FOR RECHTSGESCHICHTE - MGH-Bibliothek · 2012. 11. 5. · zeitschrift der savigny-stiftung for...

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ZEITSCHRIFT DER SAVIGNY-STIFTUNG FOR RECHTSGESCHICHTE i-h HERAUSGEGEBEN VON R. KNÜTEL, G. THÜR, G. KÖBLER, E. WADLE, H.·J. BEeKER, C. LINK, K. W. NÖRR HUNDlfTZWANZIGSTER BAND KANONISTlseHE ABTEILUNG LXXXIX 200 3 1910 BEGRÜNDET VON ULRICH STUTZ BÖHLAU VERLAG WIEN-KÖLN-WEIMAR c)fl;/AOt.'j r: ~, \

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  • ZEITSCHRIFTDER SAVIGNY-STIFTUNG

    FOR

    RECHTSGESCHICHTEi-h

    HERAUSGEGEBEN VON

    R. KNÜTEL, G. THÜR,G. KÖBLER, E. WADLE,

    H.·J. BEeKER, C. LINK, K. W. NÖRR

    HUNDlfTZWANZIGSTER BAND

    KANONISTlseHE ABTEILUNG LXXXIX

    2003

    1910 BEGRÜNDET VON

    ULRICH STUTZ

    BÖHLAU VERLAG WIEN-KÖLN-WEIMAR

    c)fl;/AOt.'j

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  • I.

    Vicarius Christi - sacratissimus legislator -sacra majestas

    Religiöse Herrschajtslegitimierung im Mittelalter

    Von

    Franz-Reiner Erkens

    Die junge Königin saß, bis auf die Ohrringe bar jeden Schmuckes undnach Ablegung ihrer Staatsgarderobe nur noch schlicht gekleidet mit einemweißen Gewand, unter einem von vier Rittern des Hosenbandordens gehalte-nen, golddurchwirkten Baldachin auf König Edwards Thron, während zweiBischöfe ihre Seiten flankierten und der Erzbischofvon Canterbury, assistiertvom Dekan von Westminster, der geweihtes Öl aus einer adlerförmigen Sil-berampulle in einen Löffel goß, die demütige und der Gnade Gottes bedürf-tigen Fürstin nach uraltem, weit in das frühe Mittelalter zurückreichenden,spätestens seit dem 11. Jahrhundert ununterbrochen geübten') und 1689 inseine bislang bleibende Form gebrachten Brauch an Händen, Brust und Hauptsalbte'), wonach die Königin niederkniete und der Erzbischof den Segen übersie sprach. "Thus Elizabeth II became a queen in the sight of God."

    Diese Szene spielte sich also nicht im märchenhaften Dunkel längst ver-gangener Zeiten ab, sondern erst vor einem knappen halben Jahrhundert, am3. Juni 1953; und Teil hatte an ihr nicht nur eine auserlesene Schar höchsterWürdenträger, sondern Millionen Menschen konnten im Film und dem neuen

    I) Vg!. George Garnett, Coronation, in: Michael Lapidge u. a. (Hgg.), TheBlackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England, Oxford 1999, S. 122ff., beson-ders 123.

    2) Vg!. Percy Ernst Schramm, Geschichte des englischen Königtums imLichte der Krönung, Darmstadt 21970,sowie die English Coronation Records, ed. byLeopold G. Wickham Legg, Westminster 1901.

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    Medium des Fernsehens die ehrwürdige Handlung verfolgen, an die sich dieInvestitur mit den Zeichen der königlichen Macht, die Krönung und die Hul-digung durch die Großen des Reiches anschloß. Auch die "Times" berichteteausführlich und brachte im Juni 1953 eine Krönungsbeilage, ein "Corona-tion Supplement" heraus, aus dem soeben zitiert worden ist und das unterdem Titel steht: "The Queen takes possession of her kingdom." Natürlichdarf man darauf gespannt sein, ob nach all den Erschütterungen, denen dasenglische Königshaus in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts ausgesetztwar, sich auch der nächste Thronwechsel injenen traditionellen Formen voll-ziehen wird, die 1953 noch auf eine ungeteilte Zustimmung breiter Bevölke-rungsschichten stießen und die Monarehin keinesfalls nur als Oberhaupt deranglikanischen Kirche mit einer religiösen Aura umgaben.

    Der Chronist der "Times" jedenfalls sprach damals ganz unbefangen vonden religiösen Handlungen ("religious rites"), die vollzogen wurden, vomhöchsten sakramentalen Augenblick ("supreme sacramental moment") derSalbung und von der die Weihe erwartenden Königin als von einer all ihreräußeren Herrlichkeit entkleideten und in der Weite des Kirchenraums vonWestminster Abbey am wenigsten geschmückten, um die göttliche Gna-de bittenden Gestalt: "she was the least omamented figure in the wholeof Westminster Abbey - and the most beautiful. She had put away all heroutward magnificence; she was nothing now except a suppliant for divinegrace." Diesem Empfinden des Reporters entsprach durchaus der Wunschdes Erzbischofs von Canterbury, der auf die Krone, bevor er sie der Königinaufs Haupt setzte, den Segen Gottes in altertümlichem Englisch herabfleh-te, damit ihre Trägerin durch sie "geheiligt" werde: "0 God ... : Bless ... thisCrown, and so sanctify thy servant Elizabeth upon whose head this day thoudost place it for a sign of royal majesty, ..." Nicht zuletzt, wenn auch nur indi-rekt, dürfte selbst die Königin in ihrer Rundfunkansprache auf diese sakraleDimension angespielt haben, als sie ihren Untertanen erklärte: "The cere-monies you have seen today are ancient, and some of their origins are veiledin the mists of the past. But their spirit and their meaning shine through theages, never perhaps more brightly than now."

    Die sakralen Elemente des englischen Königtums sind mithin unüber-sehbar: die Salbung, die Krönung durch Gott, auf die der Erzbischof vonCanterbury hinweist, und schließlich die "Supremacy"3), die den englischen

    3) Vg!. Schramm (Anm. 2) S. 138 und Julius Hatschek, Englische Verfas-sungsgeschichte bis zum Regierungsantritt der Königin Victoria, München - Berlin1913, S. 550ff.

    IIi

    II

  • Religiöse Herrschaftslegitimierung 3

    Königen seit Heinrich VIII. die oberste Leitung der anglikanischen Kirchegarantiert. Dem aus der sog. Postmoderne des 21. Jahrhunderts rückschau-enden Betrachter mag das, was sich bei der Thronsetzung Elisabeths 11.anreligiösen Vorgängen und sakrallegitimierenden Handlungen in WestminsterAbbey abspielte, erscheinen als eine Reminiszenz an längst untergegange-ne Vorstellungswelten, als etwas Unzeitgemäßes in einer aufgeklärten undimmer stärker säkularisierten Gesellschaft, als etwas letztlich Überholtes,das allein noch dem britischen Hang zur Traditionspflege verdankt wird undallenfalls politische Bedeutung gewinnen kann in afrikanischen und asiati-schen Gemeinwesen, in denen es keine philosophische und politische Auf-klärung gegeben hat - in der iranischen "Theokratie" der Mullahs etwa oderin Nepal, wo der am 1. Juli 2001 ermordete König Birendra 1975 ebenfallsnach althergebrachten Zeremonien geweiht worden wart) und auf diese Wei-se einen herrschaftssichernden sakralen Charakter gewonnen hatte').

    Allerdings läßt die Krönung von 1953 deutlich erkennen, in welchen re-ligiösen Bezügen das englische Königtum auch heute noch steht: Es besitztoffenkundig eine sakrale Dimension, die ihm nicht nur aus dem Mittelalterüberkommen ist, sondern die es zugleich mit anderen Monarchien - euro-päischen wie außereuropäischen - teilt oder (in vergangenen Zeiten) teilte.Sakralität scheint ja ohnehin ein bestimmender Wesenszug von zumindestvormoderner Herrschaft gewesen zu sein. Diese Ansicht ist in jüngster Zeitjedoch grundsätzlich in Frage gestellt worden. Sowohl in seiner Dissertation.Königsbilder, Sprechen, Singen und Schreiben über den französischen Kö-nig des achtzehnten Jahrhunderts'") als auch in einer eigenen Abhandlungmit dem Titel: "Das ,Wesen' der Monarchie? Kritische Anmerkungen zum,Sakralkönigtum' in der Geschichtswissenschaft?") übt Jens Ivo Engelsscharfe Kritik an der in Ethnologie wie Geschichtswissenschaft verbreitetenVorstellung vom Sakralcharakter des Königtums. Er verweist dabei zum ei-

    4) Vg!. dazu Michael Wi tz e l, The Coronation Rituals of Nepal with special re-ference to the coronation of king Birendra (1975), in: N iels Gutschowl Axel Mi-chaels (Hgg.), Heritage of the Kathmandu Valley, Proceedings of an InternationalConference in Lübeck, June 1985, SanktAugustin 1987, S. 417-467, und BernhardKölver, Der König: Herr von allem, in: Pranz-Reiner Erkens (Hg.), Die Sa-kralität von Herrschaft, Herrschaftslegitimierung im Wechsel der Zeiten und Räume,Fünfzehn interdisziplinäre Beiträge zu einem weltweiten und epochenübergreifendenPhänomen, Berlin 2002, S. 181-186, besonders 18lf.

    ') Vg!. Bert van den Hoek, Does Divinity Protect the King? Ritual and Poli-tics in Nepal, in: Contributions to Nepalese Studies 17,2 (1990) S. 147-155.

    6) Pariser Historische Studien 52, Bonn 2000.7) In: Majestas 7 (1999) S. 3-39.

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    nen auf die inflationäre Verwendung des Begriffs .Sakralkönigtum", die diesakrale Selbstinszenierung der Monarchen sowie die entsprechenden Äuße-rungen ihrer Herrschaftstheoretiker allzu sehr als bare Münze nehme und da-bei "das jeweils Spezifische historischer Machtkonstellationen und -konzep-te'") vernachlässige sowie Spott und Hohn, die mit kritischer Absicht über ei-nen König ausgeschüttet werden konnten, zu wenig beachte als Hinweise aufein alltägliches und eben nicht sakrales Verständnis von Königsherrschaft.Zum anderen bemängelt er die Unschärfe des Begriffs selbst: ,,Mit dem Kon-zept des ,sakralen' Königtums wird in der geschichtswissenschaftIichen Li-teratur oft sehr unsorgsam umgegangen. Die Folge davon ist, daß der Begriffmittlerweile keine scharfen Konturen mehr besitzt'"); er "droht seine Aussa-gekraft zu verlieren, wenn ohnehin die gesamte Welt vom Sakralen durch-waltet ist. Vor allem die Bemühungen von Ethnologie und Anthropologie,das Sakralkönigtum als überkulturelle Erscheinung zu beschreiben, habenzur Unschärfe des Konzepts beigetragen?"),

    Hier kann nun nicht der Ort sein, sich mit diesen Thesen intensiv ausein-anderzusetzen und vor allem die ebenso zahlreichen wie beachtenswertenEinzelbeoachtungen, die Engels hauptsächlich in seiner Dissertation aus-breitet, näher zu würdigen; auch kann hier dem Problem der verschiedenenWahrnehmungen des Königtums und des unterschiedlichen Verständnissesseines "Wesens" nicht nachgegangen werden. Dabei müßte ja eine Vielfaltvon - schon früh feststeIlbaren und den Vorstellungen von Herrschersakra-lität widersprechenden") - Positionen ebenso berücksichtigt werden wie die

    8) Vg!. ebd. S. 37.9) Engels, Königsbilder(Anm. 6), S. 240.10) Ebd. S. 241; vgl. auch ders., "Wesen" der Monarchie (Anm. 7), S. 13: ,,,Sakra-

    lität' scheint als wohlwollend gemeinter Sammelbegriff für all jene Aspekte des altenKönigtums und seinerAkzeptanz zu stehen, die in der modernen Weltverlorengegan-gen sind und die die Wissenschaftler nicht auf eine Form von Rationalität zurückfüh-ren können", sowie 25: "Könnte es nicht allein der Klang des großen Wortes sein, derunbeschadet aller historischen Belegverfahren unsere Vorstellung von ,Sakralkönig-tum' auf einer schwer reflektierbaren Ebene vorfertigt ...1"

    11) Vgl. dazu etwa Bernhard Töpfer, Tendenzen zur Entsakralisierung derHerrscherwUrde in der Zeit des Investiturstreites, in: Jb. f. Gesch. d. Feudalismus6 (1986) S. 163-171; FrantBek Graus, Mittelalterliche Vorbehalte gegen dieSakralisierung der Königsrnacht, in: Marc Bloch aujourd'hui, Histoire comparee etsciences sociales. Textes reunis et presentes par Hartrnut Atsma et Andre Bor-gui ere, Paris 1990, S. 116-123, sowie Pranz-Reiner Erkens, Sakrallegitimier-te Herrschaft imWechsel der Zeiten und Räume, Versuch eines Überblicks, in: ders.(Hg.), Sakralität von Herrschaft (Anm. 4), S. 7-32, besonders 13, aber auch TilmanStruve, Die Salier und das römische Recht, Ansätze zur Entwicklung einer säkula-

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    für das Mittelalter anders als für das 18. Jahrhundert kaum zu beantwortendePragev), was das einfache Volk vom Königtum dachte, wozu hier jedochweder Zeit noch Raum ist. Das Ziel der folgenden Bemühungen ist hingegeneher bescheiden: Es soll, wie von Engels angemahnt, der Versuch unternom-men werden, die Kriterien zu beschreiben, die erfüllt sein müssen, um voneinem sakral legitimierten Königtum sprechen zu können, denn die Vor-stellung von einer eigentümlichen Sakralität vormoderner Herrschaft undihrer Träger einfach aufzugeben oder sie zumindest auf den Bereich "desstaatstheoretischen Diskurses=uj zu beschränken und statt dessen mit Blickauf das Königsbild der einfachen Bevölkerung eher an eine vom Königtumausgehende Faszination zu denken, wie Engels vorschlägt's), führt nichtweiter, da eine solche Faszination ja nicht aus sich selbst heraus entstanden,sondern allein als Reaktion auf einen durch die besondere Attraktivität derMonarchie ausgelösten Reiz") begriffen werden kann. Um die - im übrigenweltweit faßbare's) - sakrale Dimension dieser Attraktivität soll es im fol-genden gehenden.

