Fischer Weltgeschichte, Bd.7, Die Mittelmeerwelt im Altertum III; Der Aufbau des Römischen Reiches

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    Fischer Weltgeschichte

    Band 7

    Die Mittelmeerwelt im Altertum IIIDer Aufbau des Rmischen Reiches

    Herausgegeben vonPierre Grimal

    Dieser Band ist der dritte von vier Bnden ber die Mittelmeerwelt im Altertum imRahmen derFischer Weltgeschichte. Er behandelt in chronologischer Folge den Aufbaudes rmischen Reiches und seine Auseinandersetzung mit den hellenistischenDiadochenreichen und den barbarischen Nachbarvlkern. Neben den politischenEreignissen werden die geistigen und religisen Strmungen sowie die sozialen undwirtschaftlichen Verhltnisse dargestellt und als wirksame Krfte geschichtlichen Lebensbeschrieben. Der Herausgeber, Prof. Pierre Grimal (Sorbonne, Paris), schildert dieGeschichte Roms vom Ende des Zweiten Punischen Krieges bis zum Tod des KaisersAugustus im Jahr 14 n. Chr. Besondere Kapitel sind den Germanen, Skythen, Dakernund Parthern gewidmet, mit denen die rmische Weltmacht im 2. und 1. Jahrhundert vor

    der Zeitenwende wiederholt in ernsten Konflikt geriet, Prof. Georg Kossack (UniversittKiel) schrieb den Beitrag ber die Germanen. Tamara Talbot Rice (Edinburgh) zeichnetfr die Geschichte der Skythen, Prof. D. Berciu (Universitt Bukarest) ist fr denAbschnitt ber die Daker verantwortlich. Das Kapitel ber die Parther stammt aus derFeder von Prof. Richard N. Frye (Harvard University). Der Band ist in sichabgeschlossen und mit Abbildungen, Kartenskizzen und einem Literaturverzeichnisausgestattet. Ein Personen- und Sachregister erleichtert dem Leser die rascheOrientierung. - Die Geschichte der Mittelmeerwelt im Altertum findet im Band 8 derFischer Weltgeschichte ihre chronologische Fortsetzung.Der Herausgeber dieses Bandes

    Pierre Grimal,

    (19121996); 1935 Agrg des Lettres; Docteur s Lettres; 193537 Mitglied dercole Franaise in Rom; 194145 Professor an der Universitt Caen, von 194552an der Universitt Bordeaux; 1952 Professor fr Lateinische Literatur undRmische Kultur an der Sorbonne; 1964 Ritter der Ehrenlegion. Pierre Grimalwar Autor zahlreicher Bcher und Zeitschriftenaufstze ber rmische und

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    griechische Kultur. Sein Hauptwerk, La Civilisation Romaine, erschien 1960 infranzsischer, 1961 in deutscher Sprache.Mitarbeiter dieses Bandes

    Prof. Dr. D. Berciu (Universitt Bukarest): Kapitel 3 IV d

    Prof. Richard N. Frye (Harvard University): Kapitel 3 IV d 5

    Prof. Dr. Pierre Grimal (Sorbonne, Paris): Kapitel 1, 2, 3 I, II, III, V und 3 IV a, b, c,d s

    Prof. Dr. Georg Kossack (Universitt Kiel): Kapitel 3 IV d a

    Tamara Talbot Rice (Edinburgh): Kapitel 3 IV d y

    Gerhard Frey (Heidelberg) bersetzte Kapitel 1, 2, 3 I, II, III, V und 3 IV d sowie3 IV d aus dem Franzsischen.

    Ilse Gattenhof(Mnchen) bersetzte Kapitel 3 IV d 7 aus dem Englischen.

    Gudrun Steigerwald (Heidelberg) bersetzte Kapitel 3 IV d 5 aus demAmerikanischen.

    1. Die Zeit der groen Eroberungen Roms(202129 v. Chr.)

    Die Niederlage Karthagos bei Zama bedeutete nicht nur das Ende des Reichesder Barkiden im westlichen Mittelmeer, sondern zugleich den Zusammenbruchder gesamten punischen Macht. Die wenigen Versuche, die Hannibalunternahm, um die Regierungsform Karthagos zu reformieren und ihr einegewisse Stabilitt1 zurckzugeben, scheiterten. Er mute schlielich in dieVerbannung in den Orient gehen.2 Noch ein halbes Jahrhundert sollte Romseinem alten Feind ein Existenzrecht einrumen, jedoch unter derausdrcklichen Bedingung, sich nicht wieder zu erheben.3 Dieser MachtverlustKarthagos hinterlie im ganzen Westen ein Vakuum, das auch der Hellenismusnicht mehr zu fllen vermochte. Eine der Folgen des Zweiten Punischen Kriegeswar ja gerade die Zerstrung der letzten politischen Macht des Griechentums inSizilien gewesen. Syrakus hatte den Fehler begangen, die Politik Hierons II.aufzugeben, und sich im falschen Augenblick auf die Seite Karthagosgeschlagen.4 Auch Tarent hatte sich unwiderruflich kompromittiert. Was anwestlichem Griechentum zurckblieb, sollte in der Folgezeit mit der rmischenMacht verschmelzen. Rom war nun die unbestrittene Hauptstadt des Okzidents.

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    Die endgltige Befriedung angesichts der Welt der Barbaren, der Ligurer, derKelten Norditaliens und Galliens, der spanischen Iberer und bald der Numidersollte seine Aufgabe sein. Um Rom sollten sich, von unterschiedlicherBegeisterung erfllt, die zivilisierten Vlker scharen, denen nichts anderesbrig bleiben sollte, als die rmische Hegemonie de facto anzuerkennen.

    Die Politik Hannibals hatte indessen noch eine andere Konsequenz. Durch dieIntrigen des Puniers war der Augenblick einer (ber kurz oder lang ohnehinunvermeidlichen) Auseinandersetzung zwischen Rom und dem makedonischenKnigreich nhergerckt. Den Rmern war klar geworden, da ihre Blicke nachOsten nicht an den italischen Ufern des Ionischen Meeres und der Adriahaltmachen durften. Durch die Ausschaltung Karthagos als Wirtschaftsmachtstanden Rom und, im weiteren Sinne, die Italiker unmittelbar der Welt desOstens gegenber. Es war so, als wre ein Schutzwall (den der karthagischeHandel bedeutet hatte) pltzlich zusammengestrzt. Rom sollte von nun an imOsten seine Verbndeten, seine Klienten und seine Feinde finden. Ohne da es

    schon die Gelegenheit gefunden hatte, irgendwo mit Waffengewalt einzugreifen,gengte bereits die Nennung seines Namens, um neue Alternativen undpolitische Gruppierungen zu schaffen.5 Angesichts der tiefen Zersplitterung dergriechischen Welt im Osten, die keines der frheren Knigreiche durch seinbergewicht hatte beseitigen knnen, war Rom auch hier aufgerufen, zunchstSchiedsrichter, dann Fhrer zu sein. Der Niedergang Karthagos war gewi nichtder einzige, vielleicht auch nicht der Hauptgrund fr diese Entwicklung, inderen Verlauf Rom sein Imperium auf den Osten ausdehnte. Er gehrt jedoch zuden bestimmenden Faktoren und schuf auf jeden Fall die Mglichkeit dazu amAnfang des 2. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung.

    I. Rom am Ende des Zweiten Punischen Krieges

    Die ber fnfzehn Jahre dauernde Krise Roms, die seinen Bestand ernsthaftbedroht hatte, fhrte zu tiefgreifenden materiellen, politischen und geistigenWandlungen in der Stadt selbst und in ihren Beziehungen zu denBundesgenossen. Die Eroberung der Welt das war der neue Sendungsauftrag,dem sich ein nach Zama erneuertes Rom stellte, ohne sich seiner wahrscheinlichschon ganz bewut zu sein. Man wrde die Dinge zu einfach sehen, wenn manbehauptete, da der gegen Hannibal in Bewegung gesetzten Kriegsmaschine nunjede Mglichkeit des Einsatzes fehlte und die Rmer, von ihrer Begeisterungmitgerissen, danach trachteten, ihre siegreichen Unternehmungen auf weitereGebiete auszudehnen. Diese schreckliche Kriegsmaschine war zuVerteidigungszwecken gegen einen Angreifer, der den Krieg nach Italiengetragen hatte, geplant und entwickelt worden. Rom hatte sein Volk und seineVerbndeten gegen eine Armee von Hilfstruppen, Sldnern und Abenteurernaus allen Teilen der Welt bewaffnet. Eine solche Macht wird nicht zwangslufigihrem ursprnglichen Ziel entfremdet, wenn sie ihren Auftrag erst einmal erfllt

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    hat. Aber man kann dennoch mit Bestimmtheit sagen, da fr Rom im Lauf desKampfes gegen Hannibal das Kriegfhren zu einer schrecklichen und das Siegenzu einer nicht minder gefhrlichen Gewohnheit geworden waren. Man ahntetwas von der Begeisterung, die die Herzen ergriff, von dem Glauben Roms ansein Schicksal, an seine Unverwundbarkeit, von allen jenen Gefhlen, von denen

    in den kommenden Jahrhunderten die Politik Roms getragen werden sollte unddie in weitem Ma zu ihrer Erklrung beitragen.

    a) Die nationale Literatur

    ) Naevius

    Es ist gewi kein Zufall, wenn zu dieser Zeit kurz nacheinander zwei rmischeNationalepen entstanden: das Bellum Punicum des Naevius und die Annales des

    Ennius. Naevius, ein Kampaner, gehrte zu der ersten Generation der rmischenDichter. Seine ersten Werke schuf er kurze Zeit nach Livius Andronicus.6 Es istaber wahrscheinlich, da die Abfassung seines Epos gegen Ende seines Lebensanzusetzen ist und zeitlich mit dem Krieg gegen Hannibal zusammenfllt.7 DieAnnales des Ennius folgen in ganz geringem zeitlichem Abstand auf das Werkdes Naevius, zumindest was ihren Anfang anlangt; denn der Dichter arbeitetedurchgehend an ihnen wie an einer Chronik bis zu seinem Tod im Jahr 169.Whrend Ennius Zeuge der ersten Erfolge im Orient wurde, bewies Naevius dieZuversicht seines Glaubens in den dunklen Stunden des Krieges. Sein Zeugnisber die innere Haltung der Rmer zur Zeit der Schlacht am Metaurus und vor

    Zama ist daher um so wertvoller.Obwohl uns das Bellum Punicum nicht erhalten geblieben ist, vermgen wirheute doch durch den Scharfsinn und die Einfhlungsgabe der Philologen etwasvon dem Geist zu ahnen, der es beseelte. Zunchst begegnen wir einer tiefenReligiositt, einem Glauben, nicht so sehr an die materielle Wahrheit derberkommenen Mythen, die ja trotz allem in Rom fremde Superstrukturensind, sondern an die Wirkkraft der Riten und in weiterem Sinn an dieWirklichkeit des Gttlichen berhaupt.8 Schon vor Vergil verband Naevius dasSchicksal Roms mit dem Willen der Gtter. Schon lange vor ihm versuchte er, ineiner eingehenden tiologischen Episode den tiefreichenden Antagonismuszwischen Karthago und Rom durch die Gegenberstellung von neas, demGrnder Roms, und Dido, der Grnderin Karthagos, zu deuten. Dem ersten Teildes Gedichtes, das dem Gttlichen und Mythischen der Ereignisse der jngstenGeschichte Roms gewidmet ist, folgt eine Chronik des Ersten PunischenKrieges, an dem Naevius selbst als Soldat teilgenommen hatte. Sein Bericht istoffenbar bewut sachlich und nchtern gehalten, den elogia vergleichbar, dieman in einer oder in zwei Zeilen auf dem Grab der rmischen Anfhrereinmeielte. Wir haben es hier bereits mit der Entstehung eines rmischen Stils

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    zu tun, der von Nchternheit und geradezu brutaler Kraft gekennzeichnet istund sich vllig von der ppigkeit und bilderreichen Ornamentik deszeitgenssischen hellenistischen Epos unterscheidet, das Naevius bestimmtgekannt hat. Rom widersetzt sich dem Osten, um seine Eigenstndigkeit injenem Streben nach Ruhm zu festigen, das, wie wir bereits sagten, zu den tiefsten

    Triebkrften im Denken der damaligen Zeit gehrte.9 Alles Geschehen vollziehtsich somit auf zwei Ebenen. Oben stehen die Gtter und Heroen, derenAbenteuer symbolisch die Menschheitsgeschichte verkrpern. Unten entrollt sichdas Drama der Geschichte mit seinen Episoden voller Heldentum, aber ebenso inseiner banalen Routine und offensichtlichen Zusammenhanglosigkeit, seinenRckschlgen und Erfolgen, die ihren Sinn nur im Licht des Gttlichen erhalten.

