt im ganzen Zürichsee, würdealso für eine geschmacklich/geruchlicheBeeinträchtigung des Trinkwassers bereitsausreichen.

Probleme in Grundwässern treten meist imZusammenhang mit einer vollständigenZehrung des Sauerstoffs durch mikrobielleProzesse auf. Diese Situation bildet inGrundwässern in der Schweiz eher die Aus-nahme, ist aber weltweit von grosser Be-deutung. Grosse Mengen an verfügbaremNOM können dazu führen, dass nicht nurSauerstoff als Elektronenakzeptor vollstän-dig aufgebraucht wird, sondern dass dieMikroorganismen auch andere Elektro-nenakzeptoren wie Nitrat und schliesslichfeste Mangan- und Eisenoxide nutzen. Da-bei werden Eisen und Mangan in ihrerleicht löslichen zweiwertigen Form ins Was-ser abgegeben. Wird solches Wasser ver-teilt, kommt es beim Kontakt mit demLuftsauerstoff zu Ausfällungen von Eisen-und Manganoxiden (braun-schwarz). Ob-wohl diese Ausfällungen nicht toxisch sind,müssen sie aus vorwiegend ästhetischenund geschmacklichen Gründen vor der Ein-speisung ins Verteilnetz abgetrennt wer-den. In gewissen Grundwassersystemenwird mit der reduktiven Auflösung von Eisen-oxiden auch das kanzerogene Arsen freige-setzt. Arsen im Trinkwasser ist in derSchweiz generell kein Problem, jedoch wirdes möglicherweise weltweit zu einem dergrössten chemischen Trinkwasserproblememit bis jetzt mehr als 100 Mio. Betroffenen.Die grösste Kontamination liegt in Bangla-desh vor, wo alleine etwa 50 Mio. Menschendarunter leiden. Um dieses enorme Pro-blem zu lösen, müssen angepasste Techno-logien für die Wasseraufbereitung in Ent-wicklungsländern bereitgestellt werden.

Wasser-ressourcen

Selbst-reinigung

Aufbe-reitung

SpeicherungVerteilungHaushalt

GewässerschutzÖkosystem

LebensmittelgesetzHumantoxikologie

GesetzgebungKriterium

NatürlicheProzesse

MineralisationGehalt an NOM

Geschmack/Geruch

AdsorptionSedimentationchem., biolog.

Transformation

KorrosionAufkeimung

AnthropogeneBeeinflussung

Industrie/Gewebe, Land-

wirtschaftSiedlungen,

Verkehr

HilfsstoffeOxidations-/

Desinfektions-nebenprodukte

Oxidations-/Desinfektions-nebenprodukte

Abb. 1: Die wichtigsten Bereiche der Wasserversorgung und mögliche Beeinträchtigungendurch natürliche und anthropogene Prozesse. Ein System von mehreren Barrieren (Gewäs-serschutz, Selbstreinigung, Aufbereitung) garantiert eine gute Qualität des Trinkwassers.Die Gesetzgebung umfasst das Gewässerschutzgesetz (Wasserressourcen) und das Lebens-mittelgesetz (ab Fassung des Wassers). NOM: natürliches organisches Material.

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Anthropogene Einflüsse

Die Quellen von anthropogenen Kontami-nationen sind vielfältig und in Abbildung 1zusammengefasst. Im Wesentlichen kön-nen drei Arten von Kontaminationen unter-schieden werden:Nährstoffe (Phosphor, Stickstoff): Beein-flussung der biogeochemischen Prozesse inden WasserressourcenSpurenverunreinigungen (Pestizide, Löse-mittel, Benzin(additive), Pharmazeutika,endokrine Substanzen usw.): chronischeToxizitätPathogene Keime: akute Toxizität

NährstoffeDer Eintrag von grösseren Mengen an Phos-phat in die Gewässer führte zu einem über-mässigen Algenwachstum in SchweizerSeen (Eutrophierung). Für die Gewinnungvon Trinkwasser hatte das zur Folge, dassdas Wasser mit einem hohen Gehalt angelöstem und partikulärem NOM und mitgrossen Geschmacks- und Geruchsproble-men belastet war. Dank den grossen An-strengungen im Gewässerschutz (Phosphat-elimination in Kläranlagen, Phosphatverbotin Textilwaschmitteln) konnte dieses Pro-blem in der Schweiz grösstenteils behobenwerden.Der übermässige Eintrag von Stickstoff ausder Landwirtschaft führt im Grundwasserhäufig zu einem erhöhten Nitratgehalt undist aus ökologischer Sicht unerwünscht. Hu-mantoxikologische Bedenken (Methämo-globinämie bei Säuglingen, endogene Bil-

dung von Nitrosaminen) spielen aufgrundvon neueren Studien eher eine untergeord-nete Rolle. Aufgrund des Vorsorgeprinzipswurde die Höchstkonzentration für Nitratso festgelegt, dass die Konsumation überdas Trinkwasser in der Regel wesentlichkleiner ist als die Nitrataufnahme über dieanderen Nahrungsmittel.

Persistente organische ChemikalienBeim Eintrag von (persistenten) organi-schen Chemikalien in die Gewässer wirdzwischen diffusem Eintrag (z. B. Verkehr,Landwirtschaft) und Punktquellen (z. B. Ab-lauf von Kläranlagen, Leckagen von unterir-dischen Tanks, Altlasten) unterschieden. Diewichtigsten gefundenen Verbindungsklas-sen sind bereits oben erwähnt. Während bei«klassischen» Chemikalien, wie etwa chlo-rierten Kohlenwasserstoffen, die kanzero-gene Wirkung im Vordergrund stand, gehtes bei neueren Chemikalien (endokrineSubstanzen, Pharmazeutika) um die Ferti-lität und Resistenzbildungen.

Mikrobielle VerunreinigungenDie Bereitstellung von hygienisch einwand-freiem Wasser ist weltweit das grössteTrinkwasserproblem. Jährlich sterben etwa2,5 Mio. Menschen, zumeist Kinder, an mi-krobiologisch verunreinigtem Trinkwasser.Mikrobiologische Kontaminationen gelan-gen vor allem über ungereinigte Abwässerund durch die Landwirtschaft (Jauche,Weiden) ins Grundwasser. Zur Beurteilungeiner möglichen mikrobiellen Kontamina-tion werden die Rohwässer auf Fäkalkeime

(aerobe mesophile Keime, E. coli, Entero-kokken) untersucht. Diese dienen als Indi-katoren für eine mögliche Anwesenheit vonpathogenen Keimen.

Selbstreinigungsprozesse

Wasserinhaltsstoffe wie gelöste Stoffe undPartikel werden natürlicherweise aus Ober-flächengewässern und im Grundwasserentfernt. Die Selbstreinigung kann in fol-gende Prozesse unterteilt werden:Mikrobiell: Umwandlung von organischenund anorganischen Stoffen.Chemisch: Auflösungs- und Fällungspro-zesse, Sorption und Desorption,Umwandlung von organischen und anorga-nischen Stoffen.Physikalisch: Verdünnung, Sedimentation,Filtration und Ausgasung.Dank dem Schutz von Wasserressourcenkombiniert mit Selbstreiningungsprozes-sen kann etwa ein Drittel des Trinkwassersin der Schweiz aus Grund- und Quellwasserohne Aufbereitung gewonnen werden.

Komplexe Wasseraufbereitung

Für rund ein Drittel des Trinkwassers in derSchweiz ist trotz Schutz der Wasserressour-cen und Selbstreinigungsprozessen eineDesinfektion nötig. Diese erfolgt in der Re-gel chemisch (Zugabe von Chlor) oder phy-sikalisch (Bestrahlung mit UV-Licht). Dasverbleibende Drittel des Trinkwassers wird

·

·

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In der Schweiz verbrauchen wir 160–180 Liter Wasser pro Kopf und Tag, also die 3- bis 4-fache Menge des Grundbedarfs an Wasser.

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über eine mehrstufige Aufbereitung ge-wonnen. Dazu stehen je nach Qualität derWasserressourcen eine Reihe von Einheits-verfahren zur Verfügung: Flockung, Sedi-mentation, Filtration (Sand-Membranen),Desinfektion (chemisch [Ozon, Chlor, Chlor-dioxid], physikalisch [UV]), Oxidation (Ozon,Hydroxylradikale [OH-Radikale], Permanga-nat). Je nach Rohwasserqualität müssendiese Verfahren zu einer Verfahrenskettekombiniert werden. Seewasser in Zürichwird z. B. nach folgendem Verfahren aufbe-reitet: Vorozonung – Schnellfiltration – Zwi-schenozonung – Aktivkohlefiltration –Langsamsandfiltration. Dieses Verfahrenerzeugt ein chemisch (nicht korrosiv, keineAusfällungen von Mineralien) und biolo-gisch (keine Aufkeimung) sehr stabilesWasser, das ohne weiteren Zusatz von Chlorim Leitungsnetz verteilt werden kann. Invielen Wasserversorgungen wird das Was-ser nach Verlassen des Wasserwerks mit et-

was Chlor oder Chlordioxid versetzt, umeine mögliche Aufkeimung bis zu denHaushaltungen zu verhindern.

Wasseraufbereitung mit Ozon

Ozon (O3) wird als Oxidations- und Desin-fektionsmittel zur Aufbereitung von See-wasser in der Schweiz seit den Siebziger-jahren eingesetzt. Ozon ist im Wasser nichtstabil und wird relativ rasch in OH-Radikaleumgewandelt, welche die stärksten Oxida-tionsmittel im Wasser sind. Die erwünsch-ten und unerwünschten Effekte der bei derOzonung auftretenden Oxidationsmittelsind in Abbildung 2 zusammengefasst.Durch den Prozess der Umwandlung vonOzon in OH-Radikale geht ein grosser Teilder Oxidationskraft des eingetragenenOzons verloren, da OH-Radikale mit fast al-len Komponenten der Wassermatrix weg-

reagieren. Um Ozonungsprozesse zu cha-rakterisieren, müssen einerseits die Kinetikder Reaktion von unerwünschten Verbin-dungen mit diesen beiden Oxidantien undandererseits quantitative Informationenüber die Konzentration von Ozon und OH-Radikalen verfügbar sein. Während die Ki-netik der Oxidation von Stoffen mit Ozonund OH-Radikalen eine spezifische Stoff-konstante ist, muss der Konzentrationsver-lauf des Abbaus von Ozon und OH-Radika-len für jedes Wasser bestimmt werden. Dieserfordert in der Regel eine etwa einstün-dige Messung im Labor, bei der die Ozonab-nahme und die Abnahme von OH-Radikalengleichzeitig gemesssen werden. Die Kon-zentration der OH-Radikale ist in diesenSystemen sehr klein (< 10 pg/l), weshalb sienur indirekt, über ihre Reaktion mit einemozonresistenten Tracer, gemessen werdenkönnen. Die so gewonnene Informationkann dann auf Grossanlagen übertragenwerden, indem die oxidativen chemischenProzesse mit einem hydraulischen Modelldes entsprechenden realen Reaktors gekop-pelt werden (siehe Abb. 3). In Zusammen-arbeit mit der Wasserversorgung Zürichsimulierte die EAWAG den Abbau von orga-nischen Spurenstoffen für die Vorozonungdes Seewasserwerks Lengg. Das Modellwurde anhand der im Reaktor gemessenenAbnahme von Atrazin, einem Pflanzen-schutzmittel, geeicht. Atrazin kommt imZürichseewasser nur in sehr geringen Kon-zentrationen von 5 ng/l vor, etwa ein Faktor20 unterhalb des schweizerischen Toleranz-wertes von 100 ng/l. Abbildung 3 zeigt die

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DesinfektionEinwirkung von Ozon

NebenprodukteEinwirkung von Ozon

und OH-Radikalen

OxidationEinwirkung von Ozon

und OH-Radikalen

unerwünschte Effekte

unerwünschte Effekte

erwün

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QualitätTrinkwasser

Abb. 2: Desinfektion und Oxidation sind die wichtigsten Ziele der Anwendung von Ozon.Beide Prozesse werden von der Bildung unerwünschter Nebenprodukte begleitet.

Desinfektion

Oxidation Nebenprodukte

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relative Abnahme von verschiedenen uner-wünschten Spurenstoffen für die Vorozo-nungsstufe des Seewasserwerks Lengg.Diese Berechnungen werden von der Was-serversorgung Zürich genutzt, um die Elimi-nation von potenziellen Gefahrenstoffenwährend der Trinkwasseraufbereitung ab-zuschätzen. Abbildung 3 zeigt deutlich,dass gewisse Substanzen durch die Ozo-nung sehr effizient umgewandelt werden,während andere nur teilweise oxidiert wer-den können. Für diese Spurenstoffe sind an-dere Eliminationsverfahren, wie z. B. Ad-sorption an Aktivkohle, besser geeignet.Um die Effizienz der Desinfektion abzu-schätzen, können für die Inaktivierung vonMikroorganismen analoge Überlegungenangestellt werden. Hier zeigt es sich, dassBakterien und Viren besonders gut abgetö-tet werden, während Protozoen und Sporenvon Bakterien wesentlich resistenter sind.Insbesondere für Protozoen hat sich ge-zeigt, dass eine kurzzeitige Bestrahlung mitultraviolettem Licht zu ausgezeichnetenResultaten führt.Die erwünschten Effekte der Ozonung wer-den immer begleitet durch die Bildung vonNebenprodukten, welche aus der Reaktionvon Ozon und OH-Radikalen mit Kompo-nenten der Wassermatrix entstehen. MitAusnahme von einem Produkt handelt essich dabei um niedermolekulare organischeVerbindungen, die in einer nachgeschalte-ten biologischen Filtration grösstenteils mi-neralisiert werden. Das einzige anorgani-sche Nebenprodukt, das Bromat, wurde alspotenziell kanzerogen eingestuft, weshalbfür Bromat seit 1998 in der Fremd- und In-haltsstoffverordnung ein Toleranzwert von

10 mg/l festgelegt ist. Bromat wird ausge-hend von Bromid über einen mehrstufigenkomplizierten Oxidationsprozess mit Ozonund OH-Radikalen gebildet. In der Schweizist die Bromatbildung kein grosses Pro-blem, da die Bromidgehalte in unserenWasserressourcen mit 10–20 mg/l sehr tiefsind. In Wasserressourcen mit Bromidkon-zentrationen von > 50 mg/l ist bei Ozo-nungsprozessen mit erhöhten Bromatwer-ten zu rechnen. Ist Bromat einmal gebildet,kann es kaum mehr aus dem Wasser ent-fernt werden. Detaillierte mechanistischeKenntnisse über die Bildung von Bromat er-laubten es uns, Methoden zu dessen Ver-minderung während der Ozonung zu ent-wickeln. Durch Absenken des pH-Wertesoder Zugabe von Ammonium lässt sich dieBromatbildung je etwa halbieren. Einekurze Vorchlorung, gefolgt von Zugabe vonAmmonium, lässt die Bromatbildung sogarauf etwa 25% der ursprünglich gebildetenMenge reduzieren.