    Um sie zu erfassen, sind jedoch zunächst einige Vorklärungen nötig.Erstens: Trotz des globalen Charakters dieser Erscheinung beschränken

    sich die folgenden Ausführungen aus für einen Mediävisten naheliegendenGründen auf das mittelalterliche Europa, und zwar hauptsächlich auf den Be-reich der sogenannten karolingischen Nachfolgestaaten unter Einschluß derbritischen Insel. Zwischen diesen Regionen, die bis zur Reformationszeit voneiner romorientierten christlichen Tradition geprägt waren, gab es vielfaltigeBeziehungen und einen gelegentlich regen Gedankenaustausch.

    ren Herrschaftstheorie in der Zeit des Investiturstreites (=Abh.Akad. Mainz, Jg. 1999Nr. 5), Stuttgart 1999.

    12) Vg!. dazu etwa Franz-Reiner Erkens, Konrad 11.(um 990-1039), Herr-schaft und Reich des ersten Salierkaisers, Regensburg bzw. Darmstadt 1998, S. 146f.

    13) Engels, Königsbilder (Anm. 6), S. 268.14) Vg!. ebd. S. 268f. sowie ders., "Wesen" der Monarchie (Anm. 7), S. 38.IS) Dies gesteht auch Engels, Königsbilder (Anm. 6), S. 269, ein, wenn er erklärt,

    der König sei "ein Symbol der Gesellschaftsordnung" gewesen und schließlich fort-fahrt: "Die Untertanen sahen im König einen bedeutsamen Menschen, in dessen We-sen sich etwas ungeheuer Wichtiges verbarg. Um was es sich dabei genau handelte,war ihnen wohl selten klar." Worin aber gründete dieses Bedeutsame des königlichenMenschen? ,,Abgesehen von den Einschränkungen zum ,sakralen Element' kann mandie Bedeutung der offiziellen Königsdarstellung [für die Königsvorstellung der einfa-chen Untertanen] wohl recht hoch ansetzen" (ebd.).

    16) Vgl, dazu etwa die in dem in Anm. 4 genannten Band publizierten Beiträgeüber "Die Sakralität von Herrschaft".

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    Zweitens: Diese räumliche und zeitliche Einschränkung zieht wichtigeFolgen nach sich. Einerseits werden aus den Überlegungen die vorchristli-chen Zeiten") und vor allem die paganen Religionen der Antike ebenso aus-geschlossen wie die außereuropäischen Kulturen, in denen sich mancherortswie in Indien und China sowie wohl sekundär auch in Japan eigene Vorstel-lungen") über die religiöse Legitimierung ,weltlicher' Herrschaft in einemreichen Maße entwickelten. Konsequenz des christlich-jüdischen Monothe-ismus und der von ihm betriebenen überscharfen Trennung von Diesseitsund Jenseits sowie der mit dieser klaren Scheidung verbundenen Distanz-vergrößerung zwischen göttlichem Himmel dort und der von den Menschenbewohnten Erde hier war die banale Tatsache, daß der christliche Herrscher- anders als seine heidnisch-römischen Vorgänger") oder die Könige Alt-ägyptens") - niemals selbst ein Gott sein oder werden konnte; und aucheine Gottessohnschaft oder die himmlische Abstammung, die im Alten Ori-ent ebenso wie in China und Japan geläufig waren"), blieben ihm verwehrt.Divinität ist somit aus mediävistischer Perspektive als zentrales Element derHerrschersakralität auszuschließen.

    Andererseits wird aber auch auf eine Betrachtung der Neuzeit und da-mit auf die stärkere Berücksichtigung von Säkularisierungsprozessen ver-zichtet. Transformationen sakralen Herrschaftsdenkens in den Bereich derpolitischen (Pseudo- )Religion22) von totalitären Weltanschauungen oder

    17) Vg!. dazu Erkens, Sakrallegitimierte Herrschaft (Anm. 11), S. 12,15 und 29.18) Vgl, dazu ebd. S. 20 und 25 sowie ders., Modeme und Mittelalter oder Vonder

    Relevanz des praktisch Untauglichen, Ein Plädoyer für das historische Interesse anälteren Epochen, in: ders. (Hg.), Karl der Große in Renaissance und Modeme, ZurRezeptionsgeschichte und Instrumentalisierung eines Herrscherbildes (= Das Mittel-alter, Perspektiven mediävistischer Forschung, Zeitschrift des Mediävistenverbandes4,2), Berlin 1999, S. 95-122, besonders 118f.

    19) Vgl. Manfred Clauss, Deus praesens, Der römische Kaiser als Gott, in:Klio 78 (1996) S. 400-433, und ders., Kaiser und Gott, Herrscherkult im römischenReich, Stuttgart - Leipzig 1999.

    20) Vgl, etwa Elke BlumenthaI, Die Göttlichkeit des Pharao, Sakralität vonHerrschaft und Herrschaftslegitimierung im alten Ägypten, in: Erkens (Hg.), Sakra-lität von Herrschaft (Anm. 4), S. 53--61.

    21) Vg!.Anm. 18.22) Vg!. dazu Hans Maier, Politische Religionen, Die totalitären Regime und

    das Christentum, Freiburg i. Br. 1995; ders. (Hg.), Totalitarismus und PolitischeReligionen, Konzepte des Diktaturvergleichs, Paderbom u. a. 1996; ders.lMichaelSchä fer (Hgg.), Totalitarismusund Politische Religionen,Konzepte des Diktaturver-gleichs 11,Paderbom u. a. 1997, und Hermann Lübbe (Hg.), Heilserwartung undTerror, Politische Religionen des 20. Jahrhunderts, Düsseldorf 1995.

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  • Religiöse Herrschaftslegitimierung 7

    der sogenannten Zivilreligion amerikanischer und europäischer Prägung")bleiben damit unberücksichtigt. Zweifellos nehmen diese quasireligiösen Er-scheinungen sakrallegitimierende Traditionen auf, können für ihre gläubigenAnhänger wohl auch die herkömmliche Religion ersetzen, verleihen - wasbesonders für die politischen Religionen zutriffi - ihren Äußerungen aberoft auch einen deutlichen Propagandacharakter, um die eigene Legitimitätzu verstärken, und unterscheiden sich gerade dadurch von den vorrnodemenVerhältnissen. In diesen gewann die Herrschaft eines Königs unter anderemzwar auch an Legitimität durch den Hinweis auf die göttliche Berufung (et-wa mit der bekannten Floskel dei gratia), jedoch wird man angesichts deralle Gesellschaftsschichten durchwirkenden Religiosität") für das Mittelalterdavon ausgehen dürfen, daß dieser Hinweis zumeist auch für wahr gehalten,daß er geglaubt worden ist. Die innere Distanz zu herrschaftslegitimierendenÄußerungen, die spätestens seit der Aufklärung auch Zweifel an den sakralenBezügen einschließen konnte, fehlte während der mittelalterlichen Jahrhun-derte wohl weitgehend - und hohltönende Propaganda sakraler Herrschafts-dimensionen, der Verweis auf religiöse Zusammenhänge, an die man selbergar nicht glaubte, dürfte im Mittelalter vollends unmöglich gewesen sein.

    Drittens: Wirken und Vorstellung von Königtum und Königsherrschaft=)ist niemals eindimensional gewesen, sie setzten sich vielmehr immer aus ver-schiedenen Elementen zusammen. Die Autorität des Königs erwuchs aus sa-kralen, patemal(istisch)en, oft auch dynastischen Komponenten, wurde fun-diert von einer ausreichenden materiellen Basis und gründete nicht zuletzt imErfolg als Heerführer, oberster Richter und Moderator divergierender Adels-interessen") sowie als Wahrer des Friedens. Diese Komponenten waren aufdas engste miteinander verwoben und beeinflußten sich zum Teil wechselsei-tig, lassen sich also in der Realität nur schlecht von einander trennen. Wenneine von ihnen zur wissenschaftlichen Analyse gesondert betrachtet wird, sodarf diese aus praktischen und methodischen Gründen notwendige Isolierung

    23) Vg!. Heinz Kleger/Alois Müller (Hgg.), Religion des Bürgers, Zivilreli-gion inAmerika und Europa, München 1986.

    24) Vg!. dazu etwa Arnold Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittel-alter, Darmstadt 22000.

    25) Vgl. dazu Egon Boshof, Königtum und Königsherrschaft im 10. und It.Jahrhundert, München 21997, sowie Theodor Mayer (Hg.), Das Königtum, Seinegeistigen und rechtlichen Grundlagen (= Vorträge und Forschungen 3), Sigmaringen1956, und Reinhard Schneider (Hg.), Das spätmittelalterliche Königtum imeuropäischen Vergleich (= Vorträgeund Forschungen 32), Sigmaringen 1987.

    26) Vgl, dazu die gesammeltenAufsätze von Gerd Althoff, Spielregeln der Poli-tik im Mittelalter, Kommunikation in Frieden und Fehde, Darmstadt 1997.

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    nicht das komplexe Gesamtbild verzerren - mit anderen Worten: Die folgen-de Betrachtung der sakralen Dimension von Königsamt und -würde soll nichtden Eindruck erwecken, als ob die Sakralität der Wesenszug des mittelalter-lichen Königtums schlechthin gewesen sei. Dies konnte er gar nicht sein, daes ja auch kritische Stimmen zum sakralen Sein des Königs gab") und demHerrscher im Priestertum letztlich ein mehr als ebenbürtiger Konkurrent aufdem Feld der Sakralkompetenz gegenüberstand.

    Nach diesen allgemeinen Vorüber!egungen ist noch eine Begriffsklärungnötig: Engels gibt "Kritische Anmerkungen zum .Sakralkönigtum"?") undunterzieht damit einen Ausdruck der Kritik, der in Ethnologie und Ge-schichtswissenschaft häufiger gebraucht wird, zur Bezeichnung des termino-logisch noch genauer zu fassenden Phänomens aber dennoch wenig geeigneterscheint: Trotz der sakralen Aura, die etwa Kar! den Großen umgibt"), wirdman den Karolinger doch nicht als einen Sakralkönig bezeichnen, seine kö-nigliche und später kaiserliche Herrschaft nicht einfach als ein Sakralkönig-tum verstehen wollen. Diese besondere Erscheinung königlicher Herrschaftwird von Ethnologen, die sich hauptsächlich mit afrikanischen Sozialver-bänden beschäftigen, nämlich als eigene Form eines heiligen, mit der Naturauf eigentümliche Weise verbundenen Königtums verstanden"); und mancheHistoriker, die vor allem die frühgermanischen Verhältnisse betrachten, un-terscheiden zwischen dem Heer- und Sakralkönig"), also zwischen einemHeerführer und dem Nachkommen einer Gottheit, der mit kultischen, man-cherorts die rituelle (Selbst- )Opferung einschließenden Funktionen betraut

    21) Vgl. Anm. 11.28) Vgl. Anm. 7.29) Vgl. dazu etwa Franz-Reiner Erkens, Der König alsgoles drüt, Zur Sakra-

    lität des ungesalbten ostfränkischen Königs, in: HJb 118 (1998) S. 1-39, besonders19-24.

    30) Vg!. Bernhard Streck, Das Sakralkönigtum als archaistisches Modell, in:Erkens (Hg.), Die Sakralität von Herrschaft (Anm. 4), S. 33-51.

    31) Vgl. Waiter Schlesinger, Das Heerkönigtum, in: Mayer (Hg.), Das Kö-nigtum (Anm. 25), S. 105-141, besonders 132-137; Otto Höfler, Der Sakralcha-rakter des germanischen Königtums, ebd. S.75-104, besonders 82-88 und 94 ff.;ders., Germanisches Sakralkönigtum IIII, Tübingen 1952; H[ans] H[ubert]Anton, König, Königtum A. Allgemein und Germanische Königreiche, in: Lexikondes Mittelaters 5 (1991) Sp. 1298-1304. Zum Königsheil vg!. Anm. 64; zur Kritikgermanophiler Kontinuitätsvorstellungen vgl. Franz-Reiner Erkens, Einheit undUnteilbarkeit, Bemerkungen zu einem vielerörterten Problem der frühmittelalterli-chen Geschichte, in: AKG 80 (1998) S. 269-295, besonders 269ff., und JoachimEhlers, Grundlagen der europäischen Monarchie in Spätantike und Mittelalter, in:Majestas 8/9 (2000/2001) S. 49-80.