    Das Bellum Punicum ist gewi kurze Zeit vor der Schlacht am Metaurus verfatworden. Es kennzeichnet den Augenblick, in welchem Rom innerlich wiederneue Hoffnung schpfte. Vielleicht hat es dazu beigetragen, diese Hoffnung zubeleben, indem es zeigte, da der Kontakt zwischen Rom und seinen Gttern

    unzerstrbar und die Vergangenheit der sicherste Garant fr die Gegenwart unddie unmittelbare Zukunft waren. Dieses Zeugnis war gewi von hohem Wert ineiner Stadt, die von Sorge ber die anhaltenden Rckschlge erfllt war und sichfragte, ob sie nicht ihr Verhltnis zum Gttlichen von Grund auf berprfenmute.10 In diesem Augenblick gab ein Dichter ihr neues Vertrauen.) Ennius und Terenz

    Ennius zeigt eine Generation spter eine ganz andere geistige Haltung. Rom warnicht mehr belagert. Die Heimsuchungen durch einen furchterregenden Feindhaben aufgehrt. Rom ist die strkste Macht des Okzidents geworden. Es

    empfand nicht mehr das gleiche Bedrfnis, sich auf sich selbst zu besinnen undZuflucht im Glauben an seine Traditionen zu finden. Es vermochte sich nunmehr dem Hellenismus zu ffnen, dem es zum Teil seinen Ursprungverdankte11, von dem es aber eine Zeitlang durch den Krieg Hannibalsabgeschnitten war. Das wird an folgendem deutlich: Als Ennius sich seinerseitsentschlo, ein nationales Epos zu schreiben, griff er nicht auf den altenSaturnier zurck, der von Livius und Naevius verwendet worden war,sondern er fhrte mit mehr oder weniger Erfolg den homerischen Hexameter indie lateinische Sprache ein. Ja mehr noch: Er verstand sich als ReinkarnationHomers und versicherte zu Beginn der Annalen, der alte Dichter sei zuerst ineinen Pfau12 verwandelt worden und dann Ennius selbst geworden. Diesereigentmliche Prolog weist darauf hin, da der Dichter und wir wissen diesauch von anderer Seite ein Anhnger der Pythagoreer gewesen ist, fr die eseine Seelenwanderung gab. Es zeigt aber auch, da Ennius von Kallimachosbeeinflut war, der hier sein Vorbild gewesen zu sein scheint.13 Durch Enniuswurde Rom wieder so etwas wie eine alexandrinische Kolonie. Wahrscheinlicherklrt die Herkunft des Ennius (er wurde in Rudiae, unweit Tarent, geboren)zum Teil wenigstens den Pythagoreismus des Dichters; denn Tarent war lange

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    Zeit hindurch das Zentrum gewesen, von dem aus die Lehre auf Italienausstrahlte. Zum anderen ist sie eine Erklrung fr seine besondereEmpfnglichkeit gegenber dem griechischen Einflu. Aber diese Herkunfterklrt noch keineswegs, warum Rom sich als ganzes in seinem Werk erkannte,und zwar in einem Mae, da Ennius spter als Vater der nationalen Dichtung

    angesehen wurde.Die gleiche Gegenstzlichkeit, die man zwischen dem Wesen eines Naevius

    und eines Ennius feststellen kann, zeigt sich deutlich, wenn man dieTheaterdichtung eines Plautus mit der eines Terenz vergleicht. Plautus war ganzunverkennbar der Zeitgenosse des Naevius (wahrscheinlich um einige Jahrejnger). Terenz war jnger als Ennius. Seine nur sechs Komdien sind alle nachdem Tod des letzteren geschrieben14 aber auch sie zeigen eine eindeutigeRckkehr zum Hellenismus. Plautus (der bekanntlich Intrigen und Personen vonden Autoren der neuen attischen Komdie entlehnte15) zeigt den Sittenverfalldes griechischen Lebens, dem er, zumindest indirekt, die Sittenstrenge und

    sittliche Unverdorbenheit der Rmer entgegenhlt. Terenz dagegen scheint sichnicht nur genauer an seine griechischen Vorbilder gehalten und weniger als seinVorgnger den im Volk verwurzelten Traditionen der rmischen Farcegeopfert zu haben, sondern er hielt sich auch mehr an den philosophischenGehalt der Werke, die er nachahmte, und benutzte sie nicht einfach als Vorwurfoder als Quelle possenhafter Situationen. An seinem Beispiel zeigt sich amdeutlichsten der Generationskonflikt, der sich zwangslufig zwischen Vtern, dieRmer alten Stils geblieben waren, und Shnen ergeben mute, die infolge derwirtschaftlichen Entwicklung der Stadt, in der sich durch Eroberung immergrere Reichtmer ansammelten, und angesichts der immer intensiveren

    Kenntnis von der hellenistischen paideia kaum noch bereit waren, die Idealeder Tradition zu akzeptieren. Die bedingungslose Hingabe des einzelnen fr denStaat war im Verlauf der Krise, in der Rom gestanden hatte, unerllichgewesen. In einem siegreichen und siegenden Rom konnte sie zu Recht als einabsurdes Ansinnen erscheinen.

    Der Hellenismus verherrlichte in seiner modernen Form, d.h. so wie er sichzu jener Zeit in dem Denken und der Zivilisation der hellenistischen Weltdarstellte, den Wert und die Rechte des Individuums. Wir hatten gesehen, daseit geraumer Zeit die Zwangsmanahmen seitens der Stadt gelockert wordenwaren. Man hat immer wieder mit Recht darauf hingewiesen, da in derhellenistischen Welt der einzelne sowohl in politischen Abenteuern als auch inden Lehren der Philosophen Triumphe feierte. Ebenso wahr ist, da die groenhellenistischen Schulen, die die grte Anhngerschaft besaen, die Menschenlehrten, wie sie, ein jeder fr sich und durch eigene Anstrengung, zumglcklichen Leben gelangen knnten.16 Rom konnte sich dieser Entwicklungauf die Dauer nicht entziehen, die seiner eigenen vorausgegangen war. IhrBeispiel mute ansteckend wirken. Der Pythagoreismus des Ennius ist einBeispiel dafr, welche Bedeutung dem Einzelmenschen beigemessen wurde.

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    Selbst der Tod vermochte ihn nicht zu vernichten: Die auergewhnliche Seelevergeht nicht und behauptet sich.

    Zu dieser Zeit verbreiteten sich in Italien und Rom Ideen, deren KnderEnnius in zwei Dichtungen wurde, von denen wir zwar kaum mehr als den Titelkennen, deren Sinn wir aber ahnen. Es handelt sich um den Epicharmos und den

    Euhemeros. Im ersteren wurde in Gestalt einer Offenbarung (hnlichderjenigen, mit welcher dieAnnales beginnen) eine Naturlehre dargelegt, die derDichter dem Pythagoras in den Mund legte, der in Wirklichkeit aber eine bunteMischung von pythagoreischen, aber auch stoischen und platonischenElementen gewesen zu sein scheint. Ennius lehrte darin seine Landsleute, dadie Seele des Menschen nur ein Funke aus der Sonne und Jupiter nur eines derElemente sei, nmlich die Luft, deren Vernderungen ber die meistenmeteorologischen Phnomene Aufschlu geben. Im Euhemeros vervollstndigteer diese Lehre, die das Ziel verfolgte, den einzelnen aus der Tyrannei derStaatsreligion zu befreien. Die Gtter erscheinen als Sterbliche, die die

    Zeitgenossen aus Dankbarkeit zu Gottheiten erhoben hatten.17 Die Welt wurdeauf diese Weise erklrt, ohne da dabei auf die traditionellen Kategorienzurckgegriffen zu werden brauchte. Eine Vernunfttheologie hielt Einzug inRom, ungeachtet der politischen Theologie, die die altenGlaubensberzeugungen wegen ihrer Ntzlichkeit18 beibehielt, denen dieGebildeten jedoch keine andere Berechtigung mehr konzedierten.

    b) Die religise Krise

    In Rom begann sich das abzuzeichnen, was oft als Krise der nationalen Religion

    und ihr Niedergang bezeichnet wird. Man mu jedoch bestimmte Unterschiedemachen. Erschpfte sich in dem traditionellen Pantheon, das in dieser Weise inMikredit geraten war, wirklich das gesamte religise Denken und Leben derStadt? Man darf nicht vergessen, da diese Gottheiten ihrem Wesen nach Romzum groen Teil fremd waren und sich in ihnen die verschiedensten Elementeverbanden. Sie erfllten offensichtlich den Zweck, Trger bestimmter rites zusein. Als sich im 3. Jahrhundert die Stadt vor die Notwendigkeit gestellt sah, dieWirkkraft ihrer Religion zu erhhen, wurden nicht so sehr neue Gottheiten alsvielmehr bis dahin noch unbekannte rituelle Handlungen eingefhrt(auergewhnliche Opferungen, Lektisternien usw.).

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    Abb. 1: Antike Stukkatur aus dem Haus der Isis-Priesterin im Garten der VillaFarnesina in Rom

    Die Sibyllinischen Bcher, die bei solchen Anlssen befragt wurden, waren

    eigentlich nur Sammlungen vergleichbarer Vorschriften.19 Fremde Gtter, wiedie Gttermutter Kybele aus Pessinous, wurden zusammen mit ihren Priesternund kultischen Handlungen eingefhrt.20 Was sich von der Staatsreligion sagenlt, trifft auch auf die Frmmigkeit des einzelnen zu. Zu Beginn des 2.Jahrhunderts verbreitete sich mit einer fr die Behrden besorgniserregendenSchnelligkeit die Religion des Liber Pater oder, genauer gesagt, eine mystischeForm dieser Religion. Es ist bemerkenswert, da sich dieser Kult an einen deroffiziellen Gtter des rmischen Pantheons wandte, der mit Ceres und Libera imTempel in unmittelbarer Nachbarschaft des Aventin21 in Verbindung stand.Aber der Gott dieser Bacchanalien (wie die kultischen Feiern und die Anhngerdieser neuen Religion hieen) hatte nur sehr wenig mit ihm gemein. Liber Pater,der antike Gott mnnlicher Fruchtbarkeit, wurde seit undenklichen Zeiten inLatium durch einen Phalloskult verehrt.22 Mit seinem Namen lieen sich ohneweiteres die orgiastischen Riten verbinden, die wahrscheinlich aus Sditaliengekommen waren (oder vielleicht, wie andere meinen, von den Etruskernstammten).

    Durch einen erhalten gebliebenen Text eines senatus consultum vermgen wiruns vorzustellen, worum es dabei ging.23 Im Jahr 186 wurde dem Senat durch

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    eine Denunziation hinterbracht, da Bacchusanhnger sich in allen StdtenItaliens und sogar in Rom zu kultischen Feiern zu versammeln pflegten, beidenen es zu unsittlichen Handlungen, ja Verbrechen komme. Man behauptetesogar, da Menschenopfer dabei nichts Seltenes seien.24 Die durch dieseDenunziation aufs hchste beunruhigten Magistrate griffen ein. Durch

    Senatsbeschlu wurden bei Androhung der Todesstrafe die geheimenBacchusgenossenschaften verboten. Der Kult selbst wurde weiterhin geduldet,aber nur unter der Bedingung, da nchtliche Versammlungen und die Bildungvon Genossenschaften (collegia) in Zukunft unterblieben. Welches Ziel verfolgtenun eigentlich dieses Verbot (das schonungslos gewesen zu sein scheint)? War esdas Bemhen, Ansto erregenden kultischen Handlungen ein Ende zu setzen,die Kontrolle ber die verschiedenen Kulte und, ganz allgemein, ber dasreligise Leben zu behalten? Oder ging es vielleicht darum, der Bildung einerumfassenden Organisation zuvorzukommen, deren Umtriebe politischenCharakter25 annehmen konnten? Wie dem auch sei: Diese Angelegenheit weist

    hin auf eine tiefe Strmung im religisen Empfinden Roms in jener Zeit, auf dieSehnsucht nach einer unmittelbaren Teilnahme jedes Glubigen am Gttlichen,d.h. in jedem Fall auf die Sehnsucht nach Selbstverwirklichung des einzelnenMenschen. Die Verbote des Senats und harte Strafverfolgungen konnten auf dieDauer die Verbreitung der dionysischen Religion nicht aufhalten.26 Nach ihrkamen, vom gleichen Geist beseelt, andere Religionen nach Rom, die schlielichgrere Bedeutung erlangten als die staatlichen Kulte. Darber sollte allerdingsnoch ein ganzes Jahrhundert vergehen.

    c) Die Organisation des Staates

    Der Krieg gegen Hannibal hat, wenn nicht die Institutionen Roms, so doch ihreArbeitsweise und den politischen Stil unverkennbar gewandelt. Die politischenSitten waren in ihrer Bedeutung ebenso gro wie die geschriebenen Gesetze. DieGesellschaftsordnung hatte sich gewandelt. Schon im Schwinden begriffeneStandesunterschiede fielen ganz fort, whrend andere neu entstanden undbereits den gesellschaftlichen und politischen Zustand der zu Ende gehendenRepublik ankndigten.

