EU-Vorgaben zur CO -Minderung für die Automobil- industrie ...den 95 € je Gramm und den...

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61. Jahrgang – ifo Schnelldienst 3/2008 3 Vorschläge gehen nicht weit genug Verbindliche Grenzwerte für den CO2- Ausstoß von Fahrzeugen sind der richti- ge Weg. Die Vorschläge der EU-Kommis- sion gehen jedoch aus grüner Sicht nicht weit genug. Der Automobilverkehr trägt in Europa mit rund 12% zu klimaschädigenden Emissio- nen bei. Tendenz steigend. Die Autoflotte global wächst: Während 2007 ca. 900 Mill. Pkw unterwegs waren, werden es nach Prognosen bis 2030 schon 1,3 Mrd. Pkw sein. Auch der Treibstoff Öl wird knapp, die Nachfrage in den aufstrebenden Wachs- tumsländern nimmt ständig zu und die Preise steigen. Spritschlucker schaden da- mit nicht nur dem Klima, sondern auch dem Geldbeutel. Höhere Kosten für eine Tankfüllung werden Porschefahrer in ihrem Geldbeutel nicht merken, die Mehrheit der Bürger durchaus. Im letzten Jahr erst hat sich die Europäi- sche Union zum Ziel gesetzt, die eige- nen Emissionen bis 2020 um 20% auf der Basis von 1990 zu senken. Mit dem In- tegrierten Energie- und Klimaprogramm verpflichtet sich die deutsche Bundesre- gierung sogar, in den kommenden zwölf Jahren um 40% zu reduzieren. Auch der Verkehrssektor muss mit der Reduktion von 30 Mill. Tonnen CO2 seinen Beitrag leisten. Das Problem ist nicht neu: In Brüssel plan- te man schon Mitte der neunziger Jahre einen Grenzwert für CO2, der den Aus- stoß aus Pkw verringern sollte. Angela Merkel war im EU-Umweltministerrat da- mals an den Beratungen beteiligt. Um die Gesetzesinitiative abzuwehren, hatte sich die europäische Automobilindustrie 1998 gegenüber der Europäischen Kommissi- on freiwillig dazu verpflichtet, den durch- schnittlichen Schadstoffausstoß der Fahr- zeugflotte auf 140 g/km bis 2008 zu sen- ken. Doch es blieb beim Versprechen: Im Jahr 2006 haben Neuwagen in Deutsch- land durchschnittlich 173 g/km CO2 aus- gestoßen, ein Viertel mehr als der selbst gesteckte Zielwert für 2008. Es ist also klar, dass die Automobilindus- trie das Ziel nicht erreicht. Konsequenter- weise hat der EU-Kommissionspräsident Barroso gesetzliche Grenzwerte und Sanktionsmechanismen in Angriff genom- men. Die Erfahrung zeigt, wirklich effizien- te Autos baut die Industrie nicht ohne po- litischen Druck. Die deutschen Autoher- steller haben zu sehr auf Geschwindigkeit und Luxus gesetzt und daher Umweltin- novationen verschlafen, jetzt erhalten sie die Quittung dafür. Die Bundesregierung spricht von einem »Vernichtungskrieg gegen die deutsche Automobilindustrie« und mittendrin die Kanzlerin, die beim Thema Auto verges- sen zu haben scheint, dass sie einmal Umweltministerin war. Damit unterminiert die Koalition nicht nur die eigenen Klima- ziele, sondern setzt Wirtschaftsinteressen der deutschen Automobilindustrie über Klimaschutz und die Bedürfnisse der Ver- braucher. Sie schadet damit letztlich auch der europäischen Idee. So geht man mit europäischen Partnern im 21. Jahrhun- dert nicht mehr miteinander um. In kaum einem anderen Bereich ist die Kli- mabilanz der Bundesregierung derartig blamabel wie im Verkehr. Nicht die EU- Kommission betreibt Lobby-Politik für Frankreich und Italien, sondern Merkel, Gabriel und Glos für Porsche, Mercedes und BMW. Und dies wider besseres Wissen! Denn die von der Bundesregierung kritisierten industrie: Klimaschutz oder Industriepolitik? EU-Vorgaben zur CO2-Minderung für die Automobil- Die EU-Kommission will bis zum Jahr 2012 den Kohlendioxid-Ausstoß der in der EU verkauften Neuwagen im Mittel auf 130 Gramm CO2 pro Kilometer beschränken. Ist diese Maßnahme – wie Bundesumweltminister Gabriel sie bezeichnete – ein »Autokrieg gegen Deutschland«? Renate Künast* Winfried Hermann** * Renate Künast ist Fraktionsvorsitzende des Bünd- nis 90/ Die Grünen. ** Winfried Hermann ist verkehrspolitischer Sprecher des Bündnis 90/ Die Grünen.

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  • 61. Jahrgang – i fo Schne l ld ienst 3/2008

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    Vorschläge gehen nichtweit genug

    Verbindliche Grenzwerte für den CO2-Ausstoß von Fahrzeugen sind der richti-ge Weg. Die Vorschläge der EU-Kommis-sion gehen jedoch aus grüner Sicht nichtweit genug.

    Der Automobilverkehr trägt in Europa mitrund 12% zu klimaschädigenden Emissio-nen bei. Tendenz steigend. Die Autoflotteglobal wächst: Während 2007 ca. 900 Mill.Pkw unterwegs waren, werden es nachPrognosen bis 2030 schon 1,3 Mrd. Pkwsein. Auch der Treibstoff Öl wird knapp, dieNachfrage in den aufstrebenden Wachs-tumsländern nimmt ständig zu und diePreise steigen. Spritschlucker schaden da-mit nicht nur dem Klima, sondern auchdem Geldbeutel. Höhere Kosten für eineTankfüllung werden Porschefahrer in ihremGeldbeutel nicht merken, die Mehrheit derBürger durchaus.

    Im letzten Jahr erst hat sich die Europäi-sche Union zum Ziel gesetzt, die eige-nen Emissionen bis 2020 um 20% auf derBasis von 1990 zu senken. Mit dem In-tegrierten Energie- und Klimaprogrammverpflichtet sich die deutsche Bundesre-gierung sogar, in den kommenden zwölfJahren um 40% zu reduzieren. Auch derVerkehrssektor muss mit der Reduktionvon 30 Mill. Tonnen CO2 seinen Beitragleisten.

    Das Problem ist nicht neu: In Brüssel plan-te man schon Mitte der neunziger Jahreeinen Grenzwert für CO2, der den Aus-stoß aus Pkw verringern sollte. AngelaMerkel war im EU-Umweltministerrat da-mals an den Beratungen beteiligt. Um dieGesetzesinitiative abzuwehren, hatte sich

    die europäische Automobilindustrie 1998gegenüber der Europäischen Kommissi-on freiwillig dazu verpflichtet, den durch-schnittlichen Schadstoffausstoß der Fahr-zeugflotte auf 140 g/km bis 2008 zu sen-ken. Doch es blieb beim Versprechen: ImJahr 2006 haben Neuwagen in Deutsch-land durchschnittlich 173 g/km CO2 aus-gestoßen, ein Viertel mehr als der selbstgesteckte Zielwert für 2008.

    Es ist also klar, dass die Automobilindus-trie das Ziel nicht erreicht. Konsequenter-weise hat der EU-KommissionspräsidentBarroso gesetzliche Grenzwerte undSanktionsmechanismen in Angriff genom-men. Die Erfahrung zeigt, wirklich effizien-te Autos baut die Industrie nicht ohne po-litischen Druck. Die deutschen Autoher-steller haben zu sehr auf Geschwindigkeitund Luxus gesetzt und daher Umweltin-novationen verschlafen, jetzt erhalten siedie Quittung dafür.

    Die Bundesregierung spricht von einem»Vernichtungskrieg gegen die deutscheAutomobilindustrie« und mittendrin dieKanzlerin, die beim Thema Auto verges-sen zu haben scheint, dass sie einmalUmweltministerin war. Damit unterminiertdie Koalition nicht nur die eigenen Klima-ziele, sondern setzt Wirtschaftsinteressender deutschen Automobilindustrie überKlimaschutz und die Bedürfnisse der Ver-braucher. Sie schadet damit letztlich auchder europäischen Idee. So geht man miteuropäischen Partnern im 21. Jahrhun-dert nicht mehr miteinander um.

    In kaum einem anderen Bereich ist die Kli-mabilanz der Bundesregierung derartigblamabel wie im Verkehr. Nicht die EU-Kommission betreibt Lobby-Politik fürFrankreich und Italien, sondern Merkel,Gabriel und Glos für Porsche, Mercedesund BMW.

