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Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste der Universität Siegen Adolf-Reichwein-Str. 2 57068 Siegen & 0271 /740-2228 [email protected] www.zpe.uni-siegen.de Evaluationsprojekt PerSEH Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste der Universität Siegen Auswertung der teilnehmenden Beobachtung der Hilfeplankonferenzen Im Auftrag des Landeswohlfahrtsverbands Hessen (LWV Hessen) Projektzeitraum: April 2010 bis Mai 2011 Evaluationsteam: Prof. Dr. Albrecht Rohrmann Dr. Johannes Schädler Nadja Althaus, M.A. Integrative Heilpädagogik/Inclusive Education Dipl. Gerontol. Cordula Barth Mai 2011

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���� [email protected] ���� www.zpe.uni-siegen.de

Evaluationsprojekt PerSEH

Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste der Universität Siegen

Auswertung

der teilnehmenden Beobachtung der Hilfeplankonferenzen

Im Auftrag des Landeswohlfahrtsverbands Hessen (LWV Hessen) Projektzeitraum: April 2010 bis Mai 2011 Evaluationsteam: Prof. Dr. Albrecht Rohrmann Dr. Johannes Schädler Nadja Althaus, M.A. Integrative Heilpädagogik/Inclusive Education Dipl. Gerontol. Cordula Barth

Mai 2011

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Inhaltsverzeichnis

1 Die Bedeutung der Hilfeplankonferenzen ................................................................. 3

1.1. Hilfeplankonferenzen in der fachwissenschaftlichen Diskussion ............................. 3

1.2. Hilfeplankonferenzen in der Eingliederungshilfe ...................................................... 5

1.3. Hilfeplankonferenzen in anderen Verfahren der Teilhabeplanung ........................... 6

1.4. Hilfeplankonferenzen in Hessen ................................................................................ 7

2 Durchführung der teilnehmenden Beobachtungen .................................................. 10

3 Ausgewertete Hilfeplankonferenzen........................................................................ 10

4 Beobachtung der Hilfeplankonferenzen .................................................................. 11

4.1. Dauer der Sitzungen ................................................................................................ 11

4.2. Größe der Gremien .................................................................................................. 12

4.3. Die Arbeit der HPK ................................................................................................. 12

4.4. Kooperation ............................................................................................................. 14

4.5. Steuerung der Angebotsentwicklung ....................................................................... 17

5 Beobachtungen zu einzelnen Teilhabeplänen in der Hilfeplankonferenz ............... 18

5.1. Einbeziehung der Leistungsberechtigten ................................................................. 19

5.2. Personenzentrierung ................................................................................................ 19

5.3. Umfeldorientierung .................................................................................................. 21

5.4. Kooperation und Koordination der Hilfen im Einzelfall ......................................... 22

5.5. Ergebnisse der Beratung .......................................................................................... 23

6 Zusammenfassende Auswertung ............................................................................. 24

7 Literaturverzeichnis ................................................................................................. 27

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1 Die Bedeutung der Hilfeplankonferenzen

Der Hilfeplankonferenz (HPK) kommt in der Personenzentrierten Steuerung der Eingliederungs-hilfe eine zentrale Funktion zu. Die Durchführung von Hilfeplankonferenzen gehört grundlegen-dend zum Verfahren der Teilhabeplanung. In dem zweistufigen Verfahren wird nach der Erstel-lung des Integrierten Teilhabeplanes mit dem Leistungsberechtigten dieser Plan in der Hilfeplan-konferenz beraten und eine Empfehlung zur Hilfegewährung gegeben. Dieses Verfahren wurde im Zusammenhang der Entwicklung des Integrierten Behandlungs- und Rehabilitationsplanes (IBRP) entwickelt und findet sich in unterschiedlicher Ausgestaltung in fast allen Teilhabe- bzw. Hilfeplanverfahren. Im Folgenden sollen einige für die Evaluation bedeutsame Positionierungen vorgestellt werden.

1.1. Hilfeplankonferenzen in der fachwissenschaftlichen Diskussion

In der wissenschaftlichen Diskussion wird Hilfeplanung kontrovers diskutiert. Hinsichtlich der Herkunft des Konzeptes werden unterschiedliche Traditionslinien ausgemacht. Der Ansatz des ‚Case Management‘ (CM) als ein fachlicher Ansatz zur Erleichterung des Zu-gang von Hilfen entwickelte sich nach der Darstellung von Wendt (Wendt 2008:18ff) in den USA aus den Erfordernissen von Prozessen der Enthospitalisierung. Das Case Management kann allerdings in diesem Entstehungskontext eher den beratenden Tätigkeiten zugeordnet werden. Daraus hat sich ein Arbeitsansatz der Sozialen Arbeit entwickelt, der als Grundqualifikation So-zialer Arbeit bezeichnet werden kann. Es gibt allerdings auch Bemühungen, diesen Tätigkeitsbe-reich als eigenständigen Handlungsbereich mit einer eigenen Zertifizierung zu profilieren (vgl. Deutsche Gesellschaft für CM). Durch die Verknüpfung mit Entscheidungen zum Umfang der Hilfegewährung gerät das CM zunehmend in die Kritik. Insbesondere die Einführung des ‚Fall-managements‘ wird als Ausdruck einer Aktivierungspolitik kritisiert. Hier stehen nicht die Bera-tung oder Aushandlung im Vordergrund, sondern Verpflichtung und Disziplinierung. Im Falle fehlender Übereinstimmung zwischen dem Leistungsberechtigten und dem ‚Fallmanager‘ ersetzt der Bescheid die Vereinbarung und kann mit erheblichen Sanktionen durchgesetzt werden. „Das Handlungskonzept Case Management verspricht eine .., dem individuellen Bedarf angemessene, Verteilung von Unterstützungsleistungen und erhält somit eine zentrale Funktion in der Kon-struktion des aktivierenden Wohlfahrtsstaates." (Reis 2007: 179). In der Untersuchung zum CM in unterschiedlichen Feldern der Sozialpolitik kommt Reis zugleich zu dem Schluss, dass das Konzept des CM äußerst voraussetzungsreich ist: „Um eine Netzwerksteuerung zu realisieren, die im Einzelfall vom Case Management genutzt werden kann, sind auf der Systemebene erheb-liche Vorleistungen erforderlich. Hierzu gehört insbesondere die Schaffung eines von allen Netzwerkakteuren geteilten Zielsystems und eines gemeinsamen Handlungsrahmens. Nur auf diese Weise ist gewährleistet, dass primäre und sekundäre Dienstleistungen so miteinander ver-zahnt sind, dass eine bedarfsgerechte Hilfe realisiert werden kann“ (a.a.O.: 184) Eine andere Traditionslinie ergibt sich aus der Jugendhilfe. Hier wurde die Hilfeplanung mit der Einführung des KJHG in § 36 verbindlich als Aufgabe des Jugendamtes eingeführt. Der Umset-zungsprozess wurde intensiv beforscht und das Fazit ist bei aller Kritik an den Mängeln der Durchführung überwiegend positiv (vgl. Messmer 2004). Hinsichtlich der Übertragbarkeit auf die Eingliederungshilfe ist zu beachten, dass in der Jugendhilfe die Verantwortung für die Maß-nahme beim Jugendhilfeträger verbleibt und die Jugendhilfemaßnahmen in viel stärkerem Maße mit der Zielsetzung der Entwicklung des Kindes bzw. Jugendlichen verbunden werden kann, die spätestens mit dem Erreichen einer bestimmten Altersgrenze abzuschließen ist.

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Im Bereich der Eingliederungshilfe dominiert in der wissenschaftlichen Diskussion die Ausei-nandersetzung mit dem IBRP. Dadurch, dass die Aktion Psychisch Kranke den IBRP als über-greifende Dachorganisation den IBRP entwickelt hat, mit der Implementation beauftragt war und häufig auch selbst Evaluationen durchgeführt hat, sind unabhängige Studien rar. Hervorzuheben ist eine empirische Untersuchung zu Hilfeplankonferenzen im Bereich der Hilfen für Menschen mit psychischen Erkrankungen in vier kreisfreien Städten und vier Landkreisen in Mecklenburg-Vorpommern ergibt insgesamt eine positive Einschätzung der Praxis der Hilfeplankonferenzen (vgl. Steinhart 2009). Die Mitarbeiter sehen in den Hilfeplankonferenzen der Studie zur Folge eine gute Möglichkeit zur fachlichen Auseinandersetzung bei der Suche nach geeigneten Lösun-gen. Auch seitens der Leistungsberechtigten stößt das Instrument auf große Akzeptanz. In der Untersuchung wird eine ‚Anwesenheitsquote‘ von 90,6 % (a.a.O.: 9) festgestellt. In einer schrift-lichen Befragung (n=120) bewertet eine Mehrheit von 89,2 % ihre Teilnahme als sinnvoll (a.a.O.: 10). Auch hinsichtlich der Einbeziehung in die Hilfeplankonferenz äußern sich die Leis-tungsberechtigten positiv. Die schärfste Kritik hat Dörner in einem beim Landschaftsverband Rheinland 2004 gehaltenen Vortrag geäußert, der in der Zeitschrift „Soziale Psychiatrie“ veröffentlicht wurde (Dörner 2004). Er versteht Hilfeplanung und Hilfeplankonferenzen als Ausdruck eines Marktparadigmas und einer neuen Bürokratisierung von Hilfen. Gestützt auf ihm bekannte Instrumente formuliert er in sieben Punkten eine grundlegende Kritik an Hilfeplankonferenzen, die für unsere Evaluati-on bedeutsam ist:

„1. Man tut sich gegenseitig nicht weh, weil man sich gegenseitig braucht, geht also den Weg des geringsten Widerstandes, was zu Fehlversorgung disponiert, am ehesten zu Überversor-gung, wodurch der Betroffene daran gehindert wird, seine eigenen Ressourcen optimal zu strapazieren. Das »Recht auf Risiko« wird eher vermieden und damit bleibt das Selbsthilfepo-tenzial oft unausprobiert. 2. Man tut sich dann auch selbst nicht weh, was aber die fachliche Voraussetzung wäre, sich der fantasierten Zukunft eines Menschen auszusetzen – etwa in der Grundhaltung, im Unwis-sen über die Zukunft einen versuchsweisen Schritt zu tun, aber dabei Glaubwürdigkeit auszu-strahlen, sich jederzeit vom anderen korrigieren zu lassen. Im Übrigen kommt erst über solche komplizierten Beziehungs-Umwege wirkliche, lebensweltliche Selbstbestimmung zustande und eben nicht durch die bloße Selbstbestimmungsbehauptung. 3. Stattdessen schreibt man eher die Zukunft fest oder richtet sich nach den Wünschen des Be-troffenen, die der in der Regel mangels Vergleichserfahrung gar nicht kennen kann; denn ich kann in A nicht wissen, was ich in B brauche. 4. Dabei wird der große Bereich vor-psychiatrischer Hilfen von den Angehörigen über Freun-de bis zu Nachbarn meist gar nicht erst ausgereizt, schon weil ein erwachsener Mensch dies von sich aus kaum wollen kann: Er bevorzugt von sich aus neutrale Profi-Helfer. So kommt es zu überflüssiger, im Einzelfall dann auch schädlicher Psychiatrisierung. 5. Bei Wünschen ist Einseitigkeit unvermeidlich. Denn einerseits sind Wünsche nach Selbst-bestimmung leicht zu artikulieren, während andererseits Wünsche nach etwas, was mich be-lastet, mir lästig ist, also auch nach Bedeutung für andere, kaum zu artikulieren sind, obwohl Letzteres die Voraussetzung für Ersteres ist. … 6. Das Verfahren der Hilfeplankonferenzen wird zwar vermutlich die Zahl der Heimeinwei-sungen senken, jedoch – oh Wunder – die Zahl der Heimplätze keineswegs. 7. Dagegen wird die Zahl der Fälle für ambulantes betreutes Wohnen überproportional stei-gen.“ (a.a.O.: 40)

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Die Kritik wird im Bereich der Sozialpsychiatrie häufig aufgegriffen (z.B. in den „Soltauer Im-pulsen“), aber auch kritisch zurückgewiesen.

