Fischabstieg - ein bislang vernachlässigtes Problem der ... and downstream fish migration systems"...

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~~------------------------------- Fischabstieg - ein bislang vernachlässigtes Problem der Wasserwirtschaft Beate Adam (Kirtorf- Wahlen) Zusammenfassung Nachdem der Stand des Wissens hinsichtlich Konstruktion und Bau von Fischaufstiegsanlagen so weit fortgeschritten ist, dass die Gewährleistung einer stromaufwärts gerichteten Passage von Staubauwerken möglich ist, stellt sich die Frage, wie eine gefahrlose Abwanderung von Fischen an Wasser- kra{tanlagen und Ausleitungsbauwerken vorbei realisiert wer- den kann. Die bezüglich der Fischabwanderung bestehenden Wissensdefizite erschweren jedoch die Entwicklung funk- tionsfähiger Abstiegsanlagen. Vor diesem Hintergrund ist die interdisziplinär und interinstitutionell besetzte Arbeitsgruppe .Fischscnutz- und -abstiegsanlagen" der ATV-DVWK mit der Erarbeitung eines Merkblattes befasst, in dem der heutige Sachstand zum Thema Fischabstiegsanlagen aufgezeigt wird. Schlagwörter: Wasserbau, Fließgewässer, Fisch, Schutz, Merkblatt, ATV, DVWK Summary Downstream Fish Migration - a Neglected Water Management Problem Now that the state of knowledge in terms of the design and construction of systems for the upward migration of fish has advanced to such an extent that the upward migration of fish through weirs is guaranteed, the question is how the un- impaired downstream migration oi fish past hydro-power plants and diversion structures can be implemented. The lack of knowledge regarding downstream migration of fish, how- ever, makes it difficult to develop functioning downstream fish migration systems. Against this background, the inter- disciplinary and inter-institutional working group on "fish protection and downstream fish migration systems" oi ATV- DVWK, the German Association [or Water, Wastewater and Waste, is currently developing an advisory leaflet that de- scribes the current state of the art regarding downstream fish migration systems. Key words: water engineering, flowing waters, flsh, protection, advisory leaflet, ATV, DVWK 740 Resume Descente ä poissons - Un problerne de la gestion des eaux qui est neglige [usqu'ä präsent Apres que l'etat des connaissances concernant la const c- tion et I'installation des passes cl poissons est tellement p - qresse que le passage cl I'amont des barrages est possible - se pose la question comment on peut realiser le passage ;; I'aval des usines hvdroeiectriques et des ouvrages de prise d'eau. Mais les deficits concernant le passage cl poissons er aval rendent le developpement des installations de descen:e cl poissons qui fonctionnent difficile. Devant cet arriere-plar, le groupe de travail interdisciplinaire et interstitutionnel « n- stallations de protection des poissons et de descente cl pois- sons» de I'ATV-DVWK, Association allemande pour les ea les eaux usees et les dechets elabore une notice technique qui dementre l'etat de choses actuel en ce qui concerne le s - jet des installations de descente cl poissons. Notices matteres. construction hydraulique, cours d'eau, poisson, protedio notice technique, ATV, DVWK Einführung Fließgewässer sind vielfältigen anthropogenen Nutzungs- ansprüchen unterworfen, die nachhaltige Auswirkungen auf die aquatischen Lebensgemeinschaften zur Folge haben. 50 werden durch Aufstau, z. B. zum Zwecke der Wasserentnahme oder der Gewinnung regenerativer, CO 2 -emissionsfreier Ener- gie aus Wasserkraft nicht nur die hydraulisch/hydrologischen Bedingungen im Fließgewässer tiefgreifend verändert, son- dern auch die Lebensbedingungen der Fischfauna. Anhand zahlreicher Beispiele lässt sich belegen, dass die Errichtung unpassierbarer 5taubauwerke das Aussterben des Atlanti- schen Lachses (Salmo salar) oder des Maifisches CAlosa alosa) zur Folge hatte, denen der Zugang zu ihren Laichgebie- ten abgeschnitten wurde [1, 2]. KA - Wasserwirtschaft, Abwasser. Abfall 2000 (47) Nr. 5

