FLAMENCO, NATTERNKÖPFEN UND CALDERA · PDF fileFLAMENCO, NATTERNKÖPFEN UND CALDERA...

2
EIN LEBEN ZWISCHEN JAZZ, FLAMENCO, NATTERNKÖPFEN UND CALDERA Die Menschen auf der spanischen Insel La Palma haben ihn beim ersten Besuch spontan begeistert. Die Natur sowieso. Tagelang trieb er sich auf Wanderungen allein in der Caldera rum, badete in Wasserläufen und schlief im Zelt. Auf der Insel fand er, wonach er sich immer sehnte: Ruhe, Natur und Abgeschiedenheit. Alexander Sputh lebt seit 1987 auf La Palma. Seit über 20 Jahren arbeitet er für den DAV Summit Club als Wanderguide auf der Insel. Ein Mann, so kontrastreich wie die Insel. Ein Porträt. Text: Johanna Stöckl Fotos: Uli Ertle, Johanna Stöckl

Transcript of FLAMENCO, NATTERNKÖPFEN UND CALDERA · PDF fileFLAMENCO, NATTERNKÖPFEN UND CALDERA...

Page 1: FLAMENCO, NATTERNKÖPFEN UND CALDERA · PDF fileFLAMENCO, NATTERNKÖPFEN UND CALDERA ... Kind Gitarre, die er in den 1970er-Jahren an der Musikhochschule Köln studierte. Im Juli 1978

EIN LEBEN ZWISCHEN JAZZ, FLAMENCO, NATTERNKÖPFEN

UND CALDERA

Die Menschen auf der spanischen Insel La Palma haben ihn beim ersten Besuch spontan begeistert. Die Natur sowieso. Tagelang trieb er sich auf Wanderungen allein in der Caldera rum, badete in Wasserläufen und schlief im Zelt. Auf der Insel fand er, wonach er sich immer sehnte: Ruhe, Natur und Abgeschiedenheit. Alexander Sputh lebt seit 1987 auf La Palma. Seit über 20 Jahren arbeitet er für den DAV Summit Club als Wanderguide auf der Insel. Ein Mann, so kontrastreich wie die Insel. Ein Porträt.

Text: Johanna Stöckl Fotos: Uli Ertle, Johanna Stöckl

Page 2: FLAMENCO, NATTERNKÖPFEN UND CALDERA · PDF fileFLAMENCO, NATTERNKÖPFEN UND CALDERA ... Kind Gitarre, die er in den 1970er-Jahren an der Musikhochschule Köln studierte. Im Juli 1978

Sein Alter konnte keiner von uns auch nur im Ansatz schätzen. Die Insel hat ihm offensichtlich gut getan, das ruhige Leben in den Bergen hat ihn jung gehalten. Dass Alexander schon über 60 ist, sieht man ihm nicht an. Kein Gramm Fett an seinem Körper. Er sieht aus wie ein Marathonläufer. Sehnig, drahtig, etwas ausgemergelt. Zum Wandern trägt er Shorts, die auch als Badehose durchgehen könnten. Das nur zum Thema Funktionsklamotten! Sein T-Shirt zieht er nach 30 Minuten aus und trägt es fortan als Sonnenschutz am Kopf unter seinem Schlapphut. Wenn er durch das Grün des Nationalparks Caldera de Taburiente streift, sieht er aus wie ein Waldschrat. Ein merkwürdiger Kauz, denke ich am Anfang. Durchaus sympathisch. Nach vier Tagen, in denen wir mit ihm unterschiedlichste Touren auf La Palma unternommen und mehrmals gemeinsam beim Essen am Tisch gesessen haben, muss ich den Kauz zum Abschied ganz fest drücken. Alexander und seine Lebensgeschichte haben mich berührt, obwohl es aufregendere, spektakulärere Lebensläufe gibt. Eben drum: Es war das Unaufgeregte, Bescheidene, Zurückhaltende, das Selbstlose an ihm, was mir so gefallen hat.

Außerdem werde ich den Eindruck nicht los, dass Alexander die Insel La Palma, die Kräfte, die von diesem Eiland ausgehen, mehr als andere, die auf der Insel leben, inhaliert und in seine ganz eigene Lebensenergie transformiert hat. La Palma ist voller Gegensätze. Mal knallgrün und bunt, später schroff und karg, mal steinig, mal windig-kalt, dann wieder heiß. Lieblich oder idyllisch ist die Insel nie. Alexander ist ebenfalls voller Kontraste. Anfangs präsentiert er sich zurückhaltend – oder nennen wir es besser schüchtern. Ein bisschen nervös wirkt er auch am ersten Tag. Stellt man ihm jedoch gezielt Fragen, sprudelt es nur so aus ihm heraus. Alexander ist kein Selbstdarsteller. Keine Rampensau. Auch keiner, der einen ungefragt mit Informationen überhäuft. Zeigt man aber ernsthaftes Interesse, bekommt man eine Überdosis seines Inselwissens aufgetischt. 1981 kam Alexander Sputh für einen Urlaub auf die Insel und war auf Anhieb infiziert. In Bottrop geboren, fand er auf La Palma genau das, was ihm zu Hause im Ruhrpott fehlte. Frischluft, blauer Himmel, milde Temperaturen das ganze Jahr Sonne, grenzenlose Freiheit. Und ein Prise Abenteuer. 1987 ist er endgültig nach La Palma ausgewandert. Damals war die Insel natürlich viel weniger touristisch erschlossen als jetzt. Aber auch heute geht es auf La Palma deutlich beschaulicher zu als auf den restlichen Kanaren. Ein Grund, wieso sich Alexander, der sich selbst als Einzelgänger bezeichnet, nach wie vor sehr wohl auf der Insel fühlt. Seit 1989 arbeitet er als Wanderguide und Reiseleiter auf La Palma. 1992 führte er die erste Gruppe des DAV Summit Club auf die Inselberge. Und tut es heute noch mit großer Freude. Die deutschen Wandertouristen verbinden ihn schließlich mit seiner Heimat.