    ) Die neue Aristokratie

    Der Gegensatz zwischen Plebs und Patriziern gehrte schon seit Anfang des 3.Jahrhunderts nicht mehr zu den entscheidenden Problemen im Staat. Die beidenKlassen bestanden, rechtlich voneinander geschieden, fort, aber die Unterschiedewaren nicht so sehr rechtlicher als sozialer und vor allem religiser Natur. DiePlebs hatte Zugang zu allen Magistraturen.27 Dieses Recht war nunmehrunangefochten, und niemand wre auf den Gedanken gekommen, es wieder in

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    Frage zu stellen. Aber ein feinerer Unterschied ist an die Stelle des frherenGegensatzes getreten. Die Plebs, die die Macht mit den alten patrizischenFamilien teilte, war keine unorganische Masse mehr, die man mit dem Demosder griechischen Demokratien vergleichen knnte. Diejenigen Angehrigen derPlebs, die von der Mglichkeit einer mterlaufbahn Gebrauch machen konnten,

    glichen immer mehr den Patriziern. Die plebejischen gentes verbanden sich mitden alten patrizischengentes. Das politische Intrigenspiel wurde zwischen ihnenausgetragen, ohne da irgendwelche Einzelgnger die Mglichkeit bekommenhtten, sich ihrerseits einzuschalten. Es gengt der Hinweis, da die Konsulate(die einzigen mter, ber die wir durch die erhalten gebliebenen Fasti28 genauerBescheid wissen) in der Hand einiger weniger Familien blieben.

    Im Lauf des 4. Jahrhunderts, als die Rmer nacheinander das Samniterlandund Sditalien eroberten, stiegen die Junii, die Fulvii, die Decii und die Curii zukonsularischen gentes auf. Einige von diesen Familien waren eben erst Rmergeworden wie zum Beispiel die Decii, die aller Wahrscheinlichkeit nach aus

    Kampanien stammten29, oder die Fulvii, die mit Gewiheit aus Tusculumkamen, whrend die Herkunft der Curii aus Tusculum nicht ganz feststeht.30Der Aufstieg in die neue rmische Aristokratie war somit nicht nur denvornehmen Plebejern Roms mglich, sondern auch den treuesten undzuverlssigsten Bundesgenossen aus der Provinz, deren Dienste man auf dieseWeise belohnte. Es hat sogar den Anschein, da bei den Senatoren die Adligenaus der Provinz bereitwilliger Aufnahme fanden als Plebejer von alter rmischerAbstammung. Die aristokratischen Traditionen der besiegten Vlker paten sichschneller den Traditionen an, denen sich die rmischen Patrizier verbundenfhlten.

    Die Patrizier behielten noch bestimmte religise Vorrechte. Nur sie durften diePriester fr einige Kollegien stellen.30a In Wirklichkeit ergab sich der wichtigsteKlassenunterschied aus den Vermgensverhltnissen. Dieser Unterschied hattesich schon ganz deutlich in der Servianischen Klassifizierung gezeigt, nach derdie Reichsten die Macht innehatten.31 Es wre jedoch falsch anzunehmen, dader Reichtum eine unerlliche Qualifizierung gewesen sei. Bekanntlich durftedas Vermgen der Senatoren nur aus Landbesitz bestehen. Dem Senatorenstandwar jegliches geschftliches Unternehmertum untersagt (seit der lex Claudia von21832). Die Hndler, Bankiers und Kaufleute, die Geschfte mit bersee trieben,sowie alle mglichen Geldverleiher waren, selbst wenn sie ein dem census derSenatoren vergleichbares Vermgen hatten, jedoch nicht zu staatlichen mternzugelassen. Sie bildeten die Klasse der Ritter. Die rmische Verfassung (wennman diesen an sich anachronistischen Begriff berhaupt verwenden will)bestand nicht nur in der Anwendung einfacher Grundstze. Tradition und Praxisbeschrnkten die theoretischen Rechte der Brger. Ebenso falsch wre es, dieseOrganisation als plutokratisch zu bezeichnen, da man zwischen denverschiedenen Formen des Reichtums Unterschiede machte. Ebensowenig wrees gerechtfertigt, in ihr eine Aristokratie zu sehen, da man oft weder de jure

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    noch de facto etwas gegen die Eingliederung von Nichtaristokraten in dieherrschende Aristokratie (die in ihrer Zusammensetzung selbst auch nichteinheitlich war) einzuwenden hatte.) Die Gewalten des Volkes. Die Komitien

    Das aristokratische Prinzip war im brigen auf andere Weise gefhrdet. Diezahlreichen und verschiedenen Volksversammlungen verfgten ihrerseits bernicht geringe Macht. In vielen Fllen trug, selbst in rechtlicher Hinsicht, imKonfliktsfall das Volk ber den Senat den Sieg davon.

    Wie nun die Rechtslage des einfachen Brgers im einzelnen beschaffen war,lt sich nicht mit Genauigkeit sagen (gemeint ist hier der Brger, der nicht zumSenatorenstand gehrte, weil er nicht den erforderlichen census nachweisenkonnte oder keine Verbindung zu den adligen Familien hatte oder aber keinhervorragendes persnliches Verdienst diese Isolierung ausglich). Die Zeugnisseder antiken Historiker hierber sind nicht immer ganz zuverlssig. Man kann

    durchaus der Meinung sein, da das Grundprinzip, auf dem die Freiheitbasierte, das Appellationsrecht war (ius provocationis), das jedem rmischenBrger das Recht gab, eine Volksversammlung (in der Praxis ein ausGeschworenen bestehendes Gericht) gegen jede Entscheidung eines Magistrats,die sein caput (Leben und Rechtsstand) betraf, anzurufen. Das vorbergehend im5. Jahrhundert v. Chr. von den Decemvirn aufgehobene Recht war unmittelbarnach dem Ende des Decemvirats whrend des berhmten Konsulats des Valeriusund Horatius (445444 v. Chr.) wiederhergestellt worden.33 Seit dieser Zeitwurde es nie wieder in Frage gestellt.34 Weniger Klarheit besteht allerdingshinsichtlich der anderen Rechte, die der rmische Brger besa.

    Es ist nicht so sicher, da das zweite, denselben Konsuln zugeschriebeneGesetz (deren Namen die Anhnger der Hyperkritik nicht wenig in Unruheversetzten, da sie so sehr an die Namen der ersten Konsuln der Republikerinnerten) tatschlich auf diesen Zeitpunkt zurckgeht, der uns zumindest sehrfragwrdig erscheinen will. Wenn man Titus Livius Glauben schenkt, dannwurde tatschlich im Jahr 444 in den Centuriatskomitien ein Gesetzesantrageingebracht, um die von der Plebs in den Versammlungen der Tribus gefatenEntscheidungen fr die Gesamtheit der Brger rechtsverbindlich zu machen.35Es ist kaum denkbar, da eine solche Autoritt der Plebs zuerkannt wurde, aufder anderen Seite aber die Vorrechte der Patrizier unangetastet blieben. Einhnliches Gesetz tauchte zweimal auf, zunchst im Jahr 33936, als zu dieserBestimmung eine Klausel trat, die in dem Gesetz von 444 fehlte (Notwendigkeitvorheriger Billigung durch den Senat einer jeden den Tributskomitienvorgeschlagenen Manahme37). Im Jahr 287 fhrte dann ein letzter Auszugder Plebs auf den Janiculus zur Annahme der lex Hortensia, die dieBestimmungen der lex Valeria Horatia aus dem Jahr 339 wieder aufnahm.38 Gaiushob hervor, da man erst mit der lex Hortensia von einer vollstndigen Gleichheitzwischen Patriziern und Plebs sprechen knne. Es ist daher nicht

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    auszuschlieen, da die lex Valeria Horatia eine vllig unechte Dublette ist oderda sie nur in bestimmten Fllen den Volksabstimmungen Rechtsgltigkeitzuerkannte. Vielleicht bedurften schlielich die Entscheidungen der Plebs, auchnach ihrer Abstimmung, der Zustimmung durch den Senat. Die Patres verfgtendamit ber ein absolutes Vetorecht.

    Die Volksversammlungen stellen ein komplexes System dar, das sich nichtauf einmal herausbildete, in dem sich vielmehr, entsprechend den jeweiligengesellschaftlichen Gegebenheiten, verschiedene Elemente nacheinanderberlagerten. Die alten Curiatskomitien bestanden fort39, hatten aber nur nochgeringe Vollmachten. Die wichtigste Befugnis war die Abstimmung ber die lexde imperio zugunsten der Konsuln und Prtoren des Jahres sowie die Eintragungder Adoptionen. Aber diese Komitien setzten sich nur noch aus dreiig Liktoren,von denen jeder eine Kurie vertrat, und drei Auguren zusammen. DieCenturiatskomitien waren eine im wesentlichen militrische Versammlung.Obwohl eine groe Zahl ihrer traditionellen Befugnisse auf die Tributskomitien

    bergegangen war, behielten sie weiterhin bedeutende Vollmachten, wie dieWahl der hchsten Magistrate (Konsuln, Prtoren und Zensoren) und dieAbstimmung ber auenpolitische Entscheidungen (Kriegserklrung,Unterzeichnung von Vertrgen). Die Centuriatskomitien behielten ebenfalls eineRechtsbefugnis, whrend das Appellationsrecht vom Volk selbst ausgebtwurde. Dies galt besonders fr Anklagen auf Hochverrat (perduellio).40 DieCenturiatskomitien wurden auf dem Marsfeld abgehalten, d.h. extra pomerium,was ganz natrlich ist, da es sich doch um eine militrische Versammlunghandelte. In diesen Komitien hatten die ersten Centurien den grten Einflu,d.h. diejenigen, denen die reichsten und ltesten Brger angehrten, zumal die

    Centurien der Ritter, die als erste abstimmten, sich aus seniores und iunioreszusammensetzten. Die seniores besaen in ihnen eine unangefochtene Autoritt.Die Tributskomitien waren anderen Ursprungs. Sie stellten eine Erweiterung

    des concilium plebis dar, der Versammlung der Plebejer, zu der die Patriziernatrlich keinen Zutritt hatten. Diese erreichten es aber schlielich, da sie indiese Versammlung der Plebejer eingegliedert wurden, die von da an alleBrger, allerdings auf der Ebene der Tribus, einschlo. Zu Beginn des 2.Jahrhunderts gab es 35 Tribus (seit dem Jahr 241, in welchem die beiden letztenTribus gebildet wurden, die Quirina und die Velina), in die die Brger,ungeachtet ihrer gesellschaftlichen oder religisen Zugehrigkeit, eingegliedertwaren. Diese Tribus waren Gebietseinteilungen, in denen die Brger imallgemeinen nach ihrem jeweiligen Wohnsitz eingeschrieben waren. Es gab vierstdtische Tribus (die den vier Vierteln der Stadt entsprachen). Die brigenwaren lndliche Tribus, die nach Zahl und Ausdehnung unterschiedlich waren,je nachdem, wie das rmische Territorium wuchs.41 Dabei ist klar, da dielndlichen Tribus den ausschlaggebenden Einflu hatten, im eigentlichen Sinnnatrlich die Grundbesitzer, die mit einer rtlichen Klientel rechnen konnten.Die Einschreibung neuer Brger, insbesondere der Freigelassenen, warf eine

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    heikle Frage auf: Sollte man sie, entsprechend dem Wohnsitz ihres frherenHerren, den lndlichen Tribus oder den stdtischen Tribus zuteilen? Vonwenigen Ausnahmen abgesehen, entschied man sich meistens fr die zweiteLsung. Die Verteilung der Freigelassenen (oder deren Shne) auf die lndlichenTribus deutet darauf hin, da die Grogrundbesitzer ihren Einflu zu strken

    versuchten.41a Diese Einteilung hatte aber ihre Nachteile, da sie sogleich dasStimmengewicht der Neubrger vergrerte. Daher wurden sie meistens instdtische Tribus, zuweilen in eine einzige, eingegliedert.42 DieseManipulationen waren das Werk der Zensoren, die in dieser Hinsicht geradezurichterliche Vollmacht besaen.43

