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Fritz C. Staub und Annelies Kreis Fachspezifisches Unterrichtscoaching in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen Einleitung Fritz C. Staub, Dr., Professor an der Univer- sität Zürich. Arbeitsschwer- punkte: Pädagogische Psy- chologie, Allgemeine Didaktik, Mentaring und Coaching in der Aus- und Weiterbildung Annelies Kreis, Dr., Professorin für Pädago- gik on der Pädagogischen Hochschule Thurgau. Arbeits· Schwerpunkte: Schulentwick- lungsforschung, Mentaring und Coaching Unter der Bezeichnung Coaching finden sich im angelsächsischen Raum schon seit journal für Iehrerinnenbildung 8 vielen Jahren sehr unterschiedliche Ansät- ze, welche darauf zielen, das Lernen und die Entwicklung von Lehrpersonen handlungs- orientiert zu unterstützen. Dazu gehören bei- spielsweise das Peer-Coaching von joyce und Showers (1995) zur Integration von in Wei- terbildungen vermittelten neuen Unterrichts- methoden in die Unterrichtpraxis oder das auf einem humanistischen Ansatz basierende Cognitive Coaching von Costa und Garm- ston (1994) zur prozessorientierten Anregung von Denkprozessen bei Lehrpersonen auf der Grundlage nicht wertender Unterrichtsvor- besprech ungen, Unterrichtsbeobachtungen und Unterrichtsnachbesprechungen . Das in diesem Beitrag vorgestellte Fach- spezifische Unterrichtscoaching hat seinen Ursprung in Schulentwicklungsprojekten, welche vom Institute for Learning der Uni- versity of Pittsburgh unterstützt wurden. In Kooperation mit Schulkreisen entwickelten Bildungsforscher und Lehrerbildner hier- zu Instrumente und Lernsettings (Resnick 2/2013 Fritz C. Staub und Annelies Kreis: Fachspezifisches Unterrichtscoaching in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen & Hall, 1998; Staub, 2004a, 2004b). Aus- gangspunkt dieser Entwicklungsarbeit sind forschungsbasierte Lehr-Lern-Prinzipien, die sowohl zur Reflexion wie auch zur Neugestal- tung von Unterricht genutzt werden können . Im Wissen um die oft geringe Wirksamkeit tra- ditioneller Weiterbildungsformate (Hawley & Valley, 1999; Messner & Reusser, 2000) waren handlungsnahe Settings zur Unterstützung des Lernens von Lehrpersonen gesucht. Mit dem Fachspezifischen Unterrichtscoaching - in den USA als Content-Focused Coaching eingeführt - wurde ein entsprechendes pra- xisbezogenes Lernsetting geschaffen (West & Staub, 2003), welches das Lernen der Lehrper- sonen mit Fokus auf die Inhalte und fachspe- zifisch-pädagogische Aspekte von Unterricht durch Kooperationsstrukturen mit kompeten- ten Lehrpersonen unterstützt. Diese Merkmale sind zugleich Bedingungen, welche sich für die Wirksamkeit von Weiterbildungen als bedeut- sam erwiesen haben (Garet, Porter, Desimone, Birman & Yoon, 2001). Obwohl ursprünglich als Setting für die Weiterbildung entwickelt, lassen sich zentrale Elemente des Fachspezifi- schen Unterrichtscoachings ebenfalls zur Un- terstützung des Lernens von Lehramtsstudie- renden in Unterrichtspraktika nutzen . Kernelemente des Fachspezi- fischen Unterrichtscoachings Zentrales Ziel von Fachspezifischem Unter- richtscoaching (Staub, West & Bickel, 2003; Staub, 2004) ist die von Coach und Coachee gemeinsam verantwortete Unterrichtsgestal- tung zur bestmöglichen Unterstützung des Lernens der Schülerinnen in einem bestimm- ten Fach. Dazu verfügt ein Coach sowohl über möglichst hohe fachliche, fachdidakti- sche sowie psychologisch-pädagogische Ex- pertise als auch über die Kompetenz zur För- derung kokonstruktiver Zusammenarbeit bei der Vorbereitung, Durchführung und Reflexi- journal für Iehrerinnenbildung 9 on von Unterricht. Unterrichtscoaching wird als konstruktive Gestaltungsarbeit konzeptu- alisiert (Staub, 2001). Dies kann über den Un- terricht hinaus beim Coachee wie auch beim Coach zur Erweiterung unterrichtsrelevanten Wissens und zur Veränderung fachspezifisch- pädagogischer Überzeugungen führen. Die bearbeiteten Themen ergeben sich aus den Entwicklungsanliegen und Ressourcen der beteiligten Lehrpersonen sowie allenfalls aus institutionell vereinbarten Entwicklungszie- len (z. B. Umsetzung von Lehrplänen oder schulintern beschlossener Ziele). Eine Coachingsequenz ist immer an eine spezifische, im Berufsalltag situierte Unter- richtseinheit geknüpft. Coachingaktivitäten finden während einer Vorbesprechung zur ge- meinsamen Unterrichtsplanung, während der Unterrichtssequenz und im Rahmen einer Nachbesprechung statt . Das Coaching erfolgt orientiert an Instrumenten, die Hinweise auf lernwirksames Unterrichtshandeln und damit auf Coachingziele geben. Dabei kann es sich beispielsweise um wissenschaftlich fundierte Lehr-Lern-Prinzipien, Dimensionen von Un- terrichtsqualität oder Bildungsstandards han- deln. Ein solches Instrument sind auch die Kernperspektiven zur Planung und Reflexion von Unterricht (Staubet al., 2003). Diese umfassen Leitfragen zu den vier Perspektiven "Klärung der Lerninhalte und der Lernziele", "Einord- nung der Unterrichtssequenz", "Vorwissen und mögliche Schwierigkeiten der Schülerln- nen" und "Unterrichtsgestaltung zur Unter- stützung des beabsichtigten Lernens". Die Coachinggespräche erfolgen sowohl in der Vor- als auch in der Nachbesprechung in einem kokonstruktiven Dialog (West & Staub, 2003). Dieser Dialog wird dadurch gefördert, dass der Coach den Coachee einlädt, die ei- genen Ideen, Einschätzungen und Überzeu- gungen darzulegen, zu begründen, zu hinter- fragen und zu elaborieren. Dabei kann sich der Coach an den Kernperspektiven orientie- ren. Nach Bedarf, und vor allem auf Anfrage 2/2013