    Und dies wider besseres Wissen! Denndie von der Bundesregierung kritisierten

    industrie: Klimaschutz oder Industriepolitik?EU-Vorgaben zur CO2-Minderung für die Automobil-

    Die EU-Kommission will bis zum Jahr 2012 den Kohlendioxid-Ausstoß der in der EU verkauften

    Neuwagen im Mittel auf 130 Gramm CO2 pro Kilometer beschränken. Ist diese Maßnahme – wie

    Bundesumweltminister Gabriel sie bezeichnete – ein »Autokrieg gegen Deutschland«?

    Renate Künast*

    Winfried Hermann**

    * Renate Künast ist Fraktionsvorsitzende des Bünd-nis 90/ Die Grünen.

    ** Winfried Hermann ist verkehrspolitischer Sprecherdes Bündnis 90/ Die Grünen.

  • Zur Diskussion gestellt

    Vorschläge der Kommission sind schon ein Kompromiss,der deutschen Autoherstellern entgegenkommt. SchwereAutos dürfen 60% mehr CO2 ausstoßen. Frankreich und Ita-lien wollten ursprünglich nur 30%. Zudem wurde die Berech-nung des Ausstoßes nach Gewicht vor allem auf DrängenDeutschlands aufgenommen. Trotz dieses Entgegenkom-mens wird weiter gejammert.

    Die gesetzliche Begrenzung des CO2-Ausstoßes nach demFlottendurchschnitt von 120g/km ab 2012 ist grundsätz-lich richtig. Die Vorschläge der EU-Kommission haben je-doch jetzt schon deutliche Schwächen und eine weitere Ver-wässerung im Entscheidungsverfahren kann nicht ausge-schlossen werden.

    Der Grenzwert wurde entgegen dem ursprünglichen Ziel von120 auf 130 g/km CO2 angehoben. Die Anrechnung von10g/km des Grenzwerts auf eher nebulöse »weitere Maß-nahmen« und vor alem den Einsatz von pflanzlichen Kraft-stoffen darf nicht zur Mogelpackung werden. Nur wenn si-chergestellt wird, dass die Agrarkraftstoffe nachhaltig pro-duziert werden, kein Urwald dafür gerodet wird und eineKonkurrenz mit Nahrungsmitteln, vor allem in Entwicklungs-ländern, ausgeschlossen ist, leisten Agro-Kraftstoffe einenBeitrag für den Klimaschutz. Selbst neue Studien der EUsetzen hinter die Agro-Kraftstoffe zu Recht immer mehr Fra-gezeichen.

    Ambitionierte Klimaschutzpolitik braucht Langfristziele, fürForschung und Entwicklung in der Industrie bringen sie Pla-nungssicherheit. Dem Vorschlag fehlt eine weitergehendeBegrenzung des Ausstoßes ab 2020. Bündnis 90/ Die Grü-nen fordert bereits jetzt die Festlegung eines Grenzwerts von80 g/km für 2020.

    Ein fatales Signal ist die Berechnung des Verbrauchs nachdem Gewicht einzelner Fahrzeuge. Es verleitet die Industrieeher zur Manipulation in Richtung schwerere Autos und da-mit zu mehr CO2. Die Richtung ist aber grundfalsch: Was wirfür mehr Klimaschutz brauchen, ist ein Anreiz um Autos leich-ter und damit verbrauchsärmer zu machen.

    Bündnis 90/ Die Grünen fordern, wie auch das Umwelt-bundesamt und deutsche Umweltverbände, die Berechnungindividueller Fahrzeuggrenzwerte an der Grundfläche einesFahrzeugs auszurichten. Die Einbeziehung der Fläche istweniger anfällig für Manipulationen und sorgt dafür, dassleichtere Materialien beim Bau von Fahrzeugen verwendetwerden.

    Die Autoindustrie handelt nur, wenn härtere Sanktionen dro-hen, als sie die EU KOM vorschlägt. Die von der EU-Kom-mission vorgesehene Strafe pro Gramm Überschreitung istmit 20 bis 60 € in den ersten Jahren bis 2014 zu gering. Für

    einen Anreiz zum Umstellen muss die Strafe schon beimInkrafttreten 95 € pro Gramm betragen.

    Als klare Vorgabe für Neuwagen müssen Obergrenzen fürCO2-Emissionen pro Fahrzeug definiert werden. Autos miteinem Verbrauch von mehr als 240g/km dürfen ab 2012 kei-ne Zulassung mehr erhalten. Angesichts der europäischenReduktionsziele für Treibhausgase bis 2020 und der Not-wendigkeit, die Emissionen bis 2050 um 80% zu senken,wären weniger scharfe Obergrenzen klimapolitischer Wahn-sinn. Schließlich gibt es kein Menschenrecht auf unbegrenz-ten Schadstoffausstoß.

    Klimaschutz und Industriepolitik als Gegensätze zu verste-hen, ist altes Denken. Industrien in Europa, insbesondere inDeutschland, werden sich nur durch Qualität auf dem glo-balisierten Weltmarkt behaupten können. Nur wer klima-freundliche Automobile anbietet, wird weltweit erfolgreichsein und damit Wachstum und Arbeitsplätze hier zu Landesichern. Wer nicht, der bleibt in Zeiten des Klimawandelsund der Ölverknappung nicht mobil. Längst schon ist klar:Wenn die deutsche Automobilindustrie die Klimaherausfor-derung nicht endlich angeht, folgt auf die ökologische Kri-se eine ökonomische.

    i fo Schne l ld ienst 3/2008 – 61. Jahrgang

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    EU-Vorschlag ist nicht akzeptabel

    Der Schutz des Klimas ist im Bewusstsein der Menschen zueinem zentralen Element der Bewahrung unserer Lebens-grundlagen geworden. Zur Bekämpfung des Treibhausef-fektes müssen alle Bereiche der Wirtschaft und der Gesell-schaft beitragen. Es steht daher außer Frage, dass der Ver-kehrssektor, der in Deutschland für 14% des CO2-Aussto-ßes verantwortlich ist, und damit auch die Automobilindus-trie einen erheblichen Beitrag zur langfristigen Reduzierungdes CO2-Ausstoßes leisten müssen. Der deutschen Auto-mobilindustrie kommt dabei eine entscheidende Vorreiter-rolle zu. Denn sie steht für ein Drittel der Pkw-Produktion inder EU; darüber hinaus erfolgt der weitaus größte Teil derExporte der europäischen Automobilindustrie in Drittländeraus deutscher Produktion.

    Deshalb haben wir das ambitionierte Ziel der EU-Kommis-sion, den CO2-Ausstoß von Personenkraftwagen auf einenFlottendurchschnittswert von 120g/km CO2 zu begrenzen,stets akzeptiert, gleichzeitig aber immer gefordert, dass ei-ne künftige Verordnung zur Erreichung dieses Ziels so kons-truiert sein muss, dass sie nicht nur klimaeffizient ist, son-dern auch in Übereinstimmung mit den von der Kommissi-on selbst im Februar 2007 beschlossenen Leitlinien steht.Diese verlangt, »dass wettbewerbsmäßig neutrale, sozialausgewogene und nachhaltige Verminderungsziele sichergestellt werden, die der Vielfalt der europäischen Automo-bilhersteller gerecht werden und jegliche ungerechtfertigteVerzerrung der Konkurrenz zwischen Automobilherstellernvermeiden«1. Der im Dezember vorgelegte Regulierungsvor-schlag der EU-Kommission entspricht diesen Anforderun-gen nicht. Obwohl der Entwurf durch die Einführung einesgewichtsabhängigen CO2-Zielwertes zumindest unterschied-liche Fahrzeugkategorien berücksichtigt, ist er sowohl un-

    ter umwelt- als auch unter industriepolitischen Gesichts-punkten nicht akzeptabel.

    Unter anderem wird die Automobilindustrie mit Sanktionenbelegt, die das Vielfache der Kosten anderer Industriezwei-ge betragen. Eine Tonne CO2 kostet für Unternehmen bei-spielsweise der chemischen Industrie derzeit rund 20 €.Bei Fahrzeugen würde dieser Wert bei einer durchschnittli-chen Fahrleistung von 200 000 km zu einer Mehrbelastungvon 4 € pro g/km führen. Die EU-Kommission hat für denAutomobilbereich jedoch bis zu 25-fach höhere Zahlungenvorgeschlagen. So sollen in der Endstufe bis zu 475 € Be-lastung je Tonne CO2 verlangt werden, die den 20 € je Ton-ne des Industriebreichs gegenüberstehen. Es besteht keinnachvollziehbarer Grund, weswegen eine Tonne CO2 ausdem Verkehrssektor mehr kosten sollte als eine aus demIndustriebereich. Für das Klima ist es unerheblich, ob eineTonne CO2 aus dem Verkehr stammt oder aus der Indus-trie. Insoweit besteht keinerlei Anlass die CO2-Emissionennach ihrer Herkunft anders zu werten. Treten aber die vor-geschlagenen Strafzahlungen in Kraft, kommen bei einer an-genommenen Abweichung von 5 Gramm multipliziert mitden 95 € je Gramm und den Verkaufszahlen teilweise Kos-tenbelastungen bis zu 1,5 Mrd. € auf ein einzelnes Unter-nehmen zu – Gelder, die wiederum für Forschung und Ent-wicklung fehlen.