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Fischabstieg -ein bislang vernachlässigtes Problemder WasserwirtschaftBeate Adam (Kirtorf- Wahlen)

Zusammenfassung

Nachdem der Stand des Wissens hinsichtlich Konstruktionund Bau von Fischaufstiegsanlagen so weit fortgeschrittenist, dass die Gewährleistung einer stromaufwärts gerichtetenPassage von Staubauwerken möglich ist, stellt sich die Frage,wie eine gefahrlose Abwanderung von Fischen an Wasser-kra{tanlagen und Ausleitungsbauwerken vorbei realisiert wer-den kann. Die bezüglich der Fischabwanderung bestehendenWissensdefizite erschweren jedoch die Entwicklung funk-tionsfähiger Abstiegsanlagen. Vor diesem Hintergrund ist dieinterdisziplinär und interinstitutionell besetzte Arbeitsgruppe.Fischscnutz- und -abstiegsanlagen" der ATV-DVWK mit derErarbeitung eines Merkblattes befasst, in dem der heutigeSachstand zum Thema Fischabstiegsanlagen aufgezeigt wird.

Schlagwörter: Wasserbau, Fließgewässer, Fisch, Schutz, Merkblatt, ATV, DVWK

Summary

Downstream Fish Migration - a Neglected WaterManagement Problem

Now that the state of knowledge in terms of the design andconstruction of systems for the upward migration of fishhas advanced to such an extent that the upward migration offish through weirs is guaranteed, the question is how the un-impaired downstream migration oi fish past hydro-powerplants and diversion structures can be implemented. The lackof knowledge regarding downstream migration of fish, how-ever, makes it difficult to develop functioning downstreamfish migration systems. Against this background, the inter-disciplinary and inter-institutional working group on "fishprotection and downstream fish migration systems" oi ATV-DVWK, the German Association [or Water, Wastewater andWaste, is currently developing an advisory leaflet that de-scribes the current state of the art regarding downstream fishmigration systems.

Key words: water engineering, flowing waters, flsh, protection, advisory leaflet,ATV, DVWK

740

Resume

Descente ä poissons - Un problerne de la gestion deseaux qui est neglige [usqu'ä präsent

Apres que l'etat des connaissances concernant la const c-tion et I'installation des passes cl poissons est tellement p -qresse que le passage cl I'amont des barrages est possible -se pose la question comment on peut realiser le passage ;;I'aval des usines hvdroeiectriques et des ouvrages de prised'eau. Mais les deficits concernant le passage cl poissons eraval rendent le developpement des installations de descen:ecl poissons qui fonctionnent difficile. Devant cet arriere-plar,le groupe de travail interdisciplinaire et interstitutionnel « n-

stallations de protection des poissons et de descente cl pois-sons» de I'ATV-DVWK, Association allemande pour les eales eaux usees et les dechets elabore une notice techniquequi dementre l'etat de choses actuel en ce qui concerne le s -jet des installations de descente cl poissons.

Notices matteres. construction hydraulique, cours d'eau, poisson, protedionotice technique, ATV, DVWK

Einführung

Fließgewässer sind vielfältigen anthropogenen Nutzungs-ansprüchen unterworfen, die nachhaltige Auswirkungen aufdie aquatischen Lebensgemeinschaften zur Folge haben. 50werden durch Aufstau, z. B. zum Zwecke der Wasserentnahmeoder der Gewinnung regenerativer, CO2-emissionsfreier Ener-gie aus Wasserkraft nicht nur die hydraulisch/hydrologischenBedingungen im Fließgewässer tiefgreifend verändert, son-dern auch die Lebensbedingungen der Fischfauna. Anhandzahlreicher Beispiele lässt sich belegen, dass die Errichtungunpassierbarer 5taubauwerke das Aussterben des Atlanti-schen Lachses (Salmo salar) oder des Maifisches CAlosaalosa) zur Folge hatte, denen der Zugang zu ihren Laichgebie-ten abgeschnitten wurde [1, 2].