    In den Tributskomitien und den Centuriatskomitien wurde eine Entscheidungdurch die Mehrheit der Tribus herbeigefhrt, d.h. jede Tribus hatte nur eineStimme, unabhngig davon, wie gro die Zahl ihrer eingeschriebenen Whlerwar. Auf diese Weise war es leicht, das Stimmengewicht dieser oder jenerGruppe von Brgern zu verringern oder zu vergrern, indem man sie auf

    mehrere Tribus verteilte oder alle einigen wenigen Tribus zuwies. Auch hier ltsich mit den Institutionen allein noch kein politisches System definieren; dennalles hing davon ab, wie sie in der Praxis Anwendung fanden. Je nach denZeitumstnden entwickelte sich Rom auf eine Demokratie hin oder es hatte mitihr nur noch wenig zu tun und glich weit mehr einer oligarchischen Aristokratie.) Die Magistrate

    In dem Mae, wie diese Versammlungen nebeneinander im Staat existierten,hatten sie auch Anteil an der Macht, ohne da uns die jeweilige Teilnahme an ihrin jedem Fall ganz bekannt wre. So waren die Tributskomitien mit der Wahl der

    Qustoren und der curulischen dilen beauftragt, whrend die Magistrate, diedas imperium besaen (und die Zensoren), von den Centurien gewhlt wurden.Das concilium plebis behielt wie zur Zeit seiner Entstehung weiterhin das Recht,die Tribunen und die plebejischen dilen zu whlen. Man kann also feststellen,da die Plebejer in ihrer Gesamtheit, fr sich oder in Verbindung mit denPatriziern, mehr Magistrate whlten als die Patrizier. Aber die Gewohnheithemmte sehr rasch jede Entwicklung zu einer echten Demokratie. Darberhinaus wurde schon sehr frh die Tradition durch Gesetze untermauert undkodifiziert. Die Wahl der Magistrate war an Vorschriften gebunden, die unsnicht bis in alle Einzelheiten bekannt sind, die aber doch schon geraume Zeit vordem Plebiszit des Jahres 180 v. Chr. bestanden zu haben scheinen, das aufVorschlag des Tribuns L. Villius gefat wurde. Dieses Gesetz bestimmte, wie wirdurch Titus Livius wissen, das jeweilige Alter, in dem man sich um einbestimmtes Amt bewerben und es ausben drfe.44 Es legte ebenfallsverbindlich fest, da das Amt des Prtors dem des Konsuls vorauszugehen hatte(wobei hierdurch ganz gewi eine frhere Tradition noch gestrkt wurde). Esbestimmte schlielich einen zeitlichen Zwischenraum von zwei Jahren zwischenzwei aufeinanderfolgenden curulischen mtern.45 Ebenso wurden genaue

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    Altersgrenzen vorgeschrieben. Es war danach unmglich, Konsul vor dem 42.Lebensjahr zu werden. Infolgedessen konnte ein Prtor nicht jnger als 39 Jahreund ein curulischer nicht jnger als 36 Jahre sein. Die Qustur scheint, zumindestunter Bercksichtigung der Beispiele, die sich fr eine mterlaufbahnrekonstruieren lassen, keine unerlliche Voraussetzung gewesen zu sein, um

    zum dil gewhlt werden zu knnen. Daraus lt sich der Schlu ziehen, dadieses Amt von jungen Mnnern bekleidet wurde, die gerade erst ihrenMilitrdienst beendet hatten (dessen Dauer 10 Jahre betrug und der vor demEintritt in die staatliche mterlaufbahn geleistet werden mute46). Diese genaueFestlegung hatte den Zweck, den Zugang zu den mtern zu regeln und zubeschrnken und ein regelrechtes Beamtentum oder, anders ausgedrckt, eineOrganisation von militrischen und zivilen Verwaltungsbeamten zu schaffen, indie sich nicht so ohne weiteres Unbefugte einschleichen konnten. Auf dieseWeise bildete sich im Staat der neue Adel, der zwar vom Volk gewhlt wurde,nicht aber eigentlich aus ihm hervorging. Er entwickelte sich zu einer eigenen

    Klasse von groer Stabilitt, deren Mitglieder ein jedes fr sich rechtlich denVersammlungen, von denen es seinen Auftrag hatte, praktisch vor allem aberseinesgleichen, d.h. dem Senat, Rechenschaft schuldig war.) Der Senat

    Der Senat, der als das concilium des Staates, d.h. als sein Gehirn, seinFhrungsorgan angesehen wurde, hatte die Republik im Krieg gegen Hannibalgefhrt. Nachdem der Krieg beendet war, hielten die Brger an der Gewohnheitfest, sich in der Fhrung der Staatsgeschfte auf ihn zu verlassen.47 So war frden greren Teil des 2. Jahrhunderts in der Praxis das Einvernehmen zwischen

    den Stnden verwirklicht (concordia ordinum), das den nachfolgendenGenerationen wie ein unerreichbares Ideal erschien. Ernstzunehmende politischeKmpfe ergaben sich nur innerhalb des Senats zwischen rivalisierendenParteien.48 Die Masse des Volkes legte nur wenig Wert darauf einzugreifen,obwohl sie theoretisch ein Recht dazu besa. Als schlielich schwerwiegendereProbleme auftauchten, entstanden sie nicht im Volk, sondern unter denwohlhabenden Klassen, insbesondere den Rittern, die sich in der Mitte desJahrhunderts immer mehr durchzusetzen begannen. Ihre Auseinandersetzungenmit dem Senat sollten zu Ende des Jahrhunderts eine Krise von beispielloserTragweite und schlielich das Ende der Republik heraufbeschwren.49II. Die Vorgnge im Osten

    a) Die Lage der Knigreiche

    Unmittelbar nach Beendigung des Zweiten Punischen Krieges stellten sichProbleme, die dringend einer Lsung bedurften. Es galt, die verheerendenauenpolitischen Folgen des Krieges gegen Karthago und des mit ihm inZusammenhang stehenden Ersten Makedonischen Krieges zu beseitigen. Im

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    Osten bot sich im Bereich der gis eine politische Lage, die das EingreifenRoms auf die Dauer unvermeidlich erscheinen lie.

    Das Gleichgewicht zwischen den drei groen hellenistischen Mchten(Makedonien, Seleukidisches Knigreich und gypten), das sich allmhlichdurchgesetzt und im Lauf des Jahrhunderts schlecht und recht erhalten hatte,

    stand unmittelbar vor seinem Zusammenbruch. Der Niedergang gyptens, dieunvorhergesehene Wiedererstehung eines groen Seleukidenreiches, der Ehrgeizdes Knigs von Makedonien, Philipps V., waren drei Ursachen, derenWirkungen zum Nachteil des Friedens sich immer mehr verstrickten.

    Die Schlacht bei Raphia im Jahr 21750 hatte anscheinend der langenAuseinandersetzung zwischen Seleukiden und Lagiden endgltig ein Endegesetzt. Die Sicherheit gyptens schien nun gegen die Anschlge des ersterengewhrleistet, und die Herrschaft der Ptolemer ber Koile-Syrien schien so gutwie unbestritten. Was man aber als das Wunder von Raphia zu bezeichnengeneigt wre ein Ergebnis der Tatkraft des Sosibios , kam die Dynastie teuer

    zu stehen. Das Gefhl der einheimischen Bevlkerung, seine Knige gegenEindringlinge gerettet zu haben, schuf eine neue Situation. Die Macht des Knigsverlor an Prestige, was zu einem pltzlichen Aufbegehren der Vlker fhrte. Eskam zum Abfall Thebens, wo fr kurze Zeit ein unabhngiges Knigreichentstand51, whrend am Nil weiter stromaufwrts die Gegend von Philae in dieHnde des thiopiers Ergamenes fiel.52 Ptolemaios Philopator war unfhig,diesen erneuten Krisen die Stirne zu bieten. Sosibios mute also auf einenanderen Gnstling des Knigs setzen, einen gewissen Agathokles, der ingeheimem Zusammenspiel mit seiner Schwester Agathokleia, der Mtresse desPhilopator, den Knig beherrschte.

    Als dieser starb53, gelang es Agathokles und Sosibios, den Tod des Knigs solange zu verheimlichen, bis sie die Knigin Arsinoe, die im Volk sehr beliebtwar54, gettet und das Testament des Knigs geflscht hatten. Als Sosibiosunterdessen starb, bernahm Agathokles fr den Sohn des Philopator, der nochin zartem Alter stand, die Regentschaft. Diese Regentschaft dauerte aber nichtlange. Der Gouverneur von Pelusion, Tlepolemos, der bei seinen Soldaten sehrbeliebt war, verjagte erfolgreich mit ihrer Untersttzung Agathokles undbernahm die Herrschaft.55 Unter diesen Bedingungen war es in einemKnigreich, in dem alles unmittelbar vom Herrscher abhing, nicht mehr mglich,eine feste Politik zu fhren, insbesonders die fernen Besitzungen wieLysimacheia in Thrakien, Thera, Samos und die verbndeten Stdte in Kleinasienoder in Karien56 zu verteidigen. Selbst die Zukunft von Koile-Syrien warkeineswegs gesichert.

    Angesichts eines so geschwchten gypten war der Seleukide Antiochos III.darangegangen, seinen Machtbereich, dessen Erbe er war, wiederherzustellen. Erwandte sich zunchst gegen Achaios57, der sich selbst zum Knig gemacht hatte,nachdem er zuvor in Treue zur Dynastie und im Dienst seines Knigs die zuUnrecht von Attalos von Pergamon besetzten Gebiete zurckerobert hatte. Zu

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    Beginn des Jahres 216 begann Antiochos mit seinen Operationen gegen ihn.58Mit der Untersttzung von Attalos vermochte er ihn in Sardes, seinerHauptstadt, einzuschlieen. Nach zweijhriger Belagerung nahm er Achaiosgefangen und lie ihn zu Tode foltern. Das war ein erster Mierfolg fr gypten,das offiziell Achaios untersttzte, ihm aber nicht rechtzeitig hatte Hilfe leisten

    knnen. Der Tod des Achaios fhrte das Ende des abgefallenenSeleukidenreiches in Kleinasien herbei, wo nur noch das Knigreich vonPergamon und, weiter im Norden, das Knigreich von Bithynien, in dem Prusiasherrschte, fortbestanden. Whrend aber Pergamon mit Antiochos Freundschafthielt, hegte Prusias, hierin einer Tradition folgend, gegenber den Attalidenfeindliche Gefhle und richtete sich nach Makedonien aus.

    Nach der Vernichtung des Achaios bereitete Antiochos am Ende des Jahres 212eine Expedition gegen die Satrapie Armenien vor, die sich als unabhngigeMacht aufspielte und den Tribut verweigerte. Ein Feldzug gengte, um siewieder in die Schranken zu weisen. Dann brach Antiochos nach Osten auf.

    Zunchst griff er das Knigreich der Parther59 an und zwang im Jahr 209Arsakes, seine Oberherrschaft anzuerkennen. Im darauffolgenden Jahr fiel er mitseiner gesamten Streitmacht in Baktrien ein. Aber die Bedingungen fr dieKriegfhrung waren in diesen fernen Lndern so ungnstig, da der Knig nachzwei Jahren in einen Kompromi einwilligte. Euthydemos, der ber dieses Landgebot, behielt seinen Knigstitel und schlo mit ihm einen ewigen Bund.60

    Bei seinem Rckmarsch ahmte Antiochos in gewisser Weise Alexander nach,indem er den Weg durch den Sden whlte. Kampflos durchquerte er Arabienund nahm nach seiner Rckkehr in sein Knigreich den Beinamen der Groean, den ihm seine Untertanen auch bereitwillig zubilligten. In demselben Jahr

    verlie Scipio Sizilien, um den Krieg nach Afrika hineinzutragen. Zu gleicherZeit ratifizierte der Senat den Friedensvertrag von Phoinike mit dem Knig vonMakedonien (204 v. Chr.). In diesem Augenblick zog im Osten ein allgemeinerKrieg herauf, der den Zweiten Makedonischen Krieg einleitete.

    b) Der Zweite Makedonische Krieg

    ) Seine Ursachen

    Trotz seiner Erfolge lste jedoch nicht Antiochos den Krieg aus. Die Initiativeging von Philipp V. aus. Das ist auch der Grund, der schlielich zu demEingreifen Roms fhrte. Htten sich die Feindseligkeiten zwischen Antiochosund gypten nur wegen der syrischen Frage ergeben, htte der Senat keinenGrund zur Einmischung gehabt. Aber seit dem Ersten Makedonischen Kriegmitraute er diesem Knig und Verbndeten Hannibals, der zur UntersttzungKarthagos ein Kontingent gesandt hatte, das bei Zama in die Kmpfe eingriff.61Die rmische Haltung zu jener Zeit mag kleinlich erscheinen. Sie war gewi auchirregeleitet durch die Erinnerung an den Zweiten Punischen Krieg, der die

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    rmische Machtstellung ernstlich erschttert hatte. Sie ist abernichtsdestoweniger verstndlich. Der Senat konnte sich vllig zu Recht fragen,ob Philipp V. nicht schlielich ein zweiter Pyrrhos werden knne.

