Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht … · Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG...

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Ein Unternehmen der Verlagsgruppe © Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand: 01/2017 Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht Auszug aus den Originalunterlagen Bitte beachten Sie: Wir haben uns bemüht, typische und für die Gesamtunterlage repräsentative Auszüge aus den Lehrgangsunterlagen auszuwählen. Sie stellen aber natürlich nur einen verschwindend kleinen Teil der Unterrichtsmaterialien dar und sind nicht fortlaufend.

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Ein Unternehmen der Verlagsgruppe

© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand: 01/2017

Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

Auszug aus den Originalunterlagen

Bitte beachten Sie: Wir haben uns bemüht, typische und für die Gesamtunterlage repräsentative Auszüge aus den Lehrgangsunterlagen auszuwählen. Sie stellen aber natürlich nur einen verschwindend kleinen Teil der Unterrichtsmaterialien dar und sind nicht fortlaufend.

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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand 04/2016

Fachanwalt

für Internationales Wirtschaftsrecht

Ausbildungsleitfaden

Fachliche Leitung:

RA Prof. Dr. Stephan R. Göthel, LL.M. (Cornell),

Pier 11, Hamburg, und BSP Business School, Berlin

und

Prof. Dr. Marc-Philippe Weller,

Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht, Universität Freiburg

Dozenten:

RA Dr. Eike Bicker, Frankfurt; RA Dr. Henrik Lay, Hamburg;

Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges, LL.M., MBA, Bonn; RA Dr. Andrés Martin-Ehlers, Frankfurt;

RA Prof. Dr. Olaf Müller-Michaels, Düsseldorf; RA RiLG Dr. Carl Friedrich Nordmeier, Wiesbaden;

Prof. Dr. Ulrich Voß, Würzburg

Ein Unternehmen der

Verlagsgruppe

In Kooperation mit

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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand 10/2015

Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht 2015/2016 - Ausbildungsleitfaden

Inhalt

I. Einleitung ............................................................................................................................. 3

II. Anleitung zum Fernstudium .................................................................................................. 4

III. Gliederung des Lehrstoffes und Leseanleitung für die Literatur ........................................ 6

1. Kollisionsrecht (IPR) der vertraglichen und außervertraglichen

Schuldverhältnisse .............................................................................................................. 7

2. Internationales Zivilprozeßrecht .............................................................................. 11

3. International vereinheitlichtes Handelsrecht .......................................................... 19

4. Grundzüge des Internationalen Steuerrechts .......................................................... 25

6. Europäisches Beihilfen- und Wettbewerbsrecht ..................................................... 29

7. International vereinheitlichtes Gesellschaftsrecht .................................................. 34

IV. Ausbildungsschwerpunkte ................................................................................................... 42

VI. Lernzielkontrollen .............................................................................................................. 42

VII. Teilnehmererklärung ......................................................................................................... 43

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I. Einleitung

Ziel der Ausbildung zum Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht ist, die

Kursteilnehmer zu befähigen, den gesamten Stoff des Pflichtfaches und der

Schwerpunktbereichsausbildung im Internationalen Wirtschaftsrecht zu kennen und

anwenden zu können.

Das Internationale Wirtschaftsrecht ist kein einheitliches Rechtsgebiet, sondern bildet

vielmehr die begriffliche Klammer für internationale Aspekte verschiedenster

Rechtsbereiche. Üblicherweise haben Juristen weder sämtliche dieser Bereiche

einschließlich der internationalen Fragestellungen im Studium kennengelernt, noch sind

praktisch tätige Rechtsanwälte in all diesen Bereichen tätig. Daher setzt dieser

Ausbildungskurs keine spezifischen Kenntnisse in den behandelten Rechtsgebieten voraus.

Dieser Ausbildungsleitfaden (ALF) stellt die Arbeits- & Lernanleitung insbesondere für den

Fernstudienteil des Lehrgangs dar. Er soll die Teilnehmer gezielt und sicher durch den Stoff

des Kurses führen. Der Lern- und Arbeitsaufwand für die Durcharbeitung der

Unterrichtsmaterialien des Fernkurses ist mindestens mit 120 Zeitstunden anzusetzen.

Als Grundlage für das Kursprogramm sind Skripten sowie Auszüge aus Lehrbüchern zur

Verfügung gestellt.

Der nachfolgende Leitfaden führt die Teilnehmer mit einem präzisen Leseprogramm durch

den gesamten Lehrstoff. Zusätzlich werden praxisorientierte Vertiefungen über

weiterführende Literatur gegeben.

Vertiefende Literatur steht Ihnen über Ihren Zugang im Downloadbereich auf der Homepage

der Fachseminare von Fürstenberg sowie über das Otto Schmidt-Verlagsmodul

Internationales Wirtschaftsrecht powered by juris zur Verfügung.

Zusätzlich werden in diesem Ausbildungsleitfaden zu jedem Teilabschnitt zur Ergänzung

geeignete Aufsatzliteratur und die wesentlichen höchstrichterlichen Entscheidungen

beigefügt. Die ausgewählten Entscheidungen sollten den Kursteilnehmern am Ende des

Kurses bekannt sein.

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II. Anleitung zum Fernstudium

Wie in jeder juristischen Ausbildung gilt auch in dieser Fortbildung, dass zitierte Paragraphen

gleichzeitig mit gelesen werden sollten. Im den verschiedenen Bereichen des Internationalen

Wirtschaftsrechts ist die Zahl der Vorschriften hoch und nur deren konsequente

Heranziehung ermöglicht es dem Lernenden, Verzahnungen und Überschneidungen zu

erkennen und zu beherrschen. Wer bei der Lektüre einen PC mit Internetzugang zur

Verfügung hat, kann die aktuellen Vorschriften auch unter www.gesetze-im-internet.de oder

unter www.bmas.de (Rubrik Gesetze) einsehen.

Da die Rechtsprechung im Internationalen Wirtschaftsrecht einen hohen Stellenwert hat,

sind Kernsätze bedeutender aktueller Entscheidungen bereits in den Lehrtexten enthalten.

Dies sollte nicht davon abhalten, die angegebenen Leitentscheidungen und die ihnen

zugrundeliegenden Sachverhalte selbst nachzulesen. Urteile des Bundesgerichtshofs, die ab

Januar 2000 veröffentlich worden sind, erhalten Sie kostenlos auch über

www.bundesgerichtshof.de.

Damit Sie prüfen können, ob Sie das Gelesene auch verstanden haben, stellen wir zu den

jeweiligen Kapiteln Wiederholungsfragen zur Verfügung. Diese dienen der

Verständniskontrolle und der Vertiefung des zuvor Gelesenen. Die Lösungen zu den

Wiederholungsfragen ergeben sich jeweils aus der Passage des Skripts, in der der

angesprochene Problemkreis behandelt wird.

Die Präsenzveranstaltungen dienen der Erläuterung und Vertiefung des schriftlichen

Studienmaterials; sie ermöglichen den Teilnehmern, Fragen einzubringen und sich mit dem

Dozenten auszutauschen. Zu den Präsenzeinheiten erhalten Sie weitere Unterlagen

(Foliensätze, Fallbeispiele…), die der fachanwaltsspezifischen Praxisausbildung dienen.

Da das schriftliche Lehrmaterial die hauptsächliche Lerngrundlage ist, unterscheidet sich Ihre

Lernsituation sehr von einem dozentengeleiteten Unterricht: Es gibt keinen Stundenplan mit

von außen festgesetzten Zeiten, keinen Unterrichtsraum und keine Unterrichtsorganisation.

Es gibt auch keinen allgegenwärtigen Lehrer oder Dozenten, der das Wissen vermittelt und

Ihren Lernprozess steuert. Sie müssen deshalb ein hohes Maß an Eigeninitiative und

Selbstdisziplin entfalten und vieles von dem selbst in die Hand nehmen, was sonst von der

lehrenden Institution bereitgestellt wird. Um Ihnen die Organisation des selbstgesteuerten

Lernens zu erleichtern, haben wir im Folgenden einige Ratschläge zusammengestellt, die auf

langjährigen Erfahrungen mit dem Fernstudium basieren.

1. Schritt: Planungen

Für das Durcharbeiten der Kurseinheiten benötigen Sie freie Stunden Lernzeit, die im

Alltagsablauf untergebracht werden müssen. Planen Sie die Lernzeit fest im Kalender

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ein. Wenn Sie immer wieder neu entscheiden müssen, ob und wann Sie lernen, verlieren

Sie schnell den Anschluss. Die Zeiten sollten auch so gelegt sein, dass Sie nicht durch

berufliche oder andere Tätigkeiten erschöpft sind.

2. Schritt: Lernstrategien

Ihre anfängliche Hauptbeschäftigung besteht im Lesen. Damit Sie das Gelesene auch

verstehen und behalten können, bedarf es einiger Vorkehrungen, denn Wissen prägt sich

nur ein, wenn Sie aktiv lernen. Aktiv zu lernen bedeutet vor allem auch, sich das Wissen

so anzueignen, dass man es nicht bloß wiedergeben, sondern damit umgehen kann. Die

folgenden Lernstrategien können Ihnen, unabhängig von Ihrem persönlichen Lernstil, bei

der aktiven und selbstständigen Textbearbeitung helfen:

Das Studienmaterial liegt zwar in einer didaktisch bestmöglich aufbereiteten Form

vor. Sie sollten es trotzdem nicht wie einen Roman von vorn bis hinten durchlesen,

sondern zunächst nur abschnittsweise vorgehen und dabei darüber wachen, dass Sie

das Gelesene auch verstanden haben.

Eine Hilfe ist das Unterstreichen oder Markieren wichtiger Begriffe und Sätze, sowie

das Vermerken von Kommentaren, Hinweisen und Fragen am Rand des Textes.

Beantworten Sie die Wiederholungsfragen!

Aktivieren Sie Ihr Vorwissen! Häufig haben Sie zu verschiedenen Lehrinhalten bereits

Kenntnisse. Notieren Sie sich dieses Wissen und prüfen Sie, wie es zu dem Gelesenen

passt.

Notieren Sie sich Fragen und Verständnisschwierigkeiten, die Sie in den

Präsenzveranstaltungen mit dem Dozenten diskutieren möchten.

Beziehen Sie das Gelesene, sofern möglich, auf praktische Fälle aus Ihrem Alltag und

fertigen Sie eine Beschreibung an.

Halten Sie Ihre Konzentration aufrecht. Wenn Sie merken, dass sich Leerlauf einstellt,

machen Sie Pause. Erzwungenes Lernen drückt auf die Motivation und bringt keinen

Fortschritt. Lassen Sie sich während des Lernens nicht durch andere Schwierigkeiten

und Probleme beeinflussen.

Lassen Sie Ihre Motivation nicht erlahmen. Es ist ein lohnenswertes Ziel, das Sie

anstreben. Wenn es Schwierigkeiten gibt, nutzen Sie die Interaktionsmöglichkeiten in

den Präsenzveranstaltungen und untereinander.

Und nun: Viel Erfolg!

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III. Gliederung des Lehrstoffes und Leseanleitung für die Literatur

Die nachstehende Übersicht beinhaltet die Gliederung des Kursprogramms. Die jeweils

relevanten Teile sollten sinnvollerweise vor dem mündlichen Kurs durchgearbeitet sein, um

dem Dozenten vertiefende Nachfragen stellen zu können.

Grundlage sind die jeweiligen Skripten sowie sonstige genannte Literatur. Darüber hinaus

finden Sie in den nachfolgenden Abschnitten zur Selbstkontrolle die

Lernziele

Wichtige Leitentscheidungen

Ergänzende Literatur

Wiederholungsfragen

Praxishinweise

Diese zu den jeweiligen Lerneinheiten komplementär gestalteten Hinweise dienen der

punktuellen Vertiefung und Wiederholung des Lehrstoffes.

Für 20 Seiten Lesestoff wird 1 Stunde konzentriertes Lesen des Lehrtextes vorausgesetzt. In

der Regel sollte schließlich mindestens eine der angegebenen Leitentscheidungen gelesen

worden sein.

Der zeitliche Umfang für die erstmalige Erarbeitung des Lesestoffes ist mit insgesamt

mindestens 120 Stunden anzusetzen.

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1. Kollisionsrecht (IPR) der vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnisse

Lehrinhalte

Nachfolgend werden die Lehrinhalte anhand des Skriptes zeitlich aufgeschlüsselt. Der

zeitliche Umfang für die erstmalige Erarbeitung des Lesestoffes ist mit mindestens

3 Stunden anzusetzen.

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Lerneinheiten

Kollisionsrecht der

Schuldverhältnisse

Lesestoff Zeitbedarf

(in h)

1. Verständnis, Aufgabe und Quellen

des Internationalen Privatrechts

Skript IPR S. 1 f. 0,25

2. Kollisionsnormen Skript IPR S. 3 ff. O,5

3. Anknüpfungspunkte des IPR Skript IPR S. 6 ff. 0,5

4. Besondere Instrumente des IPR Skript IPR S. 9 ff. 1,25

5. Die Formwirksamkeit von

Rechtsgeschäften im

internationalen Rechtsverkehr

Skript IPR S. 47 ff. 0,25

6. Vollmachten im internationalen

Rechtsverkehr

Skript IPR S. 49 ff. 0,25

Der Zeitaufwand für das erstmalige Durcharbeiten des Lehrbuchs zum

Individualarbeitsrecht ist – nach vorstehender Gliederung - mit mindestens 45 Stunden

anzusetzen. Für die Vertiefung von Einzelfragen anhand der Wiederholungsfragen, der

Leitentscheidungen, vertiefender (Sekundär-)Literatur und der Praxishinweise

aufgeführten Rechtsprechung und Literatur) sollten – nach individueller

Schwerpunktsetzung mindestens weitere 20-30 Stunden einkalkuliert werden.

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Literatur: Bar von/Mankowski, Internationales Privatrecht I, 2. Aufl. 2003; von

Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, 10. Aufl. 2013; Kegel/Schurig, Internationales

Privatrecht, 9. Aufl. 2004; Reithmann//Martiny, Internationales Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010;

Spickhoff, Zwingendes Recht und Internationales Privatrecht, Jura 2007, 407-414;

Rechtsprechungsübersichten zu Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):

Kohler/Seyr/Puffer-Marette, Unionsrecht und Privatrecht. Zur Rechtsprechung des EuGH im Jahr 2012, ZEuP 2013, S. 323-352 ,

Kohler/Seyr/Puffer-Marette, Unionsrecht und Privatrecht – Zur Rechtsprechung des EuGH im Jahr 2011, ZEuP 2014, 116-154,

Kas/Micklitz, Rechtsprechungsübersicht zum Europäischen Vertrags- und Deliktsrecht (2008-2013) – Teil I, EWS 2014, 314-334,

Kas/Micklitz, Rechtsprechungsübersicht zum Europäischen Vertrags- und Deliktsrecht (2008-2013) – Teil II, EWS 2013, 353-380.

---------------------------------------------------------------------------------------------------------

(1) Verständnis, Aufgabe und Quellen des Internationalen Privatrechts

Lernziele: Grundlegendes Verständnis des IPR, insbesondere der Aufgabe und der

„Weichenstellungen“ des IPR sowie der zu beachtenden Rechtsquellen. Methodische

Herausforderungen erkennen (Komplexität und Rechtsquellenvielfalt)

Wiederholungsfragen:

1. Welche Aufgabe hat das IPR?

2. Welche Rechtsquellen sind in welcher Reihenfolge zu prüfen?

---------------------------------------------------------------------------------------------------------

(2) Kollisionsnormen

Lernziele: Erkenntnis der Funktion des Internationale Privatrechts, das lediglich

Kollisionsnormen und keine Sachnormen enthält und der Unterscheidung in einseitige und

allseitige Kollisionsnormen

Wiederholungsfragen:

1. Definition der Kollisionsnorm?

2. Was unterscheidet einseitige und allseitige Kollisionsnormen?

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8. Was versteht man unter einem „Einzelstatut“ im IPR?

9. Was versteht man unter dem ordre public im IPR und wie hoch ist seine tatsächliche Bedeutung?

10. Wo findet sich eine Regelung zu der Behandlung von „Eingriffsnormen“

---------------------------------------------------------------------------------------------------------

(5) Die Formwirksamkeit von Rechtsgeschäften im internationalen

Rechtsverkehr

Lernziele: Auffinden der einschlägigen Normen des IPR, die für die Formwirksamkeit von

Rechtsgeschäften im internationalen Rechtsverkehr von Bedeutung sind

Wiederholungsfragen:

1. Wo finden sich die einschlägigen Normen des IPR, die für die Formwirksamkeit von Rechtsgeschäften im internationalen Rechtsverkehr von Bedeutung sind?

---------------------------------------------------------------------------------------------------------

(6) Vollmachten im internationalen Rechtsverkehr

Lernziele: Bestimmung des Vollmachtstatuts und Erkenntnis seiner besonderen Bedeutung

im internationalen Rechtsverkehr

Wiederholungsfragen:

1. Wo finden sich einschlägige Normen des IPR, die für das Vollmachtstatut von Bedeutung sind?

2. Wie weit ist der Anwendungsbereich des Vollmachtstatuts?

---------------------------------------------------------------------------------------------------------

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2. Internationales Zivilprozeßrecht

Lehrinhalte

Nachfolgend werden die Lehrinhalte anhand des Skriptes zeitlich aufgeschlüsselt. Der

zeitliche Umfang für die erstmalige Erarbeitung des Lesestoffes ist mit mindestens 15

Stunden anzusetzen. Für die Vertiefung von Einzelfragen anhand der

Wiederholungsfragen, der Leitentscheidungen, vertiefender (Sekundär-)Literatur und der

im Skriptum dargestellten Praxishinweise sowie der dort aufgeführten Rechtsprechung

und Literatur) sollten – nach individueller Schwerpunktsetzung mindestens weitere 10

Stunden einkalkuliert werden.

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Lerneinheiten

Internationales Zivilprozeßrecht Lesestoff

Zeitbedarf

(in h)

1. Grundzüge Skript IZPR Teil A 1

2. Internationale Zuständigkeit Skript IZPR Teil B 3,5

3. Koordination von Parallelverfahren Skript IZPR Teil B

1

4. Anerkennung und Vollstreckung Skript IZPR Teil B 2

5. Zustellung Skript IZPR Teil C 2

6. Besondere Verfahren Skript IZPR Teil D 2

7. Beweisaufnahme Skript IZPR Teil E 2

8. Verfahren vor europäischen

Gerichten

Skript IZPR Teil F 1

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(1) Grundzüge

Lernziele: Den Gegenstand des IZPR kennenlernen; seine wichtigsten Quellen und ihr

Verhältnis kennen; die autonome Auslegung des sekundären Unionsrechts beherrschen

Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):

EuGH, Urt. v. 9 3.1978, Rs. 106/77, Staatliche Finanzverwaltung ./. SPA Simmenthal, NJW

1978, 1741

Literatur:

Junker, IZPR, § 1

Schack, IZVR, § 3

Schroeder, Die Auslegung des EU-Rechts, JuS 2004, 180

Wiederholungsfragen:

3. Welche Rechtsquellen sind im IZVR von Relevanz? In welchem Verhältnis stehen sie zueinander?

4. Was versteht man unter dem lex fori-Grundsatz?

5. Was ist bei der Auslegung von Unionsrecht zu beachten?

---------------------------------------------------------------------------------------------------------

(2) Internationale Zuständigkeit

Lernziele: Den sachlichen und räumlich-persönlichen Anwendungsbereich der EuGVVO

erschließen (insbesondere Auslandsbezug, Beklagtenwohnsitz); die Struktur der EuGVVO im

internationalen Zuständigkeitsrecht beherrschen; Kenntnis ausschließlicher Zuständigkeiten;

Beherrschung der Voraussetzungen und Wirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung

(formelle und materielle Voraussetzungen); rügelose Einlassung; Grundstrukturen der

Schwächerenschutzregime und deren Anwendungsbereiche (Versicherungssachen,

Verbraucherverträge, Individualarbeitsverträge); Direktklage gegen den Versicherer;

„Ausrichten“ der Tätigkeit des Unternehmers; besondere Zuständigkeit aus Vertrag und

Delikt; vertraglicher Erfüllungsort (autonomer Erfüllungsort und Erfüllungsort nach lex

causae); deliktischer Schadenseintrittsort nach dem Ubiquitätsprinzip; Modifikation bei

Streudelikten, insbesondere im Internet; Streitgenossenschaft und Widerklage;

Wohnsitzzuständigkeit (Wohnsitzdefinitionen der EuGVVO); Prinzip der Doppelfunktionalität

im deutschen Recht

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Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):

EuGH, Urt. v. 12.5.2011, Rs. C-144/10, Berliner Verkehrsbetriebe [BVG], Anstalt des

öffentlichen Rechts ./. JPMorgan Chase Bank NA, Frankfurt a. M. Branch, EuZW 2011, 477,

Tz. 23-47

EuGH, Urt. v. 13.12.2007, Rs. C-463/06, FBTO ./. Jack Odenbreit, NJW 2008, 819

EuGH, Urt. v. 7.12.2010, Rs. C-585/08 und C-144/09, Peter Pammer ./. Reederei Karl Schlüter

GmbH & Co. KG und Hotel Alpenhof GesmbH ./. Oliver Heller, NJW 2011, 505

EuGH, Urt. v. 25.2.2010, Rs. C-381/08, Car Trim GmbH ./. KeySafety Systems Srl, NJW 2010,

1059

EuGH, Urt. v. 25.10.2011, Rs. C-509/09, eDateAdvertising GmbH ./. X und Martinez ./. MGN

Limited, EuZW 2011, 962

Literatur:

Junker, IZPR, § 5, §6, §§ 8-11, §§ 13-16

Schack, IZVR, § 8 I und III, § 9

Wiederholungsfragen:

1. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die EuGVVO anwendbar ist?

2. Was ist der Unterschied zwischen einer Gerichtsstandsvereinbarung und einer Erfüllungsortsvereinbarung nach der EuGVVO? Welcher Zusammenhang besteht?

3. Bis zu welchem Zeitpunkt muss das Fehlen der internationalen Zuständigkeit nach Art. 24 EuGVVO gerügt werden, damit keine rügelose Einlassung vorliegt?

4. Was ist das Grundkonzept der Sonderregime für Versicherungssachen (Art. 8

EuGVVO), Verbrauchersachen (Art. 15 EuGVVO) und Individualarbeitssachen (Art. 18

EuGVVO)?

5. Was versteht man unter „Ausrichten“ i.S.v. Art. 15 Abs. 1 lit. c), 2. Alt. EuGVVO?

6. Worum handelt es sich bei der Tessili-Regel und der De Bloos-Regel?

7. Wo kann eine Klage aus unerlaubter Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO erhoben werden?

8. Wo liegt der Wohnsitz einer juristischen Person nach EuGVVO?

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(3) Koordination von Parallelverfahren

Lernziele: Verfahrenskoordination nach dem Prioritätsprinzip; Bestimmung der Partei- und

Streitgegenstandsidentität (insbesondere Kernpunkttheorie); Torpedoklagen; im

Zusammenhang stehende Verfahren.

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Wiederholungsfragen:

1. Was ist ein „Exequatur“?

2. Welche Anerkennungshindernisse kennt die EuGVVO?

3. Werden diese Anerkennungshindernisse im Rahmen der Vollstreckbarerklärung geprüft?

4. Was ist für die Vollstreckungsgegenklage bei der Vollstreckung in Deutschland zu beachten, wenn aus einem nach EuGVVO für vollstreckbar erklärten Titel vollstreckt wird?