1.2. Hilfeplankonferenzen in der Eingliederungshilfe

Es ist festzustellen, dass es sich bei der Hilfeplanung und den Hilfeplankonferenzen um Verfah-ren handelt, die in der Praxis entwickelt wurden. Hilfeplankonferenzen sind in der Jugendhilfe verankert und wurden im Bereich der Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderungen und chronischen psychischen Erkrankungen insbesondere in Verbindung mit dem IBRP eingeführt. Bei der Entwicklung überwiegen ganz eindeutig die Aktivitäten und Interessen der Leistungsträ-ger. Sie werden in erster Linie als Steuerungsinstrument der Sozialleistungsträger begriffen. Gleichzeitig werden sie als Gremium der örtlichen Abstimmung und Koordination in der Regel positiv bewertet. Es gibt weder im SGB IX noch im SGB XII eine Verpflichtung zur Durchführung von Hilfe-plankonferenzen. Die Regelungen verpflichten lediglich die Leistungsträger zur Abstimmung ihrer Leistungen und lassen die Verfahren dazu offen. Im Empfehlungspapier des Deutschen Vereins wird die Hilfeplankonferenz im Verfahrensschritt ‚Hilfeplanung‘ lediglich als mögliche Ergänzung des Hilfeplanverfahrens eingeführt, die in Ver-antwortung des Sozialhilfeträgers stattfindet (vgl. Deutscher Verein für öffentlich und private Fürsorge e.V. 2009). Die Aufgaben werden folgendermaßen beschrieben: Es „wirken die Leistungsberechtigten und / oder ihre Betreuer/innen sowie Vertreter/innen der Leistungserbringer mit. Es können neben dem Träger der Eingliederungshilfe auch weitere möglicherweise zuständige Leistungsträger einbe-zogen werden (koordinierte Hilfeplanung, § 10 SGB IX und § 4 SGB XII). Auf der Grundlage des im Vorfeld erstellten Hilfeplans werden zum Teil fachliche Empfehlungen dazu erarbeitet, welche Hilfen in welchem Umfang erforderlich sind, wer die Hilfe erbringen soll und wo sie erbracht wird, um die Entscheidung des Leistungsträgers vorzubereiten. Hilfeplankonferenzen können die Kooperation zwischen Leistungsträgern und die Vernetzung aller Akteure befördern. Sie sind geeignet, um die Personenzentrierung mit der Sozialraumorientierung zu verknüpfen“ (a.a.O.: 9). Es handelt sich um vage und offene Formulierungen, die weder den Teilnehmerkreis abgrenzen, noch Mindestaufgaben festlegen. Das wichtigste Potential wird in der Kooperation und Vernet-zung gesehen und in der Verknüpfung von ‚Personenzentrierung‘ und ‚Sozialraumorientierung‘. Dies wird aber nicht ausgeführt. Bedeutsam ist, dass im Empfehlungspapier die Erstellung eines Bewilligungsbescheid als eigener Verfahrensschritt („vorläufiger Abschluss“) angesehen wird. Auch wenn der vorgegebene Rahmen noch ungeklärt ist, hat sich das Konzept der HPK mittler-weile als wichtiger Bestandteil der Eingliederungshilfe etabliert, auch wenn sich in der Realität ein sehr heterogenes Erscheinungsbild der HPK zeigt. Die tragende Rolle der HPK im Planungs-prozess individueller Teilhabeleistungen wird auch im Beschluss der 87. Arbeits- und Sozialmi-nisterkonferenz (ASMK) von 2010 festgehalten: „Die Abstimmung der angemessenen Leistun-gen / Hilfen nach Inhalt, Umfang, zeitlicher Dauer und Zeitpunkten findet in einer Hilfeplankon-ferenz statt. Alle in Betracht kommenden Leistungsträger sind zur Teilnahme an der Hilfeplan-konferenz verpflichtet. Der Hilfeplan und das Ergebnis der Hilfeplankonferenz sind notwendiger Bestandteil eines Gesamtplanes und fließen in diesen ein. Dieser muss mindestens folgende An-gaben enthalten: a) angestrebte, überprüfbar formulierte Teilhabeziele (mittel- und langfristige) sowie die Maß-

stäbe und Kriterien der Wirkungskontrolle

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b) die verfügbaren oder aktivierbaren Selbsthilferessourcen c) den individuellen Hilfebedarf an Hilfen Dritter unter Berücksichtigung der individuellen Ziele d) die funktionsbezogene Zusammenstellung der zur Zielerreichung und Deckung des Hilfebe-

darfs voraussichtlich erforderlichen Hilfen / Leistungen einschl. ggf. erforderlicher Koordinie-rungsleistungen

e) eigene Aktivitäten des Leistungsberechtigten f) die zuständigen Leistungsträger und sonstigen verpflichteten Dritten g) das Ergebnis der Abstimmung der Leistungen / Hilfen nach Inhalt, Umfang, zeitlicher Dauer

und Zeitpunkten h) die Angabe, ob ein Persönliches Budget gewünscht ist i) den Bewilligungs- / Überprüfungszeitraum / -zeitpunkt. (ASMK 2010: 39)

1.3. Hilfeplankonferenzen in anderen Verfahren der Teilhabeplanung

Im Empfehlungspapier des Deutschen Vereins werden neben der Integrierten Teilhabeplanung in Hessen der IBRP, das Hilfeplanverfahren des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) und das Hilfeplanverfahren in Rheinland-Pfalz als Planungsinstrumente genannt, die für die bundesweite Diskussion bedeutsam sind. Es liegt daher nahe, die Stellung der Hilfeplankonferenzen bei den genannten Ansätzen genauer zu betrachten. Im Handbuch zur Hilfeplanung in Rheinland Pfalz (vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales, Fami-lie und Gesundheit in Rheinland-Pfalz 2005) wird die Hilfeplankonferenz im Verfahrensablauf vorgestellt. Zu den Aufgaben findet sich nur an einer Stelle ein Hinweis, der die Aufgaben zur Angebotsentwicklung in den Vordergrund stellt: „In der Hilfeplankonferenz wird geklärt, ob ein regionaler Leistungsanbieter die notwendigen Hilfen erbringen kann. Ist dies nicht der Fall, bil-det dies eine Grundlage einer regionalen Bedarfsplanung und einer an den lokalen Erfordernis-sen angepassten Weiterentwicklung des Hilfesystems. Individuelle Hilfeplanung ist nicht auf den Einzelfall beschränkt, sie verweist im Gegenteil auf die Notwendigkeit einer verbesserten Zu-sammenarbeit der lokalen Akteure in einer Region. Sie steht im Spannungsfeld der Beziehungen zwischen der antragstellenden oder leistungsberechtigten Person, dem Sozialhilfeträger und den Diensten und Einrichtungen als Leistungserbringern. Die Aufgabenstellung besteht darin, diese Beziehungen zwischen den Beteiligten bei Anerkennung der unterschiedlichen Interessen weiter zu kultivieren und lebendig zu gestalten“ (a.a.O.: 21). In einem zwischen dem Ministerium, der Wohlfahrtspflege, der Behindertenselbsthilfe und den Kommunen abgestimmten Papier zum Verfahren der Teilhabeplanung (vgl. Ministerium für Ar-beit, Soziales, Familie und Gesundheit in Rheinland-Pfalz et al. 2008) wird die Funktion der HPK näher ausgeführt. Sie besteht darin, „eine effektive und effiziente sowie fachlich sich auf dem aktuellen Stand befindende verantwortbare, wirtschaftliche Umsetzung von Hilfen für be-hinderte Menschen sicherzustellen“ (a.a.O.: 2). Des Weiteren wird in dem Papier eine Musterge-schäftsordnung vorgestellt. Die Teilhabekonferenz wird vom Leistungsträger oder einer beauf-tragten Person geleitet. Ständige Mitglieder sind die Leistungserbringer der Region und die Leis-tungsträger. Die Person, deren Teilhabplan beraten wird, kann an der Sitzung teilnehmen und eine Person des Vertrauens hinzuziehen. Eingeladen werden auch die Dienste, die in die Erbrin-gung der individuellen Teilhabeleistungen involviert sind. Auch im Hilfeplanverfahren des Landschaftsverbandes Rheinland spielen die Hilfeplankonfe-renzen eine zentrale Rolle. Für die Hilfeplankonferenz werden die Angaben im Hilfeplan zu ei-nem speziellen Bogen zusammengefasst. Darin werden neben Daten zu Person die bisher bewil-

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ligten Leistungen, die beantragten Leitungen und die damit verbundenen Ziele aufgelistet. Der Bogen wird durch das Fallmanagement des LVR vorbearbeitet und in der HPK auf die Plausibi-lität hin geprüft (vgl. Landschaftsverband Rheinland 2010: 55ff). Der LVR hat eine Musterge-schäftsordnung entwickelt und in den Mitgliedskörperschaften implementiert (Landschaftsver-band Rheinland 2005). Die HPK dient demnach der „Zusammenführung der regionalen Fach-kompetenz“ und verfolgt das Ziel, „dass Menschen mit Behinderungen die für sie erforderlichen Hilfen an ihrem Lebensort erhalten“ (a.a.O.: 1). In der Geschäftsordnung wird der Kreis der ständigen Teilnehmer festgelegt und auf max. zwölf Personen begrenzt. Die Hilfeplankonferen-zen können nach Zielgruppen und nach Regionen / Sektoren differenziert durchgeführt werden. Die Geschäftsführung der HPK obliegt dem LVR, es kann jedoch eine Arbeitsteilung mit dem örtlichen Träger der Sozialhilfe oder dem Gesundheitsamt vereinbart werden. In Abstimmung mit dem örtlichen Träger beauftragt der LVR die Moderation. Den Antragstellern ist die Teil-nahme zu ermöglichen. Sie können sich durch eine Person des Vertrauens begleiten oder vertre-ten lassen.

1.4. Hilfeplankonferenzen in Hessen

In Hessen stellen sich die Hilfeplankonferenzen uneinheitlich dar, da sie sich unter der Ge-schäftsführung der jeweiligen Kommune regional sehr unterschiedlich entwickelt haben. Durch die hessische Vertragskommission wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um eine Rahmenver-einbarung für die Hilfeplankonferenzen zu erarbeiten. Diese Arbeit ist noch nicht abgeschlossen. Seitens des LWV Hessen wurden zwischenzeitlich Vorschläge zur Weiterentwicklung zur Dis-kussion gestellt. Im Eckpunktepapier zur Weiterentwicklung personenzentrierter Hilfen, das für die Erprobung von PerSEH grundlegend ist, wird auf die noch zu erstellende Rahmenvereinbarung verwiesen. In der Praxis gelten die bereits eingeführten Geschäftsordnungen auf der Grundlage weiterer Vereinbarungen weiter. Im Landkreis Fulda und im Werra-Meißner-Kreis gab es bereits vor der Erprobung eine Geschäftsordnung für die HPK im Bereich der Hilfen für Menschen mit seeli-schen Behinderungen. Für die Erprobung wurde festgelegt, dass alle ITP und alle Fortschreibun-gen von ITP in der HPK beraten werden. Damit wurde das im Praxistest Wiesbaden praktizierte Verfahren übernommen. Hilfeplankonferenzen im Projekt Leistungsfinanzierung und im Praxistest Der Bericht zum Projekt ‚Leistungsfinanzierung‘ von 2007 nimmt Bezug auf das von der Aktion für Psychisch Kranke entwickelte Modell der Hilfeplanung und -erbringung als Prozess im Rahmen des IBRP (vgl. Gromann 2004: 3).