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Fritz C. Staub und Annelies Kreis

Fachspezifisches Unterrichtscoaching in der

Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen

Einleitung

Fritz C. Staub, Dr., Professor an der Univer­sität Zürich. Arbeitsschwer­punkte: Pädagogische Psy­chologie, Allgemeine Didaktik, Mentaring und Coaching in der Aus- und Weiterbildung

Annelies Kreis, Dr., Professorin für Pädago­gik on der Pädagogischen Hochschule Thurgau. Arbeits· Schwerpunkte: Schulentwick­lungsforschung, Mentaring und Coaching

Unter der Bezeichnung Coaching finden sich im angelsächsischen Raum schon seit

journal für Iehrerinnenbildung 8

vielen Jahren sehr unterschiedliche Ansät­ze, welche darauf zielen, das Lernen und die Entwicklung von Lehrpersonen handlungs­orientiert zu unterstützen. Dazu gehören bei­spielsweise das Peer-Coaching von joyce und Showers (1995) zur Integration von in Wei­terbildungen vermittelten neuen Unterrichts­methoden in die Unterrichtpraxis oder das auf einem humanistischen Ansatz basierende Cognitive Coaching von Costa und Garm­ston (1994) zur prozessorientierten Anregung von Denkprozessen bei Lehrpersonen auf der Grundlage nicht wertender Unterrichtsvor­besprech ungen, Unterrichtsbeobachtungen und Unterrichtsnachbesprechungen . Das in diesem Beitrag vorgestellte Fach­spezifische Unterrichtscoaching hat seinen Ursprung in Schulentwicklungsprojekten, welche vom Institute for Learning der Uni­versity of Pittsburgh unterstützt wurden. In Kooperation mit Schulkreisen entwickelten Bildungsforscher und Lehrerbildner hier­zu Instrumente und Lernsettings (Resnick

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Fritz C. Staub und Annelies Kreis: Fachspezifisches Unterrichtscoaching in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen

& Hall, 1998; Staub, 2004a, 2004b). Aus­gangspunkt dieser Entwicklungsarbeit sind forschungsbasierte Lehr-Lern-Prinzipien, die sowohl zur Reflexion wie auch zur Neugestal­tung von Unterricht genutzt werden können. Im Wissen um die oft geringe Wirksamkeit tra­ditioneller Weiterbildungsformate (Hawley &