KA - Wasserwirtschaft, Abwasser. Abfall 2000 (47) Nr. 5

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----------------------~it dem Bau funktionsfähiger Fischaufstiegsanlagen kann ein

wesentlicher Beitrag geleistet werden, diese ökologischenuswirkungen von Staubauwerken zu mindern und die strom-

aufwärts gerichteten Wanderungen der Fische wieder zu er-möglichen [3, 4]- Während der Stand der Technik zum Bauvon Fischaufstiegsanlagen in den letzten Jahren wesentlicheiterentwickelt werden konnte, wurde das Problem der fluss-

abwärts gerichteten Wanderung von Fischen jedoch bislangvernachlässigt.

Obgleich seit langem bekannt ist, dass durch Rechenanlagenon Wasserkraft- und Ausleitungsbauwerken sowie durch"urbinen Fische in beträchtlichem Umfang geschädigt wer-den [5], sind bis heute bundesweit kaum wirksame Anlagenim Einsatz, die die Schädigung bzw. Tötung von Fischen nach-veislich wirksam verhindern und eine gefahrlose Umgehungder gefährdenden Anlagenteile ermöglichen.

Jie mit Wasserbauingenieuren und Biologen interinstitutio-nell besetzte Arbeitsgruppe .Fischschutz- und -abstiegsanla-gen" der ATV-DVWK ist derzeit mit der Erarbeitung eineserkblattes befasst, das einerseits Verfahren und Konstruk-ionsweisen von Fischschutz- und -abstiegseinrichtungen dar-s eilt, anderseits auch die Einsatzmöglichkeiten und -grenzener verfügbaren Systeme benennt. Für den Herbst diesenahres wird ein Seminar zum Thema .Flschabsttegsanlagen"

-11 Bad Neuenahr-Ahrweiler vorbereitet, und voraussichtlichfang 2001 wird das Gelbdruckverfahren für das Merkblatt

eingeleitet.

Fischabwanderung - ein bislang unterschätztesiologisches Phänomeneuropäischen Gewässern ist aufgrund seiner Körperform

~'1d -länge insbesondere der Aal (Angui/la angui/la) von Schä-digungen durch Wasserkraftwerke betroffen, zumal dieseandernde Art essentiell darauf angewiesen ist, von ihrenahrungsbiotopen in den Flüssen des Binnenlandes ins Meer

:J wandern, um dort abzulaichen (Abb. 1 und 2).

Verdriftung der larven(Weidenblattlarve)

- -D_ 1: Der Lebenszyklus des Aals

- - 'assetwirtscbalt, Abwasser, Abfall 2000 (47) Nr. 5

Abb. 2: 88 in einer Nacht an einem Wasserkraftwerk verende-te Aale (Foto: Wagner)

Aufgrund der fischereiwirtschaftlichen Bedeutung des Aaleswurden wiederholt Prozesse gegen Wasserkraftbetreiber ge-führt und werden bis heute in erheblichem Umfang Aus-gleichszahlungen für entstehende Aalverluste gezahlt. Vordem Hintergrund jedoch, dass die Anzahl von Aallarven, diedie europäischen Küsten erreichen, um in ihre Nahrungs-gewässer aufzuwandern, in den letzten 30 Jahren um über80 % zurückgegangen ist und der Aal zunehmend in die RotenListen der bestandsgefährdeten Arten aufgenommen werdenmuss, rückt die ökologische Bedeutung dieses Problems zu-nehmend in das Zentrum des Interesses [6]. Aufgrund derkomplexen Lebensweise des Aals ist zwar der exakte Anteilder einzelnen Ursachen am Bestandsrückgang kaum zu quan-tifizieren, doch ist von einer Vermeidung wasserkraftbeding-ter Schädigungen ein wesentlicher Beitrag zum Artenschutzzu erwarten.

