Evangelische Hoffnungskirchengemeinde Berlin- · PDF fileHier, am brennenden Dornbusch sagt...

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Evangelische Hoffnungskirchengemeinde Berlin-Pankow PREDIGT am 13.02.2011 in der Hoffnungskirche (Textgrundlage: 2. Mose/Ex 3,1-14) von Pfarrer Matthias Motter Liebe Gemeinde, Mose hütete die Schafe seines Schwiegervaters. So unspektakulär beginnt die vielleicht größte Geschichte des Alten Testaments unserer Bibel. Am Anfang der Erzählung von der Ur-Erfahrung des Volkes Gottes, am Anfang der Erzählung von der Rettung der Seinen aus Knechtschaft und Unfreiheit hören wir von Mose, wie er unterwegs ist in seinem Alltag durch karge Landschaft. Im 2. Buch Mose, dem Buch Exodus im 3. Kapitel heißt es: Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. Da sprach er: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. Die Erscheinung Gottes trifft Mose unvorbereitet. Neugierig aber noch ahnungslos, was ihm begegnen wird, ändert Mose die Richtung seines Weges, um das Unerwartete, ja Unbegreifliche näher zu betrachten. Ein Dornbusch in Flammen, die ihn doch nicht zerstören. Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. Mose begegnet Gott. Oder besser gesagt: Gott begegnet Mose. Gott spricht Mose an. Ruft ihn. Und Mose antwortet. Hier bin ich. Keine Frage: Wer bist Du?, oder Was willst Du?. Kein übereifriges: Ja, hier bin ich, stets zu deinen Diensten. Einfach nur: Hier bin ich. Und dann stellt sich Gott vor als der Gott, der schon, bevor er nun Mose nahe kommt, Menschen nahe war. Nicht irgendein neuer Gott erscheint hier. Mose erfährt vielmehr: Sein Gott hat ihn hier in der Wüste gefunden. Ein mächtiger Gott. Heilig. Der Ort seiner Erscheinung ist heiliges Land. Ein scheinbar unnützer Dornbusch und wüste Erde werden geheiligte Orte. Mose ahnt die Macht, die Größe Gottes – und versucht nicht, sie zu verstehen. Er verhüllt sein Angesicht. Später, davon haben wir vor zwei Wochen in der Predigt hier gehört, bittet er Gott, seine Größe sehen zu dürfen. Aber Gott sagt: Meine Größe kannst Du nicht sehen. Aber meine Güte, meine Liebe zu den Menschen, die sollst du sehen. Hier, am brennenden Dornbusch sagt Gott dem Mose nun aber schon ungefragt, was wir von ihm wissen dürfen, ja wissen sollen. Gott befreit. Er sieht die Not und das Leid, er hört die Schreie der Ängstlichen und Verzweifelten – und befreit. Zu Mose spricht er: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt. Die Befreiung aus der Knechtschaft, die Befreiung zur Freiheit unter dem Segen Gottes ist und bleibt die Ur-Erfahrung des Glaubens an diesen Gott. Im Vertrauen auf die Botschaft dieser Erzählung dürfen wir glauben, dass Gott uns befreien kann aus den äußeren und inneren Knechtschaften unseres Lebens. Das Land, in dem Milch und Honig fließen, haben wir noch nicht erreicht. Wir bleiben unterwegs. Und Gott geht mit. Manchmal geht es durch Wüsten. Wir wissen nicht warum. Immer wieder aber auch: Wunder unterwegs. Überraschungen. Wasser aus dem Felsen, Brot vom Himmel, ein trockener Weg durch das Meer von Angst und Not. Und Gott geht voran und an unserer Seite. Und manchmal ruft Gott zur Tat. Zu Mose spricht er: So geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst. Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten? Jetzt fragt Mose nach. Nach dem fraglosen Hier bin ich auf den Ruf Gottes hin, nun die Angst, oder zumindest der Zweifel. Was kann ich schon tun? Ich bin doch nur ein einfacher Mensch. Kein Held. Kein erfahrener Volk-Befreier.