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Abbildung 1: Hilfeplanung als Prozess (Bremauer 2007: 6)

Als Aufgaben der Hilfeplankonferenz wird die Klärung der folgenden Fragen benannt: „1. Wer erbringt die Leistungen? 2. Wer hat die Durchführungsverantwortung? 3. Wer hat die Prozessverantwortung und koordiniert die Leistungen?“ (ebenda) Im Projektbericht wird herausgestellt, dass in der Hilfeplankonferenz die Verantwortung für die Einhaltung der Budgets kooperativ wahrgenommen wurde und die HPK sich somit als Steue-rungsgremium erwiesen hat (a.a.O.: 43). Im Projektbericht zum ‚Praxistest‘ wird ausgeführt, dass bestimmte Aufgaben der Zeiteinschät-zung von der Hilfeplankonferenz übernommen werden (vgl. Bremauer 2009: 42f). Es wird her-vorgehoben, dass die Verantwortlichen der Hilfeplankonferenz in die Lenkungsgruppe des Pro-jektes einbezogen waren, um die Hilfeplankonferenz von Steuerungsaufgaben zu entlasten. Zu den Aufgaben der Hilfeplankonferenz wird weiter ausgeführt: „Die Aufgaben der Hilfeplankon-ferenz beinhalten die Steuerung des Zugangs, der Vernetzung, der Koordination und die Be-obachtung des Verlaufs der Teilhabeleistungen im Einzelfall. Ergebnisse aus der Hilfeplankonfe-renz bilden die Grundlage für die Steuerung und gemeinsame Gestaltung der in der Region zur Verfügung stehenden Leistungen der Teilhabe für Menschen mit Behinderungen“ (Bremauer 2009: 65). Es wird angeregt, die Mitglieder von Hilfeplankonferenzen regelmäßig hinsichtlich des Themenbereiches ‚Personenzentrierter Leistungssystematik‘ zu schulen. Ausschreibung zur Evaluation der Erprobungsphase In der Ausschreibung der wissenschaftlichen Untersuchung der Erprobungsphase der Personen-zentrierten Steuerung der Eingliederungshilfe in Hessen (PerSEH) wird die Aufgabenstellung der Hilfeplankonferenz ausführlich beschrieben (vgl. Punkt 3.2). Die Ausführungen orientieren sich am Empfehlungspapier zur Durchführung von Belegungskonferenzen / Hilfeplankonferen-zen, das von der Fachkommission Betreutes Wohnen beschlossen wurde (vgl. Fachkommission

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Betreutes Wohnen 2006). Da diese Beschreibung grundlegend für die Erarbeitung der Beobach-tungsbögen war, sollen die Ausführungen hier vollständig wiedergegeben werden.

„Die Hilfeplankonferenz (HPK) ist vor dem Hintergrund ausgerichtet, individuell die für den Menschen mit Behinderung angemessenen Hilfen zu beraten, erforderliche Leistungen zu empfehlen und deren zeitnahe Sicherstellung – insbesondere bei Komplexleistungen – ge-währleisten. Die Hilfeplankonferenz berät zielgruppenspezifisch für eine Region über Neu- und Verlängerungsanträge (SGB XII) in den Bereichen „Wohnen“ und „Gestaltung des Ta-ges“, soweit Sachleistungen beantragt wurden. Durch die Nutzung der Kompetenz der regio-nalen Hilfeplankonferenzen soll die Zugangs- und Verlaufssteuerung verbessert werden. Wichtige Arbeitsgrundlagen der HPK sind: • Die träger- und einrichtungsübergreifende Kooperation. • Die Versorgung in der Herkunftsregion. • Der Leistungsberechtigte – und sein gesetzlicher Betreuer mit dem entsprechenden Wir-

kungskreis – hat ein Recht auf Teilnahme an der HPK. Zu regeln ist, dass auf Wunsch des Leistungsberechtigten auch eine Person seines Vertrauens teilnehmen kann. Die akti-ve Teilnahme des Leistungsberechtigten darf nicht nur ein auf dem Papier stehendes Recht sein, sondern muss geeignet unterstützt werden.

• Das Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten ist im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen sicherzustellen; dies gilt insbesondere für den Ort der Leistungserbrin-gung. Einzubeziehen sind die Kontextbedingungen im Sinne der ICF (Lebensfeldbezug der Hilfen).

Basis ist die vorgelegte schriftliche Teilhabeplanung (ITP Hessen). Nach der Beratung spricht die HPK eine Empfehlung für eine erforderliche Leistung sowie deren Volumen aus. Dies ge-schieht insbesondere durch • die Empfehlung einer geeigneten, auf den individuellen Hilfe- und Förderbedarf zuge-

schnittenen Betreuungsleistung im Leistungsbereich „Wohnen“ – evtl. auch in der Form eines Persönlichen Budgets;

• die Empfehlung einer geeigneten, auf den individuellen Hilfe- und Förderbedarf zuge-schnittenen Leistung im Leistungsbereich „Gestaltung des Tages“ – evtl. auch in der Form eines Persönlichen Budgets;

• die Empfehlung und die Absprache, durch wen welche Leistung erbracht werden soll; • die Erleichterung eines Überganges in ambulante Betreuungsangebote; • die Empfehlung von nicht-professionellen Hilfen, Hilfen anderer Leistungsträger, sonsti-

ge Hilfen zur Gestaltung des Kontextes. Durch die gemeinsame inhaltliche Arbeit und Transparenz in den Hilfeplankonferenzen ent-stehen über den Einzelfall hinaus positive Effekte: • gemeinsame und einheitliche Bewertung von Bedarfen in Einzelfällen; • die Erfassung freier und frei werdender Betreuungskapazitäten; • die Feststellung von qualitativen und quantitativen Versorgungslücken und • eine Rückkopplung in die regionale Planungskonferenz; • die Vernetzung der Angebote im Landkreis bzw. in der kreisfreien Stadt. • Intensivierung der fachlichen Zusammenarbeit und des Austauschs vor Ort.

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Die Erreichung der Ziele, Kompetenzen und Ergebnisse bedarf einer Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung. So sind Festlegungen zu der Arbeitsweise der HPK (z. B. Sitzungs-turnus, Zeit pro Fall, Anzahl der Teilnehmer) und zur Schulung sowie zur Dokumentation und Controlling zu treffen. Eine sowohl fallbezogene als auch fallübergreifende standardisierte Dokumentation ist zu entwickeln, die einerseits dazu dient, die Geschäftsführung der HPK zu unterstützen, anderer-seits Daten für die Sozialplanung bereitstellt.“ (Landeswohlfahrtsverband Hessen 2009: 10f)

2 Durchführung der teilnehmenden Beobachtungen

Aufgrund der zentralen Bedeutung für das Projekt PerSEH und die Evaluation wurde eine mög-lichst häufige teilnehmende Beobachtung der Hilfeplankonferenzen angestrebt. Die teilnehmen-den Beobachtungen wurden von den beiden wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen im Projekt auf der Grundlage von einheitlichen und standardisierten Beobachtungsprotokollen durchgeführt, die sich sowohl auf die gesamte Hilfeplankonferenz als auch auf die Besprechung einzelner Teilha-bepläne beziehen. Die Beobachterinnen haben die Erhebungen zunächst gemeinsam durchge-führt, um die Grundlagen ihrer Einschätzung anzugleichen und nach dieser Phase in Fulda alter-nierend bzw. im Werra-Meißner-Kreis oder in Wiesbaden die HPK beobachtet. Die Beobachtun-gen beziehen sich allein auf die Hilfeplankonferenzen. Dies bedeutet, dass sich die Mitarbeite-rinnen des ZPE in der Regel nicht durch die Kenntnis der individuellen Teilhabepläne auf die Sitzung vorbereiten. Sie halten aufgrund des Datenschutzes während der Sitzung auch keine per-sonenbezogenen Daten fest. Eine Verknüpfung zu anderen Arbeitsschritten im Rahmen der Eva-luation wie z. B. der anonymisierten Auswertung von Hilfeplänen findet nicht statt. Die Beobachtungsbögen standen für alle Beteiligten während des Projektes auf der Projekt-homepage (www.evaluation-perseh.uni-siegen.de) unter ‚Dokumente und Downloads‘ zur Ver-fügung. Sie stehen auch jetzt noch interessierten Leser/innen zur Verfügung. 3 Ausgewertete Hilfeplankonferenzen

Im Untersuchungszeitraum wurden insgesamt 57 Hilfeplankonferenzen im Zeitraum vom 28. April 2010 bis 1. März 2011 ausgewertet. Im Werra-Meißner-Kreis ist die Zielgruppe der Men-schen mit geistiger Behinderung nicht in die Erprobung einbezogen. Im Rahmen der besuchten Hilfeplankonferenzen konnten 926 Besprechungen von Teilhabeplänen erfasst werden. Diese verteilen sich wie folgt: Tabelle 1: Beobachtete HPK (in Klammern: Anzahl der beobachteten Einzelfallbesprechungen) Menschen mit seeli-

scher Behinderung Menschen mit geisti-ger Behinderung

Menschen mit körper-licher Behinderung

Landkreis Fulda 11 (235) 13 (188) 3 (38)

Werra-Meißner-Kreis 10 (213) 0 2 (32)

Stadt Wiesbaden 6 (116) 7 (78) 2 (26)

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Im folgenden Text werden häufig Mittelwerte für Einschätzungen der Beobachterinnen angege-ben. Den Mittelwerten liegt in allen Fällen eine vierstufige Skala mit folgenden Ausprägungen zugrunde:

1 = trifft in jeder Hinsicht zu, 2 = trifft mit Einschränkungen zu, 3 = trifft eher nicht zu, 4 = trifft überhaupt nicht zu.

Falls die Beobachterinnen keine Einschätzung abgeben können, wird dies gesondert vermerkt und nicht in die Bewertung einbezogen. In den Auswertungen wird zumeist nach Regionen und Zielgruppen unterschieden. Außerdem wurden die Beobachtungen in zwei etwas gleich lange Zeiträumen unterteilt vom 28. April 2010 bis 2. September 2010 und vom 10. September 2010 bis zum 1. März 2010, um Unterschiede zwischen den früheren und späteren Hilfeplankonferenzen untersuchen zu können. Die auch in diesem Dokument verwendeten Bezeichnungen ‚Menschen mit geistiger Behinde-rung‘ ebenso wie die Bezeichnung ‚Menschen mit seelischer Behinderung‘ stoßen angesichts stigmatisierender Wirkungen auf Kritik. Insbesondere von Menschen mit Behinderung selbst wird stattdessen der Verwendung ‚Menschen mit Lernschwierigkeiten‘ und ‚Menschen mit psy-chischen Erkrankungen oder Beeinträchtigungen‘ der Vorzug gegeben. Im Rahmen dieses Be-richtes wird die Begrifflichkeit ‚geistige‘ bzw. ‚seelische Behinderung‘ jedoch beibehalten, um den Bezug auf die gesetzlichen Bestimmungen zur Eingliederungshilfe in § 53 SGB XII zu ver-deutlichen. Zum Zwecke der Übersichtlichkeit wurden in den Tabellen teilweise die üblichen Abkürzungen ‚GB‘ für geistige Behinderung, ‚SB‘ für seelische Behinderung, ‚KB‘ für körperliche Behinde-rung und AIDS / HIV und ‚LB‘ für Leistungsberechtigter benutzt. Wenn in diesem Bericht von Hilfeplankonferenzen und Teilhabeplänen für Menschen mit seelischen Behinderungen die Rede ist, schließt dies Menschen mit chronischen Suchterkrankungen ein. In diesem Bereich gibt es in allen drei Regionen eine übergreifende Hilfeplankonferenz. 4 Beobachtung der Hilfeplankonferenzen

Aufgrund der für statistische Zwecke geringen Anzahl der beobachteten Hilfeplankonferenzen ist es nur begrenzt möglich, Auswertungen nach Regionen und Zielgruppen vorzunehmen. So-weit dies möglich ist, werden Tendenzen zur unterschiedlichen Entwicklung angegeben. In die zwischen den Regionen vergleichenden Auswertungen werden nur die in allen drei Regionen stattfindenden Hilfeplankonferenzen für Menschen mit seelischen und körperlichen Behinderun-gen einbezogen. Die in diesem Kapitel zusammengefassten Beobachtungen beziehen sich auf den Gesamteindruck der HPK.