    Ferner vernachlässigt der Regulierungsvorschlag die Vor-teile eines »integrierten Ansatzes« und gibt keinerlei An-reize für innovative Eco-Technologien. Während zu Errei-chung eines 130 Gramm-Durchschnitts einzig die Opti-mierungen des Motors und des Antriebsstrangs, also al-les was abschließend im »europäischen Fahrzyklus (NEFZ)«festgeschrieben wurde, für zulässig erlaubt wurde, wirddas Minderungspotential anderer Maßnahmen auf10 Gramm beschränkt und gleichzeitig nur bestimmteMaßnahmen zugelassen. Die Kommission will dazu einenabschließenden Katalog »ergänzender Maßnahmen« vor-schreiben. So sollen 5 Gramm durch den Einsatz von Bio-kraftstoffen erreicht werden, der Rest durch effizienzver-besserte Leichtlaufreifen, Reifenluftdrucksysteme oderSchaltpunktanzeigen. Eine auf wenige Punkte beschränk-te Liste aller möglichen Maßnahmen verhindert aber Inno-vationen und entwertet alle anderen Reduktionsmöglich-keiten. Für den Einsatz von beispielsweise »Flex Fuel«-Fahrzeugen, Sechs-Gang-Schaltgetrieben und andereenergiesparende Aggregaten gibt es keinerlei Anreizwir-kungen, um diese gegenüber heutigen Aggregaten teu-reren Techniken zu erforschen und einzusetzen. Nach un-seren Erkenntnissen hätten die »ergänzenden Maßnah-men« aber Potential für deutlich höhere Einsparungen.Durch einen rein dirigistischen Ansatz wird hier die For-schungs- und Innovationskraft, die gerade die deutschenHersteller und Zulieferer im europäischen Wettbewerb aus-zeichnet, deutlich gehemmt.

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    Matthias Wissmann*

    * Matthias Wissmann ist Präsident des Verbandes der Automobilindus-trie e.V. (VDA).

    1 KOM (2007) 19 eng. vom 7. Februar 2007.

  • Zur Diskussion gestellt

    Überdies sieht die Kommission im Gegensatz zum Beschlussdes Europäischen Parlaments zum CARS 21–Bericht bis-her keine Übergangsphase vor, welche die langen Entwick-lungszyklen in der Automobilindustrie berücksichtigt. Viel-mehr erfolgt eine punktuelle Einführung 2012 mit einer schritt-weisen Erhöhung der Strafzahlungen. Wenn das Systemaber unmittelbar für die im Jahr 2012 in Verkehr gebrach-ten Pkw angewendet wird, sind Strafzahlungen schon heu-te einzukalkulieren und damit von Anfang an unvermeidbar,da ein erheblicher Teil der im Jahr 2012 in den Verkehr ge-brachten Pkw bereits heute fertig entwickelt bzw. bereitsim Verkehr sind und nicht davon auszugehen ist, dass die-se durch Anpassungsmaßnahmen auf ein Niveau gebrachtwerden können, das es erlauben würde, im Durchschnitt derFlotten der Hersteller die entsprechenden Zielwerte zu er-reichen. Deshalb ist eine schrittweise Einführung und Flexi-bilität zwingend nötig. Darüber hinaus spricht die Tatsachefür diesen Zeitpunkt des vollen Inkrafttretens, dass auchdie japanischen Wettbewerber der europäischen Automo-bilindustrie in ihrem Heimatmarkt für eine insgesamt weni-ger ambitionierte Minderungsleistung bis 2015 Zeit erhal-ten haben.

    Das Zusammenspiel aus ungerechter Lastenverteilung, völ-lig unangemessener Höhe von Strafzahlungen sowie fehlen-der Flexibilität bei der technologischen Ausgestaltung derCO2-Minderungsstrategie ist nicht nur unter umweltpoliti-schen, sondern gerade auch unter industriepolitischen Ge-sichtspunkten äußerst bedenklich. Wird die Verbrauchssen-kung überwiegend bei großen Fahrzeugen und hier vor al-lem bei deutschen Premium-Herstellern angemahnt, wirdumweltpolitisch für den Klimaschutz aufgrund des weitaushöheren Volumens kleinerer Fahrzeuge nur wenig erreicht.Denn nur der Hebel über den Volumenbereich erzielt dennotwendigen Minderungserfolg. Würde man nämlich denKraftstoffverbrauch der 50 verbrauchsstärksten Fahrzeugeum 20% reduzieren, ginge der Verbrauch der gesamten Neu-wagenflotte lediglich um 0,4% zurück. Selbst bei einer Hal-bierung in diesem Segment würde der Flottendurchschnittnur um gut 1% sinken. Und ein totales Verbot der »Höchst-emittenten« generierte gerade einmal 2% Minderung. EineVerbrauchsminderung von 20% bei den 50 absatzstärkstenModellen, die einen Marktanteil von 71% aufweisen, würdeden Durchschnittsverbrauch der Gesamtflotte hingegen um14% senken.

    Der Vorschlag der Kommission verletzt offensichtlich dasselbst in ihrer Mitteilung vom Februar definierte Kriterium der»Diversität der Industrie« nachhaltig, da eine Erreichung derZielvorgaben für Hersteller insbesondere großer Fahrzeugeerschwert wird. Entsprechend wird eine Belastung vor al-lem der Premium-Hersteller erreicht. Diese wären in der Fol-ge gezwungen, ihr Produktprogramm massiv in RichtungKleinwagen zu erweitern, da hier wesentlich geringere Leis-tungen gefordert werden und »Gutschriften« generiert wer-

    den können, die es erlauben, die nicht vermeidbaren Ziel-überschreitungen am »oberen Ende« des Produktspektrumszu kompensieren.

    Umgekehrt wird es insbesondere den französischen Her-stellern, aber auch den italienischen ermöglicht, mit einemim Vergleich zu den deutschen Herstellern deutlich gerin-geren technologischen Aufwand ihren Zielwert zu erreichen.Sie erhielten unter dem Deckmantel des Klimaschutzes mas-sive Vorteile im Wettbewerb.

    Die indirekte Konsequenz wäre ein forcierter Verdrängungs-wettbewerb im europäischen Volumenmarkt – zu Lastender etablierten Volumenmarken mit ihren insbesondere west-europäischen Produktionsstätten. In dem Umfang, wie sienicht in der Lage sind, gegen neue Angebote der Premium-Hersteller zu bestehen, bleibt ihnen nur eine massive Kos-tenreduktion durch Auslagerung eigener Wertschöpfung ankostengünstigere Standorte, und durch einen noch deut-lich höheren Druck auf die Zulieferindustrie zur Beschaffungaus kostengünstigeren Ländern. Überdies birgt der vorlie-gende Regulierungsentwurfs die Gefahr eines erhöhtenDrucks zu Übernahmen und Unternehmenszusammen-schlüssen in der europäischen Automobilindustrie. SolcheStrukturverschiebungen wären nicht durch rein ökonomi-sche Rahmenbedingungen begründet, sondern ausschließ-lich durch die Erfüllung gesetzlicher Anforderungen und da-mit politisch motiviert. Dies würde nicht nur eine ernsteGefährdung von Beschäftigung an einzelnen Standorten zurFolge haben, sondern auch Umgehungsmöglichkeiten imHinblick auf die Erfüllung von Reduktionsanforderungeneröffnen. Dem klimapolitischen Anliegen würde damit nichtRechnung getragen.

    Dass es auch anders geht, zeigt die aktuelle Entwicklung inDeutschland: So wurde bereits im Jahr 2007 der durch-schnittliche CO2-Ausstoß der neu zugelassenen Fahrzeugeum 2% gesenkt, das entspricht auf das Jahr gerechnet ei-ne Einsparung von 120 000 Tonnen CO2. Im November fielder CO2-Ausstoß sogar um 4% niedriger aus. Bei beson-ders sparsamen Pkw mit einem CO2-Wert von weniger als130 g/km konnten die deutschen Marken ihren Inlandsab-satz um 35% steigern.