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    und mit einer übernatürlichen, Witterung und Wachstum beeinflußendenGabe, dem Königsheil, ausgestattet gewesen sein soll. Aber abgesehen da-von, daß das ethnologische Verständnis vom afrikanischen Sakralkönig,der beim Nachlassen seiner besonderen Kräfte sogar getötet werden kann,ebenso umstritten") ist wie die vergleichbare Vorstellung vom germanischenSakralkönigtum"), stellte ein solches Königtum, vorausgesetzt, es existiertewirklich, immer nur eine Sonderform dar, die nicht zur Beschreibung einesallgemeinen Phänomens dienen kann. Um Sakralität, um sakrales oder sakrallegitimiertes Königtum, um die sakrale Dimension der Königsherrschaft unddie sakralen Elemente im Bild vom König geht es daher im folgenden, nichtum ein wie auch immer geartetes Sakralkönigtum.

    Unbestritten erscheinen die drei Jahrhunderte zwischen dem Aufstieg derKarolinger zum König- und Kaisertum einerseits und dem Ausbruch des sog.Investiturstreits andererseits, also der Zeitraum zwischen etwa 751/800 und1076/77, als die Epoche eines in besonderem Maße als sakral empfunde-nen Königtums. Das Davidkönigtum Karls des Großen") und die von demKarolinger ursprünglich als Korrektur irriger Bräuche und Traditionen imkirchlichen Bereich initiierte ,Karolingische Renaissance?"), die aufgrundtheologischer Erwägungen von Ludwig dem Frommen zeitweise geförderteEinheit des fränkischen Großreichs"), die um die erste Jahrtausendwende

    32) Vg!. dazu etwa Adam] ones, "I am all the same as God", Königliche Körperund Menschenopfer in drei westafrikanischen Staaten (18.-19. Jahrhundert), in: Er-kens (Hg.), Die Sakralität von Herrschaft (Anm. 4), S. 201-212, besonders 202 und208, sowie Streck (Anm. 30).

    33) Vg!. WaIter Baetke..Yngvi und Ynglinger, Eine quellenkritische Untersu-chung über das nordische "Sakralkönigtum" (= SBB Akad. Leipzig, Phi!.-hist. Kl.109, H. 3), Berlin 1964; Klaus von See, Kontinuitätstheorie und Sakraltheoriein der Germanenforschung, Antwort an Otto Höfler, FrankfurtlM. 1972, und EvePicard, Germanisches Sakralkönigtum? Quellenkritische Studien zur Germania desTacitus und zur altnordischen Überlieferung, Heidelberg 1991.

    34) Vg!. Erkens, Herrscher als gates drut (Anm. 29), S. 9fT.3S) Vg!. ders., Das Erbe der Kulturen - Die karolingische Renaissance, in: Die

    Weltgeschichte 3, Leipzig - Mannheim 1998, S. 165-170, und ders., Karolus Mag-nus - Pater Europae?, in: Christoph Stiegemann/Matthias Wemhoff (Hgg.),799 - Kunst und Kultur der Karolingerzeit, Karl der Große und Papst Leo Ill. in Pa-derbom, Mainz 1999, S. 2-9, besonders 6ff.

    36) Dazu vg!. zuletzt ders., Divisio legitima und unitas imperii, Teilungspraxisund Einheitsstreben bei der Thronfolge im Frankenreich, in: DA 52 (1996) S. 423-485, aber auch Johannes Fried, Elite und Ideologie oder die NachfolgeordnungKarls des Großen vom Jahre 813, in: Reg ine LeJan (Hg.), La Royaute et les elitesdans l'Europe carolingienne (du debut du IX· aux environs de 920), Villeneuve-

    2 Zeitschrift fllr Rechtsgeschichte. CXX. Kan. Abt.

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    entstandenen christomimetischen Darstellungen Ottos IIp7) und Heinrichs11.38) als von Gott gekrönten Herrschern"), das aus besonderer religiöser Ver-antwortung erwachsene Wirken Heinrichs Ill. für die Kirchenreform sowiedie Charakterisierung dieses Saliers als alter post Christum40) und das Ver-ständnis seiner Herrschaft als .theokratisch'v) können als Höhepunkte in derfrühmittelalterlichen oder voralteuropäischen Geschichte des sakralen Kö-nigtums gelten. Aus den damals formulierten Ansichten über die Königsherr-schaft lassen sich daher am ehesten die Kriterien ableiten, die zur Definitionherrscherlicher Sakralität dienen können.

    Es sind im Grunde drei Elemente, die dabei namhaft zu machen sind undauf das Engste zusammengehören: die Vorstellung, daß der König von Gotterwählt und/oder gekrönt, dem Herrscher das Reich also von Gott übertragenworden sei, daß er Sachwalter Gottes aufErden sei und daß er dadurch in ei-

    d'Ascq 1998, S. 71-109, und Egon Boshof, Ludwig der Fromme, Dannstadt 1996,S.129-134.

    37) Vg!. Gerd Althoff, Otto Ill., Dannstadt 1996 (Schutzumschlag), undFrauz-Reiner Erkens, Mirabilia mundi, Ein kritischer Versuch über ein metho-disches Problem und eine neue Deutung der Herrschaft Ottos 111.,in: AKG 79 (1997)S. 485-498, besonders 490f.

    38) Vgl, Stefan Weinfurter, Heinrich 11.,Herrscher am Ende der Zeiten (1002-1024), Regensburg 1999, S. 131.

    39) Vgl. Johannes Fried, Methode und Problematik historischer Bildanalyse,Hochmittelalterliche Herrscherbilder, in: Forschung Frankfurt 4 (1987) S. 2-7, undFrank Kämpfer, Der mittelalterliche Herrscher zwischen Christus und Untertan,in: Hans Hecker (Hg.), Der Herrscher, Leitbild und Abbild in Mittelalter undRenaissance, Düsseldorf 1990, S. 203-223, besonders 215ff.

    40) Tetralogus, hg. von Harry Breßlau, Wiponis opera (= MGH SS rer. Germ,[6I.]),Hannover31915,S.76(V.19).

    41) Vgl. H[ans] H[ubert] Anton, König, Königtum B. Deutsches Reich I.,Bis zum Investiturstreit, in: Lexikon des Mittelalters 5 (1991) Sp. 1304f.; TheodorSchieffer, Kaiser Heinrich Ill. 1017-1056, in: Hermann Heimpel u. a. (Hgg.),Die großen Deutschen I, Stuttgart u. a. 21956, S. 52-69; Rudolf Schieffer, Hein-rich Ill. (1039-1056), in: Helmut Beumann (Hg.), Kaisergestalten des Mittelal-ters, München 31991, S. 98-115; Egon Boshof, Die Salier, Stuttgart u. a. 42000,S.91-140, und (zum sakralen Selbstverständnis Heinrichs Ill.) Franz-Re inerErkens, Fecit nuptias regio, ut decuit, apparatu, Hochzeitsfeste als Akte monar-chischer Repräsentation in salischer Zeit, in: Detlef Altenburg u. a. (Hgg.), Festeund Feiern im Mittelalter, Paderborner Symposion des Mediävistenverbandes, Sig-maringen 1991, S. 401-421, besonders 403-411 und 419fT., sowie Stefan Wein-furter, Ordnungskonfigurationen im Konflikt, Das Beispiel Kaiser Heinrichs Ill., in:J ü rgen Pet e r soh n (Hg.), Mediaevalia Augiensia, Forschungen zur Geschichte desMittelalters (= Vorträge und Forschungen 54), Stuttgart 2001, S. 79-100, besonders83-92.

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  • Religiöse Herrschaftslegitimierung 11

    nem eigenen, mit einer besonderen Verpflichtung gegenüber der christlichenReligion und Gemeinschaft verbundenen Verhältnis zu Gott stehe.

    Die erste Anschauung spiegelt sich in Formulierungen wie rex a deo elec-tus42) oder coronatusvy; regnum a deo commissumry und nicht zuletzt auch inder berühmten, seit Karl dem Großen zum festen Formularbestand der Herr-

    42) Vgl. etwa Alkuins BriefNr. 41 (um 794/95), ed. Ernst Dümmler, MGHEpist. IV (= Epist. karolini aevi 11),Berlin 1895, S. 84 (rex a Deo electus - hierbezogen auf König David, mit dem Karl der Große aber gleichgesetzt wird), dieGesta Chuonradi imperatoris c. 3, hg. von Breßlau (Anm. 40) S. 22 (Dominus, quite elegit), und die etwa durch eine Inschrift in der sog. Reichskrone zum Ausdruckgebrachte Vorstellung, daß die Könige durch Gott regieren: Per me reges regnant;vgl, Mechthild Schulze-Dörrlamm, Die Kaiserkrone Konrads 11.(1024-1039),Eine archäologische Untersuchung zuAlter und Herkunft der Reichskrone, Sigmarin-gen 1992, S. 135Tafel 10.

    43) Vgl. etwa die Laudes - in der Form: NN a deo coronato magno et pacifico regivita et victoria - und dazu Ernst H. Kantorowicz, Laudes Regiae, A Study inLiturgical Acc1amationsand Medieval Ruler Worship, Berkley - Los Angeles 1946S. 15, sowie Reinhard Elze, Die Herrscherlaudes im Mittelalter, in: ZRG Kan.Abt. 40 (1954) S. 201-223, besonders 218-221; aber auch Karls des Großen Herr-schertitulatur nach 800: MGH DD Karolinorum I, hg. von Engelbert Mühlba-eher, Berlin 1906,Nr. 197 (801 Mai 29) - 218 (813 Mai 9).

    44) Vgl. etwa den Mainzer Krönungsordo, ed. Cyrille VogellReinhard EI-ze, Le Pontifical Romano-Germanique du dixieme siecle, Le Texte I (= Studi e Testi226), Cittä dei Vaticano 1963, S. 246-259, hier 249 (Nr. 7: regnum tibi a Deo conces-sum) oder 257 (Nr. 22: regnique tibi a Deo dati), und Erkens, Herrscher als gotesdna (Anm. 29), S. 26 (und die hierverzeichneten Belege); Ronald Neumann, DieArengen der Urkunden Ottos des Großen, in: AID 24 (1978) S. 292-358, besonders314f.; Hans Hubert Anton, Verfassungspolitikund Liturgie, Studien zuWestfran-ken und Lotharingien im 9. und 10. Jahrhundert, in: Marlene Nikolay-Panteru. a. (Hgg.), Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande, Regionale Befunde undraumübergreifende Perspektiven, Georg Droege zum Gedenken, Köln u. a. 1994,S. 65-103, besonders 82, sowie auch D H IV 269 (1074 Jan. 28), ed. Dietrichvon Gladiß, MGH Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 6, Berlin 1941,S.345 (regni a deo). Folgende Herrscher haben nach Friedrich Hausmann/Alfred Gawlik, Arengenverzeichnis zu den Königs- und Kaiserurkunden von denMerowingern bis Heinrich VI. (= MGH Hilfsmittel9), München 1987, in den Aren-gen ihrer Urkunden daraufhinweisen lassen, daß ihnen das Reich von Gott übertragen(commissum/collatum) worden sei:

    Ludwig der Fromme (Nr. 2383. 2541. 3531)Pippin I. von Aquitanien (Nr. 2721)Karl der Kahle (Nr. 424. 2280. 2541. 2557. 2700)Odo (Nr. 2552. 2557.3335)Karl der Einfältige (Nr. 2117. 2140. 3700)Lothar H. (Nr. 777. 779)Lothar I. von Westfranken-Frankreich (Nr. 2541)

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  • 12 Franz-Reiner Erkens

    scherurkunden gehörenden, gelegentlich variierten, aber ihre Kernaussagenicht verändernden und bis in das 20. Jahrhundert hinein nachwirkenden")Floskel von der Berufung des Königs in sein Amt gratia dei46); aber auch OttosIll. und Heinrichs H. bereits erwähnte .Krönungsbilder'v) verleihen ihr mitchristomimetischer Attitüde bildliehen Ausdruck. Die zweite Anschauung,die Vorstellung von der Stellvertreterschaft Gottes durch den Herrscher, wirdin Briefen, Traktaten, Lebensbeschreibungen und vor allem auch in Krönungs-ordines greifbar, wenn der Herrscher als vicarius Christi oder dei48), als imago

    Arnulf(Nr.3693)Zwentibold (Nr. 3431)Ludwig das Kind (Nr. 2729. 2769. 3133)Konrad I. (Nr. 2953)Otto II (Nr. 2541. 3133)Heinrich 11.(Nr. 3457)Konrad 11.(Nr. 2083. 2729)Heinrich III. (Nr. 2083. 2729)Heinrich IV. (Nr. 2729)Konrad Ill. (Nr. 3224. 3568)Friedrich Barbarossa (Nr. 1501)

    4S) Vg!. etwa Wilhelms II. Titulatur als Deutscher Kaiser (Ernst Rudolf Hu-ber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte 3, Stuttgart u. a. 31990, S. 11Nr. 7c: "Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen,etc .... ") oder die Nennung Elisabeths 11.als D[EI] G[RATIA] und F[idei] D[efensor]auf den Münzen Großbritanniens: Fred Reinfeld, Münzkatalog, Die bekannte-sten Münzen von der Antike bis zur Gegenwart, München o. 1., S. 128f.; allg. vg!.auch Jack Autrey Dabbs, Dei gratia in Royal Titels (= Studies in European Hi-story 22), Den Haag - Paris 1971 (zur Münzprägung unter E1isabeth 11. besondersS. 168f.), und Manfred Groten, Unser lieber gnädiger Herr, Beobachtungen zumHerrschaftsverständnis Wilhelms V. von Jü1ich (gest. 1361), in: RhVjbll 65 (2001)s. 197-221, besonders 209 und 215.

