Europas Wirtschaft 1991. Ordnungspolitische Aufgaben in ... · ab, die eines Tages die Form eines...

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Europas Wirtschaft 1991. Ordnungspolitische Aufgaben in Ost und West von Herbert Giersch Mit einem Vorwort von Gert Dahlmanns

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Europas Wirtschaft 1991.

Ordnungspolitische Aufgaben in Ost und West

von Herbert Giersch

Mit einem Vorwort vonGert Dahlmanns

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August 1991

Frankfurter Institut für wirtschaftspolitische ForschungKaiser-Friedrich-Promenade 157, 6380 Bad HomburgTelefon (06172) 42074, Telefax (06172) 42355

ISBN 3-89015-030-6

Die Veröffentlichung dieser Studie wurde durch Unterstützung derADOLF-MESSER-STIFTUNG, Frankfurt, ermöglicht.

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Inhalt

Wirtschaftsordnung als Freiheitsordnung –eine Chance für ganz EuropaGert Dahlmanns

Europas Wirtschaft 1991.Ordnungspolitische Aufgaben in Ost und WestHerbert Giersch

EinleitungOrdnungspolitische Grundsatzfragen in WesteuropaMittel- und Osteuropa im ÜbergangAnmerkungen zum Systemwandel in anderen LändernLiteraturverzeichnis

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Wirtschaftsordnung als Freiheitsordnung �eine Chance für ganz Europa

Gert Dahlmanns

Die wichtigsten Fragen verbergen sich durch ihre Selbst-verständlichkeit. Sie liegen jenseits dessen, was wir für fragloshalten. Frei zu sein, in Wohlstand und Sicherheit zu leben, das wirdvon uns schon lange für selbstverständlich und dauerhaft genom-men - und gerade dadurch gefährdet. Nicht anders als die Erwar-tungen und Hoffnungen, die heute den ganzen europäischen Kon-tinent erfassen.

Europa bricht auf

Europa zerbricht die Fesseln der alten Ordnung. Die Konstruktions-gesetze seiner Teilung, die bis vor kurzem noch die Teilung der Weltmarkierten, sind aufgehoben. Auch der jüngste Versuch einersowjetischen Entwicklungsumkehr vermochte daran nichts zu än-dern. Im Gegenteil: Er hat die Unumkehrbarkeit dieses historischenProzesses verdeutlicht, ja ihn gewaltig vorangetrieben. Erdbeben,Epochenschwelle oder Zeitenwende: Selbst zurückhaltende Beob-achter der verschiedenen Disziplinen greifen zu den stärkstenVergleichen, um die Bedeutung des Wandels auf unserem Konti-nent hinreichend zu erfassen.

Im östlichen Europa sind 140 Millionen Menschen - eine Zahl, diesich verdreifacht, nimmt man die Sowjetunion hinzu - im Begriff, ineiner der größten unkriegerischen Veränderungen der jüngerenGeschichte aus ihren überkommenen Herrschaftsverhältnissen,Wirtschaftsordnungen und Sozialbeziehungen herauszutreten. So-zialismus und Planwirtschaft haben den Offenbarungseid geleistet.Sie konnten keines der Probleme bewältigen, zu deren Lösung sieeinst erfunden wurden. Stattdessen haben sie zur systematischen

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Zerstörung von Menschen und Lebensgrundlagen geführt. Diediesen Regimen unterworfenen Staaten, darunter das östlicheDrittel des wiedervereinigten Deutschland, wurden dabei auf denStand entwicklungsbedürftiger Länder geworfen. Sie stehen nachdiesen Jahrzehnten wieder am Anfang - vor der Aufgabe, auf denzurückgelassenen Trümmern eine neue Werte-, Wirtschafts- undGesellschaftsordnung aufzubauen. Dabei ist das, was sie mit ihrenRevolutionen angezielt und mit der Umschichtung ihrer ökonomi-schen, gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnissebeherzt angepackt haben, alles andere als eine neue, auf spätereEpochen vertröstende Utopie. Was sie anstreben, ist vielmehr imBild vom Westen wesentlich vorgeprägt: Parlamentarische Demo-kratie, rechtsstaatliche Verfassung und eine leistungsfähige, Wohl-stand und soziale Sicherheit schaffende Wirtschaft.

Aufbruch herrscht auch im westlichen Europa. Er erscheint dortauf den ersten Blick zwar weniger dramatisch, weil er sich imvorgegebenen institutionellen Rahmen bewegt und beinahe büro-kratisch vorangetrieben wird. Doch seine Folgewirkungen dürftennicht weniger einschneidend sein als die Entwicklungen im Osten,in deren Schatten er gegenwärtig steht. Die Gemeinschaft derZwölf hat sich nicht nur das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis Ende 1992durch Abbau aller Hemmnisse für den Verkehr von Personen,Gütern, Dienstleistungen und Kapital den schrankenlosen europäi-schen Binnenmarkt zu vollenden. Hinter diesem Vorhaben zeichnensich erste Umrisse von Währungseinheit und einer politischen Unionab, die eines Tages die Form eines europäischen Bundesstaatesannehmen könnten. Diese Entwicklungen und Perspektiven übenihrerseits eine starke, räumlich immer weiter ausstrahlende Anzie-hungskraft auf andere Staaten aus, die den direkten Beitritt zurGemeinschaft oder die Anlehnung daran suchen.

Visionen neuer Formen friedlichen Zusammenlebens und Zusam-menwirkens haben so den ganzen Kontinent erfaßt. Sie laufen aufnichts weniger hinaus, als den Strom seiner Geschichte in ein neues

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Wirtschaftsordnung als Freiheitsordnung

Flußbett zu lenken. Fragt man nach dessen Richtung und Ziel, gibtes von allen Seiten so gut wie nur eine für selbstverständlichgehaltene Antwort: die Trias von Frieden, Freiheit und Wohlstand,ergänzt um den Schutz des allen gemeinsamen Lebensraumes. Unddoch: Die eigentliche Fragearbeit beginnt erst jenseits dieser Fest-stellung - mit der Suche nach dem Weg, der immer schon ein Stückdes Zieles in sich trägt. Es ist die Suche nach der Ordnung, die wiruns geben wollen - beim jetzigen Wiederaufbau des östlichen, beider fortschreitenden Integration des westlichen und beim allmähli-chen Zusammenwachsen des ganzen Europa.

Marktwirtschaft als menschengerechte Wirtschaftsordnung

Ordnung ist freilich einer der am meisten mißverstandenen undmißbrauchten Begriffe der Gegenwart. Doch sie liegt allem Leben-den und Geschaffenen als Bauplan zugrunde - bestimmt denkatastrophenfreien Lauf der Gestirne, hält den menschlichen Orga-nismus in gesundem Gleichgewicht und ermöglicht der Maschineden störungsfreien Lauf. Ordnung als zweckmäßiges Zusammen-wirken einer Vielheit von Faktoren kennzeichnet auch jedes funk-tionierende Wirtschaftssystem und wirkt mit ihren Strukturprinzi-pien auf die dazu gehörende Gesellschaft und ihre Mitgliederzurück. Von allen bisher erdachten und erprobten ökonomischenOrdnungsmodellen hat die soziale Marktwirtschaft sich als dasmenschengerechteste erwiesen - als ein System, in dem die ele-mentaren Antriebe des einzelnen zur Verfolgung seiner Eigen-interessen genutzt und gleichzeitig in den Dienst am Gemeinwohlgestellt werden.

Nur wenige Kernelemente sind es, die - ultrakurz - die marktwirt-schaftliche Ordnung ausmachen: die ernstgenommene Handlungs-freiheit des Individuums; die daran geknüpfte Verantwortung deseinzelnen für sich selbst, sein Tun und Unterlassen; der ungehinder-te, faire Wettbewerb der Ideen, Menschen, Produkte und selbst derStaaten untereinander, sowie eine soziale Absicherung, die im

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Einzelfall vor dem Absturz bewahrt. Die bedeutsamste und zugleichkritischste unter den Voraussetzungen dieser Ordnung aber ist dierichtige Aufgabenverteilung zwischen Individuum und Staat. Sieentscheidet nicht nur darüber, ob eine Volkswirtschaft effizient zuarbeiten, im Wettbewerb zu bestehen und Wohlstand für alle ihreBürger zu schaffen vermag. Von dieser Funktionsteilung und ihrerEinhaltung hängt letztlich auch ab, ob der von allen für selbstver-ständlich erachteten Freiheit tatsächlich Dauer beschieden ist oderob sie ihrer allmählichen Auszehrung entgegengeht - in unseremeigenen, eher selbstzufriedenen Land, im gerade sich befreiendenOsten und im enger zusammenrückenden westlichen Europa.

Ordnungsstörungen bedeuten Freiheitseinbußen

Auch wenn die Wirtschaftsdaten der Vergangenheit es teilweiseverdecken konnten: Wir in der Bundesrepublik leiden seit langem undmit zunehmender Intensität an einer Ordnungsstörung gerade imkritischsten aller Bereiche. Die Aufgabenverteilung zwischen Indivi-duum und Kollektiv ist aus ihrem natürlichen Gleichgewicht geraten.Der Staat, dessen Hauptaufgabe die Gewährung von Rechtssicher-heit für seine Bürger, die Bereitstellung eines wachstumsförderndenRahmens für ihre Aktivitäten und das Knüpfen eines elementarensozialen Netzes ist, hat sich inzwischen hoffnungslos übernommen.Jahrzehntelang haben Parteien und Politiker gewetteifert, vom Bür-ger Ansprüche entgegenzunehmen und selber immer neue für ihn zuerdenken. So wuchs der Staat allmählich mehr und mehr in die Rolledes für das Lebensglück und die Lebenszufriedenheit seiner Bürgerverantwortlichen Agenten und entartete dabei zu einer riesigen, aufBedürfnisbefriedigung ausgerichteten Maschinerie, die dennoch mitden an sie gestellten Anforderungen nicht mitkommen kann, weilBedürftigkeit, die immer weniger nach der Eigenkompetenz fragt,zum Dauerzustand wird.

Aus dieser Fehlentwicklung zu einer sich gewaltig übernehmendenöffentlichen Hand rühren, in vereinfachender Betrachtung, fast alle

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weiteren Ordnungsmängel unseres in Richtung Regulierungs-,Verteiler- und Verwaltungsstaat steuernden Gemeinwesens her.Es sind dies vor allem die Eingriffe in das Wirtschaftsleben durchRegulierungen und Subventionen. Sie haben dazu geführt, daßmittlerweile die Hälfte der deutschen Wirtschaft vom Staat direktbeeinflußt oder aus dem Kräftemessen des Wettbewerbs heraus-genommen wird - was die wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeitendes einzelnen beschneidet, die Angebotsbedingungen der Wirt-schaft verzerrt, Kosten und Preise hochtreibt, Wahlmöglichkeitender Verbraucher verschlechtert und, da es keinen echten Arbeits-markt gibt, für die Arbeitssuchenden zusätzliche Hürden errichtet.Es sind dies des weiteren die völlige Verbiegung der sozialenSicherungssysteme in das Gegenteil ihrer ursprünglichen, auf Hilfezur Selbsthilfe zielenden Absicht, das System einer Tarifautonomie,die sich für den Erhalt von Beschäftigung nicht mehr verantwortlichfühlt und schließlich, infolge der ganzen Überhebung, der Zwang zuimmer höheren Steuern und Abgaben. Doch nicht nur die dadurchverursachten Effizienzverluste kommen den Bürger teuer zu ste-hen. Es ist vor allem der damit zwangsläufig einhergehende Verlustan persönlicher Freiheit, der Anlaß zur Sorge gibt.

Politik und Gesellschaft sind im Augenblick dabei, diese grundlegen-den Webfehler in noch gesteigertem Maße auf die neuen Bundes-länder zu übertragen und damit auch den osteuropäischen Län-dern falsche Signale zu geben. Daß die dort lebenden Menschen -angesichts ihrer Erfahrungen aus vierzig Jahren Vergangenheit undmit dem westlichen Wohlstandsniveau vor Augen - versucht sind,zur kurzfristigen Lösung ihrer Probleme eher auf den eingreifenden,umverteilenden Staat zu setzen als auf eine sich langsam und nochdazu mit oft rauhen Sitten entwickelnde Marktwirtschaft, kann nichtverwundern. Politiker nahezu aller mittel-, ost- und südost-europäischen Staaten sehen schon die Gefahr, das Ausbleibenschneller, vom Staat induzierter wirtschaftlicher Erfolge könneselbst den demokratischen Prozeß wieder gefährden.

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Vor solchem Hintergrund sind Transfers in die neuen Bundesländerselbst in großem Umfang auch unter rein ökonomischen Aspektendurchaus sinnvoll. Doch problematisch werden diese Leistungendann, wenn sie nicht in erster Linie investiv, sondern für konsumtiveZwecke verwendet werden. Führt das dazu, daß die alten Verhältnis-se und Strukturen erhalten und nur kaschiert werden, daß Arbeitslo-sigkeit durch staatliche Großmaßnahmen statistisch versteckt wird,wettbewerbsunfähige Betriebe weitergeführt und Märkte verfälschtwerden, dann wird damit der Weg zur eigenen wirtschaftlichenErstarkung der neuen Länder von vornherein verbaut und die Bevöl-kerung zu Dauerempfängern staatlicher Wohltaten gestempelt, stattihre Lebensgrundlagen schon bald selber erarbeiten zu können.

Schließlich läuft auch die Europäische Gemeinschaft Gefahr,durch fehlgeleitete Rollenverteilung zwischen öffentlicher und pri-vater Hand ihre eigentlichen Triebkräfte entscheidend zu schwä-chen. Hier ist es vor allem die in den Köpfen von Politikern,Eurokraten und Interessengruppen spukende Zwangsvorstellungvon den auf administrativem Wege zu schaffenden gleichenLebensverhältnissen in ungleichen Räumen, die zu immer mehrdekretierter Angleichung und Markteingriffen führt. In einem kon-sequent in diese Richtung getriebenen Prozeß hat die EuropäischeKommission in Brüssel dazu immer mehr Kompetenzen an sichgezogen und greift mittlerweile mit ihren Richtlinien, Verordnungenund Akten immer stärker regulierend in das Wirtschafts- undSozialleben ein. Die Kommission und viele der sie tragendenRegierungen setzen damit in ungesunder Weise auf Interventionstatt auf Markt, auf Zentralismus statt auf Subsidiarität und Vielfalt,auf versorgungsstaatliche Elemente statt auf Eigeninitiative undindividuelle Verantwortung.

Sozialistische Anwandlungen in uns

Nimmt man das alles in äußerster Verkürzung zusammen, so ergibtsich: Der Sozialismus als Staatsform hat in Europa weitgehend,

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vielleicht sogar endgültig, ausgedient. Die von ihm ausgehendeGefahr für eine freiheitliche Verfaßtheit dieses Kontinents undseiner Staaten ist damit aber keineswegs überwunden. Sie rührtheute und hinfort von den sozialistischen Anwandlungen in unsselber her.

Die schon klassische, einst von Schelsky formulierte Frage stelltsich mit unverminderter Aktualität: Wovon werden wir morgenleben? Von Kollektivbeschlüssen, die - über unsere Köpfe hinweggefällt - uns zu Objekten wohlfahrtsstaatlicher Bürokratien, zumangeglichenen und betreuten Bürger machen, dem nur noch wenigeigener Handlungsspielraum bleibt? Oder von der schöpferischenInitiative, von Leistungsfreude und Verantwortungsbereitschaftdes einzelnen, vom Wettbewerb als Kräftemesser und Entdeckungs-verfahren, in dem der Gesellschaft wie dem einzelnen neue Entfal-tungsmöglichkeiten zuwachsen?

Daß eine eindeutige Antwort hierauf nicht mit Bestimmtheit gege-ben werden kann, ist alarmierend genug. Abhängen wird sie davon,wie wir die Welt - und uns in ihr - begreifen und wie wir sie Kindernund Enkeln hinterlassen möchten. Wann wäre es je dringendergewesen, darüber nachzudenken als jetzt, wo der Boden dereuropäischen Umbrüche noch nicht erkaltet ist. Noch können wirdie Richtung bestimmen. Aber mit jedem weiteren Schritt in denKollektivismus wird der Spielraum enger.