    Der jetzt vorliegende Beschluss wurde von Kommissions-präsident Barroso und Umweltkommissar Dimas in einemEilverfahren gegen massive Bedenken vieler Kommissare,in deren Heimatländern sich Standorte der Automobilin-dustrie befinden, durchgesetzt. Ohne eine grundlegendeÜberarbeitung und Veränderung des vorliegenden Geset-zesentwurfs besteht die Gefahr, dass die Ziele der Lissa-bon-Strategie auf mindestens vier Ebenen verfehlt würden:bei Wachstum und Beschäftigung, bei Innovationen undder Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeitder europäischen Automobilindustrie. Gerade auch der

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  • Zur Diskussion gestellt

    Standort Deutschland hätte unter den Folgen zu leiden.Denn kein anderes Land verdankt dieser Industrie einen sohohen Anteil an seinem Wachstum. Mit 290 Mrd. € Jah-resumsatz hat die Automobilindustrie einen Anteil von 21%am Gesamtumsatz der Industrie in Deutschland und ge-nerierte im Jahr 2007 einen Handelsbilanzüberschuss inHöhe von 105 Mrd. €.

    Erfolgreicher Klimaschutz ist zwingend notwendig, aber erdarf nicht gegen, sondern muss im Einklang mit der wirt-schaftlichen Vernunft erfolgen. Deshalb müssen die Män-gel des Kommissionsvorschlags in den Verhandlungen vonRat und Parlament ausgeräumt werden, damit die Ziele desKlimaschutzes in Europa fair umgesetzt werden können unddie Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft ge-stärkt und nicht geschwächt wird.

    Macht die EU-Kommission Industriepolitik gegen die deutsche Automobilwirtschaft?

    Zwei Branchen zeigen sich besonders betroffen darüber,dass mit langjährigen Ankündigungen zum Klimaschutzjetzt auf europäischer und nationaler Ebene Ernst gemachtwird: Die Erzeuger von Kohlestrom und die Automobil-wirtschaft. In diesem Beitrag sollen die deutschen Her-steller von Pkw im Mittelpunkt stehen. Dabei geht es ins-besondere um den Vergleich zugesagter Minderungszielemit der realen Unternehmens- und Modellpolitik. Auch dasArgument ist zu prüfen, ob die EU-Kommission quasi un-ter dem Deckmantel europäischer Klimaschutzvorgabengegen die deutschen Premium-Hersteller »Industrie- undWettbewerbspolitik« betreibt.

    Unstrittig dürfte sein, dass der Verkehr insgesamt einen weitgrößeren Beitrag zur Minderung von Klimagasen erbringenmuss, wenn die zu Recht ambitionierten deutschen, aberauch die moderateren EU-Minderungsziele für 2020 und da-nach ihre Vorbildrolle in der Welt erfüllen wollen. Gegenwär-tig schöpfen in Europa allein die Klimalasten aus dem Verkehrdas Maß aus, das künftig (etwa bis 2050) für alle Bereiche zu-sammen als verträglich mit dem 2°-Minderungsziel der EUeinzustufen ist. Bei der im Vergleich mit anderen Sektoren un-günstigeren bisherigen Emissionstendenz ist hier ein offen-sichtlicher Handlungsbedarf gegeben. Selbstverständlich giltdies nicht nur für Pkws, sondern mindestens genauso beimLkw-Güter- und beim Flugverkehr.

    In ihrem Vorschlag vom 19. Dezember 2007 (Verordnungs-vorschlag: KOM(2007)856endgültig, beigefügtes Dokument

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    Peter Hennicke*

    * Prof. Dr. Peter Hennicke ist Präsident des Wuppertal Instituts für Klima,Umwelt, Energie GmbH.

    ** Dr. Karl Otto Schallaböck ist Verkehrsexperte beim Wuppertal Institut fürKlima, Umwelt, Energie GmbH.

    Karl Otto Schallaböck**

  • Zur Diskussion gestellt

    zur Wirkungsabschätzung: SEC(2007)1723, zusätzlichePressemitteilungen IP/07/1965 und MEMO/07/597) stelltdie Europäische Kommission ihr Zielkonzept für die Reduk-tion der CO2-Emissionen bei leichten Fahrzeugen (light-du-ty vehicles), also im Wesentlichen Pkw, vor. Danach soll imJahr 2012 von den neu zugelassenen Fahrzeugen ein durch-schnittlicher Emissionswert von 130 g CO2/km nicht über-schritten werden; pro Gramm Verfehlung sollen in 2012 20 €, in 2013 35 €, in 2014 60 €, sowie schließlich 2015 95 € Strafzahlung fällig werden. Einzelne Hersteller könnenStrafzahlungen mindern oder vermeiden, indem sie Zielver-fehlungen durch Pooling mit anderen Herstellern teilweiseoder ganz kompensieren; in der Konkretisierung auf einzel-ne Fahrzeuge und deren Varianten wird auch deren Masseberücksichtigt (schwerere Pkw dürfen etwas mehr emittie-ren); im begleitenden Dokument wird auch auf die weiter ge-henden Forderungen des Europäischen Parlaments hinge-wiesen mit Zielwerten von 95 g/km im Jahr 2020 und mög-licherweise 70 g/km in 2025. Insgesamt stützt sich der Vor-schlag auf einen umfangreichen Vorlauf an fachlicher Begut-achtung, Stakeholder-Beteiligung und Beratung in den Eu-ropäischen Institutionen. Niemand kann nach Jahrzehntenintensiver Diskussion über Klima- und Ressourcenschutzdavon überrascht sein, dass die »Autos der Zukunft« nichtnur wegen des Klimaschutzes, sondern auch wegen der Im-portabhängigkeit, Verknappungstendenzen und Preisstei-gerung bei Öl technisch revolutioniert, vor allem radikal ver-brauchsärmer und in ein Gesamtkonzept »Nachhaltige Mo-bilität« eingebettet sein müssen.

    Eher ist erstaunlich, dass eine Branche glaubt, sich überfrühere vernünftige Einsichten und freiwillige Selbstverpflich-tungen heute ohne Ansehensverlust hinwegsetzen zu kön-nen: Im Vergleich mit den 140 g/km, deren Einhaltung in-nerhalb der EU15 der europäische Automobilherstellerver-band (ACEA) für 2008 in einer Selbstverpflichtung zuge-sagt hat (die japanischen und koreanischen Verbände JA-MA und KAMA für 2009), ist das Ziel von 130 g/km in 2012nur eine konsequente und wenige anspruchsvolle Fort-schreibung. Auch die Strafzahlungen für Verfehlung erschei-nen mäßig: Wird das bereits für 2008 zugesagte Ziel erstmit vier Jahren Verspätung erreicht, so werden (ohne Be-rücksichtigung möglicher Entlastungen wegen höhererFahrzeuggewichte) 200 € pro Fahrzeug fällig – ein ehernachrangiger Betrag im Vergleich zum gesamten Fahrzeug-preis. Bei fünf Jahren Verspätung wären es 350 €, bei sechsJahren Verspätung dann 600 €, und erst bei sieben Jah-ren verspäteter Erfüllung der vertraglichen Zusagen wer-den 950 € fällig.

    Im Vergleich mit der bisherigen Zielgröße der EU für 2012 inHöhe von 120 g/km (in 1995 bereits für 2005 vorgesehenund 2007 noch einmal für 2012 bestätigt) bedeutet der neueWert eine Verschlechterung um 10 g/km. Diese Erhöhungder zulässigen Emissionen soll klimaneutral – insbesonde-

    re durch regenerative Treibstoffe – aufgefangen werden; des-wegen wird bisweilen mehr als missverständlich auch deraktuelle Kommissionsvorschlag dahingehend beschrieben,dass er eine »Minderung der durchschnittlichen CO2-Emis-sionen von neuen Personenkraftwagen auf 120 g/km bis2012« beinhalte (IP/07/1965). Dies ist besonders auch des-halb missverständlich, weil die Klima- und Nachhaltigkeits-bilanz von Biotreibstoffen, v.a. wenn sie aus Importen stam-men, zunehmend kritisch beurteilt wird.