4.1. Dauer der Sitzungen

Die beobachteten Hilfeplankonferenzen dauerten zwischen 2 Stunden und 20 Minuten und 7 Stunden und 25 Minuten, im Durchschnitt etwa 4 Stunden 30 Minuten. Die Hilfeplankonferen-zen im Bereich der Hilfen für Menschen mit geistiger Behinderung dauern im Durchschnitt et-was länger als die Hilfeplankonferenzen in den anderen Zielgruppen. In Wiesbaden dauern die Hilfeplankonferenzen deutlich kürzer (im Schnitt 3 Stunden 30 Minuten) als im Landkreis Fulda und im Werra-Meißner-Kreis (im Schnitt 4 Stunden 45 Minuten), was an der Anzahl der zu bera-tenden Teilhabpläne liegt.

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Es wurden mindestens sechs und maximal 29 Individuelle Teilhabeplanungen beraten, im Durchschnitt 16. Dies ist zugleich der am häufigsten angegebene Wert. In HPK der Zielgruppe ‚Menschen mit einer seelischen Behinderung‘ werden im Schnitt 19 ITP, in HPK der Zielgruppe ‚Menschen mit geistiger Behinderung‘ im Schnitt 13 und in HPK der Zielgruppe ‚Menschen mit einer körperlichen Behinderung‘ im Schnitt 13 ITP beraten. In Wiesbaden werden durchschnitt-lich 15, im Landkreis Fulda und im Werra-Meissner durchschnittlich 20 Teilhabepläne beraten. Unterteilt man die Beobachtungsphase in zwei Zeiträume, so lässt sich feststellen, dass die Dauer und die Anzahl der beratenen Teilhabepläne leicht zunehmen. Es lässt sich ein schwach signifikanter Zusammenhang zwischen der Dauer der Sitzung und der Anzahl der beratenen Teilhabeplanungen nachweisen (r=0,4451). Dieser nicht sehr ausgeprägte Zusammenhang lässt jedoch darauf schließen, dass es andere wichtige Faktoren für die Dauer der Hilfeplankonferenzen gibt.

4.2. Größe der Gremien

Die Anzahl der ständigen Teilnehmer in den Hilfeplankonferenzen bewegt sich zwischen fünf und 17 Personen, der Durchschnitt liegt bei etwa zehn Teilnehmern. Seitens des LWV Hessen nehmen meistens zwei Personen teil, in einem Drittel der beobachteten HPK auch drei Personen. Die Kommune ist meist durch eine Person vertreten, in knapp einem Drittel der beobachteten HPK ist kein Vertreter der Kommune anwesend. Die verschiedenen Leistungsanbieter sind in den beobachteten Konferenzen mit mindestens zwei und maximal 13 Personen, im Durchschnitt durch sechs Personen vertreten. Deutliche Unterschiede weist die Teilnahme von Vertretern der Kommune auf. Im Werra-Meißner-Kreis erfolgte eine Teilnahme durchgängig, in den meisten Fällen durch zwei Personen. In Wiesbaden war die Kommune fast durchgängig in den Hilfeplankonferenzen für Menschen mit seelischer und geistiger Behinderung vertreten, hingegen nicht in den beiden beobachteten Konferenzen für Menschen mit körperlichen Behinderungen. In Fulda erfolgt eine Teilnahme nur in etwa der Hälfte der Konferenzen, häufiger im Bereich der Hilfen für Menschen mit seeli-scher und körperlicher Behinderung und seltener im Bereich der Hilfen für Menschen mit geisti-ger Behinderung. In Fulda lässt sich auch ein Rückgang der Teilnahme in den beiden Beobach-tungsphasen von 70% auf 30% der Sitzungen feststellen. Eine Differenzierung der Auswertung nach Zielgruppen zeigt eine Teilnehmerzahl von sieben Personen bei den beobachteten HPK für Menschen mit körperlichen Behinderungen und höhere Teilnehmerzahlen bei den HPK für Menschen mit geistiger Behinderung (im Durchschnitt neun Personen) und mit seelischer Behinderung und Suchterkrankungen (im Durchschnitt zehn bis elf Personen).

4.3. Die Arbeit der HPK

Die Atmosphäre wurde von den Beobachterinnen des ZPE insgesamt – bis auf drei Ausnahmen – als positiv wahrgenommen. Die Gesprächsatmosphäre wird bis auf wenige Ausnahmen als offen bezeichnet. Die Beteiligung der Mitglieder wird in drei Vierteln der Sitzungen als sehr oder überwiegend konstruktiv beschrieben. Die Hilfeplankonferenzen sind davon geprägt, dass sich die ständigen Teilnehmer untereinander kennen. Dies führt in den meisten Fällen zu einer har-

1 Der Wert ‚r‘ bezeichnet die Intensität der Korrelation. Er kann zwischen 0 und 1 liegen. Je näher er an dem Wert 1 liegt, desto stärker die Korrelation. Ab einem Wert von 0,3 spricht man von einer schwach signifikanten Korrelati-on.

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monischen und konstruktiven Arbeitsatmosphäre, allerdings entsteht bei den Beobachterinnen auch der Eindruck, dass dies zu einer wechselseitigen Konfliktvermeidungsstrategie führt, die Dynamik aus der Plausibilitätsprüfung nimmt. Dies wird beispielsweise darin deutlich, dass in den PerSEH-Regionen kein einziges Mal von Seiten der ständigen Teilnehmer Hinweise auf inadäquate Formulierungen bei der Vorstellung oder Optimierungsbedarf des pädagogischen Vorgehens gegeben wurden. Insbesondere im Bereich der körperlichen und geistigen Behinde-rung sind jedoch, die durch die HPK entstandenen persönlichen Kontakte und das damit einher-gehendes Wissen über die Angebote in der Region und Impulse zur Vernetzung als positive Wirkung zu werten. Nur in einem Drittel der beobachteten HPK wurde wahrgenommen, dass eine intensive Diskus-sion den Gesamteindruck der Sitzung geprägt hat. In jeweils etwa einem weiteren Drittel der Konferenzen war dies eher nicht oder überhaupt nicht der Fall. Dennoch kamen die Teilnehmer zumeist zu einer einheitlichen Bewertung von Hilfebedarfen in Einzelfällen. In 39 beobachteten Sitzungen war dies durchgängig der Fall, in den verbleibenden 15 HPK trifft diese Einheitlich-keit mit Einschränkungen zu. Unterschiede in den beiden Beobachtungszeiträumen lassen sich bei keiner der die Atmosphäre beschreibenden Variablen feststellen. Eine ‚eher nicht konstruktive Beteiligung‘ wird am häu-figsten in Hilfeplankonferenzen im Bereich der Hilfen für Menschen mit geistiger Behinderung wahrgenommen, eine intensive Diskussion ist in diesem Bereich hingegen deutlich seltener wahrzunehmen als in den Hilfeplankonferenzen für Menschen mit seelischen und körperlichen Behinderungen. Die beste Arbeitsatmosphäre konnte bei den Hilfeplankonferenzen im Werra-Meißner-Kreis be-obachtet werden. Hier findet auch die intensivste Diskussion statt (Mittelwert 1,88) (nur HPK im Bereich der Hilfen für Menschen mit körperlichen und seelischen Behinderungen). Die Rolle der Sitzungsleitung wird nach der Wahrnehmung der Beobachterinnen unterschiedlich ausgefüllt. In vielen HPK (23 insgesamt, davon 17 im Bereich der Hilfen für Menschen mit see-lischer Behinderung) wird die Sitzung auf die Leitlinien der ‚Personenzentrierung‘ hin bezogen geleitet. In anderen Fällen (13) ist eine fallbezogene fachliche Beteiligung der Leitung erkenn-bar, in anderen Fällen (zehn) beschränkt sich die Leitung auf Aufgaben der Moderation. Die Be-obachtungskategorien ‚passiv – zurückhaltend‘ oder ‚verteidigend‘ wurden vom Evaluations-team nicht gewählt, in anderen Sitzungen konnte eine Zuordnung nicht vorgenommen werden (z. B. in Fällen, in den die Leitung während der Sitzung wechselte). In einigen Sitzungen (insgesamt zwölf) waren deutlich Wortführer zu erkennen. Diese Rolle wurde sowohl von Vertretern von Einrichtungen und Diensten, als auch von Vertretern der Kommune oder Vertretern des LWV Hessen wahrgenommen. Spätestens eine Woche vor den HPK wurden Einladungen mit einer Tagesordnung, auf der die Namen von Leistungsberechtigten, deren Teilhabearrangements zu besprechen waren, versandt. In einigen HPK geben Schilder mit Namen und Zugehörigkeit zu den Institutionen Auskunft für die teilnehmenden Leistungsberechtigten. Nach einer offiziellen Begrüßung durch die Geschäfts-führung wird meist Organisatorisches besprochen, kurz vor der Verabschiedung zu Ende der Sitzung ebenfalls. Dazu gehört z.B. eine regelmäßige Aktualisierung der Erhebung der belegten Plätze und der nach Dringlichkeit geführten Wartelisten. Die auf der Tagesordnung stehenden Teilhabearrangements werden – mit dem Fokus auf mög-lichst geringe Wartezeiten für teilnehmende Leistungsberechtigte – auf ihre Plausibilität hin ge-prüft. Dafür wurden in jeder der Regionen zielgruppenspezifisch Vereinbarungen über die