Es ist das Verdienst von Herbert Giersch, diese durch ihrescheinbare Selbstverständlichkeit verborgenen Grundfragen ansLicht zu heben. Als Nestor der deutschen Nationalökonomie undlangjähriger Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft ana-lysiert und beantwortet er sie in der hier vorgelegten Untersuchungaus der unbestechlichen Sicht des ein Leben lang in Ordnungs-zusammenhängen denkenden Wirtschaftswissenschaftlers. DieStudie, am 1. Mai dieses Jahres abgeschlossen, ist - wie es dieserSchriftenreihe entspricht - nicht für den Tag geschrieben. IhreAnalysen, Schlußfolgerungen und nachdrücklichen Empfehlungen

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sind vielmehr von unverbrauchter Aktualität. Sie wissen - imunaufhaltsamen Strom immer neuer Entwicklungen, Erkenntnisseund Zugzwänge - das Wichtige vom weniger Wichtigen zu unter-scheiden und bieten sich geradezu an, bei den wirtschafts-,gesellschafts- und sozialpolitischen Entscheidungen dieser Monateund Jahre immer wieder Halt und Orientierung zu geben. Sie sorgenim besten Wortsinn für Aufklärung und zeigen, wie wir unserWirtschaften, Denken und Handeln einrichten müssen, damit nichtausgerechnet in dieser Epoche äußerer Befreiung der Grund fürneue, dauerhafte Unfreiheiten im Innern gelegt wird.

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Europas Wirtschaft 1991.Ordnungspolitische Aufgaben in Ost und West

Von Herbert Giersch

I. EINLEITUNG

Wir leben in einer Zeit schneller Geschichte, mit großen Verände-rungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Diese ergeben sich, wennman so will, aus dem Zusammenwirken von Tatsachen und Ideen,von Sein und Bewußtsein. Ideen, die sich ausbreiten, leiten dieMenschen bei zielstrebigem Denken und Handeln, zielstrebigesHandeln schafft Tatsachen und Veränderungen im Sein. Und dasSein, so es verständig gedeutet werden kann, ist in seinem Wan-del dazu angetan, vorgefaßte Meinungen und Ideen umzustoßenoder zu stützen und sorgfältig formulierte Hypothesen zu korrigie-ren. Man kann auch von gesellschaftlichen Lernprozessen spre-chen. Es scheint, als ob sie sich allenthalben beschleunigten,zumindest dort, wo die Menschen die Möglichkeit haben oder er-langen, in Freiheit zu reden und zu schreiben, zu hören und zu le-sen. Im Vordergrund steht dabei nicht zuletzt das “Wie” desZusammenlebens in Wirtschaft und Gesellschaft. Darauf richtetsich auch hier das Augenmerk.

Europa befindet sich in einem dramatischen Prozeß gesellschafts-politischer Veränderungen. Im Westen des Kontinents geht esum die Vollendung des EG-Binnenmarkts als Markt, also um denAbbau der Hemmnisse, die den grenzüberschreitenden Wirt-schaftsverkehr behindern. Im Osten des Kontinents drängt dieEntwicklung zur Liberalisierung schlechthin, also zum Abbau deskollektivistischen Zwanges, der die Menschen und ihre Initiativedem Kommando einer Zentralen Planbehörde unterworfen hat.

Das Jahr, das diese Wende in Europa markiert, war 1985. Es brach-te mit dem Auftreten Gorbatschows den Beginn der Perestroika in

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der Sowjetunion und mit dem Wirken eines britischen EG-Kommis-sars (Lord Cockfield) die Ankündigung des Binnenmarkt-Projekts1992. Ein Jahrfünft vorher schon hatte sich in Großbritannien undden U.S.A. eine Hinwendung zu den Werten des klassischen Libe-ralismus vollzogen, gefolgt von Reformen in einigen Ländern desCommonwealth. Noch früher zu erkennen war die Tendenz zurLiberalisierung in China nach dem Tode Maos.

Wer wohl hätte Ende der sechziger Jahre auf dem Höhepunkt derKulturrevolution in China und der Studentenrevolte im Westen mitGewißheit vorhersagen wollen, es werde die Renaissance desMarxismus schon so bald einer Renaissance des klassischen Li-beralismus Platz machen? Es gab einige unter den Intellektuellen,die eine derart optimistische Einschätzung mit ihrem Bekenntniszu liberalen Werten verbanden; aber das Häuflein war klein. ImWesten erhielten sie Hilfe von den Fakten: vom Wuchern desSteuer- und Subventionsstaates, der nicht halten konnte, was mansich von ihm versprochen hatte; vom Ausufern der staatlichen undkorporatistischen Regulierungen, die zu sklerotischen Erstar-rungen und funktionslosen Renten-Einkommen führten; vomScheitern einer Makropolitik, die statt hoher Beschäftigung eineBeschleunigung des Inflationsprozesses brachte; und vom Fort-schritt der Technik, der die Märkte öffnen half, auch indem er dieTransport- und Kommunikationskosten drastisch senkte, also dieWelt kleiner werden ließ.

Dieses Kleinerwerden erklärt, warum die Tendenz zum Liberalis-mus der offenen Märkte auf Mittel- und Osteuropa übergriff.Greifbar nahe wurde für die Menschen jenseits der Elbe das Er-lebnis von Freiheit und Wohlstand, das ihnen versagt war; deutlicherkennbar wurde plötzlich der Rückstand im technischen Stan-dard von Konsum und Produktion, den sie in der geschlossenenKommandowirtschaft hinnehmen mußten. So kam es zu denFluchtbewegungen. Wenn Wissen und Kapital nicht zum FaktorArbeit gelangen können, wandert die Arbeit dorthin, wo Wissen

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entsteht und Kapital gebildet wird. Entscheidend für die Wende inMittel- und Osteuropa war so die Anziehungskraft der liberalenwestlichen Zivilisation.

Man kann das, was im Westen Europas an Integration und im öst-lichen Teil an Transformation geschieht oder nötig ist, unter ver-schiedenen Aspekten darstellen. Ohne ein Vereinfachen geht esnicht, also auch nicht ohne die Abstraktion, die ein vereinfachen-des Weglassen ist. Übrig bleiben muß das, was einen Standpunktund eine Perspektive ergibt, möglicherweise auch eine Orientie-rungshilfe. Der rote Faden, der die beiden Teile über Westeuropaund Osteuropa verknüpft, ist der ordnungspolitische Leitgedanke,das “Wie” des menschlichen Zusammenlebens in der Wirtschaftund der modernen Großgesellschaft, also in der “extended order”im Sinne Friedrich von Hayeks, der im Jahr der Wende (1989) inFreiburg sein neuntes Lebensjahrzehnt vollendete.

II. ORDNUNGSPOLITSCHE GRUNDSATZFRAGEN IN WESTEUROPA

Im Jahre 1991 gedenkt die Wirtschaftswissenschaft im deutschenSprachraum des 100. Geburtstages eines anderen Freiburger Ge-lehrten: Walter Eucken. Er hat uns ordnungspolitisch sensibilisiert,indem er außer dem Begriff Wettbewerbsordnung das Be-griffspaar Zentralverwaltungswirtschaft/Verkehrswirtschaft inden Vordergrund rückte. Wir können die beiden Pole auch andersbenennen - Zentralismus versus Subsidiarität, Hierarchie versushorizontale Kooperation im Tauschverkehr, Monopol versusWettbewerb, Kommandowirtschaft versus Selbstregulierung, Bü-rokratie versus Marktwirtschaft, Kollektivismus versus Privatisie-rung, Sozialstaat versus Privatrechtsordnung, Sozialismus versusIndividualismus. Jedes Begriffspaar beleuchtet einen besonderenAspekt der Ordnung. Um das zu beschreiben, was wir unterMarktwirtschaft in reiner Form verstehen, muß man die verschie-denen Punkte addieren: Dezentralisierung, Subsidiarität, Wettbe-

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werb, Selbstregulierung, Privatisierung, Privateigentum, Indivi-dualismus. Wer das Wort nicht scheut, mag das Ganze “Kapita-lismus” nennen, genauer: Wettbewerbskapitalismus.

Westeuropa war die Wiege dieser Form des Wirtschaftens und dermodernen Zivilisation überhaupt. In den wirtschaftsgeschichtlichenVorlesungen von Max Weber (1923, S. 288 f.) heißt es hierzu sinn-gemäß: Im Gegensatz zu den russischen Städten besaßen die Städ-te im Westen Europas viele Freiheiten. Diese wurden ihnen zwar inder Neuzeit entzogen wie den Städten der Antike unter der Herr-schaft der Römer. Und wörtlich: “Aber zum Unterschied von da-mals gerieten sie (die Städte) in die Gewalt konkurrierenderNationalstaaten... Deren Konkurrenzkampf gab dem neuzeitlich-abendländischen Kapitalismus die größten Chancen. Der einzelneStaat mußte um das freizügige Kapital konkurrieren, das ihm dieBedingungen vorschrieb, unter denen es ihm zur Macht verhelfenwollte. Aus dem notgedrungenen Bündnis des Staates mit demKapital ging der nationale Bürgerstand hervor, die Bourgeoisie immodernen Sinn des Wortes. Der nationale Staat also ist es, der demKapitalismus die Chancen des Fortbestehens gewährleistet; solan-ge er nicht einem Weltreich Platz macht, wird also auch der Kapi-talismus dauern”. Inzwischen gibt es mehrere Bücher, die Europaaus den von Weber erwähnten Gründen zur Wiege der modernenZivilisation erklären (Jones, 1989; Rosenberg und Birdzell, 1986).

Den Kernpunkt treffen wir, indem wir auf den Wettbewerb derStaaten abstellen. Es ist ein Wettbewerb um die Ressourcen, dieüber die staatlichen Grenzen hinweg mobil sind, also um das Inve-stitionskapital und das Humankapital, um die Unternehmer und dieSitze der Unternehmen, um die bedeutenden Künstler und For-scher und um die guten Fachkräfte, kurz: um jene mobilen Fakto-ren, die ihrerseits positive Standortfaktoren sind undmöglicherweise beim Seßhaftwerden weitere mobile Faktorenanlocken. Gewinner sind die immobilen Faktoren in den Zuwan-derungsgebieten, also vor allem die Bodenbesitzer, aber auch die

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weniger qualifizierten Arbeitskräfte, die zu den angelockten Res-sourcen komplementär sind, und sogar die Armen, die auf Zuwen-dungen aus öffentlichen Kassen angewiesen sind. Hoffnungen,daß ein kumulativer Entwicklungsprozeß in Gang kommt oder sichbeschleunigt, geben den Zugeständnissen, die im Interesse einesoffensiven Standortwettbewerbs an die potentiellen Bezieher ho-her Einkommen gemacht werden, den Charakter einer Investiti-on. Der Einkommens-Redistribution sind im StandortwettbewerbGrenzen gezogen, wenn volle Freizügigkeit herrscht. Denn manwill ja die guten Steuerzahler anlocken, nicht die Hilfsbedürftigen,die ihre Seßhaftigkeit anderswo aufgeben, um sich an den Rän-dern der prosperierenden Ballungszentren niederzulassen.

Den kürzeren ziehen im Standortwettbewerb die Länder, die dasmobile Kapital und Humankapital hoch besteuern oder bürokratischreglementieren und so in seinen Entfaltungsmöglichkeiten beschrän-ken. Wenn diese Staaten das Abwandern der zukunftsorientiertenmobilen Ressourcen nicht gewaltsam verhindern können, müssensie mit Reformen antworten - mit niedrigeren Spitzensteuersätzen,mit einem Abbau der Unternehmenssteuern, mit einer Deregulie-rung der Wirtschaft. Auf diese Weise kommt es zu einer Liberali-sierung des Lebens, im Extremfall zum Übergang von derZentralverwaltungswirtschaft zur Marktwirtschaft. Der Standort-wettbewerb wird zum Systemwettbewerb, wenn Freizügigkeitherrscht oder sobald sie von den Menschen erzwungen wird. Wirhaben es im Mittel- und Ostteil Europas seit 1989 erlebt.

Die Schwächung des Staates durch den Wettbewerb der Staatenhat einen tiefgreifenden Wandel zur Folge. Grundsätzlich zwingt derWettbewerb die staatlichen Gebilde zu größerer Effizienz. Wie einPrivatunternehmen, das seine Monopolstellung verliert, muß derStaat die Produktpalette bereinigen, sich also auf jene Aufgaben be-schränken, die nur er erfüllen kann oder für die er einen komparati-ven Vorteil hat in dem Sinne, daß er sie besser zu erfüllen vermagals der Markt. Dies heißt Privatisierung und Deregulierung und ein

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Kürzen der Staatsausgaben. Widerstand gegen das Abspecken desStaates auf der Ausgabenseite kommt von der Bürokratie und denSubventionsempfängern. Wahrscheinlich muß daher das Abma-gern auf der Steuerseite ansetzen: Steuersenkungen zum Mobilisie-ren des Diktats der leeren Kassen. Dies läßt allerdings, wie dieErfahrung zeigt, die Staatsdefizite steigen.

Wo die Grenzen der Verschuldung und Neuverschuldung für denStaat liegen, ist vom Schreibtisch aus nicht zu sagen. Die Antwortkann nur der Markt geben, hier der Kapitalmarkt. Er wird im Zugedes Trends, den wir beschreiben, künftig die Bonität der Staaten -und der nachgeordneten Gebietskörperschaften - als Schuldnerzunehmend ins Auge fassen und das Risikoelement stärker unterdie Lupe nehmen. Weltwirtschaftlich bedenklich ist, daß durchden Trend zu höherer Staatsverschuldung die Kapitalbildung lei-det und daß dies zumindest kurzfristig den Realzins für alle nachoben treibt und private Investitionsvorhaben, die wachstumsträch-tig sind, in die Zukunft abdrängt. Umso dringlicher wird dadurchder Abbau der staatlichen Subventionen und das Kürzen solcheröffentlichen Ausgaben für Konsum- und Investitionszwecke, dieweniger wichtig erscheinen. Der hohe Realzins, den wir heutehaben, ist ein Signal dafür. Ihn der Geldpolitik anzulasten, wäreeine Fehldiagnose, die zu einer falschen Therapie verleitet.

Schon gibt es Stimmen, die auf die Grenzen des Systemwettbe-werbs hinweisen. Man könnte ihnen beipflichten, wäre das staat-liche Ausgaben- und Regulierungssystem optimal oder gäbe es -im Falle seiner Überdimensionierung - keine realistischen Mög-lichkeiten, verschwenderische Ausgaben zu kürzen und jene Re-gulierungen zu beseitigen, die für die Bevölkerung mehr Schadenals Nutzen stiften. Von diesen Grenzen sind wir nach meinemUrteil weit entfernt. Und welche andere Kraft gibt es, die Schwä-cheren zu schützen, als den ständigen Wettbewerb der Anbieterum die Nachfrager und der Staaten um ihre Bürger? Dieser Wett-bewerb beruht auf der Chance der Abwanderung, nicht auf dem

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stimmkräftigen Protest. In der Terminologie Albert Hirschmansberuht er auf “exit”, nicht auf “voice”. “Voice” mag hier und dahelfen. In Europa freilich hat die jahrhundertelange Abwanderungnach Amerika mit dazu geführt, daß das verbale Werben für offe-ne Märkte im politischen Diskurs schwächer ist, als es sein könn-te. Entsprechend stärker sind auf dieser Seite des Atlantik dieTendenzen zum Subventionsstaat, zur “Rent-seeking Society” undzur Abschottung der Märkte, Tendenzen, die von der Stimmkraftorganisierter Interessengruppen gefördert werden.

Deshalb gehört zur Tradition Europas nicht nur der Wettbewerbin der Kleinstaaterei (den man, wie gesagt, heute als Wiege derwestlichen Zivilisation herausstellt), sondern auch der Korporatis-mus, der die Tendenzen zur Verhärtung der Märkte begünstigtund so auch die Gefahr der Eurosklerose mit sich bringt.