    Gemessen an den eingegangenen Selbstverpflichtungensind die Vorgaben der EU-Kommission also nicht übermä-ßig ambitioniert. Warum also die Kritik und Alarmmeldungenaus der deutschen Automobilindustrie? Um die Antwort vor-wegzunehmen: Weil die Selbstverpflichtung im auffallen-den Gegensatz steht zur realen Verbrauchsentwicklung derFlotte besonders der deutschen Premium-Hersteller. Wervom Staat zu Recht verlässliche Rahmenbedingungen ver-langt, muss dies bei Selbstverpflichtungen auch selbst ge-währleisten. Sonst verliert dieses Instrument jeden Wert undnachträgliche Klagen über staatliche Vorgaben jede Glaub-würdigkeit. Dies gilt etwa für die Topmeldung (www.acea.bevom 24. Januar 2008) unter der Überschrift »Car industrysupports reducing CO2 emissions«, wo ausgeführt wird, dassdas EU-Ziel von 130 g/km in 2012 zu durchschnittlichenPreiserhöhungen pro Auto von bis zu 3 000 € führen wür-de. Wenn dies der (sehr unwahrscheinliche) Aufpreis für sprit-sparende Innovationen sein soll, dann fragt man sich, wa-rum ACEA eine Verbrauchsreduktion in diese Richtung be-reits für das Jahr 2008 freiwillig zugesagt hat. Sollte die vonder EU gesetzte Pönale gemeint sein, dann würde auf dieAhnungslosigkeit im Publikum gesetzt: Eine Pönale von 3 000 € pro Fahrzeug in 2012 entspricht einem Emissions-wert von 280 g/km, was als Durchschnittswert auch schonvor zehn oder 20 Jahren weit oberhalb der Realität war; ei-ne Pönale von 3 000 € pro Fahrzeug in 2015 entspricht beidem bis dahin erhöhten Strafsatz einem Emissionswert vonnoch immer über 160 g/km, mehr als der durchschnittlicheNeuwagen gegenwärtig emittiert. Es würde also davon aus-gegangen, dass die neuen Fahrzeuge innerhalb der nächs-ten sieben Jahre im Durchschnitt weiter steigende Ver-brauchs- und Emissionsziffern aufweisen, anstatt schon wiebisher selbst im Trend weiterhin leicht sinkende. Das Haupt-problem liegt darin, dass gerade auch die Modellpolitik derdeutschen Automobilindustrie eine wesentliche Ursache da-für ist, dass die Abweichung der realen Verbrauchswerte vonder eingegangenen Selbstverpflichtung nicht abgebaut wur-de. Erhebliche Teile der deutschen Automobilindustrie lie-gen mit den CO2-Emissionen ihrer Neufahrzeuge weitab vonden europäischen Zielwerten; für die in Deutschland neu zu-gelassenen Fahrzeugflotte ist eine deutliche Verfehlung deseuropäischen Zielkorridors unübersehbar. Für die EU-Ebe-ne verbindlich ist ein dort installiertes formalisiertes Verfah-ren des CO2-Monitoring im Zusammenhang mit dem ACEA-Commitment (und analog bezüglich JAMA und KAMA); dies-

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  • Zur Diskussion gestellt

    bezüglich liegen jedoch die – zwischen Kommission undIndustrie/Verbänden abgestimmten – Berichte nur bis zumBerichtsjahr 2004 vor (Einzelberichte vom 25. November2005, Gesamtbericht vom 24. August 2006). Demnach war2004 für die EU15 ein durchschnittlicher Emissionswert von163 g/km festzustellen, sowie für den ACEA-Bereich einWert von 161 g/km; für Deutschland wird ein Durchschnittvon 173 g/km für die Neufahrzeuge der ACEA-Mitglieder ge-nannt. Dies hat bereits erhebliche Zweifel an der Zielerrei-chung in 2008 geweckt.

    (Noch) nicht mit der Industrie abgestimmte Daten für 2006auf der Grundlage von Meldungen der EU-Mitgliedstaa-ten (in SEC(2007)1723) signalisieren, dass bis dahin bei ei-nem Wert von 160 g/km für die EU15 keine deutlichen wei-teren Fortschritte erreicht worden sind; auch der Wert fürDeutschland hat sich demnach nur wenig verändert. Alsnationalen Wert für Deutschland hat das Kraftfahrtbundes-amt im Rahmen seiner monatlichen statistischen Bericht-erstattung – wohl in geringfügig unterschiedlicher Abgren-zung – für 2007 jüngst einen Wert von 170 g/km genannt.In Fortsetzung der Entwicklung der letzten Jahre könnendamit für das laufende Jahr etwa 168 g/km erwartet wer-den. Somit wird das in der ACEA-Selbstverpflichtung für2008 gesetzte Ziel in Deutschland um voraussichtlich 20%verfehlt. Dass die EU-Kommission dies angesichts der lan-gen Vorgeschichte und der verschärften Anforderungen anden Klimaschutz in allen Sektoren nicht tolerieren kann,liegt auf der Hand, zumal die deutsche Verfehlung aufgrunddes Gewichts von Deutschland die gesamteuropäische Bi-lanz verhagelt. Bei dem Anteil von etwa 22 bis 24%, denDeutschland an allen Neuzulassungen in der EU15 aus-macht, müssten zum Ausgleich in den übrigen 14 Länderndie Durchschnittsemissionen auf gut 130 g/km gesenktwerden, um insgesamt die zugesagten 140 g/km zu errei-chen. Dies ist nicht zu erwarten.

    Neben Schweden und Finnland, die – bei vergleichsweisebescheideneren Zulassungszahlen – den Zielkorridor nochdeutlicher verfehlen als Deutschland, dürften auch die rest-lichen EU15-Länder zusammen den Zielwert in 2008 nichterreichen; die dabei dort insgesamt nicht sehr starke Über-schreitung stellt sich nach Ländern gegliedert durchaus un-terschiedlich dar und dürfte auch – wenngleich in unter-schiedlichem Ausmaß – durch den Import von Fahrzeugendeutscher Hersteller zu erklären sein. Es ist daher nachvoll-ziehbar, dass Deutschland und die deutschen Fahrzeugher-steller als maßgebliche Verursacher der Nichterfüllung derCO2-Grenzwerte benannt werden.

    Versäumnisse in der Vergangenheit

    Aufgrund der Versäumnisse in der Vergangenheit macht esheute für die deutschen Automobilhersteller selbstverständ-

    lich einen großen Unterschied, ob man bei Einhaltung derSelbstverpflichtung von 2008 bis 2012 die Durchschnitts-emissionen eher bequem von 140 auf 130 g/km absenkensoll, oder ob man von der massiven Zielverfehlung bei 168 g/km startet und über 20% Reduktion realisieren soll.Für die nur an Automobilität interessierten Fahrzeugkäuferist das Problem überschaubar: Anders als von der Indus-trie und ihren Verbänden verbreitet, sind die verbrauchs- undemissionsschwächeren Fahrzeuge signifikant billiger als diestärker emittierenden – nicht nur, verständlicherweise, in denVerbrauchskosten, sondern auch in der Anschaffung. Diepersönliche Mobilität wäre also durch die Vorgaben nicht er-kennbar belastet. Wer dennoch auf den Besitz eines über-mäßig PS-starken Spaß- und Prestigegeräts nicht verzich-ten will, darf dies angesichts der Herausforderungen des Kli-ma- und Ressourcenschutzes nicht zum Maßstab kollekti-ver Unvernunft machen, sondern muss für die von ihm ver-ursachten externen Kosten an der Umwelt aufkommen. Füreinige Fahrzeughersteller stellt sich jedoch wegen des kon-traproduktiven Hinauszögerns von Innovationen der unver-meidliche Anpassungsprozess nun vorübergehend zwei-fellos deutlich steiniger dar. Gemessen an einem linearenAnpassungspfad an den Zielwert von 140 g/km in 2008 liegtder insgesamt erreichte Wert in 2006 mit 159 g/km in derEU27 gut 8% über einem plausiblen Zwischenwert von rund147 g/km. Die einzelnen Hersteller und Herstellergruppenzeigen dabei erhebliche Unterschiede (verkaufsgewichteteBetrachtung auf der Basis von Angaben im MEMO/07/597):Zwar weichen die Verbände ACEA und JAMA kaum von denDurchschnittswerten ab, auch die stark in Deutschland ak-tiven Tochtergesellschaften der US-Hersteller Ford und GMliegen nahe beim Gesamtdurchschnitt. Der nach Absatz-zahlen deutliche Marktführer Volkswagen (mit Audi, SEATund Skoda) liegt jedoch mit 165 g/km und einer Überschrei-tung von gut 12% schon erkennbar ungünstiger, auf glei-chem Niveau wie der weniger bedeutende koreanische Her-steller Hyundai. Drastisch zu hohe Emissionen weisen vorallem BMW, DaimlerChrysler und Porsche (zusammen rund14% der ACEA-Fahrzeuge) mit 185 g/km und einer Abwei-chung von mehr als 25% vom plausiblen Zwischenwert auf.Zusammen mit dem VW-Konzern ergibt sich eine Verfeh-lung um gut 17% bei 38% der ACEA-Fahrzeugen bei zu-sätzlicher Einbeziehung von Ford und GM lassen sich nochimmer 14% Verfehlung bei dann schon 64% der ACEA-Fahr-zeuge ermitteln. Die übrigen europäischen Hersteller Fiat,PSA und Renault dagegen liegen mit 144 g/km gut im Kursund unterschreiten zusammengenommen mit ihrem36%igen Anteil an den ACEA-Fahrzeugen den Vergleichs-wert um etwa 2%. Die Verfehlung des ACEA-Commitmenthängt also tatsächlich an den in Deutschland beheimate-ten oder hauptsächlich hier produzierenden Unternehmen.Insbesondere diese sind es dann auch, die sich in unter-schiedlicher Stärke über den aktuellen Kommissionsansatzglauben zur Wehr setzen zu müssen. Dass ihre Argumentedabei für die Kommission und die Öffentlichkeit nicht sehr

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  • Zur Diskussion gestellt

    überzeugend sein werden, sei an einer kurzen Chronologieskizziert:

    – Spätestens seit 35 Jahren ist im Zuge der Berichte desClub of Rome (»Grenzen des Wachstums«, 1972) undder ersten Ölpreiskrise (1973) auch einer breiten Öffent-lichkeit klar geworden, dass mit den Energierohstoffen,insbesondere mit Erdöl, sorgsamer umgegangen werdenmuss. Angesichts der Sonntagsfahrverbote kann diesauch den Verantwortlichen in Politik und Unternehmennicht verborgen geblieben sein.