Leitungsnetz – Kapitalanlage derWasserversorgungen

Die Wasserqualität kann auf dem Weg vonder Wasserversorgung zu den KosumentIn-nen nochmals durch eine Reihe von chemi-schen und mikrobiellen Prozessen beein-trächtigt werden. Verkeimung des Leitungs-netzes, Korrosion, Bildung von Desinfek-tionsnebenprodukten und Veränderung desGeschmacks und Geruchs sind nur einigeder Möglichkeiten. Um diese Effekte zu ver-meiden, ist es unumgänglich, dass das Was-ser vor der Verteilung sowohl biologisch als

auch chemisch stabil ist. Somit kann dieDosierung von Chlor oder Chlordioxid alsNetzschutz auf ein Minimum reduziertoder sogar ganz darauf verzichtet werden.Neben der Wasserqualität ab Wasserwerkspielt auch der Zustand der Rohrleitungeneine wichtige Rolle. Bei Leckagen und un-genügendem Druck in den Leitungen kannes zur Infiltration von verschmutztemGrundwasser kommen. Deshalb ist der Un-terhalt von Trinkwasserleitungen sehrwichtig, aber äusserst kapitalintensiv. Inder Stadt Zürich besteht ein Leitungsnetzvon ca. 1100 km Hauptleitungen und über400 km Hauszuleitungen. Im Jahr 2001 wa-ren 626 Rohrschäden zu verzeichnen, dieKosten von rund 8 Mio. Fr. verursachten. DieKosten für die Verteilung (Pumpwerke, Re-servoire, Transportleitungen, Verteilnetzinkl. der Hauszuleitungen) belaufen sichauf etwa 70% der gesamten Kosten derWasserproduktion.

Abb. 3: Beurteilung der Abbauleistung für potenzielle organische Spurenstoffe in der Vorozonung des Seewasser-werks Lengg, Zürich 1. Messung von kinetischen Parametern im Labor, 2. Approximation der Hydraulik des Reaktors im Wasserwerk und 3. Kombination von Hydraulik mit Chemie durch Modellierung. Die Modellrechnungen zeigen,dass einige potenzielle Gefahrenstoffe bereits nach einem kurzen Kontakt mit Ozon praktisch vollständig abgebautsind, während andere nur zum Teil oxidiert werden können. Reaktive Substanzen: Nitrit, Phenol, Microcystin, 17 �-Etinylestradol, Sulfamethoxazol.

Weitere Informationenwww.eawag.ch/research/w+t/TW/in-dex.htmlwww.eawag.ch/news/trinkwasser/www.trinkwasser.chwww.wvz.ch

Dr. Urs von GuntenLeiter der Abteilung Wasserressourcen und Trinkwasser an der Eawag und Dozent an der ETH Zürich

LabormassstabReaktionskinetik

GrossanlageHydraulikModellierung

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

Einlauf P 2 P 3 P 4 P 5

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ativ

e A

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C/C

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Probenahmestelle im Reaktor

reaktive Substanzen

Perchlorethylen (PER)

Benzol

Trimethyl-benzol

P6

Atrazin

Auslauf

P6

P4P5

P3

P2

Ein-lauf

Volumen 850 m3

Durchsatz 1210 m3/h

LabormassstabReaktionskinetik

Modellierung GrossanlageHydraulik

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Weitere Auskünfte und Anmeldung: HSW Bern: Ostermundigenstrasse 81, Postfach 305, 3000 Bern 22, Telefon 031 336 85 95Fax 031 336 85 89, [email protected], www.hsw.bfh.ch/ndsHEG Fribourg: Chemin du Musée 4, 1700 Fribourg, Téléphone 026 305 61 80, Fax 026 305 61 [email protected]

Nachdiplomstudium FHIntegrated Management Executive MBAWissensmanagement, Personalpolitik und Gesamtstrategie bilden eine untrennbare Einheit. Effizienz undUnternehmenserfolg basieren auf dem Zusammenspiel der vier Elemente: «Individuum, Gruppe, Unternehmungund Umwelt». Diese Elemente bilden das Fundament des Studienkonzeptes Integrated Management Executive MBA.

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Management Basics Personalmanagement, Unternehmungsführung, Marketing, finanzielles und betriebliches Rechnungswesen, Unternehmung und Recht, Unternehmung und Volkswirtschaft.

Change ManagerSelf-Management, Gruppenmanagement, Unternehmungskulturen und Management-konzepte, strategisches Management.

Change ManagementUnternehmung im Wandel der Märkte und der Technologie, rechtliches und politisches Umfeld der Unternehmung, Unternehmung im Wandel der Gesellschaft.

Innovation ManagerSchritte zum Innovationserfolg, Projektmanage-ment, Personalentwicklung als Schlüsselfaktor der Innovation.

Innovation ManagementFrüherkennungs- und Riskmanagement, Neuausrichtung der Unternehmung, Unternehmung und ihr Netzwerk, integriertes Management.

Kooperationspartner:

Besonderheiten der Ausbildung

Als Referenten wirken ausgewiesene Fachpersonenaus Lehre und Wirtschaft.Praktische Lösungsansätze aktueller Probleme inForm von Fallstudien.Internationaler Bezug: Ausbildung unter multikultureller Optik.Unterricht dreisprachig (Deutsch, Französisch undEnglisch).Berufsbegleitende Ausbildung.

Zielgruppe und Zulassungsbedingungen

Absolventinnen und Absolventen von Hochschulenund Fachhochschulen (ETH, HTL, HSW, HWV, HFG,HFS, FH, Universitäten).Vergleichbar qualifizierte Personen in Kaderposition.

Nächster Studiengang: März 2004 bis April 2006

Anmeldung:bis 31. Oktober 2003

Nächste Informationsveranstaltungen:23. Juni 2003, 18.30 Uhr in Bern26. Juni 2003, 18.30 Uhr in Fribourg

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Die heutige Zivilisation benutzt Chemika-lien in grossem Umfang für vielfältigeZwecke, und gewisse Stoffanteile gelangenauch in die Umwelt. Unfälle wie Öltanker-Havarien werden in der Öffentlichkeit starkdiskutiert. Weniger beachtet hingegen wer-den die alltäglichen Umweltbelastungenbeim Normalgebrauch von chemischenStoffen. In letzter Zeit sind neuartige Um-welteffekte beobachtet worden, die zumTeil auf den chronischen Eintrag von Chemi-kalien zurückgeführt werden können. Einaktuelles Beispiel sind Verweiblichungenbei Fischen.

Eine Umweltrisikoanalyse für chemischeStoffe muss sowohl deren Auftreten undVerhalten in der Umwelt als auch möglicheSchadwirkungen beurteilen. Die Umwelt-chemie beschäftigt sich mit dem Verständ-nis der physikalischen, chemischen und bio-logischen Prozesse, die das Schicksal vonChemikalien in der Umwelt beeinflussen.Die analytisch ausgerichtete Umweltche-mie zielt auf die Erkennung von kritischenVerunreinigungen und die Messung vonRestkonzentrationen in Wasser, Boden undLuft sowie in Pflanzen und Lebewesen.Wichtig sind dabei die analytische Ermitt-lung von Umweltexposition und Eintrags-wegen sowie die Charakterisierung derTransport-, Transfer- und Transformations-

prozesse. Die Forschungsgruppe für chemi-sche Problemstoffe an der EAWAG bearbei-tet seit vielen Jahren umweltanalytischeProjekte, die einen weiten Bereich von orga-nischen Umweltspurenstoffen umfassen.Die transdisziplinären Studien stützen sichauf die Zusammenarbeit mit Biologen, In-genieuren und Sedimentologen.

Das Schicksal von Abwasser-substanzen

Von spezieller Bedeutung sind diejenigenSubstanzen, die zu wesentlichen Anteilenins Abwasser eingetragen werden, wieetwa die in relativ grossen Mengen verwen-deten Wasch- und Reinigungsmittel. DieseDetergentienchemikalien werden seit meh-reren Jahrzehnten besonders überprüft,wobei neben den eigentlichen Wirksub-stanzen (z. B. waschaktive Substanzen,Phosphatersatzstoffe usw.) auch Zwischen-produkte des biologischen Abbaus (Meta-boliten) erfasst wurden. Relevant sind ins-besondere Metaboliten mit – im Vergleichzu den Ausgangsstoffen – höherer Giftig-keit oder biologischer Wirkung.Seit einigen Jahren können Ultraspuren-konzentrationen von Arzneimitteln in Ab-wasser und Gewässern nachgewiesen wer-den. Basierend auf der medizinischen Ver-

wendung und aufgrund der Tatsache, dassdie Pharmaka wieder aus dem Körper aus-geschieden werden, hätte eigentlich erwar-tet werden müssen, dass diese Substanzensich im Abwasser wiederfinden. Chemika-lien aus Publikumsprodukten und Arznei-mittel können über unterschiedliche Ein-tragspfade in die aquatische Umwelt gelan-gen, wie dies in Abb. 1 dargestellt ist. In denheute üblichen Verfahren der mechanisch-biologischen Abwasserreinigung unterlie-gen die organischen Mikroverunreinigun-gen verschiedenen Eliminationsprozessen:physikalisch-chemische Transfervorgänge(wie Sorption an den Klärschlamm oderGasaustausch in die Luft) und biochemi-sche Transformationen (Bioabbau). In denOberflächengewässern können zudemauch photochemische Abbauprozesse einewichtige Rolle spielen. Für die Erarbeitungvon Kenntnissen über die in den Kläranla-gen oder in den Gewässern ablaufendenEliminationsprozesse sind gezielte und auf-wändige Probenahmen notwendig, damitdie Ergebnisse für Stoffflussanalysen undmöglicherweise auch für kinetische Aus-wertungen benutzt werden können.

C H E M I S C H E S P U R E N S U C H E

N E U E V E R U N R E I N I G U N G E N I NA B WA S S E R U N D G E WÄ S S E R NWA LT E R G I G E R , A L F R E D O C . A L D E R , E VA M . G O L E T, H A N S - P E T E R E . KO H L E R , C H R I STA S . M C A R D E L L ,E VA M O L N A R U N D C H R I ST I A N S C H A F F N E R

Neuartige Umwelteffekte alarmieren die Forschung: viele organische Chemikalien sind als Spurenverunreinigungen in kommunalem Abwasser enthalten und werden teilweise in den Kläranlagen nur unvollständig entfernt. Chemische Analysemethoden ermöglichen nun spezifische und quantitative Spurenbestimmungen beispielsweise von hormonaktiven Verbindungen und Antibiotika.

Die weltweite Wasserentnahme

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Vom Reinigungsmittel zum Umwelthormon

Oberflächenaktive Verbindungen (waschak-tive Substanzen, Tenside) sind als wichtigeBestandteile der Reinigungsmittel dafürverantwortlich, dass beim Waschen undReinigen Schmutzteile in das Waschwasserüberführt werden. Schlecht abbaubareanionische Tenside aus Detergentien habenbis Mitte der 60er-Jahre zu Schaumbildun-gen in den Gewässern geführt. Seit zweiJahrzehnten wird an der EAWAG das Um-weltverhalten der aromatischen, nichtioni-schen Tenside vom Typ der Nonylphenolpo-

lyethoxylate ausführlich untersucht. Dabeistellte sich heraus, dass aus den relativharmlosen Tensid-Molekülen giftige Meta-boliten wie das Nonylphenol gebildet wer-den. Seit einigen Jahren ist auch bekannt,dass Nonylphenol als Hormon wirkt, wasdurch die strukturelle Ähnlicheit zumnatürlichen Sexualhormon 17�-Estradiol er-klärt werden kann (siehe Abb. 2).In der schweizerischen Verordnung überumweltgefährdende Stoffe (Stoff-Verord-nung) wurde 1986 der Einsatz der Nonyl-phenolpolyethoxylate in Textilwaschmittelnverboten. Die Detergentien-Hersteller ha-ben zudem auf die Verwendung dieser Ten-

side in Haushaltreinigern verzichtet. Auf-grund der Persistenz des Nonylphenols un-ter den Bedingungen der Schlammfaulungkönnen die Gehalte in Faulschlämmen be-nutzt werden, um den Erfolg dieser Um-weltschutzmassnahmen zu überprüfen. Diein Abb. 3 dargestellten Ergebnisse zeigen,dass die Nonylphenolgehalte in Faulschläm-men nach 1986 zuerst sprungartig und inden folgenden Jahren kontinuierlich zurück-gegangen sind, ohne dass aber Nullwerteerreicht wurden. In einem ähnlichen Sinnekonnten Seesedimente als Umweltarchivebenutzt werden. Messwerte von einzelnenSchichten in datierten Sedimentkernenzeichnen die Auswirkungen der erwähntenVerbrauchsreduktionen auf.In mehreren Abteilungen der EAWAG undder EMPA laufen zurzeit Forschungsarbei-ten im Rahmen des Nationalen Forschungs-programms 50 über hormonaktive Substan-zen in der Umwelt. Unter anderem werdeneinzelne Nonylphenolisomere und carboxy-lierte Metaboliten auf ihr Verhalten in derAbwasserreinigung und in den Gewässernuntersucht. Ebenfalls gemessen werdenweitere phenolische Verbindungen wie z. B.die Kunststoffsubstanz Bisphenol A sowiepolybromierte Verbindungen, die als Flamm-schutzmittel verwendet werden.

