Fehlermanagement in der Arztpraxis - aekn.de · In Anlehnung an das organisationale Unfallmodell...

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www.aekn.de 25.10.2017 4. ZQ-Forum Patientensicherheit in der Arztpraxis Seite 1 Fehlermanagement in der Arztpraxis Crashkurs für eine pragmatisch-praktische Umsetzung Dr. med. Johannes Herzog Dr. med. Anouk Siggelkow

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Fehlermanagement in der Arztpraxis

Crashkurs für eine pragmatisch-praktische Umsetzung

Dr. med. Johannes Herzog Dr. med. Anouk Siggelkow

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Offenlegung potentieller Interessenkonflikte

1. Anstellungsverhältnis oder Führungsposition Internistische Gemeinschaftspraxis Uelzen / Teilhaber Ehrenamtliche Mitarbeit in der Ärztekammer Niedersachsen

2. Beratungstätigkeit keine

3. Aktienbesitz - keine

4. Honorare Aufwandsentschädigungen durch die Ärztekammer Niedersachsen

5. Finanzierung wissenschaftlicher Untersuchungen - keine

6. Gutachtertätigkeit - keine

7. Andere finanzielle Beziehungen - keine

Dr. med. Johannes Herzog

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Fehler in der Praxis

Aus: Gehring K, Schwappach D, Patientensicherheit in der Hausarztpraxis, ZEFQ (2014) 108, 25 - 31

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Patientensicherheit-Definition: (Glossar: Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V.)

Abwesenheit unerwünschter Ereignisse

in der Gesundheitsversorgung

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Was ist ein „unerwünschtes Ereignis“?

Alle Fehler

„Beinahe-Schaden“

Alle unerwünschten Ereignisse Vermeidbare unerwünschte Ereignisse Fahrlässige unerwünschte Ereignisse

Unvermeidbare unerwünschte Ereignisse

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Modell der Fehlerentstehung

Management

Organisation

Patientenfaktoren

Individuelle Faktoren

Teamfaktoren

Arbeitsbedingungen

Schnittstellen

Aufgabenfaktoren

Unsichere Handlungen

Fehler Verstöße

Latente Fehler

Fehlerbegünstigende Faktoren

Aktive Fehler

Versagen von Kontrollbarrieren

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Fehlerbegünstigende Faktoren

Faktorart Beispiele

Patientenfaktoren Zustand (Komplexität/Schweregrad) Sprech-/Kommunikationsfähigkeit Persönlichkeit Familiäres Umfeld

Individuelle Faktoren Wissen, Fähigkeit, Fertigkeit Gedächtnisleistung/ Wahrnehmung Emotionale/motivationale Faktoren Gesundheit Persönlichkeit

Teamfaktoren Führung (Supervision, Kontrolle…) Kommunikation (mündlich, schriftlich) Koordination/Kooperation Struktur und Beständigkeit des Teams

Kognitive BIAS

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Fehlerbegünstigende Faktoren

Faktorart Beispiele

Arbeitsbedingungen Personalbestand, Qualifikationsmix Arbeitsbelastung Physische Umgebung (Lärm, Licht) Ausrüstung des Arbeitsplatzes

Aufgabenfaktoren Eindeutigkeit, Ressourcen Komplexität, Verfügbarkeit von Richtlinien/ Funktionsbeschreibungen/ Entscheidungshilfen

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Fehlerbegünstigende Faktoren

Faktorart Beispiele

Schnittstellen

Mündliche und schriftliche Verständigung mit

Kooperationspartnern

Kontext: Gesetzliche Regelungen

Politik

Management/

Organisation

Standards und Ziele

Unternehmenspolitik/Sicherheitskultur

Finanzielle Ressourcen

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Psyche im Überblick

Blackbox der Psyche (Strohschneider 2006)

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„Verzerrung“ beim Problemlösen

systematische, meist unbewusste Tendenzen oder

Neigungen beim Wahrnehmen, Erinnern, Denken und

Urteilen

Wahrnehmung Verhalten Psyche

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Diagnostische (kognitive) Bias

Verfügbarkeitsheuristik Vorschnelles Urteil:

„ Ich wende an, was ich kann “

Ankereffekt Erster Eindruck:

„Das sehe ich doch auf den ersten Blick“

Framingeffekt Dominante Präsentation :

„Mein Bauch tut weh“

Blinder Gehorsam Kritiklosigkeit

Fehler beim Problemlösen

Vorzeitiges Festlegen Diese Diagnose will ich

auf keinen Fall übersehen

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Schadensentstehung ist ein

komplexer Vorgang!