    Es ging indessen um weit mehr. Der Erste Makedonische Krieg hatte Romziemlich tief in die Vorgnge im Osten verwickelt. Das Volk von Rom war der

    Bundesgenosse des Knigs von Pergamon, und Attalos hatte angesichts derdrohenden Gefahr guten Grund, an die fides Roms zu erinnern. Die Entstehungdieses Bndnisses zwischen Rom und Pergamon liegt im dunkeln. Wir wissenlediglich, da schon im Jahr 222 Attalos in freundschaftlichen Beziehungen mitden Aitolern stand und 211 mit in den Vertrag einbezogen wurde, der Rom unddie Aitoler gegen Philipp V. verband. Als Aigina von den Verbndeteneingenommen war, kaufte Attalos fr 30 Talente den Aitolern, denen die Inselgehrte, das Gebiet ab, um dort einen Flottensttzpunkt zu errichten. In Aiginabegegnete er im Jahr 208 dem rmischen General P. Sulpicius Galba, der dieOperationen gegen Philipp leitete. Der Friede von Phoinike hatte fr Attalos den

    status quo in Asien wiederhergestellt und ihm vorbergehend gegenber derBedrohung durch Prusias Luft verschafft.

    Abb. 2: Italien und die griechische Welt

    In dem Augenblick, als der Frieden von Phoinike geschlossen wurde, hatte derSenat eine feierliche Botschaft an den Knig von Pergamon gesandt mit der

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    einzigartigen Bitte, der Knig mge seinen Gesandten den heiligen Steinberlassen, der sich in Pessinous befand und von dem angenommen wurde, daer die Gttin Kybele verkrpere. Sie wurde auch die Groe Mutter genannt undmit der alten und sagenhaften Rhea, der Mutter der Gtter, gleichgesetzt. DerSenat tat dies, einem Rat des Orakels von Delphi und einer Antwort der

    Sibyllinischen Bcher folgend. Es ist fr uns heute sehr schwierig, genau denSinn eines solchen Vorgehens zu ergrnden. Die Gttin wurde von den Galliern(den Galatern) verehrt, die sich in der Gegend von Pessinous niedergelassenhatten. Handelt es sich um eine evocatio, die sich gegen die Gallier oder GalliaCisalpina richtete, die mit Hannibal gemeinsame Sache gemacht hatten und vordenen man sich immer noch hten mute? Das ist mglich, aber es lassen sichweit tieferreichende Grnde anfhren. Phrygien bleibt fr Rom gleichsam einereligise Metropole. Der Mythos von der trojanischen Herkunft ist lebendigerdenn je.62 Andererseits ist es nicht ausgeschlossen, da zumindest einigeSenatoren die Auffassung vertraten, die Interessen Roms und seiner italischen

    Verbndeten htten in der gis eine Bedeutung gewonnen, da die rmischeDiplomatie nach festen Sttzpunkten Ausschau halten msse. Hier bot sich nuneine Gelegenheit, die schon im Krieg geknpften Verbindungen zu strken.Attalos htete sich abzulehnen. Und so wurde der Stein in groem Geprngevon Pessinous (auf gallischem Gebiet, ohne Zweifel aber mit Zustimmung derGalater63) bis zum Meer und von da nach Rom gebracht, wo er auf dem Palatininnerhalb des pomeriums aufgestellt wurde. Das ist ein sicherer Hinweis darauf,da die Gttin nicht als eine Fremde angesehen wurde.64

    Wirtschaftliche Interessen der Itali mssen wohl bei der Strkung desBndnisses mit Pergamon gegen die Bedrohung durch Philipp V. eine Rolle

    gespielt haben. Diese Annahme ist insofern berechtigt, als die Republik vonRhodos, die ebenfalls dem Philipp feindlichen Lager angehrte, trotz derSchwierigkeiten, die sie mit Attalos gehabt hatte65, in Pergamon Hilfe suchte,sobald der Knig von Makedonien seine Absicht durchblicken lie, die gis zubeherrschen. Alles verlief so, als verbndeten sich Rhodos, Pergamon und, mitgeringem zeitlichem Abstand, Rom, um die Freiheit des Verkehrs auf denSchiffahrtswegen nach Osten aufrechtzuerhalten.

    Nach Phoinike war die Stellung Makedoniens so gnstig, wie sie seit denZeiten des Gonatas nicht mehr gewesen war. Gewi, im eigentlichenGriechenland war Athen seit 22966 unabhngig, aber es war so geschwcht, daes militrisch bedeutungslos geworden war. Dagegen unterhielt PhilippGarnisonen in Akrokorinth und in Chalkis. Die Aitoler waren gedemtigt undgeschwcht. Die Achaier waren zwar von Stolz erfllt ber den Erfolg, den siedem taktischen Geschick des Philopoimen aus Megalopolis67 verdankten, undschienen weniger geneigt als frher, die Oberherrschaft des Knigshinzunehmen68, offiziell blieben sie jedoch seine Verbndeten. IhreAufmerksamkeit richtete sich vor allem auf Sparta, wo Nabis die Macht an sichgerissen hatte und seine soziale Revolution vorantrieb.69 Smtliche Stdte in

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    Griechenland litten unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in die sie durch soviele Kriege, durch eine Politik ohne klare Ziele und durch Klassenkmpfegeraten waren, die Philipp geschickt zu nutzen wute, um hier und da alsAnwalt der Armen aufzutreten.70 Schlielich blieb die gis nach demNiedergang der Ptolemer ohne jeden Protektor.

    Jene Rolle, die frher einmal Gonatas gespielt hatte, erstrebte Philipp,wenigstens einen Augenblick, fr sich selbst. Schon vor dem Frieden vonPhoinike hatte er mit dem Bau einer Flotte begonnen. Zu gleicher Zeit ermutigteer die kretischen Seeruber in ihren Unternehmungen gegen Rhodos, dasgleichsam als Seepolizei fungierte. Rhodos war fr Philipp das Haupthindernis.Diesen Gegner galt es zuerst zu zerschlagen. Er beauftragte zwei seinerHauptleute, gegen Rhodos einen hinterhltigen Kampf aufzunehmen.Dikearchos, ein aitolischer Abenteurer, berprfte zugunsten Philipps die Schiffein der gis71, whrend Herakleides, ein tarentinischer Verbannter, den Auftragerhielt, die Flotte im Hafen selbst in Brand zu stecken, was ihm jedoch

    milang.72Nach dem Tod des Philopator wurde gypten, das auch bald danach Sosibiosverlor, eine leicht zu erobernde Beute, die Antiochos und Philipp gleicherweisebegehrten. Agathokles schickte whrend seiner Regentschaft eine Gesandtschaftzum Seleukiden, um ihn an die zwischen beiden Lndern bestehenden Vertrgezu erinnern. Zu gleicher Zeit lie er Philipp um die Hand seiner Tochter bitten,um sie mit dem jungen Ptolemaios V. zu verloben. Diese Vorsichtsmanahmenwaren jedoch unzureichend. In einem Geheimvertrag teilten Philipp undAntiochos die Reste gyptens unter sich auf. Antiochos erhielt wahrscheinlichKoile-Syrien und gypten selbst. Philipp lie sich die Auenbesitzungen in der

    gis und Kyrene zusichern, das traditionsgem als die Fortsetzung vonInselgriechenland im Westen angesehen wurde.73Holleaux74 hat wohl recht mit seiner Annahme, da weder Philipp noch

    Antiochos es bei der beabsichtigten Teilung ganz ernst meinten. Antiochos wargewi kaum bereit, dem Makedonen die gyptischen Gebiete von Karien und diemit den Ptolemern verbndeten Stdte Kleinasiens zu berlassen. Vielleichtstrebte Philipp seinerseits danach, die Integritt des Knigreiches der Lagiden zuerhalten, dessen Herrscher sein zuknftiger Schwiegersohn sein wrde. Es istnicht ausgeschlossen, da die von Makedonien in diesem Jahr nach Karthagoentsandten Truppen75 den ausdrcklichen Auftrag hatten, fr den Fall einesSieges die Kyrenaika im Rcken zu fassen. ber die wirklichen Absichten desHerrschers lt sich nichts Bestimmtes sagen; denn wie ehedem Pyrrhos nderteer seine Strategie je nach den Umstnden und fand rasch einen Ersatz fr einefrher verfolgte Politik.

    Wie dem auch sei, Philipp mute sich in jenem Jahr 203 der Neutralitt vonAntiochos versichern, wollte er seine vordringlichen Ziele erreichen. SeineOffensive im Frhjahr 202 (dem Jahr der Schlacht bei Zama) richtete sich nichtgegen die gyptischen Besitzungen, sondern gegen die freien Stdte oder

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    diejenigen, welche mit Mchten verbndet waren, mit denen er im Friedenstand. Nacheinander nahm er Lysimacheia, Kalchedon am Bosporus, Kios, daslange hindurch Prusias von Bithynien widerstanden hatte. Philipp berlie dieseStadt seinem Verbndeten, allerdings erst, nachdem er sie in Schutt und Aschegelegt hatte. Danach nahm er Thasos durch Verrat und verkaufte seine

    Bewohner in die Sklaverei.Dieses Vorgehen lste tiefste Entrstung in der ganzen hellenistischen Welt

    aus. Schon am Ende des Sommers bildete sich mit Rhodos als fhrender Machteine Koalition zwischen Byzantion, Kyzikos, Chios und Kos. Im Frhjahr 201begann man bereits mit den Operationen zur See. Philipp ging daran, eine Inselnach der anderen zu nehmen. In Samos, das gyptisch war, lag eine grereFlotte vor Anker. Er bemchtigte sich ihrer. In diesem Augenblick verbndetesich wahrscheinlich Attalos I. mit Rhodos aus Furcht vor den Folgen eines Siegesvon Philipp, der dann Prusias gegen ihn aufgehetzt htte. Gemeinsam griffen dieFlotten von Rhodos und Pergamon Philipp vor Chios an. Die Schlacht ging

    allerdings unentschieden zu Ende.76Attalos kehrte nach Pergamon zurck. Die Flotte von Rhodos bezog ihreStellung vor Milet. Ein rtlicher Erfolg Philipps ntigte sie, die Berhrung mitihm aufzugeben. Sie konnte sich weiter im Sden neu formieren. Philipp nutztesofort die Gelegenheit, um in Milet an Land zu gehen und in aller Eile nachPergamon aufzubrechen. Es gelang ihm jedoch nicht, die Stadt einzunehmen.Dafr verwstete er das gesamte Land ringsum.77 Da aber Attalos mit klugerVoraussicht alles verfgbare Getreide vorher vom Land in die Stadt hatteschaffen lassen, litten die Truppen Philipps bald Hunger und zogen sich ohnegreifbaren Erfolg zurck, um in Karien zu berwintern, wo sie durch die

    feindliche Blockade in Schach gehalten wurden.Philipp befand sich in einer milichen Lage. Den Verbndeten war jedoch klar,da seine militrische Kraft keineswegs gebrochen war, und sie bangten um dieZukunft. Da erschien am Ende des Sommers 201 in Rom eine Gesandtschaft ausPergamon und Rhodos, um den Senat um Hilfe zu bitten. In ihrer Begleitungbefand sich auch eine Gesandtschaft aus Athen, die ihrerseits Klage gegenPhilipp fhrte.78 Angesichts dieser Klagen wuten die Senatoren nicht so recht,wie sie sich verhalten sollten. Die einen meinten, da der Friede zu kostbar seiund Philipp zwar in Griechenland Schndliches tue, er sich aber doch an denFrieden von Phoinike halte. Ein Krieg im Osten sei berdies sehr schwierig undhinsichtlich seines Ausgangs mehr als ungewi. Andere Senatoren, dieweitsichtiger und vor allem besser informiert waren, da sie durch ihrenegotiatores, deren Schiffe die gis befuhren, private Verbindungen hatten,durchschauten die Plne des Knigs. Ihrer Meinung nach durfte keine Macht imOrient das bergewicht gewinnen. Und selbst wenn es Philipp nicht gelingensollte, Antiochos auszuschalten, der nach seiner Rckkehr aus Baktrien wie einzweiter Alexander erschien, wrde ein mgliches Bndnis zwischen den beidennoch schwerwiegender die rmischen Interessen gefhrden. Es lt sich sogar

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    denken, da Erwgungen ber das Los, das gypten dann erwartete, bei denberlegungen der Befrworter einer Intervention eine Rolle gespielt haben. Romwar ein gewisses Gleichgewicht im Orient gewhnt. Wegen seiner gutenBeziehungen zu Alexandria konnte ihm ein mglicher Zusammenbruch diesesGleichgewichts keineswegs gleichgltig sein. Vielleicht kamen auch

    gefhlsmige Grnde hinzu: die Hochachtung vor der Vergangenheit Athens,die Erinnerung an die Ehrung, welche Rom durch die griechischen Stdte beiden Isthmischen Spielen des Jahres 229 zuteil geworden war79, der Wunsch, alsRetter des Rechts und der Freiheit gegenber der Willkr eines Knigs zuerscheinen, schlielich das schmeichelhafte Gefhl, nach der BesiegungKarthagos nun als Schiedsrichter der Welt dazustehen, eine Versuchung, dersehr wenige Vlker nach einem so teuer erkauften Sieg im Lauf der Geschichtewiderstanden haben.