Abb. 1: Eintragspfade in die aquatische Umwelt für Publikumsprodukteund Arzneimittel.

Eintragspfade von Umweltchemikalien

Industrie, Gewerbe Spitäler Haushalte

Produktion Entsorgung

Abwasser Hausmüll

Boden Kläranlage Deponie

Oberflächengewässer Grundwasser

Trinkwasser

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durch Menschen beträgt rund 4000 km3 pro Jahr. Der Bedarf ist zwischen 1900 und 1995 um das Sechsfache gestiegen.

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Antibiotika als ignorierte Abwasser-chemikalien

Viele in der Humanmedizin eingesetzteArzneimittel, wie zum Beispiel Antibiotika,gelangen über menschliche Ausscheidun-gen ins Abwasser. Auch durch unsach-gemässe Entsorgung werden zusätzliche,nicht vernachlässigbare Anteile eingetra-gen. Bedenken über die Umweltrelevanzder Antibiotika gründen auf der Befürch-tung, dass eine chronische Antibiotika-Ex-position zur Entstehung und Ausbreitungvon Antibiotikaresistenzen führen könnte.Um das Umweltgefährdungspotenzial bzw.die Umweltexposition dieser bioaktivenVerbindungen abzuschätzen, wurden ander EAWAG spezifische und quantitativeMethoden für die Bestimmung von mehre-ren Antibiotikatypen im Abwasser und inFlusswasser entwickelt. Bis anhin erfasstwurden Fluorochinolone, Makrolide, Sulfon-amide und �-Lactame. Die Einzelstoffanaly-tik ergibt Ergebnisse, die eine gründlicheBeurteilung der Einträge und des Umwelt-verhaltens ermöglichen. Abbildung 4 zeigtfür die beiden Fluorochinolone Ciprofloxa-cin und Norfloxacin die in Abwasser undGewässer beobachteten Konzentrationsbe-

reiche. Ebenfalls eingezeichnet sind dieWerte, bei denen Schadwirkungen auftreten.Im Einzugsgebiet der Glatt im KantonZürich wurden Antibiotika einerseits im Ab-wasser aus verschiedenen Kläranlagenquantifiziert; andererseits wurden mögli-cherweise in der Glatt ablaufende Elimina-tionen untersucht. Die Tagesfrachten vonCiprofloxacin und Norfloxacin variierten imZulauf der Kläranlagen zwischen 3,5 und 8,7 Gramm pro Tag (g/d) und im Ablauf zwi-schen 0,1 und 1,3 g/d. Dies entspricht einerElimination von 79 bis 87%, die weitgehenddurch den Transfer in den Klärschlamm ver-ursacht wird. Trotz dieser relativ hohen Eli-minationsraten werden die Antibiotikanicht vollständig entfernt, sodass ein Ein-trag in den Vorfluter Glatt erfolgt. In derGlatt wurden Spurenkonzentrationen von5– 8 ng/l gemessen. Anfang 2001 variiertendie Tagesfrachten des in der Schweiz wich-tigsten Makrolid-Antibiotikums Clari-thromycin in den Kläranlagenausläufen imGlatttal zwischen 1,6 und 15 g/d; in der Glattbetrugen die Werte bei Rümlang und beiRheinsfelden 26 beziehungsweise 36 g/d.Diese Stofffrachten von Clarithromycin wa-ren damit bedeutend grösser als die ent-sprechenden Werte von Ciprofloxacin und

Abb. 2: Biotransformation der nichtionischenAlkylyphenolpolyethoxylat-Tenside. Der relativ persistente Metabolit Nonylphenol zeigt sowohl hoheToxizität als auch eine Hormonwirkung, die sich durch die strukturelle Ähnlichkeit zu dem natürlichenSteroidhormon (17�-Estradiol) erklären lässt.

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Norfloxacin (10 und 7,9 g/d). Der Vergleichder Summe der gemessenen Frachten vonClarithromycin aus den Kläranlagen mit derFracht in Rheinsfelden ergibt die Aussage,dass in der Glatt keine signifikante Elimina-tion des Clarithromycins erfolgt.Als Teilprojekt des Nationalen Forschungs-programmes 49 über Antibiotikaresisten-zen werden zurzeit in der EAWAG-Abtei-lung Chemische Problemstoffe unter ande-rem Spitalabwässer untersucht. Ein Haupt-augenmerk gilt dabei den am meisten ver-wendeten �-Lactamen, den Penicillinenund Cephalosporinen. In Zusammenarbeitmit einer bakteriologischen Arbeitsgruppeam kantonalen mikrobiologischen Institutin Bellinzona werden dieselben Wasserpro-ben sowohl chemisch analysiert als auch inBezug auf Antibiotikaresistenzen charakte-risiert. Die Frage, ob die in Abwasser und inOberflächengewässern gefundenen Anti-biotikagehalte eine Resistenzbildung undResistenzerhaltung bei Mikroorganismenmit verursachen, ist experimentell bisherkaum studiert worden. Eine Diskussion die-ses Problems ist jedoch von zentraler Be-

deutung für eine umfassende Umweltrisi-kobeurteilung in Sachen Antibiotika.

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Prof. Walter Giger, Dr. Alfredo C. Alder,Dr. Eva M. Golet, Dr. Hans-Peter E. Kohler,Dr. Christa S. McArdell, Eva Molnar,Christian SchaffnerAbteilung chemische Problemstoffe,EAWAG

ForschungsinformationenDie Abteilung Chemische Problem-stoffe an der EAWAG befasst sich in um-weltanalytischen Projekten mit den fol-genden Substanzklassen:Humanmedizinisch eingesetzte Anti-biotikaHormonwirksame Umweltchemikalien(Nonylphenolverbindungen, Bisphenole)Flammschutzmittel (polybromierte Di-phenylether, Organophosphate)Korrosionsschutzmittel (Benzotriazole)Kontakt: Prof. Walter Giger,Tel. 01 823 54 75, [email protected] CH-8600 Dübendorf Web-Adresssen:http://www.eawag.ch/research/chp/d_index.html http://www.snf.ch/NFP/NFP49/Home_d.htmlhttp://www.nrp50.ch/

Spurenanalytik von organischchemi-schen UmweltstoffenSpurenanalytische Methoden basierenauf einer breiten Palette von Technikenfür Anreicherung, Trennung und Nach-weis. Seit Beginn der Umweltwissen-schaften in den 60er-Jahren spielte dieGaschromatographie, insbesondere mithochauflösenden Kapillaren, eine zen-trale Rolle für die Trennung der komple-xen Stoffgemische in einzelne Kompo-nenten. Ein einengender Nachteil derGaschromatographie ist die Tatsache,dass die Analyten genügend flüchtigsein müssen, sodass sie gasförmigdurch die Trennkolonnen hindurchtransportiert werden können. Bei derFlüssigkeitschromatographie hingegenist nur noch die Löslichkeit in einem or-ganischen Lösemittel erforderlich. Erstseit kurzem ist die direkte Kopplung derFlüssigkeitschromatographie mit derMassenspektrometrie zur Anwendungs-reife entwickelt worden. Dank der ho-hen Selektivität dieser Methode lassensich Probenaufarbeitungen sehr verein-fachen, und äusserst geringe Spurenkönnen verlässlich bestimmt werden.Vor allem im Bereich der Abwasser- undWasseranalytik wurde das Spektrumder erfassbaren Verunreinigungendeutlich erweitert, indem nun auch po-lare und gut wasserlösliche sowieschwer flüchtige Verbindungen gemes-sen werden können. Ein grosser Teil derheute verwendeten Arzneimittel undauch alle als Antibiotika eingesetztenSubstanzen müssen mittels Flüssigkeits-chromatographie erfasst werden, wobeinur ausnahmsweise auf die Tandem-massenspektrometrie verzichtet wer-den kann.

Abb. 4: Umweltkonzentrationen und Schadwirkungen der Fluorochinolon-Antibiotika Ciprofloxacin und Norfloxacin.

Abb. 3: Nonylphenolgehalte in Faulschlämmen des Kantons Zürich. Das Verbot des Waschmitteleinsatzes vonNonylphenolpolyethoxylat-Tensiden in der schweizerischen Verordnung für umweltgefährdende Stoffe (Stoffverordnung) von 1986 und folgende Einsatzreduktionen kommen in den Faulschlammwerten zum Ausdruck.

Nonylphenol in Faulschlamm

g/kg Trockensubstanz

Stoffverordnung

SpitalabwasserRohabwasser

gereinigtesAbwasser

FlussGenotoxizität

ZytotoxizitätCiprofloxacinNorfloxacin

Konzentration (µg/L)

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50 B U L L E T I N E T H Z ü r i c h N r . 2 8 9 M a i 2 0 0 3

Ozeane, Seen und Grundwasser sind Ar-chive, aus denen wir unser Wissen über dieUmweltbedingungen der Vergangenheitbeziehen. Diese Signale werden auf ver-schiedene Art und Weise entweder im Was-ser selbst oder aber in den sedimentärenAblagerungen von Ozeanen und Seen ge-speichert. Am Institut für Isotopengeologieund mineralische Rohstoffe der ETH und inder Abteilung für Wasserressourcen undTrinkwasser der EAWAG werden die Um-weltbedingungen der Vergangenheit aufverschiedenen Zeitskalen mit Hilfe mo-dernster isotopengeochemischer Metho-den entschlüsselt (Isotope sind verschie-dene Atomkerne des gleichen chemischenElements, die sich nur in der Neutronen-anzahl unterscheiden, sich chemisch aberpraktisch identisch verhalten). Beispiele ausOzeanen, Seen und Grundwasser stellenAnsätze auf unterschiedlichen Zeitskalenvor, die die Breite der Informationen illust-rieren, die sich mit diesen modernen Ana-lysemethoden aus den Wasserarchiven ge-winnen lässt.

Zirkulation und Verwitterungs-eintrag in Ozeane

Im Meer wirken sich Abkühlungen und Er-wärmungen direkt auf den Salzgehalt unddie Temperatur des Oberflächenwassersaus. Beides beeinflusst die Dichteschich-tung der Wassersäule, die letztlich die Strö-mungen in den Ozeanen antreibt. So kühltheute im Nordatlantik das salzreiche Ober-flächenwasser des warmen Golfstroms aus,wird dadurch dichter, sinkt ab und fliesst ingrösserer Tiefe nach Süden, bis es sich mitdem Antarktischen Zirkumpolarstrom ver-einigt. Diese so genannte Tiefenwasser-pumpe ist Ausgangspunkt der globalen Zir-kulation der Ozeane, und sie reagiert sehrempfindlich auf natürliche und durch denMenschen verursachte Störungen wie zumBeispiel die globale Erwärmung durchTreibhausgase.

Unter bestimmten Bedingungen führenVerschiebungen in der Dichteschichtung zuabrupten Veränderungen in der Ozeanzir-kulation, die wiederum Auswirkungen aufdas Klima der Kontinente haben. Wenn einTeil des grönländischen Eises abschmilzt,wird verstärkt Süsswasser in den Nord-atlantik eingetragen. Das so entstandeneetwas weniger salzige Oberflächenwasserist nicht mehr dicht genug, um abzusin-ken. Die gesamte Tiefenwasserzirkulationwürde sich dadurch verlangsamen, und derGolfstrom würde sich abschwächen odersogar ausfallen. Unter diesen Bedingungenwürde Europa stark abkühlen und klimati-sche Verhältnisse ähnlich denen in Nord-amerika bekommen. Solche Veränderungenhat es in der Vergangenheit immer wieder

gegeben. Das belegen beispielsweise sedi-mentäre Ablagerungen aus dem Nordat-lantik der letzten 70 000 Jahre, die etwaalle 10 000 Jahre Lagen von grobkörnigemMaterial aufweisen (Heinrich-Schichten).Diese Schichten entstanden durch katastro-phale Kollapse der kontinentalen Eisschildein Nordamerika und Kanada, wodurch Ar-madas von Eisbergen Sedimente aus demhohen Norden in den Nordatlantik trans-portierten. Während dieser Ereignisse brachdie Tiefenwasserzirkulation im Nordatlan-tik durch den hohen Süsswassereintragwahrscheinlich vollständig zusammen.