    – Die zweite Ölpreiskrise 1979/80 hat dann sogar diemächtige US-Autoindustrie wegen ihres Festhaltens anunzeitgemäßen Spritschluckern massiv erschüttert:Auch dies ist von der deutschen Autoindustrie deutlichwahrgenommen worden, wenngleich zunächst alsMarktchance wegen ihrer damals vergleichsweise nichtganz so großen und benzindurstigen Modelle. Der er-forderliche Kurs in Richtung lean production und leanproducts wurde in dem anschließenden trilateralen –USA, Japan, Europa – Großprojekt »The Future of theAutomobile Programme« hinreichend deutlich beschrie-ben. Mit zunehmender Anpassung an die 1975 einge-führten US-Flottenverbrauchsregelungen (die sog. CAFE-Standards) konnte auch die US-Autoindustrie wie-der einigermaßen Tritt fassen.

    – Seit 1990 läuft die Klimadebatte auch in Deutschland überdie Bundestags-Enquete-Kommissionen auf politischhöchstem Niveau. Nicht als einziger, aber doch als re-gelmäßiger besonderer Problempunkt wurden dabei diePkw und deren Beitrag zur Klimabelastung aufgrund derhohen Treibstoffverbräuche adressiert; an dieser Debat-te war die Automobilindustrie auch personell nicht uner-heblich beteiligt (schon damals haben Vertreter der deut-schen Autoindustrie den Vorschlag von Flottenver-brauchslimits abgelehnt mit dem Hinweis, dass zwei deut-sche Hersteller in den USA regelmäßig hohe Strafabga-ben wegen der Grenzwertverfehlungen zu zahlen hätten).In der Folge wurde auf deutsche Anregung (1994) hin1995 von der EU ein Zielwert von 120 g CO2/km für 2005festgelegt. In dieser Phase waren in Deutschland KlausTöpfer und Angela Merkel Bundesumweltminister, so-wie Matthias Wissmann, der gegenwärtige VDA-Präsi-dent, Bundesverkehrsminister.

    – Wenn vor zehn Jahren nun der Verband der europäischenAutoindustrie ACEA selber in einer Selbstverpflichtungdie Einhaltung des Emissionslimits von 140 g CO2/kmim Durchschnitt der Neufahrzeuge 2008 mit der EU ver-einbart hat, ist dies bei der starken deutschen Positionim ACEA natürlich nicht neben oder gegen die deutscheAutomobilindustrie erfolgt. Im Gegenteil: Noch bis zumJahresbericht 2006 hat der deutsche Automobil-Herstel-lerverband VDA die Patenschaft für das ACEA-Commit-ment beansprucht. Allerdings wurde im Zusammenhangmit dieser »freiwilligen Selbstverpflichtung« erreicht , dass

    das EU-Ziel von 120 g/km im Ergebnis um sieben Jah-re, also eine komplette Produktgeneration, auf 2012 ver-schoben wurde.

    Den Automobilherstellern musste also schon seit Jahrzehn-ten klar sein, welche gravierenden Umstellungen auf mas-siv verbrauchsärmere und emissionsschwächere Fahrzeug-konzepte anstehen. Es ist zweifellos nicht sehr weitsichtig,einen nicht nachhaltigen Pfad immer breiter auszutreten,bloß weil er vorübergehend – vor allem durch Export vonUmweltproblemen – ökonomisch noch funktioniert. Schoneinfache Schulmathematik reicht aus, um zu erkennen, dassman bei einem Gesamtzielwert von 140 g/km vier neue Au-tos mit 130 g/km braucht, um eines mit 180 g/km (etwaVW Passat 1,6 mit 179 g/km) auszugleichen, oder bereits16 solche schwächer emittierende, um ein Fahrzeug mit 300 g/km (etwa BMW X5 4,8i mit 299 g/km) zu kompen-sieren. Falls »Premium-Klasse« bedeuten sollte, dass es sichdauerhaft um vergleichsweise große, schwere, verbrauchs-starke und nicht mehr innovationsfähige Fahrzeuge handelt,läge es in der Natur der Sache, dass die Premium-Klasse-Hersteller sich mit geringen Marktanteilen begnügen müs-sen, wenn der Durchschnitt erreicht werden soll (die so de-finierte Premium-Klasse reicht übrigens weit in das Segmenthinein, welches in Deutschland etwas schief als »Mittelklas-se« bezeichnet wird).

    Nachdem sich der Herstellerverband ACEA als wenigdurchsetzungsfähig erwiesen hat, seine Mitglieder zu einergeeigneten Gestaltung der Fahrzeugpaletten zu animie-ren und einen zureichenden Ausgleich zwischen den un-terschiedlich emittierenden Fahrzeugen herbeizuführen, er-scheint es nachvollziehbar und nicht unbillig für die deut-schen Hersteller, dass sich die EU nunmehr, wie schon vor-dem für diesen Fall angekündigt, per Verordnung direktan die einzelnen Hersteller wendet. Diese können weiter-hin selbst entscheiden, wieweit sie die – gegenüber der»Selbstverpflichtung« zu einem späteren Termin nur mä-ßig verschärfte – Zielgröße einhalten, oder für einen Aus-gleich durch andere Hersteller sorgen. Was aus Klimagrün-den jedoch nicht mehr tolerierbar ist, ist ein folgenloses Lip-penbekenntnis zugunsten einer Emissionsabsenkung: AusGründen des Klimaschutzes ist es nötig, die Emissions-minderung – langfristig noch weit über die jetzigen Ziel-vorgaben der EU hinaus – auch tatsächlich zu erreichen;es kann deshalb als vernünftig und angemessen erschei-nen, nennenswerte unausgeglichene Grenzüberschreitun-gen mit entsprechend angemessenen Ankündigungsfris-ten mit so hohen Strafbeträgen zu belegen, dass dies einwirksames Lenkungsinstrument darstellt, entweder dieEmissionen zu senken oder sie auszugleichen.

    Über Details der vorgeschlagenen Regelung kann man an-gesichts der komplexen Materie selbstverständlich nochlange diskutieren – mit nur mäßiger Aussicht auf ein Er-

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  • Zur Diskussion gestellt

    gebnis, das alle zufrieden stellt. So hat die Autoindustrieein natürliches Interesse, Vorgaben abzumindern und aufspätere Zeitpunkte zu verschieben. Die Umweltverbändewiederum vertreten eher entgegengesetzte Vorstellungen.Mit einer gewissen Berechtigung wird der methodische An-satz kritisiert, schwereren Fahrzeugen höhere Emissions-werte zuzubilligen, da die Fahrzeugmasse einen primärenTreiber für Verbrauch und Emissionen darstellt, und man beidem gewählten Ansatz den Druck vermindert, die Fahrzeug-gewichte zu reduzieren und sich ernsthaft mit einem rund-um optimierten »Downsizing« von Autos ztu beschäftigen.Da ohnehin Ausgleichs- und Kompensationsmechanismenzwischen den Fahrzeugen und – über Poolbildung – zwi-schen den Herstellern vorgesehen sind, könnte man na-türlich eigentlich auf unterschiedliche Anforderungen völligverzichten. Wichtiger jedoch erscheint, dass die Ansätzenunmehr ohne weitere Verzögerungen umgesetzt werden.Wer ernsthaft über »Autos der Zukunft« für Schwellenlän-der und die rasch wachsenden so genannten »neuen Kon-sumentenklassen« nachdenkt, wird auch gar nicht umhinkönnen, sich auf eine Revolution der weltweiten Automo-bilität einzustellen. Würden derzeitige Autotechnik und -dichte der USA auf China übertragen, würde dort die heu-tige Weltölproduktion benötigt. Verschärfte Rahmenbedin-gungen in Europa können daher auch dazu beitragen, ra-scher ein weltweit verallgemeinerungsfähiges (Auto-) Mo-bilitätsmodell zu entwickeln.