5. Was versteht man unter dem „Spiegelbildprinzip“ des § 328 Nr. 1 ZPO?

6. Wann ist die Gegenseitigkeit i.S.v. § 328 Nr. 5 ZPO verbürgt?

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(5) Zustellung

Lernziele: Anwendungsbereich der EuZVO; System der Übermittlungs- und Empfangsstellen;

Grundsatz der Dezentralisierung; Sprache des zuzustellenden Schriftstücks (Amtssprache des

Empfangslands oder Sprache, die der Empfänger versteht); Übersetzung von Anlagen;

Annahmeverweigerungsrecht des Empfängers; verschiedene Zustellungswege (insbesondere

direkte Zustellung per Post); Zustellungsbevollmächtigte nach § 184 ZPO; fehlender

Zustellungsnachweis; Systematik des § 183 ZPO; Bedeutung der ZRHO

Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):

EuGH, Urt. v. 8.5.2008, C-14/07, Ingenieurbüro M. Weiss und Partner GbR ./. IHK Berlin, NJW

2008, 1721

BGH, Urt. v. 2.2.2011 – VIII ZR 190/10, NJW 2011, 1885

Literatur:

Junker, IZPR, § 25

Schack, IZVR, § 13

Ahrens, NJW 2008, 2817

Wiederholungsfragen:

1. Auf welchem Grundkonzept basiert die EuZVO?

2. Was ist eine „Übermittlungsstelle“?

3. Was ist Voraussetzung, dass ein Empfänger eine Sprache i.S.v. Art. 8 Abs. 1 EuZVO „versteht“?

4. Unter welchen Umständen müssen für die Zustellung nach EuZVO Übersetzungen von Anlagen beigefügt werden?

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5. Gestattet die EuZVO die Zustellung mit internationalem Rückschein?

6. Was versteht man unter dem „diplomatischen oder konsularischen Weg“ der Zustellung?

7. Darf im Anwendungsbereich der EuZVO die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigen angeordnet werden?

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(6) Besondere Verfahren

Lernziele: Grundstrukturen der EuVTVO, EuMVVO und EuGFVO; Bestätigung einer

Entscheidung nach EuVTVO; Begriff der unbestrittenen Forderung; zu beachtende

verfahrensrechtliche Mindeststandards; Bestätigungsverfahren; Verhältnis von

Bestätigungsverfahren nach EuVTVO und Vollstreckbarerklärungsverfahren nach EuGVVO;

Anwendungsbereich des europäischen Mahnverfahrens; Erfordernis der bezifferten, fälligen

Geldforderung; Verfahrensdurchführung; Erlass des europäischen Zahlungsbefehls und

dessen Vollstreckung; Anfechtung des europäischen Zahlungsbefehls; Anwendungsbereich

des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen; Grundzüge des formalisierten

Verfahrens (insbesondere Anforderungen an die Klageschrift, Beweiserhebung und Fristen);

Vollstreckung und Rechtsmittel

Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):

EuGH, Urt. v. 5.12.2013, Rs. C-508/12 Walter Vapenik ./. Josef Thurner, EuZW 2014, 147

Literatur:

Junker, IZPR, § 31

Linke/Hau, IZVR, § 7 IV-VI

Hau, Das neue europäische Verfahren zur Beitreibung geringfügiger Forderungen, JuS 2008, 1056 Hess/Bittmann, Die Verordnungen zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens und eines Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen - ein substantieller Integrationsschritt im Europäischen Zivilprozessrecht, IPRax 2008, 305

Wiederholungsfragen:

1. Wer bestätigt einen nationalen Titel als Europäischen Vollstreckungstitel?

2. Was ist im Unternehmer-Verbraucher-Verhältnis bei der Bestätigung eines Titels als Europäischer Vollstreckungstitel zu beachten?

3. Verdrängt das europäische Mahnverfahren mitgliedstaatliche Mahnverfahren?

4. Was ist ein Europäischer Zahlungsbefehl?

5. Welche Forderungen können im Verfahren nach der EuGFVO geltend gemacht werden?

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6. Welche Rechtsbehelfe stehen gegen eine Entscheidung im Verfahren nach der EuGFVO zur Verfügung?

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(7) Beweisaufnahme

Lernziele: Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Rechtshilfe; Anwendungsbereich

der EuBVO (insbesondere Begriff der Beweisaufnahme); Problem der Berührung von

Hoheitsrechten; Ladung von Zeugen ohne Zwangsmittelandrohung; Erhebung von

Befundtatsachen durch Sachverständige; Ersuchen um Beweisaufnahme; Beteiligungsrechte

des ersuchenden Gerichts und der Parteien; auf die Beweisaufnahme anwendbares

Prozessrecht (Unterscheidung nach aktiver und passiver Rechtshilfe); Kosten;

Anwendungsbereich des HBÜ; Beweiserhebung nach § 363 ZPO.

Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):

EuGH, Urt. v. 17. 2. 2011, C-283/09, Artur Werynski ./. Mediatel 4B spólka z o. o., EuZW

2011, 261

EuGH, Urt. v. 21.2.2013, C-332/11, ProRail BV ./. Xpedys NV u. a., EuZW 2013, 313

Literatur:

Junker, IZPR, § 26

Linke/Hau, IZVR, § 9

Wiederholungsfragen:

1. Was versteht man unter einem Akt der Beweisaufnahme i.S.d. EuBVO?

2. Darf ein Gericht einen Sachverständigen beauftragen, ein Wertgutachten über eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Immobilie, wenn der Sachverständige hierzu die Immobilie besichtigen muss?

3. Was ist der Unterschied zwischen aktiver und passiver Rechtshilfe?

4. Wovon hängt ab, ob die Parteien bei einer Zeugenvernehmung in einem anderen EU-Mitgliedstaat anwesend sein dürfen?

5. Welche Bedeutung haben die Zentralstellen in der EuBVO?

6. Kann eine Partei, der durch das Gericht die Vorlage einer Urkunde aufgegeben wurde, gegen diese Verpflichtung einwenden, dass sich die Urkunde im Ausland befindet?

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(8) Verfahren vor den europäischen Gerichten

Lernziele: Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV; Vorlagerecht- und

Vorlagepflicht (Instanzgericht und letztinstanzliches Gericht); Ausnahmen von der

Vorlagepflicht (acte éclairé und acte clair); Grundzüge des Verfahrensablaufs vor dem EuGH;

Aufbau eines EuGH-Urteils; weiterer Verfahrensgang vor nationalem Gericht;

Vertragsverletzungsverfahren im Überblick; Nichtigkeits- und Untätigkeitsklage vor dem EuG

in Grundzügen

Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):

EuGH, Urt. v. 6.10.1982, Rs. 283/81, Srl C.I.L.F.I.T. und Lanificio di Gavardo S.p.a. ./. Ministero

della Sanita, NJW 1983, 1257

EuGH, Urt. v. 12. 7. 2012, Rs. C-378/10, Vale Epitesi kft, NJW 2012, 2715,

Literatur:

Gräfin von Brühl/Wienhues, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 39

Dittert, Die neue Verfahrensordnung des EuGH, EuZW 2013, 726

Wiederholungsfragen:

1. Was ist der Unterschied zwischen EuGH und EuG?

2. Unter welchen Voraussetzungen ist ein Vorabentscheidungsverfahren zulässig?

3. Was versteht man unter einem „acte clair“?

4. Welche Aufgabe hat der Generalanwalt im Verfahren vor dem EuGH?

5. Welche Wirkung entfaltet ein EuGH-Urteil im Vorabentscheidungsverfahren?

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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 19

3. International vereinheitlichtes Handelsrecht

Lehrinhalte

Nachfolgend werden die Lehrinhalte anhand des Skriptes zeitlich aufgeschlüsselt. Der

zeitliche Umfang für die erstmalige Erarbeitung des Lesestoffes ist mit mindestens 10

Stunden anzusetzen.

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Lerneinheiten

International vereinheitlichtes

Handelsrecht

Lesestoff Zeitbedarf

(in h)

1. Handelsrecht im internationalen

Sinne

Skript S. 1 ff. 0,5

2. UN-Kaufrecht – CISG Skript S. 3 ff. 6

3. Gemeinsames Europäisches

Kaufrecht

Skript S. 126 ff.

1,25

4. UNIDROIT-Grundregeln für

internationale Handelsverträge

Skript S. 133 ff. 1

5. UNIDROIT –

Factoringübereinkommen

Skript S. 177 ff. 0,75

6. Internationales Transportrecht Skript S. 187 ff. 0,5

7. INCOTERMS 2010 Skript S. 193 ff. 1,5

8. CMR Skript S. 195 ff. 0,5

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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 36

(1) Internationales und europäisches Gesellschaftsrecht und

Unternehmensinsolvenzrecht

Lernziele:

- Bestimmung des auf eine in- oder ausländische Gesellschaft anwendbaren Rechts,

- Abgrenzung und Anknüpfung des Gesellschafts-, Delikts- und Insolvenzstatuts

- Beurteilung der internationalen Anwendbarkeit von Haftungsfiguren, z.B. der

Existenzvernichtungs- oder Insolvenzverschleppungshaftung

- Beurteilung der Europarechtskonformität einer Anwendung inländischer Regelungen

auf Auslandsgesellschaften

- Beurteilung, ob Gesellschaften durch eine „Flucht ins Ausland“ die inländische

Mitbestimmung umgehen können.

- Skizzierung des Ablaufs einer grenzüberschreitenden Satzungssitzverlegung

(Rechtsformwechsel)

- Ermittlung der internationalen Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts bei

Unternehmensinsolvenzen

Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):

- EuGH, 22.2.1979, Rs. 133/78 – Gourdain./.Nadler

- EuGH, 27.9.1988, Rs. 81/87 – Daily Mail

- EuGH, 9.3.1999, Rs. 212/97 – Centros

- EuGH, 5.11.2002, Rs. C-208/00 – Überseering

- EuGH, 30.9.2003, Rs. C-167/01 – Inspire Art

- EuGH, 16.12.2008, Rs. C-210/06 – Cartesio

- EuGH, 29.11.2008, Rs. C-371/10 – National Grid Indus

- EuGH,12.7.2012, Rs. C-378/10 – Vale

- BGH NJW 2009, 289 – Trabrennbahn

Literatur zur Vertiefung und Ergänzung:

- Weller, Internationale Zuständigkeit für mitgliedschaftsbezogene Klagen nach der

Brüssel I-VO, in: ZGR 2012, 606 – 630

- Weller, Höchstmandatszahl für Aufsichtsräte – Anrechnung von Board-

Mitgliedschaften in Auslandsgesellschaften?, in: Board – Zeitschrift für Aufsichtsräte

2011, 148 – 151

- Weller, Unternehmensmobilität im Binnenmarkt, in: Festschrift für Uwe Blaurock

(2013), S. 497 – 526

- Weller/Schulz, Zur Anwendbarkeit des § 64 GmbHG auf Auslandsgesellschaften, IPRax

2014, Heft 4 (im Erscheinen).

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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 37

Wiederholungsfragen:

1. Eine Schweizer AG und eine englische Limited verlegen jeweils ihren Verwaltungssitz nach Deutschland. Was sind die jeweiligen rechtlichen Konsequenzen?

2. Ein Großunternehmen in der Rechtsform einer deutschen AG mit mehr als 3000 Arbeitnehmern am Standort Düsseldorf möchte dem deutschen MitbestG 1976 entgehen. Gibt es diesbezügliche rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten?

3. Eine in Köln im Handelsregister eingetragene GmbH gerät in finanzielle Schieflage und möchte zu Sanierungszwecken vom englischen Sanierungsregime profitieren. Ist dies möglich?

4. Ein im Inland produzierendes Unternehmen in der Rechtsform einer englischen Limited, deren directors in Jena agieren, fällt in die Insolvenz.

a. Wo ist das Insolvenzverfahren zu eröffnen?

b. Der Insolvenzverwalter möchte die Gesellschafter der Limited aus Existenzvernichtungshaftung in Anspruch nehmen. Ist dies kollisionsrechtlich und europarechtlich möglich?

5. Eine EU-Auslandsgesellschaft möchte ihren Satzungssitz nach Deutschland verlegen und sich in eine deutsche GmbH umwandeln. Welche Bestimmungen sind einschlägig und welche Schritte sind zu unternehmen?

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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 38

7.2 Internationaler Unternehmenskauf

Lehrinhalte

Nachfolgend werden die Lehrinhalte anhand diverser Lehrbücher zeitlich aufgeschlüsselt.

Der zeitliche Umfang für die erstmalige Erarbeitung des Lesestoffes ist mit mindestens

15 Stunden anzusetzen. Für die Vertiefung des Stoffs anhand der Leitentscheidungen,

vertiefender Sekundärliteratur, der Wiederholungsfragen und der Praxishinweise sollten –

nach individueller Schwerpunktsetzung mindestens weitere 10-20 Stunden einkalkuliert

werden.

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Lerneinheiten

Internationaler Unternehmenskauf,

SE, EWIV, EPG

Lesestoff Zeitbedarf

(in h)

1. Grenzüberschreitender

Unternehmenskauf

Wetzler, in: Hölters, Handbuch

Unternehmenskauf, 8. Auflage 2015,

Teil XV, S. 1409-1480

6

2. Unternehmenskaufvertrag nach

anglo-amerikanischem Muster

Duys/Henrich, in: Hölters, Handbuch

Unternehmenskauf, 8. Auflage 2015,

Teil XVI, S. 1481-1522

3

3. SE Habersack/Verse, Europäisches

Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2011,

S. 424-453

4

4. EWIV Habersack/Verse, Europäisches

Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2011,

S. 407-423

1,5

5. SPE Habersack/Verse, Europäisches

Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2011,

S. 518-524

0,5

---------------------------------------------------------------------------------------------------------

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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 39

(1) Internationaler Unternehmenskauf

Lernziele: Die Rahmenbedingungen des internationalen Privatrechts und des internationalen

Zivilprozessrechts für grenzüberschreitende Transaktionen kennen lernen, die damit

zusammenhängenden Formfragen beantworten können, Schranken für den

Beteiligungserwerb durch ausländische Investoren kennen; die Gliederung, den typischen

Inhalt und häufige Streitpunkte bei Unternehmenskaufverträgen nach anglo-

amerikanischem Muster identifizieren; mit einem Muster Share Purchase and Transfer

Agreement arbeiten.

Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):

BGH, GmbHR 2014, 248-251 (Auslandsbeurkundung von

Unternehmenskaufverträgen).

Literatur:

Hensel/Pohl, Das novellierte Außenwirtschaftsrecht in internationalen

Unternehmenstransaktionen, AG 2013, 849-863.

Hippeli, Genehmigung von Auslandsdirektinvestitionen seitens chinesischer

Staatskonzerne, AG 2014, 267-275.

Krasauskaite/Schwarz, Rechtswahlklauseln in Unternehmenskaufverträgen nach

Einführung des Gerichts- und Notarkostengesetzes, DZWIR 2014, 51-59.

Land, Rechtsfragen des internationalen Unternehmenskaufs, BB 2013, 2697-2706.

Link, Formerfordernisse des § 15 GmbHG bei internationalen Transaktionen, BB

2014, 579-585.

Schweitzer, Private Legal Transplants in Negotiated Deals, ECFR 2007, 79-125.

Schuberth/von der Höh, Zehn Jahre „deutsche SE – Eine Bestandsaufnahme, AG 2014,

439-444

Wiederholungsfragen:

1. Nach welcher Rechtsordnung sind Unternehmenskaufverträge und die zu ihrer Durchführung erforderlichen Maßnahmen zu beurteilen?

2. Wo und nach welchen Regeln können Streitigkeiten bei internationalen Unternehmenskaufverträgen entschieden werden? Welche Besonderheiten gelten für die Vollstreckung solcher Entscheidungen?

3. Welche besonderen Formvorschriften sind bei internationalen Unternehmenskaufverträgen zu beachten?

4. Welche Möglichkeiten hat das Bundesministerium für Wirtschaft beim Erwerb von Beteiligungen ausländischer Investoren an deutschen Unternehmen?

5. Welche Vertragsklauseln und Gestaltungsvarianten finden sich in Unternehmenskaufverträgen, die zwar dem deutschen Recht unterliegen, aber nach anglo-amerikanischem Muster gestaltet sind?

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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 40

6. Was versteht man unter den Begriffen Closing, Conditions to Closing, Representations and Warranties, Indemnification, Indemnities und Covenants?

Praxishinweise:

Muster Share Purchase and Transfer Agreement, Duys/Henrich, in: Hölters, Handbuch

Unternehmenskauf, 7. Auflage 2010, Anhang A, S. 1455-1498

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(2) SE, EWIV und SPE

Lernziele: Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Gründung, Organisationsverfassung,

Leitung (dualistisches oder monistisches System), Mitbestimmung und Konzernierung einer

SE kennen lernen; Verhältnis zum nationalen Recht durchschauen; Grundzüge der

Rechtsformen EWIV und SPE sowie aktuelle Entwicklungen der europäischen

Gesellschaftsformen kennen lernen.

Leitentscheidungen (unbedingt empfehlenswert):

LG München I, AG 2011, 801-804 (Konzernrecht der SE).

Literatur:

Lanfermann/Maul, Maßnahmenpaket der Europäischen Kommission zum

Gesellschaftsrecht und Corporate Governance, BB 2014, 1283-1294.

Louven/Ernst, Praxisrelevante Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Umwandlung

einer Aktiengesellschaft in eine Europäische Aktiengesellschaft (SE), BB 2014, 323-

330.

Rauscher/Loose, Schwerpunktbereich: Kapitalgesellschaften in der Bearbeitung

auslandsrechtlicher Fälle, JuS 2013, 683-687.

Roesener, Das Warten auf Aktion: Der Aktionsplan zum Europäischen

Gesellschaftsrecht und die Societas Privata Europaea, NZG 2013, 241-244.

Stöber, Die Gründung einer Holding-SE, AG 2013, 110-120.

Teichmann, Europäische GmbH am Scheideweg: Supranationale Rechtsform oder

harmonisierte Einpersonengesellschaft?, ZRP 2013, 169-172.

Verse/Wiersch, Die Entwicklung des europäischen Gesellschaftsrechts im Jahr 2013,

EuZW 2014, 375-383.

Wiederholungsfragen:

1. Welche Gründungsformen gibt es bei der SE?

2. Wodurch unterscheiden sich monistisches und dualistisches System bei der Leitung der SE?

Page 24: Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht … · Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 3 I. Einleitung Ziel der Ausbildung zum Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 41

3. Wie ist das Thema Mitbestimmung bei der SE geregelt?

4. Was ist bei der Einbindung einer SE in einen Konzern zu beachten?

5. Was sind die wesentlichen Merkmale der EWIV und der SPE?

6. Was sind die wichtigsten aktuellen Entwicklungen im europäischen Gesellschaftsrecht?

Praxishinweise:

Beispiel für Satzung einer dualistischen SE: Satzung der E.ON SE.

Beispiel für Satzung einer monistischen SE: Satzung der Puma SE.

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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 42

IV. Ausbildungsschwerpunkte

In den vorstehenden Ausbildungsanleitungen haben wir den umfangreichen Stoff des

internationalen Wirtschaftsrechts zu strukturieren versucht. Aus den Tabellen können Sie

ersehen, wie die einzelnen Ausbildungsinhalte im Gesamtgefüge der Fachanwaltsausbildung

einzuordnen sind.

Die nachfolgend genannten Ausbildungsschwerpunkte der Fachanwaltsausbildung sind die

von der Bundesrechtsanwaltskammer als für die tägliche Praxis besonders wichtig

eingeschätzten Bereiche des internationalen Wirtschaftsrechts. Die Schwerpunkte liegen

gemäß den Vorgaben des Curriculums in den Bereichen

1. International vereinheitlichtes Handelsrecht

2. Europäisches Beihilfen- und Wettbewerbsrecht

3. International vereinheitlichtes Gesellschaftsrecht

VI. Lernzielkontrollen

Begleitende Lernzielkontrollen sind obligatorisch.

Häuslich zu bearbeiten sind mehrere Klausuraufgaben, die den gesamten Pflichtstoff

des Eigenstudiums (Fernstudienteil des Lehrgangs) abdecken.

Vier von sechs Klausuren müssen „mit Erfolg“ bestanden werden, damit der

Teilnehmer später zu den lehrgangsabschließenden schriftlichen Leistungskontrollen

gemäß § 4 a FAO zugelassen wird.

Einzelne nicht bestandene Klausuren können wiederholt werden.

Die Lernzielkontrollen sind dem Teilnehmer über den passwortgeschützten Zugang zu

„Skripten online & Community“ zugänglich. Sie werden korrigiert und benotet. Die ebenfalls

online zur Verfügung stehenden Musterlösungen ermöglichen die Kontrolle des Lernerfolgs.

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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 43

VII. Teilnehmererklärung

Voraussetzung für die spätere Erteilung des Lehrgangstestats über die erfolgreiche

Teilnahme am Fachanwaltslehrgang gem. § 6 FAO ist – neben der durch Anwesenheitslisten

kontrollierten Präsenz im Präsenzunterricht – die persönliche Versicherung des Teilnehmers,

dass er während des Fernkurses im Eigenstudium insgesamt mehr als 90 Zeitstunden für

die Erarbeitung des vorgegebenen Stoffs anhand der Skripten sowie für individuelle

Nacharbeit und Vertiefung aufgewendet hat. Diese Erklärung des Teilnehmers ist

unverzichtbarer Bestandteil der Fachanwaltsausbildung und Gegenstand des

Unterrichtsvertrages.

Page 27: Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht … · Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 3 I. Einleitung Ziel der Ausbildung zum Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

Ein Unternehmen der in Kooperation mit:Verlagsgruppe

Fachanwalt für

Internationales WirtschaftsrechtIWR 1 – Kollisionsrecht (IPR)

der vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnisse

Prof. Dr. Ulrich Voß, Rechtsanwalt, Würzburg

Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand04/2016

Page 28: Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht … · Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 3 I. Einleitung Ziel der Ausbildung zum Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

- 1 -

Vorwort:

In diesem Skript werden die Grundzüge des Internationale Privatrechts dargestellt. Die Beispiele sind bewusst teilweise aus dem Bereich des Internationalen Erbrechts gewählt, insbesondere weil dieses die Systematik, die Entwicklung zum Einheitsrecht, aber auch die Probleme des IPR besonders gut wiederspiegelt. Hierbei werden viele Probleme nur entsprechend dem Ergebnis der h.M. dargestellt; auf eine Darstellung von Meinungsstreitigkeiten wird hier bewusst verzichtet. Bei der Lösung von Fällen mit Auslandsbezug ist auch das (möglicherweise einschlägige) ausländische Recht im Einzelfall jeweils zu prüfen. Im Anhang sind die Gliederungen der Rom I- und II-VO abgedruckt. Als Exkurs wird wegen seiner besonderen Aktualität die für Erbfälle ab 17.8.2015 geltende EU-ErbVO mit ersten Problembereichen vorgestellt. Dieser Exkurs wird aber nicht Gegenstand des Präsenskurses und der Klausuren sein. Andererseits gibt es wichtige Schnittstellen zwischen dem Internationalen Erbrecht und dem Internationalen Gesellschaftsrecht, bei denen geklärt werden muss, ob und inwieweit das Erbstatut und/oder das Gesellschaftsstatut gilt. Die Lösung solcher Fallkon-stellationen setzt daher Kenntnisse des Internationalen Erbrechts voraus. Wegen der besonderen Komplexität des betroffenen Rechtsgebiets und dessen teilweise dynamische Entwicklung sowie der häufig fehlenden letztinstanzlichen Rechtsprechung kann weder vom Veranstalter noch vom Referenten eine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der im Skriptum enthaltenen Ausführungen und Formulierungsbeispiele übernommen werden. Um Verständnis wird gebeten.