Aber es gibt auch Belege für Änderungender Zusammensetzung des Meerwassersim Atlantik und dessen Zirkulationsmuster,die weiter in der Vergangenheit zurücklie-gen. Diese Änderungen sind in extrem lang-sam wachsenden (nur wenige Millimeterpro Million Jahre) Eisen-Mangan-Krustenam Meeresboden aufgezeichnet. Die lang-fristigen Veränderungen spiegeln sich inden Isotopenverhältnissen von Elementenwie Neodym wider, die in die Krusten beideren Wachstum eingelagert werden. Einesder Isotope, 143Nd, das durch den Zerfall desSamarium-Isotops 147Sm gebildet wird, zeigtin Abhängigkeit von Art und Alter der konti-nentalen Gesteine winzige Unterschiede inder Häufigkeit. Diese Unterschiede werdenals Verhältnis 143Nd/144Nd ausgedrückt.

U MW E LTA R C H I V WA S S E R

WA S S E R I M S P I E G E L D E S K L I M A SR O L F K I P F E R U N D M A RT I N F R A N K

Ozeane, Seen und Grundwasser verändern ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften als Folge von Umwelt- und Klimaveränderungen. Forscher der ETH und der EAWAG bringen diese Archive des Klimawandels mit modernsten Methoden der Isotopengeochemie zum Sprechen.

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2/3 der Süsswasserreserven der Erde sind in den Polargebieten, als Gletscher, Bodenfeuchtigkeit und in Feuchtgebieten gelagert.

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Als Folge des Beginns der Vereisung derNordhalbkugel vor 3 Millionen Jahrenwurde mehr sehr altes kontinentales Ge-stein in Kanada und Grönland verwittert(mit einem sehr niedrigen 143Nd/144Nd-Ver-hältnis) und in den Nordatlantik gewa-schen. Dort wurde es teilweise aufgelöstund hat das Nd-Isotopensignal im Tiefen-wasser des westlichen Nordatlantiks in denletzten 3 Millionen Jahren kontinuierlich er-niedrigt (Abb. 1). Eine entsprechende Er-niedrigung wurde im gleichen Zeitraum inden Nd-Isotopen-Zeitserien des Antarkti-schen Ozeans, der zu etwa 50% aus nordat-lantischem Tiefenwasser besteht, nichtfestgestellt. Das zeigt, dass in der Zeit vordem Beginn der Vereisung der Nordhalbku-gel die Wassererneuerung der Ozeane unddamit die globale Tiefenwasserpumpe stär-ker gewesen sein muss. Die Tiefenwasser-bildung hat sich anschliessend über dieletzten 3 Millionen Jahre abgeschwächt.

Klimatisch induzierte Veränderungenin Seen und Grundwasser

Seen und Grundwasser sind wesentlicheund prägende Elemente des Wasserhaus-haltes der Kontinente, die über die Nieder-schläge und andere Wasseraustauschpro-zesse an den globalen Wasserkreislauf ge-koppelt sind und entsprechend auf globale

Umwelt- und Klimaveränderungen reagie-ren. Seespiegel und weniger offensichtlichGrundwasserspiegel reagieren auf Ände-rungen im Niederschlags- und Abflussre-gime, beziehungsweise auf Änderungender Grundwasserneubildungsrate als Folgeder sich verschiebenden Klima- und Um-weltverhältnisse. Solche Veränderungender Wasserbilanz finden letztlich ihren Ein-fluss auf die interne Dynamik im entspre-chenden Wasserkörper. In Seen können sichso Mischungsverhalten und Tiefenwasser-bildung ändern, im Grundwasser verschie-ben sich dagegen hauptsächlich die Aufent-haltszeiten des Wassers.

Moderne isotopische Tracermethoden, diezur Hauptsache auf der Konzentrationsbe-stimmung von chemisch transienten natür-lichen und anthropogenen Spurenstoffen(3H, SF6, CFCs und Edelgasen) beruhen, wer-den seit einigen Jahren erfolgreich zumStudium der Austauschprozesse und derenZeitskalen in Seen und Grundwasser einge-setzt. Da diese Tracer chemisch inert sind,lassen sich in der Umwelt gefundene Kon-zentrationsunterschiede im Wesentlichenauf drei Faktoren zurückführen:Zeitlich variabler Eintrag, z. B. als sich än-dernde atmosphärische Partialdrucke (tran-siente Tracer: SF6, CFCs, 3H).Der Zerfall von radioaktiven Tracern (3H-Zerfall: 3Hetri, Halbwertszeit: 12,4 Jahre ).

Veränderungen der physikalischen Um-weltbedingungen, die den Gasaustauschzwischen Atmosphäre und Wasser steuern(atmosphärische Edelgase).

Gastauschprozesse übertragen die momen-tanen Konzentrationen der transientenSpurenstoffe der Atmosphäre auf die imKontakt stehenden Wasserkörper. Wird derGasaustausch unterbrochen – z. B. durch dieTiefenwasserbildung in Seen oder durchden Eintritt des Wassers in die quasi-gesät-tigte Bodenzone – verändern sich die Tra-cerkonzentrationen nicht mehr und bleibenim Wasserkörper erhalten. Gleichzeitig be-ginnt 3He zu akkumulieren, da das durchden 3H-Zerfall erzeugte 3Hetri nicht mehr indie Atmosphäre entweichen kann. Entspre-chend geben die Tracerkonzentrationen imWasser und das 3Hetri/3H-Verhältnis die ver-strichene Zeitspanne wieder, seit der Was-serkörper im letzten Austausch mit Atmo-sphäre stand (Wasseralter).

Da die atmosphärischen Edelgaskonzentra-tionen in meteorischem Wasser einerseitsvon Partialdrücken in der Atmosphäre undandererseits von der Temperatur und demSalzgehalt des Wassers abhängen (Löslich-keiten sind durch Temperatur und Salzge-halt bestimmt), lassen sich aus den gemes-senen Gaskonzentrationen direkt die physi-kalischen Bedingungen ableiten, die denGasaustausch zwischen Luft und Wassersteuern. Ebenso können die typischerweiseim Grundwasser gefundenen (Edel-)Gas-überschüsse auf Druckänderungen in derquasi-gesättigten Bodenzone zurückgeführtwerden. Diese Druckänderungen treten auf,wenn der Grundwasserspiegel während derGrundwasserneubildung schwankt.

Grundwasserbildung im Sahel &«Grüne Sahara»-Phasen

Im Niger, wie im gesamten ariden Sahel, istGrundwasser die einzig verfügbare Wasser-ressource. Das Wissen, ob, wie und wie vielGrundwasser neu gebildet wird, bildet da-mit die zentrale Vorraussetzung jeder nach-haltigen Wassernutzung. In einem breit an-gelegten Forschungsprogramm setzten dieETHZ und die EAWAG neben anderen mo-dernen Methoden auch isotopische Um-welttracer ein, um im Nordosten des Nigersdie Prozesse und die Raten der Grundwas-serneubildung in Raum und Zeit zu quanti-fizieren.Wasserproben aus den Einzugsgebieten derdrei Grundwasserstockwerke des Continen-

Abb. 1: Zeitserien des 143Nd/144Nd im ozeanischen Tiefenwasser, rekonstruiert aus verschiedenen Eisen-Mangan-Krusten des westlichen Nordatlantiks und des Antarktischen Ozeans für die letzten 14 Millionen Jahre (Frank et al., 2002).

Alter (Millionen Jahre)

Antarktischer Ozean

westlicher Nordatlantik

0.5123

0.5122

0.5121

0.5120

143 N

d/14

4 Nd

0 2 4 6 8 10 12 14

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tal Terminal Aquifersystems (CT1-3), dasgrosse Gebiete Nordafrikas und der Saharaentwässert, wurden datiert. Andererseitswurden die bei der Grundwasserbildungvorherrschenden Bodentemperaturen re-konstruiert (Abb. 2).

Die aus den Edelgasen bestimmten Infiltra-tionstemperaturen der jungen Wasserpro-ben aus dem obersten CT3-Stockwerk stim-men erwartungsgemäss mit den rezentenBodentemperaturen überein, die in aridenZonen wegen der fehlenden Pflanzendeckerund 3 oC höher sind als die mittlere atmo-sphärische Jahrestemperatur. Die meistendieser CT3-Wässer enthalten 3H, was zeigt,dass zumindest im obersten Aquiferwährend der letzten Jahrzehnte intermit-tierend Grundwasser neu gebildet wurde.

Mit steigendem Grundwasseralter gehendie rekonstruierten Bodentemperaturenzurück und erreichen bei etwa 40 000 Jah-ren (40 kyr) gegenüber heute rund 5 oC käl-tere Werte. Nicht nur alte pleistozäne, son-dern auch jüngere holozäne Grundwässer,die nach dem Pleistozän-Holozän-Klima-übergang zwischen 5 und 10 kyr infiltrier-ten, weisen eindeutig auf im Vergleich zuheute kühlere Bodentemperaturen hin.Während der für Afrika bekannten Trocken-phasen im Pleistozän und im Holozän (gla-ziales Maximum: ~ 18 kyr, jüngere Dryas ~ 11kyr) scheint im Niger dagegen kaum Grund

wasser neu gebildet worden zu sein. In dendazwischen liegenden Feuchtphasen be-wuchsen Pflanzen die Sahara und den Sahel(«Grüne-Sahara-Phasen», GSP), und in die-ser Zeit wurden die beiden tiefen Stock-werke des CT2 und CT1 signifikant mit Was-ser beladen.Die beobachtete Auskühlung des Bodensvon 5 oC, wie sie insbesondere der CT2 Aqui-fer zwischen 5 und 10 kyr anzeigt, ist zuhoch, als dass sie auf rein klimatische Fak-toren zurückgeführt werden könnte. Zwardeuten neuere Resultate der Klimafor-schung auf eine leichte Erwärmung fürAfrika nach dem glazialen Maximum hin,jedoch war der Übergang weit stärkerdurch den Wechsel des relativ feuchten Kli-mas des Pleistozäns zum ausgesprochentrockenen Klima von heute geprägt. So istu. a. von Felszeichnungen aus dem Hoggar-gebirge bekannt, dass während der GSPSteppentiere in der Sahara weideten.In Gebieten, wo Pflanzen den Boden be-decken, entspricht die Bodentemperaturund damit die Grundwassertemperatur beider Infiltration der mittleren atmosphäri-schen Jahrestemperatur, und die für arideZonen typischen erhöhten Bodentempera-turen fehlen. Die während der GSP beob-achtete Auskühlung des Bodens lässt sichdamit auf das Vorhandensein einer Pflan-zendecke im Niger vor rund 5–8 kyr (3,5 oC)und auf eine leichte klimatische Abkühlungzurückführen (1,5 oC).

Damit liefern die Resultate aus dem CT-Grundwassersystem im Niger die ersten di-rekten Hinweise dafür, dass in Afrika nichtnur während des Pleistozäns, sondern auchwährend der feuchten Perioden der «Grü-nen-Sahara-Phasen» zwischen 5 und 8 kyraktiv Grundwasser neu gebildet wurde.

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Dr. Rolf KipferUmweltisotope, Abt. Wasserressourcenund Trinkwasser, EAWAG DübendorfDr. Martin FrankInstitut für Isotopengeologie und mineralische Rohstoffe, ETH Zürich

ForschungsinformationenDie Isotopengeologie beruht auf demZerfall natürlicher radioaktiver Isotope.Variationen von Isotopenverhältnissenwerden zur Erforschung unterschied-lichster geo- und kosmochemischerProzesse benutzt.Die Kernkompetenzen der Gruppe Um-weltisotope an der EAWAG sind ultra-hochempfindliche Umweltanalytik imBereich von transienten (biogeoche-misch konservativen) Spurenstoffen(Edelgas-Massenspektrometrie, GC-ECD),Umwelttracer-Methoden (Tritium, Edel-gase, FCKW) im Grundwasser und inSeen und numerische Methoden derDatenanalyse und Modellierung aqua-tischer Systeme.http://geode.ethz.ch/igmr/index.htmlE-Mail: [email protected]

http://www.eawag.ch/research/w+t/UI/index.htmlE-Mail: [email protected]

LiteraturBeyerle U., Rüedi J., Aeschbach-HertigW., Peeters F., Leuenberger M., Dodo A.,and Kipfer R. (in press) Evidence for pe-riods of wetter and cooler climate inthe Sahel between 6 and 40 kyr derivedfrom groundwater. Geophys. Res. Lett.Frank, M., Whiteley, N., Kasten, S., Hein,J. R., and O’Nions, R. K. (2002) North At-lantic Deep Water export to the Sou-thern Ocean over the past 14 Myr: Evi-dence from Nd and Pb isotopes in ferro-manganese crusts. Paleoceanography17(2), 10.1029/2000PA000606.

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Abb. 2: Niger: Überschussluft als Mass für Grundwasserneubildung.

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[%]

∆H [‰] ∆Ne �+ ∆p, wegen hydrau. Überlast

∆H: ‘Mengen Effekt’

120

80

40

0

32

28

24

–60 –50 –40 –30 –20

0 10 20 30 40Grundwasseralter [C–14, kyr]

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Die Erwartungen sind hoch, die Vorausset-zungen bestens: Das neue Departement«Chemie und Angewandte Biowissenschaf-ten» soll «zum wichtigen Baustein für ei-nen echten Campus für Life Sciences» wer-den, betont Heidi Wunderli-Allenspach, Pro-fessorin am Institut für PharmazeutischeWissenschaften der ETH Zürich. Ein ersterSchritt ist getan: Anfang 2003 haben sichdas Departement Chemie unter Leitungvon Professor François Diederich und dasInstitut für Pharmazeutische Wissenschaf-

ten unter Leitung von Heidi Wunderli-Allen-spach zusammengeschlossen. Heute bildensie das Departement «Chemie und Ange-wandte Biowissenschaften», das D-CHAB.