    ) Das Eingreifen Roms

    Die Senatoren entschieden sich fr das Eingreifen. Drei Gesandte wurden damitbeauftragt, Philipp ein Ultimatum zu berbringen: C. Claudius Nero, der Siegerder Schlacht am Metaurus, P. Sempronius Tuditanus, der den Frieden vonPhoinike geschlossen hatte und den Orient gut kannte, schlielich der jngsteunter ihnen, M. Aemilius Lepidus, der zu der Gruppe der philhellenes gehrte.Diese Gesandtschaft traf in dem Augenblick in Griechenland ein, als Philipp, derder Blockade in Karien entkommen war, den Krieg an die Ksten Thrakiensgetragen hatte, wo er eine Stadt nach der anderen unterwarf und zuletzt Abydosbelagerte, das eine freie Stadt war. Dort traf ihn Lepidus und erklrte ihm den

    Willen Roms. Er solle Attalos und Rhodos Kriegsentschdigungen gewhrenund von jeglichem Krieg gegen die unabhngigen griechischen Staatenablassen.80 Die Bedingungen kamen Philipp nicht ganz berraschend. Diermische Gesandtschaft hatte sie fast in ganz Griechenland propagiert. DaPhilipp dennoch nicht die Feindseligkeiten eingestellt, sondern sogar einenHauptmann mit dem Auftrag der Verwstung Attikas entsandt hatte, begngtesich Lepidus damit, ihm offiziell den Krieg zu erklren. Zu gleicher Zeit (dieChronologie ist hier nicht ganz zuverlssig) gelang es den Befrwortern derIntervention, die beim ersten Mal in den Komitien berstimmt worden waren,nach einer zweiten Beratung die Entsendung eines Expeditionskorps gegen denKnig durchzusetzen (Frhjahr des Jahres 200?).

    Der Feldzug jenes Jahres diente lediglich der Erkundung, die unter derFhrung des P. Sulpicius Galba stand. Sie wurde von Apollonia aus in die Wegegeleitet, whrend eine schwache Vorhut den Knig, der Athen belagerte,fortgesetzt beunruhigte.81 Nach einigen Erfolgen im Tal des Asopos stellten sichbis dahin noch unentschlossene Vlker auf die Seite der Rmer. Aber weder dieAitoler noch die Achaier konnten sich dazu entschlieen, in den Kriegeinzutreten.

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    Im darauffolgenden Jahr lieferten sich die Armee Philipps und die des P.Sulpicius Galba eine Schlacht bei Ottobolos am Mittellauf des Erigon. Sie endetefr Philipp ungnstig.82 Aus unerfindlichem Grund zog sich Sulpicius imHerbst nach Apollonia zurck. Diese Atempause versetzte den Knig in dieLage, die Invasion der Barbaren an den Nordgrenzen einzudmmen und dann

    die Aitoler anzugreifen, die inzwischen aus ihrer Tatenlosigkeit herausgetretenwaren und Thessalien verwsteten. Auf dem Meer blieb Philipp das Kriegsglckversagt. Er hatte nicht verhindern knnen, da die Flotte des Attalos mit derUntersttzung eines rmischen Geschwaders wichtige Sttzpunkte wie Oreos ander Nordeinfahrt des Euboiakanals besetzte.

    Zu Anfang des Jahres 198 entschlo sich Philipp, mit vollem Einsatz die Rmeranzugreifen. Er stellte seine Armee am Aoos vor der befestigten Stadt Antigoneiaauf, um den rmischen Legionen den Weg nach Thessalien zu versperren. Eszeigte sich, da der Konsul Villius ihm nur zgernd und unentschlossenentgegentrat. Auf die Truppen war kein Verla. Die Veteranen der Afrikaarmee,

    die sich dort befanden, forderten ihre Entlassung. Villius fehlte die notwendigeAutoritt, sie im Gehorsam zu halten. Vielleicht lt sich daraus erklren,weshalb er bald darauf durch T. Quinctius Flamininus ersetzt wurde. Es kannaber auch sein, da die Philhellenen im Senat es vorzogen, die Fhrung diesesKrieges, der ja ihr Krieg war, einem jungen Patrizier zu bertragen, der wie siedachte, anstatt sie Villius zu berlassen, diesem Emporkmmling, deroffensichtlich wenig Lust versprte, seinen Kopf fr eine Sache hinzuhalten, dieer als ein Abenteuer auf fremder Erde ansah.

    Die Ankunft des Flamininus brachte den Rmern neue Sympathien ein. DerKonsul sprach Griechisch nichts Auergewhnliches fr einen Rmer , aber er

    sprach es wie ein Mann mit Bildung. Seine Argumente, die er den Stdtenvortrug, wirkten faszinierend. Er wandte sich an die Aristokratie und machtesich zum Anwalt der bestehenden Gesellschaftsordnung. Auf Ersuchen derAitoler hielten Flamininus und der Knig eine Konferenz an den Ufern des Aoosab. Noch einmal verlangte der Rmer von Philipp, von jeder Unternehmung inGriechenland Abstand zu nehmen. Philipp lehnte ab und beendete dieUnterhandlung. Durch die Hinweise eines aitolischen Adligen glckteFlamininus ein Umgehungsmarsch, und er durchstie die makedonischeFront.83 Philipp mute sich, unter Verlusten und von den Rmern verfolgt,zurckziehen. Er bezog Quartier im Tempetal, whrend Flamininus Phokisbesetzte und in Elatea sein Lager aufschlug.

    Nach diesem Stellungswechsel begann die diplomatische Offensive aufs neue.Flamininus versuchte, die Stdte der Peloponnes auf seine Seite zu ziehen in derHoffnung, Akrokorinth zu nehmen. Der Achaische Bund stimmte (mit geringerMehrheit) fr den Krieg gegen Philipp, Korinth aber wehrte sich derart, da esunmglich war, es einzunehmen. Philipp versuchte seinerseits, wieder mit Romzu verhandeln. Wieder wurde eine Konferenz erffnet, diesmal an der Kste desMaliakischen Meerbusens (unweit der Thermopylen) und in Anwesenheit der

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    Verbndeten Roms.84 Angesichts der Forderungen der Griechen und des Attalosbeschlossen Philipp und Flamininus, sich an den Senat zu wenden. Bis zurRckkehr der makedonischen Gesandtschaft wurde ein Waffenstillstand vonzwei Monaten vereinbart. Vielleicht war es Philipp nur darum gegangen, Zeit zugewinnen; denn als die Senatoren Philokles, den Fhrer der makedonischen

    Gesandtschaft, fragten, ob Philipp bereit sei, die drei Stdte (Chalkis, Korinth,Demetrias), die er in Griechenland besetzt hielt, zu rumen, antwortete er, erhabe dazu keinerlei Instruktionen. Die Verhandlungen wurden daraufhinabgebrochen. Zu gleicher Zeit wurde die Amtszeit des Flamininus verlngert.

    Das entscheidende Treffen fand in der Nhe von Skotussa auf einer Hgelkettemit dem Namen Hundekpfe (Kynoskephalai) im Juni 197 statt. Ganzberraschend ergab sich die Berhrung mit dem Feinde. Beide Seiten mutendaher ihre Taktik improvisieren. Ein Angriff der Phalanx brach die rmischeFront auf, aber ein Gegenangriff des Flamininus mit seinen Elephanten brachtedie feindliche Schlachtordnung durcheinander. Die wendigeren und

    beweglicheren rmischen Truppen vermochten das schwierige Gelnde besserzu nutzen, das fr das Manvrieren der geschlossenen Phalanxeinheiten denkbarungeeignet war.85 Es ist mig, nach einer berlegenheit der Legion ber diePhalanx zu fragen. Es siegte eben derjenige Gegner, dessen Taktik sich am bestendem Gelnde der Kynoskephalai anpate, das sich keine Seite eigens ausgesuchthatte.

    Mittellos und ohne Soldaten mute Philipp, den alle seine Verbndeten imStich gelassen hatten, um Frieden bitten. Am Anfang des Jahres 196 teilte derSenat seine Bedingungen mit. Die Garnisonen in den griechischen Stdtenmuten aufgelst werden. Der Knig durfte nur noch 5 Kriegsschiffe und 5000

    Soldaten unterhalten.86 Das war das Ende des makedonischen Reiches. Bei denIsthmischen Spielen jenes Jahres erklrte Flamininus die UnabhngigkeitGriechenlands.87

    ) Das freie Griechenland

    Die Rmer empfanden im Grunde gemischte Gefhle ber das, was ihnen soganz ohne Eroberung in den Scho gefallen war. Die meisten griechischen Stdteund die zwei groen Bnde waren freiwillig an ihrer Seite in den Kriegeingetreten. Die Rmer hatten nun auch nicht mehr die Absicht, dasimperialistische Streben der Aitoler zu untersttzen, die sich frecher und lauterdenn je gebrdeten. Mit gewisser Berechtigung lt sich annehmen, da vieleSenatoren die Ansicht vertraten, man knne eine griechische Welt aus jenerUnzahl freier Stdte neu begrnden, die andererseits unfhig wre, sich in eineWeltmacht zu verwandeln. Ihre Entschlossenheit, die Stdte Griechenlands unddie griechischen Stdte Kleinasiens88 zu befreien, zeigt sich an folgendem:Kein Knig sollte sich in Zukunft unterstehen, sein Staatsgebiet auf Kosten der

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    Hellenen zu vergrern, vor allem nicht Antiochos, der am gefhrlichstenwerden konnte.

    Das Prinzip der Freiheit war nichts Neuartiges. Es hatte schon alsdiplomatische Waffe gegen die Diadochen gedient.89 Die Erinnerung an einwirklich freies Griechenland war durchaus lebendig und ein Ideal, das mit der

    Zeit noch an Anziehungskraft gewonnen hatte. Das Wort war kein leerer Schall.Im Prinzip erfreuten sich die griechischen Stdte innerhalb der Knigreiche einerweitgehenden Autonomie90, und die Knige haben es lange Zeit vermieden,direkten und sichtbaren Druck auf die rtlichen Regierungen auszuben. Dochhatte sich im Laufe des 3. Jahrhunderts seit den Zeiten des Gonatas91 vor allemin Griechenland der politische Stil gewandelt. Die Methoden Philipps warenbrutal. Wenn also unter diesen Bedingungen die Freiheit wieder in ihre Rechteeingesetzt wurde, dann kam das einer Anerkennung der wesentlichen Werte desHellenismus gleich, selbst wenn sich dann in der Praxis ihre Verwirklichung alsschwierig erweisen sollte.