Page 29: Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht … · Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 3 I. Einleitung Ziel der Ausbildung zum Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

- 2 -

Internationales Privatrecht

Inhaltsübersicht I. Aufgabe und Quellen des (deutschen) Internationalen Privatrechts ..... 2 1. Aufgabe des Internationalen Privatrechts/Auslandsbezug ..................... 2 2. Quellen des Internationalen Privatrechts .............................................. 4 II. Kollisionsnormen ............................................................................... 7 1. Definition der Kollisionsnorm ............................................................. 7 2. Allseitige Kollisionsnormen.................................................................. 8 3. Einseitige Kollisionsnormen ................................................................ 8 III. Anwendungsergebnis der Kollisionsnormen ....................................... 8 IV. Anknüpfungspunkte .......................................................................... 10 1. Staatsangehörigkeit............................................................................ 11 2. Gewöhnlicher Aufenthalt ................................................................... 12 3. Besondere Fallgruppen ...................................................................... 13 a) Mehrstaatler mit deutscher Staatsangehörigkeit................................. 13 b) Mehrstaatler ohne deutsche Staatsangehörigkeit................................ 13 4. Rechtswahl ........................................................................................ 13 5. Interlokales Privatrecht ...................................................................... 15 a) Interlokales Privatrecht im autonomen IPR, Art. 4 Abs. 3 EGBGB..………. 15 b) Interlokales Privatrecht nach Art. 22 Rom I-VO,

Art. 25 Rom II- VO .............................................................................. 16 6. Interpersonales Privatrecht................................................................. 16 V. Besondere Instrumente des IPR .......................................................... 17 1. Statut ................................................................................................. 17 2. Vorfragen ........................................................................................... 18 3. Qualifikation ....................................................................................... 19 4. Anpassung oder Angleichung .............................................................. 20 5. Gesamt- oder Sachrechtsverweisung.................................................... 22 6. Folgen von Gesamtverweisungen: Annahme, Rück- oder Weiterverweisung ............................................. 23 a) Annahme der Verweisung …................................................................. 23 b) Rückverweisung durch das ausländische IPR ...…………….………………..……. 25 c) Teilweise Rückverweisung …….............................................................. 27 d) Weiterverweisung (und mögliche teilweise Rückverweisung) durch das ausländische IPR ………........................................................... 28 e) Qualifikationsverweisung .................................................................... 31 f) Rückverweisung aufgrund funktioneller Nachlassspaltung……………….…… 32 g) Internationaler Entscheidungsdissens .................................................. 33

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- 3 - 7. Vorrangiges Erbstatut …….................................................................... 34 8. Ordre public ....................................................................................... 36 9. Eingriffsnormen .................................................................................. 37 VI. Die Formwirksamkeit von Rechtsgeschäften im internationalen Rechtsverkehr ……………………….................................... 39 VII. Vollmachten im internationalen Rechtsverkehr .................................. 41 1. Bestimmung des Vollmachtstatuts ..................................................... 41 a) Staatsverträge ................................................................................... 41 b) Unmittelbar anwendbare EU Vorschriften .......................................... 41 c) EGBGB ............................................................................................... 42 d) Richter- oder Gewohnheitsrecht ......................................................... 42 2. Anwendungsbereich des Vollmachtstatuts .......................................... 43 3. Praktische Hinweise ............................................................................ 44 VIII. Exkurs (für Interessierte, kein Prüfungsstoff): Die neue EU-ErbVO......................................................................................... 47 Anhang 1: Rom I-VO (Gliederung) .................................................................... 72 Anhang 2: Rom II-VO (Gliederung) .................................................................... 73

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[1]

Das Internationale Privatrecht (IPR)

Ausgewählte Literatur: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in

Zivil- und Handelssachen, Loseblatt, 2015; Jayme/Hausmann,

Internationales Privat- und Verfahrensrecht, 17. Aufl. 2014; von

Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, 10. Aufl. 2013; Reithmann,

Formerfordernisse bei Verträgen über Beteiligungen an ausländischen

Gesellschaften und über Grundstücke im Ausland, NZG 2005, 873;

Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl. 2015.

Zeitschriften: EuZW, EWS, IHR, IPRax, RabelsZ, RIW, ZEuP.

Das Internationale Privatrecht legt fest, welches Sachrecht einer Rechtsordnung in einem konkreten Sachverhalt zur Anwendung kommt.

Das IPR bestimmt nur das maßgebliche (deutsche oder ggf. ausländische)

Sachrecht, aber nicht selbst die materiellen Voraussetzungen für die Lösung

eines Falles, also wer gegen wen unter welchen Voraussetzungen einen

Anspruch hat.

!Das Internationale Privatrecht verweist lediglich auf die zur Entscheidung berufene Rechtsordnung, ohne selbst die Sachentscheidung zu treffen!

Dieses „Internationale Privatrecht“ ist ein Teil des nationalen Rechts, also

des deutschen Privatrechts. Jede Rechtsordnung hat daher ihr eigenes

Internationales Privatrecht.

Es gibt also ein deutsches Internationales Privatrecht, ein österreichisches

Internationale Privatrecht, ein schweizer Internationale Privatrecht, ein

brasilianisches Internationales Privatrecht etc. Diese nationalen IPR sind

(nur) in Teilbereichen vereinheitlicht („harmonisiert“).

Page 32: Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht … · Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 3 I. Einleitung Ziel der Ausbildung zum Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

[2] Das deutsche Internationale Privatrecht umfasst etwa das Internationale

Wirtschaftsrecht (u.a. das Internationale Vertragsrecht), das Internationale

Gesellschaftsrecht, das Internationale Deliktsrecht, das Internationale

Familienrecht, das Internationale Erbrecht usw.

Teilbereiche des IPR sind insbesondere im Bereich der EU „harmonisiert“,

etwa die „vertraglichen Schuldverhältnisse“ durch die „Rom I-VO“, die

„außervertraglichen Schuldverhältnisse“ durch die „Rom II-VO“ oder das

Erbrecht durch die EU-ErbVO.

Teilbereiche sind auch durch bilaterale Verträge vereinheitlicht (z.B. Deutsch-

schweizerischer Vertrag über die Schadensdeckung bei Verkehrsunfällen

vom 30.5.1969).

Teilweise ist die Rechtsvereinheitlichung aber auch weiter fortgeschritten,

wie etwa bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen, die nicht erkennbar für

den privaten Gebrauch bestimmt sind, durch das Übereinkommen der

Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom

11.04.1980 – (Wiener) UN-Kaufrecht - convention on contracts for the

international sale of goods - CISG.

I. Aufgabe und Quellen des (deutschen) Internationalen Privatrechts

1. Aufgabe des Internationalen Privatrechts/Auslandsbezug

a) Die Aufgabe des Internationalen Privatrechts ist in Art. 3 Abs. 1 Satz

1 EGBGB definiert:

Das IPR bestimmt danach (nur), welches Sachrecht einer

Rechtsordnung in einem konkreten Einzelfall, bei dem ein Sachverhalt

mit Auslandsberührung vorliegt, zur Anwendung kommen soll

(Kollisionsrecht).

Page 33: Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht … · Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 3 I. Einleitung Ziel der Ausbildung zum Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

[3]

! Ein deutscher Richter wendet bei einem Auslandsbezug im Grundsatz deutsches Verfahrensrecht an und das deutsche IPR an, aber nicht unbedingt deutsches materielles Recht.

Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug ist es nämlich keineswegs

selbstverständlich, dass ein deutscher Richter deutsches Sachrecht

anwendet, etwa einen Kaufvertrag nach deutschem Kaufvertragsrecht

beurteilt. Ob er das BGB/HGB anwenden darf, prüft ein deutscher

Richter nach den Vorschriften des deutschen IPR und er kann etwa

auch zu dem Ergebnis kommen, dass er den Fall nach dem (ebenfalls)

betroffenen ausländischen Kaufrecht zu beurteilen hat (vgl. etwa Art. 4

Abs. 1 lit. a) Rom I-VO).

Ein ausländischer Richter prüft nach den Vorschriften seines IPR,

welches Sachrecht einer Rechtsordnung berufen ist und kann zu dem

gleichen Ergebnis kommen, kann aber auch den gleichen Fall nach

deutschem Kaufrecht (oder einem Drittrecht) beurteilen.

! Es ist aber auch denkbar, dass ein inländischer Richter einen Fall nach ausländischem Sachrecht und der ausländische Richter diesen Fall nach deutschem Sachrecht entscheiden würde!

b) Der erforderliche Auslandsbezug kann sich insbesondere aus

folgenden Umständen ergeben:

- Ex- und Importe

- Niederlassungen, Zweigniederlassung, Agenturen im Ausland

- ein Vertragspartner hat „Wohnsitz“ oder „gewöhnlichen“ oder

„schlichten“ Aufenthalt im Ausland,

- in Deutschland lebende Ausländer,

- Ehen mit mindestens einem ausländischen Ehepartner in

Deutschland,

Page 34: Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht … · Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG 3 I. Einleitung Ziel der Ausbildung zum Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

Rom I-VO

Kapitel I: Anwendungsbereich Art. 1 - 2

Anwendungsbereich Art. 1 Rom I-VO Universelle Anwendung Art. 2 Rom I-VO

Kapitel II: Einheitliche Kollisionsnormen Art. 3 – 18

Freie Rechtswahl Art. 3 Rom I-VO Mangels Rechtswahl anwendbares Recht Art. 4 Rom I-VO Beförderungsverträge Art. 5 Rom I-VO Verbraucherverträge Art. 6 Rom I-VO Versicherungsverträge Art. 7 Rom I-VO Individualarbeitsverträge Art. 8 Rom I-VO Eingriffsnormen Art. 9 Rom I-VO Einigung + materielle Wirksamkeit des Vertrags oder einzelner Bestimmungen Art.

10 Rom I-VO Form Art. 11 Rom I-VO Geltungsbereich des anwendbaren Rechts Art. 12 Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit Art. 13 (Art. 1 Abs. 2 lit. a) Rom I-VO Übertragung der Forderung Art. 14 Rom I-VO Gesetzlicher Forderungsübergang Art. 15 Gesamtschuldnerausgleich Art. 16 Rom I-VO Aufrechnung Art. 17 Rom I-VO Beweis Art. 18 Rom I-VO

Kap III: Sonstige Vorschriften Art. 19 – 28

Gewöhnlicher Aufenthalt Art. 19 Rom I-VO Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung Art. 20 Rom I-VO Ordre public im Staat des angerufenen Gerichts Art. 21 Rom I-VO Staaten ohne einheitliche Rechtsordnung Art. 22 Rom I-VO Verhältnis zu anderen Gemeinschaftsrechts-akten Art. 23 Rom I-VO Beziehung zum Übereinkommen von Rom Art. 24 Rom I-VO Verhältnis zu bestehenden internationalen Abkommen Art. 25 Rom I-VO Verzeichnis der Übereinkommen Art. 26 Überprüfungsklausel Art. 27 Rom I-VO Zeitliche Anwendbarkeit Art. 28 Rom I-VO

Kapitel IV: Schlussbestimmungen Art. 29

Inkrafttreten und Anwendbarkeit Art. 29

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Rom II-VO

Kapitel I: Anwendungsbereich, Art. 1 - 3 Anwendungsbereich Art. 1 Außervertragliche Schuldverhältnisse Art. 2 Universelle Anwendung Art. 3

Kapitel II: Unerlaubte Handlung, Art. 4 – 9 Allgemeine Kollisionsnorm Art. 4 Produkthaftung Art. 5 Rom II-VO Unlauterer Wettbewerb… Art. 6 Rom II-VO Umweltschädigung Art. 7 Rom II-VO Verletzung von Rechten des geistigen Eigen-tums Art. 8 Rom II-VO Arbeitskampfmaßnahmen Art. 9 Rom II-VO

Kapitel III, Ungerechtfertigte Bereicherung, GoA und c.i.c., Art. 10 – 13 Ungerechtfertigte Bereicherung Art. 10 Geschäftsführung ohne Auftrag Art. 11 Verschulden bei Vertragsverhandlungen Art. 12 Rom II-VO

Kapitel IV, Freie Rechtswahl, Art. 14

Kapitel V, Gemeinsame Vorschriften, Art. 15 -22 Geltungsbereich des anzuwendenden Rechts Art. 15 Rom II-VO Eingriffsnormen Art. 16 Rom II-VO Sicherheits- und Verhaltensregeln Art. 17 Direktklage gegen den Versicherer des Haftenden Art. 18 Rom II-VO Eingriffsnormen Art. 16 Rom II-VO Sicherheits- und Verhaltensregeln Art. 17 Direktklage gegen den Versicherer des Haftenden Art. 18 Rom II-VO Gesetzlicher Forderungsübergang Art. 19 Gesamtschuldnerausgleich Art. 20 Rom II-VO Form Art. 21 Rom II-VO Beweis Art. 22 Rom II-VO

Kapitel VI, Sonstige Vorschriften, Art. 23 – 28 Gewöhnlicher Aufenthalt Art. 23 Rom II-VO Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung Art. 24 Staaten ohne einheitliche Rechtsordnung Art. 25 Rom II-VO Ordre public im Staat des angerufenen Gerichts Art. 26 Rom II-VO Verhältnis zu anderen Gemeinschaftsrechts-akten Art. 27 Rom II-VO Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkommen Art. 28 Rom II-VO

Kapitel VII, Schlussbestimmungen, Art. 29-32

Verzeichnis der Übereinkommen Art. 29 Überprüfungsklausel Art. 30 Rom II-VO Zeitliche Anwendbarkeit Art. 31 Rom II-VO Zeitpunkt des Beginns der Anwendung Art. 32 Rom II-VO

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FACHANWALT FÜR INTERNATIONALES

WIRTSCHAFTSRECHT

RECHTSVERGLEICHUNG

BESONDERHEITEN INTERNATIONALER VERTRAGSGESTAL-

TUNG UNTER EINBEZIEHUNG AUSGEWÄHLTER BEISPIELE

DES US-AMERIKANISCHEN RECHTS

U.S. RESTATEMENT OF CONFLICTS OF LAW

Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges LL.M. (Illinois) MBA (Maastricht)

Rechtsanwältin Bonn/München * Attorney-at-Law New York

Fachanwältin Handels-/Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht

Professorin DHBW Ravensburg

Honorarprofessorin EBS Universität für Wirtschaft und Recht

Stand: März 2016

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Inhaltsverzeichnis

I. Einführung ............................................................................................................. 4

II. Rechtsvergleichung in Grundzügen ..................................................................... 5

1. Abgrenzung und Ziele ............................................................................................. 5

2. Methode der Rechtsvergleichung ............................................................................ 7

3. Rechtskreislehre ...................................................................................................... 8

3.1 Common Law - Civil Law ............................................................................. 8

3.2 Hybride Rechtssysteme .................................................................................. 9

3.3 Weitere Rechtskreise ..................................................................................... 9

4. Unterschiede der Rechtskreise .............................................................................. 10

5. Ausblick ................................................................................................................. 11

III. Besonderheiten internationaler Vertragsgestaltung unter besonderen

Berücksichtigung des US-amerikanischen Rechts ........................................... 13

1. Zustandekommen von Verträgen .......................................................................... 13

1.1 Aufbau und Struktur eines Austauschvertrages im Civil Law- oder im

Common Law-System ........................................................................................... 14

1.1.1 Umfang von Common Law-Verträgen ............................................... 16

1.1.2 Bezeichnung der Parteien ................................................................... 17

1.1.3 Definitionen und Präambel ................................................................. 17

1.1.4 Vertragstypologie ............................................................................... 18

1.2 Vertragssprache .............................................................................................. 18

1.2.1 One meaning – one word: Unklarheit der Wortbedeutung ................. 19

1.2.2 False Friends: Unklarheit durch falsche Übersetzung ........................ 20

1.2.3 Countable and non-countable Information ......................................... 21

1.2.4 Avoid Direct Speech and Gender-related wording ............................ 21

1.2.5 One Idea – One Sentence, oder: Choose Plain Language .................. 21

1.3 Angebot (offer) und Annahme (acceptance) .................................................. 23

1.3.1 Consideration ...................................................................................... 24

1.3.2 Mailbox Rule ...................................................................................... 25

1.3.3 Widerruf (Revocation) ........................................................................ 26

2. Formerfordernisse (Statute of Frauds) .................................................................. 27

3. Auslegungsregeln und Auslegungsmethoden........................................................ 28

3.1 Allgemeine Auslegungsregeln ..................................................................... 28

3.2 Parol Evidence Rule ..................................................................................... 29

4. Performance Provisions ......................................................................................... 29

4.1 Warranties .................................................................................................... 30

4.2 Limitations of Liability ................................................................................ 31

4.3 Indemnification Clauses ............................................................................... 31

4.4 Liquidated Damage Clauses ........................................................................ 32

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Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges 3 von 51

4.5 Term and Termination Provisions ............................................................... 33

5. Boilerplate Provisions ........................................................................................... 33

5.1 Entire Agreement ......................................................................................... 34

5.2 Severability Clause ...................................................................................... 34

5.3 Assignment .................................................................................................. 34

5.4 Governing Law/Choice of Law ................................................................... 35

5.5 Notice ........................................................................................................... 35

5.6 Force Majeure .............................................................................................. 36

5.7 Amendments ................................................................................................ 36

5.8 Waiver/No Waiver ....................................................................................... 37

5.9 Survival ........................................................................................................ 37

5.10 Captions and Headings................................................................................ 37

5.11 Jurisdiction/Venue ....................................................................................... 37

IV. U.S. Restatement of Conflicts of Law ........................................................... 39

1. Statutory Law ........................................................................................................ 39

2. Richterrecht ........................................................................................................... 40

3. Rechtsveröffentlichungen ...................................................................................... 40

4. Gerichtsorganisation .............................................................................................. 41

4.1 Quellen des Civil Procedure ........................................................................ 42

4.2 Gerichtssystem und Subject Matter Jurisdiction .......................................... 42

4.2.1 Ausschließliche Zuständigkeit der federal courts .............................. 43

4.2.2 Konkurrierende Zuständigkeit der federal courts .............................. 43

4.2.3 Supplemental Jurisdiction .................................................................. 44

4.2.4 Removal .............................................................................................. 44

4.3 Internationale Zuständigkeit ........................................................................ 44

4.5 Örtliche Zuständigkeit ................................................................................. 46

4.6 Forum non conveniens ................................................................................. 46

5. US-amerikanisches IPR (Conflict of Laws) .......................................................... 47

5.1 Allgemeine Grundsätze des Restatement Second of Conflicts of Laws ...... 48

5.2 Anwendbares Recht im vertraglichen Kontext ............................................ 48

5.2.1 Subjektive Anknüpfung durch Rechtswahl ........................................ 49

5.2.2 Objektive Anknüpfung ....................................................................... 50

5.2.3 Geltungsbereich .................................................................................. 51

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Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges 4 von 51

I. Einführung

Literatur: Assmann/Bungert, Handbuch des US-Amerikanischen Handels-, Gesellschafts- und

Wirtschaftsrechts, Band 1, München 2001; Bernstorff, Vertragsgestaltung im Auslandsgeschäft,

5. Auflage, Frankfurt am Main 2002; Brand, Grundfragen der Rechtsvergleichung, JuS 2003, S.

1082 ff.; Coing, Aufgaben der Rechtsvergleichung in unserer Zeit, NJW 1981, S. 2601 ff.; Daig-

neault, Drafting International Agreements in Legal English, 2. Auflage, München 2009; Espen-

schied, Contract Drafting, ABA Publishing 2010; Hay, US-Amerikanisches Recht, 6. Auflage,

München 2015; Hay, International Versus Interstate Conflicts Law in the U.S., RabelsZU 35

(1971), S. 429 ff.; Haase, Einführung in die Methodik der Rechtsvergleichung, JA 2005, S. 232

ff.; Kötz, Alte und neuen Aufgaben der Rechtsvergleichung, JZ 2002, S. 257 ff.; Lundmark, Um-

gang mit Präjudizienrecht, JuS 2000, S. 546 ff.; Nodoushani, Liquidated Damages im amerikani-

schen Recht, VersR 2005, S. 1623 ff.; Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, 3. Auflage,

Göttingen 2014; Perillo/Calamari, Contracts, 6th edition, St. Paul 2009; Reimann, Einführung in

das US-amerikanische Privatrecht, 2. Auflage, München 2004; Rösler, Großbritannien im Span-

nungsfeld europäischer Rechtskulturen, ZVglRWiss 100 (2001), S. 448 ff.; Schack, Einführung in

das US-Amerikanische Zivilprozessrecht, 4. Auflage, München 2011; Schwintowski, Einführung

in die Rechtsvergleichung, JA 1991, S. 241 ff.; Symeonides, Choice of Law in the American

Courts in 2015: Twenty-Ninth Annual Survey, 64 American Journal of Comparative Law (2016),

S. 1 ff.; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Auflage, Tübingen 1996;

_________________________________________________________

Der Anspruch dieser Moduleinheit ist umfassend, soll es doch um die Grundsätze interna-

tionaler – somit Rechtskreise und Länder übergreifender – Vertragsgestaltung gehen. Um

diese Aufgabe im Hinblick auf den zeitlichen Umfang der Moduleinheit überschaubar zu

gestalten, konzentrieren sich die nachfolgenden theoretischen Ausführungen, praktischen

Hinweise und die Beispiele auf internationale Verträge mit US-amerikanischen Unter-

nehmen.

Eine entsprechende Konzentration im Sinne eines Überblicks haben die Kapitel zur

Rechtsvergleichung und zu dem US-amerikanischen Conflicts of laws-System erfahren.

Für die Anwendung in der Praxis ist ein Rückgriff auf die einschlägige Literatur und eine

weitergehende Recherchearbeit zu maßgeblicher Rechtsprechung daher unabdingbar.

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II. Rechtsvergleichung in Grundzügen

Seit dem 19. Jahrhundert ist es üblich, die Beziehungen zwischen den verschiedenen

Rechtssystemen der Welt und ihr Verhältnis zueinander als „Rechtsvergleichung“ zu

bezeichnen.1 Abstrakt definiert wird Rechtsvergleichung definiert als empirische, die

Gesetzmäßigkeiten des Soziallebens erforschende Wissenschaft vom Recht als allge-

meine Kulturerscheinung.2

Die nachfolgenden Ausführungen folgen weniger der vorstehenden Definition, sondern

eher einem praktisch-beschreibenden Ansatz rechtsvergleichender Grundsätze, unter

ausschließlicher Bezugnahme auf die Zivilrechtsvergleichung.

1. Abgrenzung und Ziele

Abzugrenzen ist die Rechtsvergleichung von weiteren Disziplinen, insbesondere von

dem Internationalen Privatrecht (IPR).3 Letzteres ist das nationale Kollisionsrecht für

Sachverhalte mit Auslandsbezug. Um die Unterschiede selbst, die zwischen den in Be-

zug genommenen Rechtsordnungen bestehen, kümmert sich das IPR hingegen nicht.

Maßgebliche Systembegriffe des IPR erschließen sich jedoch nur rechtsvergleichend.