Valley, 1999; Messner & Reusser, 2000) waren handlungsnahe Settings zur Unterstützung des Lernens von Lehrpersonen gesucht. Mit dem Fachspezifischen Unterrichtscoaching - in den USA als Content-Focused Coaching eingeführt - wurde ein entsprechendes pra­xisbezogenes Lernsetting geschaffen (West & Staub, 2003), welches das Lernen der Lehrper­sonen mit Fokus auf die Inhalte und fachspe­zifisch-pädagogische Aspekte von Unterricht durch Kooperationsstrukturen mit kompeten­ten Lehrpersonen unterstützt. Diese Merkmale sind zugleich Bedingungen, welche sich für die Wirksamkeit von Weiterbildungen als bedeut­sam erwiesen haben (Garet, Porter, Desimone, Birman & Yoon, 2001). Obwohl ursprünglich als Setting für die Weiterbildung entwickelt, lassen sich zentrale Elemente des Fachspezifi­schen Unterrichtscoachings ebenfalls zur Un­terstützung des Lernens von Lehramtsstudie­renden in Unterrichtspraktika nutzen.

Kernelemente des Fachspezi­fischen Unterrichtscoachings

Zentrales Ziel von Fachspezifischem Unter­richtscoaching (Staub, West & Bickel, 2003; Staub, 2004) ist die von Coach und Coachee gemeinsam verantwortete Unterrichtsgestal­tung zur bestmöglichen Unterstützung des Lernens der Schülerinnen in einem bestimm­ten Fach. Dazu verfügt ein Coach sowohl über möglichst hohe fachliche, fachdidakti­sche sowie psychologisch-pädagogische Ex­pertise als auch über die Kompetenz zur För­derung kokonstruktiver Zusammenarbeit bei der Vorbereitung, Durchführung und Reflexi-

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on von Unterricht. Unterrichtscoaching wird als konstruktive Gestaltungsarbeit konzeptu­alisiert (Staub, 2001). Dies kann über den Un­terricht hinaus beim Coachee wie auch beim Coach zur Erweiterung unterrichtsrelevanten Wissens und zur Veränderung fachspezifisch­pädagogischer Überzeugungen führen. Die bearbeiteten Themen ergeben sich aus den Entwicklungsanliegen und Ressourcen der beteiligten Lehrpersonen sowie allenfalls aus institutionell vereinbarten Entwicklungszie­len (z. B. Umsetzung von Lehrplänen oder schulintern beschlossener Ziele). Eine Coachingsequenz ist immer an eine spezifische, im Berufsalltag situierte Unter­richtseinheit geknüpft. Coachingaktivitäten finden während einer Vorbesprechung zur ge­

meinsamen Unterrichtsplanung, während der Unterrichtssequenz und im Rahmen einer Nachbesprechung statt. Das Coaching erfolgt orientiert an Instrumenten, die Hinweise auf lernwirksames Unterrichtshandeln und damit auf Coachingziele geben. Dabei kann es sich beispielsweise um wissenschaftlich fundierte Lehr-Lern-Prinzipien, Dimensionen von Un­terrichtsqualität oder Bildungsstandards han­deln. Ein solches Instrument sind auch die Kernperspektiven zur Planung und Reflexion von

Unterricht (Staubet al., 2003) . Diese umfassen Leitfragen zu den vier Perspektiven "Klärung der Lerninhalte und der Lernziele", "Einord­nung der Unterrichtssequenz", "Vorwissen und mögliche Schwierigkeiten der Schülerln­nen" und "Unterrichtsgestaltung zur Unter­stützung des beabsichtigten Lernens" . Die Coachinggespräche erfolgen sowohl in der Vor- als auch in der Nachbesprechung in einem kokonstruktiven Dialog (West & Staub, 2003) . Dieser Dialog wird dadurch gefördert, dass der Coach den Coachee einlädt, die ei­genen Ideen, Einschätzungen und Überzeu­gungen darzulegen, zu begründen, zu hinter­fragen und zu elaborieren. Dabei kann sich der Coach an den Kernperspektiven orientie­ren. Nach Bedarf, und vor allem auf Anfrage