    Autokrieg oder Versagen der Verbände?

    Die Zielvorgabe ist seit Frühjahr 2007 bekannt und politischakzeptiert. Die EU-Kommission will bis zum Jahr 2012 denKohlendioxid-Ausstoß der in der EU verkauften Neuwagenim Mittel auf 130 Gramm CO2 pro Kilometer beschränken.Das entspricht beim Diesel einem Kraftstoffverbrauch von4,71 Liter pro 100 km und beim Benziner von 5,36 Liter pro100 km. Gegenüber den im Jahr 2006 verkauften Neuwa-gen ist dies gleichbedeutend mit einer Reduzierung des Koh-lendioxid-Ausstoßes von durchschnittlich 18,3% oder 29,2 Gramm pro Kilometer. Von der technischen Seite istdas Ziel erreichbar. Alle Technologien dazu liegen in denRegalen der Autohersteller und Zulieferer. Was fehlt ist derökonomische Rahmen zur vernünftigen Implementierung.Dazu hat EU-Kommissar Dimas am 19. Dezember 2007 diePläne der EU-Kommission präsentiert, die noch vor der of-fiziellen Bekanntgabe in Brüssel von BundesumweltministerGabriel im ZDF-Morgenmagazin als »Autokrieg gegenDeutschland« bezeichnet wurden.

    Dimas-Vorschlag: Weder Autokrieg nochunmöglich

    Der Dimas-Vorschlag definiert für Neuwagen in Abhängig-keit vom Fahrzeuggewicht den zulässigen Kohlendioxid-Ausstoß pro Kilometer. Dagegen hatten auch die Autoher-steller im Grundsatz nichts einzuwenden. Das schwere Au-to bekommt mehr CO2-Emissionen zugestanden als derleichtere Kleinwagen. In Abbildung 1 ist der Vorschlag – die blaue Gerade mit der Bezeichnung »Dimas-Kurve« – in ei-nem Koordinatensystem mit der Ordinate CO2 im Grammund die Abszisse Gewicht in kg eingezeichnet. Ein Neuwa-gen mit einem Gewicht von 1 298 kg darf hiernach genau

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    Ferdinand Dudenhöffer*

    * Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des Center Automotive Re-search (CAR) an der Fachhochschule Gelsenkirchen.

  • Zur Diskussion gestellt

    130 g CO2/km emittieren. Der zulässige CO2-Ausstoß ei-nes Neuwagens mit unterschiedlichem Gewicht ermitteltsich nach der angegebenen Geradengleichung. Dabei istder vom Bundesumweltminister Gabriel ausgerufene »Au-tokrieg gegen Deutschland« am Koeffizienten a festgemacht.Bei Dimas beträgt der Koeffizient a = 0,0457. Dies hat zurFolge, dass die deutschen Autohersteller prozentual mehrCO2 reduzieren müssen als die, auch als Club-Med bezeich-neten, Franzosen und Italiener.

    So wäre, wie die Tabelle in Abbildung 1 zeigt, bei BMW ei-ne 24,5%ige CO2-Einsparung notwendig, um das CO2-Zielder EU im Jahr 2012 zu erreichen. Dies entspricht einer Ben-zineinsparung von 1,61 Liter pro 100 km beim Durchschnitts-BMW. Bei Fiat müssten nach dem Dimas-Vorschlag nur15,3% CO2 eingespart werden. Mit anderen Worten, derDurchschnitts-Fiat müsste 0,8 Liter Benzin pro 100 km biszum Jahr 2012 einsparen. Keine Frage, die Einsparung vonBMW erfordert höhere Kosten als beim Durchschnitts-Fiat.Ähnliches gilt auch für die anderen aufgeführten Hersteller.Natürlich fällt in der Graphik Porsche ins Auge. Dort müss-te nach dem Dimas-Vorschlag eine CO2-Reduktion von48,9% erreicht werden. Es ist völlig klar, dass ein nach Di-mas umkonstruierter Porsche kein Porsche mehr wäre. Dasweiß auch Dimas. Deshalb schlägt er eine ökonomische Lö-sung vor. Porsche kann mit einem beliebigen Hersteller ei-nen Pool bilden und nach Art des Emissionshandels dortCO2 beseitigen, wo die Kosten der Beseitigung am gerings-ten sind. Hier stimmt der Dimas-Vorschlag.

    Da der Autokrieg-Koeffizient so wichtig ist,haben wir in einer Alternativrechnung mit ei-nen »Deutschland-verträglichen« Koeffizien-ten gerechnet, nämlich a = 0,1. Jetzt gilt inder Abbildung1 die rot gestrichelte Gerade,die als »Neue Kurve« bezeichnet wurde. DieTabelle zeigt, das mit a = 0,1 die prozentua-le CO2-Einsparung gleichmäßiger ausfällt. Fiat müßte beim Durchschnittsauto bis zumJahr 2012 nach diesem Vorschlag 22,0%Kohlendioxid reduzieren, VW nur 16,5% undBMW 19,6%.

    Keine Frage, bei diesem Vorschlag läuft Ita-lien gegen die Zerstörung der italienischenAutoindustrie durch Deutschland Sturm.Dies kleine Beispiel zeigt, dass Dimas dochzwischen mehreren Stühlen sitzt, obwohlalle, einschließlich des Umweltministers Gabriel und der Kanzlerin Merkel, die Re-duzierung der CO2-Emissionen von Neu-wagen auf 130 Gramm/km wollen. Das Bei-spiel illustriert auch, dass es keinen Sinnhat, auf eine verbandspolitische Lösung zusetzen. Der europäische Autoherstellerstel-lerverband ACEA sitzt in der Zerreißprobe

    zwischen »Club-Med-Mitgliedern«, Herstellern wie Opel-GM und den deutschen Premium-Herstellern. Wir befin-den uns in einem Drahtseilakt zwischen »Autokrieg, Kli-ma und Ökonomie«.

    Industriefehler und Fehler der nationalen Politikpotenzieren sich

    Im Großen und Ganzen ist also Dimas auf der richtigen Spur.Fehler wurden auf Seiten der Industrievertreter gemacht.Das Beispiel Porsche zeigt, dass man eine ökonomischeLösung, wie etwa den CO2-Handel, braucht. Nicht zuletztder deutsche Automobilverband wehrt sich bis heute gegenden Emissionshandel. Und er hat es geschafft, zu seinemeigenen Nachteil, die deutschen Politiker für seine Argumen-te zu gewinnen.

    Um die Dimas-Gerade, auch in einer modifizierten Form,lässt sich hervorragend ein professionelles Emissionshan-delssystem schneidern. Das würde sicherstellen, dass dievon Dimas explizite gewünschte Poolbildung professionellumgesetzt wird. Es bilden sich Preise für CO2. Keine Frage,das Emissionshandelssystem passt hervorragend zu denanderen CO2-Branchenlösungen der EU. Theoretisch istes kein Problem, das CO2-Handelssystem der Autoindus-trie zu öffnen. Dann würden wir die Vermeidungskosten vonCO2 zwischen den Sektoren anpassen. Auch hiervon wür-de die Autoindustrie gewinnen.

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    Gewichtsbezogene Einsparung und Dimas-Gerade

    kg

    Dimas-Kurve

    Neue Kurve

    Porsche

    DDaaimimlelerrBMBMWWW

    VWFordelFFiaiatt

    PSA

    Renault

    GM-OOpel

    CO2 und GewichtCO2 (g)

    Abb. 1

    Erforderliche CO2-Einsparung in % nach Verkaufszahlen des Jahres 2006

    Fiat PSA Re-nault

    GM Ford VW BMW Daim-ler

    Por-sche

    Dimas 15,3 11,3 13,3 18,1 18,9 19,1 24,5 24,8 48,9

    Neue Kurve 22,0 14,6 15,3 19,2 17,9 16,5 19,6 19,4 43,0

    CO2 = 130 + a � (Gewicht – 1298) mit a(Dimas) = 0,0457 und a(Neu) = 0,1

    Quelle: Darstellung des Autors.