    46) Vg!. dazu etwa Erkens, Herrscher als gates drüt (Anm. 29), S. 24f. (und diehier angeführten Belege, die sich natürlich beliebig vermehren ließen), sowie Wi l-helm Erben, Die Kaiser- und Königsurkunden des Mittelalters in Deutschland,Frankreich und Italien, München - Berlin 1907, S. 314f.

    47) Vg!. Anm. 37 und 38. - Zu diesen und der Kritik ihrer Deutung vg!. jetzt dieBemerkungen von Ludger Körntgen, Königsherrschaft und Gnade Gottes, ZuKontext und Funktion sakraler Vorstellungen in Historiographie und Bildzeugnissender ottonisch-frühsalischen Zeit, Berlin 2001, S. 178-235, der die Herrschersakralitätzwar nicht in Zweifel zieht, sich wohl aber sehr skeptisch über die christomimetischeAussage äußert (dazu wiederum siehe Michael Borgolte in seiner Besprechung,die am 7. Januar 2002 in der Frankfurter Allgemeine(n) Zeitung Nr. 5, S. 42, erschie-nen ist).

    48) Vg!. etwa Erkens, Herrscher als gates drüt (Anm. 29), S. 19f. (und die hierverzeichneten Belege); Hans Hubert Anton, Fürstenspiegel und Herrscherethos

  • Religiöse Herrschaftslegitirnierung 13

    dei oder typus Christi49), auch als alter post Christum50) oder mit ähnlichenAusdrücken vorgestellt wird. Auch der zur Verteidigung seiner sakralenWürde von Heinrich IV. 1076 gegenüber Gregor VII. formulierte Anspruch,(ebenso wie der Papst") allein durch Gott richtbar zu sein"), ist letztlicheine Konsequenz der königlichen Stellvertreterschaft Gottes auf Erden undliefert zugleich ein Zeugnis für die dritte Anschauung, für das Nahverhältnisdes Königs zu Gott, das ansonsten hauptsächlich in der seit der Karolinger-zeit gebräuchlich werdenden Herrscherweihe"), namentlich in der Salbung,sinnfällig wird, den Herrscher als mediator eleri etplebtsr) aus der Schar der

    in der Karolingerzeit, Bonn 1968, S. 372-377, oder Wal ter Ullmann, Principles ofGovernment and Politics in the Middle Ages, London 41978, S. 121ff., sowie darüberhinaus Thietmars von Merseburg Chronic on I 26, hg. von Robert Holtzmann,MGH SS rer. Germ. N. S. 9, Berlin 1935, S. 33 (reges nostri et imperatores, summirectoris vice in hac peregrinacione prepositi), und die Gesta Chuonradi imperatoris c.3, hg. von Breßlau (Anm. 40) S. 23 (vicarius es Christi).

    49) Vgl. etwaAnm. 117 oder Die Texte des NormannischenAnonymus (wie Anm.118) S. 131 und 134 sowie den Mainzer Krönungsordo (Anm. 44) S. 256 (Nr. 19: cummundi salvatore, cuius typum geris in nomine).

    50) Vgl. Anm. 40.51) Vgl. etwa den ,Dictatus pape' von 1075, ed. Erich Caspar, Das Register

    Gregors VII. (= MGH Epistolae selectae 2), Berlin 1920/23, S. 20 (I155a), Satz XIX:Quod a nemine ipse [= papa] iudicari debeat; sowie Albert Michael Koeniger,Prima sedes a nemine iudicatur, in: Beiträge zur Geschichte des christlichen Altertumsund der byzantinischen Literatur, Festgabe Albert Ehrhard, Bonn 1922, S.273-300,und Hubert Mordek, Der römische Primat in den Kirchenrechtssammlungen desWestens vom IV. bis VIII. Jahrhundert, in: 11 primato del vescovo di Roma nel primomillennio, Ricerche et testimonianze, CiM del Vaticano 1991, S. 523-566.

    52) Vgl. Heinrichs IV. längeres Absagescheiben an Gregor VII. von 1076, ed.Ludwig Weiland, MGH Const. I, Hannover 1893, S. 110 Nr. 62: Me quoque, qui/icet indignus inter christos ad regnum sum unctus, tetigisti, quem sanetarum patrumtraditio soli deo iudicandum docuit ...

    53) Selbst wenn Achim Thomas Hack, Zur Herkunft der karolingischen Kö-nigssalbung, in: ZKG 110 (1999) S. 170-190, mit seiner Meinung Recht haben soll-te, daß es im fränkischen Reich schon vor 751 eine Salbungstradition gegeben habe(was freilich noch einmal überprüft werden müßte), so bleibt doch die Feststellungrichtig, daß diese erst seit Karls des Kahlen intensiver Salbungspolitik in der Mittedes 9. Jahrhunderts zu einem verbindlichen Brauch geworden ist; vgl. dazu Erkens,Herrscher als gates drut (Anm. 29), S. 28-35 mit Anm. 215; ders., Sicut Esther regi-na, Die westfränkische Königin als consors regni, in: Francia 20/1 (1993) S. 15-38,besonders 26-37, sowie Anton, Verfassungspolitik (Anm. 44), S. 77-83.

    54) Vgl. den Mainzer Krönungsordo (Anm. 44) S.258 (Nr. 259 und dazu Ru-dolf Schieffer, Mediator eleri et plebis, Zum geistlichen Einfluß aufVerständnisund Darstellung des ottonischen Königtums, in: Gerd AlthofflErnst Schubert

  • 14 Franz-Reiner Erkens

    Laien heraushebt, ihm eine priestergleiche Stellung") verleiht, die ihn durchein vorbildliches Leben"), aber auch durch Predigten") und entsprechendeRegierungsmaßnahmen") zu einem priesterähnlichen Erzieher") des ihm an-vertrauten Volkes (jedoch niemals zu einem die Sakramente spendenden Prie-ster im Amtssinne=) werden läßt. Letztlich gehört in diesen Zusammenhang

    (Hgg.), Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen (= Vorträge und Forschun-gen 46), Sigmaringen 1998, S. 345-361, besonders 354f.

    SS) Außer aufFloskeln wie rex et sacerdos oder rex et propheta - dazu vg!. (mit denBelegen) Erkens, Herrscher als gotes dritt (Anm. 29), S. 10 und 22ff., und Anton,Fürstenspiegel (Anm. 48), S. 110-117 - ist hier vor allem auf den Mainzer Krönungs-ordo (Anm. 44) hinzuweisen, wo die Bischöfe dem König beim Aufsetzen der Kroneerklären (S. 257 [Nr. 22]): Accipe coronam regni ... et per hanc te participem ministe-rii nostri non ignores ...

    56) Vg!. dazu etwa Pseudo-Cyprianus De XII abusivis saeculi, ed. SiegmundHellmann, Leipzig 1909, S. 32-60, besonders 51ff. (Nonus abusionis gradus), undHans Hubert Anton, Pseudo-Cyprian, De duodecim abusivis saeculi und seinEinfluß auf den Kontinent, insbesondere auf die karolingischen Fürstenspiegel, in:Heinz Löwe (Hg.), Die Iren und Europa im frühen Mittelalter II, Stuttgart 1982,S. 568-617, sowie Marita Blattmann, Ein Unglück für sein Volk? Der Zusam-menhang zwischen Fehlverhalten des Königs und Volkswohl in den Quellen des7.-12. Jahrhunderts, in: FmaSt 30 (1996) S. 80-102.

    57) Vg!. etwa die Charakterisierung Karls des Großen als praedicator durch AI-kuin (Anm. 42) oder auch desselben Darstellung des Karolingers als pontifex inpraedicatione in dem Adversus Elipandum Toletanum liber I 16, ed. Migne, PL101, Paris 1851, Sp. 251 D, sowie die Bezeichnung Karls als rector und doctor desVolkes durch einen zeitgenössischen Ependichter: KAROLUS MAGNUS ET LEOPAPA, Ein Paderbomer Epos vom Jahre 799, Paderbom 1966, S. 64 (V. 64 und 67)(sowie dazu Franz-Reiner Erkens, Von Paderbom nach Rom: Ein Kaiserweg?,in: Manfred Hettling u. a. (Hgg.), Figuren und Strukturen, Historische Essaysfür Hartrnut Zwahr zum 65. Geburtstag, München 2002, S. 141-156, besonders 149).Heinrich Ill. ist darüber hinaus sogar nachweislich auf die Kanzel gestiegen; vg!.Monika Minninger, Heinrichs Ill. interne Friedensmaßnahmen und ihre etwaigenGegner in Lothringen, in: Jb. f. westdt. LG 5 (1979) S. 33-52, besonders 33.

    58) Wie etwa Karls des Großen Admonitio generalis und epistola de litteris eo-lend is oder Ludwigs des Frommen admonitio ad omnes regni ordines, ed. AlfredBoretius, MGH Capit. I, Hannover 1883, S. 52 Nr. 22 (789 März 23), 78 Nr. 29(780-800), 303 Nr. 150 (823-825), oder das hier nicht eigens zu dokumentierende,vielfältige Eintreten der Könige für die Kloster- und Kirchenreform.

    59) Vg!. Anm. 57 und Alkuins Hinweis an Karl den Großen in De fide sanctae etindividuae trinitatis, ed. Migne, PL 101, Paris 1851, Sp. 1-58, besonders die Episto-la nuncupatoria Sp. 11-14, etwa 13 A (Multa est omnibus fidelibus in vestra pietategloriandi facultas, dum clementiae vestrae sollicitudo sacerdotalem, ut decet, habetin praedicatione verbi Dei vigorem, ... ), sowie Anton, Fürstenspiegel (Anm. 48),S.1I1ff.

    60) Die Grenze zum Priestertum ist während des gesamten Mittelalters wohl nie- t

    j

  • Religiöse Herrschaftslegitimierung 15

    auch der Glaube an die Mitregentschaft des verstorbenen Königs an der SeiteChristi"), der unter den Saliern den Brauch inspirierte, den Herrschern eineKrone mit ins Grab zu geben").

    Die Vorstellung von besonderen Kräften und Fähigkeiten hingegen, dieKönigen in außereuropäischen Kulturkreisen offenbar zugeschrieben wordensind"), in Form des Königsheils auch bei den Germanen eine Rolle gespielthaben sollen") und im früheren Mittelalter durch die breite Rezeption") desirischen Werks ,De duodecim abusivis saeculi' (von Pseudo-Cyprian=j)einen nicht unerheblichen Einfluß") ausgeübt hat, ist kein zwingend not-

    mals überschritten worden. Auch die hochtönendsten Verkündigungen priesterähnli-cher Aufgaben des Herrschers, wie sie etwa Alkuin vornahm (vgl. Anm. 57), führtennicht zu einer Zuweisung der priesterlichen Vollgewalt an den König; vgl. dazu auchAnton, Fürstenspiegel (Anm. 48), S. 12, sowie allg. Nikolaus Staubach, König-tum Ill. Mittelalter und Neuzeit, in: TRE 19 (1990) S. 333-345.

    61)Vgl. den Mainzer Krönungsordo (Anm. 44) S. 259 (Nr. 25: in hoc regni solioconfirmet et in regno aeterno secum regnare faciat Iesus Christus). - Eine Mitregent-schaft noch zu Lebzeiten des Herrschers paßte hingegen nicht in die abendländischeVorstellungswelt; vgl. dazu schon die Äußerungen der fränkischen Bischöfe, die794 Stellung bezogen gegen die byzantinische Bilderverehrung und in diesem Zu-sammenhang auch energisch gegen den oströmischen Gedanken von der göttlichenMitregentschaft des Herrschers auftraten: Opus Caroli regis contra synodum (LibriCarolini), hg. von Ann Freeman unter Mitwirkung von Paul Meyvaert, MGHCone. II Suppl. I, Hannover 1998, S. 105-115 (1 I), etwa 115,Z. 4f.: Nondum enimconregnamus ei[] qu[amdiu] huius mortalitatis tunica induti sumus.

    62)Vgl. Erkens, Konrad 11.(Anm. 12), S. 9,100 und 217.63) Vgl. Streck (Anm. 30) und Jones (Anm. 32) sowie Eike Haberland, Das

    heilige Königtum, in: Burghard Freudenfeld (Hg.), Völkerkunde, München1960, S. 77-89, besonders 86tf., oder Gillian Fee ley-Har ni k, Issues in divinekingship, in:Annual Review of Anthropology 1985, S. 273-313.

    64) Vgl. etwa Wilhelm Grönbech, Kultur und Religion der Germanen, 2Bde. in einem, Darmstadt 12(=05)1997,S. 135-162, besonders 139-146; WaltherKienast, Germanische Treue und .Königsheil", in: HZ 227 (1978) S.265-324,besonders 282-292.

    65)Vgl. dazu Anton, Pseudo-Cyprian (Anm. 56), S. 579-586 und 597-615.66) Vg!. Anm. 56 (und den auf den König bezogenen neunten Mißbrauch mit der

    Feststellung [So52]: Qui vero regnum secundum hanc legem non dispensat, multasnimirum adversitates imperii to/eral. Idcirco enim saepe pax populorum rumpitur etojJendicula etiam de regno suscitantur; terrarum quoque fructus diminuuntur et ser-vitia popu/orum praepediuntur; multi et varii dolores prosperitatem regni inficiunt,carorum et liberorum mortes tristitiam conferunt, hostium incursus provincias undi-que vastant, bestiae armentorum et pecorum greges dilacerant, tempestates aeris ethiemisperia turbata terrarum fecunditatem et maris ministeria prohibent et aliquandofulminum ictus segetes et arborumJlores et pampinos exurunt).