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Schwerpunkte bei der Vorstellung getroffen. Ebenso unterscheidet sich der Rahmen für die Be-sprechung in den einzelnen HPK. In manchen Gremien werden regelhaft einige ITP-Seiten (z.B. die Seite 2 des ITP, die alten Ziele des letzten ITP sowie die Zeitberechnung des aktuellen ITP) in Kopie für jeden Teilnehmenden zur Mitverfolgung ausgeteilt (vgl. Tabelle 5). Aus Gründen der Datensicherheit werden diese nach der einzelnen Vorstellung wieder eingesammelt. In ande-ren werden bei neuen oder problematisch erscheinenden Fällen einzelne ITP und / oder Zeiter-fassungsbögen mit der Tagesordnung versandt. Auch wenn in den im Rahmen der Evaluation geführten Interviews und Gesprächen immer wie-der die Plausibilitätsprüfung als Sinn und Zweck der HPK genannt wird, werden kritische Rück-fragen in der Regel von Vertretern der Leistungsträger (also in erster Linie dem LWV Hessen, aber auch dem Gesundheitsamt) gestellt. Rückfragen der ständigen Teilnehmer zielen eher auf das Honorieren der Fortschritte der Leistungsberechtigten oder die Empfehlung additiver Leis-tungen im Rahmen der Teilhabearrangements ab. Neben diesen organisatorisch - strukturellen Ähnlichkeiten gibt es aber auch nach Zielgruppe und / oder Region deutlich unterschiedliche Entwicklungen der HPK, da immer wieder Informa-tionen zu PerSEH, den HPK und ITP gegeben werden und Absprachen getroffen werden. Diese Absprachen beziehen sich z.B. darauf, in einzelnen HPK bei Neufällen oder schwierigeren Fäl-len die ITP und Zeiterfassungsbögen mitzuschicken (vgl. oben), so dass sich alle Teilnehmer der HPK auf die Plausibilitätsprüfung dezidiert vorbereiten können oder darauf, dass in einigen Hil-feplankonferenzen für Menschen mit sog. geistiger Behinderung ein Einzelfallprotokoll in Leich-ter Sprache erprobt wird. Zudem wurden regional spezifische Vereinbarungen über den Ablauf und Fokus der Vorstellungen getroffen. Bisher konnte nur im Bereich der Menschen mit psychischer Behinderung im Werra-Meißner-Kreis beobachtet werden, dass einer HPK in schwierigen Fällen Fallkonferenzen vorgeschaltet werden, um gemeinsam individuelle, integrierte Teilhabearrangements zu kreieren. Die HPK erscheint tendenziell als Gremium, in dem die vorstellenden Personen antreten, um die Leistungen in der vorgeschlagenen Form gegenüber Einwänden des Leistungsträgers zu vertei-digen. Eine Plausibilitätsprüfung der Teilhabearrangements und des Vorgehens wird oft auf den Abgleich mit vorhandenen Angeboten reduziert. Die Anregung, aufgrund eines besprochenen individuellen Bedarfs Angebote kreativ, flexibel oder übergreifend zu entwickeln, ist fast nie zu beobachten. Konsequenzen bei nicht plausiblen oder unstrukturierten Schilderungen von integrierten Teilha-bearrangements oder von Einwänden werden selten festgehalten, der Umgang damit hängt vom jeweiligen Gremium ab. Änderungen, die von der HPK empfohlen werden, beziehen sich meist auf Veränderungen beim Bewilligungszeitraum. Eine konkrete Weiterentwicklung von Angebo-ten, die in der HPK vereinbart wurde, konnte nur in Ausnahmefällen beobachtet werden. Anre-gungen zur Weiterentwicklung individueller Teilhabearrangements zielen i.d.R. auf zusätzliche Leistungen ab. Vereinzelt wurde in beiden PerSEH – Regionen angeregt, weitere Leistungsträger wie z.B. Vertreter des Jugendamts oder von Pflege- oder Krankenkassen mit in die HPK einzu-laden.

4.4. Kooperation

Die Kooperation in den Beratungsgesprächen kann als lösungsorientiert und nutzerorientiert be-zeichnet werden. Hinsichtlich der darauf bezogenen Beobachtungfragen erreichen die Einschät-zungen auf der vierstufigen Skala (s.o.) Mittelwerte von 1,85 und 1,71. In den weiteren für die Kooperation sehr bedeutsamen Fragen hingegen werden lediglich Mit-telwerte von mindestens 3 erreicht.

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Bezogen auf die drei Regionen weichen die Werte voneinander ab. Allerdings ist die Tendenz gleich, dass hinsichtlich der ersten fünf Kategorien durchgängig eher der Wert 3 oder 4 und hin-sichtlich der beiden letzten Kategorien häufiger der Wert 1 oder 2 gewählt wurde. Auch eine Differenzierung nach den verschiedenen Zielgruppen bringt keine wesentlichen Veränderungen. Im Bereich Hilfeplankonferenzen für Menschen mit körperlichen Behinderungen ist die oben beschriebene Tendenz am deutlichsten ausgeprägt, in den Hilfeplankonferenzen für Menschen mit seelischer Behinderung etwas geringer. Eine Unterscheidung zwischen zwei Beobachtungs-phasen ergibt leichte Abweichungen, die aber bei den einzelnen Beobachtungskategorien in un-terschiedliche Richtungen gehen. Tabelle 2: Indikatoren zur Kooperation in der Hilfeplankonferenz Indikatoren zur Beobachtung Mittelwert (1) Es wird in der heutigen Sitzung ein breites Spektrum an

Unterstützungsmöglichkeiten in die Beratungen einbezogen. 3,15

(2) Es wird im Bedarfsfall intensiv erörtert, ob bzw. wie die Leistung außerhalb von stationären Einrichtungen erbracht werden kann.

3,42

(3) Es werden in der heutigen Sitzung Unterstützungsmöglichkeiten beraten, die nicht der Behindertenhilfe zuzuordnen sind.

3,44

(4) Es werden mehrfach einrichtungsübergreifende Hilfearrangements erörtert. 3,25

(5) Es werden mehrfach trägerübergreifende Hilfearrangements erörtert. 3,35 (6) Die Beteiligten suchen in schwierigen Situationen gemeinsam nach

Lösungen. 1,85

(7) Das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten wird regelmäßig in die Erörterungen einbezogen.

1,71

Die Beobachtungen unterscheiden sich nach den Regionen. Den Aussagen in der Tabelle konnte von den Beobachterinnen durchweg am häufigsten in Wiesbaden zugestimmt werden, gefolgt von den Beobachtungen im Werra-Meißner-Kreis. Die Einschätzungen zu den Aussagen 1, 2 und 3 erreichen in Bezug auf die Hilfeplankonferenzen in Fulda (nur für Menschen mit körperli-chen und seelischen Behinderungen) hingegen den Mittelwert von 3,5. Rollen der Teilnehmer Die teilnehmende Beobachtung der Hilfeplankonferenzen beinhaltet auch die Beschreibung der Rollen, die die Leistungsberechtigten und ständigen Teilnehmer im Laufe der Sitzung einnah-men. Es wurden sehr vielfältige und individuelle Rollen beobachtet, die die teilnehmenden Leistungs-berechtigten einnahmen. Die facettenreiche Palette der eingenommenen Rollen reicht von ‚sehr wertgeschätzt, aktiv und selbstbestimmt‘ bis hin zu einem ‚stillen Beisitzer‘ der eigenen ITP-Vorstellung. Am häufigsten wurden jedoch die folgenden beiden Rollenkonstellationen festge-halten: der Leistungsberechtigte wird auf Augenhöhe einbezogen und vom Gremium wertge-schätzt wahrgenommen. Dies steht meist in Verbindung damit, dass der Leistungsberechtigte seine Wünsche und Bedarfe selbst einbringt. Zudem wurde sehr häufig beobachtet, dass der/dem anwesende/n Leistungsberechtigte/n die Rolle zukommt, die Vorstellung der professionellen Begleitung zu bestätigten. Dies erfolgte sehr häufig in Form von eher rhetorisch anmutenden Nachfragen wie ‚Stimmt doch so, oder?‘.

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In mehreren Fällen konnte beobachtet werden, dass Leistungsberechtigte verhältnismäßig lange und ohne vorgegebene Strukturen berichteten. In anderen Sitzungen erfolgte durch gezielte Fra-gen oder auch das Unterbrechen eines Redeflusses eine klare zeitliche und / oder inhaltliche Strukturierung der persönlichen Vorstellung. Die Rollenmuster änderten sich von einer zur nächsten Einzelfallvorstellung. Zudem kann auch innerhalb einer zielgruppenspezifischen HPK in einer der Beobachtungsregionen kein einheitli-cher Umgang mit bestimmten Verhaltensweisen beobachtet werden. Hieraus kann der vorsichti-ge Rückschluss gezogen werden, dass die Art und Weise der Teilnahme stark von der Persön-lichkeit des Leistungsberechtigten selbst sowie von dessen Kontakt zur vorstellenden professio-nellen Begleitung mit dem Leistungsberechtigten abhängt. Die beobachteten Rollen der Vertreter des Leistungsträgers LWV Hessen sind ebenfalls ver-schieden, wobei sich die Zuschreibungen ‚Sitzungsleitung‘, ‚Sachbearbeitung‘ und ‚Protokol-lant‘ sehr häufig wiederholen. Inhaltlich wurden diese Aufgaben sehr unterschiedlich ausgeübt. Häufig folgte die Moderation fachlichen Leitlinien. Manchmal wäre eine direktivere Gesprächs-führung unter anderem mit Blick auf den zeitlichen Rahmen hilfreich gewesen, wenn Vorstel-lungen ohne strukturierende Eingriffe ausuferten. In den meisten Fällen wurde die Sitzung durch kritisch-konstruktive (Nach-)Fragen zu den vorgestellten ITP geleitet. In manchen Sitzungen erschienen die Mitarbeiter des Leistungsträgers eher die Rolle eines ‚Prüfers‘ der vorgeschlage-nen Zeiten für das Vorgehen zu übernehmen, wohingegen sie in anderen Sitzungen inhaltlich im Rahmen der Einzelvorstellungen (mit-) berieten. Es konnte auch bei den teilnehmenden Mitarbeitern des Leistungsträgers kein durchgehend ein-heitliches Rollenmuster festgestellt werden. Auch bei ihnen scheint das jeweilige Ausfüllen der Rolle stark von der jeweiligen Persönlichkeit des Akteurs abzuhängen. Die Beobachtungen hinsichtlich der Rollen der einzelnen in der HPK anwesenden Vertreter der Leistungserbringer sind sehr vielfältig. Die Bandbreite der Ausprägungen erstreckt sich von ‚an-geregtem Austausch zum Bedarf, weder Konkurrenz noch Konflikte deutlich‘ über ‚bei Neufäl-len und Leistungsberechtigten aus dem eigenen Unterstützungsnetzwerk fachlich konstruktives Einbringen‘ bis hin zu ‚stillen Beobachtern‘. Es fällt auf, dass die ständigen Teilnehmer auf Leis-tungserbringerseite bei noch ‚ungeklärten Neufällen‘ oder ‚schwierigen Fällen‘ sehr aktiv disku-tieren und nach der bestmöglichen Lösung suchen, währenddessen das aktive Einbringen in die Besprechung von ‚Bestandsfällen‘ sehr variiert, in der Gesamtschau aber geringer ausfällt. Es sind sowohl gremium- als auch personenabhängige Unterschiede festzustellen. Teilweise wird eine bewusste Zurückhaltung deutlich, teilweise entsteht der Eindruck, dass das Denken über die bekannten Strukturen der Behindertenhilfe bzw. der eigenen Einrichtung hinaus sehr schwierig zu leisten ist. Das Maß an Innovation und Kreativität der Diskussionsbeiträge ist ausbaufähig. Eine aktive Rolle nehmen die ständigen Teilnehmer der HPK, die die Leistungserbringer vertre-ten, insbesondere dann ein, wenn sie selbst ITP vorstellen; wenn Kollegen vorstellen, bestätigen sie in der Regel den Bedarf wie auch das vorgeschlagene Vorgehen. Es wird in vielen Fällen deutlich, dass die Anwesenheit der Vertreter der Leistungserbringer als ‚vertrauensbildende Maßnahme‘ für teilnehmende Leistungsberechtigte zu sehen ist. Die Rolle der kommunalen Vertreter/innen in der HPK ist hessenweit noch nicht abschließend geklärt und erfolgt regional sehr unterschiedlich. Daher variieren die Rollen der kommunalen Vertreter/innen in den HPK am stärksten und es gibt regional sehr unterschiedliche Absprachen gibt. Im Werra-Meißner-Kreis besteht eine eigenen auf das Projekt bezogene Vereinbarung: die Kommune (Gesundheitsamt) übernimmt ab Herbst 2010 die Moderation, um diese Variante zu