Auch bei anderen abwandernden Fischarten wurden in jüngs-ter Zeit erhebliche Schädigungen nachgewiesen [7], die insbe-sondere in mehrfach gestauten Gewässern beträchtliche Be-standseinbußen zur Folge haben (Abb. 3). Schließlich werdenauch Wiederansiedlungsmaßnahmen mit anadromen Artenwie Lachs und Meerforelle ernsthaft in Frage gestellt, wennnicht dafür Sorge getragen wird, dass den abwandernden Sta-dien gefahrlose Abwanderwege eröffnet werden.

Abb. 3: Bei der Turbinenpassage decaptierte Plötze

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~~-------------------------------Stand des Wissens

Insgesamt besteht bezüglich der Verminderung von Schädi-gungen abwandernder Fische ein gravierendes Wissensdefi-zit. Auch international, insbesondere aus den USA, Kanadaund Frankreich, liegen allenfalls hinsichtlich abwandernderJugendstadien anadromer Arten und hier fast ausschließlichvom Lachs nur unter Vorbehalt auf deutsche Verhältnisseübertragbare Erfahrungen vor; mit der Verhinderung derSchädigung von Aalen hat man sich auch in diesen Ländernbislang kaum beschäftigt.

Hauptproblem bei der Bearbeitung der Problematik der Ver-meidung von Fischschäden durch Wasserentnahmebauwerkeund -kraftanlagen bereiten vor allem Wissensdefizite überdas Abwanderverhalten der Fische, denn derartige Kenntnissesind eine wesentliche Voraussetzung für die Konstruktionwirksamer Leit- oder Scheuchanlagen. Verhaltensbeobach-tung von Fischen ist unter Freilandbedingungen nur miteinem hohen technischen Aufwand zu betreiben. Die für der-artige Vorhaben erforderliche Finanzierung steht heute inDeutschland nicht zur Verfügung. So kann auf wesentlicheFragen, wie z. B_ den präferierten Wanderkorridoren im Ge-wässer oder den Wandertiefen, in denen die Fische auf dieKraftwerksanlagen treffen, keine Antwort gegeben werden.

Strategien zur Vermeidung von Fischschäden

Nach den u. a. auf der Grundlage einer umfangreichen Litera-turstudie vorliegenden Erkenntnissen [8] spielen heute vor al-

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lem folgende Strategien bei der Vermeidung von Fischschä-den eine Rolle: mechanische Barrieren, Verhaltensbarrierensowie alternative Konzepte, z. B. das als "trap and truck" be-zeichnete Abfangen von Fischen einschließlich ihres stromab-wärtigen Transports [9] sowie schließlich Frühwarnsysteme.Wesentlich beeinflusst wird die Funktionsfähigkeit der beidenerstgenannten Strategien stets von der topographisch/hy-draulischen Situation vor Ort, den jeweiligen Betriebsbedin-gungen sowie insbesondere der Anordnung der jeweiligenSchutz- oder Leitanlage. So gelingt es nach vorliegenden Er-kenntnissen eher, die Schädigung von Fischen an Wasser-entnahmebauwerken zu vermeiden, die nur einen geringenTeilabfluss ausleiten, als im Falle von Laufwasserkraftwerken,die unmittelbar innerhalb der Wanderkorridore liegen undvon abwandernden Fischen zwangsläufig passiert werdenmüssen.

Mechanische BarrierenMechanische Barrieren sollen das Eindringen von Fischen ingefährdende Anlagenbereiche vermeiden. Zum Einsatz kom-men hierbei insbesondere Rechen- und Filtersysteme, derenEffizienz maßgeblich von der lichten Weite der Stababständeoder des eingesetzten Filtermaterials abhängig ist. Neue Un-tersuchungen zeigten auf, dass selbst 20-mm-Rechen vonAalen mit Körperlängen von über 60 cm noch passiert werdenkönnen [10] (Abb. 4). Bislang wenig berücksichtigt blieb beimEinsatz von mechanischen Sperren der Aspekt der Gewähr-leistung der Abwanderung: Alleine durch das Zurückhaltenabwanderwilliger Fische ist die Fortsetzung ihrer biologischnotwendigen stromabwärts gerichteten Wanderung nochnicht realisiert. Entsprechend mehren sich Meldungen, dassAale in erheblichem Umfang bereits vor den 20-mm-Rechenverenden, da der hier herrschende Anpressdruck eine Fluchverhindert und die erschöpften Tiere von den Rechenreini-gungsmaschinen erfasst werden. Die konsequente Entwick-lung zur Gewährleistung der Abwanderung erforderlicher By-passsysteme, die möglichst alle abwandernden Fische auf-nehmen und dem Unterwasser zuleiten sollen, steckt aktuel