    War eine Rckkehr zu den Zeiten von Chaironeia mglich? Die griechischenStdte htten nur dann unabhngig und in gegenseitiger Hochachtung leben unddamit zugleich die Voraussetzung fr ihre Unabhngigkeit schaffen knnen,wenn es zu einer tiefgreifenden inneren Umwandlung gekommen wre. Dazuhtte es zunchst einmal politischer Systeme bedurft, die sich nicht so von Grundauf unterschieden. Die erste Bewhrungsprobe des freien Griechenland endetedenn auch damit, da, wie nicht anders zu erwarten, auf der Peloponnes wegenSparta ein Konflikt ausbrach. Bei seiner diplomatischen Offensive auf derPeloponnes vor der Schlacht auf den Kynoskephalai hatte man Flamininus dazubewegen knnen, Nabis und sein Regiment offiziell anzuerkennen und ihm

    sogar Argos zu berlassen, das trotz massiven Drucks Philipp die Treue gehaltenhatte.92 Sollten bei der allgemeinen Regelung die Bewohner von Argos Spartaweiterhin unterworfen bleiben? Diese Frage stellte Flamininus den Vertreternaller in Korinth versammelten Stdte. Darauf erklrten alle, man msse Nabisden Krieg erklren. Eine Armee mit Truppen aus ganz Griechenland begann ander Seite der Rmer den Kampf. Nabis wurde in Sparta eingeschlossen undmute verhandeln. Flamininus begngte sich damit, Spartas imperialistischerPolitik einen Riegel vorzuschieben. Die politische Verfassung der Stadt blieb aberunangetastet, und sie bewahrte ihre Freiheit und Unabhngigkeit gegenberdem Achaischen Bund.

    Als Flamininus 196 die rmischen Truppen aus den drei Stdten Chalkis,Akrokorinth und Demetrias abzog, die Philipp die Schwerter Griechenlandsnannte, stand kein rmischer Soldat mehr auf dem Boden dieses nun vollstndigbefreiten Landes. In die allgemeine Freude mischten sich aber auchRessentiments, denen die Aitoler bewut neue Nahrung gaben, da sie sich inihren ehrgeizigen Hoffnungen getuscht sahen. Viele der Vorwrfe gegen Romwaren ungerechtfertigt. Strker als sie war jedoch das Gefhl verbreitet, dadiese Freiheit ja eigentlich keine Freiheit mehr sei, sondern nur Schein und da

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    ein Griechenland, das sich nicht mehr dem altgewohnten (und tdlichen) Spielder Bndnisse, Koalitionen und Kriege hingeben knne, seine Unabhngigkeitverloren habe. Man knnte sich, noch weiter gehend, die Frage stellen, ob nichtein ausgezehrtes Griechenland, das schon ber ein Jahrhundert daran gewhntwar, von Knigen abhngig zu sein, in seiner breiten Masse und hinsichtlich

    seines Lebensstils ein politisches System wirklich wnschte, in dem keinefreigebigen Herrscher fr das Durchkommen mehr sorgen wrden. Die damalsauftauchenden sozialen Probleme sind die gleichen, wie sie sich Rom zwei oderdrei Generationen spter stellen sollten.93 Die Rmer, ja selbst ein Flamininus beiall seinem Verstndnis fr die griechische Welt, vermochten nicht mit einemSchlag eine Situation zu berblicken, fr die sie noch nicht die ntige Erfahrungbesaen. Da stellten auch nicht die Institutionen ihrer Republik eine echteAlternative dar. Die politische Phantasie der Senatoren, selbst derleidenschaftlichsten Philhellenen, stand in keinem Verhltnis zu den Absichten,die sie verfolgten. Das konnte auch gar nicht anders sein; denn sie lieen sich

    dabei von der Erinnerung an eine lngst vergangene Zeit leiten.

    c) Der Krieg gegen Antiochos III.

    ) Die Macht des Antiochos

    Whrend sich Philipp, durch sein Einvernehmen mit Antiochos gestrkt, in dasAbenteuer strzte, das schlielich sein Ende herbeifhren sollte, griff derSeleukide gypten an. Dort hatten sich die Dinge anders entwickelt. Nachvielem Hin und Her hatte schlielich Antiochos gesiegt.

    Nach einem ersten Angriff im Jahr 201 stie die Armee des Antiochos mhelosbis Gaza vor. Dann brachte sie der Widerstand der Stadt zum Stehen. DieSldner des aitolischen Exulanten Skopas, der in gyptischen Diensten stand,nutzten diese Atempause, um Palstina zurckzuerobern. Darauf rckteAntiochos mit betrchtlicher Truppenstrke an, besiegte Skopas bei Panoin94und belagerte ihn bei Sidon, wohin dieser geflohen war. Sidon wurde imFrhjahr 199 zur Kapitulation gezwungen (in dem Augenblick, als Sulpicius undPhilipp sich im Tal des Asopos gegenberstanden). Den Rest des Jahres brachteAntiochos mit der Rckeroberung Palstinas zu. Koile-Syrien fiel wieder in seineHand.

    Antiochos stand noch im Kampf mit Skopas, als die Gesandten des rmischenSenats, die die Griechen gegen Philipp aufwiegeln sollten95, am Ende ihrerRundreise bei ihm vorsprachen. Als Verbndete der Ptolemer boten die Rmerihre Vermittlung an, verlangten aber nicht Frieden um jeden Preis. Ihnen lag vorallem daran, zu verhindern, da das Bndnis zwischen Philipp und Antiochossich zu einer ernsten Gefahr auswachsen knnte. Wir wissen nicht, was beidiesem Treffen zwischen den legati und dem Knig ausgehandelt wurde.Vermutlich muten sich die Rmer mit der Zusicherung des Antiochos

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    zufriedengeben, da er seinem Gegner lediglich die Provinzen, die er nachRaphia verloren hatte (was durchaus seine Berechtigung hatte), abnehmen,gypten selbst aber nicht angreifen werde. Wahrscheinlich glaubten sie,Antiochos werde mit Rcksicht auf Rom von seinen Plnen, die er einige Jahrezuvor gehabt hatte (oder die man ihm andichtete), ablassen. Auf dem Rckweg

    ber Alexandria konnten sie den Ratgebern des jungen Ptolemaios versichern,da sie sich voll und ganz fr das Erbe des Infanten eingesetzt htten.96 Was imeinzelnen auch geschehen sein mag, Antiochos eroberte Koile-Syrien zurck undbrach seinen Feldzug ab, um sich nach Kleinasien zu begeben. Sein Ziel war dieRckeroberung der seleukidischen Besitzungen in diesem Gebiet, vor allem desKnigreiches von Pergamon, das ein Rebell vom Reich abgespaltet hatte.97Schon im Frhjahr 198 (bevor die Befriedung Koile-Syriens begann) hatteAntiochos einen Feldzug gegen Pergamon organisiert, whrend Attalos denRmern gegen Philipp half. Attalos bat die Rmer um Hilfe, die bei Antiochosden Rckzug seiner Truppen durchsetzten.98 Aber schon im folgenden Jahr

    nahm Antiochos nach einem anderen Plan die Offensive gegen den Nordenwieder auf. Diesmal war nicht Pergamon das Ziel, sondern die entweder vongypten oder Makedonien besetzten Teile seines Erbes. Von Antiocheiakommend, whlte er die Strae von Sardes und deckte seinen Vormarsch zuLande mit einer Flotte von hundert Schiffen. Er berschritt den Taurus. Als eraber in Kilikien einbrach, machten ihm die Rmer deutlich, da sie einemweiteren Vordringen seiner Flotte nicht tatenlos zusehen wrden. Whrendbeide Seiten noch verhandelten, wurde Philipp auf den Kynoskephalai besiegt.Die Rmer brauchten folglich nicht mehr zu befrchten, da Antiochos seinemVerbndeten zu Hilfe eilen werde, und hoben das Verbot auf. Darauf fuhr

    Antiochos fort, eine Stadt nach der anderen, die zuvor den Ptolemern gehrthatte, zu besetzen. Dabei berlie er vorsichtshalber einige Stdte den Rhodiern,die immer schon eine Ausweitung ihres Einflugebietes auf dem FestlandKleinasiens gewnscht hatten. Pergamon behandelte er ebenfalls schonend, berdas Eumenes II. nach dem Tod von Attalos I., den mitten in einer Versammlungin Theben der Schlag getroffen hatte99, regierte. In Ephesos (einer ptolemischenStadt) begngte er sich zunchst damit, sich seine Oberherrschaft von den freienStdten bescheinigen zu lassen, die nicht das Geringste dagegen unternahmen;denn der Status einer freien Stadt in dem seleukidischen Knigreich war demeiner Stadt, die Philipp unterwarf, bei weitem vorzuziehen. Dennoch erklrtensich zwei von ihnen, Smyrna und Lampsakos, nicht mit einer Treueerklrunggegenber dem Knig einverstanden, was diesen veranlate, Truppen gegen siezu entsenden. So geschah es, da genau in dem Augenblick, als Flamininus inKorinth die Freiheit der griechischen Stdte proklamierte, zwei dieser Stdte, dievon den Truppen des Antiochos bedroht wurden, die Rmer um die Gunstdieser Befreiung baten.100

    Das Bittgesuch von Smyrna und Lampsakos stellte die Rmer, d.h. Flamininusund die Senatsbeauftragten, die ihn begleiteten, vor das Problem der asiatischen

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    Stdte. Da die Rmer keinen Grund mehr sahen, den Knig zu schonen, und sieallmhlich von der Logik ihrer eigenen Politik mitgerissen wurden, blieb ihnenkaum etwas anderes brig, als Antiochos zu gebieten, die griechischen Stdte,die von nun an unter dem Schutz Roms autonom sein sollten, in Ruhe zu lassen.Sie verboten ihm weiter, nach Europa berzusetzen, was dieser einfach nicht

    vermeiden konnte, wenn er in der Rckeroberung der frheren seleukidischenBesitzungen fortfahren wollte.101

    Antiochos ignorierte dieses Verbot, vielleicht weil seine Unternehmungenschon in vollem Gang waren. Im Sommer 196 nahm er bereits Sestos auf dereuropischen Seite des Hellespont ein. Um jeden Zweifel zu zerstreuen, da er inThrakien zu bleiben gedenke, lie er das verlassene und halbverdeteLysimacheia wieder aufbauen. Dort erschien eine rmische Gesandtschaft undgab ihm zu verstehen, da der Senat auf seinen Rckzug nach Asien Wert lege.Aber Antiochos lehnte jede Unterordnung ab. Als die Rmer darauf hinwiesen,da sie die Interessen von Ptolemaios V. vertrten, enthllte er ihnen, da er

    seine Tochter Kleopatra soeben mit Ptolemaios V. verlobt habe.102 Hinsichtlichder Stdte Lampsakos und Smyrna lehnte er die Schiedsrichterrolle Roms ab undbertrug sie Rhodos.

    Diese Handlungsweise war hchst raffiniert. Rom hatte nun keinen Vorwandmehr, in Kleinasien einzugreifen. Die ffentliche Meinung, der die rmischePolitik der Einmischung schon lngst lstig zu werden begann, empfandGenugtuung ber diese Abfuhr, die den Barbaren erteilt worden war, die diegriechischen Angelegenheiten ja eigentlich nichts angingen. Antiochos war nunder mchtigste Knig des Orients und der einzige, dessen Macht sich mit derRoms messen konnte. Seine Bndnisse, die wie zu der Zeit der Diadochen auf

    Heiraten beruhten103, erstreckten sich ber ganz Asien und, nach 194, bis nachgypten. Whrend er die rmischen Rechte respektierte, legte er seinerseits aufeben dieselbe Behandlung Wert. Im Verlauf des Winters von 194 auf 193 wre eszwischen ihm und den Rmern fast zu einer regelrechten Teilung der Weltgekommen. Seinen Gesandten bot der Senat an, ihm in Asien freie Hand zulassen, wenn er Thrakien rume.104 Die Gesandten waren jedoch zu keinerAntwort legitimiert. So ging die Gelegenheit ungenutzt vorber. Im brigen warder Senat hinsichtlich seiner Person geteilter Meinung. Scipio und seine Freundevertraten die Ansicht, da eines Tages der Krieg gegen ihn doch unvermeidlichwerden wrde.105 Sie glaubten, um so mehr Grund fr ihre Meinung zu haben,als Hannibal, den seine politischen Gegner aus Karthago verjagt hatten, zuAntiochos geflohen war (im Jahr 195) und dort wenn man der Traditionglauben darf versuchte, ihn in einen groen Krieg gegen Romhineinzuziehen.106 Andere vertraten dagegen die Auffassung, da eineVerstndigung mglich und die Erhaltung des Friedens gewhrleistet sei, wennman sich auf ein freies Griechenland zwischen Okzident und Asien einigte. ImHinblick auf dieses Ziel bemhte sich Flamininus whrend der letzten Monateseines Prokonsulats, in den griechischen Staaten prormische Gefhle

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    wachzurufen und sich mglichst viele Klienten zu verpflichten, indem er sichentweder ihre Dankbarkeit zuzog oder sein Prestige zu strken versuchte. Manmag diese Eitelkeit des Flamininus und seine Ruhmesgier belcheln. Die Frageist dabei nur, ob man in dieser Haltung gegenber einer Welt, der der Glanzeines Fhrers mehr galt als seine wirkliche Macht und in der der Ruhm als einer

    der hchsten Werte angesehen wurde, das hohe Ma an bewutem Kalkl, japolitischem Fingerspitzengefhl richtig einschtzt.107 Dadurch, da Flamininusdiese Popularitt suchte, verlieh er der rmischen Macht jene menschliche undknigliche Aura, die allein Geist und Herz der Griechen zu gewinnen vermochte.Sie wrde, so glaubte er, die Elite Griechenlands fr die rmische Machteinnehmen und die Massen von der Faszination ablenken, die von Antiochosausging.