Das beginnt bereits bei der Subsumtion des Sachverhalts unter eine Kollisionsnorm, und

bei der Frage, wie deren Begriffe auszulegen sind.4 Bereits nach älterer BGH-Recht-

sprechung sind „die Vorschriften des ausländischen Rechts nach ihrem Sinn zu erfas-

sen, in ihrer Bedeutung vom Standpunkt des ausländischen Rechts zu würdigen und mit

den Einrichtungen der deutschen Rechtsordnung zu vergleichen”.5 Nur so lassen sich

Rechtsinstitute wie der englische trust, die amerikanische consideration, die islamische

Morgengabe,6 oder das französische und polnische Registerpfandrecht fassen. Auch

Fragen des ordre public sind ohne Rechtsvergleichung nicht zu handhaben.7

1 Brand, JuS 2003, S. 1082, 1083.

2 Haase, JA 2005, S. 232, 233.

3 Haase, JA 2005, S. 232, 233.

4 Brand, JuS 2003, S. 1082, 1083.

5 BGH NJW 1967, S. 1177.

6 OLG Düsseldorf, Beck LSK 1998, 360377.

7 Brand, JuS 2003, S. 1082, 1083.

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1.1.4 Vertragstypologie

Das US-amerikanische Recht kennt zwar unterschiedliche Vertragstypen wie Kauf,

Miete, Werkvertrag, Dienstvertrag usw. Es gibt aber – vom Kaufrecht des UCC abgese-

hen – keine detaillierten Regelungen zu den einzelnen Vertragstypen. Die US-Gerichte

wenden bei komplexen Verträgen den sog. „pre-dominant purpose“-Test an, um festzu-

stellen, auf welchem Vertragstypus das Schwergewicht liegt. Sofern dieses Schwerge-

wicht beim Kauf liegt, wird UCC Art. 2 für den gesamten Vertrag angewandt.43

1.2 Vertragssprache

Internationale Verträge sind überwiegend in englischer Sprache abgefasst. Englisch als

Vertragssprache hat den Vorteil, beim Handel vieler Produkte ohnehin vereinbart zu

werden. Zudem ist es die nationaler Sprache vieler weltweit wichtiger Handelsnationen

(Australien, Neuseeland, USA, Kanada, England, Singapur usw.). Internationale Finan-

zierungen werden in Englisch vereinbart, auch standardisierte Richtlinien der UNO so-

wie ihrer Ausschüsse (insbesondere UNCITRAL), der Internationalen Handelskammer

(ICC, z. B. die Incoterms) oder sonstiger Organisationen (z. B. WTO) werden in engli-

scher Sprache herausgegeben.

In englischer Sprache abgefasste Verträge werden in den meisten Staaten als wirksam

akzeptiert. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nicht nur in Deutschland die Ge-

richtssprache diejenigen des Landes ist, sondern dies auch für andere Staaten gilt, so z.

B. in Israel44

oder in den Golfstaaten45

. Das bedeutet für die Prozessführung erhöhten

Aufwand durch notwendige Übersetzungen. Inwieweit die häufig verbreitete Praxis der

Abfassung zweisprachiger Vertragstexte dem entgegenwirken kann, hängt von der

Sorgfalt der Übersetzung in den jeweiligen Vertragstexten ab. Auch muss darauf geach-

43

Vgl. Neilson Business Equipment Center Inc. v. Italo v. Monteleone, 534 A. 2d 1172 (Del. Supr. 1987); Ble-

si-Evans Co. v. Western Mechanical Service, Inc., 72 U.C.C. Rep. Serv. 2d (Callaghan) 115 (W.D.S.D.

2010). 44

Aufgrund eigener Erfahrung der Verfasserin in einem deutsch-israelischen Rechtsstreit vor einem Gericht in

Tel Aviv. 45

Z. B. Art. 4 Civil Procedure Code United Arabic Emirates (UAE), Law No. 11 of 1992 “the court language

is Arabic”.

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tet werden, dass die jeweilige Landes- und Gerichtssprache dann auch als die maßgebli-

che Sprachfassung vereinbart wird.

Dabei ist gerade bei Anwendung einer Fremdsprache die sorgfältige Formulierung der

Vertragsklauseln zur Vermeidung von Missverständnissen oder auslegungsbedürftigen

Wortfolgen von hervorzuhebender Bedeutung. Nachfolgend sollen einige Formulie-

rungs“fallen“ aufgezeigt werden:

1.2.1 One meaning – one word: Unklarheit der Wortbedeutung

Es ist auf die Bedeutung der genutzten Wörter zu achten, auch darauf, dass British Eng-

lish und American English unterschiedliche Wortbedeutungen umfassen. Grundsätzlich

ist daher zu entscheiden, ob für die Vertragserstellung British English oder American

English genutzt werden soll.

Einige Beispiele:

The American asks for the check and pays with a bill while the British asks for the bill

and pays with a cheque.

ABC may not license the software to any other company located in the Territory.

Does the word “located” mean:

- Organized under the laws of the States included within the Territory?

- Having any size or kind of office in the Territory?

- Headquartered within the Territory?

- Who sells or distributes in the Territory?46

The word “sanction” can either mean “to approve” or “to penalize”.

The word “residence” can refer to a house, a second home, or domicile.

“Days” can mean working days or calendar days.

Writing of dates can be misleading:

05.09.2016 can mean

- for British contracts: 05 September 2016

- for American contracts: 09 May 2016

It is better to write: September 05, 2016 in American contracts and 5 September 2016

in British contracts.

The wording: The parties executed this agreement.

46

Espenschied, S. 89.

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can mean that the contract has been signed but also that the contract has been per-

formed. Therefore it is better to write:

The parties performed according to the terms of the agreement.

Provisos, like provided that, provided, however can have the meaning:47

- a condition: The prevailing view seems to be that a proviso is generally used in a

contract to introduce a clause that states a condition;48

- a duty: Some American courts have held that a proviso always implies a condition

unless subsequent words change it to be a covenant;

- a limitation: Provisos are sometimes interpreted to limit the scope of the preceding

phrase or sentence;

- an exception: Provisos are sometimes interpreted to carve an exception to the

scope of the preceding phrase or sentence;

- an additional requirement: Provisos are sometimes interpreted to add new re-

quirements to the scope of the preceding phrase or sentence.

The word “shall” should only be used to impose a duty on a named party. If the word

“shall” can be replaced with “has a duty to” and it imposes a direct duty on a specific

party to the agreement, it is probably being used correctly.49

1.2.2 False Friends: Unklarheit durch falsche Übersetzung

False Friends sind Wörter, welche ein Gegenstück in einer anderen Sprache haben, je-

doch mit unterschiedlicher Bedeutung:

Englisches Wort Falsche deutsche Über-

setzung

Richtige Übersetzung

Actual Aktuell In fact, e.g. actual moneys

received

Eventually Eventuell Finally, e.g. Something will

eventually happen

Minutes Minuten Protocol of a meeting, e.g.

minutes of a meeting

Notice Notiz Message

Paragraph Paragraf Part of a text

Objective Objektiv Goal

47

Espenschied, S. 116 ff. 48

Vgl. Western Publishing Co., Inc. v. Mindgames, Inc., 995 F. Supp 949, 954-955 (E.D. Wis. 1998); aff’d,

218 F. 3d 652 (7th

Cir. 2000). 49

Espenschied, S. 136 ff.

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1.2.3 Countable and non-countable Information

Die meisten englischen Wörter sind countable words. Non-countable words können

nur im Singular benutzt werden. Information ist beispielsweise ein non-countable noun,

welches nur im Singular existiert. Oder: document (countable noun) und documentation

(non-countable). Also: many documents, but much documentation. Amount ist nur im

Zusammenhang mit uncountable words zu nutzen, number nur mit countable words.

Countable Non-countable

number amount

many much

few little

fewer less

acres land

information

document documentation

1.2.4 Avoid Direct Speech and Gender-related wording

Gender-related words: she, he, his, her; sowie we, us, you und our.

In Wirtschaftsverträgen sollte “gender-related wording” vermieden werden. „the com-

pany“ ist neutral. Wenn ein Vertrag eine konkrete Person meint, dann sollte der ent-

sprechende abstrakte Begriff genutzt werden, z. B. „Licensor“ oder ein gender-neutral

wording, e.g. „spokesperson“ oder it.

1.2.5 One Idea – One Sentence, oder: Choose Plain Language

Die Fragen der Interpunktion sind in englischsprachigen Verträgen immer heikel.50

Die

generelle Regel lautet: When in doubt, do without.“ Schlangensätze” führen zudem zu

Missverständnissen und einer Nichtlesbarkeit der Verträge. Dennoch ist zu prüfen, ob

ein fehlendes Komma evtl. den Sinn des Satzes verändert, so beispielsweise:

Eats, shoots and leaves (Cowboy in a saloon)

50

Daigneault, S. 25.

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Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges 22 von 51

oder

Eats shoots and leaves (Panda bear).

Zu berücksichtigen ist auch:

- ₤ 2,000 = two thousand pounds, however: ₤ 2.000 is two pounds with three decimal

points.

- Point with numbers, dot in the internet und full stop or period at the end of a sentence.

1.2.6 Use strong and active Verbs

Schwache Formulierungen sind zu vermeiden, wie z. B.

Take into consideration: to consider

Be influential on to influence

To make an argument to argue

Makes a decision decides

Gives permit to permits to

1.2.7 Case-sensitive: Capital or small letters

Wie gemeinhin bekannt, werden englische Wörter in Kleinbuchstaben geschrieben. Es

gibt davon Ausnahmen, die bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen sind:

Definitions

Eine Definition beginnt regelmäßig mit: means or shall mean, gefolgt bei einer Auflis-

tung von verschiedenen Punkten, teilweise beschrieben mit including without limitati-

on und but excluding51

, zum Beispiel:

“Intellectual Property” means: (i) Patent Rights; (ii) trademarks, service marks, trade

names, brand names, certification marks, designs, logos and slogans, commercial symbols,

business name registrations, domain names, trade dress and other indications of origin and

general intangibles of like nature, the goodwill associated with the foregoing, and registra-

tions in any domestic or foreign jurisdiction of, and applications in any such jurisdiction to

register, the foregoing, including without limitation any extension, modification, or renew-

al of any such registration or application; (iii) research and development data, formulae,

ideas, know-how, research, analysis, experiments, proprietary processes and procedures,

algorithms, models and methodologies, technical information, technologies, techniques,

51

Daigneault, S. 86.

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Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges 23 von 51

innovations, creations, concepts, designs, industrial designs, procedures, trade secrets and

confidential information, and rights in any domestic or foreign jurisdiction to limit the use

or disclosure thereof by any person; (iv) writings and other works of authorship of any type

(including without limitation patterns, drawings, data, the content contained on any web

site), whether copyrightable or not, in any such jurisdiction, and any copyrights and moral

rights therein (“Copyrights”); (v) computer software (whether in source code or object

code form), databases, compilations, and data; and (vi) registrations or applications for

registration of copyrights in any domestic or foreign jurisdiction, and any renewals or ex-

tensions thereof; and (vii) any similar intellectual property or proprietary rights.

Wörter, die mit Großbuchstaben geschrieben sind, werden in Common Law-Ver-

trägen Bezug zu einer Definition haben. Zu dem obigen Beispiel: Patent Rights must

be referred to under (i) and Copyrights is defined in (iv).

Mit Großbuchstaben beginnen stets Wochentage und Monate sowie Personen- oder

Ländernamen. Gleiches gilt für Abkürzungen, wie z. B. Ltd., Inc. oder No.

Limitations and exclusions

In US-Verträgen sind Ausschlussklauseln für Haftung oder Garantieklauseln stets

vollständig in Großbuchstaben abzufassen, um deren Transparenz- und Warnfunktion

gerecht zu werden.

Headlines

Es gibt für Überschriften nur wenige Regeln.52

Das erste Wort muss mit einem Groß-

buchstaben beginnen; alle weiteren wichtigen Wörter sollen mit einem Großbuchsta-

ben beginnen. Kleinbuchstaben sollen genutzt werden für is, are, by und of. Oft wird

in Verträgen explizit erwähnt, dass die Überschriften für die Vertragsauslegung keine

Bedeutung haben sollen:

The section headings used in this Agreement are inserted for convenience and identifi-

cation only and are not to be used in any manner to interpret this Agreement.

1.3 Angebot (offer) und Annahme (acceptance)

Nach deutschem Recht ist derjenige, der ein Vertragsangebot abgibt, an seine Erklärung

gebunden, wenn er sich verbindlich verpflichten will und der Adressat des Angebots

52

Daigneault, S. 28.

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INTERNATIONALES SCHIEDSVERFAHRENSRECHT

ÜBERSICHT UND VERGLEICH INTERNATIONALE SCHIEDSORDNUNGEN

Bitte beachten Sie, dass die nachfolgende Übersicht keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und

eine Eigenrecherche im konkreten Einzelfall nicht ersetzen kann.

Prof. Dr. Renate Dendorfer-Ditges LL.M. (Illinois) MBA (Maastricht)

Rechtsanwältin Bonn/München * Attorney-at-Law New York

Professorin DHBW Ravensburg

Honorarprofessorin EBS Universität für Wirtschaft und Recht

Stand: Juni 2016

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DIS

UNICTRAL LCIA IDRP SIAC ICC SCC

Gebühren Verwaltungsgebühr:

350 € -40.000€

(Streitwert: 1€ -

10.000.000€)

Keine Institution

Anmeldegebühr:

£ 1.750

Anmeldegebühr:

US$ 750 -US$

11.000 (Streitwert:

US$ <75.000- US$

>10.000.000)

Verwaltungsgebühr:

S$ 3.8000 -$S

95.000/ zzgl.

2.200% - 0.031%

auf den Übertrag an

50.000€ (Streitwert

$S <50.000 - $S

100.000.000)

Verwaltungsgebühr:

US$ 3.000 -US$

99.215 (Streitwert:

US$ <50.000 -US$

100.000.000)

Verwaltungsgebü

hr: 2.000€ -

53.600€

(Streitwert:

<25.000€ -

>75.000.000€)

Honorar

Schiedsgericht /

Sekretariat der

Organisation

1.560€ -129.450€/

zzgl. 2%- 0.05% auf

den Übertrag ab

50.000€ (Streitwert:

<6.000€ -

100.000.000€)

Stundenhonorar des

Sekretariats: £ 150-

£250

Gebühr für

fehlerhafte

Anmeldung: US$

500

Schiedsrichterhono-

rarS$ 6.250 - $S

605.000 (Streitwert

$S <50.000 -$S

>500.000.000)

Schiedsrichter

setzen ihr Honorar

individuell fest

Nicht erstattbare

Anmeldegebühr:

2.000€ (Wird der

Verwaltungsgebü

hr angerechnet)

Stundenhonorar des

Schiedsgerichts

(seiner Richter):

max. £ 450

Schiedsrichter

setzen ihr Honorar

individuell fest

Schiedsrichterho

norar: 4.500€ -

140.500€

(Streitwert:

<25.000€ -

100.000.000€)

Emergency

Arbitrator:

Anmeldegebühr: £

8.000/

Schiedsrichterhonor

ar£ 20.000

Beginn des

Verfahrens/ Erster

Kontakt

Schiedsklage wird

an das Sekretariat

gesendet.

Einleitungserklä-

rung wird an den

Beklagten gesendet.

Einleitungserklä-

rung wird an den

Registerführer

(Registrar) gesendet.

Einleitungserklä-

rung wird an den

Verfahrensver-

walter

(Administrator) gesendet.

Schiedsklage wird

an das Sekretariat

gesendet.

Das Schiedsverfahren beginnt mit dem Zugang der Schiedsklage bzw. der Erklärung zur Einleitung eines Schiedsverfahrens.

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in Kooperation mit:

Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

Internationales Zivilprozessrecht

Dr. Carl Friedrich Nordmeier Richter am Landgericht, zzt. Hessisches Ministerium der Justiz

Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand 04/2016

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Inhaltsverzeichnis

A. Grundzüge des Internationalen Zivilprozessrechts (IZPR) ............................................... 1

Abgrenzung zu Nebengebieten ...................................................................................................................... 1

Quellen des IZPR ............................................................................................................................................ 2

Insbesondere: Europäisch-autonome Auslegung ........................................................................................... 3

B. Zuständigkeit, Rechtshängigkeit, Anerkennung und Vollstreckung ................................. 5

EuGVVO ......................................................................................................................................................... 5

1. Überblick ............................................................................................................................................ 5

2. Anwendungsbereich der EuGVVO ....................................................................................................... 6

3. Internationale Zuständigkeit ............................................................................................................... 7

a) Prüfungsfolge ...................................................................................................................................... 7

b) Ausschließliche Gerichtsstände (Art. 24 EuGVVO) .............................................................................. 7

c) Gerichtsstandsvereinbarungen (Art. 25 EuGVVO) .............................................................................. 8

d) Rügelose Einlassung (Art. 26 EuGVVO) .............................................................................................. 13

e) Sonderregime für Versicherungssachen (Art. 10 EuGVVO), Verbrauchersachen (Art. 17 EuGVVO) und Individualarbeitssachen (Art. 20 EuGVVO) ................................................................................. 14

f) Besondere Gerichtsstände (Art. 7-9 EuGVVO) .................................................................................. 19

g) Wohnsitz (Art. 4 Abs. 1 EuGVVO) ...................................................................................................... 23

4. Koordination von Parallelverfahren (Art. 29-34 EuGVVO) ................................................................. 24

a) Verfahren mit identischem Streitgegenstand (Art. 29 EuGVVO) ...................................................... 24

b) Im Zusammenhang stehende Verfahren (Art. 30 EuGVVO) .............................................................. 26

c) Verfahren vor drittstaatlichen Gerichten (Art. 33-34 EuGVVO) ........................................................ 26

5. Anerkennung und Vollstreckung ....................................................................................................... 26

a) Allgemeines ....................................................................................................................................... 26

b) Anerkennung ..................................................................................................................................... 27

c) Vollstreckung ..................................................................................................................................... 29

Völkerrechtliche Übereinkommen ............................................................................................................... 30

Insbesondere: Revidiertes Lugano-Übereinkommen ................................................................................... 31

Nationales Recht ......................................................................................................................................... 31

1. Internationale Zuständigkeit: Doppelfunktionalität .......................................................................... 31

2. Anerkennung und Vollstreckung ....................................................................................................... 32

a) AVAG ................................................................................................................................................. 32

b) §§ 328, 722 f. ZPO ............................................................................................................................. 33

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C. Zustellung ................................................................................................................... 36

EuZVO VO (EG) 1393/2007 ........................................................................................................................... 36

1. Anwendungsbereich ......................................................................................................................... 36

a) Notwendigkeit der Zustellung im EU-Ausland ................................................................................... 36

b) Anschrift des Zustellungsempfängers ............................................................................................... 37

2. Grundkonzept der EuZVO ................................................................................................................. 37

3. Sprache des zuzustellenden Schriftstücks und Annahmeverweigerung ............................................ 38

a) Amtssprache des Empfangsmitgliedstaates ...................................................................................... 39

b) Sprache, die der Empfänger versteht ................................................................................................ 39

c) Anlagen .............................................................................................................................................. 40

d) Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts .................................................................................. 40

4. Durchführung der Zustellung – Formen der Zustellung ..................................................................... 41

5. Zustellung durch Übermittlungs- und Empfangsstellen ..................................................................... 42

6. Direkte Postzustellung ...................................................................................................................... 42

a) Vorbereitung der Übermittlung ........................................................................................................ 43

b) Belehrung nach Art. 8 EuZVO ............................................................................................................ 43

c) Keine Einschränkungen der direkten Postzustellung ........................................................................ 43

7. Weitere Zustellungsarten ................................................................................................................. 43

a) Diplomatischer oder konsularischer Weg ......................................................................................... 43

b) Diplomatische oder konsularische Vertreter .................................................................................... 44

c) Zustellung im Parteibetrieb ............................................................................................................... 44

8. Sonderproblem: kein Zustellungsbevollmächtigter nach § 184 ZPO .................................................. 45

9. Sonderproblem: Fehlender Zustellungsnachweis .............................................................................. 45

Nationales Auslandszustellungsrecht (§ 183 ZPO) ....................................................................................... 46

Praxishinweis: ZRHO .................................................................................................................................... 46

D. Besondere Verfahren zur beschleunigten Titelerlangung ............................................. 47

Einführung ................................................................................................................................................... 47

1. Nomenklatur .................................................................................................................................... 48

2. Grundkonzept ................................................................................................................................... 48

Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen nach der VO (EG) 805/2004 ..................... 48

1. Voraussetzungen des Bestätigungsverfahrens .................................................................................. 49

a) Unbestrittene Forderung................................................................................................................... 49

b) Vollstreckbarkeit und Beachtung der internationalen Zuständigkeit ............................................... 49

c) Beachtung verfahrensrechtlicher Mindeststandards ........................................................................ 49

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2. Verfahren und Entscheidung ............................................................................................................. 50

3. Wirkung der Bestätigungsentscheidung ............................................................................................ 51

Europäisches Mahnverfahren nach der VO (EG) 1896/2006 ........................................................................ 52

1. Anwendungsbereich der EuMVVO .................................................................................................... 52

2. Voraussetzungen für den Erlass des Europäischen Zahlungsbefehls ................................................. 53

3. Entscheidung und Anfechtung .......................................................................................................... 54

4. Wirkung und Vollstreckung in anderen Mitgliedstaaten ................................................................... 54

Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen nach der VO (EG) 861/2007 .................................... 55

1. Anwendungsbereich der EuGFVO ..................................................................................................... 56

2. Zuständigkeit und Verfahrenseinleitung ........................................................................................... 56

3. Verfahrensablauf .............................................................................................................................. 57

4. Vollstreckung und Rechtsmittel ........................................................................................................ 58

a) Vollstreckung ..................................................................................................................................... 58

b) Rechtsmittel ...................................................................................................................................... 59

E. Beweisaufnahme ........................................................................................................ 60

EuBVO (VO (EG) 1206/2001) ........................................................................................................................ 60

1. Anwendungsbereich ......................................................................................................................... 60

2. Grundkonzept ................................................................................................................................... 62

3. Ablauf des Rechtshilfeverfahrens ..................................................................................................... 62

a) Aktive Rechtshilfe .............................................................................................................................. 62

b) Passive Rechtshilfe ............................................................................................................................ 64

4. Bedeutung der Zentralstellen ........................................................................................................... 66

5. Auf die Beweisaufnahme anwendbares Recht .................................................................................. 66

6. Kosten .............................................................................................................................................. 67

§ 363 ZPO .................................................................................................................................................... 67

1. Zeugenbeweis ................................................................................................................................... 67

2. Sachverständigenbeweis .................................................................................................................. 68

3. Urkundenbeweis............................................................................................................................... 68

4. Augenscheinsbeweis ......................................................................................................................... 68

F. Verfahren vor Europäischen Gerichten ........................................................................ 69

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Vorlageverfahren (Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV) ....................................................... 69

1. Grundstruktur ................................................................................................................................... 69

2. Voraussetzungen .............................................................................................................................. 70

3. Verfahren vor dem EuGH .................................................................................................................. 71

4. EuGH-Urteil ....................................................................................................................................... 72

5. Weiterer Verfahrensgang vor dem nationalen Gericht ..................................................................... 73

a) Bindungswirkung des Urteils ............................................................................................................. 73

b) Keine Einschränkung der Dispositionsfreiheit der Parteien .............................................................. 73

c) Kosten ................................................................................................................................................ 73

Klageverfahren vor dem EuGH und dem EuG ............................................................................................... 74

1. Vertragsverletzungsverfahren .......................................................................................................... 74

2. Nichtigkeits- und Untätigkeitsklage .................................................................................................. 75 Literatur: Textsammlung: Jayme/Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, 17. Aufl. 2014 A. Lehrbücher Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010 Junker, Internationales Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2012 Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl. 2011 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 6. Aufl. 2014 B. Handbücher und Kommentare Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl. 2010 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl. 2014 Geimer/Schütze (Hrsg.), Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Loseblatt, Stand: 47. EL 2014 dies., Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl. 2011 Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2011 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl. 2013 Rauscher (Hrsg.), Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht (EuZPR und EuIPR), mehrbändiger Kommentar Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2009 Stein/Jonas, Band 10, EuGVVO, 22. Aufl. 2011 Die wichtigsten Verordnungen werden zudem kommentiert von Geimer im Anhang von Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, sowie in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015 und im Münchener Kommentar zur ZPO, Band 3, 4. Aufl. 2013.