Synergien nutzen

«Fachlich werden wir Synergien nutzenkönnen», sagt Heidi Wunderli-Allenspach.«Wir können vom grossen Know-how derChemie profitieren – Analytik und Synthesesind zwei Beispiele dafür –, andererseitsbringen wir Fachwissen in Biopharmazie,Pharmakologie und Galenik ein.Die Fachgebiete haben sich einander starkangenähert, verbindendes Glied ist dasStreben nach Erkenntnissen und Wissen auf

E N B R E F

I N T E R N

C H E M I E U N D A N G E WA N DT E B I OW I S S E N S C H A F T E N

E C H T E R C A M P U S F Ü R L I F E S C I E N C E S »

Das Departement Chemie und das Institut für Pharmazeutische Wissenschaften haben sich zum neuen Departement «Chemie und Angewandte Biowissenschaften» zusammengeschlossen. Im Herbst 2004 wird das neue D-CHAB der ETH Zürich auch räumlich vereint: auf dem Hönggerberg.

«

Baustelle Hönggerberg: «Chemie und Angewandte Biowissenschaften» werden im Herbst 2004 auch räumlich vereint.

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molekularer Basis. Ein möglicher Ansatz fürdie Entwicklung von Arzneistoffen ist dasComputer Modelling, das Visualisieren desZielmoleküls am Bildschirm. Darauf folgtdas systematische Auswerten der Daten,ein analytischer Prozess. Haben die Model-lierer ein Molekül gefunden, das auf demComputer gute Wirksamkeit verspricht,dann machen sich die Chemiker an die Ar-beit. Im Labor wird die Substanz hergestelltund analysiert. Das Testen der pharmako-kinetischen und pharmakodynamischen Ei-genschaften erfolgt parallel; es wird unter-sucht, ob das Molekül wirkt, wie es vomKörper aufgenommen, abgebaut und aus-geschieden wird. «Wir haben jetzt alle Insti-tute unter einem Dach, keine Barrierenmehr, die uns räumlich trennen», sagtFrançois Diederich.Zumindest demnächst. Denn bis zumHerbst 2004 bleibt das heutige Institut fürPharmazeutische Wissenschaften auf dem Campus der Universität Zürich-Irchel,während das Departement Chemie bereitsauf dem Hönggerberg seine Labors be-treibt.

Neuer Lehrgang in Medicinal Chemistry

Studierenden, die sich jetzt für ein Studiumam D-CHAB interessieren, steht ein neuerStudiengang offen. Diederich, noch bis Ok-tober 2004 Vorsteher des D-CHAB, hebt dieEigenentwicklung hervor: «In der Lehrehaben wir die grosse Herausforderung an-genommen, einen Studiengang in Medici-nal Chemistry auf Masters-Stufe zu ent-wickeln», sagt er. Heidi Wunderli-Allens-pach, die die Leitung des D-CHAB im Jahre2004 übernehmen wird, erklärt: «Der Stu-diengang soll Grundlagen vermitteln, die in der Arzneimittelforschung gefragt sind.»Medicinal Chemistry sei das Bindegliedzwischen den Pharmazeutischen Wissen-schaften und der Chemie, der Studiengangeine ideale Karrierechance für Studenten, diesich in Life Sciences weiterbilden wollten.

Michael Breu

Dieser Bericht erschien erstmals in «ETHLife», der täglichen Webzeitung der ETHwww.ethlife.ethz.ch

Die USA sind in ihrem Bildungswesen inmancherlei Hinsicht andere Wege gegan-gen als Europa. So unterstreicht Clark Kerrbereits 1963 den Erfolg der zwanzig führen-den Forschungsuniversitäten und kommen-tiert die Verhundertfachung der staatlichen

Unterstützung für universitäre Forschungin den vergangenen 20 Jahren mit den Wor-ten «Washington did not waste its moneyon second-rate». James Conant, ein Präsi-dent von Harvard, schreibt im ersten Jah-resbericht des NSF: «In the advance ofscience and its application there is no sub-stitute for first-class men. Ten second-ratescientists or engineers cannot do the workof one who is in the first rank.» Das bedeu-tete, dass 1963 nur gerade 492 von damalstotal 2139 tertiären Bildungsanstaltenstaatliche Forschungsmittel bekamen unddie hundert Spitzenuniversitäten kassier-ten den Löwenanteil von 90%! Europas Weg sollte irgendwo in der Mitteliegen zwischen dem heutigen Zustand derGleichmacherei, der falsch verstandenenDemokratisierung des höheren Bildungs-wesens, und dem amerikanischen Modell.

Ein Denkwandel ist nötig: Wir müssen denbesten unter unseren Hochschulen dieMöglichkeit geben, mit der wirklichenWeltspitze mitzuhalten oder sich ihr anzu-schliessen. Sie haben dann auch die Ausbil-dung der Begabtesten und der Leistungs-willigsten zu übernehmen. Gleichzeitig istdafür Sorge zu tragen, dass das gesamtehöhere Bildungswesen nicht verdünnt wirdund dass es ein akzeptables durchschnittli-ches Niveau halten kann.

I N E I G E N E R S AC H E

Prof. Konrad Osterwalder, Rektor der ETH Zürich

Das neue Departement – D-CHAB soll «zum wichtigenBaustein für einen Campus Life Sciences werden».

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(vac) Als Nachfolger von Bundesrätin RuthDreifuss ist Pascal Couchepin seit dem 1. Ja-nuar 2003 Vorsteher des Departements desInnern und im Rahmen dieser Tätigkeitauch für Wissenschaft, Forschung und Bil-dung verantwortlich. Die erste Station sei-nes Besuches an der ETH am 19. März 2003war die grafische Sammlung, wo die Vertre-ter des ETH-Rates, der EPFL, des PSI, der WSL,der EMPA und der EAWAG die jeweilige In-stitution kurz vorstellten. Der Nachmittagwar für die Labor-Besuche reserviert.

Virtuelle Räume

Am Institut für mechanische Systemestellte der Gastgeber, Prof. Markus Meier,das Projekt «Blue – C» vor: Mit einer 3D-Brille liess sich auch der Bundesrat in dievirtuellen Räume locken, die in Zukunft (infünf bis zehn Jahren) neue Kommunika-tionsformen ermöglichen werden. So kannbeispielsweise jemand an der ETH Zentrummit jemand auf dem Hönggerberg Schachspielen, ohne dabei zu merken, dass sich derGegner nicht im gleichen Raum befindet.

Nebenwirkungen der Chemotherapie reduzieren

Am Institut für Zellbiologie begrüsstenProf. Sabine Werner und Prof. Isabelle Mun-say den Ehrengast und stellten ihre For-schungsschwerpunkte dar: So beschäftigtsich Werner mit den molekularen Mecha-nismen der Regeneration von Gewebe; be-sonderes Gewicht legt sie dabei auf dieRolle von Wachstumsfaktoren und ihrenWirkungsmechanismen. Der Wachstums-faktor sei ein wichtiger Überlebensfaktor,der die Zellteilung stimuliert und die Zellevor schädigenden Umwelteinflüssen schützt.Dies sei speziell wichtig bei der Behandlungvon Krebspatienten, die als Folge einer Che-motherapie massive Schädigungen des

Oral- oder Darmepitets erleiden und des-halb häufig die Therapie absetzen müssen.Wenn man Mäuse mit diesem Faktor vorbe-handle, trete die Schädigung nicht mehrauf. Das dürfte auch für Menschen gelten,wie erste klinische Studien gezeigt haben.Die ETH-Wissenschaftler konnten mit Hilfedes Functional Genomics Center Zürich alleGene identifizieren, die durch den Wachs-tumsfaktor reguliert werden. Eines derzukünftigen Ziele sei es auch, die Mechanis-men zu identifizieren, die den Gewebsrege-nerationsprozessen zugrunde liegen. Prof.Munsay berichtete über frühkindlichenStress und seinen Einfluss auf das zukünf-tige Verhalten eines Individuums. Im Labordemonstrierte Munsay ihre Theorie auchpraktisch an Mäusen.

Wenn Freiheit zur Bedrohung wird . . .

Den «Abschieds»-Vortrag hielt der renom-mierte Architekt Prof. Jacques Herzog, derdas Projekt «Die Schweiz – ein städtebauli-ches Porträt» vorstellte: eine Übersicht überdas «Projekt Schweiz», das in etwa einemJahr abgeschlossen und in Form einesBuches erscheinen wird. Dabei vertratHerzog eine wichtige These: die Schweizerwünschten sich die Gemeinde als etwas

Ewiges, da sie ihnen die Unabhängigkeitgarantiere; paradoxerweise sei aber geradedie Gemeinde dafür verantwortlich, dassein «architektonischer Brei» entstehe, derdie erwünschte Differenzierung verunmög-liche. Neue zeitgenössische Gefässe zu fin-den und sie dann zur politischen Diskussionzu stellen sei die Aufgabe der ETH-Architek-ten.

Am Ball bleiben

Beim Abschied zeigte sich der Bundesratzunächst einmal erstaunt über die Grösseder ETH: «Ich dachte schon, dass die neueETH auf dem Flughafen Dübendorf liegt»,fasste er scherzhaft den ersten Eindruckvon der Reise auf den Hönggerberg zusam-men. Solche Institutionen wie die ETH seienüberlebenswichtig, fuhr er fort. Neben demEngagement der Professoren brauche esauch die Unterstützung vom Bund, damitdie ETH weiterhin am Ball bleibe. Zudemseien auch Beweise über den Nutzen der Wis-senschaft für die Gesellschaft notwendig.

W I S S E N S C H A F T- H I G H L I G H T S F Ü R D E N B U N D E S R AT

B U N D E S R AT CO U C H E P I N Z U B E S U C H A N D E R E T H

Bundesrat Pascal Couchepin, Vorsteher des Departements des Innern und Bundes-präsident, zu Besuch an der ETH: Im persönlichen Gespräch mit Forscherinnen undForschern schuf er sich einen Überblick über die Forschungsstätte. Einige Eindrücke.

E N B R E F

Bundespräsident Pascal Couchepin lässt sich im virtuellen Raum von den Möglichkeiten der Informationstechnologie begeistern. (Foto: Felix Würsten).

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ETH nimmt am Shell-éco-Marathon teil

(StS) Beim diesjährigen Shell-éco-Marathonstartet dieser Tage im französischen Na-garo ein Team der ETH. Vom 15. bis 18. Maiversuchen die Teilnehmer, mit möglichstwenig Treibstoff eine grösstmöglicheStrecke zurückzulegen. Der Sieger 2002benötigte für eine Distanz von fast 3500 kmnur einen Liter Treibstoff. Dieses Jahr sindauf Antrag der ETH erstmals auch alterna-tive Energieträger zugelassen. Das mit Was-serstoff betriebene Fahrzeug der ETH ba-siert auf einer Weiterentwicklung jenesBrennstoffzellensystems, das ETH und PSIunter dem Namen Power Pac entwickelt ha-ben (vgl. ETH Bulletin Nr. 287, Nov. 2002).Die Brennstoffzelle besteht aus einem Sta-pel von 20 Zellen und liefert 400 Watt.Kontakt: Gino Paginelli,Tel. +41 1 632 51 31, Fax +41 1 632 11 39 E-Mail: [email protected]

Schnupperstudium Informatik

(StS) Das Departement Informatik der ETHZveranstaltet vom 15. bis 19. September einSchnupperstudium. Dieser insbesonderefür Schülerinnen im letzen und vorletztenJahr vor der Matura angebotene Kurs findettäglich von 9 bis 17 Uhr statt und ist kosten-los. Er vermittelt einen Einblick in Inhaltedes Informatikstudiums, eine Einführung indas Programmieren mit Java sowie Vor-träge über Forschungsthemen. SchriftlicheAnmeldung bis 3. Juni.Formulare: http://www.frauen.inf.ethz.choder im Dept. Informatik; ETH Zentrum IFWZürich; Tel. 01/ 632 72 01E-Mail: [email protected]

Einheitlicher Doktortitel

(StS) Die ETH führt den einheitlichen Titel«Doktor der Wissenschaften» ein. Bisherwurde zwischen «Doktor der Naturwissen-schaften», «Doktor der Technischen Wis-senschaften» sowie «Doktor der Mathema-tik» unterschieden. Studierende, die diesesJahr mit ihrer Doktorarbeit beginnen, wer-den nach der neuen Regelung ausgezeich-net, während bereits fortgeschrittene Dok-toranden zwischen altem und neuem Titelwählen können.

Sonderausstellung emotion Verkehr

(StS) In der Bibliothek der ETH werden vom31. März bis 5. Juli 30 Plakate zum Themaemotion Verkehr ausgestellt. Die aus derSammlung von Rolf Eiselin stammendenExponate zeigen die Entwicklung der Pla-katwerbung für die Wirtschaftszweige Ver-kehr und Tourismus im vergangenen Jahr-hundert. Unter den Plakaten sind Arbeitender Künstler Hohlwein, Cassandre und Car-dinaux vertreten. Die untenstehende Web-

adresse ermöglicht auch einen virtuellenRundgang durch die Ausstellung.Info: http://www.ethbib.ethz.ch/exhibit oderDr. M. Unser, Tel. 01/ 632 64 77 E-Mail: [email protected]

Militärakademie feierte 125. Geburtstag

(StS) Am 26. Oktober 1877 beschloss derBundesrat, dass am Eidgenössischen Poly-technikum in Zürich militärrelevante Vorle-sungen über die Bereiche Kriegsgeschichte,Strategie, Taktik, Heeresorganisation und -verwaltung gehalten werden sollen. Be-kanntester Dozent der seit der Jahrhun-dertwende obligatorischen Ausbildung warder spätere General Ulrich Wille, der von1909 bis 1913 der Militärabteilung amPolytechnikum vorstand. Nach zahlreichenNeuerungen wurde die Militärschule am 1. Juni 2002 in Militärakademie an der ETHZumbenannt. Im März feierte die Militäraka-demie im Rahmen ihrer Jahrestagung das125-Jahr-Jubiläum.