Im Prinzip gilt für den Korporatismus folgendes: Statt auf die Koor-dination der Einzelwirtschaften im anonymen Wettbewerb, setzt erauf die Solidarität derer, die sich gegenseitig kennen, und dies aufMärkten, die gegen anonyme Außenseiter und Aufsteiger ge-schützt sind. Hier geht es um die Zusammenarbeit in Zünften; umdie Koordination in Kartellen; um das Zusammenwirken von Büro-kratie und Interessengruppen; um die Herrschaft der Verbände(Eschenburg); um “Rent-seeking” und Filz; um konkrete Markter-gebnisse, nicht um abstrakte Ordnungen; um Angleichung der Le-bensverhältnisse in einem EG-Binnenmarkt. Das Entscheidendehier ist das Schließen der Märkte - durch Außenhandelsprotektion,durch staatliche Marktzutrittsbeschränkungen, durch Allgemein-verbindlichkeitserklärungen im Falle von Tarifverträgen und durchZunftzwang in jedweder Form der Außenseiterdiskriminierung. DieUnterscheidung zwischen “uns” und den anderen, zwischen “Insi-ders” und “Outsiders”, ist ganz natürlich. Schon Adam Smith er-kannte vor über 200 Jahren, daß Vertreter desselben Gewerbesauch bei festlichen Gelegenheiten selten auseinandergehen, ohnevorher eine Verabredung zu treffen, die Dritte benachteiligt.

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Im zwischenstaatlichen Bereich ist diese Tendenz nicht wenigerausgeprägt. Man verwendet nur andere Begriffe. Die Rivalität imwirtschaftspolitischen Wettbewerb wurde (von Ökonomen) alsbeggar-thy-neighbour policy denunziert, die geld- und fiskalpoliti-sche Kooperation fachübergreifend hochgelobt, als sei die Alter-native dazu ein blutiger Krieg. “Gemeinsam”, “zusammen”, im“Konsens” will man vorankommen. Um dem Wettbewerb derSteuersysteme zu begegnen, propagiert man die Steuerharmoni-sierung, und um dem Währungswettbewerb ein Ende zu bereiten,drängt man auf ein Wechselkurskartell mit unveränderlichen Aus-tauschrelationen als Vorstufe zu einer Währungsunion, die danneinem Monopol entspricht. Das Projekt 1992 erhält - wie die Zoll-union der Sechs dreieinhalb Jahrzehnte vorher - seine Attraktivi-tät im praktischen Leben dadurch, daß es Freiheit und Gleichheitfür einen begrenzten Raum verspricht, mehr Freiheit und Gleich-heit - nicht durch anonymen Wettbewerb weltweit, sondern mehrFreiheit und Gleichheit im Binnenmarkt, sozusagen unter Brüdern.

Es sollen, so sagt man richtig, im Binnenverkehr Transaktions-kosten eingespart werden - durch das Wechselkurskartell, dieHarmonisierung der Systeme und die Standardisierung der Pro-dukte. Einheit macht, auch dies ist richtig, alles einfacher undübersichtlicher. Doch der Preis, der dafür zu bezahlen ist, ist nichtgering. Er schlägt sich nieder in einem Weniger an Kontrolle durchden anonymen Wettbewerb. Dies ist auch deshalb so, weil dieVereinheitlichung in einem begrenzten Raum den Marktzutritt fürAußenseiter erschwert und auf diese Weise tendenziell wie einZoll wirkt. Aus der Theorie der Zollunion wissen wir, daß derZollabbau im Innern für die Weltwirtschaft ein zweischneidigesSchwert ist. Er senkt die Transaktionskosten auf dem Binnen-markt und vermindert die Wettbewerbschancen der Drittländer.Dies gilt selbst dann, wenn die Außenprotektion für sich genom-men nicht zunimmt. Beim Harmonisieren und Normieren kannman den Grad der Außenprotektion nicht so einfach bestimmenwie beim Zoll und damit auch nicht so einfach konstant halten;

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möglicherweise wird die Binnennorm so spezifiziert, daß sie aufden Wissens- und Erfahrungsschatz der Inländer zugeschnitten istund zu ihm besser paßt als zu dem der Außenseiter, die beiNormenvielfalt im Innern wenigstens auf Teilmärkten so wie zuHause absetzen könnten. Nehmen wir als Beispiel die Qualitäts-normen für Produkte. Sie machen es für die Konsumenten imInland leichter, sich qualitätsbewußt zu verhalten; die Verbrau-cher brauchen nicht mehr soviel selbst zu entscheiden. Aber eswerden durch solche Mindestnormen andere ausgeschlossen, soetwa die Anbieter aus ärmeren Ländern, für die ein hohes Maßan Qualitätsbewußtsein noch zu kostspielig ist. Sie müßten, umder Europanorm zu genügen, für den Export andere Produkte her-stellen, als auf ihrem Inlandsmarkt nachgefragt werden.

Dem Kartell- und Regulierungsprinzip der Normeneinheit steht dia-metral entgegen das Prinzip des Normenwettbewerbs und der De-regulierung, wie es vom Europäischen Gerichtshof im berühmtenCassis de Dijon-Urteil formuliert wurde. Sinngemäß besagt diesesPrinzip: Was innerhalb der Gemeinschaft im Ursprungsland rech-tens angeboten wird, darf im Bestimmungsland nicht mit einem Ein-fuhrhemmnis abgewehrt werden. Europäisches Bier, das nicht nachdem deutschen Reinheitsgebot gebraut wird, muß frei in die Bun-desrepublik eingeführt werden dürfen. Londoner Versicherungen,die der weniger strengen Aufsicht in Großbritannien unterliegen,müssen ihre Leistungen auch auf dem streng beaufsichtigten deut-schen Versicherungsmarkt anbieten dürfen. Dies läuft auf die ge-genseitige Anerkennung von Normen und Standards hinaus. DieBürger werden für mündig erklärt und dürfen frei wählen. Tenden-zen der Vereinheitlichung wird es da schon geben, wenn die Ein-heitlichkeit Kosten einsparen hilft und die Nachfrager dies als einenhinreichenden Vorteil ansehen. Naheliegend ist der Vergleich mitder Sprache, auch mit dem Geld. Eingeschränkt werden darf derWettbewerb der Normen und Standards nach diesem Prinzip nurinsoweit, wie das öffentliche Interesse es gebietet, also schädlicheDrittwirkungen, etwa im Umweltbereich, vermieden werden sollen.

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Die Grenzen sind fließend, gewiß, aber das Wettbewerbsprinzipbetont im Zweifel die Vielfalt und respektiert als letzte Entschei-dungsinstanz das Urteil der Nachfrager. Risiken lassen sich nichtausschließen, aber das Prinzip der Offenheit erlaubt ja auch weit-gehende Möglichkeiten des Experimentierens, und es sorgt so da-für, daß sich die Möglichkeiten der Schadensverhütung undSchadensbegrenzung durch den Fortschritt des Wissens erweitern.Das entgegengesetzte Prinzip der verordneten Einheitlichkeit hatdemgegenüber einen Abschließungseffekt nicht nur nach außen,sondern auch im Blick nach vorn.

Der Abschließungseffekt nach außen ist direkt verknüpft mit denVorteilen, die der einheitliche Binnenmarkt bietet. Deshalb drängtes Drittländer zum Beitritt, sind die Wirtschafts- und Währungs-unionen räumlich expansiv, läuft die Weltwirtschaft Gefahr, sichin große Blöcke zu gliedern: EG-Binnenmarkt 1992, Amerikani-sche Freihandelszone von Alaska bis Mexiko, OstasiatischerWohlstandsraum mit dem Zentrum in Japan. Ähnliches vollziehtsich in Form der Unternehmenskonzentration: Elemente desWettbewerbs verschwinden oder werden ausgeschaltet im Inter-esse von Kosteneinsparungen, die man auch als Größenvorteile,Skalenerträge und Synergieeffekte bezeichnet. Kritiker sprechenvon Expansionsdrang, Machtstreben und Zentralismus. Sie habenmeine Sympathie. Westeuropa läuft Gefahr, dieser Konzentrati-onstendenz zu viel Raum zu geben, und dies zu einer Zeit, in derdie Ineffizienz zentralistischer Großgebilde in Mittel- und Ost-europa dramatisch sichtbar wird.

Dieser Punkt, der für West- und Osteuropa gleichermaßen wich-tig ist, verdient einige Bemerkungen grundsätzlicher Art. Denn dieKostenersparnisse der Massenproduktion, die sogenanntenSkalenerträge, die Vorteile der Einheitlichkeit oder Homogenitätund die vielzitierten Synergieeffekte sind nicht so groß, wie manim Rahmen eines veralteten mechanistischen Weltbildes oder auf-

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grund der Vergangenheitserfahrungen zu glauben geneigt ist. VierThesen sollen diese Einschätzung begründen.

(i) Größenvorteile werden oft überschätzt, weil und soweit manintuitiv an bestimmte bilaterale Auseinandersetzungen denkt,die auf die Unterwerfung der anderen Seite zielen. Da kannMasse ausschlaggebend sein wie das Übergewicht auf einerWaagschale. In der lebendigen Welt jedoch herrscht Wett-bewerb in Vielfalt. Da kann Masse leicht aufgewogen wer-den durch das Manko der Schwerfälligkeit, so beiLebewesen durch Unzulänglichkeiten im Beobachtungs-,Entscheidungs- und Steuerungssystem: Der Koloß ist inflexi-bel. Dieses Manko nimmt mit der Größe zu, also mit derAnzahl der Einheiten oder Zellen, die zentral gesteuert wer-den müssen. Große Tiere brauchen - im Gegensatz zu Ein-zellern - ein höchst komplexes Nervensystem. Oft können sienur als Dickhäuter und Schalentiere überleben, gleichsam mitAußenprotektion oder Monopolmacht. So wie die Bäumenicht in den Himmel wachsen, gibt es auch Überlebens-grenzen für zentral gesteuerte Großgebilde im Bereichmenschlicher Organisationen. Größe verlangt daher Dezen-tralisierung der Entscheidungsbefugnisse und Delegation vonVerantwortung. Dies ist ganz im Sinne des Subsidiaritätsprin-zips. Selbst die Lebenserwartung des einzelnen Menschen istnicht positiv korreliert mit seiner Größe. Im Gegenteil: Stati-stische Untersuchungen scheinen zu zeigen, daß die Lebens-erwartung der Frauen (auch) deshalb höher ist als die derMänner, weil Frauen in der Regel kleiner sind (Miller, 1990).

(ii) Abgesehen von der quantitativen Überlegenheit auf der Waa-ge oder im bilateralen Kampf, gibt es Größenvorteile vor allemwegen eingebauter Unteilbarkeiten, zum Beispiel unteilbareElemente im Produktionsapparat oder unteilbare Produktions-verfahren. Eine mechanistische - im Gegensatz zu einer biolo-gischen - Interpretation der Wirtschaftswelt, so steht zu

Ordnungspolitische Grundsatzfragen in Westeuropa

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vermuten, hat zunächst dazu angeregt, Größenvorteile zu su-chen. Man hat sie - wie gesucht - auch gefunden, und zwar beiden Kapitalgütern ebenso wie in Form der Fließbandprodukti-on. Vor zwei Jahrzehnten stellte E.F. Schumacher einen neu-en Wegweiser auf: “Small is Beautiful!” Inzwischen gibt esMöglichkeiten der Miniaturisierung, an die früher nicht zu den-ken war. Und das Sinken der Transport- und Kommunikati-onskosten verringert die Vorteile der Ballung; es verringertauch die Vorteile der Fließbandproduktion auf engstem Raum.Warum der technische Fortschritt zunächst zur Gigantomanieund erst sehr viel später zur Miniaturisierung geführt hat, isteine offene Frage; aber wahrscheinlich mußten erst die Nach-teile der Größe überwiegen, bevor man die Chancen des Klei-nen explorieren konnte. Nach dem ästhetischen Charme desKleinen und dessen, was stärker gegliedert ist, sehen wir nunauch die produktionstechnischen und ökonomischen Möglich-keiten des Minuziösen und so auch der kleinen Entschei-dungseinheiten und Teams.

(iii) Soweit die wirtschaftlichen Größenvorteile auf Kosten derVielfalt gehen, beeinträchtigen sie die Kräfte der Selbsthei-lung und der zivilisatorischen Evolution. Gewiß: Man kannden gradlinigen Wissensfortschritt auf vorgezeichneten Bah-nen forcieren, wenn erst einmal ein fruchtbarer Ansatz vor-handen ist. Auch ist die Gruppe, die ein anregendesBrainstorming erlaubt, produktiv im Entwickeln neuer Ansät-ze. Aber der schöpferische Gedanke ist wohl ein Einfall, dersich in erster Linie aus Gedankenverbindungen innerhalb ei-nes einzelnen Gehirns ergibt. Die horizontale Kooperation,wie sie mit der Arbeitsteilung der Hände korrespondiert, ent-wickelt sich spontan auch als Arbeitsteilung der Köpfe. Gibtman dieser Arbeitsteilung der Köpfe (die charakteristisch istfür die westliche Zivilisation überhaupt), hierarchische For-men der Organisation, wie es naheliegt, wenn es auf Größe,die kritische Masse oder Ballung ankommt, so entstehen aus

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der bürokratischen Subordination Gefühle der Frustration;und die Konzentration der Kräfte auf das Innenverhältnisschafft Grenzen nach außen und Distanz zu Dritten. Auf die-se Weise macht ein Zuviel an Größe steril.

(iv) Die evolutorisch fruchtbare Konkurrenz ist Konkurrenz in derVielfalt, nicht homogene, sondern heterogene Konkurrenz.Jede Produktinnovation macht die Konkurrenz unvollkommenoder - wie man auch sagt - monopolistisch, jede Ausbeutungneuen Wissens geschieht im Blick auf einen - oft nur vorüber-gehenden - Monopolgewinn. Außenseiter versuchen, diesenMonopolgewinn zu antizipieren und zum Überwinden vonMarktzutrittsbarrieren einzusetzen. Diese Barrieren sind fürdie Kleinen umso höher, je mehr Drohpotential bei den Insidernvermutet wird, je mehr Macht aus purer Größe mobilisierbarerscheint. Hohe Barrieren sind für andere von Nachteil, nied-rige Barrieren gesamtwirtschaftlich effizient. Denn es gilt derSatz: Was immer produzierbar ist oder nachgefragt wird, solltezu den niedrigst möglichen Preisen angeboten und zu den nied-rigst möglichen Kosten erzeugt werden. Offene Märkte sindeine notwendige Bedingung dafür.

Das Fazit von alledem kann für Westeuropa wie folgt formuliertwerden: Der große Binnenmarkt, wie er durch das Projekt 1992geschaffen werden soll, ist wegen des Wegfalls der Grenzbarri-eren im Innern ein Schritt nach vorn; aber wegen des Anwach-sens der Regulierungsbürokratie und des Fortbestands derAußenbarrieren ist er nicht viel mehr als ein halber Schritt. AllesVereinheitlichen und Normieren, das von oben erfolgt, verringertdie schöpferische Vielfalt und wirkt zudem wie ein zusätzlicherAußenschutz. Die Fortschritte im Innern sollten daher in RichtungDeregulierung gelenkt werden und von einem Abbau der Außen-protektion begleitet sein. Dies betrifft die Uruguay-Runde desGATT und die Öffnung gegenüber beitrittswilligen Ländern ausSkandinavien und Mitteleuropa. Gemeint sind Schweden, Norwe-gen und Österreich, aber auch Ungarn, die CSFR und Polen.

Ordnungspolitische Grundsatzfragen in Westeuropa

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Drei Fragen sollen etwas konkreter beleuchtet werden. Sie sindfür die künftige Architektur des europäischen Hauses in seinemWestflügel und für die Offenheit der EG bedeutsam:

(i) das Problem des europäischen Agrarmarktes,

(ii) die sogenannte soziale Dimension und

(iii) die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit einer einheitlicheneuropäischen Währung.