Abb. 4: Durchtrennter Aal im Unterwasser eines Wasserk _ -werks

KA - Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall 2000 Ce

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----------------------~infolge der bereits geschilderten Wissensdefizite noch in denAnfängen. Nach derzeitigen Erkenntnissen erscheint es je-doch wenig effizient, seitlich neben dem Abwanderhinderniseine Fallleitung ins Unterwasser anzubieten, da diese von ab-wandernden Fischen nicht in befriedigendem Maße aufgefun-den wird [11).

Verhaltensbarrieren

Verhaltensbarrieren bedienen sich Reizquellen, die z. B. Licht,Schall oder elektrische Felder aussenden, um abwanderndeFische dazu zu bewegen, sich von einer Gefahrenstelle fern-zuhalten. Das Prinzip beruht auf der stark vereinfachten An-nahme, dass alle Arten sowie deren verschiedene Entwick-lungsstadien selbst bei wechselnden Umweltbedingungenstets einheitlich auf Reize reagieren. Allein das Beispiel derReaktion auf helles Licht, das zwar in gewissem Maße beinicht allzu hohen Fließgeschwindigkeiten im Gewässer vonabwandernden Aalen gemieden wird, hingegen abwanderndeJunglachse anzieht, zeigt, dass sich biologische Systeme nurselten im Sinne einer Alles-oder-nichts-Reaktion verhalten.Vielmehr lösen Verhaltensbarrieren bestenfalls unspezifischeVerhaltensweisen aus und nur ein bestimmter Anteil der be-roffenen Fischartengemeinschaft reagiert in gewünschter

Weise. Bei Verhaltensbarrieren ist deshalb stets die Schädi-gung eines nicht oder in falscher Weise reagierenden Anteilsabwandernder Fische unvermeidlich. Vor diesem Hinter-grund verwundert es nicht, dass sich bislang alle auf ihreWirksamkeit hin untersuchten Licht-, Schall- oder Elektro-scheuchanlagen als bestenfalls eingeschränkt wirksam erwie-sen haben.

Frühwarnsysteme

rühwarnsysteme sind die Voraussetzung dafür, wasserkraft-edingte Schädigungen bestimmter Zielarten durch ein ange-

passtes Anlagenmanagement zu minimieren. Insbesonderezur Reduzierung der alljährlichen Aalverluste wird seit langeman biologisch/hydraulisch/mathematischen Modellen gear-oeitet, um den Zeitpunkt der Aalabwanderung, bei der es sich.rrn ein zeitlich eng begrenztes Massenphänomen handelt, zurognostizieren [12). Diese Überlegungen haben bislang je-och nicht zur Entwicklung eines praxistauglichen Verfahrens

geführt. Wesentlich erfolgversprechender hingegen sind ersteErfahrungen mit dem MIGROMAT®. Auf der Basis einer auto-"'1atischen Registrierung von Aktivitätsveränderungen gehäl-terter Aale bietet sich damit die Möglichkeit, zumindest die

wanderung dieser Fischart zu erkennen und ihre Abwande-ng durch gezielte Steuerung von Turbinen und Wehranla-

:ren, ohne den Einbau kostenintensiver Schutzsysteme zu ge-ährleisten [13).