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erproben. Die Moderation wurde fachlich-kompetent wahrgenommen, allerdings stellte es sich manchmal als schwierig dar, dass die/der Vertreter/in des Leistungsträgers nun i.d.R. allein in der HPK die Rolle von der Geschäftsführung und Protokollant inne hat. Die Mitarbeit der Kom-mune hat auf die Arbeit in der Kommune eine positive Wirkung. Aus Sicht der Evaluation hat sich der Versuch als praktikable Möglichkeit erwiesen, der dazu führt, dass die HPK einen hohen Stellenwert in der Optimierung der Teilhabeleistungen vor Ort bekommt. So wurde beispielswei-se von Vertretern der Kommune eine Reflektionsveranstaltung zur Weiterentwicklung der HPK im Kreis organisiert. In anderen Sitzungen bringen Vertreter der Kommune beispielsweise medi-zinische Aspekte als Fachberater in die Einzelfallberatung mit ein. Bei vielen Sitzungen im Landkreis Fulda und in Wiesbaden fehlt die kommunale Perspektive völlig. In Wiesbaden kommt die kommunale Seite für die Beratung der ‚Neufälle‘ hinzu. Es wird an Einzelfällen deut-lich, dass es sehr hilfreich und bereichernd für die Beratung sein kann, wenn ein Vertreter der örtlichen Ebene mit anwesend ist, da beispielsweise schon langjähriger Kontakt zum Leistungs-berechtigten oder der Familie im Rahmen der Arbeit des Gesundheitsamts besteht, so dass ein detailliertes Wissen über sozialräumliche Bezüge des Leistungsberechtigten für die Beratung ergänzend sehr hilfreich sein. Kontroversen in der Hilfeplankonferenz Den unterschiedlichen beobachteten Rollen liegen verschiedene, teilweise konfligierende Inte-ressen zu Grunde. Daher wurden im Rahmen der teilnehmenden Beobachtungen der Hilfeplan-konferenzen sowohl die Dispute wie auch der Umgang mit Kontroversen festgehalten. In 16 HPK wurden Kontroversen beobachtet. Überwiegend handelte es sich dabei um fachliche Kontroversen, bei denen es um das Verständnis eines bestimmten Sachverhalts ging, das zwi-schen zwei Parteien differierte (wie z.B. Vertretern des Leistungsträgers und der Leistungser-bringer). Ein Beispiel dafür war die taggenaue Abrechnung der anzurechnenden Zeiten, die eini-gen Leistungserbringern unbekannt war und woraufhin sich kontroverse Diskussionen entwickel-ten. In der Regel wurden die sich zeigenden unterschiedlichen Auffassungen und Probleme offen im Rahmen der Einzelfallvorstellungen HPK besprochen, oft in den Pausen vertieft oder am En-de einer HPK unter „Verschiedenes“ zur Klärung erneut aufgegriffen. Dabei wurde ein sachli-cher, konstruktiver und auf eine harmoniestiftende Schlichtung und Einigkeit ausgelegter Dis-kurs geführt. Nur selten erfolgte eine Vertagung oder ein Abbruch von Diskussionen, um die Tagesordnungen der HPK nicht zu sprengen. Vereinzelt wurden Themen in den folgenden HPK erneut aufgegriffen oder es wurde deutlich, dass außerhalb des Gremiums bi- oder trilaterale ergänzende Gespräche geführt wurden. Die auftretenden Kontroversen konnten nach Einschätzung der Beobachterinnen in der Regel geklärt werden, wobei kein standardisierter Ablauf zu beobachten war. Einige Fragen, wie z.B. die der Umgang mit der großen Anzahl von Umstellungs-ITP in der Hilfeplankonferenz für Menschen mit geistiger Behinderung in Fulda, wurden bewusst an andere Gremien weitergelei-tet, die diesbezüglich entscheidungsbefugt sind.

4.5. Steuerung der Angebotsentwicklung

Die Hilfeplankonferenzen tragen wahrnehmbar zur Entwicklung einer gemeinsamen Verantwor-tung für die Angebote in der Region bei, allerdings nicht zur Wahrnehmung einer gemeinsamen Verantwortung für die Ausgabenentwicklung. Diese Tendenz lässt sich aus der Auswertung zu den folgenden Indikatoren ablesen.

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Tabelle 3: Indikatoren zur Steuerung der Angebotsentwicklung durch die HPK Indikatoren zur Beobachtung Mittelwert (1) Die Beteiligten an dieser HPK sahen sich erkennbar in einer gemein-

samen Verantwortung für die Angebote in der Region. 2,10

(2) Die Beteiligten an dieser HPK sahen sich erkennbar in einer gemein-samen Verantwortung für die Entwicklung der Ausgaben der empfohle-nen Leistungen.

3,10

(3) Diese HPK trug zur Erfassung freier und frei werdender Unterstüt-zungskapazitäten bei.

2,31

(4) Qualitative und quantitative Versorgungslücken wurden so dokumen-tiert, dass sie in die regionale Planungskonferenz rückgekoppelt werden können.

2,81

Die Beobachtungsergebnisse sind zielgruppenübergreifend ähnlich. In den Hilfeplankonferenzen im Bereich der Hilfen für Menschen mit seelischer Behinderungen lässt sich etwas häufiger eine gemeinsame Verantwortung für die Entwicklung der Ausgaben (Item 2) erkennen, im Bereich der Hilfen für Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung lässt sich häufiger die Nut-zung der Hilfeplankonferenz zur Erfassung freier und frei werdender Unterstützungskapazitäten beobachten. Nur in Bezugnahme auf HPK für Menschen mit körperlichen und seelischen Behinderungen entsprechen die Aussagen 1 und 3 in Wiesbaden am häufigsten den Beobachtungen, die Aussa-gen 3 und 4 im Werra-Meißner-Kreis. 5 Beobachtungen zu einzelnen Teilhabeplänen in der Hilfeplankonferenz

Die Beratungen der einzelnen Integrierten Teilhabeplanungen in den beobachteten Hilfeplankon-ferenzen dauerten zwischen zwei und 60 Minuten. Die häufigste gemessene Dauer liegt bei zehn Minuten (286 von 926 Beratungen), der Mittelwert liegt bei 14 Minuten. Etwa die Hälfte der Beratungen dauern bis zu zwölf Minuten. Deutliche Unterschiede lassen sich dabei zwischen den Zielgruppen feststellen. Die Besprechung eines Teilhabeplanes für Menschen mit seelischer Behinderung dauert im Schnitt zwölf Minuten, die Besprechung eines Menschen mit einer körperlicher Behinderung dauern im Schnitt 16 Mi-nuten und die Besprechung von Plänen für Menschen mit einer geistigen Behinderung im Schnitt 20 Minuten. Wertet man die zielgruppenspezifische Dauer in den drei Regionen aus, so lassen sich nur minimale Unterschiede feststellen. Unterschiede zwischen den zwei Beobachtungspha-sen lassen sich nicht feststellen. Bei den meisten der beobachteten Einzelfallberatungen in den Hilfeplankonferenzen handelt es sich um Folgeplanungen, das heißt, dass die Personen bereits im System der Eingliederungshilfe bekannt waren. In diesem Sinne wurden 678 Folgeplanungen und 233 Neuplanungen erfasst. In 15 Fällen konnte diese Zuordnung nicht erfasst werden. Aus den Hilfeplankonferenzen in Wiesbaden fließen auch 13 Beratungen eines Individuellen Hilfeplans (IHP) und sieben Beratungen eines Integrierten Behandlungs- und Rehabilitations-plans (IBRP) ein. Aufgrund der geringen Zahl können diese nicht vergleichend in die Auswer-tung einbezogen werden.

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5.1. Einbeziehung der Leistungsberechtigten

Lediglich bei 251 aller Beratungen waren Leistungsberechtigte anwesend, was einem Anteil von 27,3% entspricht. Eine weitere Person des Vertrauens aus dem nicht-professionellen Umfeld war lediglich bei 89 Beratungen anwesend, was einem Anteil von 9,2% entspricht. Die Anwesen-heitsquote von Leistungsberechtigten ist in den drei Regionen und nach Zielgruppen sehr unter-schiedlich. Die seltenste Anwesenheit von Leistungsberechtigten ist in Fulda festzustellen. Hier nahmen lediglich 6,8% der Leistungsberechtigten an den Hilfeplankonferenzen für Menschen mit seelischer Behinderung teil, 21% an den Hilfeplankonferenzen für Menschen mit geistiger Behinderung und 15,8% an den Hilfeplankonferenzen für Menschen mit körperlichen Behinde-rungen. In den HPK in Wiesbaden und im Werra-Meißner-Kreis wurden höhere Anwesenheits-quoten beobachtet (Wiesbaden: SB: 33,6% und GB: 42,3%, KB hingegen 11,5%; Werra-Meißner-Kreis: SB: 43,8% und KB 74,2%). Unterteilt man den Beobachtungszeitraum in zwei Phasen, bleibt die Teilnahmequote insgesamt fast gleich. Unterscheidet man zusätzlich nach Regionen, lassen sich jedoch Unterschiede erken-nen. In Wiesbaden geht die die Teilnahmequote deutlich von 40% auf 28% zurück, im Werra-Meißner-Kreis geht sie leicht zurück von 51% auf 44% und im Landkreis Fulda steigt die Teil-nahmequote von 10,5% auf 15,9%. Bezogen auf Zielgruppen fallen zwei Veränderungen beson-ders auf. Die Teilnahmequote in Fulda in der Hilfeplankonferenz für Menschen mit geistiger Behinderung steigt von 12% auf 29,8%, während sie in Wiesbaden bei den Hilfeplankonferenzen für Menschen mit seelischer Behinderung von 40,3% auf 22,7% zurückgeht. In den Fällen, in denen die Leistungsberechtigten anwesend waren, kann ihre Einbeziehung nach der Einschätzung der Beobachterinnen in den meisten Fällen als gelungen bezeichnet werden, wie die nachfolgende Mittelwerttabelle der entsprechenden Indikatoren zeigt. Tabelle 4: Indikatoren zur Einbeziehung der Leistungsberechtigten (LB) Indikatoren zur Beobachtung Mittelwert (1) Der / die LB wurde begrüßt und angemessen eingeführt. (n=245) 1,22 (2) Der / die LB schien sich wohl zu fühlen. (n=218) 1,52 (3) Es bestand ausreichend Gelegenheit für den / die LB, sein / ihr Anlie-

gen vorzustellen. (n=227) 1,54

(4) Der / die LB bekam die Unterstützung, die sie / er brauchte, um sein Anliegen vorzustellen. (n=205)

1,58

(5) Die Anliegen des / der LB wurden von anderen TN aufgenommen. (n=230) 1,35

(6) Gemeinsam mit dem / der LB wurde eine Perspektive für die Hilfe entwickelt. (n=230) 1,75

(7) Im Ergebnis der Beratungen wurden die Anliegen des / der LB erkennbar aufgenommen. (n=216) 1,45

(8) Der/die LB wurde auf Augenhöhe in das Aushandeln ihrer / seiner Unterstützung einbezogen. (n=235)

1,53

5.2. Personenzentrierung

Hinsichtlich der Personenzentrierung lassen sich deutliche Unterschiede zwischen den Beobach-tungen in den drei Regionen und den Zielgruppen feststellen.

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Bei der Einschätzung des ersten Indikators ist zu berücksichtigen, dass die Vorabinformation der erstellten ITP-Formulare unterschiedlich gehandhabt wird. Betrachtet man, wie die Thematisierung unterschiedlicher Aspekte der ITP in den Hilfeplankon-ferenzen gelingt, so stehen die angesprochenen Beeinträchtigungen sehr stark im Vordergrund. Sie erreichen auf der Skala bis auf eine Ausnahme die niedrigsten Mittelwerte. Die Thematisie-rung der Ziele der Leistungsberechtigten gelingt ebenfalls in der Regel gut. Die Ressourcen und Fähigkeiten der Leistungserbringer werden nach den Einschätzungen der Beobachterinnen weni-ger intensiv angesprochen. Eine personen- und ressourcenorientierte Vorstellung der ITP gelingt in vielen Fällen, zeigt sich nach Wahrnehmung der Beobachterinnen jedoch noch als ausbaufä-hig. Die Mittelwerte werden zur Erläuterung nach Region und Zielgruppe vollständig dargestellt: Tabelle 5: Indikatoren zur Beobachtung der Personenzentrierung Indikatoren zur Beobachtung

Wiesbaden WMK Fulda SB

n=97 GB

n=62 KB

n=25 SB

n=208 KB

n=30 SB

n=228 GB

n=185 KB

n=36 (1) Die Teilnehmer/innen der

HPK waren über den Teilha-beplan informiert.