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A. Grundzüge des Internationalen Zivilprozessrechts (IZPR)

Das Internationale Zivilverfahrensrecht regelt das Verfahren vor staatlichen Gerichten in Fällen mit

internationalen Bezügen. Im Kern geht es darum, wie sich die Internationalität auf die

Verfahrensgestaltung des Gerichts und auf die prozessuale Stellung der Parteien auswirkt. Diese

Frage lässt sich für jedwede prozessuale Situation stellen. Sie wird aber in einigen Konstellationen

besonders virulent. Es sind hier zu nennen:

die internationale Zuständigkeit, d.h. die Frage, inwiefern die Gerichte eines Staates dafür

zuständig sind über den infrage stehenden Streit zu erkennen.

die Zustellung von Schriftstücken an Verfahrensbeteiligte, die im Gerichtsstaat keine

zustellungsfähige Anschrift haben.

die Vornahme von Beweisaufnahmehandlungen, falls das Beweismittel in einem anderen Staat

als dem des Gerichtsstaates belegen ist.

die Koordination von Parallelverfahren, die vor den Gerichten verschiedener Staaten anhängig

sind.

die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, die in einem anderen Staat als dem

Gerichtsstaat ergangen sind.

Die Gesamtheit der prozessualen Regelungen, welche solche Fragen beantworten, bildet den

Gegenstand des internationalen Zivilverfahrensrechts. Anders als im Internationalen Privatrecht

kommt im Internationalen Zivilverfahrensrecht prinzipiell kein fremdes Recht zur Anwendung.

Vielmehr wendet ein Gericht stets sein eigenes Verfahrensrecht und damit auch sein eigenes

Internationales Zivilverfahrensrecht an (sog. lex fori-Grundsatz).

Hinweis

Aus diesem Grundsatz resultieren erhebliche anwaltliche Gestaltungsmöglichkeiten. Er ist jedoch auch eine nicht zu

unterschätzende Fehlerquelle. Weist beispielsweise ein Sachverhalt Beziehungen zu Deutschland, Australien und

Brasilien auf, muss, wenn ein gerichtliches Vorgehen erwogen wird, für jeden Staat getrennt geprüft werden,

inwiefern die internationale Zuständigkeit der jeweiligen Gerichte besteht.

Abgrenzung zu Nebengebieten

Als Nebengebiete des Internationalen Zivilverfahrensrechts sind in wirtschaftsrechtlichen Fällen das

Internationale Privatrecht, das Internationale Insolvenzrecht und das Internationale Schiedsrecht von

herausgehobener Bedeutung.

Das Internationale Privatrecht bestimmt dasjenige staatliche Sachrecht, welches auf einen

Lebenssachverhalt anwendbar ist. Es bedient sich zu diesem Zweck gewisser Merkmale

(Anknüpfungspunkte), welche dem betreffenden Sachverhalt das ihm am nächsten stehende Recht

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zuordnen. Anders als das Internationale Zivilverfahrensrecht führt das internationale Privatrecht

häufig zur Anwendung von Rechtsnormen, die nicht dem Recht des Gerichtsstaates entspringen.

Beispiel

Die in Indonesien ansässige A Ltd. produziert für die in Deutschland ansässige B GmbH Computer. Diese werden von

einem Seefrachtunternehmen, welches durch die B GmbH beauftragt und bezahlt wird, in Indonesien abgeholt und

nach Deutschland transportiert. Entsteht zwischen den beiden Unternehmen Streit wegen der Lieferung

mangelhafter Rechner, ist die Frage, ob die B-GmbH die A. Limited vor deutschen Gerichten verklagen kann (d.h., ob

deutsche Gerichte international zuständig sind), eine solche des Internationalen Zivilverfahrensrechts. Welches

Sachrecht (deutsches, indonesisches oder das eines dritten Staates) deutsche Gerichte, wenn sie angerufen würden,

zur Anwendung brächten, ist ein Problem des Internationalen Privatrechts.

Das Internationale Insolvenzrecht regelt die gemeinschaftliche Befriedigung sämtlicher Gläubiger

eines Schuldners in Sachverhalten mit grenzüberschreitenden Bezügen. Von besonderer Bedeutung

sind Konstellationen, in welchen Vermögen des Schuldners in verschiedenen Staaten belegen ist. Im

europäischen Rechtsraum existiert eine eigene Insolvenzverordnung (EU-InsVO),1 welche vor allem

unterbinden soll, dass in jedem Mitgliedstaat ein eigenes Insolvenzverfahren durchgeführt wird.

Das internationale Schiedsverfahrensrecht hat vor allem im internationalen Wirtschaftsrecht

herausragende Bedeutung. Schiedsgerichte sind im Grundsatz gerade nicht den staatlichen

Bestimmungen des Internationalen Zivilverfahrensrechts unterworfen. Sie folgen ihren eigenen

Schiedsverfahrensordnungen, welche wesentlich weitgehender als staatlich gesetzte Normen

parteidisponibel sind. Zudem kann es im Interesse der Parteien liegen, Streitigkeiten diskret – d.h.

unter Ausschluss der Öffentlichkeit, welche vor staatlichen Gerichten in aller Regel zu wahren ist –

und durch eine von ihnen als neutral angesehene Instanz beilegen zu lassen. Die Zuständigkeit eines

Schiedsgerichts wird durch Parteivereinbarung (Schiedsklausel) begründet. Mangelt es hieran, sind

staatliche Gerichte zur Streitentscheidung berufen.

Quellen des IZPR

Für die zutreffende Erfassung einer internationalzivilprozessualen Fragestellung ist die Einschlägigkeit

verschiedener Gesetzesquellen zu beachten. In Deutschland existiert insbesondere kein

Internationales Zivilprozessrechtsgesetzbuch. Vielmehr sind die relevanten Bestimmungen auf

verschiedene Rechtsakte verteilt. In einem ersten Schritt ist aus Perspektive eines deutschen

Gerichts wie folgt zu differenzieren:

(1) EU-Recht, insbesondere unionale Verordnungen

(2) Völkerrechtliche Abkommen

(3) Autonomes innerstaatliches Recht

1 Verordnung (EG) 1346/2000 des Rates v. 29.5.2000 über Insolvenzverfahren, ABl. EG 2000 L 160, S. 1.

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Die EuZVO regelt nicht, ob eine grenzüberschreitende Zustellung zu erfolgen hat, sondern setzt die

Notwendigkeit einer solchen Zustellung voraus. Weder enthält die Verordnung Bestimmungen

darüber, ob ein Schriftstück überhaupt der Zustellung bedarf, noch finden sich Regelungen über

Zustellungsadressaten.

Daher ist zunächst zu prüfen, ob eine Zustellung auch im Inland erfolgen kann. Dies beurteilt sich

unter Umständen nicht nach deutschem, sondern nach ausländischem Recht. Da Fälle, in denen eine

Zustellung im europäischen Ausland erforderlich sein kann, einen grenzüberschreitenden Bezug

aufweisen, sind die Bestimmungen des internationalen Privatrechts – unabhängig davon, ob es sich

um vom unionalen oder nationalen Gesetzgeber erlassene IPR-Normen handelt – zu beachten.

Beispiel

Die Frage, ob eine Gesellschaft ausländischen Rechts durch eine im Inland ansässige Person mit der Folge vertreten

wird, dass die Zustellung an diese bewirkt werden kann, wird nach dem Gesellschaftsstatut entschieden. Eine in

London registrierte „private limited company“ englischen Rechts wird beispielsweise – vorbehaltlich abweichender

Regelungen im Gesellschaftsvertrag – durch ihren director vertreten. Verfügt dieser über eine zustellungsfähige

Adresse im Inland, bedarf es der Zustellung in London nach der EuZVO nicht. Die Verordnung enthält auch keine

zusätzlichen Regelungen für eine solche Inlandszustellung.

Bedarf ein Schriftstück der Zustellung und hat der Zustellungsempfänger seinen gewöhnlichen

Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat, ist nach den Vorschriften der EuZVO zuzustellen. Eine

sog. fiktive Inlandszustellung – etwa durch Belassen des Schriftstücks in der Akte, wenn kein

inländischer Zustellungsbevollmächtigter benannt wird – ist unzulässig.100

b) Anschrift des Zustellungsempfängers

Als weitere Anwendungsvoraussetzung der EuZVO muss die Anschrift des Zustellungsempfängers

bekannt sein (vgl. Art. 1 Abs. 2 EuZVO). Sollte die Anschrift unbekannt sein, regeln die nationalen

Prozessrechte die Konsequenzen. In Deutschland ist an eine öffentliche Zustellung nach § 185 Nr. 1

oder Nr. 3 ZPO zu denken. Die unbekannte Anschrift ist von der unzutreffenden Anschrift zu

unterscheiden. Wurde eine unzutreffende Anschrift angegeben, ist der Partei, welche die Zustellung

begehrt, aufzugeben, die korrekte Anschrift mitzuteilen.

2. Grundkonzept der EuZVO

Die EuZVO beruht auf der Grundidee, dass die Zustellung von Schriftstücken im Rechtsverkehr

zwischen den Mitgliedstaaten so zügig wie möglich vonstattengehen soll, ohne dass die

Zuverlässigkeit, mit der das zuzustellende Schriftstück den Adressaten erreicht, beeinträchtigt wird.

Die Beschleunigung grenzüberschreitender Zustellungen soll hauptsächlich durch Standardisierung

100

EuGH, Urt. v. 19. 12. 2012, C-325/11, Krystyna Alder u. a. ./. Sabina Orłowska u. a., NJW 2013, 443.

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und Dezentralisierung erreicht werden.101 Obgleich die Verordnung verschiedene Zustellungsformen

kennt, geht sie vom Grundsatz der unmittelbaren Übermittlung zwischen einer dezentralen

Übermittlungsstelle und einer dezentralen Empfangsstelle aus (Art. 4 Abs. 1 EuZVO). Die

Kommunikation erfolgt durch standardisierte Formblätter.

Unter der Übermittlungsstelle wird diejenige staatliche Stelle des Absenderstaates verstanden,

welche um die Übermittlung ersucht. Als Empfangsstelle wird diejenige staatliche Stelle des

Empfängerstaates bezeichnet, die für die Entgegennahme und Ausführung der ersuchten

Zustellungen zuständig ist. In Deutschland ist Übermittlungsstelle für gerichtliche Schriftstücke nach

der Ausführungsvorschrift des § 1069 Abs. 1 Nr. 1 ZPO dasjenige Gericht, das die Zustellung betreibt.

Empfangsstelle ist gemäß § 1069 Abs. 2 S. 1 ZPO dasjenige Amtsgericht, in dessen Bezirk das

Schriftstück zugestellt werden soll.102

Hinweis:

Der im Internet verfügbare Europäische Gerichtsatlas für Zivilsachen103

enthält eine Datenbank der Übermittlungs-

und Empfangsstellen. Durch die Angabe des Zielortes lässt sich die zuständige Empfangsstelle ermitteln. Wird

beispielsweise die Zustellung einer Klageschrift in einem anderen Mitgliedstaat begehrt, empfiehlt es sich, bereits in

der Klageschrift selbst auf die zuständige Empfangsstelle hinzuweisen.

Es existiert zudem in jedem Mitgliedstaat eine Zentralstelle, die Auskünfte erteilen und bei

auftretenden Übermittlungsschwierigkeiten eingeschaltet werden kann (siehe Art. 3 EuZVO).

3. Sprache des zuzustellenden Schriftstücks und Annahmeverweigerung

Besondere Aufmerksamkeit sollte bei Zustellungen in einem anderen Mitgliedstaat der Frage

gewidmet werden, ob das zuzustellende Schriftstück eventuell einer Übersetzung bedarf. Art. 8 Abs.

1 EuZVO räumt dem Empfänger die Möglichkeit ein, die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks zu

verweigern, wenn es nicht in einer Amtssprache des Empfangsmitgliedsstaates oder in einer

Sprache, die er (der Empfänger) versteht, übermittelt wird.

Hinweis:

Die Frage, ob eine Übersetzung der Klageschrift gefertigt werden soll, liegt in der Hand des Klägers. Der sichere Weg

ist stets die Übersetzung in die Amtssprache des Empfangsmitgliedstaates, weil hier die Möglichkeit des Beklagten

zur Zurückweisung minimal ist.104

Andererseits lassen sich Kosten vermeiden, wenn auf die Übersetzung verzichtet

wird. In diesem Fall muss jedoch sichergestellt sein, dass der Zustellungsempfänger die deutsche Sprache versteht.

101

Vgl. Hess, EuZPR, § 8 Rn. 13. 102

§ 1069 Abs. 2 S. 1 ZPO gestattet es den Bundesländern durch Rechtsverordnung, ein Amtsgericht als Empfangsstelle für die Gerichtsbezirke mehrerer Amtsgerichte zu bestimmen. Hiervon haben beispielsweise Hamburg und Nordrhein-Westfalen Gebrauch gemacht.

103 http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil/html/ds_information_de.htm.

104 Der Beklagte könnte in diesem Fall höchstens einwenden, dass die Übersetzung so mangelhaft ist, dass sie der Verständlichkeit entbehrt.

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Im Umkehrschluss folgt, dass eine Übersetzung nicht stets erforderlich105 ist und demnach das

Gericht eine Übersetzung der Klageschrift nicht allein aufgrund des Umstandes verlangen kann, dass

in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugestellt werden soll.

a) Amtssprache des Empfangsmitgliedstaates

Die Amtssprache des Empfangsmitgliedstaates ist regelmäßig einfach zu ermitteln. Bestehen

mehrerer Amtssprachen, die sämtlich oder teilweise regional begrenzt sind, kommt es auf die

Amtssprache(n) am Ort der Zustellung an.

b) Sprache, die der Empfänger versteht

Rechtliche Unsicherheiten bestehen hinsichtlich der Frage, unter welchen Umständen eine Person

eine Sprache im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchstabe a) EuZVO „versteht“.106 Der EuGH hat in der

Grundlagenentscheidung Weiss und Partner107 einige wichtige Anhaltspunkte gegeben, jedoch keine

trennscharfe, subsumtionsfähige Definition erarbeitet. Erforderlich ist eine Wertung im Einzelfall.

Die bloße Behauptung des Zustellungsempfängers, er verstehe die betreffende Sprache nicht, kann

nicht genügen; sie muss anhand objektiver Indizien überprüft werden.108

Hinsichtlich des notwendigen Sprachniveaus ist erforderlich, dass der Empfänger aufgrund seiner

Sprachkenntnisse das ihm zugestellte Schriftstück verstehen und sich im gerichtlichen Verfahren

gegen die in dem Schriftstück erhobenen Vorwürfe verteidigen kann.

Für natürliche Personen können entsprechende berufliche Qualifikationen ein Indiz für hinreichende

Sprachkenntnisse bilden. Die Sprache, in der die Parteien kommuniziert haben – zu denken ist bei

Vertragsverhandlungen etwa an die Verhandlungssprache – gibt ebenfalls einen Anhaltspunkt.

Selbiges gilt für eine vertraglich vereinbarte Sprachenklausel, wenn diese die Leistungserbringung in

einer bestimmten Sprache vorsieht.109

Bei juristischen Personen existieren weitergehende Rechtsunsicherheiten. Da eine juristische Person

per se keine Sprache „verstehen“ kann, muss entschieden werden, auf die Sprachfähigkeiten welcher

natürlichen Personen abzustellen ist. In Betracht kommen beispielsweise die Angehörigen der

satzungs- bzw. gesetzesmäßigen Verwaltungsorgane oder die Mitarbeiter der mit dem konkreten

Vorgang befassten Abteilung.110 Auch die Amtssprache des Landes, nach dessen Recht die juristische

105

Vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 19.3.2013 - 3 O 142/12, BeckRS 2013, 06712. 106

Näher Sujecki, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 30 Rn. 106. 107

EuGH, Urt. v. 8.5.2008, C-14/07, Ingenieurbüro M. Weiss und Partner GbR ./. IHK Berlin, NJW 2008, 1721. 108

LG Düsseldorf, Urt. v. 12.1.2010 – 4b O 286/08, BeckRS 2011, 03329. 109

Im Vertrag, welcher der Entscheidung des EuGH, Urt. v. 8.5.2008, C-14/07, Ingenieurbüro M. Weiss und Partner GbR ./. IHK Berlin, NJW 2008, 1721, zu Grunde lag, fand sich folgende Klausel: „ Die Leistungen sind in deutscher Sprache zu erbringen. Der Schriftverkehr zwischen (der IHK Berlin) und (dem Büro Grimshaw) und den Behörden und öffentlichen Institutionen ist in deutscher Sprache abzufassen.“ Dennoch vermochte der EuGH hierin keine widerlegbare Vermutung erblicken, dass die Parteien die deutsche Sprache im Sinne des Art. 8 Abs. 1 lit. a) EuZVO verstanden. Er maß der Klausel vielmehr nur indizielle Wirkung bei.

110 Vgl. OLG Frankfurt am Main, Hinw.-Beschl. v. 1.7.2014 – 6 U 104/14, GRUR-RR 2015, 183, 184.

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Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

Internationales Zivilprozessrecht

Dr. Carl Friedrich Nordmeier

Landgericht Wiesbaden, zzt. Hessisches Ministerium der Justiz

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Fall (nach EuGH, EuZW 2011, 477 – Berliner Verkehrsbetriebe)

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) hatten bei JP Morgan Chase (JPM) einen Swap-Vertrag geschlossen, nach dem BVG gegen Zahlung einer Prämie an JPM Beträge von bis zu 220 Mio. USD zu zahlen hatte, falls Zahlungen an bestimmte oder von bestimmten Drittgesellschaften eingestellt würden. Der Vertrag enthält eine Gerichtsstandsklausel zugunsten englischer Gerichte. JPM vertritt die Ansicht, die bedingungsgemäße Zahlungseinstellung sei eingetreten und nimmt BVG vor dem High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Commercial Court), auf Zahlung in Anspruch.

BVG wendet ein, der Vertrag sei unter anderem deswegen nichtig, weil sie bei seinem Abschluss ultra vires (außerhalb ihres Aufgaben- und Wirkungskreises) gehandelt habe und die Beschlüsse ihrer Organe, die zum Abschluss dieser Vereinbarung geführt hätten, deshalb nichtig seien. Nach Art. 24 Nr. 2 EuGVVO seien deshalb die Berliner Gerichte ausschließlich zuständig.

Ist die Rechtsansicht der BVG richtig?

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Gerichtsstandsvereinbarungen I

• Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts vereinbart

• Wohnsitz der Parteien irrelevant: auch für Parteien ohne Wohnsitz in

Mitgliedstaat

• Vermutung der ausschließlichen Zuständigkeit, Art. 25 Abs. 1 S. 2 EuGVVO

• Prüfung der materiellen Wirksamkeit nach dem Recht des gewählten Gerichts, Art. 25 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. EuGVVO (einschließlich IPR, ErwG 20) -> Problem der Abgrenzung formelle und materielle Wirksamkeit

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Gerichtsstandsvereinbarungen II

• Form: schriftlich (elektronisch), mündlich mit schriftlicher

Bestätigung, Parteibrauch, Handelsbrauch

• Art. 31 Abs. 2 und 3 EuGVVO: spätere Anrufung des vereinbarten Gerichts führt zur Aussetzung des Verfahrens vor nicht vereinbartem Gericht unter Art. 27 EuGVVO a.F. umgekehrt: als zuständig vereinbartes, aber später angerufenes Gericht hat auszusetzen

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Rügelose Einlassung

• nicht bei ausschließlichen Zuständigkeiten, Art. 26 Abs. 1 S. 2 EuGVVO

• Begriff der Einlassung: europäisch-autonom – erste schriftliche Reaktion im

Verfahren

Nichteinlassung ist keine rügelose Einlassung

• Hilfsweiser Vortrag zulässig

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Rügelose Einlassung II

Neufassung EuGVVO: Belehrung, Art. 26 Abs. 2 EuGVVO Betrifft die Sonderregime Versicherung / Verbraucher / Arbeitnehmer Verstoß: - Rüge bleibt erhalten - Anerkennungshindernis, Art. 45 Abs. 1 lit. e) i. EuGVVO (i.E. str., näher Nordmeier/Schichmann, GPR 2015, 199)

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Sonderregime

- Versicherungssachen

- Verbrauchersachen

- Individualarbeitsverträge

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Sonderregime II

Prozessualer Schwächerenschutz aufgrund typisierter Betrachtung

Schutzmechanismus:

- Schwächere Partei erhält privilegierten Gerichtsstand (z.B. Klägergerichtsstand)

- Stärkere Partei wird auf Gerichtsstand am Wohnsitz der schwächeren Partei beschränkt

- Gerichtsstandsvereinbarungen nur eingeschränkt zulässig (Absicherung des Schutzregime)

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Fall (nach EuGH, EuZW 2009, 855 – Vorarlberger GebietsKK)

Auf einer deutschen Autobahn kommt es zu einem Auffahrunfall an einem Stauende. Der in Österreich wohnhafte A ist Fahrer und Halter des am Stauende stehenden Fahrzeugs. Das auffahrende Fahrzeug wird von B geführt, der auch dessen Halter ist. Haftpflichtversicherer des B ist die deutsche X-AG. A erleidet eine Zerrung der Halswirbelsäule. Er kehrt nach Österreich zurück und nimmt dort eine Heilbehandlung in Anspruch, welche von der Y-Krankenkasse bezahlt werden. Diese macht gegen die X-AG Erstattung der Heilbehandlungskosten aus übergegangenem Recht geltend. Nachdem die X-AG dies ablehnt, klagt Y in Österreich vor den Gerichten am Wohnsitz des A auf Zahlung.

Sind die Gerichte am Wohnsitz des A international zuständig?

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Fall (nach EuGH, NJW 2011, 505 – Pammer und Hotel Alpenhof)

Der in Deutschland lebende Tourist T bucht bei dem österreichischen Skihotel H mehrere Übernachtungen. T wurde auf das Hotel über dessen Website aufmerksam. Seine Buchung und deren Bestätigung erfolgten per E-Mail, da auf der Website des Hotels eine E-Mail-Adresse angegeben war. Bei der Abreise weigert sich T im Hinblick auf diverse von ihm behauptete Mängel der Beherbergungsleistung, den Aufenthalt zu bezahlen.

H klagt vor den österreichischen Gerichten am Ort, an welchem das Hotel belegen ist, auf Zahlung. T wendet ein, er sei Verbraucher und könne nur in Deutschland verklagt werden.

Sind die österreichischen Gerichte internationale und örtlich zuständig?