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Qualitätsmanagement-Richtlinie

Welche Instrumente sind zu nutzen? • Nachvollziehbare Festlegung Ziel, Umsetzungsmaßnahmen, Überprüfung

(PDCA-Zyklus)

• Teambesprechungen

• Prozess-, Ablaufbeschreibungen

• Patientenbefragungen, Beschwerdemanagement

• Checklisten

• Risiko- , Fehlermanagement

• Notfallmanagement

• Dokumentation von Behandlungsverläufen

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www.jeder-fehler-zaehlt.de Fehlerberichts- und Lernsystem für Hausarztpraxen

https://www.jeder-fehler-zaehlt.de/public/report/databaseNewest.jsp Auszug vom 24.10.2017

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Tipps zur Fehlervermeidung

https://www.jeder-fehler-zaehlt.de/public/prevention/prevention.jsp Auszug vom 03.05.2016

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- Handlungsempfehlung: Sichere Patientenidentifikation in der ambulanten

ärztlichen Versorgung (KV WL)

Quelle: www.aps-ev.de

Material für Niedergelassene

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Quelle: www.aps-ev.de

Material für Niedergelassene

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Praxisleitfaden für Ärztinnen und Ärzte der Grundversorgung

Kommunikation nach einem Zwischenfall

Probleme oder Bedenken ansprechen

Quelle: http://www.patientensicherheit.ch/de/aktuell.html

Material für Niedergelassene

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• Robert M. Wachter: „Fokus Patientensicherheit – Fehler vermeiden, Risiken managen“, Herausgeber der deutschsprachigen Auflage: Joachim Koppenberg, Peter Gausmann, Michael Henninger, ABW-Wissenschaftsverlag, ISBN 978-3-94061505-3, Preis 29,95 €

• Robert M. Wachter: „Understanding patient safety“, McGrawHill Lange Textbooks, ISBN: 0071765786 / 9780071765787, Preis 41 $

• Charles Vincent: „Das ABC der Patientensicherheit“ **Englisch: Essentials of patient safety]]. Zürich; 2012. (Stiftung Patientensicherheit, Schriftenreihe; vol 4)

• Charles Vincent, Rene Amalberti: „Safer Healthcare-Strategies for the real world“- SpringerOpen

Weiterführende Literatur zum Thema Patientensicherheit

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Management

Organisation

Patientenfaktoren

Individuelle Faktoren

Teamfaktoren

Arbeitsbedingungen

Schnittstellen

Aufgabenfaktoren

Unsichere Handlungen

Fehler Verstöße

Latente Fehler

Fehlerbeeinflussende Faktoren

Aktive Fehler

effektive Kontrollbarrieren

Analyse + Korrektur von Risikofaktoren

Versagen der Kontrollbarrieren

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Modell des Fehlermanagements

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Systematische Analyse - chronologischer Ablauf und beitragende Faktoren Ablauf der Ereignisse

Zeitpunkt/ggf. Tag, Uhrzeit

unsichere Handlungen (Fehler)

beitragende Faktoren

Patient

Individuelle Faktoren

Team

Arbeitsbedingungen

Organisation / Management

Schnittstellen

Aufgabe

evtl. vorhandene Sicherheitsbarrieren

Empfehlungen des Teams

Nach Rohe et al. (2013) Moderatorenfortbildung. In: KBV (Hrsg.) Handbuch Qualitätszirkel. 3.Auflage; überarbeitet von Her/Sk 05/2016

Basierend auf Woloshynowych et al. (2005) The investigation and analysis of critical incidents and adverse events in healthcare. Health Technol Assess 2005; 9 (19): 1–158

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Fall 2 w. 78J Anämie

• 17.8. telef. Terminvergabe Kapselendoskopie

• 18.8. Vorgespräch ÜW „Kapselendoskopie“ – E-Brief Klinikum > EW wg. Anämie und Gewichtabnahme 15 kg in 6

Monaten. Gastroskopie, Koloskopie und Sono ohne erklärenden Befund > Kapselendoskopie zur Klärung der Anämie empfohlen

– Laborwerte liegen nicht vor

– Blutentnahme in der Praxis

• 19.8. 7:30h > Kapselendoskopie – Sonografie und Gastroskopie bei fehlendem Übertritt der Kapsel

nach 90 Minuten und vorheriger Gabe von MCP

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• 19.8. 14:00 > MFA : Die Laborwerte hast Du doch schon gesehen, die können weg? – Ges. Eiweiß 158g/d (Norm 60- 80) l, HB 8,1 g/dl, (Norm > 12)

MCV 100 (Norm<90), Ferritin 430 (Norm <100), Eisen 34

• 19.8. 14:00 Immun-E-Phorese und Urinuntersuchung wird nachgefordert

Fall 2 w. 78J Anämie

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• 20.8. Laborbefunde liegen vor – Ges. Eiweiß 158g/dl, HB 8,1 g/dl, MCV 100, Ferritin 430, Eisen 34,

– Immun-E-Phorese> M Gradient in der Gammafraktion

– Urin > Bence-Jones Proteine

hochgradiger Verdacht auf Plasmozytom

• 24.8. Terminvereinbarung Onkologe, (vorher tel. nicht erreichbar) und Befundübermittlung > 10.9.

• 31.8. Sprechstunde

• 10.9. Tel. Onkologe > Pat. eingewiesen

Fall 2 w. 78J Anämie

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Basierend auf Woloshynowych et al. (2005)

The investigation and analysis of critical

incidents and adverse events in healthcare.

Health Technol Assess 2005; 9 (19): 1–158