DAS AGRARPROBLEM

Der EG-Agrarprotektionismus hat bekanntlich die Uruguay-Run-de des GATT zum Halten gebracht, wenn nicht gar zum Schei-tern. Dies kann das Ende des GATT und der multilateralenWelthandelsordnung heraufbeschwören. Es kann nicht von einemso engen Bereich wie der Landwirtschaft abhängen, ob wir einefreie Weltwirtschaft haben dürfen oder nicht. Deshalb habe ichvorgeschlagen, man möge in Europa

– konsequent auf Freihandel für Agrarerzeugnisse zusteuern und– die Landwirte als Bodenbesitzer in dem Maße entschädigen,

wie sie dadurch Vermögenseinbußen erleiden.

Die Bruttoeinbuße für die Landwirte ergibt sich daraus, daß Sub-ventionen wegfallen und daß Preise zurückgehen, wenn man sichden Weltmarktpreisen schrittweise nähert. Dabei kann man zu-nächst konstante Verkaufsmengen unterstellen. Alles, was durchProduktionsrücknahme an Kosten eingespart würde, käme dannvoll den Landwirten zugute. Will man vermeiden, daß die Land-wirte überkompensiert werden, kann man die Bruttoeinbuße umeinen pauschalen Abschlag korrigieren.

Die Entschädigung selbst, und dies ist das Besondere an meinemVorschlag, sollte als Vermögensausgleich in Form festverzinslicherStaatspapiere gewährt werden. Die Landwirte sollten die Anleihen

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verkaufen dürfen, damit sie in der Lage sind, alternative Investitio-nen zu tätigen, natürlich in rentable Vorhaben und nicht zuletzt inden ländlichen Räumen, mit denen sie vertraut sind. Dort würdendie gesunkenen Bodenpreise alternative Möglichkeiten der Boden-nutzung rentabel machen, vor allem für die unternehmerischen Ta-lente in der nachwachsenden Generation. Aufforstung, Parks,Erholungs- und Freizeitangebote sind Beispiele für einen weitenBereich von Möglichkeiten, die ausfindig zu machen eine unterneh-merische Aufgabe ist. Vorteile ergäben sich für alle. Quantitativschlägt zu Buche, daß die falsche Agrarpolitik nach klugen Berech-nungen volkswirtschaftlich viel mehr kostet, als sie den Landwirteneinbringt. Die Differenz steht für das, was sich an Ressourcen ein-sparen läßt, wenn man diese Agrarpolitik Schritt für Schritt abbaut.Und das Abgehen von der hochintensiven Bodenbewirtschaftungund das Hinwenden zu Zukunftsinvestitionen läßt ein Mehr an jenerLebensqualität erwarten, das die Bürger bei steigendem Einkom-men begehren und zu honorieren bereit sind.

DIE SOZIALE DIMENSION

Die sogenannte “Soziale Dimension” mit ihrer EG-Sozialcharta istein Versuch, innerhalb der EG das Gefälle der Arbeitnehmerrech-te und Arbeitnehmerentgelte, das es zwischen den reichen Län-dern im Zentrum und den armen Ländern an der Peripherie gibt,durch politischen Druck einzuebnen, und zwar schneller, als esdurch das Wirken der Marktkräfte allein geschehen würde. Derdeutsche Bundeskanzler formuliert dieses Ziel für uns negativ:“Kein Sozialabbau”. Gemeint sein kann damit nur, daß die Arbeit-nehmer hierzulande den Rahmen ihres Produktivitätsspielraumsjetzt beschäftigungskonform ausschöpfen, und zwar mit einem ak-zeptablen Mix von Barlohn einerseits und kostenwirksamen Rech-ten andererseits. Also heißt es: weiter so! Die Gewerkschaftenbei uns und in anderen reichen Ländern im Zentrum der EG be-fürchten Nachteile durch den Lohndruck aus den ärmeren Län-dern an der Peripherie. Sie sagen daher: “Kein Sozialdumping”.

Das Agrarproblem — Die soziale Dimension

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Offenbar sollen in den ärmeren Ländern die Arbeitskosten, diedurch Barlohn und kostenwirksame Rechte der Arbeitnehmer be-stimmt sind, künstlich angehoben werden. Dies würde, so scheintes, mehr Gleichheit bringen. Längerfristig sieht es ganz andersaus. Manche Unternehmen in den ärmeren Ländern müßten Ar-beitsplätze abbauen, andere ihre Investitionspläne kürzen, weil sieauf dem internationalen Kapitalmarkt nicht mehr wettbewerbsfä-hig wären. Ihres wichtigsten Standortvorteils beraubt, würden dieperipheren Länder im Aufholprozeß zurückfallen; und statt Kapi-tal zu attrahieren, müßten sie zusehen, wie die tüchtigsten ihrerArbeitskräfte unter dem Druck höherer Arbeitslosigkeit abwan-dern, möglicherweise direkt ins reiche Zentrum. Statt Kapitalströ-me vom Zentrum zur Peripherie gäbe es Gastarbeiterströme vonder Peripherie zum Zentrum.

Im Zentrum selbst entstünde mehr Gedränge, noch mehr Ballung,möglicherweise noch mehr Fremdenhaß und mehr Armut in Not-unterkünften. Der Druck zum Einsparen von Kosten bei denErzeugnissen wäre geringer und so auch der Anreiz zu Prozeß-innovationen. Mehr veraltete Produkte wären wettbewerbsfähig,weniger Produktinnovationen wettbewerbsnotwendig. Diese ne-gativen Bumerangeffekte wirken im dynamischen Prozeß aufDauer; und sie übersteigen bei weitem alles, was man sich vondem kurzfristigen Mehr an Gleichheit erhoffen kann. Dies allesgilt übrigens voll auch für das Angleichen der Lebensverhältnisseim vereinigten Deutschland.

Das Stichwort “kein Sozialdumping” enthüllt, daß Wettbewerbausgeschaltet werden soll. Die Betroffenen können sich auf zwei-fache Weise schadlos halten. Die eine Möglichkeit ist: mehr staat-liche Hilfen aus gemeinsamen Kassen, in die vorwiegend diereichen Länder des Zentrums einzahlen. Belastet würden im End-effekt auch die Arbeitnehmer hierzulande. Die zweite Möglichkeitbesteht darin, daß die armen Länder an der Peripherie ihrerseitsSchutz vor Sozialdumping begehren, und zwar gegenüber Ländern

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der Dritten Welt, die noch ärmer sind, also noch mehr Aufhol-bedarf haben. Forcierte Gleichheit kostet Fortschritt und Finanz-masse; und Protektionismus gebiert Protektionismus - auf demArbeitsmarkt wie auf dem Agrarmarkt.

Die Welt ist gut beraten, wenn sie befürchtet, der Westflügel deseuropäischen Hauses könne in seiner Außenarchitektur dieMerkmale einer Festung haben. Der tiefere Grund dafür, daß dieFurcht berechtigt ist, liegt, wie bereits angedeutet, in der Kartell-und Zunfttradition, die dem Prinzip Offenheit entgegensteht.

DAS WÄHRUNGSPROBLEM

Braucht das Europa der EG eine eigene Währung? Richtig ist dasArgument, ein Währungskartell mit unwiderruflich festen Wech-selkursen vermeide Wechselkursrisiken. Dies erspart Kurssiche-rungskosten. Noch billiger wird der internationale Zahlungs-verkehr, wenn die Wechselkursunion eines Tages durch eineWährungsunion mit einem einheitlichen Europageld ersetzt wird.Verzichtet werden muß beim Beschreiten dieses Weges auf na-tionale geldpolitische Souveränität. Die Frage, die dabei auftaucht,lautet: Wie vertrauenswürdig ist die zentrale Institution, an die dieSouveränität abgetreten wird? Nach dem gegenwärtigen Standder offiziellen Diskussion sieht es so aus, als halte man die Unab-hängigkeit der europäischen Zentralbank (Eurofed) für eine not-wendige und hinreichende Bedingung. Die Erfahrungen mit derBundesbank gelten als Evidenz. Meine skeptische Einstellunggründet sich auf folgende Argumente:

(i) Selbst die vorbildhafte D-Mark hat in vierzig Jahren zweiDrittel ihres Wertes eingebüßt. Dies erklärt sich zum Teil da-durch, daß der Zentralbankrat für Änderungen der Wechsel-kursparität keine Souveränität besitzt. Es galt viele Jahre langdie These, Währungspolitik sei Außenpolitik und der Wech-selkurs deshalb ein Politikum. An Versuchen der Politiker,

Das Währungsproblem

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dies auch in Europa durchzusetzen, wird es nicht fehlen. Obsich in dem politischen Rahmen der stets hochgelobten welt-weiten Währungskoordination ein europäisches Stabilitätsbe-wußtsein herausbilden und durchsetzen wird, ist eine völligoffene Frage. Wir erinnern uns daran, mit wieviel Druck dieBundesrepublik auf dem Bonner Gipfel von 1978 und nocheinmal Mitte der achtziger Jahre zur geld- und fiskalpoliti-schen Expansion gedrängt wurde.

(ii) Der Zentralbankrat befand sich meist im Einklang mit der öf-fentlichen und der veröffentlichten Meinung. Ohne den Er-fahrungshintergrund von zwei großen Inflationen im Gefolgevon zwei großen Kriegen hätte sich eine relativ harte Geld-politik kaum durchhalten lassen.

(iii) Die Tradition relativer Geldwertstabilität in der Bundesrepu-blik hat die Bürger in ihrem Spar- und Anlageverhalten so be-einflußt, daß sie viel Geldvermögen halten und deshalbgegenüber Geldwertschwund sensibel und intolerant sind.

(iv) In anderen Ländern ist Inflation populärer. Die Besteuerungder Geldbestände - durch Geldvermehrung zugunsten desStaatshaushalts - ist unverzichtbar, wo eine großdimensio-nierte Schattenwirtschaft zur Finanzierung der Staatsausga-ben herangezogen werden muß. Angesichts großerUnterschiede im Umfang der Schattenwirtschaft wird dasEuropa der EG wohl noch einige Zeit brauchen, ehe es sichzu einem optimalen Währungsraum entwickelt hat.

Meine Position hat sich in den letzten 15 Jahren kaum geändert. Sieist festgeschrieben in einem Exposé, das ich 1975 als Mitglied derEG-Studiengruppe “Wirtschafts- und Währungsunion 1980” verfaßthabe (Giersch, 1975). Das Exposé trägt den Titel “The Case for aEuropean Parallel Currency”. Das Europa-Geld, so heißt es darin,kann eine bestehende Währung sein oder eine neue Geldeinheit, dieim Wettbewerb zu den bestehenden Währungen lanciert wird. Unter

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den möglichen Definitionen für die Währungseinheit befindet sich dieAnregung, eine Korb-Währung zu wählen, die an die stärkste Wäh-rung gekoppelt ist. Jede Abwertung einer Währung wäre zu kompen-sieren durch eine entsprechende Vermehrung der Einheiten dieserWährung im Korb; und die stärkste Währung dürfe niemals abwer-ten. Dies ähnelt dem Vorschlag, den vor kurzem die britische Regie-rung für einen harten ECU als Parallelwährung gemacht hat. Nochbesser erscheint mir heute wie damals der Gedanke, den parallelenECU so zu definieren, daß die Anzahl der Einheiten, mit der jede na-tionale Währung im Korb vertreten ist, automatisch um 5 Prozenterhöht wird, sobald der Index der Verbraucherpreise in diesem Landum 5 Prozent gestiegen ist. Der parallele ECU wäre damit praktischwertstabil, de facto indexiert.

Sollte es im Vollzug des Delors-Planes zu einer europäischen Ein-heitswährung als Monopolwährung kommen, so müßten, zumindestzur Kontrolle, wertgesicherte Anleihen nach der eben vorgestelltenFormel zulässig sein. Ja, es sollten solche wertgesicherten Anleihensogar von Staats wegen angeboten werden, damit die Bürger eineAlternative zu weicheren ECU-Anleihen haben. Die Differenz derNominalzinsen würde zum Ausdruck bringen, wie der Markt diePolitik der Eurofed einschätzt. Ich wünsche den Mitgliedern deseuropäischen Zentralbankrates exorbitante Gehälter, wenn ihnenzum Ausgleich dafür die fristlose Entlassung droht, sobald dieInflationsfurcht, gemessen an der Zinsdifferenz, eine bestimmteMarge übertrifft, eine bestimmte Schwelle überschreitet. Dannwäre der Zentralbankrat zwar unabhängig von politischem Druck,aber vollverantwortlich gegenüber denen, die das europastaatlicheGeld halten müssen (oder auch nur wollen).

Der wichtigste Unterschied zwischen einer Monopolwährung undeiner Parallelwährung besteht in folgenden Punkten:

(i) Die Parallelwährung gibt den Bürgern Optionen; sie unter-wirft die Währungsbehörden der Kontrolle des Marktes.

Das Währungsproblem

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(ii) Solche Optionen bedeuten Wettbewerb; sie geben der vertrau-enswürdigsten Währung die Chance, sich bei den Bürgern, fürdie die Veranstaltung Wirtschaft da ist, als Wertaufbewah-rungsmittel, Recheneinheit und Zahlungsmittel durchzusetzen,und sie zwingen die weniger harten Währungen dazu, sich imWettbewerb zu härten, also stabiler zu werden, das heißt, diemit ihnen verbundene Inflationssteuer zu senken.

(iii) Eine Parallelwährung, die härter ist als die nationalstaatlichenWährungen, wird als Zahlungsmittel und Recheneinheitebenso Boden gewinnen wie als Wertaufbewahrungsmittel,aber es werden die Teilnehmer am Wirtschaftsbetrieb dar-über entscheiden, wie groß der Währungsraum ist, der alsoptimal gelten kann.

(iv) Gewiß wird die Schattenwirtschaft sich sehr schnell der In-flationssteuer entziehen, also die wertstabile Währung bevor-zugen. Aber von der Inflationssteuer käme sie auch frei,wenn europastaatliches Geld als Monopolgeld eingeführtwürde und wirklich stabil wäre.

(v) Es gibt den Einwand, daß sich mit einer europastaatlichenMonopolwährung die Geldmenge genauer steuern ließe alsim Falle einer Parallelwährung, die ihre Stellung im Wettbe-werb dem Versprechen indexgesicherter Wertstabilität ver-dankt. Doch ist dieser Einwand von Gewicht allenfalls dann,wenn man mit Hilfe der Geldmengensteuerung oder derGeldpolitik allgemein eine antizyklische Konjunkturpolitiktreiben will. Ein solches Ziel impliziert, daß die Konjunktur-schwankungen ihre Ursache ausschließlich im realen Sektorhaben, also nicht selbst von der Unstetigkeit der Geldpolitikverursacht sind. Und es impliziert außerdem, daß die Geld-politik in der Lage ist, real bedingte Schwankungen zu glät-ten. Im Gegensatz dazu gibt es Evidenz für die Vermutung,daß die Geldpolitik beim Feinsteuern eher Zyklen produziertals glättet. Der lange Aufschwung nach der Stabilisierungs-

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krise der achtziger Jahre, in denen keine antizyklische Geld-politik betrieben wurde, spricht für eine konjunkturpolitischeAbstinenz der Geldpolitik und für das Wahren der Geldwert-stabilität als einziges Ziel. Mehr Kontrolle wäre vom Übel.

(vi) Die Aufgabe der Geldpolitik bei Existenz einer Parallelwäh-rung besteht ausschließlich darin, das Geld wertstabil zu hal-ten. Wenn die Bürger die Parallelwährung begehren, müssensie nationale Währung hingeben. Dieser Vorgang der Substi-tution - zu freien Kursen - darf natürlich nicht durch Expansi-on der Menge des nationalen Geldes kompensiert werden, essei denn die nationale Zentralbank legt es darauf an, ihreWährung beschleunigt dem Wertverfall und der Repudiationpreiszugeben - zugunsten der wertstabilen Europawährung.

(vii) Die Idee der Parallelwährung hat im politischen Bereich kei-ne sehr großen Chancen; denn auch hier wird von denAnbietern das Monopol oder Kartell dem Wettbewerb vor-gezogen. Umso wichtiger ist es, daß die Währungsfragedurch Diskussion offen gehalten wird.