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Vertragsgerichtsstand

Art. 7 Nr. 1 EuGVVO: Erfüllungsort Autonom nach anwendbarem Recht Kauf bew. Sachen sämtliche sonstige Dienstleistungen Verträge Beispiel Versendungskauf: vorrangig Vertragsbestimmungen (ohne Bezugnahme auf anwendbares Recht); ansonsten Erlangung der Verfügungsgewalt durch Käufer (EuGH, NJW 2010, 1059, 1061 – Car Trimm)

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Fall 2 (nach EuGH, EuZW 2014, 469 – Weber)

Frau M, die in Mailand wohnt, ist Eigentümerin eines in München belegenen Grundstücks. An dem Grundstück hat Frau I ein dingliches Vorkaufsrecht. Frau M verkauft das Grundstück an die Z GbR. Frau I übt das Vorkaufsrecht aus; Frau M lässt ihr das Grundstück auf, bewilligt jedoch noch nicht die Eintragung im Grundbuch.

Die Z GbR verklagt die beiden Frauen in Mailand mit dem Antrag festzustellen, dass Frau I das dingliche Vorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt hat und deshalb der Kaufvertrag zwischen der Z GbR und Frau M weiterhin gültig sei.

Zeitlich später klagt Frau I in München gegen Frau M auf Bewilligung der Eigentumseintragung.

Ist das Münchener Verfahren nach Art. 29 Abs. 1 EuGVVO auszusetzen?

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Parallelprozesse bei Gerichtsstandsvereinbarung

Neufassung EuGVVO:

Art. 31 Abs. 2 EuGVVO: bei ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarung hat prorogiertes Gericht Vorrang, unabhängig von Abfolge der Anrufung der Gerichte

Durchbrechung des Prioritätsprinzips)

• Einschränkung herkömmlicher „Torpedo“-Klagen

• Problem des „inversen Torpedos“: Behauptung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung vor später angerufenem Gericht

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in Kooperation mit:

Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

Grundzüge des Internationalen Steuerrechts

Dr. Henrik Lay Rechtsanwalt / Steuerberater / Fachanwalt für Steuerrecht

AHB Rechtsanwälte Steuerberater

Neuer Wall 59 20354 Hamburg

T +49 (0) 40 88 88 56 33 E [email protected]

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung............................................................................................................................................. 3 Rechtsquellen ...................................................................................................................................... 3

1. Unilaterale Regelungen ........................................................................................................... 3 2. Völkerrecht .............................................................................................................................. 3 3. Europarecht ............................................................................................................................. 4

Steuerpflicht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ................................................................... 5 1. Grundbegriffe .......................................................................................................................... 5

a) Unbeschränkte Steuerpflicht ............................................................................................... 5 b) Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG).................................................. 5 c) Fiktive unbeschränkte Einkommenssteuerpflicht auf Antrag (§ 1 Abs. 3 EStG) ................. 6 d) Fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht bei EU, EWR-Familienangehörigen (§ 1a EStG) ............................................................................................................................................ 6 e) Beschränkte Steuerpflicht ................................................................................................... 6

2. Doppelbesteuerung ................................................................................................................. 8 a) Begriff .................................................................................................................................. 8 b) Ursachen .............................................................................................................................. 8 c) Maßnahmen zur Vermeidung ............................................................................................. 8

3. Struktur von Doppelbesteuerungsabkommen ...................................................................... 11 4. Minderbesteuerung ............................................................................................................... 13

a) Außensteuergesetz (AStG) ................................................................................................ 14 b) Weitere unilaterale Regelungen........................................................................................ 16 c) DBA-Recht .......................................................................................................................... 17

5. Inbound Aktivitäten von Steuerausländern .......................................................................... 17 a) Grundsatz .......................................................................................................................... 17 b) Isolierende Betrachtungsweise (§ 49 Abs. 2 EStG) ............................................................ 17 c) Gewerbliche Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EStG) ........................................................ 18 d) Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. e EStG) .......... 19 e) Gewerbliche Veräußerungsgewinne bzw. V&V bei inländischen Immobilien (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f EStG) .......................................................................................................................... 20 f) Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. und 4 EStG) 20 g) Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG) .................................................. 21 h) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG) .............................. 22 i) Sonstige Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 7 bis 9 EStG) .............................................................. 22

Steuerpflicht bei grenzüberschreitenden Erbfällen .......................................................................... 23

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2. Doppelbesteuerung

a) Begriff

Doppelbesteuerung liegt vor, wenn

vergleichbare Steuern

in mehreren Staaten

von demselben Steuerpflichtigen

für denselben Steuergegenstand und

für denselben Zeitraum erhoben werden.

Doppelbesteuerung ist in der Regel eine Zweifachbelastung, aber auch eine Drei- oder

Mehrfachbelastung unterfällt dem Begriff der Doppelbesteuerung.

b) Ursachen

Ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland begnügen sich auch andere Staaten in der Regel nicht

damit, direkte Steuern von Steuerinländern zu erheben. Vielmehr werden auch Steuerausländer

besteuert, sofern ein inländischer Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung gegeben ist. Die

Doppelbesteuerung beruht dann darauf, dass Steuerpflichtige entweder in zwei Staaten gleichzeitig

ansässig sind, oder Einkunftsquellen besitzen, die in anderen Staaten als dem Ansässigkeitsstaat

belegen sind. In beiden Fällen kann jeder betroffene Staat seinen eigenen Steueranspruch gegenüber

dem Steuerpflichtigen geltend machen. Dies lässt sich anhand folgender Beispiele verdeutlichen:

Beispiel 1

D ist einziger Geschäftsführer der L S.à r.l. mit Sitz in Luxemburg. Er arbeitet und wohnt ausschließlich in Hamburg.

Die L S.à r.l. ist in Luxemburg aufgrund ihres Satzungssitzes unbeschränkt steuerpflichtig. Zugleich ist sie in

Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, da sich der Ort der Geschäftsleitung in Hamburg befindet.

Beispiel 2

D ist zudem Eigentümer eines Ferienhauses in Dänemark, das er vermietet. Mit den Mieteinkünften unterliegt D in

Dänemark der beschränkten Steuerpflicht. Deutschland greift auf die Mieteinkünfte auf Grundlage des

Welteinkommensprinzips zu.

c) Maßnahmen zur Vermeidung

Prinzipiell existieren folgende Methoden, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden:

Anrechnungsmethode: Im Rahmen der Anrechnungsmethode werden die in- und ausländischen

Einkünfte gem. dem Welteinkommensprinzip zusammengerechnet und der Besteuerung

zugrunde gelegt, wobei aber die im Ausland gezahlte Steuer entweder vollständig oder teilweise

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auf die inländische Steuer angerechnet wird. Ziel der Anrechnung ist es, dass sich die

Gesamtsteuerbelastung unabhängig von der Herkunft der Einkünfte zumindest nach dem

inländischen Steuerniveau richtet. Die Anrechnungsmethode steht damit für die sog.

Kapitalexportneutralität, die Wettbewerbsneutralität gegenüber inländischen Unternehmen

herstellen soll.

Freistellungsmethode: Im Rahmen der Freistellungsmethode verzichtet entweder der

Ansässigkeitsstaat oder der Quellenstaat auf eine Besteuerung. Verzichtet der Ansässigkeitsstaat

erfolgt dies teilweise mit und teilweise ohne sog. Progressionsvorbehalt. Für ausländische

Einkunftsteile bleibt es beim Verzicht durch den Ansässigkeitsstaat im Grundsatz bei dem

ausländischen Steuerniveau. Die Freistellungsmethode steht in diesem Fall für die sog.

Kapitalimportneutralität, die die Wettbewerbsneutralität im Ausland gegenüber den

ausländischen Unternehmen sicherstellt.

Abzugsmethode: Im Rahmen der Abzugsmethode können ausländische Steuern direkt von der

steuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Im Ausland gezahlte Steuern mindern

daher nicht direkt die inländische Steuer und werden dementsprechend nicht in voller Höhe

berücksichtigt.

Pauschalierungsmethode/Erlassmethode: Im Rahmen dieser Methoden werden die auf

ausländische Einkünfte entfallende Steuer ganz oder teilweise erlassen oder in einem

Pauschbetrag festgesetzt. Diese Methoden finden nur im Fall des Nichtbestehens eines DBAs

Anwendung.

Die beiden wichtigsten Methoden in der Praxis sind die Anrechnungs- und die Freistellungsmethode.

Während die Freistellungsmethode regelmäßig auf Grund von DBA Anwendung findet (vgl. Art. 23A

OECD-MA), ist die Anrechnungsmethode sowohl in vielen DBA (vgl. Art. 23B OECD-MA) als auch im

innerstaatlichen Recht (§ 34c EStG) verankert.

aa. Freistellungsmethode

Welchem Staat das Besteuerungsrecht zusteht, richtet sich nach der Einkunftsart, wobei dem

Quellenstaat das Besteuerungsrecht insbesondere bei einer besonders starken Bindung zugestanden

wird. Dabei handelt es sich z.B. um Einkünfte aus:

unbeweglichem Vermögen im Ausland,

im Ausland gelegenen Betriebsstätten,

im Ausland ausgeübter unselbständiger Tätigkeit (wobei aber die sog. 183-Tage-Regelung und

ggf. Besonderheiten für Grenzgänger zu beachten sind).

Allerdings sind in einzelnen DBA natürlich auch abweichende Regelungen enthalten. Die in der

Bundesrepublik Deutschland nach den DBA steuerfreien Einkünfte sind nach deutschem Steuerrecht

zu ermitteln. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um positive oder negative Einkünfte handelt. Auch

Verluste werden bei Anwendung der Freistellungsmethode im Inland nicht berücksichtigt. Allerdings

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können sich Auswirkungen im Rahmen des sog (positiven oder negativen) Progressionsvorbehalts

ergeben. Unter bestimmten Voraussetzungen ist hiernach der Steuersatz auf die inländischen

Einkünfte so zu ermitteln, als ob die ausländischen Einkünfte berücksichtigt würden.

Die Auswirkungen des Progressionsvorbehaltes verdeutlichen die folgenden Beispiele (aus

Vereinfachungsgründen ohne Solidaritätszuschlag):

Beispiel 1

Zu versteuerndes Einkommen (zvE) 2014: EUR 60.000

Steuerfreie DBA Einkünfte: EUR 10.010

Für Steuersatz maßgebliches Einkommen: EUR 70.010

ESt auf € 70.010 (lt. Grundtabelle): EUR 21.165

durchschnittlicher Steuersatz: 21.165/70.010 = 30,24 %

Anwendung des Steuersatzes auf zvE: EUR 60.000 x 30,24% = EUR 18.141

Steuer ohne Progressionsvorbehalt (lt. Grundtabelle): EUR 16.961

Mehrbelastung: EUR 1.180

Beispiel 2

zvE 2014: EUR 60.000

Steuerfreie DBA Einkünfte: EUR ./. 10.000

Für Steuersatz maßgebliches Einkommen: EUR 50.000

ESt auf € 50.000 (lt. Grundtabelle): EUR 12.780

durchschnittlicher Steuersatz: 12.780/50.000 = 25,56%

Anwendung des Steuersatzes auf zvE: EUR 60.000 x 25,56% = EUR 15.336

Steuer ohne Progressionsvorbehalt (lt. Grundtabelle): EUR 16.961

Wenigerbelastung: EUR 1.625

ab. Anrechnungsmethode

Gemäß § 34c Abs. 1 EStG können unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Personen, die mit ihren

aus einem ausländischen Staat stammenden Einkünften dort zu einer der deutschen

Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen wurden, die festgesetzte und gezahlte,

keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegende ausländische Steuer auf die deutsche

Einkommensteuer anrechnen, die auf die ausländischen Einkünfte entfällt. Diese unilaterale Regelung

entspricht regelmäßig der auch in DBAs vorgesehenen Anwendung der Anrechnungsmethode.

Voraussetzung für die Anrechnung ist, dass die ausländische Steuer der deutschen Einkommensteuer

entspricht. Darüber hinaus muss die Steuer festgesetzt sein und darf keinem Ermäßigungsanspruch

mehr unterliegen.

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Compliance - Grundzüge der Korruptions-, Betrugs- und

Geldwäschebekämpfung im internationalen Rechtsverkehr

RA Eric Mayer / Partner Pohlmann & Company

München, Samstag, 6. Februar 2016

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Grundlagen der Compliance

c) Einzelne Compliance-Maßnahmen

und ihre Ermessensspielräume

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Seite 18 © Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG FA Int. WirtR / Eric Mayer

Compliance-Maßnahmen und ihre Ermessenspielräume

Mindestanforderungen an Compliance-Maßnahmen im Unternehmen

Grundsätzlich werden der Geschäftsleitung in der Ausgestaltung ihres Compliance Systems weite

Ermessensspielräume zugestanden.

Nach derzeitigem Stand nimmt die Rechtsprechung und die h.A. in der juristischen Literatur bei folgenden

Maßnahmen eine „Ermessensreduzierung auf Null“ an (Compliance-Mindestanforderungen):

(1) Compliance-Risikoanalyse Ist zugleich „angemessene Informationsgrundlage“ für jede weitere Organisationsentscheidung

nach der Business Judgement Rule

(2) Tone form the top

(3) Klare Zuordnung der Verantwortlichkeiten

(4) Compliance Reporting und Berichtlinie nach oben Vorstand und AR muss veranlassen, über Compliance regelmäßig informiert zu werden.

(5) Wirksamkeitskontrolle Vorstand hat die Pflicht, das CMS regelmäßig und nicht nur anlassbezogen zu überwachen sowie

dessen Wirksamkeit zu kontrollieren

(6) Umfassende Aufarbeitung von Compliance-Verstößen

(7) Sanktionierung von Fehlverhalten

Reaktion

Sanktion

Prävention

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Compliance-Risikoanalyse (1/4)

Compliance-Risikoanalyse als Grundlage für:

Erkennen rechtlicher Risiken, die überwacht werden müssen

Entscheidung, ob und in welchem Umfang ein Compliance Management System einzurichten ist

Angemessene Informationen für unternehmerische Entscheidungen (Business Judgement Rule)

Ermessensreduzierung auf null

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Compliance-Risikoanalyse (2/4)

Brutto-Risiko vs. Netto-Risiko

Brutto-Risiko

Netto-Risiko

Implementierte

Prozesse &

Kontrollen

1 Compliance

Risikoanalyse 2

Compliance

Health-Check

"Risk Appetite"

"GAP-Analyse"

Identifikation der Brutto-Compliance-

Risiken in den Fokusbereichen:

Anti-Korruption

Wettbewerbs- und Kartellrecht

ggf. Geldwäsche

Prüfung der Angemessenheit und des Implementierungs-grads von

Kontrollen & Monitoring-Prozessen

Ableitung des Netto-Compliance-Risikos

GAP-Analyse je Risikoausprägung ermöglicht Priorisierung der

Handlungsempfehlungen und Ableitung eines strukturierten

Maßnahmenplans

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Compliance-Risikoanalyse (3/4)

GELDWÄSCHE

Geschäftsaktivitäten in Embargo-

/Risikoländer

Zahlungsmodalitäten

WETTBEWERB (HORIZONTAL)

Wettbewerberkontakte

Anzahl Marktteilnehmer

Innovationsgrad

WETTBEWERB (VERTIKAL)

Exklusivvereinbarungen

Preisbindung

MARKTMISSBRAUCH

Marktanteil

Marktzutrittsschranken

Konstanz der Marktanteile

AKTIVE KORRUPTION

Regionale Struktur

Kundenstruktur

Geschäftspartner

Gifts & Hospitalities

Regulierung

Incentivierung

Verfahren in der Vergangenheit

PASSIVE KORRUPTION

Einkaufsregion

Beauftragungsart

Einkaufsorganisation

Incentivierung

Jeder Fokusbereich verfügt über eine Vielzahl von Risikoausprägungen, die zur Ermittlung des quantitativen und

qualitativen Compliance-Bruttorisikos herangezogen werden:

Anti-Korruption Wettbewerbs- und

Kartellrecht Geldwäsche (optional)

Fokusbereiche

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Ein Unternehmen der in Kooperation mit:Verlagsgruppe

Fachanwalt für

Internationales WirtschaftsrechtIWR 3 – Europäisches Beihilfen- & Wettbewerbsrecht

Erstellt von Dr. Andreas von Bonin LL.M., Rechtsanwalt, Brüssel

Wird fortgeführt von Dr. Andrés Martin Ehlers LL.M., Rechtsanwalt

Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand 08/2014

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1

Skript zum Europäischen Beihilfen- und Wettbewerbsrecht für den Fachanwalts-Lehrgang Internationales Wirtschaftsrecht

Dr. Andreas von Bonin LL.M. Brüssel, im Juni 2014

InhaltsverzeichnisInhaltsverzeichnisInhaltsverzeichnisInhaltsverzeichnis

A. EINLEITUNG .............................................................................................................................. 3

B. DAS KARTELLVERBOT (ART. 101 AEUV) ..................................................................................... 4

I. EINFÜHRUNG............................................................................................................................ 4 II. TATBESTAND DES ART. 101 ABS. 1 AEUV....................................................................................... 5

1. Überblick .......................................................................................................................... 5 2. Verhältnis zum nationalen Recht....................................................................................... 6 3. Unternehmensbegriff ....................................................................................................... 6 4. Vereinbarungen, Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen ................................... 10 5. Wettbewerbsbeschränkung ............................................................................................ 13 6. Bezwecken oder Bewirken .............................................................................................. 19 7. Tatbestandsrestriktionen ................................................................................................ 22 8. Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung.................................................................... 25 9. Zwischenstaatlichkeitsklausel ......................................................................................... 27 10. Relevanter Markt ........................................................................................................... 28

III. AUSNAHMEN VOM KARTELLVERBOT ............................................................................................. 33 1. Art. 101 Abs. 3 AEUV ...................................................................................................... 33 2. Unmittelbare Anwendbarkeit.......................................................................................... 33 3. Gruppenfreistellungsverordnungen ................................................................................. 34 4. Freistellung im Einzelfall nach Art. 101 Abs. 3 AEUV ........................................................ 38

IV. FOLGEN DES VERSTOßES GEGEN DAS KARTELLVERBOT ....................................................................... 40 1. Nichtigkeit der Vereinbarung .......................................................................................... 40 2. Entscheidungsbefugnisse der Kommission ....................................................................... 41 3. Verpflichtungszusagen, Art. 9 VO 1/2003; Vergleichsverfahren, VO 622/2008,

„settlements“ .......................................................................................................................... 44 4. Kronzeugenregelung....................................................................................................... 45 5. Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ......................................................................... 48 6. Ermittlungsbefugnisse, Art. 18 ff. VO 1/2003 .................................................................. 49 7. Feststellung der Nichtanwendbarkeit, Art. 10 VO 1/2003 ................................................ 51 8. Zuständigkeit, Art. 4 ff. VO 1/2003 .................................................................................. 52

C. DAS MISSBRAUCHSVERBOT (ART. 102 AEUV) ......................................................................... 54

I. ÜBERBLICK ............................................................................................................................. 54 II. MARKTBEHERRSCHENDE STELLUNG .............................................................................................. 56

1. Grundlagen .................................................................................................................... 56 2. Kriterien für die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung ................................... 57 3. Kollektive Marktbeherrschung ........................................................................................ 60

III. BEHERRSCHUNG EINES WESENTLICHEN TEILS DES BINNENMARKTS ........................................................ 61 IV. MISSBRÄUCHLICHES AUSNUTZEN ................................................................................................. 62

1. Grundlagen .................................................................................................................... 62 2. Erscheinungsformen ....................................................................................................... 63

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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand 08/2014

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von Bonin, Europäisches Beihilfe- und Wettbewerbsrecht (2014)

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V. BEEINTRÄCHTIGUNG DES HANDELS............................................................................................... 86 VI. RECHTFERTIGUNG .................................................................................................................... 87 VII. RECHTSFOLGEN EINES VERSTOßES GEGEN ART. 102 AEUV ........................................................... 90 VIII. ART. 106 ABS. 1 AEUV ....................................................................................................... 91

1. Öffentliche Unternehmen ............................................................................................... 91 2. Unternehmen mit besonderen oder ausschließlichen Rechten ......................................... 91 3. Rechtfertigung nach Art. 106 Abs. 2 AEUV ...................................................................... 91

D. DIE EUROPÄISCHE ZUSAMMENSCHLUSSKONTROLLE .............................................................. 92

I. EINFÜHRUNG EUROPÄISCHE ZUSAMMENSCHLUSSKONTROLLE .............................................................. 92 1. Sinn und Zweck ............................................................................................................... 92 2. Überblick über das Verfahren der europäischen Zusammenschlusskontrolle .................... 93 3. Rechtliche Grundlagen .................................................................................................... 94

II. PRÜFUNGSSCHEMA .................................................................................................................. 96 III. ANWENDBARKEIT DER EU-ZUSAMMENSCHLUSSKONTROLLE ............................................................... 96

1. Anwendbarkeit EU-Recht – Verhältnis zu nationalem Recht............................................. 96 2. Anwendbarkeit EU-Recht – Verhältnis zu außereuropäischen Jurisdiktionen .................... 97 3. Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung (Prüfungsschritt 1)..................... 97 4. Möglichkeit der Verweisung ......................................................................................... 107

IV. VEREINBARKEIT DES ZUSAMMENSCHLUSSES MIT DEM GEMEINSAMEN MARKT (PRÜFUNGSSCHRITT 2) ......... 108 1. Rechtsquellen und ausführliches Prüfungsschema ......................................................... 109 2. Marktabgrenzung......................................................................................................... 110 3. SIEC-Test ...................................................................................................................... 110 4. Zusammenschlusskontrolle bei Gemeinschaftsunternehmen ......................................... 124

V. ZUSAGEN, AUFLAGEN, BEDINGUNGEN ........................................................................................ 127 VI. ENTSCHEIDUNG ..................................................................................................................... 128

E. EU-WEITE REGELN FÜR STAATLICHE BEIHILFEN ..................................................................... 131

I. EINFÜHRUNG........................................................................................................................ 131 1. Ziel des EU-Beihilfenrechts ............................................................................................ 131 2. Mandantenberatung im Bereich des EU-Beihilferechts .................................................. 132

II. DAS MATERIELLE EU BEIHILFENRECHT ......................................................................................... 135 1. Art. 107 Abs. 1 AEUV .................................................................................................... 135 2. Tatbestandsausschluss nach Altmark ............................................................................ 148 3. Folge der Altmark-Rechtsprechung/Art. 106 Abs. 2 AEUV .............................................. 155 4. Entwurf der Kommission Mitteilung 2014 ..................................................................... 162 5. Rechtfertigende Ausnahmen von Art. 107 Abs. 1 AEUV ................................................. 163

III. VERFAHRENSRECHT ................................................................................................................ 174 IV. RÜCKFORDERUNG GEMEINSCHAFTSWIDRIGER BEIHILFEN.................................................................. 176

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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand 08/2014

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von Bonin, Europäisches Beihilfe- und Wettbewerbsrecht (2014)

3

A. Einleitung

Das vorliegende Skript zum Europäischen Beihilfen- und Wettbewerbsrecht dient der Erarbeitung des im Rahmen des Fachanwaltslehrgangs zum Fachanwalt für Internati-onales Wirtschaftsrecht vorgesehenen Stoffs. Ziel der Darstellung ist, dem bereits ju-ristisch versierten Leser einen Einblick in die spezielle Materie des europäischen Kar-tell- und Wettbewerbsrechts zu geben.