1,22 4,0 2,65 2,80 3,06 3,97 4,0 4,0

(2) Die im Teilhabeplan genann-ten Ziele des / der Leistungs-berechtigten wurden angespro-chen.

1,12 1,38 1,80 1,59 1,63 2,04 1,12 1,53

(3) Die im Teilhabeplan genann-ten personenbezogenen Res-sourcen wurden angesprochen.

1,50 1,85 1,50 2,41 2,41 2,17 1,56 2,14

(4) Die im Teilhabeplan ange-sprochenen Fähigkeiten wur-den angesprochen.

1,57 1,78 1,50 2,38 2,56 2,22 1,56 2,17

(5) Die im Teilhabeplan ange-sprochenen Beeinträchtigun-gen wurden angesprochen.

1,07 1,14 1,19 1,83 1,31 1,21 1,26 1,25

(6) Die den individuellen Bedarf vorstellende Person stellte den Bedarf personenzentriert und ressourcenorientiert dar.

1,72 1,68 1,31 1,76 2,27 1,90 1,94 1,86

(7) Die Zeiteinschätzung war Thema der HPK

1,94 1,63 1,19 3,39 3,75 2,51 2,72 2,81

(Da die Anzahl der Beratungen (n), in denen eine Einschätzung vorgenommen werden konnte, bezogen auf die Indikatoren variiert, wurde jeweils der niedrigste Wert übernommen.) Es lässt sich nur bedingt feststellen, dass sich die Anwesenheit der Leistungsberechtigten positiv auf Aspekte der Personenzentrierung auswirkt. Die Mittelwerte fallen in diesen Fällen, mit Aus-nahme des Indikators (5) etwas niedriger aus. Am größten ist der Unterschied bei Indikator (2), dem Bezug auf die Ziele der Leistungsberechtigten. Hier liegt der Mittelwert bei den Beratun-

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gen, an denen Leistungsberechtigte teilgenommen haben bei 1,17, bei den Beratungen, an denen Leistungsberechtigte nicht teilgenommen haben bei 1,68. Ein schwacher Zusammenhang lässt sich auch zwischen der Dauer der Beratungen und Aspekten der Personenzentrierung erkennen. Teilt man die Beratungsdauer in zwei Gruppen (bis zwölf Minuten und mehr als zwölf Minuten), so lässt sich beobachten, dass die Mittelwerte mit länge-rer Dauer niedriger werden. Dies gilt in diesem Falle auch für den Indikator (5), jedoch nicht für den Indikator (1). Daraus lässt sich ableiten, dass in längeren Beratungen relevante Aspekte der fachlichen Leitlinie der Personenzentrierung etwas stärker berücksichtigt werden. Unterschiede zwischen Erstplanung und Folgeplanungen lassen sich kaum feststellen. Es fällt auf, dass der Mittelwert hinsichtlich des Indikators (1) bei Erstplanung niedriger (2,94) ist als bei den Folgeplanungen (3,46), was dadurch zu erklären ist, dass die ITP bei Neuplanungen in Ein-zelfällen mit der Einladung und Tagesordnung zur Information der Teilnehmer versandt werden. Bei Folgeplanungen erreichen die Indikatoren (2), (3), (4), (6) und (7) etwas niedrigere Mittel-wert in den Einschätzungen. Ein Unterschied zwischen den beiden Beobachtungszeiträumen lässt sich bei den Auswertung zu diesem Punkt nicht feststellen.

5.3. Umfeldorientierung

Auch in diesem Bereich weisen die Beobachtungsindikatoren nach Regionen und Zielgruppen unterschiedliche Mittelwerte auf, die daher zunächst tabellarisch aufgelistet werden sollen. Tabelle 6: Indikatoren zur Beobachtung der Umfeldorientierung Indikatoren zur Beobachtung

Wiesbaden WMK Fulda SB

n=112 GB

n=77 KB

n=26 SB

n=209 KB

n=31 SB

n=230 GB

n=186 KB

n=36 (1) Das soziale Umfeld des / der

LB wurde bei den Beratungen berücksichtigt.

1,59 1,45 1,42 2,53 2,19 2,08 1,70 2,17

(2) Die eigenen Ressourcen des / der LB wurden angesprochen.

1,71 2,14 1,42 2,81 2,61 2,30 1,72 2,41

(3) Die Ressourcen im privaten sozialen Umfeld des / der LB wurden angesprochen.

2,16 2,41 1,77 2,34 2,06 2,08 1,66 1,65

(4) Die Möglichkeiten der Un-terstützung im Gemeinwesen außerhalb professioneller Hil-fen wurden angesprochen.

3,57 3,77 3,38 3,44 3,53 3,46 3,62 3,86

(5) (Mögliche) Leistungen ande-rer Leistungsträger wurden bei der Beratung berücksich-tigt.

2,69 3,30 2,15 3,95 1,19 2,57 3,29 2,30

(Da die Anzahl der Beratungen (n), in denen eine Einschätzung vorgenommen werden konnte, bezogen auf die Indikatoren variiert, wurde jeweils der niedrigste Wert übernommen.)

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Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Umfeldorientierung in den Hilfeplankonferenzen nicht sehr stark ausgeprägt ist, sich aber im Laufe der Zeit nach unseren Beobachtungen verbes-sert hat. Bei der Unterscheidung zwischen zwei Beobachtungszeiträumen sind im zweiten Be-obachtungszeitraum alle Mittelwerte etwas niedriger. Eine statistische Signifikanz lässt sich je-doch nicht nachweisen. In den Hilfeplankonferenzen werden insbesondere die Möglichkeiten der Unterstützung im Ge-meinwesen außerhalb professioneller Hilfen nur selten angesprochen. Nach Einschätzung der Beobachterinnen traf dies nur 86mal in jeder Hinsicht und 76mal mit Einschränkungen zu, in 745 Fällen hingegen überhaupt nicht. Die Umfeldorientierung ist in den Beratungen, in denen Leistungsberechtigte anwesend sind, nicht anders ausgeprägt. Die Mittelwerte der Indikatoren (1) – (4) erreichen etwas niedrige Mit-telwerte, am deutlichsten Indikator (1) (Leistungsberechtigte anwesend: 1,75, nicht anwesend: 2,0). Auch bei Folgeplanung ist ein Effekt auf die Umfeldorientierung der ITP nicht festzustel-len. Lediglich in den Beratungen, die längere Zeit in Anspruch nehmen, scheint die Umfeldori-entierung etwas stärker ausgeprägt zu sein. Hier erreichen die Mittelwerte aller Indikatoren einen etwas niedrigeren Wert.

5.4. Kooperation und Koordination der Hilfen im Einzelfa ll

Der Beitrag der Hilfeplankonferenzen zur Koordination der Hilfen im Einzelfall kann aus der Perspektive der teilnehmenden Beobachtung nicht als befriedigend bezeichnet werden. Die Mit-telwerte zu den Indikatoren aus diesem Bereich erreichen durchweg Werte über 3,0. Vor dem Hintergrund der Bedeutung dieser Indikatoren für die Aufgabenstellung der HPK sind die Be-obachtungsergebnisse als wichtig für die weitere Entwicklung der HPK einzuschätzen. Tabelle 7: Indikatoren zur Kooperation und Koordination der Hilfen im Einzelfall Indikatoren zur Beobachtung Mittelwert (1) Der Bedarf an Hilfen und die Realisierung durch bestimmte Angebote

wurden getrennt behandelt. 3,37

(2) Die Beratung über die Inanspruchnahme von Hilfen war ergebnisoffen. 3,18 (3) Es gibt Vereinbarungen, falls sich der individuelle Bedarf, Zielsetzun-

gen oder Unterstützungsarrangements plötzlich ändern. 3,31

(4) Es wurden verschiedene Möglichkeiten zur Realisierung des Hilfebe-darfes durch unterschiedliche Hilfeformen angesprochen. 3,74

(5) Es wurden Möglichkeiten der Realisierung von Hilfen durch verschie-dene Leistungsanbieter angesprochen. 3,65

(6) Es wurde die Möglichkeit zur Inanspruchnahme eines Persönlichen Budgets angesprochen.

3,972

2 Laut Informationen über die teilnehmende Beobachtung hinausgehend, erfolgt ein gesondertes Verfahren, wenn bei der Antragstellung deutlich wird, dass ein Persönliches Budget beantragt werden soll. Dennoch ist es auch in einer laufenden Teilhabeplanung möglich und sinnvoll, die Option eines Persönlichen Budgets zu prüfen. Daher wird Indikator (6) auch weiterhin im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung aufgenommen.

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5.5. Ergebnisse der Beratung

Die Empfehlungen der Hilfeplankonferenzen folgen in 78,9% der Einzelberatungen (n=908) den Vorschlägen im Integrierten Teilhabeplan, in 18,2% der Beratungen kommt es zu leichten Modi-fikationen und in 1,8% zu von den Beantragungen leicht abweichenden Empfehlungen. Grundle-gend andere Empfehlungen wurden nur in elf Einzelberatungen vorgenommen, was einem Anteil von 1,2% entspricht. Es wurde untersucht, ob Abweichungen vom vorgelegten Teilhabeplan zu beobachtbaren Veränderungen der Beratung führen – dies ist nicht der Fall. Es lässt sich ledig-lich feststellen, dass in solchen Beratungen die Leistungsberechtigten häufig persönlich anwe-send sind und die Beratungen vergleichsweise länger dauern. Für die meisten Teilhabepläne (42,2%; n=884) wird in der HPK ein Bewilligungszeitraum von zwölf Monaten empfohlen, 16,6% haben eine kürzere Bewilligungsdauer als ein Jahr. Dies steht meist in Verbindung mit aktuellen Herausforderungen, intensiveren Fördermaßnahmen oder noch ausstehenden, dezidierteren Einschätzungen des individuellen Unterstützungsbedarfs bei sog. Neufällen. Relativ häufig (22,1%) werden Teilhabepläne auch auf 24 Monate und in 6,1% der Fälle werden Teilhabepläne länger als 24 Monate befristet. Es ist festzustellen, dass sich die Bewilligungszeiträume im Vergleich der beiden Beobachtungszeiträume sowohl in den Ziel-gruppen als auch in den Regionen angleichen. Teilhabepläne für Menschen mit Körperbehinderung und Menschen mit geistiger Behinderung haben im Durchschnitt eine etwas längere Befristung (Mittelwert 17 Monate) als Hilfepläne für Menschen mit einer seelischen Behinderung (Mittelwert 15 Monate). In den in den HPK ausgesprochenen Empfehlungen kommt es in 8,2% der Fälle zu einer Ände-rung der Hilfeform (n=681). Damit ist insbesondere ein Wechsel des Erbringungsortes der Hilfen gemeint. Die häufigsten Wechsel lassen sich in der Zielgruppe der Menschen mit seelischen Be-hinderung feststellen (Wiesbaden in 12,4% der Fälle (n=89), im Landkreis Fulda in 9,6% der Fälle (n=157) und im Werra-Meißner-Kreis in 15,6% der Fälle (n=147). Bei der Zielgruppe der Menschen mit einer geistigen Behinderung liegt der Anteil der ‚Wechsler‘ in Wiesbaden bei 4,8% (n=62) und im Landkreis Fulda bei 2,6% (n=153) der Leistungsberechtigten. Bei Hilfe-plankonferenzen für Menschen mit Körperbehinderung konnten keine Änderungen der Hilfeform beobachtet werden. Die Veränderung der Hilfeform hat keine wahrnehmbaren Auswirkungen auf den Beratungsverlauf. In den Beratungen, in denen es zu einer Veränderung der Hilfeform kommt, sind Leistungsberechtigte häufiger anwesend. Die Intensität der Hilfen blieb, soweit dies im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung feststell-bar war in 74,8% der Beratungen (n=655) gleich, in 13,9% wurde sie geringer und in 11,3% hö-her. Die Indikatoren zur Einschätzung ergeben ein über die Regionen und Zielgruppen hinweg recht stabiles Bild.