E T H - M I X

Wasserstoffauto PACCar: Schnittiges Design mit extrem sparsamem Herzstück.

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Die ETH Zürich und der Technopark, der denBoom in «Züri-West» lancierte, bilden vonAnfang an ein enges Gespann: «Für die ETHZürich bildet das Engagement im Techno-park Zürich eine der wichtigsten Schnitt-stellen zur Wirtschaft und zu Innovationschlechthin» hält der Vizepräsident für For-schung und Wirtschaftsbeziehungen derETH Zürich, Prof. Ueli Suter, in einer Ju-biläumsbeilage der Zeitschrift Cash fest.Und einer der «Väter» des Technoparks, Dr.Thomas von Waldkirch, der heute die Stif-tung Technopark leitet, hat die Idee nichtzuletzt aus seiner Funktion als Mitarbeiterdes ETH-Vizepräsidenten für Forschung undWirtschaftsbeziehungen heraus ent-wickelt.Damals, Anfang der 90er-Jahre, war es einestrategische Entscheidung der ETH-Leitung,einen ganzen Gebäudeteil zu belegen. For-schungsgruppen mit einem starken Praxis-bezug und Spin-off-Firmen sollten dort an-gesiedelt werden. Dies hat sich gelohnt: Inden 10 Jahren des Bestehens haben gegen50 Spin-off-Firmen der ETH Zürich hier ihreersten Schritte unternommen. Gleichzeitighaben Forschungsgruppen aus den ver-schiedensten Bereichen im TechnoparkZürich die ideale Umgebung gefunden, umdie Kluft zwischen Grundlagenforschungund dem anwendungsorientierten Denkenin der Privatwirtschaft zu verkleinern.Heute reicht das Spektrum vom Center forChemical Sensors (CCS) über die GruppeWeltraumbiologie, Textil- und Lebensmit-telproduktionsforschung bis zu Spin-off-Firmen aus den Bereichen Biomedizin, Com-

puteranimation oder auch Ergonomie(siehe Kasten).Bereits längere Zeit im Technopark angesie-delt ist beispielsweise die Gruppe «Ergono-mie und Technologie» des Institutes für Ar-beitshygiene. Sie entwickelten in den letz-ten Jahren verschiedene Tools zur Verbesse-rung der Usability von Produkten, Websitesoder auch Bedienungsanleitungen. Vor et-was mehr als einem Jahr wurde dann auch

eine Spin-off-Firma gegründet – und in un-gefähr einem Jahr wollen die Firmengrün-der definitiv auf eigenen Beinen stehen.Anders ist der Weg der Firma miromico ver-laufen: Verschiedentlich bei Jungunterneh-menswettbewerben wie etwa dem Busi-nessplanwettbewerb Venture 2000 ausge-zeichnet, musste die junge Firma nach derGründung im letzten Jahr angesichts derWirtschaftslage, statt sich auf die Lancie-

E N B R E F

T R A N S F E R

1 0 JA H R E T E C H N O PA R K Z Ü R I C H

E I N E W I C H T I G E S C H N I T T ST E L L E Z U R W I RT S C H A F TF Ü R D I E E T H Z Ü R I C H

Ende März feierte der Zürcher Technopark sein zehntes Jubiläum.Auch die ETH Zürich war dabei, ist sie doch seit Anfang in das Projekt involviert. Doch was eigentlich im Gebäude Einstein,dem Gebäudeteil der ETH Zürich des Technoparks, geschieht,wissen nur einige wenige Aficionados . . .

Der Technopark Zürich . . . Foto: Stefan Kubli

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rung von eigens entwickelten biomedizini-schen Messgeräten konzentrieren zu kön-nen, sich vorerst mit dem Engineering vonChips beschäftigen. «Aber damit haben wirzumindest diese erste harte Zeit überstan-den», meint Firmengründer Michael Oberle.«Und unsere eigenen Produkte haben wirnoch lange nicht aufgegeben – im Gegen-teil: durch das Engineering verdienen wirdas Geld, um daran weiterarbeiten zu kön-nen.»

Am Jubiläum von Ende März vermochtendie ETH-Gruppen und Spin-offs die Gästejedoch nicht nur durch Spitzentechnolo-gien zu überzeugen: Liebe geht auch durchden Magen, sagten sich die Lebensmittel-technologen – und servierten frisch produ-ziertes Vanille-Eis.

Von Sensoren bis zu den Weltraum-biologenEine Auswahl von Forschungsgruppenund Spin-off-Firmen der ETH Zürich imTechnopark.Center for Chemical Sensors (CCS):Künstliche Spürnasen von [email protected] & technologie:Usability-Tests für mehr Kundennutzenvon Websites, Soft- und [email protected]örperphysik:Eine neue Generation von Solarzellenentsteht. [email protected]:Das Wissen über Erdbeben – und die Er-forschung der [email protected] und [email protected]:Forschung für die Nahrungsmittelpro-duktion von [email protected] GmbH:e-learning and knowledge manage-ment solutions. [email protected] ag:Miniaturisierte [email protected] AG:Wir lernen die Computerspiele die Ge-setze der Physik. [email protected] (automatisierteProduktion):Neue Verfahren für die Zukunft der [email protected] Technologies AG:The future of screening in organic che-mistry. [email protected]:Den Geheimnissen der Biologie imWeltraum auf der [email protected]

Ein neues Biotop für Start-ups

Neben dem Technopark hat die ETHZürich in den vergangenen Monaten ihrEngagement in der Start-up-Förderungverstärkt: Zusammen mit dem KantonZürich, der Universität Zürich und derStadt Schlieren wurde der Verein «Bio-top – Lifescience Incubator Schlieren»gegründet.Der Verein vermietet an Start-ups imLife-Science-Bereich eingerichtete La-bors und Büros. Ergänzt werden dieRäumlichkeiten durch ein zentrales La-bor mit Geräten für den Grundbedarfund einen Seminarraum zur freienBenützung. Die Lokalitäten befindensich im Biotech Center Zürich auf demWagiareal in Schlieren.

Kontakt an der ETH Zürich:ETH transferDr. Andreas KlötiETH HG E 48.2Tel. 01 632 20 43E-Mail: [email protected]

Brutstätte für Produkte . . . Foto: Stefan Kubli

. . . und Visionen. Foto: Stefan Kubli

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Die Schweiz gilt gemeinhin nicht gerade alsLand der grossen Erdbeben. Doch in histori-scher Zeit haben sich hierzulande verschie-dene Beben ereignet, die – wenn sie heutestattfinden würden – beträchtlichen Scha-den anrichten würden. Über Anzahl undAusmass vergangener Ereignisse gibt derErdbebenkatalog der Schweiz Auskunft. Indieser Datenbank sind sämtliche bekann-ten historischen Erdbeben registriert. Vorkurzem veröffentlichte der SchweizerischeErdbebendienst (SED) an der ETH Züricheine neue Version des Katalogs.

Fehlerhafte Datenbank

Der bisherige Erdbebenkatalog wurde inden Siebzigerjahren erstellt, wie Dr. DonatFäh vom SED erzählt. «Damals stützte mansich vor allem auf ältere Kompilationen,also auf Berichte von Leuten, die bereitsähnliche Listen erstellt hatten.» Die Cruxbei diesem Vorgehen ist offensichtlich:«Wenn sich einmal ein Fehler in eine Kom-pilation eingeschlichen hat, wird er immerweiter getragen.»

Als Ende der Neunzigerjahre die Revisiondes Katalogs anstand, nahmen die Verant-wortlichen die Gelegenheit wahr, die bishe-rigen Daten kritisch zu begutachten undFehler auszumerzen. Das liess sich aller-dings nur im Rahmen eines grösseren Pro-jekts bewerkstelligen. Insgesamt warenrund 20 Leute an der Erstellung des neuenKatalogs beteiligt.

Nur leicht zugängliche Archive ausgewertet

In einem ersten Teil des Projekts wurden dieüberlieferten Berichte von Erdbeben histo-risch neu bewertet. «Aus Kosten- und Zeit-gründen konnten wir allerdings nur in denleicht zugänglichen grossen Archiven aus-führlich recherchieren», berichtet Fäh. «Dielokalen Dorf- und Kirchenarchive konntennur in Ansätzen in die Untersuchung miteinbezogen werden.» Vor allem über ältereEreignisse im Kanton Wallis sind in dengrossen Archiven relativ wenige Angabenzu finden. Ein Mangel, wie Fäh einräumt,handelt es sich dabei doch um eine derwichtigsten Erdbebenregionen der Schweiz.Tatsächlich hat der Erdbebenkatalog einigeKorrekturen erfahren. «Wir haben festge-

stellt, dass es im alten Katalog viele Dupli-kate gab», meint Fäh. Doppelspurigkeitengab es insbesondere bei alten Erdbeben, diewegen der Umstellung des Kalenders im 16. Jahrhundert mehrmals aufgenommenwurden. Fehler gab es auch bei der Zuord-nung von Ortschaften, und teilweise sindauch Übertragungsfehler der Grund fürfalsche Einträge. So ist beispielsweise dasBeben von Lindau im Jahre 1720 im altenKatalog als schweres Ereignis aufgeführt,weil in den Kompilationen von «zerstörtenHäusern» berichtet wird. Die Historiker fan-den nun jedoch heraus, dass im ursprüng-lichen Bericht nur von «durchgeschütteltenHäusern» die Rede ist.Insgesamt wurden mehr als 600 Ereignissehistorisch neu bewertet. 177 davon erreich-ten die Intensität VI oder höher, verursach-ten also zum Teil massive Schäden an Ge-bäuden. Immerhin 260 Ereignisse, die im al-ten Katalog aufgeführt wurden, konntenals fehlerhafte Einträge oder Duplikateidentifiziert werden. Vereinzelt haben dieHistoriker aber auch Beben entdeckt, vondenen man bisher nichts wusste.

Umrechnung auf Magnitude

In einem zweiten Schritt haben die Wissen-schaftler die historischen Überlieferungenseismologisch interpretiert. Von allen Erd-beben, bei denen nennenswerte Effekteauftraten, wurden sogenannte Intensitäts-felder bestimmt. Diese Karten zeigen auf,wo welche Schäden festgestellt wurden. Ineinem dritten Schritt berechneten die Seis-mologen die physikalischen Parameter desErdbebens, also die Lokalität des Epizen-trums, die Tiefenklasse des Erdbebenherdessowie die Magnitude des Bebens.

D E R N E U E E R D B E B E N K ATA LO G D E R S C H W E I Z

E I N K R I T I S C H E R B L I C K I N V E R G A N G E N E Z E I T E N

Der Schweizerische Erdbebenkatalog listet alle historischen Erdbeben in der Schweiz auf. Bisher basierte dieser Katalog allerdings auf teilweise fehlerhaften Quellen. Der Schweizerische Erdbebendienst an der ETH Zürich hat nun einen verbesserten Katalog veröffentlicht.

E N B R E F

F O R S C H U N G

Schulkinder bestaunen nach dem Erdbeben von Villeneuve (1946) einen Riss in der Hausmauer.

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Swiss Technology Award für ETH und PSI

(StS) Das von der ETHZ und vom Paul-Scherrer-Institut entwickelte Brennstoffzel-lensystem «Powerpac» ist mit dem Schwei-zer Technologiepreis ausgezeichnet wor-den. Der tragbare Stromgenerator erzeugtelektrischen Strom, indem er Wasserstoff in

Wärme und Wasser umwandelt. Seine Leis-tung im Bereich von 500 bis 2000 Watt er-möglicht beispielsweise den Betrieb vonRasenmähern ohne Lärm oder versorgtWohnwagen mit umweltfreundlicher Elek-trizität.Info: www.powerpac.ch;Kontakt: [email protected]

Stabile polymerartige Halbleiter

(StS) Wissenschaftler des DepartementsMaterialwissenschaften der ETHZ habenerstmals stabile Feldeffekttransistoren aufder Basis polymerartiger Werkstoffe ent-wickelt. Hierzu haben sie anorganisch-or-ganische Hybridverbindungen hergestellt,die sich in einer quasi-eindimensionalensupramolekularen Struktur anordnen. Siebilden einen Platinstab von atomaremDurchmesser, der von organischem Mate-rial ummantelt ist. Solche polymerartigen

Materialien können zum Beispiel zu Filmenverarbeitet werden. In Zusammenarbeitmit der Universität Cambridge konnte ge-zeigt werden, dass sich solche Filme zurHerstellung von Feldeffekt-Transistoreneignen, die eine aussergewöhnliche Stabi-lität aufweisen. Auch nach sechs Monatenan der Luft und bei Tageslicht beziehungs-weise zwölf oder mehr Stunden im Wasserbei 90 °C änderten sich die elektrischenKennwerte der Transistoren nicht.Info: PD Dr. Walter Caser,E-Mail: [email protected]

Da für historische Beben keine instrumen-tellen Messdaten vorliegen, musste dazueigens eine Kalibrierung erstellt werden.«Wir haben die Messdaten der grösserenBeben im 20. Jahrhundert ausgewertet undmit den beobachteten Intensitäten vergli-chen», erklärt Fäh. Aufgrund dieser Kalibrie-rung konnte dann die Magnitude der histo-rischen Beben berechnet werden. Der SEDwill nun in der nächsten Zeit eine neue pro-

babilistische seismische Gefährdungskarteder Schweiz fertigstellen.