    67) Vg!. dazu auch Blattmann, ,Ein Unglück für sein Volk' (Anm. 56), passim.

  • 16 Franz-Reiner Erkens

    wendiger Bestandteil der sakralen Königsidee gewesen. Sie konnte dieseIdee ergänzend ausschmücken, aber niemals zu ihrem eigentlichen Zentrumwerden. Besondere Heilkräfte sollen bis in das 11. Jahrhundert hinein ohne-hin nur ganz wenige Herrscher besessen haben=), und die Berichte darüberdienten hauptsächlich dazu, die heiligmäßige Erscheinung eines Königs ganzindividuell hervorzuheben; aber auch das sich seit dem 12.113. Jahrhundertentfaltende Wirken der wundertätigen Könige Englands=) und vor allemFrankreichs, der "rois thaumaturges?"), das die eigentümliche, wenn manso will: gesteigerte, Sakralität gerade dieser Herrscher besonders augenfäl-lig werden ließ, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Befähigung zuWunderheilungen eine Folge, nicht die Ursache der königlichen Sakralitätwar. Ja, die Salbung") selbst, die für die Begründung des Königtums undder sakralen Aura seines Trägers im Verlauf des abendländischen Mittelal-ters eine kaum zu überschätzende Bedeutung gewann, erschien nicht überallund nicht zu allen Zeiten als die entscheidende Vermittlerin der sakralen Di-mension des Herrschers"). In Kastilien, Aragon und Navarra konnte man im

    68) Der Merowinger Guntram (vg!. Gregorii ep. Turonensis Libri historiarum de-cem, ed. Bruno Krusch und Wilhelm Levison, MGH SS rer. Merov. I, Hanno-ver 21937-1951, S. 441f. [IX 21]); der Kapetinger Robert II. (vg!. die Epitoma vitaeregis Rotberti Pii, ed. par Robert-Henri Bautier et Gillette Labory, Helgaudde Fleury, Vie de Robert le Pieux [= Sources d'histoire medievale 1], Paris 1965,S. 128 [c. 27]), und der Angelsachse Edward der Bekenner (vgl, Willelmi Malmes-biriensis monachi De gestis regum Anglorum libri quinque, vo!. I., ed. by WiIliamStubbs, Rolls Series, London 1887, S. 272f. [II 222]; R. A. B. Mynors/R. M.T horn son / M. Win t erb 0 t tom (Hgg.), William of Malmesbury, Gesta regum An-glorum, The History of the English Kings, vo!. I, Oxford 1998, S. 406-410 [II 222.223.224]).

    69) Vgl, Frank Barlow, The King's Evil, in: ders., The Norman Conquest andBeyond, London 1983, S. 23-47 [erstmals 1980, in: EHR 95, S. 3-27].

    70) Dazu immer noch grundlegend Mare Bloch, Die wundertätigen Könige,Milnchen 1998 [frz. 1924], dazu vgl. Jacques LeGoff, La genese du miracle roy-al, in: Mare Bloch aujourd'hui (Anm. 11) S. 147-156; ders., Ludwig der Heilige,Stuttgart 2000 [frz. 1996], S. 733ff. (der sich im ilbrigen [So 728ff.] ebenfalls um eineDefinition der Königssakralität bemüht und dabei als deren Elemente das Sakrale,Religiöse, Priesterliche und Wundertätige unterscheidet, letztlich aber, obwohl sichnatilrlich viele seiner Beobachtungen mit dem hier Vorgetragenen decken, mit seinerBegriffsklärung zu sehr am französischen Vorbild orientiert bleibt), und JoachimEh Iers, Der wundertätige König in der monarchischen Theorie des Früh- und Hoch-mittelalters, in: Paul-Joachim Heinig u. a. (Hgg.), Reich, Regionen und Europain Mittelalter und Neuzeit, Festschrift für Peter Moraw, Berlin 2000, S. 3-19.

    71) Vg!. neben der in Anm. 53 angeführten Literatur auch H[ans] H[ubert]Anton, Salbung H., in: Lexikon des Mittelalters 7 (1995) Sp. 1289-1292.

    72) Vg!. dazu Erkens, Herrscher als gotes drüt (Anm. 29), passim, sowie für

  • Religiöse Herrschaftslegitimierung 17

    späten Mittelalter - ebenso wie in Sizilien - sogar den Salbungsbrauch nach1379. 1414 und 1494 wieder aufgeben. ohne daß die Könige etwas von ihrerSakralität einbüßten").

    das erst späte Aufkommen der Salbung bzw. die zeitweise Unterbrechung des Sal-bungsbrauches in den spanischen Königreichen Kastilien, Aragon und NavarraPercy Ernst Schramm, Die Krönung im Aragonesischen Königreich, in: ders .•Kaiser, Könige, Päpste IV 1, Stuttgart 1970, S. 352-371 [erstmals 1936, in: Home-natje a Antoni Rubi6 i Lluch, Miscellänia d'estudis literaris, histories i lingvisticsIll, S. 577-598], und ders., Der König von Navarra (1035-1512), in: ZRG Germ.Abt. 68 (1951) S. 110-21 0, sowie die folgende Anm. Schon Robert Grosseteste, derBischof von Lincoln (1235-1253), beantwortete die Frage des englischen KönigsHeinrichs III. (1216-1272), quid unctionis sacramentum videatur adicere regiae di-gnitatis, cum multi sint reges qui nullatenus unctionis munere decorentur, mit demHinweis auf die sieben Gaben des Heiligen Geistes, die der König durch die Weiheempfange, nicht ohne jedoch zugleich zu erklären, daß der König dadurch auf keinenFall die priesterliche Würde erhalte: Haec tamen unctionis praerogativa nullo modoregiam dignitatem praefert aut etiam aequiparat sacerdotali, aut potestatem tribuitalicujus sacerdotalis officii; ... , ed. Henry Richards Luard, Robert episcopusGrosseteste, Epistolae (= Rolls Series 25), London 1861, Nr. 124, hier S. 350f. (diebeiden Zitate finden sich aufS. 350 und 351).

    73) Vg!. Teofilo F. Ruiz, Unsacred Monarchy: The Kings of Castile in the LateMiddle Ages, in: Sean Wilentz (Hg.), Rites of Power - Symbolism, Ritual andPolitics since the Middle Ages, Philadelphia 1985, S. 109-144 [erstmals frz. 1984,in: Annales 39, S. 429-453], der allerdings die mittelalterliche Vorstellung von derKönigssakralität zu sehr vom französischen Vorbild (der königlichen Fähigkeit zurKrankenheilung) her versteht und daher zu einer ambivalenten, die sakrale Stellungdes Herrschers im Prinzip verneinenden, nach den in den folgenden Ausführungenvorgetragenen Kriterien letztlich jedoch positiven Aussage kommt (S. 110: "The Ca-stilian kings did not consider their office sacred, even though they believed that askings their responsibilities were of the highest order and were entrusted to them byGod. Never did the kings of Castile and later of Spain claim seriously to have the po-wer to heal the sick"; vg!. auch S. 121-124, 128tf. und 133: ..... let us remember thatFranco's only claim to legitimacy was to be the caudillo, the old medieval leader ofhosts, by the grace of God ..."), sowie Sc h r am m, Krönung im Aragonesischen Kö-nigreich (Anm. 72), S. 366f.; ders., Das Kastilische Königtum in der Zeit Pedros desGrausamen, Enriques 11.und Juans I. (1350-1390), in: Gedächtnisschrift für AdalbertHämel, hg. vom Romanischen Seminar der Universität Erlangen, Würzburg 1954,S. 253-274, besonders 259 und 264 (zu den beiden letzten kastilischen Herrscher-weihen von 1366 und 1379); Ludwig Vones, Geschichte der Iberischen Halbinselim Mittelalter (711-1480), Reiche - Kronen - Regionen, Sigmaringen 1993, S. 160f.;Carlrichard Brühl, Les auto-couronnements d'empereurs et de rois (Xme-XIxes.), Remarques sur la fonction sacramentelle de la royaute au moyen age et a I' epoquemodeme, in: d ers., Aus Mittelalter und Diplomatik, Gesammelte Aufsätze I: Studienzur Verfassungsgeschichte und Stadttopographie, Hildesheim u. a. 1989, S. 444-460[erstmals 1984, in: Comptes-rendus de l'Acad. des Inscriptions et Belles Lettres,

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    Letztlich meint Herrschersakralität also die in den einzelnen christlichenKönigreichen unterschiedlich ausgestaltete, aber im Prinzip gleichartige Vor-stellung von einem besonderen Nahverhältnis des Königs zu Gott. DiesesVerständnis der Herrschersakralität deckt sich im übrigen weitgehend mit derDefinition, die JosefPiper 1988 für den Begriff ,sakral' vorgeschlagen hat"):,,Die Worte ,heilig' und ,sakral' sollen ... weder die unendliche Vollkommen-heit Gottes noch auch die sittliche Größe eines Menschen bezeichnen. Siebesagen vielmehr, daß gewisse empirisch vorfindbare Dinge, Räume, Zeiten,Handlungen die besondere Eigentümlichkeit besitzen, auf eine aus der Reihedes Durchschnittlichen herausfallende Weise der göttlichen Sphäre zugeord-net zu sein." Was hier mit Bezug aufDinge, Räume, Zeiten und Handlungen,mithin Unbelebtes, vorgetragen wird, gilt im mittelalterlichen Sinne ebenauch für Personen - freilich mit der Einschränkung, daß König und König-tum ausdrücklich nur als ,sakral' (sacer), nichtjedoch als ,heilig' (im Sinnevon sanctus) verstanden werden sollten. Der sancta ecclesia tritt seit demHochmittelalter unter Rezeption der antiken Vorstellung, daß alles, was mitdem Kaiser zusammenhängt, sacer75) sei, das sacrum (Romanum) imperium

    Comptes-rendus des seances de l'annee, S. 102-118], besonders 451-457; JoseMaria N ieto Soria, Imägenes religiosas del rey y del poder real en la Castilla delsiglo XIII, in: Miguel Angel Ladero Quesada (Hg.), En la Espafia MedievalV, Estudios en memoria del professor D. Claudio Sänchez-Albomoz 2, Madrid 1986,S.709-729; Peter Linehan, The Politics of Piety: Aspects of the Castilian Mon-archy from Alfonso X to Alfonso XI, in: Rivista Canadiense de Estudios Hispänicos9 (1985) S. 385-404. - Zu den Verhältnissen im süditalienischen Königreich Neapelvg!. Reinhard Elze, Könige im spätmittelalterlichen Italien vom Beginn des 14.bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, in: Schneider (Hg.), Das spätmittelalterlicheKönigtum (Anm. 25), S. 123-134, besonders 125f.

    74) Josef Piper, Was heißt "sakral"? Klärungsversuche, Stuttgart 1988, S. 18.- Zum Begriffsverständnis von ,heilig' vg!. auch Hubert Seiwert, Sakralität undHerrschaft am Beispiel des chinesischen Kaisers, in: Erkens (Hg.), Sakralität vonHerrschaft (Anm. 4), S. 245-265, besonders 245ff. und 253-261.

    75) Zu diesem Begriffvg!. Otto Hiltbrunner, Die Heiligkeit des Kaisers (ZurGeschichte des Begriffs sacer), in: FmaSt 2 (1968) S. 1-30. Die Ausfilhrungen vonJürgen Schatz, Imperium, Pax et Iustitia, Das Reich - Friedensstiftung zwischenOrdo, Regnum und Staatlichkeit, Berlin 2000 S. 133-137, der sacer und sanctus imSinne von .heilig durch Gott seit eh undje' und .geheiligt zur Steigerung des Rechts-schutzes' deutet, bedürfen zweifellos der Modifikation. Sacer bedeutete ursprünglichimmerhin ,,,im Eigentum einer außermenschlichen, göttlichen Macht stehend' unddamit .der Verfilgungsgewalt der Menschen entzogen" (Hiltbrunner S. 18; vg!.ebd. S. 21: "Die Bedeutung des göttlichen Eigentums ist für den Römer die primäreVorstellung, die er mit dem Wort sacer verbindet"), Fritz Kern, Gottesgnaden-tum und Widerstandsrecht im früheren Mittelalter, Zur Entwicklungsgeschichte der

  • Religiöse Herrschaftslegitimierung 19

    gegenüber"); die sanctitas des Papstes") korrespondiert mit der Sakralitätder Herrscher, die zwar persönlich heilig werden konnten wie der fränkischeHerrscher Karl der Große (t 814)18), der liudolfingische Kaiser Heinrich n.(t 1024)19), der angelsächsische König Edward der Bekenner (t 1066)80)oder der französische König Ludwig IX., der Heilige (t 1270)81), dies abernicht von Amts wegen waren. Wohl wurde Friedrich Barbarossa - ähnlichwie seine spätantiken Vorgänger") - in italischen Urkunden gelegentlich alssanctissimus imperator bezeichnet"), aber häufiger war das Epitheton sacra-

    Monarchie, 2. Aufl. hg. von Rudolf Buchner, Darmstadt 1954 [ND 1973], S. 113mitAnm. 237 und 115ff.mitAnm. 249, spricht daher vom sacrum imperium auch alsvon einem "geweihten Reich".

    76) Vgl. dazu etwa Gottfried Koch, Auf dem Wege zum Sacrum Imperium,Studien zur ideologischen Herrschaftsbegründung der deutschen Zentralgewalt im11. und 12. Jahrhundert, Berlin (Ost) 1972, S. 260-279; Heinrich Appelt, DieKaiseridee Friedrich Barbarossas, in: Gunther Wolf (Hg.), Friedrich Barbarossa(= Wege der Forschung 390), Darmstadt 1975, S. 208-244 [erstmals 1967, in: SBBAkad. Wien, Phil.-hist. Kl. 252/4, S. 3-32], besonders 218-225.