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Tabelle 8: Indikatoren zu den Ergebnissen der Beratung Indikatoren zur Beobachtung Mittelwert (1) Es erfolgte eine Empfehlung und Absprache, durch wen welche Leistung

erbracht werden soll. 1,11

(2) Es erfolgte eine Empfehlung zu Hilfen anderer Leistungsträger. 3,57 (3) Es erfolgte eine Empfehlung im Kontext von nicht-professionellen Hilfen. 3,77 (4) Das Beratungsgespräch zeigte Perspektiven einer erweiterten Selbständig-

keit des / der LB auf. 1,87

(5) Das Beratungsgespräch konnte zur Zufriedenheit aller beendet werden. 1,21 Das Ergebnis macht deutlich, dass es zwar gelingt, in den bestehenden Arrangements der profes-sionellen Behindertenhilfe zu planen, allerdings werden innovativere und kreativerer Wege fernab von den bestehenden Unterstützungskategorien nur sehr selten hergestellt oder ermög-licht. 6 Zusammenfassende Auswertung

Die Hilfeplankonferenzen sind als fester Bestandteil des Projektes PerSEH und des Praxistestes verankert. Sie gliedern sich nach Zielgruppen. Wenngleich sich aufgrund des Fehlens einer Rahmenvereinbarung zu einer Geschäftsführung unterschiedliche Arbeitsweisen herausgebildet haben, sind die Grundstrukturen und damit auch die Herausforderungen für die weitere Entwick-lung durchaus vergleichbar. Die Zusammenfassung soll einige übergreifende Problemanzeigen in den Vordergrund stellen. Arbeitsfähigkeit Die zeitliche Dauer und die Häufigkeit der Hilfeplankonferenzen stellen für die beteiligten stän-digen Mitglieder einen hohen Arbeitsaufwand dar. Dennoch bleibt in den Hilfeplankonferenzen nur wenig Zeit, um über einen einzelnen integrierten Teilhabeplan zu beraten. Es zeichnet sich ab, dass die Hilfeplankonferenzen – beispielsweise die für Menschen mit geistiger Behinderung in Fulda – in ihrer jetzigen Form die Bearbeitung aller Erst- und Folgeanträge aufgrund der gro-ßen Zahl an zu beratenden Fällen dauerhaft nicht leisten kann. Die Beschränkung auf bestimmte Fälle stößt auf die Schwierigkeit eines geeigneten Auswahlkriteriums. Die Beobachtungen lassen keine Schlussfolgerungen darauf zu, in welchen Fällen eine Beratung in der Hilfeplankonferenz sinnvoll ist und in welchen nicht. Die Hilfeplankonferenzen sind meist große Gremien. Vertreter des Leistungsträgers und der Kommune sind unverzichtbar, nur die Anzahl der Leistungserbringer ist variabel. Anders als im Zuständigkeitsbereich des Landschaftsverbandes Rheinland gibt es keine Begrenzung der Anzahl der ständigen Teilnehmer und keine begrenzende Regelung für die Mitwirkung der Leistungsan-bieter in einer Region. Für die erfolgreiche Umsetzung der Personenzentrierten Steuerung der Eingliederungshilfe in Hessen ist es notwendig, verbindliche Regelungen im Rahmen eines Ge-samtkonzeptes zu treffen. Kooperation Aus den Beobachtungen der Hilfeplankonferenzen, aber auch aus der Befragung der Mitarbei-ter/innen und insbesondere aus den Rückmeldungen zur Zwischenauswertung zur teilnehmenden Beobachtung geht hervor, dass sich durch die Arbeit der Hilfeplankonferenz die Kooperation zwischen den beteiligten Akteuren deutlich verbessert hat. Dies ist als ein großer Erfolg zu wer-

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ten. Anzumerken ist jedoch, dass sich diese Kooperation auf die professionellen Akteure der Eingliederungshilfe bezieht. Es gelingt nur selten, weitere Leistungsträger einzubeziehen. Die Teilnahme der kommunalen Vertreter ist regional und nach Zielgruppen unterschiedlich und im Landkreis Fulda im Beobachtungszeitraum stark rückläufig. Die Kooperation führt bislang nur selten dazu, einrichtungsübergreifende Hilfearrangements in den Blick zu nehmen. Es gelingt in diesem Rahmen auch nur selten, Unterstützungsmöglichkeiten außerhalb des professionellen Settings der Eingliederungshilfe in den Blick zu nehmen. Eine Klärung der Rollen der einzelnen ständigen Teilnehmer inklusive einer von an die professi-onelle Rolle geknüpften Erwartungen und Standards für deren Qualifikation ist für die fachliche Arbeit der Hilfeplankonferenz notwendig. Dies betrifft insbesondere die Klärung der Rolle der Sitzungsleitung wie auch die Rolle der kommunalen Vertreter in der HPK. Die unterschiedliche Beteiligung der kommunalen Vertreter/innen in den HPK im Werra-Meißner-Kreis und im Landkreis Fulda verdeutlicht, dass eine Klärung der Aufgaben im Rahmen einer Geschäftsord-nung der HPK notwendig ist. Einige Fragen, die in den HPK kontrovers diskutiert wurden, werden auf Grund der Zuständig-keit bewusst an andere Gremien weitergeleitet, die diesbezüglich entscheidungsbefugt sind. Dauert die Klärung dieser Fragen längere Zeit, belastet dies die Arbeit der Hilfeplankonferenzen. Auch dies verdeutlicht die Notwendigkeit der Klärung von Rollen und Aufgaben in einer Rah-menvereinbarung. Zielgruppenbezug Es lassen sich hinsichtlich der Indikatoren zur Beobachtung in vielen Fällen Unterschiede in der Arbeitsweise der Hilfeplankonferenzen für bestimmte Zielgruppen feststellen. Diese sind aller-dings nicht so bedeutsam, da die Arbeit aller Hilfeplankonferenzen auf dem zielgruppenübergrei-fenden Instrument des ITP beruht. Die Aufteilung in Zielgruppen entspricht gewachsenen Ar-beits- und Kooperationsstrukturen des LWV Hessen und der Leistungsanbieter und ist aus fach-licher Perspektive nachzuvollziehen. Es ist jedoch die Frage, ob in dieser Konstellation dem An-spruch der ‚Personenzentrierung‘ und der ‚Umfeldorientierung‘ auf diese Weise hinreichend Rechnung getragen werden kann. Es wurden Einzelfallberatungen in allen Regionen beobachtet, in denen die Schwierigkeit auftrat, zu welchem Fachbereich der Leistungsberechtigte gehöre. Die immer häufiger auftretenden sog. ‚Doppeldiagnosen‘ im Rahmen eines medizinischen Gut-achtens, wobei nicht immer trennscharf abzugrenzen ist, welche Behinderung die stärker beein-trächtigende ist, führt im bestehenden System mitunter zu Diskussion und unklaren, wenig trenn-scharfen und über einen Zeitverlauf immer wieder veränderten Entscheidungen. Einbeziehung der Leistungsberechtigten Nur eine Minderheit der Leistungsberechtigten nimmt an den Hilfeplankonferenzen teil. Der Umstand, dass die Teilnahmequoten regional unterschiedlich sind, deutet aber darauf hin, dass Anstrengungen unternommen werden können, den Zugang zu erleichtern. Allerdings muss sicher gestellt bleiben, dass auf die Leistungsberechtigten keinerlei Druck zur Teilnahme ausgeübt wird und ein Setting hergestellt wird, indem Barrieren in jeder Hinsicht (Raumgröße, Teilnehmerzahl, ‚schwierige Sprache‘ usw.) abgebaut oder so klein wie möglich gehalten werden. Wenn eine Teilnahme stattfindet - so ergaben die Untersuchungen - gelingt die Einbeziehung in der Regel gut. Umfeldorientierung In den Hilfeplankonferenzen werden das unmittelbare soziale Umfeld (z.B. Familienangehörige) und die Ressourcen der Leistungsberechtigten in der Regel berücksichtigt. Nur sehr selten wer-

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den hingegen die Möglichkeiten der Unterstützung im Gemeinwesen angesprochen und es kommt nur in Ausnahmefällen zur Empfehlungen von Hilfen außerhalb des professionellen Hil-fesystems der Behindertenhilfe. Empfehlungen für eine erforderliche Leistung und deren Umfang Es kann festgestellt werden, dass die Hilfeplankonferenzen von ihrer Struktur her nicht in der Lage sind, zur Festlegung des Vorgehens eigenständig und über den Teilhabeplan hinausgehend zu leisten. Die Kriterien für die Plausiblitätsprüfung sind unklar, die Beratungszeit ist zu kurz und die Teilnehmerkonstellation begünstigt eher die Vermeidung von offenen Klärungsprozes-sen. Im Ergebnis führt dies dazu, dass die Hilfeplankonferenzen in der Regel den Vorschlägen im Teilhabeplan folgen oder kleinere Modifikationen vornehmen. In Rückmeldungen zur Zwi-schenauswertungen wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass Abstimmungsprozesse, die im Vorfeld der HPK stattfinden, in die teilnehmende Beobachtung nicht einfließen. Solche bilatera-len Abstimmungen wurden bisher nur in Ausnahmefällen transparent gemacht und stehen daher in einem Spannungsverhältnis zur diskursiven Erörterung von individuellen Teilhabemöglichkei-ten im Rahmen einer Hilfeplankonferenz. Steuerung der Angebotsentwicklung Die beobachteten Hilfeplankonferenzen werden häufig dazu genutzt, Informationen auszutau-schen und auf frei werdende Unterstützungskapazitäten hinzuweisen. Die Hilfeplankonferenzen stärken auch die Wahrnehmung einer gemeinsamen Verantwortung für die Angebotsentwick-lung, allerdings weniger der damit verbundenen finanziellen Wirkungen. Es ist selten erkennbar, dass hierfür die Auseinandersetzung mit der Beeinträchtigung der Teilhabe einzelner Leistungs-berechtigter die Grundlage ist. Die Hilfeplankonferenz scheint eher fehlende Planungsstrukturen zu ersetzen, als an diese Erkenntnisse aus der individuellen Teilhabeplanung rückzukoppeln. Die Weiterentwicklung der Hilfeplankonferenzen ist für die Realisierung einer personenzentrier-ten Steuerung der Eingliederungshilfe zentral. Die Implementierung wurde zielgruppenübergrei-fend durchgeführt und weist momentan noch ein recht heterogenes Erscheinungsbild auf. Da wichtige strukturelle Fragen noch nicht geklärt sind, können wesentliche Ziele, die sich mit der Einrichtung der Hilfeplankonferenzen verknüpfen, noch nicht erreicht werden. Es war für die Beobachterinnen insbesondere in der zweiten Projekthilfe erkennbar, dass Reflexionsprozesse über die Aufgabenstellung in den Hilfeplankonferenzen selbst verstärkt stattfanden. So bedürfen wesentliche strukturelle Fragen einer Klärung in einer übergreifenden Rahmenvereinbarung, die dann auf regionaler Ebene mit Leben gefüllt wird.

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