Felix Würsten

Dieser Bericht erschien erstmals in «ETHLife», der täglichen Webzeitung der ETHwww.ethlife.ethz.ch

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N E W S

G A L E R I E

Haben Sie ein Erdbeben verspürt?

Um historische Ereignisse besser inter-pretieren zu können, interessiert sichder Schweizerische Erdbebendienstauch bei heutigen Erdbeben für persön-liche Beobachtungen. Meldungen kön-nen auf der Internetseite des Erdbeben-dienstes (http://www.seismo.ethz.ch/)gemacht werden. Dabei ist es auch vonInteresse, wenn ein Ereignis nicht ver-spürt wurde.

Historische Erdbeben auf einer Karte.

Lucas Bretschger ist seit dem 1. Januar 2003ordentlicher Professor für Ökonomie/Res-sourcenökonomie am Institut für Wirt-schaftsforschung (WIF) der ETH Zürich undTitularprofessor an der Universität Zürich.

Er wurde am 12. August 1958 in Zürich gebo-ren und studierte Volkswirtschaftslehre ander Universität Zürich. Im Anschluss anseine Tätigkeit als Finanzanalyst und als As-sistent am Institut für Empirische Wirt-schaftsforschung (IEW) erlangte er 1988 diePromotion an der Universität Zürich. Nacheinem einjährigen Aufenthalt an der Prin-ceton University als Visiting Fellow erhielter die Venia Legendi (Habilitation) an derUniversität Zürich. Zwischen 1994 und 1998war er Gastprofessor und Lehrstuhlvertre-ter an den Universitäten von Konstanz, LaPaz und Greifswald, wo er 1999 zum ordent-lichen Professor für Allgemeine Volkswirt-schaftslehre ernannt wurde. Seit 2003 ist erordentlicher Professor an der ETH Zürichund Leiter der Gruppe für Ressourcenöko-nomie. Die Forschungsinteressen von LucasBretschger liegen hauptsächlich im Gebietder dynamischen ökonomischen Theorie,insbesondere bei den Ressourcen- und In-novationsmodellen, mit spezieller Vertie-fung im Gebiet der Substitution natürlicherRessourcen in Mehr-Sektoren-Modellen mitendogenem Wachstum. Zusätzlich beschäf-tigt sich Bretschger vor allem mit den glo-balen wirtschaftlichen Interdependenzen,der räumlichen Verteilung wirtschaftlicherAktivitäten und der allgemeinen makroöko-nomischen Theorie. Aufgrund der in seinerForschung vorgenommenen Integrationvon Ressourcenknappheit und Umweltver-schmutzung in die dynamisch-ökonomi-sche Theorie können Resultate zur Formu-lierung von Strategien für das Erreichen ei-ner langfristig nachhaltigen Entwicklung inder Zukunft abgeleitet werden. Bretschgerhat viele wissenschaftliche Artikel in inter-nationalen Zeitschriften publiziert und istAutor verschiedener ökonomischer Lehr-bücher. Zwei seiner Aufsätze wurden von

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der Schweizerischen Gesellschaft für Volks-wirtschaft und Statistik und der Schweize-rischen Gesellschaft für Konjunkturfor-schung ausgezeichnet. Zudem hat er ver-schiedene angewandte Forschungsprojektein den Bereichen Umweltökonomie undWettbewerbsfähigkeit von Wirtschafts-standorten geleitet. Er ist ausserdem Mit-glied des Ausschusses für Aussenwirtschaftdes Vereins für Sozialpolitik.

Hugo Bucher ist seit dem 16. Oktober 2001ordentlicher Professor für Paläozoologie ander Universität Zürich und der ETH Zürichsowie Direktor des Paläontologischen Insti-tuts und Museums.

Er wurde am 20. Februar 1960 in Boulogne-Billancourt in Frankreich geboren und stu-dierte Geologie an der Universität von Lau-sanne, an der er 1990 unter der Leitung vonProfessor Jean Guex in Paläontologie pro-movierte. Mit einem Forschungsstipen-dium des Schweizerischen Nationalfondsführte er von 1991 bis 1993 seine Forschun-gen am Geological Survey of Canada (Van-couver, British Columbia) weiter. 1994wurde er vom Centre National de la Recher-che Scientifique (CNRS) als wissenschaftli-cher Mitarbeiter angestellt und 1995 alsProfessor an die Universität Claude-Ber-nard Lyon I berufen.Hugo Buchers Hauptinteressen liegen inden Bereichen Formgestaltung und Wachs-tum der Molluskenschalen, der morpholo-gischen und evolutionären Muster, derquantitativen Biochronologie und weitrei-chender Änderungen der Artenvielfalt imVerlauf längerer Zeiträume als Reaktion aufgrosse umweltbedingte Veränderungen.Bei der Mehrheit dieser Forschungsgebietestehen Untersuchungen an Trias-Ammo-noiden im Zentrum. Zur Beschaffung desUntersuchungsmaterials werden umfang-reiche Geländetätigkeiten in den nordame-

rikanischen Kordilleren, im Himalaja und inSüdchina durchgeführt.

David Basin ist seit dem 1. Januar 2003 or-dentlicher Professor an der ETH Zürich undhat die Professur für Informationssicher-heit im Departement Informatik inne.

1984 erhielt er vom Reed College seinen Ba-chelors Degree in Mathematik, 1989 seinenPh. D. von der Cornell University und 1996habilitierte er an der Universität des Saar-landes. Nach seiner Promotion, von 1990 bis1991 forschte er an der Universität von Edin-burgh. Von 1992 bis 1997 leitete er eine Un-tergruppe innerhalb der Forschungsabtei-lung Logik der Programmierung am Max-Planck-Institut für Informatik. Als ordentli-cher Professor an der Universität Freiburgin Deutschland arbeitete er von 1997 bis2002.Sein Forschungsgebiet ist die Informations-sicherheit, vor allem Methoden und Werk-zeuge, um sichere und verlässliche Systemeaufzubauen. Zurzeit leitet er das ZISC(Zurich Information Security Center). Aus-serdem ist er Mitglied der Redaktionsvor-stände von Acta Informatica und Higher-Order und Symbolic Computation.

Akademische Ehrungen

Prof. Dr. Marc Angélil, Professor der ETHZürich für Architektur und Entwurf, hat zu-sammen mit seiner Partnerin Sahara Gra-ham für sein Kindermuseums-Projekt in LosAngeles eine Auszeichnung des AmericanInstitute of Architects (AIA) erhalten.

Prof. Dr. Henry Baltes, Professor der ETHZürich für physikalische Elektronik, ist zumFellow des Institute of Electrical and Elec-tronics Engineers (IEEE) ernannt worden.

Prof. Dr. Hans Peter Geering, Professor derETH Zürich für Regeltechnik und Mechatro-nik, ist zum Fellow des Institute of Electricalund Electronics Engineers (IEEE) ernanntworden.

Prof. Dr. Detlef Günther, Professor der ETHZürich für Analytische Chemie und Spuren-analytik, ist der 2003 European Award fürSpectrochemistry verliehen worden.

Prof. Dr. Alexander N. Halliday, Professorder ETH Zürich für Isotopengeochemie, istvon der Geological Society, London, dieMurchison Medal 2003 verliehen worden.

Prof. Dr. Ueli Maurer, Professor der ETHZürich für Informatik, ist zum Fellow des In-stitute of Electrical and Electronics En-gineers (IEEE) ernannt worden.

Prof. Dr. Manfred Morari, Professor der ETHZürich für Automatik, ist der Cast DivisionAward 2002 der AIChe verliehen worden.

Prof. Dr. Michele Parrinello, Professor derETH Zürich für Computational Sciences undDirektor des CSCS, Manno, ist von der Uni-versität Messina, Italien, der Ehrendoktorder Chemie verliehen worden.

Prof. Dr. Dieter Seebach, Professor der ETHZürich für Chemie, ist vom Vorstand der Ge-sellschaft Deutscher Chemiker in Anerken-nung seiner Verdienste um die Chemie die «August-Wilhelm-von-Hofmann-Denk-münze» verliehen worden.

Prof. Dr. Erich Josef Windhab, Professor derETH Zürich für Lebensmittelverfahrens-technik, ist zum Mitglied der European Aca-demy of Sciences gewählt worden.

Prof. Dr. Gisbert Wüstholz, Professor derETH Zürich für Mathematik, ist vom Rat derAkademie der Berlin-BrandenburgischenAkademie zum ordentlichen Mitglied ge-wählt worden.

Prof. Dr. Helmut Bölcskei, Professor der ETHZürich für Kommunikationstechnik, ist mitdem 2001 IEEE Signal Processing SocietyYoung Author Best Paper Award ausge-zeichnet worden.

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Brigitte Boothe, Bettina Ugolini (Hrsg.)Lebenshorizont AlterReihe Zürcher Hochschulforum, Band 35264 Seiten, zahlreiche Abbildungen,Format 17 x 24 cm, broschiert, Fr. 48.–vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich,2003

Wenn die Enkelkinder heranwachsen, dieBerufsarbeit zu Ende geht und das Haargrau wird, dann befindet man sich in einerLebensphase, die dazu herausfordert, demVergangenen Rechnung zu tragen und dieGegenwart neu zu gestalten. Das gilt fürdie Ebene des Körperlichen ebenso wie fürdie Welt der Beziehungen und des sozialenLebens; das gilt für das Denken und Fühlenebenso wie für das religiöse Selbstver-ständnis. Das gilt für Intimität und Privat-heit wie für die Beziehung zur politischenund kulturellen Öffentlichkeit.Die politische und kulturelle Öffentlichkeitverlangt die intensive Erforschung deshöheren Lebensalters, denn die Seniorinnenund Senioren stehen nicht mehr am Rande,sondern rücken in den Mittelpunkt der Auf-merksamkeit: weil es so viele sind, weil siefinanziell gut gestellt sind, mobil, agil, kon-taktfreudig, und die Ernte des Lebens mitkräftigen Armen einfahren wollen; oderaber weil sie arm sind, einsam, elend, unse-ren Schutz verlangen und unsere Gewaltund unsere Vormundschaft fürchten.Die Publikation gibt einen Einblick in diemedizinische Altersforschung heute, fragtnach dem Alltag alter Menschen, nachihren Beziehungen, ihren Träumen, Erinne-rungen, ihrem religiösen Erleben, ihrenHoffnungen und ihrem Standort im Leben.

Helga Nowotny (Hrsg.)Jahrbuch des Collegium Helveticum388 Seiten, inkl. CD-ROM,Format 13 x 21,5 cm, Fr.48.–vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich,2003

Das Collegium Helveticum der ETH Zürichbietet Wissenschaftlern einen einmaligenFreiraum für ihre Arbeit. Damit verbundenist der interdisziplinäre Auftrag, über dieGrenzen der eigenen Disziplin zu blickenund verstehen zu lernen, wie Wissenschaf-ten untereinander und mit Blick auf die Öf-fentlichkeit kommunizieren können.Das vorliegende Jahrbuch resümiert wie-derum die Ereignisse, die sich während desJahres abgespielt haben. Die Gruppe derKollegiaten entschloss sich diesmal, «eineetwas andere Auseinandersetzung mit derWissenschaft» zu suchen. Das Ergebnis istein gemeinsam produziertes Hörspiel mitdem Titel «Reparatur», das als CD beigelegtist und die Berichte der KollegiatInnen er-gänzt.Begleitet haben diese Prozesse die Gästeaus Wissenschaft, Literatur und Kunst. Siealle haben während ihres Aufenthalts inunterschiedlichem Ausmass am Leben desCollegium Helveticum teilgenommen unddieses mitgeprägt. Ein Höhepunkt der be-sonderen Art war der Besuch von Bundes-rätin Ruth Dreifuss anlässlich der Fünf-Jah-res-Feier des Collegium Helveticum. IhreAnsprache ist in diesem Band vollständigabgedruckt.

Peter Jenny (Hrsg.)Notizen zur Fototechnik10., vollständig überarbeitete Auflage,212 Seiten, Format 10,5 x 14,8 cm, englisch,broschiert, Fr. 28.–vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich,2003

Fotografie ist das demokratischste Bildmit-tel überhaupt: «Alle können, wenn sie wol-len.» Ausserordentliche Resultate gelingenjedoch nur wenigen. Die Spitze bleibt spitz(wie bei jeder Tätigkeit), trotz oder geradewegen der enormen Breite der Basis. Auchwenn die Elektronik die Fotografie verän-dert, handelt es sich beim Fotoapparatletztlich um ein Werkzeug. Dieses legen wiran auf unsere Umgebung, damit bearbei-ten wir unsere Nächsten: Grund genug, umdiesem Instrument die nötige Aufmerk-samkeit zu schenken.Die zehnte Auflage wurde um ein separatesKapitel zur Digitalfotografie erweitert. Neusind auch zahlreiche Hinweise zu WWW-Adressen mit weiterführenden Informatio-nen.

Verein FRAU AM BAU (Hrsg.)Brennpunkt Frau am BauChancengleichheit und Personalentwicklungin der Bauplanungsbranche176 Seiten, Format 16 x 23 cm, broschiert,Fr. 38.–vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich,2003

In diesem Buch werden Erfahrungen mitGleichstellungsthemen in der Baubranchedargestellt. Anhand verschiedener Materia-lien, von Fall- und Musterbeispielen sowieInstrumenten wie einem Personalentwick-lungskonzept und einem Leitfaden für einLohnsystem wird zukunftsorientiert dieGleichstellung in der Baubranche vorange-trieben. Der Fokus liegt auf der Vermittlungvon Erfahrungen und Insiderwissen zur Ge-staltung der Zukunft.