Dieses ist in den Artikeln 101 ff. des AEUV geregelt und stellt einen der am Inten-sivsten „vergemeinschafteten“ Bereiche des EU-Rechts dar.

Zum Europäischen Wettbewerbsrecht gehören das klassische Kartellverbot des Art. 101 AEUV, das Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV, das den Missbrauch ei-ner marktbeherrschenden Stellung verbietet (beide Vorschriften werden auch im Sprachgebrauch der EU-Kommission als „Antitrust“ bezeichnet) und das Beihilfen-verbot des Art. 107 AEUV. Die Europäische Fusionskontrolle, die neben den Anti-trust-Vorschriften einen wesentlichen Bestandteil des klassischen Kartellrechtsin-strumentariums darstellt, ist nicht direkt im AEUV, sondern sekundärrechtlich in der Europäischen Fusionskontrollverordnung (FKVO) geregelt.

Das Europäische Kartellrecht wird von der Europäischen Kommission durchgesetzt. Sie kann dazu Entscheidungen direkt gegenüber Unternehmen treffen. Dies stellt im Verwaltungsgefüge zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten einen Sonderfall dar. Im Bereich Antitrust (Art. 101, 102 AEUV) sowie in der Fusionskon-trolle trifft die Kommission zahlreiche verschiedene Entscheidungen (Freigabeent-scheidungen, Bußgeldentscheidungen, Annahme von Zusagen) und hat umfassende Ermittlungs- und Auskunftsbefugnisse gegenüber Unternehmen. Im Beihilfebereich trifft die Kommission Entscheidungen gegenüber einzelnen Mitgliedstaaten; die als Beihilfeempfänger von diesen Entscheidungen betroffenen Unternehmen sind nach derzeitiger Rechtslage in das Beihilfeverfahren nicht formell eingebunden.

Während zahlreiche Endentscheidungen im Wettbewerbsbereich nach wie vor von der gesamten Kommission, d.h. dem Kollegium der Kommissare, getroffenen werden, kommt dem Wettbewerbskommissar heute eine weitreichende Befugnis unter dem sog. Habilitations-Verfahren zu, wonach er viele Entscheidungen allein zeichnen kann.

Entscheidungen der Kommission im Wettbewerbsbereich sind gerichtlich bei den Eu-ropäischen Gerichten in Luxemburg überprüfbar. Die gerichtliche Überprüfung be-zieht sich in der ersten Instanz auch auf Tatsachen, wobei der Kommission von den Gerichten ein weitreichendes Ermessen, v.a. bei der Beurteilung wirtschaftlicher Sachverhalte eingeräumt ist. Ihre Einschätzung in diesem Bereich wird gerichtlich daher weitreichend nur auf wesentliche Beurteilungsfehler überprüft.

Die Übernahme von Texten aus Lehrbüchern und anderen Darstellungen erfolgt mit Genehmigung des Verlags.

Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge zu dieser Darstellung nimmt der Autor jederzeit gern unter [email protected] entgegen.

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Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Stand 08/2014

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von Bonin, Europäisches Beihilfe- und Wettbewerbsrecht (2014)

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B. Das Kartellverbot (Art. 101 AEUV)

“ People of the same trade seldom meet together, even for merriment and diversion, but the conversation ends in a conspiracy against the public, or in some contrivance to raise prices. It is impossible, indeed, to prevent such meetings, by any law which either could be executed, or would be consistent with liberty and justice. But though the law cannot hinder people of the same trade from sometimes assembling together, it ought to do nothing to facilitate such assemblies, much less to render them necessary.“ ∗

I . Einführung

Das sog. Kartellverbot des Art. 101 AEUV (zuvor Art. 81 EGV) erfasst Wettbe-werbsbeschränkungen, die von der Abstimmung zwischen mehreren unabhängigen Unternehmen ausgehen. Demgegenüber unterfallen einseitige Wettbewerbsbeschrän-kungen einzelner Unternehmen dem Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV, das die-ses Skript im nachfolgenden Teil behandelt. Beide Vorschriften dienen dazu, einen unverfälschten Wettbewerb zu sichern. Die Europäische Kommission, Generaldirek-tion Wettbewerb, ist befugt, die Einhaltung der Kartellvorschriften europaweit direkt durch Entscheidungen gegenüber Unternehmen durchzusetzen.

Das Verbot des Art. 101 AEUV erfasst sowohl horizontale wie auch vertikale Wett-bewerbsbeschränkungen, also Absprachen zwischen Konkurrenten auf gleicher Pro-duktions-/Vertriebsebene und Absprachen zwischen in der Lieferkette vor- bzw. nachgelagerten Unternehmen.

Unternehmen können auf verschiedene Weise zwischen ihnen bestehenden Wettbe-werb beschränken oder gar ausschalten. Klassische Beispiele besonders gravierender Verstöße gegen das Kartellverbot sind Preis-, Gebiets- oder Quotenabsprachen, bei denen Wettbewerber Preise festlegen, Vertriebsregionen oder Märkte unter sich auf-teilen oder Produktionsmengen absprechen. Solch besonders schwerwiegende Kartel-le werden auch als „Hardcore“-Kartelle bezeichnet.

Kartellanten müssen heutzutage bei Verfahren vor der Kommission schwerwiegende Strafen von bis zu 10 % des weltweiten Jahresgesamtumsatzes befürchten. So wurden 2013 von der Europäischen Kommission knapp unter EUR 2 Mrd. als Bußgelder ge-genüber Unternehmen verhängt. Die bislang höchste Strafe betraf das Unternehmen Saint Gobain mit EUR 880 Mio. im Jahr 2008 (in 2013 vom Allgemeinen Gericht auf EUR 715 Mio. reduziert). Als besonders effektives Instrument zur Aufdeckung von Kartellen hat sich das Kronzeugenprogramm entwickelt, in dessen Rahmen Kartellan-ten gegen Strafnachlass das Kartell gegenüber den Wettbewerbshütern aufdecken können. Zudem sind behördlich festgestellte Kartellverstöße in der Regel die Grund-lage zivilrechtlicher Schadensersatzklagen. So wurde jüngst im April 2014 vom Eu-ropäischen Parlament eine Richtlinie beschlossen, die den Rahmen für kartellrechtlich begründete Schadensersatzklagen absteckt.

∗ Adam Smith (1723-1790), The Wealth of Nations: An Inquiry into the Nature & Causes of the Wealth of Nation, Chapter X,

Part II, p. 152. ** Der Author Herr Dr. Andreas von Bonin LLM, Partner in der Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, dankt hiermit

dem RA Dr. Christian Melischek, sowie dem Referendar Herrn Hendrik Schlutt für die maßgebliche Unterstützung bei der

Erstellung dieses Skriptabschnittes zum Kartellverbot.

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von Bonin, Europäisches Beihilfe- und Wettbewerbsrecht (2014)

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II. Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV

1. Überblick

Abs. 1 des Artikels 101 AEUV enthält den Tatbestand des Kartellverbots. Abs. 2 re-gelt die Rechtsfolgen, die in der Verordnung VO (EG) 1/2003 nähere Ausführung finden. Dabei ist von Bedeutung, dass das Kartellverbot direkt – ohne weitere Ent-scheidung der Kommission – Anwendung findet. Abs. 3 sieht eine Legalausnahme vom Kartellverbot vor.

Der Wortlaut des Artikel 101 AEUV lautet wie folgt:

„(1) Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwi-schen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu be-einträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesonde-re

a) die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;

b) die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen;

c) die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen;

d) die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;

e) die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertrags-partner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handels-brauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.

(2) Die nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse sind nichtig.

(3) Die Bestimmungen des Absatzes 1 können für nicht anwendbar erklärt werden auf

- Vereinbarungen oder Gruppen von Vereinbarungen zwischen Unternehmen,

- Beschlüsse oder Gruppen von Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen,

- aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen oder Gruppen von solchen,

die unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des tech-nischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne dass den beteiligten Unter-nehmen

a) Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, oder

b) Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten.”

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Auf dieser Grundlage ist von folgendem Prüfungsschema als Orientierungshilfe aus-zugehen:

Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV: 1. Unternehmen oder Unternehmensvereinigung im Sinne von Art. 101 AEUV 2. Vereinbarung, abgestimmte Verhaltensweise oder Beschluss 3. Beschränkung des Wettbewerbs 4. Bezwecken oder Bewirken der Wettbewerbsbeschränkung 5. Spürbarkeit 6. Zwischenstaatlichkeit Legalausnahmen gemäß Gruppenfreistellungsverordnungen und Art. 101 Abs. 3 AEUV Rechtsfolgen des Verstoßes, u.A. Art. 101 Abs. 2 AEUV, VO 1/2003

In diesem Skriptteil zu Art. 101 AEUV wird auf die einzelnen Prüfungspunkt genauer eingegangen.

2. Verhältnis zum nationalen Recht

Nicht nur die Europäische Kommission wendet Art. 101 AEUV an. Auch nationale Wettbewerbsbehörden und nationale Gericht müssen diese Vorschrift anwenden (Art. 5 und 6 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags [Art. 101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln), wenn ihr Anwendungsbereich eröffnet ist. Dies ist der Fall, wenn der Handel zwischen den Mitgliedstaaten betroffen ist (sog. Zwi-schenstaatlichkeitsklausel, s.u. 9.).

Im Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV gilt, dass neben den nationalen Kartell-verboten auch Art. 101 AEUV angewendet werden muss (Art. 3 Abs. 1 S. 1 VO 1/2003). Dabei besteht zwingende Ergebnisidentität (Art. 3 Abs. 2 S. 1 VO 1/2003), so dass nationales Kartellrecht nicht vom Ergebnis unter Art. 101 AEUV abweichen kann. Daraus folgt, dass eine nach Art. 101 AEUV verbotene Wettbe-werbsbeschränkung nicht nach nationalem Recht erlaubt sein darf und ein unter Art. 101 AEUV erlaubtes Verhalten nicht durch nationales Recht verboten werden darf. Nationales Recht darf im Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV also weder strenger noch milder sein.

3. Unternehmensbegriff

Normadressaten des Kartellverbots sind Unternehmen sowie Unternehmensvereini-gungen.

a) Sog. Funktionaler Unternehmensbegriff

Weder im AEUV noch im Sekundärrecht ist eine Legaldefinition des Unternehmens-begriffs vorgesehen. Jedoch wird im europäischen Wettbewerbsrecht vom sog. funk-tionalen Unternehmensbegriff ausgegangen (EuGH, 23.04.1991, C-41/90, Slg. 1991, I-1979, Rn. 21 - Höfner):

„Im Rahmen des Wettbewerbsrechts umfasst der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und

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der Art ihrer Finanzierung.”

Eine wirtschaftliche Einheit kann im Rahmen dieses funktionalen Ansatzes hinsicht-lich bestimmter, nicht aber notwendigerweise hinsichtlich aller Aktivitäten als Unter-nehmen im kartellrechtlichen Sinne anzusehen sein.

b) Wirtschaftliche Tätigkeit

Für die Unternehmenseigenschaft kommt es auf die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit an. Laut EuG (EuG, 10.03.1992 Rs. T – 11/89, Slg. 1992, II-757 – Shell) ist ein Unternehmen

„eine wirtschaftliche Einheit, die in einer einheitlichen Organisation persönlicher, ma-terieller und immaterieller Mittel besteht, die dauerhaft einen bestimmten wirtschaftli-chen Zweck verfolgt […].”

Die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ist weit zu fassen (vgl. EuGH, 19.01.1994, C-364/92, Slg. 1994, I-43, Rn. 22 ff. – SAT Fluggesell-schaft/Eurocontrol). Der EuGH (EuGH, 18.06.1998, C-35/96, Slg. 1998, I-3851; Rn. 36 – Kommission/Italien) hat sie folgendermaßen definiert:

„Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten.”

Spiegelbildlich erfasst ist auch die Nachfrage von Gütern oder Dienstleistungen auf einem Markt. Auch auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht an.

Vor dem Hintergrund dieses weiten Unternehmensbegriffs kommen als Unternehmen sowohl juristische als auch natürliche Personen, wenn diese unternehmerisch tätig sind, in Betracht. Grundsätzlich abzugrenzen ist die unternehmerische Tätigkeit aber vom privaten Verbrauch, Arbeitnehmertätigkeiten, rein hoheitlicher Tätigkeit (EuGH, 19.01.1994, C-364/92, Slg. 1994, I-43, Rn. 22 ff. – SAT Fluggesellschaft/ Eurocon-trol) sowie von der Tätigkeit der Tarifvertragsparteien (EuGH, 21.09.1999, Rs C-115/97, Slg. 1999, I-6025 - Brentjens).

c) Öffentliche Unternehmen

Die Unternehmenseigenschaft ist von der Rechtsform unabhängig. Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne können daher privatrechtliche wie auch öffentlich-rechtliche Unternehmen sein.

Aufgrund des funktionalen Unternehmensbegriffs ist so sogar möglich, dass ein öf-fentliches Unternehmen in Bezug auf sein wirtschaftliches Auftreten am Markt als Unternehmen im Sinne des Artikel 101 AEUV anzusehen ist, nicht aber in Bezug auf seine hoheitlichen Aktivitäten (EuGH, C-355/01 – AOK Bundesverband).

d) Wirtschaftliche Einheit von Konzernmutter und Tochtergesellschaften

Im Rahmen von Konzerngesellschaften hat das Prinzip der wirtschaftlichen Einheit von Konzernmutter und Tochtergesellschaften zwei wesentliche Ausprägungen. Zum einen privilegiert es hinsichtlich konzerninterner Absprachen, zum andern führt es aber auch zur Zurechnung von Kartellverstößen durch Tochtergesellschaften. Beide Aspekte werden im Folgenden kurz beleuchtet.

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Nach dem sog. Konzernprivileg unterfallen Vereinbarungen innerhalb eines Konzern-verbundes in der Regel nicht dem Kartellverbot, da es an einer Absprache zwischen selbstständigen Unternehmen fehlt. Dies folgt aus dem Konzept der wirtschaftlichen Einheit, das als Voraussetzung für die Annahme eines insofern privilegierten Kon-zerninnenverhältnisses eine kapitalmäßige Verbundenheit und fehlende Verhaltensau-tonomie zwischen den beteiligten Unternehmenseinheiten voraussetzt.

Dem EuGH (EuGH, 04.05.1988, Rs. 30/87, Slg. 1988, 2479, Rn. 19 – Corinne Bod-son/ Pompes Funèbres des Régiones Libérées SA) zufolge ist Art. 101 AEUV also

„nicht auf Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Un-ternehmen anwendbar, die als Mutter- oder Tochtergesellschaft ein und demselben Konzern angehören, vorausgesetzt dass die Unternehmen eine wirtschaftliche Ein-heit bilden, in deren Rahmen die Tochtergesellschaft ihr Vorgehen auf dem Markt nicht wirklich autonom bestimmen kann, und dass diese Vereinbarungen oder Ver-haltensweisen dem Zweck dienen, die interne Aufgabenverteilung zwischen den Un-ternehmen zu regeln.”

Ähnlich der EuGH später (EuGH, 24.10.1996, Rs. C-73/95, Slg. 1996, I-5457, Leit-satz 1 – Viho):

„Bilden Mutter- und Tochtergesellschaften eine wirtschaftliche Einheit in dem Sin-ne, dass die Tochtergesellschaften ihr Vorgehen auf dem Markt nicht autonom be-stimmen können, sondern die Anweisungen der sie kontrollierenden Muttergesell-schaft befolgen müssen, so sind Handlungen, die geeignet sind, Auswirkungen außer-halb des Konzerns zu haben und die Wettbewerbsposition Dritter zu beeinträchtigen, nicht an Art. 85 [Art. 101 AEUV] zu messen.”

Neben dem Aspekt des Konzernprivilegs muss sich die Konzernmutter aber als Folge des Prinzips der wirtschaftlichen Einheit auch Verstöße ihrer Töchter zurechnen las-sen, wenn die Mutter den Kartellverstoß anweist oder den Verstoß der Tochter durch Unterlassen von Aufsichts- oder Kontrollmaßnahmen toleriert (EuGH, 28.06.2005, C-189/02 P, Slg. 2005, I-5425, Rn. 117 – Dansk Rørindustri; EuGH, 16.11.2000, C-294/98 P, Slg. 2000, I-10065, Rn. 27 – Metsä-Serla):

„Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung das wettbe-werbswidrige Verhalten eines Unternehmens, das sein Marktverhalten nicht selbstän-dig bestimmt, sondern vor allem wegen der wirtschaftlichen und rechtlichen Bindun-gen zu einem anderen Unternehmen im Wesentlichen dessen Weisungen befolgt hat, dem anderen Unternehmen zugerechnet werden kann.”

Darauf aufbauend hat der EuGH entschieden, dass der Einfluss der Mutter bei 100-prozentiger Anteilseignerschaft widerleglich vermutet wird, während es sonst eines Nachweises bedarf, dass die Tochter zu keiner eigenständigen Geschäftspolitik fähig war (EuGH, 20.01.2011, C-90/09 P, Slg. 2011, I-30 – General Chímica).

Um eine Umgehung durch gesellschaftsrechtliche Gestaltungen zu verhindern, kön-nen Mutter-, Tochter- und Schwesterunternehmen zudem nebeneinander mit einem Bußgeld belegt werden (EuGH, 13.06.2013, C-511/11 P – Versalis; EuG, 12.10.2011, T-38/05, Slg. 2011, II-7012 – Spanisches Rohtabakkartell). Damit wird verhindert,

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Europäische Union

Entwicklung und Grundfreiheiten

Professor Dr. Marc-Philippe Weller

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E. Prüfungsaufbau 1. Anwendungs-/Schutzbereich

a) persönlich b) sachlich c) räumlich

2. Eingriff in die Grundfreiheit durch eine nationale Maßnahme

a) Diskriminierung b) Beschränkung à Dassonville-Formel à Keck-Ausnahme

3. Rechtfertigung des Eingriffs

a) Geschriebene Rechtfertigungsgründe b) Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe à Cassis de Dijon-Formel (Vier-Kriterien-Test) (1.) zwingende Gründe des Allgemeinwohls (2.) nicht diskriminierend (3.) geeignet (4.) erforderlich

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Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

Warenverkehrs-­‐freiheit  

Art.  28,  34  AEUV  

Personen-­‐  verkehrs-­‐  freiheit  

AN-Freizügigkeit Art. 45 AEUV

Niederlassungsfreiheit  Art.  49  AEUV  

Dienstleistungs-­‐  Freiheit  

Art.  56  AEUV  

Kapitalverkehrs-­‐  Freiheit  

Art.  63  AEUV  

Keine Einschränkung

„Arbeitnehmer“ bzw. „Staatsangehörige eines Mitgliedstaats“

„Angehörige der Mitgliedstaaten“

auch  Wirtscha7s-­‐subjekte  in  Dri@staaten  

Waren    à  Art.  28  II  AEUV  

Abhängige Beschäftigung

Selbständige

+ dauerhafte Tätigkeiten à Art. 49 II AEUV

à  Art. 57 AEUV à vorübergehend

(1.) aktiv durch Grenz-überschreitung

(2.) aktiv durch Korrespondenz (3.) passiv durch

Inanspruchnahme im Ausland (Tourist)

Direkt-­‐  und  PorDolio-­‐

invesWWonen  

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- Die Grundfreiheiten setzen einen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraus, Arg: - Wortlaut der Art. 34 („zwischen den Mitgliedstaaten“), Art. 49 und Art. 56 AEUV.

- Subsidiaritätsprinzip, Art. 5 EUV

à Grundfreiheiten hätten OHNE grenzüberschreitenden Element den Charakter allgemeiner Wirtschaftsfreiheiten à z.B. könnte sich dann ein dt. Bierbrauer unter Berufung auf die Warenverkehrsfreiheit gegen das dt.

Reinheitsgebot für Bier wenden.

EuGH, Slg. 1990-I, 3647 – „Franz. Käse“

Ein französischer Käsehersteller exportiert Käse mit einem Fettgehalt von 30 % nach Italien, wo der Vertrieb von

Käse mit einem geringeren Fettgehalt als 45 % verboten ist. Rechtslage?

Problem: Ausländer können weiterreichende Rechte haben als Inländer è Inländerdiskriminierung europarechtlich nicht verboten è Gleichbehandlung der Inländer über das nationale Verfassungsrecht -BVerfG, NJW 1990, 1033: Art. 3 GG à offengelassen

- Öst. OGH, EuZW 2001, 219 à ja (für Fall der Richtlinienumsetzung)

Räumlicher Anwendungsbereich

è grenzüberschreitendes Element

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Schutzinhalt / Gewährleistungsdimension

Diskriminierungs-­‐  verbot  

Beschränkungs- verbot

„Schutzpflichten“ (positive Dimension)

- ursprüngliche Funktion

-  lex specialis zu Art. 18 AEUV

à Prinzip der Inländergleichbehandlung à Sicherung der Wettbewerbsgleichheit -  offene Diskriminierung (Bsp: EuGH – Cowan)

-  versteckte/mittelbare Diskriminierung (bei formal staatsangehörigkeits-neutralen Anforderungen, die Inländer erheblich leichter erfüllen können, z.B. Residenzpflicht)

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EuGH, Urt. v. 02.02.1989, Rs 186/87, NJW 1989, 2183 – Cowan

Die Commission d'indemnisation des victimes d'infraction (Kommission für die Entschädigung der Opfer von Straftaten) des Tribunal de grande instance Paris hat gem. Art.177 EWGV (heute: Art. 267 AEUV) eine Frage nach der Auslegung des Diskriminierungsverbots zur Vorabentscheidung vorgelegt, um beurteilen zu können, ob eine Bestimmung des französischen Code de procedure penale (Strafprozeßordnung) mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem französischen Tresor public (Staatskasse) und einem britischen Staatsangehörigen, Herrn Ian William Cowan, in dem es um Schadensersatz wegen eines Überfalls geht, der auf Herrn Cowan während eines kurzen Aufenthalts in Paris am Ausgang einer Metrostation verübt wurde. Da die Täter nicht identifiziert werden konnten, beantragte Herr Cowan eine Entschädigung gem. Art. 706-3 des Code de procedure penale. Nach dieser Bestimmung besteht unter anderem dann Anspruch auf eine staatliche Entschädigung, wenn das Opfer einer Gewalttat, die eine Körperverletzung mit Folgen eines bestimmten Schweregrades verursacht hat, auf keine andere Weise eine wirksame und ausreichende Wiedergutmachung seines Schadens erlangen kann. Die Entschädigung wurde abgelehnt, da sie nur in Betracht kommt “für Personen, die die französische Staatsangehörigkeit besitzen oder Ausländer sind und - entweder Staatsangehörige eines Staates sind, der mit Frankreich ein Gegenseitigkeitsabkommen für die Anwendung der genannten Bestimmungen geschlossen hat, und die Voraussetzungen nach diesem Abkommen erfüllen - oder Inhaber des als Fremdenkarte bezeichneten Ausweises sind”. Die französische Regierung hat vor dem EuGH geltend gemacht, (…) ein Dienstleistungsempfänger [könne sich] nicht auf das Diskriminierungsverbot berufen, wenn die betreffende nationale Regelung keinerlei Behinderung seiner Freizügigkeit verursache. Eine Vorschrift wie die im Ausgangsverfahren streitige bewirke insoweit keine Beschränkung. Darüber hinaus betreffe sie ein Recht, das Ausdruck des Grundsatzes der nationalen Solidarität sei. Ein solches Recht setze eine engere Bindung an den Staat voraus als das Recht eines Dienstleistungsempfängers und könne deshalb solchen Personen vorbehalten werden, die entweder eigene Staatsangehörige oder im Inland wohnhafte Ausländer seien.