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Evangelische Hoffnungskirchengemeinde Berlin-Pankow PREDIGT am 13.02.2011 in der Hoffnungskirche (Textgrundlage: 2. Mose/Ex 3,1-14) von Pfarrer Matthias Motter Liebe Gemeinde, Mose hütete die Schafe seines Schwiegervaters. So unspektakulär beginnt die vielleicht größte Geschichte des Alten Testaments unserer Bibel. Am Anfang der Erzählung von der Ur-Erfahrung des Volkes Gottes, am Anfang der Erzählung von der Rettung der Seinen aus Knechtschaft und Unfreiheit hören wir von Mose, wie er unterwegs ist in seinem Alltag durch karge Landschaft. Im 2. Buch Mose, dem Buch Exodus im 3. Kapitel heißt es: Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. Da sprach er: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. Die Erscheinung Gottes trifft Mose unvorbereitet. Neugierig aber noch ahnungslos, was ihm begegnen wird, ändert Mose die Richtung seines Weges, um das Unerwartete, ja Unbegreifliche näher zu betrachten. Ein Dornbusch in Flammen, die ihn doch nicht zerstören. Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. Mose begegnet Gott. Oder besser gesagt: Gott begegnet Mose. Gott spricht Mose an. Ruft ihn. Und Mose antwortet. Hier bin ich. Keine Frage: Wer bist Du?, oder Was willst Du?. Kein übereifriges: Ja, hier bin ich, stets zu deinen Diensten. Einfach nur: Hier bin ich. Und dann stellt sich Gott vor als der Gott, der schon, bevor er nun Mose nahe kommt, Menschen nahe war. Nicht irgendein neuer Gott erscheint hier. Mose erfährt vielmehr: Sein Gott hat ihn hier in der Wüste gefunden. Ein mächtiger Gott. Heilig. Der Ort seiner Erscheinung ist heiliges Land. Ein scheinbar unnützer Dornbusch und wüste Erde werden geheiligte Orte. Mose ahnt die Macht, die Größe Gottes – und versucht nicht, sie zu verstehen. Er verhüllt sein Angesicht. Später, davon haben wir vor zwei Wochen in der Predigt hier gehört, bittet er Gott, seine Größe sehen zu dürfen. Aber Gott sagt: Meine Größe kannst Du nicht sehen. Aber meine Güte, meine Liebe zu den Menschen, die sollst du sehen. Hier, am brennenden Dornbusch sagt Gott dem Mose nun aber schon ungefragt, was wir von ihm wissen dürfen, ja wissen sollen. Gott befreit. Er sieht die Not und das Leid, er hört die Schreie der Ängstlichen und Verzweifelten – und befreit. Zu Mose spricht er: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt. Die Befreiung aus der Knechtschaft, die Befreiung zur Freiheit unter dem Segen Gottes ist und bleibt die Ur-Erfahrung des Glaubens an diesen Gott. Im Vertrauen auf die Botschaft dieser Erzählung dürfen wir glauben, dass Gott uns befreien kann aus den äußeren und inneren Knechtschaften unseres Lebens. Das Land, in dem Milch und Honig fließen, haben wir noch nicht erreicht. Wir bleiben unterwegs. Und Gott geht mit. Manchmal geht es durch Wüsten. Wir wissen nicht warum. Immer wieder aber auch: Wunder unterwegs. Überraschungen. Wasser aus dem Felsen, Brot vom Himmel, ein trockener Weg durch das Meer von Angst und Not. Und Gott geht voran und an unserer Seite. Und manchmal ruft Gott zur Tat. Zu Mose spricht er: So geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst. Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten? Jetzt fragt Mose nach. Nach dem fraglosen Hier bin ich auf den Ruf Gottes hin, nun die Angst, oder zumindest der Zweifel. Was kann ich schon tun? Ich bin doch nur ein einfacher Mensch. Kein Held. Kein erfahrener Volk-Befreier.

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Und die Antwort Gottes auf dieses Wer bin ich? des zweifelnden Menschen? Gott antwortet: Ich bin mit dir. Wer bin ich? Einer, an dessen Seite Gott ist. Einer, den Gott nicht allein lässt. Das macht Mut. Das nimmt etwas von den Zweifeln und Ängsten. Im Vertrauen darauf lässt Mose sich in den Dienst nehmen. Und will nun mehr wissen über diesen Gott. Auf die Frage Wer bin ich? folgt die Frage: Wer bist du? Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt! und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen? Was in der Erzählung nun folgt ist nur schwer zu übersetzen. Die Antwort auf die Frage nach dem Namen Gottes, die die Frage ist: Wer bist du? – diese Antwort kann man so übersetzen: Ich bin, der ich bin. Die drei hebräischen Wörter können aber auch übersetzt werden: Ich werde sein, der ich sein werde. Eine seltsame Antwort, ein seltsamer Name, den Gott hier offenbart. Kein Name im engeren Sinn, vielmehr eben eine Antwort auf die Frage: Wer bist du? Ich bin, der ich bin. Das heißt: Kein Name, keine Definition im Sinne eines Ich-bin-so kann mich, Gott, fassen. Keine Eigenschaft, keine Beschreibung reicht aus. Zugleich aber klingt mehr in diesem Ich bin, der ich bin mit. Kein statisches Sein ist hier ausgesprochen, sondern ein dynamisches, lebendiges Da-Sein. Ich werde da sein, als der ich da sein werde. So übersetzt es Martin Buber. Und weil das Da-Sein zugleich eine Beziehung eröffnet, kann man die Antwort Gottes auch übersetzen: Ich werde für dich da sein, als der ich für dich da sein werde.

hy<h.a, rv,a] hy<h.a, Drei Wörter sind es im hebräischen Urtext der Bibel. Aber In diesen Worten mit ihren vielen Facetten steckt schon die ganze Tiefe des Glaubens. Wenn wir uns fragen, wer Gott ist, dann werden wir keine Antwort finde, die uns Gott ganz verständlich und verstehbar macht. Es bleibt die unbegreifliche Seite Gottes, es bleiben die Momente, in denen wir Gott und seine Wege mit uns nicht verstehen und kaum ertragen können. Aber es bleibt auch seine Zusage: Ich bin bei dir – auch in der Wüste. Der Evangelist Johannes erzählt uns in unserem Neuen Testament von einem, der später ebenfalls spricht: Ich bin. Sieben besondere Ich bin-Worte von Jesus Christus finden wir im Johannes-Evangelium. Und wir können erkennen: Das, was Mose in der Erzählung der ersten Bücher der Bibel erfährt – die befreiende und rettende Kraft Gottes –, das wird erneut spürbar in dem, was mit Jesus Christus offenbar wurde. Das Ich bin bei dir Gottes gilt über die Grenzen der Zeit hinweg – es gilt auch über die Grenzen des Lebens hinweg. Gott ruft in die Nachfolge, ruft zur Tat – weil er uns nicht allein lässt. Amen.

Es gilt das gesprochene Wort.