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N E U E B Ü C H E R

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Nach Studium und Dissertation an der ETHund einem Abstecher in den diplomati-schen Dienst arbeitet Andreas Zysset seit1995 beim Ingenieur- und BeratungsbüroErnst, Basler + Partner. Zysset betreut alsWasserspezialist im Geschäftsbereich Um-welt diverse Projekte im In- und Ausland.

Erst vor kurzem ist das Wasserforum inKyoto zu Ende gegangen. Haben Sie dieKonferenz berufshalber mitverfolgt?Kyoto war sicher eines der Schlüsselereig-nisse im Jahr des Wassers. Ich habe über dieMedien vor allem die Arbeit der SchweizerDelegation mitverfolgt, die interessanteVorschläge einbrachte, wie eine Umwelt-haftpflicht-Regelung international einge-führt werden könnte. Wenn die Diskussio-nen dazu weitergehen und der Vorschlagnicht einfach schubladisiert wird, wäre dassicher ein Erfolg.

Ein anderes Konferenzthema betraf die Pri-vatisierung von Trinkwasser. Der Ruf nachPrivatisierungen ist heute ja entschiedenkleiner als noch vor zwei, drei Jahren.Warum also diskutierte man 2003 nochdarüber?Der Ursprung der ganzen Privatisierungs-diskussion beim Wasser liegt im hohenInvestitionsbedarf, den man ausgemachthat, um mittelfristig den Zugang zumTrinkwasser zu verbessern. Heute lebengemäss Schätzungen der Weltgesundheits-organisation rund 2,4 Milliarden Menschenohne Zugang zu sauberem Wasser, und dieinternationale Gemeinschaft will dieseZahl bis ins Jahr 2015 halbieren. Man hofftnun, dass diese hohen Investitionen min-destens teilweise privat finanziert werdenkönnten.

Soll und kann man die Trinkwasserversor-gung in private Hände legen?Privatisierung ist kein Patentrezept. Ebensofalsch wäre es aber, den Gedanken inBausch und Bogen zu verwerfen. In Frank-reich zum Beispiel kennt man seit rund 100 Jahren eine private Wasserversorgung, die

relativ gut funktioniert. Anderes Beispiel:Ich habe gerade kürzlich eine Studie überArgentinien gelesen, in der private und öf-fentliche Wasserversorgungen miteinanderverglichen wurden. Die Studie kommt zumSchluss, dass die Kindersterblichkeit in Ge-bieten mit privaten Anbietern kleiner aus-

I N T E RV I E W M I T KU LT U R I N G E N I E U R A N D R E A S ZYS S E T

I C H B I N N I C H T D E R T Y P, D E R AU F D I E B A R R I K A D E N ST E I G T »

A L U M N I A K T U E L L

I M G E S P R ÄC H

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Andreas Zysset arbeitet gerade an einem Massnahmenplan Wasser für den Kanton Zürich.

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fiel als bei den öffentlichen Wasserversor-gern. Dies gesagt, gibt es auch genügendGegenbeispiele, wo sich die Situation fürdie arme Bevölkerung nach der Privatisie-rung der Wasserversorgung verschlechtertstatt verbessert hat.

Das sind nun zwei Beispiele aus dem Aus-land. Und die Schweiz?Grundsätzlich gilt: Die Wasserversorgung inder Schweiz ist Sache der Gemeinden. Da-mit sind diese frei, wie sie sich organisierenwollen. Ich glaube aber nicht, dass hierzu-lande eine Privatisierung der Wasserversor-gung politisch eine grosse Chance hat. Ab-stimmungen der letzten zwei Jahre überdie privatrechtliche Umwandlung von städ-tischen Wasser- und Elektrizitätswerkendeuten darauf hin. Offenbar ist Wasser inder Wahrnehmung von vielen ein öffentli-ches Gut, das nicht privatisiert werdenkann. Das heisst aber nicht, dass man in Zu-kunft nicht vermehrt die Wirtschaftlichkeitgewisser Werke unter die Lupe nehmenwird.

Sie arbeiten seit 1995 bei Ernst, Basler +Partner. Woran arbeiten Sie gerade in die-sen Tagen?Wir sind gerade mit einem Massnahmen-plan Wasser für den Kanton Zürich beschäf-tigt. Im Auftrag des Amtes für Abfall, Was-ser, Energie und Luft (AWEL) haben wir eineBestandesaufnahme gemacht über Gewäs-serschutz, Wasserversorgung und Hoch-wasserschutz. Es geht darum herauszufin-den, wie die drei Bereiche noch verschränk-ter zusammenarbeiten können. Die nächstePhase der detaillierten Analyse beginnt übri-gens in den nächsten Wochen im Glatttal.

Warum braucht es überhaupt externe Be-rater? Ein Amt könnte doch auch selberdarauf kommen, dass die verschiedenenAmtsstellen mehr zusammenarbeiten müs-sen . . .Die Leute in der Verwaltung kennen dieSachlage sicher am besten. Wir können auf-grund unserer langjährigen Erfahrung Me-thoden zur Verfügung stellen, um Schwach-stellen zu finden und Verbesserungsvor-schläge zu machen. Vielleicht spricht auchdafür, jemanden extern zu engagieren,weil man als Aussenstehender weniger be-triebsblind ist. Schliesslich müssen Mitar-beitende des AWEL ja weiter das Tagesge-schäft erledigen, was schwer vereinbar istmit der Durchführung einer grösseren Un-tersuchung.

Sind die Fragestellungen für Projekte imAusland ähnlich gelagert wie in derSchweiz?Das Bedürfnis nach sauberem Trinkwasserbesteht natürlich überall gleich. Aber dieVoraussetzungen sind verschieden. Ein Pro-jekt, an dem Ernst, Basler + Partner schonseit längerem arbeiten, ist der Ohrid-See imGrenzgebiet zwischen Albanien und Maze-donien. Der Ohrid-See ist zwei bis dreiMillionen Jahren alt und hat eine eigenePflanzen- und Tierwelt, vergleichbar viel-leicht mit dem bekannteren Baikal-See.

Seit 1995 sind wir in verschiedenen Teilpro-jekten mit dem Ohrid-See betraut, in Zu-sammenarbeit mit regionalen Behördenund internationalen Organisationen wieetwa der Weltbank. Zurzeit sind wir geradedaran, eine internationale Konferenz zu or-ganisieren, die diesen Herbst am Ohridseestattfinden soll und von der Schweiz initi-iert wurde.

Was stand am Anfang dieser Schutzan-strengungen für den Ohrid-See?Man hat festgestellt, dass zu viele Nähr-stoffe in den See gelangen, vor allem durchungeklärte Abwasser, und die einmaligeTier- und Pflanzenwelt über die nächstenzehn bis zwanzig Jahre auszusterben droht.Diesen Befund eines lokalen wissenschaft-lichen Instituts hat dann unsere Firma in ei-nem ersten Projekt erhärten können.

In Ihrer Funktion sind Sie ja eine Art Ad-vokat für den Umweltgedanken. Warumarbeiten Sie nicht gleich für eine Organi-sation wie Greenpeace oder Pro Natura?(langes Schweigen . . .)Ich bin nicht unbedingt der Typ, der auf dieBarrikaden steigt für eine Sache, sondernschätze es, als Kulturingenieur nach Lösun-gen zu suchen, die konsensorientiert sind.Zuweilen beneide ich allerdings schonLeute von NGO’s, die ihren Standpunkt of-fen vertreten können, ohne irgendwelcheRücksichten nehmen zu müssen.

Sie arbeiteten während zwei Jahren für dendiplomatischen Dienst. Warum gaben Sieein so kurzes Gastspiel im EDA?Ich hatte mich während meiner Diss für dieAufnahmeprüfung in den diplomatischenDienst angemeldet und war dann ein Jahrin Bern und ein Jahr in Kairo. Alles in allemeine spannende Zeit für mich mit Begeg-nungen, die ich vorher an der ETH nicht ma-chen konnte. Schliesslich aber wollte ich

aus familiären Gründen doch einen Jobohne dauerndes Herumreisen. Heute binich vielleicht während ein bis zwei Monatenpro Jahr im Ausland, was besser für michpasst, als alle paar Jahre mit der ganzen Fa-milie wieder die Koffer zu packen und in einneues Land zu reisen.

Interview von Roman Klingler

Andreas Zysset schloss 1988 als dipl.Kulturing. ETH ab und verfasste an-schliessend eine Dissertation überGrundwassermodellierung. Zwischen1993 und 1995 war er für das Eidgenös-sische Departement für auswärtigeAngelegenheiten (EDA) tätig, darunterein Jahr als Attaché auf der Botschaft inKairo. Seit 1995 arbeitet Andreas Zyssetfür das Ingenieur-, Planungs- und Bera-tungsunternehmen Ernst, Basler + Part-ner mit Hauptsitz in Zollikon. Das Un-ternehmen beschäftigt rund 240 Mitar-beitende. Andreas Zysset ist Mitgliedder Geschäftsbereichsleitung «Um-welt». Sein Arbeitsbereich befasst sichprimär mit Wasseraufgaben und erar-beitet dazu strategische Konzepte, führtProjektbeurteilungen durch und beglei-tet Investitionsprojekte. Wichtigste Auf-traggeber sind öffentliche Stellen.

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A L U M N I A K T U E L L

B U S I N E S S D I N N E R VO M 2 7. M A I 2 0 0 3 M I T P E T E R Q UA D R I ,VO R S I T Z E N D E R D E R G E S C H Ä F T S L E I T U N G I B M ( S C H W E I Z ) AG , Z Ü R I C H

Technologie und Management im Wandel: Wohin geht die Entwicklung der Technologie und wie wird sie sichauf Unternehmen und Wirtschaft auswirken? Was bedeutet dies für Führungskräfte?Welches sind die Auswirkungen für unsere Gesellschaft?

B U S I N E S S L U N C H VO M 1 6 . J U N I 2 0 0 3 M I T D R . E L M A R W I E D E R I N ,D I R E K TO R T H E B O STO N CO N S U LT I N G G R O U P AG , Z Ü R I C H

Erfolg in unsicheren Zeiten: Sinkende Börsenkurse, tiefe Zinsen, hohe Arbeitslosigkeit, viele Konkurse.Dies stellt das Management vor ungewöhnliche Herausforderungen. Welche Prioritäten soll man in diesen Zeiten setzen, um den Erfolg am Markt sicherzustellen und die Mitarbeiter zu motivieren?

T R E F F P U N K T

Peter Quadri schloss sein Studium an derUniversität Zürich als lic. oec. publ. ab. 1970trat er in die IBM Schweiz ein. Nach Aus-landeinsätzen übte er verschiedene Mana-gementfunktionen in der Verkaufsorgani-sation aus. 1996 wurde er Mitglied der Ge-

schäftsleitung der IBM Schweiz und über-nahm die Verantwortung für das Dienst-leistungsgeschäft (Global Services). Seit Juli1998 ist Peter Quadri Vorsitzender der Ge-schäftsleitung der IBM (Schweiz) AG.

ETH Alumni Business Dinner, 18.00–21.00 UhrDozentenfoyer, ETH Hauptgebäude, Stock-werk J, Mitglieder Fr. 80.–, Gäste Fr. 90.–

Elmar Wiederin doktorierte in Betriebswirt-schaft an der Universität Innsbruck und er-warb einen MBA am INSEAD. 1983 begannseine Karriere bei der Boston ConsultingGroup in München. 1989 erfolgte der Über-tritt nach Zürich, 1998 die Ernennung zumLeiter Schweiz. Elmar Wiederin befasst sichschwergewichtig mit Strategie und Corpo-

rate Development für Kunden im BereichFinancial Services und Familienunterneh-men.

ETH Alumni Business Lunch, 11.45–13.45 UhrGEP-Pavillon, ETH Zentrum,Mitglieder Fr. 70.–, Gäste Fr. 80.–

Zürich ist eine Wasserstadt. Im Internatio-nalen Jahr des Süsswassers 2003 soll diesnoch deutlicher werden. See, Limmat, Sihlund all die anderen sichtbaren und unsicht-baren Gewässer stehen vom 21. Juni bis zum20. Juli im Zentrum der Wasserstadt.

Ein Wasserpfad führt durch Zürich. Er zeigt,woher die Stadt ihr Trinkwasser nimmt undauf welchen Kanälen der Regen wieder ver-schwindet. Wem gehört das Wasser im See,wie viele Liter Wasser stecken in der Tomateund wie gut geht es den Zürcher Fischen ei-gentlich? Antworten auf diese und hundertandere Fragen gibt es an den Wasserorten.Sie finden sich entlang der Limmat, deckenVerborgenes und Vergessenes auf und ho-len das Selbstverständliche ins Bewusst-sein.

Tage der offenen Tür, Führungen, Konzerteund Lesungen begleiten das Projekt.

Träger des Projektes Wasserstadt sind:

ProjektteamAWELEAWAGERZewzWVZ WWF

Programm und weitere Informationen:www.wasserstadt.ch

Vereinigung der Absolventinnen undAbsolventen der ETH Zürich, ETH Zen-trum, 8092 Zürich, Tel. 01-632 51 00,Fax 01-632 13 29, [email protected],www.alumni.ethz.ch

WA S S E R STA DT Z Ü R I C H

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