III. M ITTEL- UND OSTEUROPA IM ÜBERGANG

War 1990 das Jahr der deutschen Einheit, so scheint 1991 dasJahr der west-östlichen Krise zu werden - bezogen auf die wirt-schaftlichen Verhältnisse in Deutschland und vielleicht auch imgesamteuropäischen Rahmen. Gemessen an der populären An-sicht, innerhalb einer politischen Einheit müßten die Lebensum-stände einigermaßen gleich oder zumindest gleichartig sein,offenbart die wirtschaftliche Wirklichkeit ein großes Manko. DieUnterschiede sind 1991 in der Tat dramatisch.

– Während Westeuropa auf das Projekt 1992 zustrebt, also aufdie Vollendung des EG-Binnenmarktes, fällt im Osten desKontinents das Geflecht der Handelsbeziehungen in ein Nichts

Mittel- und Osteuropa im Übergang

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zusammen. Bedeutet Handel, daß man sich gegenseitig Arbeitgibt, so muß der Zusammenbruch eines Handelssystems um-gekehrt darauf hinauslaufen, daß man sich gegenseitig produk-tive Arbeitsmöglichkeiten und Einkommen nimmt.

– Während Westeuropa trotz temporärer Abschwächungsten-denzen nach wie vor eine robuste Konjunktur erwarten läßt,wandeln sich im Osten die hoffnungsvollen Erwartungen, diemit der Wende verknüpft wurden, in Gefühle der Enttäuschungund möglicherweise der Ausweglosigkeit.

– Aus dem Gefühl, ausweglos auf der Verliererseite zu sein,kann Haß werden. Vergrößert wird die Kluft im Denken undHandeln durch Hochmut und Besserwisserei auf westlicherSeite. Diese Gefahr ist am größten innerhalb Deutschlands,wo 1990 soviel von Einheit, Einigkeit und Einheitlichkeit dieRede war, wo das Zusammenwachsen des Zusammengehöri-gen vorhergesagt wurde und wo man das Teilen des Gemein-samen euphorisch als Ziel gepriesen hat.

Was kann geschehen? Beginnen wir mit dem west-östlichen Dra-ma in Deutschland.

Wirtschaftswissenschaftler haben nicht versäumt, auf die Gefah-ren hinzuweisen. Ganz plastisch formulierte es Christian Watrin,der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundes-wirtschaftsministerium; er sprach für viele auch außerhalb diesesGremiums, als er sagte, die deutsch-deutsche Wirtschaftsintegra-tion werde so schwierig sein wie das Besteigen der Eiger-Nord-wand im Winter. Dieser Winter war 1990/91 kälter, als manerwartet hatte, und es zeigten sich schon zu Beginn des Anstiegsmehr Hindernisse - und größere - als man vorher mit bloßemAuge zu erkennen vermocht hatte.

Es gibt eine Reihe von Problemfeldern, die miteinander verbun-den sind.

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(i) Die Unternehmen in Ostdeutschland verloren, als mit derWährungsunion die Westwaren frei ins Land kamen, ihrenheimischen Markt.

(ii) Durch den Zusammenbruch des RGW erlitten sie große Ein-bußen auch auf ihren traditionellen Absatzwegen im Ausland.

(iii) Sie konnten das Manko an Produktqualität nicht durch ent-sprechende Preiszugeständnisse überspielen; denn es stiegder Außenwert ihrer Arbeitskosten in dramatischer Weise:mit der Umstellung von Ostmark auf D-Mark auf etwa dasVierfache (Schmieding, 1991) und durch nachfolgende Loh-nerhöhungen um weitere dreißig Prozent.

(iv) Der Zustrom von zukunftsorientierten Ressourcen aus demWesten ließ auf sich warten, also der Zustrom von privatemInvestitionskapital und von technischem Wissen für Prozeß-und Produktinnovationen, bedingt durch die Kostenverhältnis-se und durch administrative Hemmnisse bei der Klärung derEigentumsverhältnisse und im Prozeß der Privatisierung.

(v) Hinzu kommen als Investitionshemmnisse die Unzulänglichkei-ten in der Infrastruktur, vor allem im Telekommunikations- undVerkehrswesen, im Bereich der öffentlichen Verwaltung undder Rechtsprechung, im Angebot an baureifen Grundstückenund an Räumen für Gewerbe- und Wohnzwecke.

(vi) Die Lücke, die sich in Ostdeutschland zwischen Anspruchund Leistung, Lohn und Produktivität, Import und Export öff-nete, ließ sich nur durch öffentliche Transfers aus West-deutschland decken. Es handelt sich im wesentlichen um“Solidaritätsbeiträge”. Sie sind nicht kostenlos. Auf der Ge-berseite beeinträchtigen sie (vor allem durch höhere Steuernauf die Leistungseinkommen) die Wirtschaftskraft der altenBundesländer; und auf der Empfängerseite können sie - statt

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als Hilfe zur Selbsthilfe - als politischer Rechtsanspruch nachdem Gleichheitsgrundsatz interpretiert werden, also als Er-satz für eigene Anstrengungen.

An Warnungen - auch konkreter Art - hat es nicht gefehlt. Soschrieb der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamt-wirtschaftlichen Entwicklung am 9. Februar 1990 an den Bundes-kanzler, “daß die Einführung der D-Mark bei den Bürgern derDDR die Illusion erwecken muß, mit der Währungsunion sei auchder Anschluß an den Lebensstandard der Bundesrepublik herge-stellt”. “Die einheitliche Währung wird den Abstand der Einkom-men schlagartig verdeutlichen.” “Der Druck auf dieBundesrepublik würde anwachsen, den Abstand der Einkommen(Löhne und Renten) durch einen Finanzausgleich” zugunsten derDDR zu verringern. Riesige Belastungen kämen auf die öffentli-chen Haushalte zu. Es wären nicht nur erhebliche Steuererhöhun-gen unvermeidlich; es würden vielmehr auch öffentliche Mittel inTransfers für konsumtive Verwendungen gebunden, die bei derFinanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruk-tur fehlen müßten.” (Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1990/1991, S. 306) Diese Warnung hat sich als richtig herausgestellt.Damit ist jedoch noch nicht gesagt, daß die Konsequenzen sämt-lich und allein der Währungsunion zuzurechnen sind. Mancheshätte sich möglicherweise trotz der Währungsunion vermeidenlassen. Wer in dieser Hinsicht skeptisch ist, muß ähnliche Folgenvon einer europäischen Währungsunion erwarten. Nicht alleszwar hätte man besser machen können, aber einiges doch. Kri-tisch war der abrupte Anstieg des Außenwerts der Arbeitskosten,der den Unternehmen am Standort Ostdeutschland die Chanceder Wettbewerbsfähigkeit nahm. Hätte man ihn vermeiden kön-nen - durch einen anderen Umstellungskurs und durch einewettbewerbsanaloge Einkommenspolitik? Wäre dies politischmöglich gewesen? Hierüber werden Historiker im nachhineinnoch viel zu diskutieren haben. Die ostdeutschen Schwierigkeitenhaben ihren Grund allerdings auch darin, daß die Märkte noch

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nicht richtig funktionieren. Dies betrifft vor allem den Arbeits-markt, wo es wegen fehlenden Privateigentums an dem sonst vor-handenen Widerstand der Arbeitgeber gemangelt hat.

Selbst unter den besten denkbaren Bedingungen, die man utopischnennen mag, wäre die plötzliche Hinwendung zu den westlichenMärkten mit einer Umstellungsarbeitslosigkeit verbunden gewe-sen. Ein freierer Arbeitsmarkt (bei Privateigentum) jedoch hätteden Rückgang der Beschäftigung gebremst, den Weg durch dieTalsohle verkürzt und den Anstieg zu einem früheren Zeitpunkt inAussicht gestellt. Gemeint ist ein Arbeitsmarkt, in dem Arbeitge-ber und Arbeitnehmer die Löhne individuell aushandeln und jederwissen muß, daß ein Zuviel bei den Löhnen mit einem Verlust anSubstanz und Arbeitsplätzen zu bezahlen ist. Man muß sich, undsei es nur aus pädagogischen Gründen, den flexiblen Lohnmecha-nismus, der auf einem freien Arbeitsmarkt herrscht, vor Augenhalten, um ermessen zu können, wer was an Fehlentwicklungenzu verantworten hat. Entscheidend als Meßlatte oder Norm fürLöhne und Arbeitsplatzsicherheit ist die Arbeitsproduktivität.Grundsätzlich gilt: Was eine Arbeitsstunde wert ist, entscheidetsich im Produktionsprozeß (Produktivität) und am Absatzmarkt(Wert des Produkts). Eine Arbeitskraft zu beschäftigen, die mehrkostet (Lohn und Lohnzusatzkosten), als sie einbringt (Wertpro-duktivität), kann sich auf die Dauer kein Privatunternehmen lei-sten. Der Substanzverzehr würde mit dem Vermögen auch denArbeitsplatz vernichten. Im Strukturwandel mag der Lohn, derden alten Arbeitsplatz sichert, vielerorts sehr niedrig sein. Dannwerden die betroffenen Arbeitnehmer zu besseren Arbeitsplätzenabwandern, dem Sog der Nachfrage in florierenden Bereichenfolgen. Oder sie werden - unter Rückgriff auf Ersparnisse oderstaatliche Hilfe - in den Wartestand treten, also die Arbeitslosig-keit wählen. Die Entscheidung wird maßgeblich bestimmt durchdie Höhe der Arbeitslosenunterstützung. Wenig Hilfe verlangt,daß das Suchen mit Eile betrieben wird; bei viel Hilfe kann mandie Arbeitsgelegenheiten auf sich zukommen lassen.

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Eine Arbeitslosigkeit, die mehr umfaßt als einen kurzen Aufent-halt im Wartesaal beim Umsteigen (Friktionsarbeitslosigkeit) unddeshalb gesamtwirtschaftlich eine hohe Arbeitslosenrate von -sagen wir - mehr als drei Prozent ergibt, sollte normalerweise beiden Arbeitgebern in den florierenden Bereichen die Erwartungnähren, daß sie die Löhne nicht wegen Arbeitskräftemangels er-höhen müssen. Arbeitslosigkeit als Lohnbremse begründet die Er-wartung, daß bestehende Unternehmen und neue Investoren dieChance erhalten, gute Gewinne zu erzielen, die sie dazu verwen-den können, zusätzliche Arbeitsplätze - für die Arbeitskräfte imWartestand - zu schaffen. Je größer die Arbeitslosigkeit ist, umsomehr Lohnmäßigung sollte es - auch bei kollektiven Tarifverhand-lungen - geben, und zwar in allen Bereichen, damit man allenthal-ben auf Gewinne beim Schaffen neuer Arbeitsplätze setzen kann.Wo sehr viel Umstellungsarbeitslosigkeit herrscht oder zu erwar-ten ist, läßt sich die Krise ohne ein generelles Maßhalten bei denTariflöhnen kaum bewältigen.

Polen hat sich - im Gegensatz zu Ostdeutschland - nicht gescheut,diese Lehre zu beherzigen. In Westdeutschland hatte sich LudwigErhard zu seiner Zeit veranlaßt gesehen, das Maßhalten bei denTariflöhnen zur Hauptepistel seiner Seelenmassage (moral suasion)zu machen. Warum zwischen Bonn und Ostdeutschland 1991 eherlohnpolitische Funkstille herrscht und es kaum eine aufklärende öf-fentliche Diskussion gibt, werden künftige Historiker herausfindenund bewerten (müssen). Ein tieferer Grund liegt vermutlich imPostulat der Einheitlichkeit, das die Politiker so oft beschworen ha-ben; ein anderer mag darin liegen, daß große Organisationen wiedie der Gewerkschaften und der Arbeitgeber auf Einheitlichkeitbedacht sein müssen, weil sie zu schwerfällig sind, um unterschied-liche Marktgegebenheiten ausreichend berücksichtigen zu können.So erstreben Gewerkschaften das, was sie eine “Tarifunion” nen-nen, offenbar also einheitliche Löhne im Raum. Die Bundesregie-rung spricht in ihrem Jahreswirtschaftsbericht 1991 vage von einer“gemeinsamen Anstrengung von Bund, Ländern, Gemeinden,

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Tarifparteien, Verbänden und aller gesellschaftlichen Gruppen”. Esgelte, “den angestrebten schnellen Beschäftigungsaufbau tarifpoli-tisch so zu flankieren, daß die Arbeitnehmer ... wie auch die Unter-nehmer für sich klare Perspektiven erkennen können”. Deutlicherwird die Bundesregierung später (Ziffer 34), wenn sie sagt, es dür-fe “nicht übersehen werden, daß Wachstum und Beschäftigung inden neuen Bundesländern in hohem Maße gefährdet wären, wenndie Lohnentwicklung zu schnell und zu pauschal voranschreitenwürde”. Eingeleitet wird diese Warnung mit der einschränkendenBemerkung “Obgleich eine schrittweise Angleichung der Lebens-verhältnisse an die der alten Bundesländer notwendig und er-wünscht ist...” Wieso “obgleich”? Weil!

Je mehr Hilfe von Staats wegen durch Finanztransfers versprochenwird, umso weniger Verantwortung für Beschäftigung und Wett-bewerbsfähigkeit fällt auf den einzelnen Arbeitnehmer oder - beikollektiven Lohnverhandlungen - auf die Tarifvertragsparteien. Esist daher verständlich, daß in der öffentlichen Diskussion, soweit sievon Funktionsträgern beherrscht wird, das Postulat einer beschäfti-gungskonformen Lohnpolitik schnell tabuisiert wurde. Das Gebietder ehemaligen DDR dürfe kein “Billiglohnland” sein, sagten dieGewerkschaftsfunktionäre. Und von Arbeitgeberseite hörte man,kein Unternehmen werde wegen temporärer Lohnunterschiede inOstdeutschland investieren. So wurde der “Schwarze Peter” demFiskus und den Politikern zugespielt, das Beschäftigungsrisiko so-zialisiert. Im Wettbewerb um die Wähler in den neuen Bundeslän-dern zeigten die politischen Parteien sehr viel Nachsicht undfinanzielle Hilfsbereitschaft. Milliarden und Abermilliarden wurdenin die Diskussion geworfen. Die eine Seite glaubte, sie könne ihreZusagen ohne Steuererhöhungen finanzieren, die andere war vonvornherein darauf bedacht, sich mit höheren Steuern für “Besser-verdienende” bei ihren Wählern zu empfehlen. So konnten dieTarifvertragsparteien ihre beschäftigungspolitische Verantwortungziemlich leicht auf den Staat abwälzen.

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Am 1. März 1991 kam es zwischen der IG Metall und dem Arbeit-geberverband Nordmetall zu einem Tarifabschluß mit Pilotcharak-ter: Innerhalb von drei Jahren wird in Mecklenburg-Vorpommernder Tariflohn auf 100 Prozent des westdeutschen Niveaus steigen.Auch wenn bei einigen Komponenten etwas längere Angleich-fristen vorgesehen sind, ist dies eine verhängnisvolle Festlegung.Sie birgt, wenn sie verallgemeinert wird, die Gefahr, daß weite Tei-le Ostdeutschlands für den Rest dieses Jahrhunderts dazu verurteiltsind, eine Notstandsregion zu bleiben, es sei denn es geschieht einProduktivitätswunder. Gemeint ist ein wundersamer Anstieg derArbeitsproduktivität auf mehr als das Doppelte in weniger als zehnJahren.