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EuGH, Urt. v. 02.02.1989, Rs 186/87, NJW 1989, 2183 – Cowan

Entscheidungsgründe (Auszug):

„Nach Art. 7 EWGV (heute: Art. 18 AEUV) entfaltet das Diskriminierungsverbot seine Wirkungen im

Anwendungsbereich des EWG-Vetrages “unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrages”. Mit dieser

Wendung verweist Art. 7 insbesondere auf andere Bestimmungen des Vertrages, in denen das allgemeine Verbot

des Art. 7 für besondere Anwendungsfälle konkretisiert ist. So verhält es sich unter anderem mit den

Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, das Niederlassungsrecht und den freien

Dienstleistungsverkehr.

Zu letzterem hat der EuGH in seinem Urteil (EuGHE 1984, S. 377 - Luisi und Carbone) entschieden, daß der freie

Dienstleistungsverkehr die Freiheit der Leistungsempfänger einschließt, sich zur Inanspruchnahme einer

Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, ohne durch Beschränkungen daran gehindert zu

werden, und daß unter anderem Touristen als Empfänger von Dienstleistungen anzusehen sind.

Garantiert das Gemeinschaftsrecht einer natürlichen Person die Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu

begeben, so ist zwingende Folge dieser Freizügigkeit, daß Leib und Leben dieser Person in dem betreffenden

Mitgliedstaat in gleicher Weise geschützt sind, wie dies bei den eigenen Staatsangehörigen und den in diesem

Staat wohnhaften Personen der Fall ist. Daraus folgt, daß das Diskriminierungsverbot gegenüber

Dienstleistungsempfängern im Sinne des EWG-Vertrages gilt, soweit es um den Schutz vor möglichen Gewalttaten

und, falls eine Gewalttat verübt wird, um den im nationalen Recht vorgesehenen Anspruch auf Geldersatz geht. Der

Umstand, daß die fragliche Entschädigung aus der Staatskasse finanziert wird, kann an dem System des Schutzes

der vom EWG-Vertrag garantierten Rechte nichts ändern.“

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Schutzinhalt / Gewährleistungsdimension

Diskriminierungs-­‐  verbot  

Beschränkungs- verbot

„Schutzpflichten“ (positive Dimension)

- ursprüngliche Funktion

-  lex specialis zu Art. 18 AEUV

à Prinzip der Inländergleichbehandlung à Sicherung der Wettbewerbsgleichheit -  offene Diskriminierung (Bsp: EuGH – Cowan)

-  versteckte/mittelbare Diskriminierung (bei formal staatsangehörigkeits-neutralen Anforderungen, die Inländer erheblich leichter erfüllen können, z.B. Residenzpflicht)

Definition der Beschränkung: -  Dassonville-Formel

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EuGH, Urt. v. 11.7.1974, Rs. C-8/74 – Dassonville

In Belgien war es nach Art. 1 der Königlichen Verordnung Nr. 57 aus dem Jahr 1934 bei Strafe untersagt, Branntwein einzuführen, wenn dem Branntwein kein amtlicher Begleitschein beiliegt, aus dem sich ergibt, dass die Ursprungsbezeichnung zu Recht geführt wird. Großhändler Gustave Dassonville mit Niederlassung in Frankreich und sein Sohn Benoît Dassonville, der in Belgien eine Zweigniederlassung des väterlichen Handelsunternehmens leitet, führten im Jahr 1970 Branntwein mit der Ursprungsbezeichnung "Scotch Whisky" der Marken "Johnnie Walker" und "Vat 69" nach Belgien ein, den Gustave Dassonville bei französischen Import- und Vertriebsgesellschaften dieser beiden Marken eingekauft hatte. Vater und Sohn Dassonville brachten auf den Flaschen für Verkaufszwecke Etiketten insbesondere mit dem aufgedruckten Vermerk "British Customs Certificate of Origin" an, gefolgt von einer handschriftlichen Angabe der Nummer und des Datums des Freigabeauszuges aus dem französischen Zollabfertigungsregister. Dieser Freigabeauszug stellte das amtliche Schriftstück dar, das nach den französischen Rechtsvorschriften einem Erzeugnis mit Ursprungsbezeichnung als Begleitpapier beigegeben werden musste. Eine Ursprungsbescheinigung verlangt Frankreich für "Scotch Whisky" nicht. Obgleich die Waren mit den erforderlichen französischen Begleitdokumenten nach Belgien eingeführt und als "Gemeinschaftswaren" vom Zoll abgefertigt worden waren, stellten sich die belgischen Behörden auf den Standpunkt, diese Dokumente genügten nicht den Anforderungen der Königlichen Verordnung Nr. 57 vom Jahre 1934. Auf diese Einfuhr hin erhob die Staatsanwaltschaft gegen Vater und Sohn Dassonville Anklage wegen Verstoßes u. a. gegen die Verordnung Nr. 57 vom 20. Dezember 1934. Den Akten ist zu entnehmen, dass sich ein Händler, der in Frankreich bereits im freien Verkehr befindlichen Whisky nach Belgien einzuführen wünscht, eine solche Bescheinigung, im Gegensatz zu einem aus dem Erzeugerland unmittelbar einführenden Importeur, nur unter erheblichen Schwierigkeiten zu beschaffen vermag. Rechtslage?

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EuGH, Urt. v. 11.7.1974, Rs. C-8/74 – Dassonville „Dassonville-Formel“: „Jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, ist als Maßnahme kontingentgleicher Wirkung anzusehen.“ à „Sonach stellt es eine mit dem Vertrag unvereinbare Maßnahme kontingentgleicher Wirkung dar, wenn ein Mitgliedstaat eine Echtheitsbescheinigung verlangt, die sich der Importeur eines in einem anderen Mitgliedstaat ordnungsmäßig im freien Verkehr befindlichen echten Erzeugnisses schwerer zu beschaffen vermag als der Importeur, der das gleiche Erzeugnis unmittelbar aus dem Ursprungsland einführt.“

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Schutzinhalt / Gewährleistungsdimension

Diskriminierungs-­‐  verbot  

Beschränkungs- verbot

„Schutzpflichten“ (positive Dimension)

- ursprüngliche Funktion

-  lex specialis zu Art. 18 AEUV

à Prinzip der Inländergleichbehandlung à Sicherung der Wettbewerbsgleichheit -  offene Diskriminierung (Bsp: EuGH – Cowan)

-  versteckte/mittelbare Diskriminierung (bei formal staatsangehörigkeits-neutralen Anforderungen, die Inländer erheblich leichter erfüllen können, z.B. Residenzpflicht)

Definition der Beschränkung: -  Dassonville-Formel

-  Gebhard-Formel: „nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können.“ àRatio: Sicherung Marktzugang (Ob) - Unmittelbare Zugangsanforderungen (z.B. Handwerkerrolle) -  Doppelbelastungen im Herkunfts- und Aufnahmestaat (z.B. Kontrollpflichten)

-  Regelung des Marktverhaltens nach Zugang (Wie) à Keck-Ausnahme

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Gesellschaftskollisionsrecht

Prof. Dr. Marc-Philippe Weller

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B. EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften Hinweis: Die EuGH-Rechtsprechung ist im Internet abrufbar unter http://curia.europa.eu

I. Zuzugskonstellationen

- Centros (1999) - Überseering (2002) - Inspire Art (2003)

EuGH, Urteil vom 9. 3. 1999, Rs. C-212-97 - Centros Sachverhalt: Ein dänisches Ehepaar hatte in England die Centros, eine private limited company (Ltd.) mit einem Gesellschaftskapital in Höhe von 100 £ gegründet. Diese sollte jedoch von Anfang an ihre gesamte Geschäftstätigkeit über eine Zweigniederlassung in Dänemark, wo sich auch der tatsächliche Verwaltungssitz der Ltd. befand, ausüben. Um den inländischen Rechtsverkehr zu schützen, verweigerten die dänischen Behörden die Eintragung dieser Zweigniederlassung u.a. mit der Begründung, es liege eine Umgehung der dänischen Mindestkapitalvorschriften vor.

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II. Wegzugskonstellationen 1. EuGH, Urt. v. 27.9.1988, C-81/87, JZ 1989, 384 – Daily Mail

Das Daily Mail-Urteil hat die Verwaltungssitzverlegung der englischen Daily Mail and General Trust public limited company (plc) in die Niederlande und damit eine Wegzugskonstellation im Bereich der primären Niederlassungsfreiheit zum Gegenstand. Die nach britischem Steuerrecht hierfür erforderliche Genehmigung der Finanzbehörden wurde der plc verweigert. è Der EuGH sieht diese Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch den Gründungsstaat in Wegzugskonstellationen als gerechtfertigt an.

2. EuGH, Urt. v. 16.12.2008, Rs. C-210/06, NZG 2009, 61 – Cartesio „Ein Mitgliedstaat sei befugt, „einer nach seiner Rechtsordnung gegründeten Gesellschaft Beschränkungen hinsichtlich der Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes aus seinem Hoheitsgebiet aufzuerlegen (…)“. è Gesellschaftsrechtliche Beschränkungen europarechtlich o.k., z.B. Gebot der Koppelung von Satzungs- und Verwaltungssitz

3. EuGH, Urt. v. 29.11.2011, Rs. C-371/10 – National Grid Indus BV „Eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete Gesellschaft, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, ohne dass die Verlegung des Sitzes ihre Eigenschaft als Gesellschaft nach dem Recht des ersten Mitgliedstaats berührt, kann sich auf Art. 49 AEUV berufen, um die Rechtmäßigkeit einer ihr von dem ersten Mitgliedstaat anlässlich dieser Sitzverlegung auferlegten Steuer in Frage zu stellen.“ è Nicht-gesellschaftsrechtliche Wegzugshindernisse müssen sich an der Niederlassungsfreiheit messen lassen (Vier-Kriterien-Test nach der Cassis-Formel).

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Sitzverlegung von Gesellschaften – Verwaltungs- und Satzungssitzverlegung –

Prof. Dr. Marc-Philippe Weller

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III. Praxisfall

OLG Nürnberg, 19.6.2013 – 12 W 520/13, IPRax 2015, zitiert nach d. Anm. v. L. Hübner: „Der Beschwerdeführer ist alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter der beiden Kapitalgesellschaften, die zusammen sämtliche Anteile an der betroffenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung luxemburgischen Rechts (S.à r.l.) halten; er begehrt vom AG – Registergericht – Fürth die Eintragung der (Satzungs-)Sitzverlegung der betroffenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung luxemburgischen Rechts von Luxemburg nach Deutschland. Zunächst beschlossen im Mai 2011 die Gesellschafter der S.à r.l. per Gesellschafterbeschluss vor einem Notar in Luxemburg, dass die S.à r.l. ihren „Gesellschaftssitz“ nach Deutschland verlegen und die Gesellschaft zukünftig deutschem Recht unterliegen solle. Unter der neuen Firma solle sie ihre Aktivitäten vom neuen Geschäftssitz in Erlangen aus ausüben. Zudem beschlossen die Gesellschafter auch über eine neue Satzung deutschen Rechts. Ende Februar 2012 löschte das luxemburgische Handelsregister die S.à r.l., da sie ihren Sitz ins Ausland verlegt habe. Mitte Oktober 2012 hielten die Gesellschafter der S.à r.l. eine notariell beurkundete Gesellschafterversammlung der GmbH nach deutschem Recht ab. Sie wiederholten die Beschlüsse aus der vorherigen Gesellschafterversammlung, die bereits im Mai 2011 gefasst worden waren, und bestätigten vor allem die Satzung der GmbH deutschen Rechts; gleichzeitig bestellten sie den Beschwerdeführer als alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH deutschen Rechts. Zugleich beschlossen die Gesellschafter, dass die S.à r.l. zum Stichtag 1. Oktober 2012 im Wege des Formwechsels analog §§ 190 ff. UmwG in eine GmbH deutschen Rechts umgewandelt wird. Mit Schreiben vom gleichen Tag meldete der beteiligte Notar beim Amtsgericht – Registergericht – Fürth die nach seiner Auffassung durch Sitzverlegung nach Deutschland entstandene GmbH deutschen Rechts zur Eintragung ins Handelsregister an. Dabei legte der Notar folgende Dokumente vor: beglaubigte Abschriften der Gesellschafterversammlung der S.à r.l. aus Mai 2011 sowie der GmbH deutschen Rechts aus Oktober 2012 inklusive der beschlossenen neuen Satzung, einen Sachgründungsbericht und eine Gesellschafterliste. Das Amtsgericht – Registergericht – Fürth lehnte die Eintragung aus zwei Gründen Anfang Februar 2013 ab. Erstens fehle es an einem umwandlungsfähigen Rechtsträger; zweitens sei die Eintragungsreihenfolge nach deutschem Recht nicht eingehalten. Der darauf eingelegten Beschwerde des Beschwerdeführers half das Amtsgericht – Registergericht – Fürth half nicht ab.“ 28.12.14 ´

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Fachanwalt  für  Interna/onales  Wirtscha4srecht  

Europäisches  Gesellscha4srecht:  SE  

Prof.  Dr.  Olaf  Müller-­‐Michaels,    Orrick,  Herrington  &  Sutcliffe  LLP,  Düsseldorf  

FOM  Hochschule,  Essen  

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©  Fachseminare  von  Fürstenberg  GmbH  &  Co.  KG   Seite  9      Europäisches  GesellschaKsrecht/  Prof.  Dr.  Müller-­‐Michaels  

SE:  Gründungsformen  

Tochter 54% Umwandlung

27%

Verschmelzung 9%

Sonstige/Unbekannt

10%

N=279

Quelle: Schuberth, von der Höh, AG 2014, 439 ff

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©  Fachseminare  von  Fürstenberg  GmbH  &  Co.  KG   Seite  10      Europäisches  GesellschaKsrecht/  Prof.  Dr.  Müller-­‐Michaels  

SE:  Gründungsformen  

Vorrats- gründung

49% Sonstige/Unbekannt

51%

N=279

Quelle: Schuberth, von der Höh, AG 2014, 439 ff

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©  Fachseminare  von  Fürstenberg  GmbH  &  Co.  KG   Seite  11      Europäisches  GesellschaKsrecht/  Prof.  Dr.  Müller-­‐Michaels  

SE:  Organe  

•  Wahl  zwischen  zwei  Systemen  möglich:  •  DualisRsches  System  •  MonisRsches  System  

•  Beide  Systeme  haben  eine  AkRonärsversammlung  =  Hauptversammlung  (HV)  

•  HV  besRmmt  bei  der  Gründung  der  SE  welches  System  das  Unternehmen  annehmen  wird  

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©  Fachseminare  von  Fürstenberg  GmbH  &  Co.  KG   Seite  12      Europäisches  GesellschaKsrecht/  Prof.  Dr.  Müller-­‐Michaels  

SE:  Dualis/sches  System  

Hauptversammlung

Aufsichtsrat

Vorstand

•  Hauptversammlung  aus  AkRonären    

•  Aufsichtsrat:  Wahl  durch  HV  und  Arbeitnehmer  

•  Vorstand:  Wahl  durch  Aufsichtsrat  

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©  Fachseminare  von  Fürstenberg  GmbH  &  Co.  KG   Seite  13      Europäisches  GesellschaKsrecht/  Prof.  Dr.  Müller-­‐Michaels  

SE:  Dualis/sches  System  

Hauptversammlung

• Strukturentscheidungen • Verteilung Bilanzgewinn • Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats

Aufsichtsrat • Überwachung des Vorstands • Bestellung und Abberufung des Vorstands (nur aus wichtigem Grund)

Vorstand

• Eigenverantwortliche Leitung

• Geschäftsführung • Vertretung

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©  Fachseminare  von  Fürstenberg  GmbH  &  Co.  KG   Seite  14      Europäisches  GesellschaKsrecht/  Prof.  Dr.  Müller-­‐Michaels  

SE:  Monis/sches  System  

Hauptversammlung

Verwaltungsrat

•  Die  Hauptversammlung  und  Arbeitnehmer  wählen  die  Mitglieder  des  Verwaltungsrates  (Board  of  Directors)  

•  Der  Verwaltungsrat  übernimmt  sowohl  ausführende  als  auch  kontrollierende  Aufgaben  (Execu1ve  und  Non-­‐Execu1ve  Directors)  

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©  Fachseminare  von  Fürstenberg  GmbH  &  Co.  KG   Seite  15      Europäisches  GesellschaKsrecht/  Prof.  Dr.  Müller-­‐Michaels  

SE:  Monis/sches  System  

Hauptversammlung

• Strukturentscheidungen • Verteilung Bilanzgewinn • Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrats

Verwaltungsrat

• Leitung der Gesellschaft • Allzuständigkeit • Bestellung und jederzeitige Abberufung der geschäftsführenden Direktoren

Geschäftsführende Direktoren

• Geschäftsführung • Vertretung

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©  Fachseminare  von  Fürstenberg  GmbH  &  Co.  KG   Seite  16      Europäisches  GesellschaKsrecht/  Prof.  Dr.  Müller-­‐Michaels  

SE:  Zahlen  

2.234 SE in Europa

316 „normale“ SE (ab 5 AN)

147 „normale“ SE in D

100 dualistische und 47

monistische SE in D

Quelle: Hans Böckler Stiftung, Statistik: SEs in Europa, Stand: 01.10.2014

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©  Fachseminare  von  Fürstenberg  GmbH  &  Co.  KG   Seite  17      Europäisches  GesellschaKsrecht/  Prof.  Dr.  Müller-­‐Michaels  

SE:  Mitbes/mmung  

•  Ausgestaltung  der  MitbesRmmung  in  einer  SE  ist  seitens  der  EU  nicht  gesetzlich  vorgeschrieben  

•  D:  Verfahren  zur  Arbeitnehmerbeteiligung  nach  SEBG  •  Eintragung  der  SE  in  das  Handelsregister  kann  erst  erfolgen,  wenn  die  

Beteiligung  der  Arbeitnehmer  geklärt  ist  •  Verhandlungsverfahren  mit  besonderem  Verhandlungsgremium  (bVG)  •  Bei  Nicht-­‐Einigung  „Einfrieren“  der  geltenden  MitbesRmmung  bei  

Umwandlung  und  Verschmelzung  •  Keine  Pflicht  zur  Verhandlung  bei  weniger  als  10  Mitarbeitern  •  Wiederaufleben  der  Verhandlungspflicht  bei  „AkRvierung“  einer  

Vorrats-­‐SE  

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Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

Internationaler Unternehmenskauf

Prof. Dr. Olaf Müller-Michaels,

Orrick, Herrington & Sutcliffe LLP, Düsseldorf

FOM Hochschule, Essen

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© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Seite 2 Internationaler Unternehmenskauf/ Prof. Dr. Müller-Michaels

Internationaler Unternehmenskauf: Agenda

Ausgangslage, Wirkungsprinzip

Internationales Privatrecht

Grundbegriffe

Kollisionsvorschriften

Vertragsstatut

Gesellschaftsstatut

Statuten für Erfüllungsgeschäfte

Internationales Zivilprozessrecht

Systematik

Gerichtsstandsvereinbarungen

Schiedsverfahren

Formfragen und Sprache

Investitionsprüfung

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© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Seite 3 Internationaler Unternehmenskauf/ Prof. Dr. Müller-Michaels

Internationaler Unternehmenskauf: Agenda

Unternehmenskaufvertrag

Einleitung

Kaufgegenstand

Kaufpreis

Closing

Representations and Warranties

Indemnification

Covenants

Weitere Vereinbarungen

Schlussvorschriften

Anlagen

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© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Seite 31 Internationaler Unternehmenskauf/ Prof. Dr. Müller-Michaels

Internationaler Unternehmenskauf: Unternehmenskaufvertrag

• Kaufpreisanpassung (Completion Mechanismus)

• Festlegung eines vorläufigen Kaufpreises auf Grundlage des letzten Jahresabschlusses oder eines Zwischenabschlusses vor Unterschrift

• Festlegung einer Kennziffer

• Nettofinanzverbindlichkeiten („Net Debt“)

• Umlaufvermögen („Working Capital“)

• Eigenkapital („Net Equity“)

• Ermittlung der vereinbarten Kennziffer zum Closing-Stichtag (Closing Balance Sheet)

• Aufstellung durch Käufer, Kontrolle durch Verkäufer

• Streitentscheidung durch Schiedsgutachter

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© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Seite 32 Internationaler Unternehmenskauf/ Prof. Dr. Müller-Michaels

Internationaler Unternehmenskauf: Unternehmenskaufvertrag

• Differenz ist Kaufpreisanpassungbetrag

• Closing Betrag höher als Referenzbetrag zum letzten Bilanzstichtag: Kaufpreisnachzahlung

• Umgekehrt: Kaufpreiserstattung

• Kaufpreiserhöhung (Earn-out)

• Festlegung einer Kennziffer zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft

• Z.B. Gewinn, Umsatz, Marktanteil

• Kaum Kontrollmöglichkeit durch Verkäufer

• Nachzahlung, wenn Kennziffer erreicht oder überschritten

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© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Seite 33 Internationaler Unternehmenskauf/ Prof. Dr. Müller-Michaels

Internationaler Unternehmenskauf: Unternehmenskaufvertrag

• Closing

• Dinglicher Vollzug

• Bedingte Übereignung im Kaufvertrag oder separate Übertragung am Closing

• Closing Conditions (Vollzugsbedingungen)

• Zustimmungen der zuständigen Kartell- und anderer Behörden

• Kreditgewährung durch finanzierende Banken

• Umstrukturierungen

• Schlüsselpersonen (Key Persons)

• Keine wesentliche Verschlechterung des Unternehmens (MAC)

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© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Seite 34 Internationaler Unternehmenskauf/ Prof. Dr. Müller-Michaels

Internationaler Unternehmenskauf: Unternehmenskaufvertrag

• Representations and Warranties („Reps“)

• Eigenes Garantiesystem unter Ausschluss der gesetzlichen Gewährleistung

• Abdeckung unbekannter Haftungsfälle, die zu Cash-Abflüssen oder Wertminderung führen

• Stichtag: Signing und/oder Closing (Bring-down)

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© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Seite 35 Internationaler Unternehmenskauf/ Prof. Dr. Müller-Michaels

Internationaler Unternehmenskauf: Unternehmenskaufvertrag

• Inhalt der Garantien

• Rechtliche Eigenschaften

• Unternehmensbezogene Eigenschaften

• Vermögensgegenstände, IP/IT

• Verbindlichkeiten

• Geschäfte mit nahestehenden Personen

• Bilanzen (Undisclosed Liabilities)

• Genehmigungen und Einhaltung Gesetze

• Rechtsstreitigkeiten

• Umwelt

• Steuern (häufig separat als Imdemnity)

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© Fachseminare von Fürstenberg GmbH & Co. KG Seite 36 Internationaler Unternehmenskauf/ Prof. Dr. Müller-Michaels

Internationaler Unternehmenskauf: Unternehmenskaufvertrag

• Indemnification: Haftung und Schadensersatz

• Haftungsgrenzen (gesetzliche Haftung unbegrenzt!):

• Entgangener Gewinn, Mangelfolgeschäden

• De-Minimis Betrag

• Freibetrag, Freigrenze (Basket)

• Haftungshöchstgrenze (Cap)

• Anrechnung von Leistungen Dritter (Versicherungen)

• Anrechnung von Rückstellungen

• Freistellungen (Indemnities) für bekannte Risiken

• Verjährung