    77) Vgl. etwa den ,Dictatus papae' (Anm. 51), Satz XXIII (S. 207): Quod Romanuspontifex, si canon icefuerit ordinatus, meritis beati Petri indubitanter efficitur sanctus..., sowie die heute noch gebräuchliche Anredeform des Papstes als "Heiligkeit" oder"Heiliger Vater". Siehe dazu auch Horst Fuhrmann, Über die "Heiligkeit" desPapstes, in: ders., Einladung ins Mittelalter, München 1987, S. 151-168 [erstmals1981, in: Jb. d. Akad. d. Wiss. in Göttingen 1980, S. 28-43], besonders 156-165.

    78) Vgl, Erich Meuthen, Karl der Große - Barbarossa - Aachen, Zur Inter-pretation des Karlsprivilegs für Aachen, in: Wolfgang Braunfels u. a. (Hgg.),Kar! der Große, Lebenswerk und Nachleben IV: Das Nachleben, Düsseldorf 1967,S. 54-76, besonders 55; ders., Barbarossa undAachen, in: Rhein. Vjbll. 39 (1975)S. 28-59, besonders 33ff., 41; Jürgen Petersohn, Die päpstliche Kanonisations-delegation des 11.und 12. Jahrhunderts und die Heiligsprechung Karls des Grossen,in: Stephan Kuttner (Hg.), Proceedings of the Fourth International Congress ofMedieval Canon Law, Toronto, 21-25 August 1972 (= Monumenta iuris canoniciSeries C: Subsidia Vol. 5), Cittä del Vaticano 1976, S. 163-206; ders., Saint-Denis- Westminster - Aachen, Die Karls-Translatio von 1165 und ihre Vorbilder, in: DA31 (1975) S. 420-454.

    79) Vg!. Weinfurter, Heinrich II. (Anm. 38), S. 271.SO) Vgl. Petersohn, Saint-Denis (Anm. 78), S.421, 433ff.; Bernhard W.

    Scholz, The Canonization of Edward the Confessor, in: Speculum 36 (1961)S. 38-60, besonders 49.

    81)Vg!. dazu zuletzt LeGoff, Ludwig der Heilige (Anm. 70), S. 268f.82) Vgl. die Belege bei Erkens, Herrscher als gotes drüt (Anm. 29), S. 17 mit

    Anm, 117und 1I8.83) Vg!. Pio Cenci (Hg.), Carte e diplomi di Gubbio dall'anno 900 a11200, Pe-

    rugia 1915, S. 209f. Nr. 278 (1I64) und 279 (1164), sowie dazu und zum folgendenWerner Goez, Zur Geschichte des Alexander-Schismas im nordöstlichen Mittel-

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    tisslmusr). Beide Begriffe werden im übrigen ohnehin identisch gebraucht,als Ausdruck eben für die kaiserliche Sakralität und nicht als Hinweis aufeine persönliche Heiligkeit des Staufers.

    Schon die letzten Beispiele zeigen, wie wenig der Investiturstreit und diemit ihm in Zusammenhang gebrachte Wende in der Geschichte des König-tums zu einer Beseitigung der Herrschersakralität im Reich, zu einer völligen.Entsakralisierung'

  • Religiöse Herrschaftslegitimierung 21

    Herrschers im Reich des späteren Mittelalters noch aus, ja, es wurde bishernoch nicht einmal das dazu nötige Quellenmaterial in umfassendem Maßegesichtet, weswegen die nachfolgenden Überlegungen lediglich einen erstenEindruck vermitteln können. Ohnehin kann es vorläufig noch nicht darumgehen, die Gesamtentwicklung der spätmittelalterlichen Herrschersakralitätund ihre verschiedenen Nuancen in den Blick zu nehmen; sondern es stelltsich zunächst allein die Frage, ob die Kriterien, die in der Vorstellungsweltder Jahrhunderte vor 1100 dazu dienen konnten, das sakrale Wesen des Kö-nigs genauer zu fassen, sich auch in der Zeit nach llOO ausfindig machenlassen, ob sich also auch nach dem Investiturstreit noch ein besonderes Nah-verhältnis des Herrschers zu Gott feststellen läßt. Das heißt vor allem die Fra-ge beantworten nach der Fortexistenz der Vorstellungen von der Übertragungder Herrschaft durch Gott, von der Stellung des Königs als Sachwalter undAbbild Gottes aufErden und von einer priestergleichen Verpflichtung gegen-über der christlichen Religion und Gemeinschaft.

    Daß alle Gewalt von Gott stamme (Röm. 13, I), war dem Mittelalter na-türlich eine geläufige Einsicht, auch wenn sich daneben die etwa von Gre-gor VII. propagierte Vorstellung entwickeln konnte vom menschlich-sünd-haften Ursprung der staatlichen Gewalt"), Trotzdem galten die Herrscherfür viele weiterhin als von Gott in ihre Würde eingesetzt. Die Könige selbstbetonten dies, indem sie wie ihre Vorgänger seit Kar! dem Großen in ihrenUrkunden auf ihre Berufung gratia dei89) hinwiesen. Gelegentlich haben siedies aber auch zusätzlich in eigene Worte gefaßt, wie etwa Friedrich Barba-rossa 1157 in einem in seinem ganzen Reich verbreiteten Rundschreiben")

    88) Vg!. dazu die beiden Briefe Gregors VII. an Hermann von Metz vom 25. Au-gust 1076 und 15. März 1081: Register IV 2 (Anm. 51) S. 29 (Illam [= regiam digni-tatem] quidem superbia humana repperit, hanc [= episcopalem dignitatem] divinapietas instituit) und VIII 21, S. 556 Z. 10 - 557 Z. 10,558 Z. 10 - 560 Z. 13, sowiedie Kritik im Hugonis monachi Floriacensis tractatus de regia potestate et sacerdotalidignitate, ed. Ernst Sackur, MGH LdL 2, Hannover 1892, S. 465-494, besonders467 Z. 25-28 und 466 Z. 25-28, und Wolfgang Stürner, Rerum necessitas unddivina provisio, Zur Interpretation des Prooemiums der Konstitutionen von Melfi(1231), in: DA 39 (1983) S. 467-554, besonders 504f.; ders., Peccatum et Potestas,Der Sündenfall und die Entstehung der herrscherliehen Gewalt im mittelalterlichenStaatsdenken, Sigmaringen 1987, S. 131-143; ders., Gregors VII. Sicht vom Ur-sprung der herrscherliehen Gewalt, in: Studi Gregoriani 14 (1991) S. 61--67, sowieRudolf Schieffer, Gregor VII. und die Könige Europas, in: Studi Gregoriani 13(1989) S. 189-211, besonders 194ff. und 207-210.

    89) Einzelbelege erübrigen sich dafür, vg!. Anm. 46.90) MGH Die Urkunden Friedrichs I., Teill. Hg. von Heinrich Appelt, Hanno-

    ver 1975, Nr. 186, hier S. 315: Cumque per electionemprincipum a solo deo regnum

  • 22 Franz-Reiner Erkensund 1159 während eines Disputs mit kurialen Gesandten"), sein EnkelFriedrich H. 1231 in den Konstitutionen von Melfi, dem Liber augusta-lis92), oder Rudolf von Habsburg, als er 1280 ein in die eigene Urkundeinseriertes Privileg des letzten Stauferkaisers bestätigte und dabei auf seineErhöhung zum König ab humilitatis tugurio non sine divino misterio an-spielte"). Aber auch noch im Jahre 1401 erklärte Konrad von Soltau demrömischen Papst Bonifaz IX. als Gesandter Ruprechts von der Pfalz undähnlich wie annähernd ein Viertel Jahrtausend früher Barbarossa dem Papst

    et imperium nostrum sit •... Zu weiteren Belegen vgl. Stürner, Rerum necessitas(Anm. 88), S. 472f. mitAnm. 13und 14.

    91) Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. imperatoris, hg. von Georg Waitz undBernhard von Simson, MGH SS rer. Germ. i. us. sch. [46.] 31912,S. 278 (IV 35):Nam cum divina ordinatione ego Romanus imperator et dicar et sim •... ; vgl. dazuHans- Werner Goetz, Potestas, Staatsgewalt und Legitimität im Spiegel der Ter-minologie früh- und hochmittelalterlicher Geschichtsschreiber, in: Erkens/Wolff(Hgg.), VonSacerdotium und Regnum (Anm. 83), S. 47-66, besonders 54.

    92) Hg. und übersetzt von Hermann Conrad/Thea von der Lieck-Buyken/Wolfgang Wagner, Die Konstitutionen Friedrichs 11. von Hohen-staufen für sein Königreich Sizilien, Nach einer lateinischen Handschrift des 13.Jahrhunderts, Köln - Wien 1973 (vgl, das Prooemium S. 2/4); hg. von WolfgangStürner, Die Konstitutionen Friedrichs 11. für das Königreich Sizilien (= MGHConst. Suppt. 11),Hannover 1996 (vgl. das Prooemium S. 145-148). Das Prooemi-um wurde auch ediert von Stürner, Rerum necessitas (Anm. 88), S. 548-554. Vgl,hieraus vor allem die Festellung: Sicque ipsarum rerum necessitate cogente nee mi-nus divine provisionis instinctu principes gentium sunt creati (ed. Stürner, DA 39,S. 551; ed. ders., MGH Const. Suppt. 11,S. 147; ed. Conrad/Lieck-Buyken/Wagner S.2/4). Zu weiteren Belegen für die Einsetzung durch Gott und für dieherrscherliehe Gottunmittelbarkeit vgl. Hans Martin Schaller, Die KaiserideeFriedrichs 11.,in: ders., Stauferzeit, Ausgewählte Aufsätze (= MGH Schriften 38),Hannover 1993, S. 53-82 [erstmals 1974, in: Probleme um Friedrich H., hg. von J0-sef Fleckenstein (= Vorträge und Forschungen 16), S. 109-134], besonders 63f.,76, 78. - Die Vorstellungvom gottunmittelbaren Kaisertum ging nach dem Sturz derStaufer keinesfalls unter, im 15. Jahrhundert etwa griff Dietrich von Nie(hei)m direktaufFriedrichs 11.Gedankenhorizont zurück, vgl, Achim Funder, Reichsidee undKirchenrecht, Dietrich von Nieheim als Beispiel spätmittelalterlicher RechtsautTas-sung, Freiburg u. a. 1993, S. 133-189 (Kap. 4.1: "Das Rechtsdenken Dietrichs alsReflex der staufischen Kaiseridee unter Friedrich II.")

    93) Acta Imperii inedita seculi XIII. et XIV., Urkunden und Briefe zur Geschich-te des Kaiserreichs und des Königreichs Sicilien in den Jahren 1200-1400, hg, vonEduard Winkelmann, Bd. 2, Innsbruck 1885, S. 102 Nr. 124 (1280 Juli 9), dasganze Zitat lautet (S. 102): Ad monarchiam regie dignitatis ipso auctore, qui supergentes et regna thronum constituit imperatorie dignitatis, ab humilitatis tugurio nonsine divino misterio feliciter evocati, libenter iustis precibus fidelium subditorum, ...•exoptate exauditionis promptuarium aperimus, ut ...

  • •Religiöse Herrschaftslegitimierung 23

    Hadrian Iy'94), daß der neue König (aus dem Hause der Wittelsbacher) vonGott erwählt worden sei"); und während der Krönung Friedrichs Ill., dieam 17. Juni 1442 von dem Kölner Erzbischof Dietrich von Moers in Aa-chen vollzogen worden ist, mußte der zu weihende Habsburger natürlichdie übliche Frage beantworten, ob er ein gerechtes Regiment führen wolle,wobei er zugleich daran erinnertwurde, daß er das Reich von Gott als Le-hen erhalte"): wiltu daz riche dir van gote verleent na rechtikeit dinre fur-faren regeren und kreftlichen beschirmen?

    Nicht nur die Könige selbst behielten während des gesamten Mittelaltersden Glauben an ihre Erwählung durch Gott, sondern auch von anderer Seitewurde er weiter verkündet. 1159 etwa, beim Ausbruch des alexandrinischenSchismas, erinnerten die Wähler Alexanders Ill. den staufischen Kaiser anseine Pflichten gegenüber der römischen Kirche, an seine Verantwortung,die der Größe der dem Herrscher von Gott übertragenen Gewalt entspre-ehe"): Quanto excellentie vestre maior a Deo col/ata est et attributa potestas..., tanto amplius imperialem convenit maiestatem, sacrosanctam Romanamecclesiam ... in omnibus honorare et ei semper et presertim necessitatis tem-pore salubriter atque utiliter providere. 1273 wurde Rudolf von Habsburg- wie der Tiroler Dichter Friedrich von Sonnenburg in der zweiten Hälfte des13. Jahrhunderts verkündet") - von got durch der fürsten munt erwählt. Im

    94) Vg!. Anrn. 90.95) Deutsche Reichstagsakten [künftig: RTA]4 (unter König Ruprecht, Erste Abt.