Ein spontanes Wirtschaftswunder, wie es sich nach 1948 in West-deutschland ereignete, wird sich in Ostdeutschland nicht wieder-holen. Es wird ausbleiben, vorerst jedenfalls,

– weil es dieses Wunder schon einmal gegeben hat, man es da-her erwartet und diese Erwartung die Eintrittschance zerstört,zum Beispiel durch die Lohnpolitik;

– weil ein Nachhinken der Löhne hinter dem Produktivitätsfort-schritt, wie es für ein Investitionswunder nötig ist, in Ost-deutschland auch unmöglich gemacht wird durch diemarktwidrige und zentralistische Vorstellung, es müßten dieVerhältnisse innerhalb eines Landes, auch eines großräumi-gen, einheitlich, vergleichbar oder zumindest kurzfristig an-gleichbar sein;

– weil eine massive Hilfe von außen (“die Teilung durch Teilenüberwinden”) im Nebeneffekt Hilfsbedürftigkeit und Selbst-mitleid erzeugt, die Selbstheilungskräfte erlahmen läßt und ei-ner Subventionsmentalität Vorschub leistet;

– weil es - anders als 1948 - in Ostdeutschland keinen Aktivitäts-stau gibt, stattdessen ein Defizit an Unternehmungsgeist; weilnach zwei Generationen Sozialismus jenseits der Elbe das Pri-

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vateigentum an Boden, Sachkapital und Wohnungen nicht aufbreiter Front etabliert ist;

– weil das westdeutsche Rechts- und Regulierungssystem inOstdeutschland vorerst nicht effizient praktiziert werden kann;

– weil die Mängel im Kommunikations- und Verkehrssystem zugroß sind, als daß sie sich in wenigen Jahren beheben ließen;

– weil eine rasche Qualifizierung der Arbeitskräfte auf Motivati-onsschwäche wie auf Engpässe an Schulungskapazität stößt;

– weil der Wiederaufbau in Ostdeutschland durch den Zusam-menbruch des Osthandels zumindest vorübergehend er-schwert wird, bis sich in Ost-Mitteleuropa ein neues Systemdes privaten multilateralen Handels herausgebildet hat;

– weil Ostdeutschland als Brücke zum Osten seine Handelschan-cen erst voll nutzen kann, wenn Ost-Mitteleuropa aufgeblüht ist,im Kontrast zu der westdeutschen Prosperität nach 1948, diesich im Zuge eines Prozesses der Handelsliberalisierung in We-steuropa und im transatlantischen Raum entfalten konnte.

Die tarifpolitische Vereinbarung, die die Löhne und Arbeitsbedin-gungen in den neuen Bundesländern in drei Jahren auf West-niveau bringt, gibt den Unternehmen, wie wohlwollend gesagtwurde, eine sichere Kalkulationsgrundlage für ihre Investitions-vorhaben. Dies ist nicht zu bestreiten. Aber für viele potentielleInvestoren wird die Kalkulation auf dieser Basis mit Sicherheit er-geben, daß sich das Vorhaben nicht rechnet. So darf man sichnicht wundern, daß der Strom der Investitionen weit hinter den Er-wartungen zurückbleibt.

Nun kann der Investor zum Ausgleich hohe Zuschüsse zu den In-vestitionskosten erwarten, auch steuerliche Vorteile, die wie solcheZuschüsse wirken. Doch werden dadurch Investitionen begünstigt,die sehr kapitalintensiv sind, also viel Kapital mit wenig Arbeit kom-

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binieren, zum Beispiel Bürohäuser oder Werkhallen, in denen vieleRoboter und wenig Arbeitskräfte tätig sind. Die Arbeitslosigkeitwird damit zu einer Dauererscheinung. Man mag sie, etwas un-scharf, “Technologische Arbeitslosigkeit” nennen, aber sie ist lohn-bedingt. Den Arbeitslosen bleibt die Wahl zwischen Abwandernund Pendeln. Im Westen zu arbeiten und in Ostdeutschland zu woh-nen, ist für sie reizvoll deshalb, weil das Wohnen wegen der niedri-gen Bodenpreise im Osten sehr viel billiger bleiben wird.

Dies führt zu einem Punkt von grundsätzlicher Bedeutung. ImDenkmodell nehmen die Bodenpreise und die Kosten des Wohnensvon den Zentren zu den jeweiligen Randgebieten hin so ab, daß sichdie Vorteile der zentralen Lage und die Nachteile der Entfernungvon den Ballungszentren voll im Gefälle der Bodenpreise nieder-schlagen. Wäre das Gefälle zu gering, würden mehr Leute von derPeripherie zum Zentrum drängen und so das Gefälle verstärken.Dies gilt zumindest für die Wohnstätten. Ähnliches ist für die Ar-beitsstätten zu erwarten. Doch für sie zählen nicht nur die Boden-preise, sondern auch die Löhne. Die Löhne werden nominal ähnlichwie die Bodenpreise - unter dem Druck der Marktkräfte vom Zen-trum zum Rand hin sinken, und zwar schon deshalb, weil die Kostendes Wohnens abnehmen. Werden die Löhne jedoch - entgegen denMarktkräften - nominal gleich hoch fixiert, so verlieren die Arbeits-stätten zum Rand hin einen Teil ihrer Wettbewerbsfähigkeit. MehrArbeitsstätten drängen ins Zentrum, als es sonst der Fall wäre, undmehr Wohnstätten verlagern sich vom Zentrum hin zum Rand. DasErgebnis ist ein Zuviel an Arbeitsstätten in den Ballungsgebieten,eine Verödung der Zentren als Wohnorte, eine Verlängerung derDistanz zwischen Wohn- und Arbeitsort, ein übermäßiger Berufs-verkehr durch das Pendeln, und eine Überlastung vor allem derStraßen zu den Stoßzeiten. In der Wirklichkeit gibt es außer denLöhnen gewiß noch andere Faktoren, die auf eine übermäßige Bal-lung hinwirken und zur Neutralisierung eine aufwendige Regional-politik erheischen. Will man das Manko an Lohndifferenzierunggezielt neutralisieren, muß man aus allgemeinen Steuermitteln

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Lohnsubventionen zahlen. Sie müßten, streng genommen, ebenfallsräumlich differenziert sein.

Notorisch ist die Ballung durch mangelnde Lohndifferenzierung imFalle Frankreichs. Viel Aufwand muß die Regionalpolitik dort trei-ben, um andere Räume in Konkurrenz zu Paris attraktiv zu ma-chen. Und wenn Nordengland und Süditalien eine sehr viel höhereArbeitslosigkeit aufweisen als Südengland bzw. Norditalien, soliegt dies nicht zuletzt daran, daß es weniger Lohndifferenzierunggibt, als für ein Aufholen der peripheren Regionen gegenüber denZentren (London und Norditalien) erforderlich wäre. In Westeu-ropa (EG) weckt die Forderung nach einer Normierung derSozialbedingungen (“Soziale Dimension”), die vor allem von denGewerkschaften in den zentral gelegenen reichen Ländern erho-ben wird (“kein Sozialdumping”), die begründete Furcht, daß esnach 1992 weniger zu einem Investitionsstrom vom Zentrum zurPeripherie kommen wird als zu einer verstärkten Wanderung vonArbeitskräften in die alten Ballungszentren von London bis Mai-land. Das Kapital bleibt dann dort, wo es gebildet wird und woihm die Verhältnisse vertraut sind; und die Arbeitslosen in denrückständigen Regionen wandern dorthin, wo sie Arbeitsplätze zufinden hoffen, auch wenn viele dabei entwurzelt werden und man-che in Notunterkünften am Rande der zentralen Städte kampierenmüssen. Eine lohnpolitische Meßlatte für Ostdeutschland, die bei100 Prozent der Westlöhne liegt, erhöht in dramatischer Weise dieGefahr, daß es dort nicht zu einem schnellen Aufholprozeßkommt, sondern zu einem verhängnisvollen Zirkel der passivenSanierung, vor allem in strukturschwachen Regionen wie Meck-lenburg-Vorpommern.

Eine periphere Region, die aufholen will oder soll, muß das Kunst-stück fertigbringen, Investitionen in Sach- und Humankapitalaußerordentlich ertragreich erscheinen zu lassen. Was das Sach-kapital anlangt, so bedarf es dazu, wie schon angedeutet, einer Ent-fernungsstaffel für das Niveau der Nominallöhne, die den Nachteil

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der höheren Transportkosten so überkompensiert, daß die Investo-ren trotz der peripheren Lage mit einer höheren Rendite rechnenkönnen. Dies ist leichter hingeschrieben als realisierbar. Auch vonkompetenter Seite hört man vielfach das Argument, keinem Unter-nehmer sei zu raten, in Ostdeutschland im Blick auf niedrige Ar-beitskosten zu investieren. Dies kann dreierlei besagen.

– Entweder wird nahegelegt, den marktwirtschaftlichen Aus-gleichsprozeß zu antizipieren: Sollten viele dem Lockruf einerhöheren Investitionsrentabilität in Ostdeutschland folgen, sosteigen die Arbeitskosten dort im Zuge einer positiven Wirt-schaftsentwicklung auf ein Niveau, das nur noch normale Ge-winne erwarten läßt. Dieses Antizipieren entspräche derExistenz eines Investitionskartells, das sich so verhält, als gäbees außer ihm keinen Investor, mit dem man um die Wette lau-fen müßte.

– Oder man rechnet mit dem Wirken des Arbeitsmarktkartells:Die Organisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmerwerden schon, um das besagte “Sozialdumping” zu verhindern,für eine vorauseilende Lohnangleichung sorgen. Die Hasenverzichten auf den Wettlauf, weil sie damit rechnen, daß dieIgel schon am Ziel sind.

– Oder man erwartet, daß der Staat den Marktkräften zuvor-kommen und Investitionszuschüsse gewähren wird. Schon dasvorauseilende Gerede über Förderungsmöglichkeiten undFörderungsnotwendigkeiten kann die Marktkräfte zum Atten-tismus verleiten.

Um Humankapital anzulocken oder auch nur am Abwandern zuhindern, muß man sich zum Prinzip der knappheitsbedingten Un-gleichheit durchringen. Gemeint sind hohe Prämien für Kräfte, dieüber zukunftsträchtige Fähigkeiten verfügen: Facharbeiter, Techni-ker, Marktkenner, Manager und echte Unternehmer. Sie müssen,sollen sie kommen oder auch nur bleiben, entschädigt werden für

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das, was sie vermutlich stark vermissen werden, zum Beispiel fürdas Fehlen einer sozialen Atmosphäre, an der sie sonst teilhabenwürden, möglicherweise auch für das Weniger an Chancen einesraschen Aufstiegs. Diese Kräfte, die besonders mobil sind, aberselbst einen Standortfaktor darstellen, müssen, soll der Aufholpro-zeß gelingen, im Osten hoch bezahlt werden, vielleicht sogar besserals im Westen. Da die Meßlatte für den Durchschnitt der Löhne imOsten der Bundesrepublik wegen des niedrigen Niveaus der Pro-duktivität deutlich unter 100 Prozent des Westniveaus liegen muß,kann die Prämie für die Spitzenkräfte nur dadurch aufgebrachtwerden, daß die immobilen Arbeitnehmer, die im Westen mangelsQualifikation keine Arbeitsgelegenheiten finden würden, sich miteinem entsprechend niedrigeren Lohneinkommen begnügen. Fazit:In Regionen, die aufholen wollen, muß die Bevölkerung bereit sein,eine große Ungleichheit in der Streuung der Lohneinkommen zuertragen, damit die vertikale Lohnskala stärker gespreizt sein kann.Wenn später der Aufholprozeß gelungen ist, kann man sich mehrGleichheit leisten. Wie aber soll eine Bevölkerung, die mit demGleichheitsdenken ideologisch groß geworden ist, dieses einsehenund gar bejahen? Man kann es den Menschen vielleicht am ehestenplausibel machen, wenn man daran erinnert, daß der Aufholprozeßmit Kapitalbildung einhergeht und daß die vertikalen Einkommens-unterschiede, auf die es hier ankommt, nichts anderes darstellen alseine Prämie für den Einsatz und für den Erwerb von Humankapital.Für Organisationen wie die Arbeitsmarktverbände ist das Spreizender vertikalen Lohnskala wahrscheinlich kaum tolerierbar. Es kannsich nur im Marktgeschehen ergeben. Dies verlangt, daß die tarifli-chen Löhne niedrig genug sind für eine stark differenzierte Lohn-drift, die sich - bei tariflichen Mindestlöhnen - ja nur nach obenentfalten kann.

Tarifliche Mindestlöhne sind weniger schädlich, wenn sie unterlau-fen werden können, z.B. von Unternehmen, die dem Arbeitgeber-verband nicht angehören, im Verhältnis zu Arbeitnehmern, die nichtgewerkschaftlich organisiert sein wollen. Ein solches Unterlaufen

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zu verhindern, und zwar im Interesse der “Insider”, ist der Zweckvon Allgemeinverbindlichkeitserklärungen: Die zuständigen staatli-chen Stellen können erklären, daß der Tarifvertrag für die Brancheund das Vertragsgebiet allgemein Geltung besitzt, so als handle essich um eine gesetzliche Regelung. Solche Erklärungen nehmenden Außenseitern, darunter vor allem neuen Unternehmen und ar-beitswilligen Arbeitslosen, die noch nicht so produktiv sind wie die“Insider”, die Chance des Einstiegs und Aufstiegs. Die Regierun-gen der neuen Bundesländer sollten deshalb von vornherein undverbindlich feststellen, daß es während des Aufholprozesses, alsoeines Zeitraumes, der mindestens zehn Jahre umfassen dürfte,Allgemeinverbindlichkeitserklärungen nicht geben werde.

Die Lohnpolitik läuft aus dem Ruder, wenn es auf der Seite derArbeitgeber keinen Widerstand gibt, keine Kräfte, die schon des-halb gegenhalten müssen, weil sie mit dem Rücken an der Wandstehen. Schwach sind Arbeitgeber, die mit Subventionen rechnenkönnen oder keine Sorge haben müssen, daß sie für Substanzverlu-ste in einer für sie fühlbaren Form einstehen müssen. Nicht zuletztaus diesem Grunde ist - neben der Begrenzung der Subventionen -eine rasche Privatisierung vonnöten. Sie erst verspricht wirksamenSchutz gegen einen lohnbedingten Substanzverzehr.

Die Vorstellung, vor dem Privatisieren käme das Sanieren, ist ent-weder rückwärtig gewandt oder entspricht - mit Blick auf die Zu-kunft - einem Plädoyer für die Fortsetzung des Kollektivismus imOsten auf Kosten des Steuerzahlers im Westen Deutschlands.Denn nur der neue Eigentümer kann - aufgrund seiner Marktper-spektive - in nüchterner Einschätzung der Risiken und Chancen be-urteilen, was für welche Produktpalette sanierungsfähig ist und wasdefinitiv als obsolet abgeschrieben werden muß. Und die Beamteneiner Treuhandanstalt sind kaum in der Lage, sich den hinhaltendenWünschen örtlicher und regionaler Politiker oder dem Druck derStraße zu widersetzen. Sie können nicht umstrukturieren, sondernim wesentlichen nur erhalten. Die Forderung, erst solle man sanie-

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ren, läuft auf Dauersubventionen für das Bestehende hinaus. Anein Erweitern florierender Unternehmen ist unter der Obhut derTreuhandanstalt kaum zu denken. Und wie soll es zum Einsatz neu-en Produkt- und Marktwissens kommen, wenn ohne Eigentümer-wechsel personell so ziemlich alles beim alten bleibt?

Man weiß, wie schwer sich Beamte tun, wenn sie unter Recht-fertigungszwang geraten. Deshalb ist bei der Privatisierung einsauberes Verfahren, das einen schnellen Eigentumsübergang ge-stattet, wichtiger als ein zeitraubender Verkauf zu einem mög-lichst hohen Preis. Unter diesem Gesichtspunkt empfiehlt sich fürdie Privatisierung ein offenes Bietverfahren, in das innerhalb ei-ner Frist auch noch Außenseiter einsteigen können, die einen zuniedrigen Preis nach oben treiben.