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des Coachees, bringt der Coach eigene Ideen, Anregungen und Hinweise ein. Gemeinsam werden Gestaltungsvarianten und Handlungs­möglichkeiten entwickelt und abgewogen, die für das Lernen der Schülerinnen erfolgver­sprechend sind. Durch verständnissicherndes Nachfragen wird ein geteiltes Verständnis der gemeinsam verantworteten Unterrichtsse­quenz sichergestellt. Vor Beginn der eigentlichen Coachingsequenz verständigen sich Coach und Coachee über ihre Ziele und regeln Organisatorisches. Die Coachingsequenz beginnt sodann mit der Vor­

besprechung, in der, ausgehend von einer Un­terrichtsskizze des Coachees, die Unterrichts­sequenz kokonstruktiv geplant wird. Die geplante Unterrichtssequenz führen Coach und Coachee anschließend gemeinsam ver­antwortet durch. Dabei besteht die Aufgabe des Coachs darin, die Lehrperson in ihrem un­terrichtsrelevanten Lernen zu unterstützen und zu begleiten. Der Coach übernimmt zwar bewusst Mitverantwortung für das Lernen der Schülerlnnen, tut dies jedoch über Coaching­aktivitäten, wie das 'Modellieren einer her­ausfordernden Unterrichtssequenz oder das gemeinsame Unterrichten in einer Sequenz, in der beispielsweise Problemlösungen von Kindern aus einer offenen Aufgabenstellung gesammelt und diskutiert werden. Der Coach kann auch im Hintergrund bleiben. Inwiefern er während des Unterrichts aktiv ist, wird im Voraus vereinbart und erfordert das explizite Einverständnis des Coachees~ An die Unterrichtssequenz schließt eine Nach­

besprechung an, in welcher der Unterrichtsver­lauf insbesondere hins ichtlich des von den Schülerinnen erreichten Gelernten reflektiert und das weitere Vorgehen besprochen wird. Das für die gesamte Coachingsequenz gel­tende Prinzip der geteilten Verantwortung begünstigt dabei eine offene und sachliche Gesprächs- und Fehlerkultur auf gleicher Au­genhöhe.

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Empirische Befunde zur Wirksamkeit

Fachspezifisches Unterrichtscoaching hat .sich in den USA als Instrument zur schul­internen Weiterbildung von Lehrpersonen im Mathematikunterricht bewährt (West & Staub, 2003) und als Ansatz zur Verbesserung der Unterrichtsqualität und der Schülerleis­tungen im Englischunterricht als wirksam erwiesen (Matsumura, Garnier & Spybrook, 2013) . Umsetzungen des Ansatzes in der Schweiz verliefen ebenfalls vielversprechend. Lehr­personen einer lnterventionsgruppe, die im Rahmen einer Studie zur adaptiven Lehr­kompetenz auf der Sekundarstufe I an einer Weiterbildung teilnahmen und danach von Fachspezifischen Unterrichtscoaches unter­stützt wurden, erweiterten ihre Planungs­kompetenz in signifikant höherem Ausmaß als Lehrpersonen mit derselben Weiterbil­dung jedoch ohne Unterrichtscoaching (Beck, Baer, Guldimann, Bischoff, Brühwiler, Müller, Niedermann, Rogalla & Vogt, 2008). Eine Interventionsstudie auf der Grundlage des Fachspezifischen Unterrichtscoachings von Lehrpersonen im sonderpädagogischen Feld zeigte Effekte auf die Aggressionspräven­tion (Wettstein, Thommen & Eggert, 2010). Verglichen mit einer traditionellen Praxis der Lernbegleitung in Unterrichtspraktika (Kreis, 2012b; Schüpbach, 2007) ist die ausführliche und elaborierende Vorbesprechung ein neues Element, das von Lehramtsstudierenden als hilfreicher für ihr Lernen eingeschätzt wird als die Nachbesprechungen (Futter & Staub, 2008). ln einer umfangreichen Interventions­studie, in welcher Praxislehrpersonen einer Interventionsgruppe zu Coachs ausgebildet wurden, konnte im Weiteren gezeigt werden, dass der Lernertrag aus Vorbesprechungen bei den Praktikantlnnen, gemessen an verschie­denen Indikatoren, bedeutsam höher ausfällt als aus Nachbesprechungen (Kreis & Staub,

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Fritz C. Staub und Annelies Kreis : Fachspezifisches Unterrichtscoaching in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen

2012; Kreis, 2012a). Als besonders ertrag­reich zeigte sich die kokunstruktive Elaboration

der Unterrichtsplanung (Kreis, 2012a) . Bespre­chungen, in denen mehr Zeit für Problema­tisches, Unklarheiten und Ambivalenzen im Gespräch genutzt wird, führen zu mehr Lernbelegen (Kreis, 20 12a). Auch Nachbe­sprechungen sind vor allem dann mit Lernen verbunden, wenn während längerer Dauer Probleme, Unklarheiten und Ambivalenzen reflektiert werden . Voraussetzung ist wiede­rum, dass über die Themen kokonstruktiv gesprochen wircl und dass die Coachees zu Wort kommen. Als wenig veränderungswi(k­sam zeigten sich monologisierende Rückmel­dungen der Coachs (Kreis, 2012a) . Weitere signifikante Unterschiede zwischen der Inter­ventions- und der Kontrollgruppe bestehen bezüglich der bearbeiteten Gesprächsinhalte (Kreis, Wiek, Kosorok Labhart & Staub, 2012), der Aktivitäten der Praxislehrpersonen während

des von Studierenden erteilten Unterrichts sowie der Qualität des von Studierenden erteilten Ma­thematikunterrichts (Kreis & Staub, 2011).

Eine für die Unterrichtsentwicklung in Schul­teams adaptierte Anwendung des Fachspezifi­schen Unterrichtscoachings ist das Kollegiale Unterrichtscoaching (Kreis, Lügstenmann &

Staub, 2008; Kreis & Staub, im Erscheinen). Dessen Grundelemente entsprechen dem Fachspezifischen Unterrichtscoaching weit­gehend. Die Rollen von Coach und Coachee werden jedoch in reziproker Weise einge­nommen (je nachdem, wer die Hauptverant­wortung für eine Klasse hat) und die Kolle­ginnen verfügen in der Regel nicht über eine höhere Expertise bezüglich Fachdidaktik und Coaching. Eine explorative Studie im Kon­text einer Weiterbildungsintervention zu Kol­legialem Unterrichtscoaching in Kombinati­on mit fachdidaktischen Impulsen zeigte eine qualitative und quantitative Intensivierung unterrichtsbezogener Kooperation zwischen Lehrpersonen (Kreis et al., 2008).

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Fazit

Im Fachspezifischen Unterrichtscoaching werden Lehrpersonen oder Lehramtsstudie­rende handlungsbezogen durch gemeinsam verantwortete Gestaltungsarbeit "on the job" unterstützt . Die dabei entstehenden Inter­aktionen zur Planung, Durchführung und Reflexion von Unterricht können vielfältige Lerngelegenheiten für Coachees wie auch für Coachs ermöglichen. Da sich die Rolle des Coachs nicht - wie beispielsweise im Cogni­tive Coaching - auf die eines Prozessberaters oder einer Prozessberaterio beschränkt, ist die Unterrichtskompetenz des Coachs von hoher Bedeutung. Trotz seiner Unterrichtsexpertise ist es jedoch nicht das Ziel des Coachs, mög­lichst seine Vorstellungen durchzusetzen. Sei­ne Rolle erfüllt er in diesem Setting, wenn er seine Wissensressourcen, angepasst an die im Dialog geklärten Ressourcen und Überlegun­gen des Coachees, so einzubringen versteht, dass eine gemeinsam verantwortete Lektions­gestaltung entsteht. Insbesondere das gemein­same Aushandeln und begründete Abwägen alternativer Möglichkeiten sowie die Reflexi­on der entsprechenden Unterrichtsdurchfüh­rung schafft Lerngelegenheiten. Vom Coach wird erwartet, dass er aus seinen Ressourcen jene Elemente einbringt, welche zu einer für die Schülerinnen optimalen Unterrichtsge­staltung beitragen. in Zweifelsfällen überlässt der Coach dem Coachee die Entscheidung. Die Prozessorientierung des Coachs zeigt sich in einer hohen Sensibilität für Dialoge, welche die Kokonstruktion eines gemeinsam verantworteten Unterrichts fördert. Der Un­terrichtsexpertise der Coaches wird eine hohe Bedeutung beigemessen. Trotzdem geht das Fachspezifische Unterrichtscoaching über eine Meisterlehre hinaus: Der Coach bringt nicht nur seine persönlichen Ressourcen ein, sondern orientiert sich darüber hinaus an wissenschaftlich fundierten Instrumen­ten wie Lehr-Lern-Prinzipien, allgemeinen

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Kernperspektiven zur Planung und Reflexi­on von Unterricht oder empirisch erprobten Unterrichtsmethoden und Strategien. Unter­richtscoaching wird damit als Katalysator und Teilprozess sich entwickelnder professioneller Lerngemeinschaften in Schulen und Ausbil­dungsinstitutionen verstanden .

Literatur

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