    1400-1401), hg. von Julius Weizsäcker, Gotha 1882, S. 19Nr. 3, besonders S. 20[6]:quod autem rex regum et dominus dominancium istum regemRomanorum elege-rit, videlicet dominum Rupertum ...• certo ostenditur judicio (vg!. auch die weiterenAusführungen S. 19£.).- Vg!. aber auch die Äußerung von Ruprechts abgesetzemVorgängerWenzel gegenüber Richard n. von England, ed. Odoricus Raynaldus,Annales ecclesiastici Tom. 7, Lucae 1752, S. 392f., hier: 393 (1379Mai 20):Nos. qui-bus imperium universae reipub/icae temporalis a solo Deo ... concessum dignoscitur,oder die Formulierungen inArengen Ludwigs des Bayern, die zusammengestellt sindvon Helmut Bansa, Studien zur Kanzlei Kaiser Ludwigs des Bayern vom Tag derWahl bis zur Rückkehr aus Italien (1314-1329), Kallrnünz 1968, S. 67f.

    96) RTA 16 (1441-1442), hg. von Hermann Herre und Ludwig Quidde,Stuttgart - Gotha 1928, S. 178Nr. 102, das Zitat findet sich auf S. 180,wo auch dielateinische Fassung der Frage notiert ist: vis regnum a deo tibi concessum secundumjusticiam predecessorum tuorum regere et efficaciter defendere? - Auch MaximilianI.mußte 1486die gleiche Frage beantworten, vgl. Albert Huyskens, Die KrönungKönig Maximilians I. in Aachen nach einem unbekannten Frühdruck, in: ZAGV 64/65 (1951/52) S. 72-99 (Edition: 79-99), hier 85: Wiltudas reich. dir vongot verlihen•.,. beschirmen?

    97) Gesta Frid. IV 63 (Anm. 91) S. 308; vg!. dazu Goetz (Anm. 91) S. 52.98) Ed. Oswald Zingerle (= Ältere Tirolische Dichter 2, I), Innsbruck 1878,

  • 24 Franz-Reiner Erkens

    zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts vertrat Dante Alighieri (t 1321), ge-scheiterter Florentiner Staatsmann, Philosoph und Poet"), in seinem Traktat.De Monarchia'!") vehement die Auffassung, daß die königliche Autoritätohne jegliche Vermittlung direkt von Gott stamme und die Wähler (electores)des Kaisers daher nichts anderes seien als die Verkünder (denuntiatores) desgöttlichen Willens'?'). In einem vergleichbaren Gedankenhorizont bewegtesich aber auch Karl IV. (t 1378), als er 1356 in der Goldenen Bulle festlegte,daß die in Frankfurt zur Wahl versammelten Kurfürsten am Tage nach ihrerAnkunft gemeinsam die missa de sancto spiritu feiern sollen adfinem ut ipsesanctus spiritus corda ipsorum illustret et eorum sensibus lumen sue virtutisinfundatI02). Und noch 1497 heißt es in der Schedelsehen Weltchronik"):

    S. 73 (IV 26: hie bi [anläßlich der Kreuzeserscheinung am Tage von Rudolfs Krönungerklärt; vgl. Anm. 209] so wiz ich daz,/daz in got durch der forsten munt ze einemvogete hat erwelt; zu dem Dichter vgl. Oswald Zingerle, Ueber Friedrich vonSonnenburg's Leben und Dichtung, Phil. Diss. Innsbruck 1898, S. 3-24). Vg!. aberetwa auch die während des Konstanzer Konzils am 13. Juni 1417 von Johannes deVeruculo gehaltene Predigt (ed. Heinrich Finke, Acta Concilii Constanciensis 11:Konzilstagebücher, Sermones, Reform- und Verfassungsakten, Münster i.W. 1923,S. 494ff., hier 496), in der Sigismund gefeiert wurde als: a Deo electus, inspiratus,tactus et pertactus.

    99) Zu diesem vgl. den von mehreren Autoren verfaßten Artikel ,Dante Alighieri'im Lexikon des Mittelalters 3 (1986) Sp. 544-563, zum folgenden besonders 555, so-wie Helene Wieruszowski, Der Reichsgedanke bei Dante, in: Dt. Dante-Jb, 14(1932) S. 185-209, besonders 192 und 198; Heinz Löwe, Dante und das Kaiser-tum, in: ders., Von Cassiodor zu Dante, Berlin - New York 1973, S. 298-328 [erst-mals 1960, in: HZ 190, S. 517-552]; Kar! Ferdinand Werner, Das Imperiumund Frankreich im Urteil Dantes, in: Kar! Hauck/Hubert Mordek (Hgg.), Ge-schichtsschreibung und geistiges Leben im Mittelalter, Festschrift für Heinz Löwezum 65. Geburtstag, Köln 1978, S. 546-564.

    100) Ed. Pier Giorgio Ricci, Verona 1965, zum folgenden das Dritte Buch, be-sonders Kap. XV (etwa 15: Sic ergo patet quod auctoritas temporalis Monarche sineullo medio in ipsum de Fonte universalis auctoritatis descendit ... [So275]). Zu Dan-tes Lehre allg. vg!. auch Miethke, Weltanspruch (Anm. 106), S. 396ff., und HeinerBielefeldt, Von der päpstlichen Universalherrschaft zur autonomen Bürgerrepu-blik, Aegidius Romanus, Johannes Quidort von Paris, Dante Alighieri und Marsiliusvon Padua im Vergleich, in: ZRG Kan. Abt. 78 (1987) S. 70--130, besonders 94-101

    101) XV 13 (S. 274£.): Quod si ita est, solus eligit Deus, solus ipse confirmat, cumsuperiorem non habeat. Ex quo haberi potest ulterius quod nee isti qui nunc, nee aliicuiuscunque modi dictifuerint .electores', sie dicendi sunt: quin potius 'denuntiatoresdivine providentie' sunt habendi.

    102) Ed. Wolfgang D. Fritz, MGH Fontes iuris Germanici antiqui XI, Weimar1972, S. 53 (11 1).

    103) Zit. nach dem Reprint von 1975, fol. 183'.

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    Kaiserlicher gewalt und koenigc/iche macht ist nicht allain auß kraft dernatur zu gemaynem nutz eingelaytet, sunder auch durch den hayland unßernherrn ihesum christum gottes sun. Das Wirken Gottes bei der Bestellung derKönige war dabei freilich keinesfalls eine auf das Kaiserreich als einer Wahl-monarchie beschränkte Ansicht; auch für den 1358 in den Franziskanerordeneingetretenen Infanten Pedro von Aragon'?') etwa, seit 1338 Kanzler undzeitweise auch Statthalter seines Neffen Pedro IV. (,eI cerimoni6s') von Ara-gon, war es ebenfalls Gott, der sich den König als seinen baiulus, procuratoret villicus erwählt'?'),

    Das letzte Beispiel führte schon in den Vorstellungskreis der irdischenStellvertreterschaft Gottes durch den Herrscher hinein. Zu dieser lassen sichweitere Belege anführen, die alle zeigen, wie sehr während des späteren Mit-telalters auch diese Ansicht fortlebte. Diese Zeugnisse sind oft gar nicht zutrennen, von den Äußerungen über die Einsetzung des Königs durch Gott.Obwohl sie dabei natürlich zu ganz unterschiedlichen, hier jedoch nichtinteressierenden Gedankengebäuden über die weltliche Herrschaft gehörenkönnen'?'), künden sie grundsätzlich doch von einem herrschaftstheoreti-schen Verständnishorizont, der für viele verbindlich war.

    104) Zu diesem vg!. P[eter] Segl, P[eter] v. Arag6n OFM, Infant v. Arag6n, in:Lexikon des Mittelalters 6 (1993) Sp. 1927f., und Vones (Anm. 73) S. 157, 167,169.

    lOS) Vg!. dazu Wilhelm Berges, Die Fürstenspiegel des hohen und späten Mit-telalters, Leipzig 1938, S. 99f. und S. 345-348 Nr. 36, wo der Inhalt des Traktats ,Devita, moribus et regimine principum' referiert wird und sich aufS. 346 die angeführ-ten Begriffe zitiert finden. Komplett lautet das Zitat (vg!. die Edition von Ferr anValls Taberner, El tractat "De regimine principum" de I'infant Pere d'Arag6, in:Estudis Franciscans 37 [1926] S. 271-287 und 432-450; 38 [1926] S. 107-119 und199-209, hier S. 446): Consideret prudentia tua, potentissime princeps, a quo princi-pio tui principatus principium oritur, et a qua potestate tua regalis potentia derivatur."Ecce unxit te Dominus ... ". Sed super quam hereditatem unxit te in principem Domi-nus? Super haereditatem suam. Suam dixi, non tuam, ad denotandum: quod suum estregnum, suum est imperium, sua est haereditas, sua est potentia regni tui. Tu baiulus,tu procurator, tu vil/ieus Domini es.

    106) Vg!. dazu Berges, Fürstenspiegel (Anm. 105),passim, sowie Tilman Stru-ve, Die Entwicklung der organologischen Staatsautfassung im Mittelalter, Stuttgart1978,besonders Kap. VI-VIII, und Jürgen Miethke, Politische Theorien im Mit-telalter, in: Hans-Joachim Lieber (Hg.), Politische Theorien von der Antike biszur Gegenwart, Bonn bzw.München 1991,S. 47-156, besonders 71-142, und ders.,Der Weltanspruch des Papstes im späteren Mittelalter, Die politische Theorie derTraktate De Potestate Papae, in: Iring Fetscher/Herfried Münkler (Hgg.), Pi-pers Handbuch der politischen Ideen 11. Mittelalter: Vonden Anfängen des Islams biszur Reformation, München - Zürich 1992, S. 351-445; zu den Fürstenspiegeln vgl.

    3 Zeitschrift ftIr Rechtsgeschichte. CXX. Kan. Abt.

  • ! ,26 Franz-Reiner Erkens

    Ludwig der Bayer (t 1347) nennt sich selbst regis regum Iesu Christi vi-cariusr"), Karl IV. (t 1378) wendet sich in den ersten Kapiteln seiner bis zuseiner Thronbesteigung reichenden, die eigene Herrschaft rechtfertigendenAutobiographie in einer Art politischem Testament an seine Nachfolger undschärft ihnen ein, daß sie Abbild und Stellvertreter Gottes auf Erden seien 108),der Oxforder Theologe John Wyclif (t 1384)109) spricht - unter Bezug aufNikolaus von Lyra (t 1349)110) - vom rex qui in temporalibus est Dei vicari-USll1), Aeneas Silvius Piccolomini (t 1464), der spätere Pius 11.,sieht (1446)im Kaiser einen tanquam dei vicem in temporalibus gerentem'"), und für

    auch LeG off, Ludwig der Heilige (Anm. 70), S. 353-380, sowie allg. Einar MarJ önsson, La situation du Speculum regale dans la litterature occidentale, in: Etudesgermaniques 42 (1987) S. 391-408.

    107) Vg!. Joh. Friedrich Böhmer, Regesta Imperii inde ab anno MCCCXIIIIusque ad annum MCCCXLVII, Die Urkunden Kaiser Ludwigs des Baiern, KönigFriedrich des Schönen und König Johanns von Böhmen, Frankfurt/M. 1839, Nr. 1282(1331 April 10, für das Kloster Langheim), ed. Johann Adolph Schultes, Histo-rische Schriften und Sammlungen ungedruckter Urkunden zur Erläuterung der deut-schen Geschichte und Geographie des mittleren Zeitalters I, Hildburghausen 1798,S. 95 Nr. 31: Vniuersis nostri Imperii fidelibus tam potentibus, quam humilibus signi-ficandum duximus per praesentes, quod praedecessorum nostrorum iustis inhaerendovestigiis, Regisque Regum IESV CHRISTi Domini nostri intuitu, cuius nos credimusvicarium ...; vgl. dazu Otto Bornhak, Staatskirchliche Anschauungen und Hand-lungen am Hofe Kaiser Ludwigs des Bayern, Weimar 1933, S. 15, und Heinz Lie-berich, Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, in: ZRG Germ. Abt. 76 (1959)S. 173-245, besonders 221 ff. mit Anm. 135.

    lOS) Eugen Hillenbrand (Hg.), Vita Caroli quarti, Die Autobiographie KarlsIV., Stuttgart 1979, S. 74 (2. Kap.): Si igitur vultis [= diejenigen, die nach Karl herr-schen] efficifilii dei, mandata patris vestri servate, que anunciavit vobis per filium su-um, dominum nostrum Jesum Christum, regem celestem, cuius typum et vices geritisin terris; zum Werk vg!. ebd. S. 7-62, besonders 19ff., 32-38 und 59-62.

    109)Zu diesem vg!. K. Walsh, Wyclif, in: Lexikon des Mittelalters 9 (1998) Sp.391ff.

    110) Zu diesem vg!. R. Peppermüller, N[ikolaus] v. Lyra, in: Lexikon des Mit-telalters 6 (1993) Sp. 1185.

    111) Tractatus de officio regis, ed. by Alfred W. Pollard and Charles Sayle(=Wyc1if, The Latin Works [11)), London 1887, S. 12f.: Postquam descripta est ipsi-us David unccio, hie communi/er describitur sui regiminis disposicio, que quidem estoptima quando incipit a divinis, quia quando rex qui in temporalibus est dei vicarius,bene se habet erga deum, deus in agendo dirigit eum.