Doch zuvor muß die Treuhandanstalt voll als Veräußerer legitimiertsein. Dies ist erst erreicht, wenn eine Rückübergabe an frühereEigentümer ausgeschlossen werden kann. Der Einigungsvertragstellt (in Artikel 4, Absatz 1 in Verbindung mit Anlage III) sicher,daß die Rückgabe Vorrang hat. Weil die Kompensation unsicher istund ja auch erst gewährt werden kann, wenn die Berechtigung dazufeststeht, gibt es unzählige Restitutionsansprüche. Fast alles hat jairgendwann jemandem gehört. Unklarheiten über die tatsächlichenEigentumsverhältnisse blockieren den Weg zu einer raschen Priva-tisierung. Auch langfristige Miet- und Pachtverträge kommen nurzustande, wenn die Rückerstattungsberechtigten zustimmen. Dieshemmt nicht zuletzt die Bereitstellung von Gewerbeflächen füransiedlungswillige Unternehmen und den Ausbau der Verkehrsin-frastruktur. Zur Beschleunigung hat der Gesetzgeber das Entschä-digungsprinzip eingeführt: An Investoren, die bereit sind,Arbeitsplätze zu schaffen, darf veräußert werden, aber es müssendie Rückgabeberechtigten entschädigt werden, zum Beispiel mitdem Preis, den der Erwerber bezahlt hat.

Es geht bei der Privatisierung auch um das Eigentum an Wohnun-gen. Der Wohnungsbestand müßte schnell privatisiert werden, da-

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mit seine Sanierung auch durch Eigeninitiative möglich wird. Im-merhin zählt das Angebot an hochwertigen Wohnungen zu denwichtigsten Standortfaktoren in einer Situation, in der Gefahr be-steht, daß die Tüchtigen und die Qualifizierten ihre Zukunft imWesten suchen.

Westdeutschland ist, nicht zuletzt durch die relativ niedrige Gebur-tenrate und dank seiner günstigen Lage in Europa, dazu verurteilt,ein Einwanderungsland zu sein. Eine Ost-West-Migration inner-halb Deutschlands paßt zu dieser Vorstellung. Dieser Umstandstützt die Vermutung, daß sich die Frage Aufholen oder Abwan-derung, aktive oder passive Sanierung, sehr scharf stellen wird -wie auf des Messers Schneide. Eng damit zusammen hängt dieFrage des Sitzes der Bundesregierung. Die Entscheidung für Ber-lin könnte für den Wiederaufbau im Osten Deutschlands hilfreichsein. Aber sie kann sich auch als Fehlschlag erweisen, sollte dasBeitrittsgebiet mit dieser Hilfe nicht bald prosperieren, sondernsich in einem verhängnisvollen Zirkel der passiven Sanierung dazuverurteilen, ein Notstandsgebiet zu bleiben.

Das “Gemeinschaftswerk Aufschwung-Ost”, das die Bundesregie-rung im März 1991 beschlossen hat, soll die Entwicklung zum Bes-seren wenden, und zwar mit Finanzzuweisungen an die (fünf)Länder und Berlin sowie an die Kommunen, mit Investitionszulagenund Sonderabschreibungen für die Unternehmen, mit Mitteln zurFinanzierung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, mit zinsgünsti-gen Krediten und Regionalhilfen für Infrastrukturprojekte, mitExistenzgründungshilfen, etc. Es scheint kaum etwas zu geben, wasnicht Aussicht hat, irgendwie gefördert zu werden. Schon 1990 warzu hören, daß die bereitgestellten Mittel nur zum Teil abfliessen.Dies wird sich mit der Zeit ändern. Aber ob das finanzielle Fördernim Bereich der Verwaltung und der gewerblichen Produktionschnell viel bewegen wird, ist eine Frage, die für die kurze Periodewohl nur eine skeptische Antwort zuläßt: Es ist oft so, daß es erstnoch schlechter werden muß, bevor es besser werden kann. Im

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Fachjargon der Wirtschaftswissenschaftler ist dies bekannt als J-Kurven-Effekt. Man darf also nicht schon im ersten Halbjahr 1991mit einer Umkehr des Schrumpfungsprozesses rechnen. Ob sichdanach Unternehmensgeist regen oder Subventionsmentalität breitmachen wird, ist eine offene Frage. Was müßte geschehen, damitdas Positive bald die Oberhand gewinnt?

Die Antwort liegt in der zeitlichen Dimension. Man muß für dasFördern und Privatisieren - und so mittelbar für alles Umstellenund Modernisieren - Fristen festlegen, damit die Verantwortlichenbeim Planen Eile an den Tag legen, sich beim Pläneschmieden fe-ste Ziele setzen und im Vollzug möglichst um die Wette nach demErreichbaren streben. Sonst wird dem Aufschwung, der kommensoll, lange Zeit der Schwung fehlen, vergleichbar der Phase desAbwartens am Ende einer konjunkturellen Rezession. Als Teil-nehmer am Wettlauf kommen in Betracht: die Länder und Kom-munen im Standortwettbewerb um den Ausbau der Infrastruktur,die regionalen Instanzen der Treuhandanstalt in einem Privatisie-rungswettbewerb, die Industrie- und Handelskammern in einemWettbewerb um das Unternehmerpotential der Existenzgründer,die privatisierten Unternehmen im Wettlauf um die qualifiziertenArbeitskräfte, die Forschungseinrichtungen im Konkurrenzkampfum Drittmittel und interessante Forschungsaufträge.

Der stärkste Ansporneffekt ist zu erwarten, wenn nach Ablaufder Frist die Fördermittel verfallen und nicht regeneriert werdenoder - im Falle der Privatisierung - der direkte Verkauf durch einallgemeines Bietverfahren ersetzt wird. Am wenigsten wird zurEile angestachelt, wenn mit einer unverminderten Fortdauer derHilfe oder Aufgabe gerechnet werden kann, auch weil sich dieverantwortlichen politischen Instanzen als unglaubwürdig oder alspopulistisch erpreßbar erwiesen haben. Zwischen diesen beidenExtremen gibt es mittlere Lösungen. Eine besteht darin, daß dieHilfen und Erleichterungen von vornherein zeitlich so gestaffeltwerden, daß sie nach einer Reihe von Jahren praktisch ausgelau-fen sind. Geklotzt werden muß also am Anfang, wenn die Schub-

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kraft für den Take-off gebraucht wird; später, wenn sich der pri-vatwirtschaftliche Wettbewerb entfaltet hat, sollten Staat undBundesregierung ihre helfende Hand soweit zurücknehmen, daßsich der Eindruck, Ostdeutschland sei dazu verurteilt, für immerauf der Intensivstation zu bleiben, nicht verfestigt. Das Verkün-den dieser Strategie ist nicht ohne Risiko; es schließt ein, daß mandie Möglichkeit der passiven Sanierung ohne Scheu ins Auge faßt.Immerhin müssen die Politiker in jedem der neuen Bundesländerwissen, daß für sie Nachteiliges auf dem Spiele steht, wenn sieund die Bevölkerung, der sie Orientierung geben sollen, sich imAufholwettbewerb ungebührlich viel Zeit lassen. Doch besteht diegroße Gefahr, daß es im Gefolge krisenhafter Ereignisse und ent-täuschter Erwartungen zu Kurzschlußreaktionen kommt: Hoff-nungslosigkeit auch auf mittlere Sicht, Hilfsersuchen undHilfsversprechen für unabsehbare Zeiträume, Strukturpolitik stattWettbewerb der Standorte und der Unternehmen.

Es gibt die gespenstische Vorstellung, genährt durch die Erfahrun-gen mit der Einigung Italiens, es könne sehr leicht ganz Ost-deutschland zu einer Art Mezzogiorno werden. Nach Berechnun-gen von Boltho (1990) ist das Bruttosozialprodukt per Kopf imsüdlichen Teil Italiens nur wenig mehr als halb so hoch wie in dernördlichen Hälfte. Der Prozentsatz variiert zwischen 49 (1961)und 59 (1984). Nun läßt sich die Mezzogiorno-Schreckensvisionzwar nicht ganz ausschließen. Aber der Unterschied zu Italien istdoch deutlich in mehrfacher Hinsicht:

– Ostdeutschland liegt zentraler als Süditalien.

– Es hat mit dem wohlhabenden Teil der Republik eine längereGrenze, die zur gegenseitigen Penetration einlädt.

– Es besitzt in manchen Regionen eine industrielle Basis mit lan-ger Tradition.

– Es kann eine Brückenfunktion wahrnehmen, so zu Polen undder CSFR.

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Doch schließt dies nicht aus, daß einzelne strukturschwache Re-gionen in Ostdeutschland den Anschluß an die weltwirtschaftlicheEntwicklung verpassen. Selbst Länder wie Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben einen großen Bedarf an Strukturwan-del; sie müssen ihre Produktpalette erneuern und dabei viel von demnachholen, was es im Westen der Bundesrepublik seit Mitte dersechziger Jahre an Strukturwandel gegeben hat. Man denke an dieStahlindustrie, die Textil- und Bekleidungsindustrie, die optische In-dustrie und die Unterhaltungselektronik und - bei Mecklenburg-Vorpommern - an die Werften. Was man noch nicht einmal vor dereigenen Haustür absetzen kann, eignet sich wenig zum Erzielen vonEinkommen auf wettbewerbsintensiven Exportmärkten.

So gesehen braucht Ostdeutschland, um westliche Lohneinkom-men zu erwirtschaften, eine beinahe durchgängige Modernisie-rung seines gesamten Bestandes an gewerblichem Sachkapital.Hierin besteht einer der wichtigsten Unterschiede zur Lage West-deutschlands im Jahre 1948. Wenn die alten Betriebsstätten neu-en weichen müssen, so erscheint es zweckmäßig,

– möglichst schnell Grundstücke, vor allem außerhalb der Städ-te, für gewerbliche Zwecke verfügbar zu machen, damit mansie ausländischen wie inländischen Investoren zum Schaffenvon Arbeitsplätzen anbieten kann;

– Gewerbe- und Industrieparks in der Nähe günstiger Transport-wege anzulegen und diese Transportwege vordringlich auszu-bauen, sobald erste Ansiedlungserfolge in Aussicht stehen;

– den Neubau von Wohnungen vor allem in der Nähe der neuenIndustriezentren zu erleichtern.

Wahrscheinlich läßt sich das Angebot an altlastenfreien Grund-stücken am schnellsten auf Kosten landwirtschaftlich genutzterFlächen erweitern. Vielleicht läge hierin für die bisher wenig indu-strialisierten Landstriche im Norden Ostdeutschlands eine Chan-

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ce. Ob diese Chance real ist, muß sich im Ansiedlungswettbewerbzeigen.

Eigentlich müßte die Regionalpolitik in räumlicher Hinsicht so klot-zen, wie es für die Strukturpolitik allgemein in zeitlicher Hinsichtbeschrieben wurde. Die Schwierigkeit liegt nur darin, daß dieRegionalpolitik zusätzlich zu dem zeitlichen noch ein räumlichesDatum setzen muß: zu dem “Jetzt” kommt das “Hier”. Eine re-gionalpolitische Instanz muß, wenn sie nicht große Infrastruktu-rinvestitionen in den Sand setzen will, vorausahnen, was der Marktwollen wird. Es gibt Möglichkeiten, den Markt zu testen, ohne daßfinanziell viel aufs Spiel gesetzt werden muß. Beispiele sind An-siedlungserleichterungen, die die Form von Regulierungsausnah-men haben: Freihäfen, Zonen freier Wirtschaftsaktivität, Arbeits-förderungszonen, in denen keine Tarifverträge für allgemeinver-bindlich erklärt werden. Immerhin war das Privileg der Gewerbe-freiheit früher ein probates Mittel der Wirtschaftspolitik imIndustrialisierungsprozeß, nicht zuletzt in Preußen und Sachsen.Gerade die Länder im Osten, in denen sich soviel im Umbruch be-findet, sollten die Chance erhalten, sich mit Deregulierungsexperi-menten zu profilieren - in einer Art Deregulierungswettbewerb alsEntdeckungsverfahren.

Damit die öffentlichen Hände in den ostdeutschen Ländern dieStandortqualität verbessern und so vermehrt Investitionen fürneue Arbeitsplätze attrahieren können, wird man ihnen nahelegenmüssen, die konsumfördernden öffentlichen Ausgaben zu brem-sen, wenn nicht gar streng zu begrenzen. Dies erscheint vertret-bar, wenn es richtig ist, daß die Einkommensniveaus in den neuenBundesländern seit der Währungsunion um 20 bis 30 Prozent ge-stiegen sind. Die Anhebung der Wohnungsmieten und der Tarifefür kommunale und andere öffentliche Dienstleistungen (Gas,Wasser, Elektrizität, öffentlicher Nahverkehr) weist in die richtigeRichtung. Eine Regelung, die Kurzarbeitergeld auch denen ge-währt, die keine Stunde Arbeit leisten, steht der Entfaltung der Ei-geninitiative auf den (legalen) Märkten entgegen. Die Ungeduld

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und Unzufriedenheit der Menschen sollte sich in einzel-wirtschaftliche Aktivität umsetzen - nicht in Massenprotesten, wiees naheliegt, wenn die Bevölkerung noch in kollektivistischen stattin marktwirtschaftlichen Kategorien zu denken gewöhnt ist.

Wo ist, so muß an dieser Stelle gefragt werden, der Ludwig Erhardunserer Tage, der in der Lage wäre, den Bürgern in Ostdeutsch-land eine solche Reorientierung zu geben? Eine Persönlichkeit, dieallein durch ihre wirtschaftspolitische Kompetenz und Überzeu-gungskraft zu wirken hätte, brauchte kaum einen Apparat, nur einePosition, die ihr den unmittelbaren Zugang zum Bundeskanzler undzur Öffentlichkeit verschaffte. Ihre Aufgabe bestünde darin,Hemmnisse für den Aufschwung in Ostdeutschland zu identifizie-ren und mit Nachdruck zu publizieren, Ratschläge zu geben, wo sichdie Situation mit einigen Handgriffen schnell bessern läßt, Erfolgs-geschichten als Lehrbeispiele zu verbreiten und die Menschen zuunternehmerischer Tatkraft aufzurufen. Gesucht wird als Ombuds-mann für Ostdeutschland eine Persönlichkeit, die praxisnahes Den-ken mit einem sicheren wirtschaftspolitischen Instinkt verbindet undauf eine überzeugende unternehmerische Leistung zurückblickenkann. Sie würde sich gewiß finden lassen.

ANMERKUNGEN ZUM SYSTEMWANDEL IN ANDEREN LÄNDERN

Die Bevölkerung in Ostdeutschland muß sich nicht ständig mitdem Westen vergleichen. Gegenüber den Menschen in Polen, derCSFR, Ungarn und auch Jugoslawien hat sie wirtschaftlich großeStartvorteile, ganz zu schweigen von den Handicaps, unter denendie Bürger der Sowjetunion, einschließlich der baltischen Staaten,oder die Rumänen und Bulgaren zu leiden haben. Zu diesen Vor-teilen gehören

– das Vorhandensein einer vollkonvertiblen Währung,

– der Zugang zum Weltkapitalmarkt bei fehlender Auslandsver-schuldung,

Anmerkungen zum Systemwandel in anderen Ländern

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– die Zugehörigkeit zur EG und zum multilateralen Welthandels-system des GATT,

– die Gültigkeit des Rechts- und Verwaltungssystems der Bun-desrepublik,

– der Rückgriff auf Finanztransfers aus den alten Bundeslän-dern, der leichte Zugang zum Know-how und Investitionskapi-tal westdeutscher Unternehmen,

– die größere Möglichkeit des Pendelns der Arbeitskräfte undder Qualifizierung auf Arbeitsplätzen in Westdeutschland.

Währungskonvertibilität und freier Außenhandel, Kapitalimportund Auslandshilfe, internationale Unternehmenskooperation undTechnologietransfer und die Qualifizierung der Arbeitskräfte sindAufgaben, die die Länder in Ost-Mitteleuropa zusätzlich zur Pri-vatisierung zu bewältigen haben.

Polen gehörte schon vor der Wende zu jenen Ländern in Ost-Mit-teleuropa, die ein relativ liberales Image hatten - in einer Rangord-nung nach Jugoslawien und Ungarn zwar, aber vor der DDR, derCSSR, Rumänien, Bulgarien, Albanien und der Sowjetunion (Han-ke, 1990, S. 3). Deutlich überlegen war Polen gegenüber Ost-deutschland in der Frage des Privateigentums. Es war in dieserHinsicht vergleichbar mit Jugoslawien, aber auch mit Brasilienoder der Türkei.