  • Zur Diskussion gestellt

    Und wie sieht die Realität aus? In 27 Ländernbasteln jetzt Politiker 27 nationale CO2-Steu-ern. Kaum ist die französische vorgestellt,spricht der VDA von Angriff auf den Industrie-standort Deutschland. Wir laufen jetzt in ei-ne doppelte Besteuerung. Auf der einen Sei-te Dimas-Strafsteuern, auf der anderen Sei-te nationale CO2-Steuern. Da das Steuermo-nopol in den Ländern sitzt, ist sicher, dassdiese Steuern willkürlich sein werden. DerSteuerwirrwarr wird für die Autohersteller un-durchsichtiger denn je. Nicht wegen Dimas,sondern wegen der »eigenen Strategie«. Manbefindet sich in einer ausweglosen Situati-on. Die deutsche CO2-Steuer kommt nichtvom Fleck, die CO2-Steuern in den anderenEU-Ländern werden unkalkulierbar, und Di-mas greift mit einem Regelwerk ein, das nurdie halbe Effizienz besitzt, weil die Autohersteller gegen denEmissionshandel Sturm laufen. Irgendwie hat sich dort in denKöpfen festgesetzt, dass Emissionshandel synonym ist zu»Bargeldüberweisungen nach Italien« und der Emissionshan-del eher eine theoretische Spielwiese für die »Wissenschaftund Studentenseminare« ist.

    Dimas-Strafsteuern, Handelspreise und Anpassungszeiten

    Völlig klar ist, dass Dimas mit Strafsteuern arbeiten muss.Wo keine Strafsteuer ist, existiert auch kein Anreiz zur Re-duktion von CO2. Also hat Dimas die Strafsteuern über ei-nen Zeitraum gestaffelt, angefangen von 20 € pro g/km imJahre 2012 bis 95 € pro g/km im Jahre 2015. Damit kommter den langen Modelllebenszyklen der Autohersteller ent-gegen. Sicher kann man nochmals über die Höhe der Straf-steuern diskutieren. Da wird noch was wegverhandelt. Abereigentlich ist die Steuerhöhe fast unerheblich, denn die Steu-er soll nur bewirken, dass CO2 reduziert wird. Im Idealfallerfolgt keine Steuerzahlung. Es ist eigentlich nicht mehr alsAbschreckung.

    Nach der Einschätzungen der EU-Kommission erhöhen sichdie Autokosten durch Einbau der CO2-Spartechnik um durch-schnittlich 1 300 €. Dieser Betrag ist aufzuwenden, um dieFahrzeuge um 29,2 Gramm CO2/km zu reduzieren. Das re-duzierte Gramm kostet damit 44,50 €. Diese Rechnung spie-gelt nach unserer Erfahrung eher das obere Ende. Sprichtman mit Zulieferern, werden Beträge zwischen 800 und1 000 € für 30 g CO2/km Reduktion genannt. Die Technik-kosten zur Reduktion eines Gramms CO2 ermäßigen sichdamit auf einen Betrag zwischen 27,40 € und 34,20 €.

    Dabei wollen wir nicht vergessen, dass der CO2-Minderungeine entsprechende Kraftstoffeinsparung entgegensteht. 30 Gramm CO2/km entsprechen einer Einsparung von

    1,08 Liter Benzin und 1,23 Liter Diesel auf 100 km. Bei denderzeitigen Benzin- (1,35 € pro Liter) und Dieselpreisen (1,25 € pro Liter) ergibt sich bei 13 000 km Jahresleistungnach sieben Jahren eine Einsparung von 1 327 € bzw. 1 509 €. Lassen wir mal die Abdiskontierung außen vor, istnach sieben Jahren der Break-Even erreicht. Es ist also sehrschwer nachzuvollziehen, dass die Dimas-Regelung, wennsie mit einem vernünftigen Emissionshandel begleitet wur-de, bei den Autokäufern ein Problem verursachen soll. Da die Anpassung bei Start mit dem Jahr 2007 über fünf Jahre läuft, verteilen sich auch die Preissteigerungenverkraftbar.

    Bleibt die Frage der Anpassungsgeschwindigkeit? Müssenwir jetzt den Dimas-Plan auf das Jahr 2015 strecken? Auchdas ist eher kontraproduktiv. Die Autohersteller haben Mo-dellzyklen von sieben Jahren plus zwei Jahre Vorentwick-lung. Da die Autohersteller wissen, dass 2012 der Grenz-wert 130 Gramm CO2/km gilt, haben sie bereits seit demJahr 2007 für die zukünftigen Modelle die Weichen gestellt.Unter Umständen sogar schon früher, da die Selbstver-pflichtung der ACEA auf 140 Gramm CO2/km für das Jahr2008 ausgelegt war. Also ist mehr als die Hälfte der neu-en Modelle im Jahr 2012 bereits auf den Zielwert 130 gCO2 ausgelegt. Bleibt die »zweite Hälfte«. Üblich ist, dassim Rahmen von Modellpflegen das Fahrzeug verbessertwird. Dies ist in begrenztem Rahmen auch für den Ver-brauch möglich. Grob geschätzt müssten bis zum Jahr2012 gut drei Viertel der Modellreihen auf die neuen Wer-te auslegbar sein. Also, es ist ein sehr enger Zeitplan, aberbei »vernünftiger Verhandlung« der Strafsteuern ist auchdas nicht unmöglich.

    Hinauszögern auf das Jahr 2015 würde lediglich das Risi-ko erhöhen, dass diejenigen, die bereits in CO2-Redukti-on investiert haben, ihren Return On Invest gefährden. Sofließen seit einigen Jahren etwa bei der BMW AG pro Jahr

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    BMW-Modelle und Dimas-Gerade

    Quelle: Zusammenstellung des Autors.

    CO2 (g)

    kg

    Dimas-Kurve

    BMW Modelle

    Abb. 2

  • Zur Diskussion gestellt

    mehrere hundert Millionen Euro in CO2-Reduktionstechnik,die mittlerweile auch unter dem Namen »Efficient Dyna-mics« gekauft werden kann. Eine Streckung des Dimas-Plans bringt uns den »3 Liter Lupo-Effekt«. Das Auto ge-riet zum Flop, weil sich die Spriteinsparung für die Kundennicht gelohnt hat.

    Zulieferwachstum und Preisbildung beim Autohersteller

    Zu Gesamteffekt müssen wir noch einen wichtigen Wachs-tumsimpuls addieren: Das Zulieferwachstum. Gerade diedeutschen Zulieferer, also die Robert Bosch GmbH, die neueContinental-VDO, die Hella, die Mahle, die ZF und viele mehrspielen auf dem Gebiet der Kraftstoffspartechnologien in derWeltliga. Die Dimas-Regelung bringt für die Zulieferer einInnovations- und Wachstumsprogramm par Excellance. Beiknapp 15 Mill. Neuwagenverkäufen in der EU bringt die Di-mas-Regelung ein Umsatzwachstum von 20 Mrd. €. Nachunserer Einschätzung fallen gut 50% dieses Umsatzwachs-tums auf deutsche Zulieferer.

    Noch ein letzter Vorteil des Handelsmodells sei angemerkt,den Abbildung 2 illustriert. In Abbildung 2 wurde das aktu-elle Modellprogramm der Marke-BMW eingetragen. Jederrote Punkt entspricht den CO2- und Gewichts-Koordinateneines BMW-Modells. Zusätzlich ist wieder die Dimas-Gera-de eingezeichnet. Es wird deutlich, dass BMW bereits eini-ge Modelle im Markt hat, welche die DImas-Kriterien erfül-len, also unterhalb der Geraden liegen. Wenn jetzt BMW wei-tere CO2-Einsparungen realisiert, steigen die Kosten der ein-zelnen Modelle. Modelle, die oberhalb der Dimas–Geradenliegen, werden quasi durch andere Modelle »subventioniert«,denn CO2 hat mit der Dimas-Regulierung jetzt einen (impli-ziten) Preis. Wie soll jetzt BMW die interne Verrechnungvornehmen, wenn es keinerlei »Einkaufspreise« für CO2kennt? Man stelle sich vor, BMW setzt Stahl bei der Pro-duktion seiner Fahrzeuge ein und kennt den Stahlpreis nicht.Ein seltsamer Gedanke. Aber genau das wird bei CO2 ge-tan, wenn man den Marktpreis – oder besser gesagt – denEinkaufspreis nicht kennt. Das Pricing der Fahrzeuge wirdzum Zufallsexperiment. Genau deshalb brauchen die Auto-hersteller zusätzlich den CO2-Handel.

    Fazit

    Dimas hat einen ökonomischen Vorschlag vorgelegt, derweiter verbessert werden kann. Am Dimas-Koeffizient »a«kann noch ein wenig verhandelt werden. Aber viel Spielraumist da nicht vorhanden, wie Abbildung 1 zeigt. Die Verbes-serung bedeutet, das Pooling zum CO2-Handel zu erwei-tern. Dimas ist dafür offen, die Verweigerer sitzen in denAutoverbänden. Bleibt die Moral von der Geschicht: »Man

    sollte weniger auf Verbandspolitiker hören, sondern demökonomischen Sachverstand folgen«.

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