    Jeder Ruhm zieht jedoch invidia nach sich. Die Aitoler bernahmen die Rolledes Verleumders. Sie, die als erste die Rmer nach Griechenland gerufen hatten,waren zu ihren erbittertsten Feinden geworden; denn aus Werkzeugen, die sie

    hatten benutzen wollen, waren Herren, zumindest aber Schiedsrichtergeworden. Daher wandten sie sich auch zuerst Antiochos zu und versuchten,sein Eingreifen in Griechenland zu provozieren.

    ) Die Intrigen der Aitoler

    Kaum hatten die rmischen Legionen Griechenland verlassen, da boten dieAitoler gleichzeitig Antiochos (der sich nicht rhrte), Philipp (der ablehnte) undNabis ihr Bndnis an. Letzterer ging darauf ein. Er provozierte Revolten gegendie Achaier in den frheren Stdten Spartas, die dem Bund zugesprochen

    worden waren, und nahm sie ein. Vor Gytheion verlie ihn jedoch dasKriegsglck. Die Achaier setzten sofort Rom in Kenntnis, das im Frhjahr 192eine Flotte gegen Nabis entsandte. Flamininus, der sein Werk durch die Intrigender Aitoler kompromittiert sah, begab sich auf die Peloponnes, um den Friedenzu retten. Er kam jedoch zu spt, um Philopoimen zu warnen, der seinenFeldzug schon begonnen hatte, ohne die Rmer abzuwarten. Trotz einerNiederlage auf See besiegte Philopoimen Nabis in offener Feldschlacht undschlo ihn in Sparta ein. In diesem Augenblick gelang es Flaminius, einenWaffenstillstand herbeizufhren. Whrend er die Peloponnes verlie, gewannein aitolischer Intrigant, namens Alaxamenos, unter dem Vorwand, er wolle frTruppen sorgen, das Vertrauen von Nabis und erschlug ihn. In dem nunfolgenden Durcheinander bemchtigten sich die Achaier der Stadt und zwangensie, ihrem Bund beizutreten.108

    Diesen Mierfolg konnten die Aitoler durch einen Erfolg in Demetrias, das siebesetzten, wettmachen. Ihre Eroberung boten sie sogleich Antiochos an. Obwohles schon auf den Winter zuging, war die Versuchung fr Antiochos zu gro; erlandete in Thessalien mit 10000 Mann und 500 Reitern.

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    Den ganzen Winter hindurch tobte zwischen den Anhngern des Knigs unddenen der Rmer ein heftiger Kampf in allen Stdten. Antiochos wurde derStratege des Aitolischen Bundes. Seine Verbndeten hatten ihm eineVolkserhebung zu seinen Gunsten verheien. Sie blieb jedoch aus. Die meistenStdte schwankten zwischen beiden Parteien hin und her. Schlielich wurde

    Antiochos der Sache berdrssig und machte den Versuch, Chalkis mit Gewalteinzunehmen, dessen er als zweiter Basis fr seine Invasion bedurfte, die er frden Frhling plante. Unterdessen berrumpelte ein Hauptmann des Knigs,Menippos, eine Truppe von 500 Rmern, die in Delion, einem heiligen Asyl,Zuflucht gesucht hatten. Hierauf erklrten die Rmer, der Knig habe einenKriegszustand geschaffen. Sie wrden entsprechend handeln.109

    ) Die Feindseligkeiten

    Philipp V. und Ptolemaios V. traten auf die Seite Roms. Ersterer hatte dem

    Antiochos seine schwankende Haltung im Zweiten Makedonischen Krieg, seinemit solcher Eile betriebene Annexion der bis dahin Makedonien unterstehendenStdte und einige unfreundliche Akte nicht verziehen.110 Letzterer tat es ausBndnistreue gegenber Rom. Selbst Karthago bot, um sich ffentlich vonHannibal, der der Ratgeber von Antiochos geworden war, zu distanzieren,Getreide, Schiffe und Gold an.111 Der Sieg Roms schien gesichert. Eumenesschlo sich, einer alten Tradition von Pergamon folgend, den Rmern ebenfallsan.

    Welche Absichten verfolgte Antiochos? Die antiken Historiker berliefern unsdie verschiedensten Meinungen der kniglichen Ratgeber. Aber inwieweit haben

    wir es hier nicht einfach mit rhetorischer Ausschmckung zu tun? Der NameHannibals verbreitete Furcht und Schrecken. Es wird uns berliefert, derVerlierer von Zama sei gegen jede Landung in Griechenland gewesen. Er habekeinen anderen Wunsch gehabt, als sich an die Spitze einer Invasionsarmee imNorden Italiens oder von Sizilien her zu stellen, um dann eine allgemeineErhebung zu provozieren, whrend Karthago Rom den Krieg erklren und alsBasis fr Antiochos dienen sollte.112 Hannibal htte indessen Grund genuggehabt, einer solch grandiosen Strategie zu mitrauen; denn die Vergangenheithatte sie Lgen gestraft. Die etruskischen Stdte hatten Rom die Treue gehalten.In Karthago hatte er seine Popularitt verloren. Und schlielich hatte er denstarken Arm Roms zu spren bekommen. Vermutlich ist dieser Plan nur eineErfindung eines Historikers. Es trifft hchstens zu, da der Knig und seinRatgeber einen Scheinangriff im Westen ins Auge gefat haben.113 Antiochosdachte wohl nicht daran, die rmische Macht zu zerschlagen. Der Zwischenfallvon Delion war nicht vorstzlich geplant worden. Dem Knig kam es zweifellosdarauf an, den Krieg zu vermeiden und gegen Rom die Strategie anzuwenden,deren es sich selbst gegen ihn bedient hatte. Er schlug vor, zwischen Rom undsich die Schranke eines diesmal freilich durch ihn befreiten Griechenland

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    zu schieben. Er hatte gehofft, da allein seine Anwesenheit gengen werde, dieStdte zum bertritt zu bewegen. Darin hatte er sich aber getuscht. Von nun anscheint er durch den Lauf der Dinge und die Intrigen um ihn her den klarenBlick verloren zu haben. Seine Kriegfhrung wurde planlos. Als Hannibal inChalkis114 darauf bestand, der Knig solle die Ksten Illyriens besetzen und

    Italien mit einer Invasion bedrohen, whrend er seine frheren Verbndeten umsich scharen wollte, zog Antiochos es vor, in Griechenland zu bleiben. Er begannmit der Eroberung Thessaliens, die den ganzen Winter ber weitergefhrtwurde. Im Frhjahr war sie noch nicht abgeschlossen. Auf den Rat der Aitolerhin begab er sich dann nach Akarnanien. Dort konnte er jedoch nur eine einzigeStadt einnehmen. Die Akarnanen leisteten erbitterten Widerstand. Unterdessenlandete einer der Konsuln des Jahres, M. Acilius Glabrio, ein Philhellene, miteiner betrchtlichen Streitmacht in Apollonia.

    Glabrio brach unverzglich nach Osten auf, wo sich seine Truppen mit denenPhilipps vereinigten, der schon damit begonnen hatte, die von Antiochos

    zurckgelassenen Garnisonen zu verjagen. Dieser eilte zurck und bezog imNorden der Thermopylen Stellung. Seine Verteidigungsposition schienuneinnehmbar. Zum Meer hin hatte er sich verschanzt. Eine Mauer gewhrtezustzlichen Schutz. Schnell verlegbare vorgeschobene Posten verliehen einHchstma an Beweglichkeit. Der linke Flgel lauter aitolische Kontingente stand auf dem Gebirge und in den Felsschluchten des Asopos. Aber M. PorciusCato, der als legatus in der Armee diente, erinnerte an die Perserkriege undfhrte einen raschen Stellungswechsel herbei, indem er den Pfad benutzte, aufdem einst der Verrter Ephialtes den Xerxes gefhrt hatte.115 Die Aitoler, dienur halb bei der Sache waren, wurden berrannt, und die Schlachtreihen des

    Antiochos eilten in wilder Flucht davon. Der Knig floh nach Chalkis. AlleStreitkrfte, die er in Griechenland besa, waren vernichtet. Er erreichte Ephesosund begann dort, fr den Notfall den Widerstand vorzubereiten.

    Verglichen mit seinen frheren militrischen Leistungen verhielt sichAntiochos in einer Weise, die seiner unwrdig war.116 Mit seinem Alter alleinlt sich ein solcher Unterschied nicht hinreichend erklren (er war 51 Jahre alt).Der Tod seines Sohnes im Jahr 193 hatte ihn gewi getroffen. Aber sein Kummerkann andererseits nicht so gro gewesen sein; denn er heiratete unmittelbardanach in Euboia in dem Winter, der der Schlacht bei den Thermopylenvorausging. Andere Grnde sind naheliegender. Der gesamte Feldzug inGriechenland wurde mit den Truppen gefhrt, die er im Herbst 192 mitgefhrthatte. Weder aus Syrien noch aus Asien war Verstrkung gekommen. Der Knigselbst hatte mit einer greren Zahl von Verbndeten in Griechenland gerechnet.Er hatte sogar gehofft, Philipp werde sich auf seine Seite stellen. Die Reaktion derRmer, deren Streitmacht gerade gro genug war, um zahlenmig imbergewicht zu sein (Acilius hatte nur 20000 Fusoldaten, 2000 Reiter und 15Elefanten), deutete nicht auf einen so raschen Feldzug hin. Beide Seiten glaubtenwohl eher an eine koloniale Expedition, die mit Waffengewalt einer

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    diplomatischen Offensive Nachdruck verleihen sollte, auf keinen Fall aber aneinen groen Krieg, wie Hannibal ihn sich nach dem Muster des ZweitenPunischen Krieges ertrumte. Der Senat selbst war geteilter Meinung. Viele Vterschreckten davor zurck, grere Streitkrfte fr ein Abenteuer im Orienteinzusetzen. Sie befrchteten auch die ansteckende Wirkung der griechischen

    Sitten; die Eroberung des Westens erschien ihnen als ein lohnenderesProjekt.117 Die rmische fides hatte zwar schon zu viele Verpflichtungen imOrient auf sich genommen, als da noch daran zu denken war, dieHerausforderung des Knigs nicht anzunehmen, aber dennoch waren diemeisten Senatoren (und auch die Mehrheit des Volkes) ziemlich festentschlossen, von jeder Eroberung abzusehen. Aus diesem Grund befanden sichin der Armee des Acilius Glabrio zwei legati, L. Valerius Flaccus und M. PorciusCato, die gleichsam als politische Beobachter ein Auge auf den Konsul hatten.118Andererseits war Rom der Auffassung, da mit dem Sieg bei den Thermopylendas Kriegsziel eigentlich nicht erreicht sei. Antiochos hatte vielleicht einen

    Augenblick geglaubt, da es ihm mglich sein werde, in Asien seine eigenePolitik zu machen, aber Scipio konnte die Rmer davon berzeugen, da derFriede gefhrdet bleibe, solange ein Seleukide Asien beherrsche und Hannibal zuseiner Umgebung gehre. Allmhlich reifte so der Plan eines groen Krieges.Sein Ziel war jedoch nicht die Eroberung der Mittelmeerwelt, er sollte Romvielmehr in die Lage versetzen, den anderen Mchten seine Bedingungen zudiktieren und ber das Gleichgewicht der Krfte zu wachen. Die nderung desKriegsziels kam nach den Thermopylen symbolisch darin zum Ausdruck, dader Senat sich entschied, Acilius durch einen angeseheneren Fhrer zu ersetzen,dessen Entscheidungsspielraum fr die Ausweitung des Kampfes erheblich

    vergrert werden sollte. An Scipio Africanus dachte man dabei zu allererst, erwar j