Dem Privateigentum und der Privatisierung kommt für den Über-gang zur Marktwirtschaft in Ost-Mitteleuropa eine Schlüsselfunk-tion zu. Quantitativ geht es darum, das Ausmaß der Ressourcen,die Privaten gehören und für die private Personen sich einsetzen,zu Lasten der anderen Eigentumsarten zu erhöhen, zu Lasten alsodes Staatseigentums, des Kollektiveigentums und gemischtwirt-schaftlicher Formen, bei denen Gebietskörperschaften Eigen-tums- und Mitwirkungsrechte haben. Im Grundsatz gilt: Damiteffizient produziert wird, müssen die Möglichkeiten, Verluste auf

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Dritte abzuwälzen, weitgehend verbaut werden. Also: kein Rent-seeking am Arbeitsplatz oder sonstwo, keine Sozialisierung derVerluste. Wie wichtig dieser Gesichtspunkt ist, zeigen neuereVergleiche zwischen Ländern (Scully, 1988) und zwischen Unter-nehmen im Staats- und Privatbesitz. Anders ausgedrückt: Nur dieechte Privatisierung, die das Eigentum in der persönlichen Verant-wortung verankert, führt zu jener harten Budgetrestriktion, die imweichen Sozialismus oder in der permissiven Gesellschaft fehlt.Die bloße Dezentralisierung der Eigentumsverhältnisse, die Pseu-doprivatisierung, ist nicht genug; sie kann die Marktwirtschaft ge-radezu diskreditieren. Die Suche nach einem “Dritten Weg”, aufdem Privateigentum, persönliche Verantwortung oder Wettbe-werb lediglich simuliert werden, erscheint kontraproduktiv.

Die Verantwortung für das Eigentum muß möglichst ungeteiltsein. Je mehr der Staat auf das Eigentum einwirken, die Eigen-tumsrechte einengen kann, umso größer ist die Gefahr, daß er ausirgendwelchen übergeordneten Gründen einen Strich durch die In-vestitionsrechnung macht. Entsprechend schwächer ist für denprivaten Eigentümer der Anreiz, sich zu engagieren, vor allemlangfristig zu planen. Wenn gar die Privatisierung reversibelerscheint, kann man auf sie ganz verzichten. Auch gehört zu denEigentumsrechten die freie Veräußerbarkeit. Vor einigen Mona-ten hörte der Verfasser in Moskau, daß die Leute in der Sowjet-union kein Interesse am Erwerb von Boden hätten. Hierfür fehledie Tradition. Verständlich erst wurde die Aussage, als der Ge-sprächspartner auf bohrende Fragen die Auskunft gab, es dürfeder private Eigentümer den Boden nur wieder an den Staat veräu-ßern, also an einen Monopolisten, der den Preis diktieren kann.Eine Privatisierung als Kapitalfalle kann nirgendwo populär sein.

In der Durchführung der Privatisierung ist Eile geboten,

– damit der Prozeß, der selbst bei dem forcierten Tempo, das inGroßbritannien an den Tag gelegt wurde, hundert Jahre dau-ern würde, in einem Jahrzehnt abgeschlossen werden kann;

Anmerkungen zum Systemwandel in anderen Ländern

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– damit recht bald unternehmerisches Management zum Zugekommt, anstelle von Verwaltern, die auf ihre Ablösung war-ten, die eine spontane Privatisierung (zu ihren Gunsten) betrei-ben oder die den Übergang zur Marktwirtschaft bremsen(sabotieren);

– damit bald privates Kapital in Kombination mit neuerem tech-nischen Wissen zuströmt und für eine Modernisierung der Pro-duktpalette und der Produktionsprozesse eingesetzt werdenkann;

– damit das zukunftsorientierte Prinzip “Privatisieren geht vorSanieren” nicht wegen des Stockens der Privatisierung umge-kehrt wird mit der Folge, daß man Kapital in einer rückwärts-gewandten Sanierung und Subventionierung verschwendet.

Diskreditiert worden ist die Privatisierung in einigen Ländern (wieUngarn, Polen, CSFR und Jugoslawien) durch die erwähntenspontanen Privatisierungsvorgänge. In diesen Fällen haben Ma-nager von Staatsbetrieben entweder Privatfirmen gegründet undmit diesen Verträge zu Lasten der Staatsfirmen geschlossen odersich beim Privatisieren vom Erwerber persönliche Vorteile zuLasten des Staates zusichern lassen.

Ein wesentliches Privatisierungshemmnis - außerhalb Ost-deutschlands - ist Xenophobie. Eigentlich läge es im Interesse derInländer, das Kollektivvermögen sämtlich an Ausländer zu veräu-ßern in der Absicht, für den Gesamtwert investierbare Res-sourcen für neue oder bessere Arbeitsplätze in das Land zu holen.Auch könnte man durch Verkauf an Ausländer Devisenbeständeakkumulieren, die geeignet wären, die Kreditwürdigkeit des Lan-des auf dem internationalen Kapitalmarkt zu erhöhen. Das Kol-lektivvermögen weltweit zum Verkauf anzubieten, ist auch dasbeste Mittel, um hohe Privatisierungserlöse zu erzielen und gleich-zeitig Zugang zu neuen Technologien und neuen Absatzmärktenzu gewinnen. Demgegenüber gibt es weitverbreitete Vorurteile:

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Man befürchtet einen “Ausverkauf” und eine “Abhängigkeit”vom Ausland, als handle es sich um eine militärische Invasion.

Beeinträchtigt werden die erzielbaren Verkaufserlöse durchrechtliche Unklarheiten. Sie beziehen sich vor allem auf

– die Rechte früherer Eigentümer,

– die Ansprüche der Belegschaft (Kündigungsschutz, Beteili-gungsrechte, auch nach dem jugoslawischen Modell),

– die Pflicht zur Beseitigung von Umweltlasten.

Am besten erscheint es, wenn die Privatisierungsbehörde dieneuen Eigentümer von diesen Altlasten freistellt und einen ent-sprechend höheren Verkaufspreis erzielt. Denn die Privatisie-rungsbehörde sollte über die Altlasten besser informiert sein, auchüber die Möglichkeiten, sie in Grenzen zu halten, als der Erwer-ber, bei dem eher ein komparativer Vorteil für die Gestaltung desNeuen zu vermuten ist.

Man unterscheidet in Mittel- und Osteuropa im gewerblichen Be-reich zwischen einer großen Privatisierung, die die Industriebetrifft, und einer kleinen Privatisierung, die sich auf die Hand-werksbetriebe und die kleinen Einzelhandels- und Dienstleistungs-unternehmen bezieht. Bisher scheint die kleine Privatisierung fastüberall in Gang gekommen zu sein, sogar in der Sowjetunion, abersie wird auch kritisiert, weil sie Schwarzhändlern Chancen derGeldanlage und Mitgliedern der Nomenklatura neue Aufstiegs-möglichkeiten bietet.

Im Rahmen der großen Privatisierung drängt sich das Ausländer-problem nach vorn, da Inländer kaum über entsprechend vielGeldkapital verfügen, um große Einheiten kaufen zu können. Des-halb sucht man nach alternativen Lösungen. Was man nicht alsGanzes verkaufen kann, muß man als Teil privatisieren oder alsGanzes verschenken.

Anmerkungen zum Systemwandel in anderen Ländern

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– Die Teilprivatisierung umschließt die Möglichkeit, daß derStaat seinen Anteil in einen Kredit umwandelt; der Kaufpreisfür das Bestehende könnte sogar ganz gestundet werden mitder Folge, daß der neue Eigentümer seine Mittel gänzlich fürProdukt- und Prozeßinvestitionen einsetzen kann.

– Eine Möglichkeit des Verschenkens besteht darin, daß man dasEigentum an förderungswürdige Institutionen übergibt, die da-nach nicht mehr aus Steuermitteln finanziert werden müssen(kulturelle und wissenschaftliche Einrichtungen, Stiftungen).

– Man kann aber auch an die Bevölkerung Privatisierungsgut-scheine verteilen mit der Maßgabe, daß diese zum Erwerb vonBeteiligungstiteln verwendet werden, sei es von Anteilen anAktiengesellschaften, die zur Privatisierung anstehen, sei esvon Anteilen an Fonds, die miteinander konkurrieren und Akti-en verschiedener Gesellschaften in ihrem Besitz haben. DieGutscheine könnten in Tranchen ausgegeben werden; sie wür-den auf einen Bruchteil der Tranche lauten und bald - wie einnennwertloses Wertpapier - einen Marktwert erhalten.

Diese hier skizzierten Möglichkeiten sind geeignet, die große Pri-vatisierung zu beschleunigen, falls Ausländer (vorerst) ausge-schlossen werden sollen. Die Gutschein-Lösung gäbe denBürgern das Gefühl, daß sie mit der Privatisierung einen Vermö-gensvorteil erhalten und sie selbst darüber entscheiden, wievielZugang Ausländer erhalten und wieviel von den Privatisierungs-erlösen in Ersparnisse und Investitionen und wieviel in den priva-ten Konsum gehen soll. Nur der Staat zieht bei derGutschein-Lösung den kürzeren. Für den Staatsverbrauch gehendie Privatisierungserlöse verloren. Vielleicht ist deshalb die Gut-schein-Lösung in Politikerkreisen nicht sonderlich populär. Siewäre in der Tat eine radikale Form der Individualisierung oderAufteilung von kollektiv gebildetem Vermögen, ein sprungartigerÜbergang vom Staatskapitalismus zum Volkskapitalismus.

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Die Gutschein-Lösung hat zur Konsequenz:

– daß die Bürger vermögend werden, aber der Staat Einnahme-quellen verliert und deshalb, sofern er nicht Staatsausgaben(Subventionen) einsparen kann, die Bürger höher besteuernmuß;

– daß die Bürger ein mittelbares Interesse an der Rentabilität desKapitals gewinnen;

– daß der Privatisierungsvorgang unter die wachsame Kontrolleder breiten Öffentlichkeit gestellt wird;

– daß dank dieser Kontrolle unnötige Verzögerungen weitge-hend vermieden werden;

– daß es aber wegen der breiten Streuung der Gutscheine unddamit auch der Anteilsrechte zu einer wirksamen Kontrolledes Managements erst kommen kann, nachdem sich (konkur-rierende) Fonds gebildet haben und die Bürger überwiegend -statt Aktien - Fondsanteile halten.

Für Ostdeutschland kommt eine Gutschein-Lösung, wie sie vor al-lem in Polen und der CSFR diskutiert wird, nicht in Betracht, undzwar aus folgenden Gründen:

– Es gibt umfangreiche Restitutions- oder Entschädigungsan-sprüche früherer Eigentümer, so daß die verteilbare Vermö-gensmasse gering sein dürfte.

– Das Argument, man müsse das Sachvermögen verschenken,weil Inländer es wegen ihres niedrigen Geldvermögens nichtkäuflich erwerben könnten, hat in der BundesrepublikDeutschland kein Gewicht. Denn es sind außer westdeutschenauch ausländische Unternehmen als Käufer willkommen.Auch die Bürger der früheren DDR kommen als Erwerbervon Vermögenstiteln in Betracht, nachdem ihre Ersparnisse zurecht günstigen Bedingungen auf D-Mark umgestellt wurden.

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– Drittens haben sich die Arbeitnehmer in Ostdeutschland -anders als in Polen und der CSFR - bereits einen Teil desVolksvermögens angeeignet durch Löhne, die über dem Wert-grenzprodukt ihrer Arbeit liegen und dadurch einen Substanz-verzehr oder einen Subventionsbedarf bedingen. Schließlichdürfte der Wert des privatisierbaren DDR-Vermögens weitunter der Summe dessen liegen, was das Gebiet der früherenDDR in den nächsten Jahren an Transferzahlungen aus West-deutschland erhalten wird.

Es gibt für Ostdeutschland wesentliche Unterschiede im Ver-gleich zu Ost-Mitteleuropa und auch zu Westdeutschland nach1948. Einige von ihnen können sich kurzfristig als Vorteil und lang-fristig als Manko erweisen. Die wichtigste Besonderheit bestehtim Vorhandensein eines großen reichen Bruders, auf dessen Hil-fe man zu Recht rechnen kann. Bezeichnend sind Äußerungen,die besagen, Westdeutschland verdanke sein Wirtschaftswunderdem Marshall-Plan; Ostdeutschland, das damals Reparationslei-stungen zu erbringen hatte, müsse nun den Ausgleich erhalten.

Das reiche Westdeutschland ist in der Lage, größere Finanztrans-fers vorzunehmen. Es steht aber auch offen als ein Arbeitsmarkt,der dem Tüchtigsten Aufstiegschancen bietet. Die Gefahr derMassenabwanderung hat den Weg zu Währungsunion und zur po-litischen Vereinigung geebnet; aber die Einigung konnte die Wan-derung nur zur Binnenwanderung machen, nicht stoppen. Vondenen, die in den Westen Deutschlands übergesiedelt sind, werdenmanche wieder zurückkehren, gewiß auch mit einem Mehr anFachkönnen und an Erfahrungen. Aber viele werden Ostdeutsch-land auf Dauer den Rücken kehren. Mit ihnen verlieren die neuenBundesländer einen Teil der Attraktivität für das mobile Investiti-onskapital. Entsprechend mehr an Transferleistungen wird aus denöffentlichen Kassen aufzubringen sein, entsprechend stärker wer-den die Politiker die Steuerquellen anzapfen wollen. Dies kann inganz Deutschland die Wachstumsdynamik beeinträchtigen. Im

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Westen vor allem kann es sich negativ auf die internationale Wett-bewerbsfähigkeit der Standorte auswirken: Höhere Unternehmens-steuern, höhere marginale Steuersätze und ein höherer Staatsanteilam Sozialprodukt beeinträchtigen das Image. Und im OstteilDeutschlands kann sich daraus, daß der Prozeß der Wirtschaftsin-tegration stark politisiert ist, eine Art Zweckpessimismus ergeben.Auch wenn mit gutem Grund erklärt werden kann, die Lage seibesser als die Stimmung, so schlägt doch eine miese Stimmung überdas Verhalten auf die Lage zurück.

Im Gegensatz zu den Westdeutschen des Jahres 1948 können dieOstdeutschen nach 1990 in ihrer Mentalität nicht an eine kapitalisti-sche Tradition anknüpfen. Sie sind stärker geprägt von dem Men-schenbild, das der straffe Sozialismus mit seiner zentralen Planungund Lenkung braucht und schafft. Sie warten deshalb mehr aufAnweisungen von oben in der Vorstellung, es seien die oberen In-stanzen, die alles zu richten hätten. Sie sind mit dem Privateigen-tum, dem Ertragsdenken, der Funktion des Zinses, dem Sparen zurZukunftsvorsorge und dem Abwägen von Chancen und Risiken imeigenverantwortlichen Handeln noch wenig vertraut. Gewiß wer-den viele schnell umlernen, aber älteren Menschen dürfte esschwerfallen, selbst wenn sie sich um eine positive Einstellung be-mühen. Im Zweifel dauert es eine ganze Generation, bis sich derWandel in der Mentalität ganz und gar vollzogen hat.

Wird in Deutschland der Osten den Westen oder der Westen denOsten im Denken und Verhalten der Menschen stärker beeinflus-sen? Zahlenmäßig begünstigt ist der Westen. Sein Wohlstand magim Osten Neidgefühlen Auftrieb geben, aber viele werden sichdurch solche Gefühle auch zum Nachahmen angespornt sehen.Zwar wird man im Osten manchen sozialistischen Errungenschaf-ten, die nunmehr fehlen, immer wieder etwas nachtrauern undmanche sozialpolitische Ideen, die einen Ersatz bieten, stimmkräf-tig auch bei Wahlen verstärkt unterstützen, so daß sich die relati-ven Gewichte im Parteiengefüge sehr wohl verschieben können;

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aber Deutschland als Ganzes bleibt dem Westen und seiner Zivi-lisation eng verbunden.

In Europa hat Deutschland die Chance, Bindeglied zwischenWest und Ost zu werden und sein wirtschaftliches Gewicht dafüreinzusetzen, daß der östliche Teil des Kontinents verstärkt in deneuropäischen Marktwirtschaftsraum einbezogen wird.

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Europas Wirtschaft 1991

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