    112) Epistola Enee Silvii de Piccolominibus de ortu et auctoritate imperii Roma-ni ad serenissimum et invictissimum principem et dominum, dominum Fridericum,Romanorum regem semper augustum, ed. Gerhard Kallen, Aeneas Silvius Picco-lomini als Publizist in der epistola de ortu et auctoritate imperii Romani, Köln 1939,S. 52-97, hier: 94; vg!. auch ebd. S. 68: Talique modo in Germanos Romanum impe-

  • Religiöse Herrschaftslegitimierung 27

    den großen Philosophen und Theologen Nikolaus von Kues (t 1464) war derKaiser ebenso ein vicarius Christill3) wie für den aus dem Deutschordens-land stammenden Pfarrer zu dem Hechte!"), der dies um die Mitte des 14.Jahrhunderts in seiner Schachallegorie betonte. Und weitere Belege bis in dieNeuzeit hinein ließen sich anführen!").

    rium constat esse Iranslatum, quod per varios manus deductum ad le denique, divecesar Friderice, per legitimam electionem derivatum est tibique suprema in tempora-libus est ex alto commissapotestas ... ZuAeneas vgl. A[rnold] Esch, prius] n., in:Lexikon des Mittelalters 6 (I993) Sp. 2190fT.

    113) Oe concordantia catholica, ed. Gerhard Kallen (und Anna Berger),Nicolai de Cusa Opera omnia 14, Hamburg 1968, S. 20 (Reg.: Imperium potestatemsupremam mundi ac vicariam substitutionem a Christo habere; hinc et Dei ministeret Christi vicarius dicitur gerens typum Christi regnantis super omnes gentes. [zu III5J), S. 353 fT.,besonders 354 (Ill 5: Sed hoc est supremum privilegium, quia ministerdei est, ..., et est ut vicarius Iesu Christi in terris ... - Unde sicut Christus est rex re-gum, ita omnes reges in potestate regnantis dominii quid divini habent.), S. 359-363(Ill 7 ), S. 326 (III prooemium: ... sacra est omnis maiestas et spiritualis et a deo.);vgl. dazu Elisabeth Bohnenstädt, Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolausvon Kues (= SBB Akad. Heidelberg, Philos.-hist. KI. Jg. 1938/39, I.Abh.), Heidel-berg 1939, S. 90 und 97ff., besonders 99; Gerhard Kallen, Die politische Theorieim philosophischen System des Nikolaus von Cues, in: HZ 165 (1942) S. 246-277[ND in: ders., Probleme der Rechtsordnung in Geschichte und Theorie, Zehn ausge-wählte Aufsätze, Köln - Graz 1965, S. 141-171], besonders 267 (aber auch S. 256f.);Johannes Bärmann. Cusanus und die Reichsreform, in: Mitteilungen und For-schungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 4 (1964) S. 74-103, besonders 90, sowiezu dem Werk allg. Gerhard Kallen, Der Reichsgedanke in der Reformschrift Oeconcordantia catholica des Nikolaus von Cues, in: Neue Heidelberger Jahrbücher NF40 (1940) S. 59-76, und Walther, Imperiales Königtum (Anm. 85), S. 231-235; zudem Cusaner vgl. R. Haubst, N[ikolaus] v. Kues, in: Lexikon des Mittelalters 6(1993) Sp. 1181-1184, und Erich Meuthen, Nikolaus von Kues, 1401-1464, Skiz-ze einer Biographie, Münster 71992 (S. 41-49 zur Concordantia catholica).

    114) Zu diesem vgl. Hans Jürgen Kliewer, Die mittelalterliche Schachallegorieund die deutschen Schachzabelbücher in der Nachfolge des Jacobus de Cessolis, Diss.Heidelberg 1966, S. 52 mit Anm. 4, zu dem Verständnis vom König als Stellvertre-ter Gottes vgl. ebd. S. 105 (= E. Sievers, Pfarrer zu dem Hechte, MitteldeutschesSchachbuch, in: Zeitschrift für dt. Alterthum 17 [1874] S. 161-389, hier: 183, Z. 3ff.:und sintemol ein kung rich/etwaz si gote gelich/an sinem ampte daz he treit, ... ).

    lIS) Vgl. etwa die aufFriedrich 11.bezogene Formulierung des Magisters und Pri-ors Salvus von S. Nicola in Bari (der die kaiserliche Gnade wiedererlangen möchte),ed. A. H u i II a r d - B reh 0 II es, Vie et correspondence de Pierre de la Vigne, ministrede I'empereur Frederic 11,avec une etude sur le mouvement reformiste au XIII· siecle,Paris 1864, S. 428t: Nr. 109 (Adest etiam cohoperator ejus [seil. Dei] et vicarius con-stitutus in terris, Romanus princeps nominis et honoris, cujus divina mens in manuDei est et qua voluerit venit Wam), sowie Helene Wieruszowski, Vom Imperiumzum nationalen Königtum, Vergleichende Studien über die publizistischen Kämpfe

    3*

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    28 Franz-Reiner Erkens

    Eng verknüpft mit der traditionellen Vorstellung vom Herrscher als einemStellvertreter Gottes auf Erden war die Charakterisierung des Königs als ima-go DeiIl6). Schon der sog. Ambrosiaster hatte am Ende des 4. Jahrhunderts ineinem während des Mittelalters fälschlich dem hI. Augustinus zugeschriebe-nen Traktat erklärt, der Herrscher sei gleichsam ein Stellvertreter Gottes undinsofern auch dessen Abbild'"), was vielfältig weiterwirkte, um 1100 etwavon dem Yorker Anonymus in einer die königliche Sakralität besonders beto-nenden Weise aufgegriffen worden ist'") und, wenn auch in abgeschwächterForm, während des ganzen späten Mittelalters bis in die frühe Neuzeit hineinin staatstheoretischen Äußerungen virulent blieb sowie selbst Eingang in das

    Kaiser Friedrichs 11. und König Philipps des Schönen mit der Kurie, München 1933,S. 142-149; Karla Eckermann, Studien zur Geschichte des monarchischen Ge-dankens im 15. Jahrhundert, Berlin 1933, S. 18 (wo inAnm. 6 der Kaiser Sigismundgewidmete Dialogus de Regia ac Papali Potestate des Ludwig Strasold aus Friaulzitiert wird: Inclite Auguste Christum regem tuum cuius vicem geris in terris) und 70(wo auf die Ansicht des 1466 in Padua verstorbenen Konsistorialadvokaten AntonioRoselli aus Arezzo verwiesen wird, nach der der Kaiser Christi Vikar auf Erden seiund bei seiner Wahl die Herrschergewalt von Gott selbst übertragen bekomme [vg!.S. 104ff.]), sowie Friedrich Andrae, Das Kaisertum in der juristischen Staatslehredes 15. Jahrhunderts, Ein Beitrag zur Geschichte der ..Kaiseridee" im späten Mittel-alter, Diss. phi!. (masch.) Göttingen 1951, S. 35 und 65 (mit den Anm. 47 und 48 aufS. 64f. des .Apparats", wo etwa [Anm. 48] auf den zu Beginn des 16. Jahrhundertsin Salerno lehrenden Robertus Maranta verwiesen und dessen Ansicht zitiert wird:... nam imperator dicitur vicarius Dei in temporalibus ergo quanto fecit legem supereis dicitur illamfacere auctoritate ... , wo aber auch [Anm. 47] die interessante For-mulierung des 1550 verstorbenen Andreas Alciatus, des ..Begründers der modernenRechtswissenschaft" [ebd. S. 109 im .Apparat], notiert ist, nach der der Kaiser einLegat und Prokonsul Gottes sei: ... item imperator est ordinarius omnium legatus etproconsul Dei ...), und Erkens, Sakrallegitimierte Herrschaft (Anm. 11), S. 16f.

    116) Dazu vg!. Berges, Fürstenspiegel (Anm. 105), S.25-34, und FriedrichBaethgen, Zur Geschichte der Weltherrschaftsidee im späteren Mittelalter, in: Pe-ter Classen/Peter Scheibert (Hgg.), Festschrift Percy Ernst Schramm 1,Wies-baden 1964, S. 189-203, besonders 202.

    117) Pseudo-Augustini Quaestiones Veteris et Novi Testamenti c. 106, 17, rec.Alexander Souter, CSEL 50, Wien - Leipzig 1908, S. 243: Haec imago Dei estin homine, ut unus factus sit quasi dominus ex quo ceteri orirentur; habens imperiumDei quasi vicarius, quia omnis rex Dei habet imaginem.

    118) De consecratione pontificum et regum et de regimine eorum in ecclesia sancta,ed. Karl Pellens, Die Texte des NormannischenAnonymus ... neu aus der Hs. 415des Corpus Christi College Cambridge, Wiesbaden 1966, S. 129-180; vg!. dazuBerges, Fürstenspiegel (Anm. 105), S.28; Kern, Gottesgnadentum (Anm. 75),S. 253-257; Ernst H. Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs, "The King'sTwo Bodies", Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, München 1990[eng!. 1957], S. 64-81.

  • Religiöse Herrschaftslegitimierung 29Kirchenrecht fand'"). Vertreten wurde die Lehre vom Herrscher als imagoDei von ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten, die in ihrer Einstellung zuKirche und Herrschaft keineswegs immer übereinstimmten. Zu nennen sindetwa: der den König ansonsten als sacerdotii minister betrachtende Johannesvon Salisbury=), Gilbert von Tournai'!'), Vinzenz von Beauvais!=) und mitihm ein Anonymus, der fälschlich fur Thomas von Aquin gehalten wordenist (möglicherweise aber Vinzenz von Beauvais oder Guillaume Peyrautwar)!"), der große Aquinate (t 1274) selbst!"), der in späteren Jahren als

    119) C. 33 quo5 C. 13 (ed. Corpus Juris Canonici Tom. I, Coloniae Munatianae1718, Sp. 1101):Haec imago Dei est in homine, UI unus factus sit quasi Dominus, exquo caeteri orirentur; habens imperium Dei, quasi vicarius eius: quia omnis Rex Deihabet imaginem ... ; vgl. dazu Anm. 115und 117sowie Schubert, König und Reich(Anm 87), S. 36 Anm. 8.

    120) Ioannis Saresberiensis Episcopi Carnotensis Policratici sive De nugis curia-lium et vestigiis philosophorum libri VIII, ed. Clemens C. J. Webb, 2 Bde.,London 1909,hier Bd. 2, S. 73r. (VI 25) bzw. Bd. 1, S. 235 (IV 1):Est ergo, ut enimplerique diffiniunt, princeps potestas publica et in terris quaedam diuinae maiesta-tis imago; zu Johannes vgl, Berges, Fürstenspiegel (Anm. 105) S. 131-143, undH[ans]-W[erner] Goetz, J[ohannes] V. Salisbury, in: Lexikon des Mittelalters 5(1991) Sp. 599ff.

    121) Le traite Eruditio regum et principum de Guibert de Tournai, O. F. M., parA[lphonse] de Poorter, in: Les Philosophes BeIges, Textes et Etudes Tome IX,Louvain 1914, S. 89: Princeps enim in exercltio mansuetudinis tipum divinae portalimaginis, ... ;vgl, Berges, Fürstenspiegel (Anm. 105),S. 156, sowie Le Goff, Lud-wig der Heilige (Anm. 70), S. 359-367.

    122) Vincentii Belvacensis De morali principis institutione, hg. von Robert J.Schneider, CC Cont. Med. 137, Turnhout 1995, S. 54-59 (c. 10: Quod rex yma-ginem trinitatis preferre debet et prima in potestate et uirtute), besonders 55: In hiistribus debet conformari sancte trinitatis ymagini, quia patri attribuitur potencia,filio sapiencia, spiritui sancta bonitas; et hoc forte prefiguratum est in genesi, ubilegitur homo factus ad ymaginem dei, qui esset quasi rex uel princeps paradisi ter-restis, immo tocius mundi sensibilis ... ; vgl, Berges, Fürstenspiegel (Anm. 105),S. 194; LeGorr, Ludwig der Heilige (Anm. 70), S. 358,504 und 520-524, sowieR. Düchting/Ch. Hünemörder, V[inzenz] V. Beauvais, in: Lexikon des Mittel-alters 8 (1997) S. 1705-1708.

    123) De eruditione principum, ed. Stanislas Eduard Frette, Opera omnia 27,Paris 1875, S. 552-673; ed. in: S. Thomae Aquinatis Doctoris Angelici O. P. Operaomnia, Parma 1865, Bd. 16, S. 390-476, etwa VI 7: Princeps qui locum Dei tenet, eteum imitari debet ... ; I 2: Septima, quia potestatem habens in hoc tenet locum Dei,et vices Dei debet agere; vgl. Berges, Fürstenspiegel (Anm. 105), S. 195; AntoineDondaine O. P., Guillaume Peyraut, Vie et eeuvres, in: Archivum Fratrum Praedi-catorum 18 (1948) S. 162-236, besonders 163-183 (zum Leben) und 220-232 (zumWerk), sowie LeGorr, Ludwig der Heilige (Anm. 70), S. 358f.

    124) Divi Thomae Aquinatis doctoris angelici De regimine principum ad regem

  • 30 Franz-Reiner Erkens

    strikter Papalist schreibende!") Aegidius Romanus (t 1316)126), Juan Manu-el, offenbar nach dem Vorbild der .Siete partidas" Alfons' X. (des Weisen,1252-1284), in seinem Infantenbuch'") und der von Abneigungen gegen dasPapsttum und die kirchliche Hierarchie geprägte Wyclif?"), aber auch noch

    Cypri et De regimine Judaeorum ad ducissam Brabantiae politica opuscula duo Jo-seph Mathis, Taurini 1924 (S. 1-116: De regimine principum), S. 19 (112: , dumconsiderat ad hoc se positum [rex], ut, loco Dei, judicium regno exerceat; ); vg!.dazu Berges, Fürstenspiegel (Anm. 105) S. 32 und 116,sowie Struve (Anm. 106)S. 149-