Im Bett liegend google ich seinen Namen. Ich staune wieder. Wikipedia wirft mir Alexanders Vita aus:

Sputh, dessen Vater Jazzviolinist war, lernte als Kind Gitarre, die er in den 1970er-Jahren an der Musikhochschule Köln studierte. Im Juli 1978 gehörte er mit Reiner Michalke und Achim Fink zu den Gründern der Initiative Kölner Jazz Haus; im gleichen Jahr trat er gemeinsam mit Paul S. Haltod auf dem ersten Kölner Jazz Haus Festival in Köln-Holweide auf. Überregional wurde er zunächst als Mitglied des Jazzrock-orientierten Ocean Orchestra bekannt, das mit Herbert Grönemeyer auftrat. Daneben war er seit 1979 als Lehrer an der Offenen Jazz Haus Schule tätig. Mit Sigi Busch spielte er das Duo-Album A New Way of Living (EGO 1980) ein. Beim Jazzfestival in Bratislava 1985 trat er mit dem Quartett von Emil Viklický auf. Als Studiomusiker arbeitete er auch mit Frank Duval.

Seit 1987 lebt er überwiegend auf der Kanareninsel La Palma, wo er sowohl als Reiseleiter und Bergwanderführer tätig ist als auch weiterhin als Musiker. Mit der Flamencojazz-Gruppe Ziriab, die er gemeinsam mit Pedro Sanz leitet, war er mehrfach auch auf dem spanischen Festland auf Tournee. 2010 spielte er mit seinem Trio auf dem Jazzfestival in Rheine.

Was wir beim Live-Konzert spüren durften, erleben wir anderntags noch einmal. Auf einer botanischen Ebene. Alexander kann sich nämlich besonders auch für Pflanzen sehr begeistern. Und davon hat die Insel genug zu bieten: Drachenbäume, La Palma Veilchen, Zistrosen, Baumheide, Lorbeerbäume, Kanarische Kiefern, Hornklee usw. Im Angesicht endemischer Pflanzen, also solcher, die – wie der Lotus Pyranthus – nur auf La Palma gedeihen, lässt sich Alexander erneut zu einem Gefühlsausbruch hinreißen. Übermütig ein kleines Kind düst er später von einem Natternkopf zum anderen und lässt sich das einzige Mal in vier Tagen bereitwillig fotografieren. Er posiert sogar vor den meterhohen lila Prachtgewächsen, die in der Form nur auf La Palma und Teneriffa wachsen und für deren Erhalt er sich aktiv einsetzt.

....während ich diese Zeilen schreibe, läuft Alexanders CD „Ziriab La Magica del Momento“ im Hintergrund. Auf Wiedersehen, Alexander! Hoffentlich bis ganz bald!

Zwei Töchter hat der Aussteiger, der heute mit einer Spanierin verheiratet ist. Ein Mädchen ist in Deutschland geboren. Die jüngere Tochter kam in Spanien zur Welt. Seine beiden Kinder sind ein menschgewordenes Sinnbild seines Lebens. Denn gänzlich mit seiner Heimat abgeschlossen hat Alexander noch lange nicht. Manchmal, so erzählt er, träumt er davon, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Der Kultur und Ordnung wegen. Beides vermisse er sehr auf der Insel. Denn Alexander ist nicht nur Wanderguide, sondern vor allem Musiker. Und was für einer!

Alexander ist ein begnadeter Jazz-Gitarrist. Am zweiten Tag unseres Wanderurlaubs bringt er zum Abendessen sein,

wie er selbst sagt, „bestes Stück“ mit und liefert uns ein Konzert auf dem Marktplatz von Los Llanos. Wie sehr habe ich diesen Mann unterschätzt bzw. falsch eingeordnet. Das eher Schroffe, das er in den Bergen an den Tag legt, ist verschwunden, sobald er spielt. Selbstvergessen geht er in der Musik auf. Er schließt die Augen, wenn er spielt. Voller Emotion ist dieser Mann. Und wie sensibel! In der Musik kann er seine Gefühle zeigen, die uns jetzt regelrecht überfluten. Wir alle, die wir seine Wandergruppe bilden, sind begeistert. Plötzlich sind wir seine Groupies!

INFO

Wandern mit Alexander Sputh auf La Palma Buchbar beim DAV Summit Club. www.dav-summit-club.de

Alexander Sputh auf youtube www.youtube.com