usblick

er Situation, dass in den meisten Fließgewässern die strom-abwärts gerichtete Durchgängigkeit für Fische so gut wie<cht vorhanden ist, steht die Forderung der EU-Wasser--ahmenrichtlinie gegenüber, die binnen 16 Jahren die Wieder-erstellung eines guten ökologischen Zustandes aller Ge-ässer fordert. Dies bedeutet konkret, dass die Fischarten-emeinschaften in ihrer Zusammensetzung und Abundanz

..:- Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall 2000 (47) Nr. 5

nur geringfügig von den typenspezifischen Gemeinschaftenabweichen und der Altersaufbau nur schwache Anzeichen fürStörungen aufgrund anthropogen bedingter Einflüsse erken-nen lassen dürfen. Ohne die Wiederherstellung der sowohlstromauf- als auch vor allem stromabwärts gerichteten Pas-sierbarkeit von Wanderhindernissen kann dieses europaweitrechtsverbindliche Ziel nicht erreicht werden.

Literatur[lJ Anonymus (1881):

Protokoll der 2. Konferenz des Deutschen Fiseberei-vereins 1880: "Die l.achs-leiter· Frage", Circulare Dt. Fischereiverband 17, 76-82.

[2J Häpke (1913):Über das Weserwehr und seine Fischpässe, Verh. Dt. zool. Ges. 25,195-197.

[3J DVWK (1996):Fischaufstiegsanlagen - Bemessung, Gestaltung, Funktionskontrolle, Bonn{Gesellschaft zur Förderung der Abwassertechnik e. V., Hennef), Merkblätterzur Wasserwirtschaft 232, 120 S.

[4J Jens, G. et al. (1997):Fischwanderhilfen: Notwendigkeit, Gestaltung, Rechtsgrundlagen, SchrR.Verband Dt. Fischereiverwaltungsbeamter und Fischereiwissenschaftler 11,113 S.

[5J Monten, E. (1985):Fish and Turbines - Fish injuries during passage through power station turbi-nes, Stockholm (vattenfall), 111 S.

[6J Kuhlmann, H. (1997):Zur Bestandssituation des Europäischen Aales, Arbeiten Dt. Fischereiverband69,47-61.

[7J Holzner, M. (1999):Untersuchungen zur Vermeidung von Fischschäden im Kraftwerksbereich,dargestellt am Kraftwerk Dettelbach am Main/Unterfranken, SchrR. Landes-{ischereiverband Bayern 1, 224 S.

[8J Dumont, U., Redeker, M., Gumpinger, C. Schwevers, U. (1997):Fischabstieg - Literaturdokumentation, Bonn {Gesellschaft zur Förderungder Abwassertechnik e. V., Hennef), DVWK-Materialien 4/1997, 245 S.

[9J Krall, L. (1999):Aalschutz-lnitiative Rheinland-Pfalz / RWE-Energie AG: Strategie, Planungund Sofortmaßnahmen, in: Aalschutzinitiative Rheinland-Pfalz / RWE·EnergieAG (Hrsg.): Projektfortschrittsbericht 1, 11-18.

[lOJ Adam, B., Schwevers, U., Dumont, U. (1999):Beiträge zum Schutz abwandernder Fische - Verhaltensbeobachtungen ineinem Modellgerinne, Solingen (Verlag Natur & Wissenschaft), BibliothekNatur und Wissenschaft 16, 63 S.

[11] Adam, B. (1999):Aalabwanderung - Ergebnisse von Versuchen in Modellgerinnen, Arbeitendes Deutschen Fischereiverbandes 70, 37-68.

[12J Oberwahrenbrock, K. (1999):Grundlagen und Anforderungen an ein Frühwarnsystem zur Vorhersage vonAalabwanderungszeiträumen, in: Aalschutzinitiative Rheinland-Pfalz / RWE·Energie AG (Hrsg.): Projektfortschrittsbericht 1, 19-33.

[13J Adam, B. (20QO):

MIGROMAT'" - ein Frühwarnsystem zur Erkennung der Aalabwanderung,Wasser und Boden, 4/2000 S. 16

Autorin

Dr. Beate AdamInstitut für angewandte ÖkologieNeustädter Weg 25,36320 Kirtorf-Wahlen (Oberhessen)

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