Foto: NASA Lichtsmog erhellt das...

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Die Erde bei Nacht von NASA-Satelliten aus fotografiert. Die hell erleuchteten Städte sind deutlich sichtbar. Die Abstrahlung ins Weltall macht Sterne und Planeten vom Boden aus zunehmend unsichtbar. Foto: NASA SALZBURGER FENSTER 43/2010 Lokales / 5 Fortsetzung von Seite 1 Der Astronom Thomas Posch von der Universität Wien hat sich auf die überbordende Beleuchtung der Welt spezialisiert und zum Thema „Licht- verschmutzung“ ein Buch geschrie- ben.* ) Mit Lichtverschmutzung oder „Lichtsmog“ ist nach oben ent- weichendes Licht gemeint, das die natürliche Dunkelheit verunreinigt. Posch zum SF: „Man nimmt an, dass 30 Prozent des Lichts ver- schwendet werden. Für Europa wur- de berechnet, dass jährlich Streu- licht um 1,7 Mrd. Euro entweicht.“ Sterne nicht zu sehen Der Lichtsmog geht mit der Indus- trialisierung und der urbanen Zu- sammenballung einher. Astronomen und Biologen haben dieses Phäno- men als erste thematisiert. Wegen der gigantischen Abstrahlung in das Weltall sind Sterne und Planeten im- mer schlechter wahrnehmbar, ganze Sternwarten mussten deshalb schon in dunklere Flecken der Erde abge- siedelt werden. Da die Milchstraße und Sternschnuppen vielerorts nicht mehr mit freiem Auge zu sehen sind, gibt es die Forderung an die UNES- CO, den Sternenhimmel als Welter- be zu schützen (sternhell.at). Vögel und Insekten wiederum orientieren sich nachts an Himmels- körpern. Die unzähligen künst- lichen Lichtquellen blenden und ir- ritieren sie so, dass sie im Kreis um das Licht schwirren und verenden. Wie man aus Studien weiß, scha- det der Lichtexzess auch der menschlichen Gesundheit. Licht in der Nacht verhindert die Bildung des wichtigen Schlafhormons Melato- nin. Für diesen negativen Effekt reicht schon ein laufendes Fernseh- gerät aus. Zu viel Licht beim Schla- fen erhöht laut amerikanischen Stu- dien das Risiko für Depressionen und Übergewicht. Der „Lichtverbrauch“ der österrei- chischen Landeshauptstädte ist sehr unterschiedlich. Die Stadt Salzburg wendet doppelt soviel Energie (16 Watt pro Kopf) für die öffentliche Be- leuchtung auf wie Graz und Wien, die mit rund 8 Watt „Anschlussleistung“ auskommen. Astronom Posch: „Salzburg verbraucht rund 10 Giga- wattstunden für die öffentliche Be- leuchtung, das sind umgerechnet pro Jahr 1,5 Mio. Euro“ (bei kalkulierten Kosten von 15 Cent pro Kilowatt- stunde). Salzburgs Beleuchtung doppelt so teuer Möglicherweise gehören zum Ein- sparpotenzial auch die 500 Schein- werfer, die bis 24 Uhr die Denkmä- ler und Gebäude der Stadt anstrahlen und zu den Festspielen auf Anord- nung des Bürgermeisters sogar bis 1 Uhr an sind. Wien hat indessen einen Master- plan „Licht“ beschlossen Seit 2007 wird um 23 Uhr die Hälfte der Stra- ßenbeleuchtung abgeschaltet (statt wie früher um Mitternacht). Damit spart man jährlich 220.000 Euro ein. Unter Experten unbestritten ist, dass „man zu verkehrsschwachen Zeiten 50 Prozent der Beleuchtung im öf- fentlichen Raum abdrehen könnte, ohne dass die Sicherheit leidet und ohne dass die Bevölkerung das über- haupt merken würde“ (Astronom Posch). Die Weihnachtsbeleuchtung kostet die Stadt Wien übrigens Rund 30 Prozent des Lichts im öffentlichen Raum wird vergeudet, weil es nach oben abstrahlt. Die Lichtverschmutzung schädigt Mensch und Tier und verunreinigt die natürliche Dunkelkeit. 600.000 Euro, was etwa einem Mo- nat Stromverbrauch für das Stra- ßenlicht entspricht. In Salzburg sei die „Halbnacht- schaltung“ für die 20.000 Straßen- laternen nicht möglich, das nach dem Krieg gebaute Netz sei dafür nicht ausgelegt, erklärt der zustän- dige Referent Bruno Wintersteller vom Magistrat. Stattdessen hat man bei 2800 Lampen ab 150 Watt ein Schaltglied eingebaut, das die Dim- mung bewirkt. In neuen Anlagen würden nur noch die ökologisch bes- ten Leuchten verwendet, die nur ei- nen Kegel nach unten beleuchten. Sonja Wenger * ) Thomas Posch u. a. : „Das Ende der Nacht. Die globale Lichtverschmut- zung und ihre Folgen.“ Wiley-VCH Verlag, Tel. +49 6201 606 400 http://homepage.univie.ac.at/ thomas.posch/ www.hellenot.org Astronom Thomas Posch: „Man könn- te die Hälfte der öffentlichen Be- leuchtung abdrehen.“ Foto: Privat Kaufleute: „Licht lockt Leute“ Apotheker Salmen sieht kein Zuviel an Lichtern D ie Stadt Salzburg hat ihre 14 Christbäume heuer erstmals komplett mit 3.900 LED-Leucht- mitteln behängt. Mit den energieef- fizienten Leuchtdioden spare man gegenüber herkömmlichen Glüh- lampen 3.240 Euro an Energiekos- ten und 15.000 Kilo CO ² , so die zu- ständige Stadträtin Claudia Schmidt (ÖVP). Die Innenstadtkaufleute zahlen für die Weihnachtsbeleuchtung heuer rund 160.000 Euro (63 Wand-zu- Wand-Verspannungen,62.000 Lämp- chen auf dem Makartsteg, Fassa- denelemente), die Hälfte davon sub- ventioniert das Altstadtmarketing. Eingeschaltet wird wochentags von 13 Uhr bis 23 Uhr, am Wochenende schon um 10 Uhr Vormittag. Die Alt- stadtkommission wolle in der Schutzzone nur „warmes, dezentes Licht ohne überdimensionierte Ef- fekte“, erklärt Gabi Stadler vom Alt- stadtverband. Apotheker Werner Salmen, Ob- mann des Vereins Rechte Altstadt, findet nicht, dass die Weihnachtsbe- leuchtung zuviel geworden ist. „Speziell in der Wirtschaft gilt das Wort: Licht lockt Leute.“ Unpas- send ist laut Salmen, „wenn es fla- ckert, Rot, Grün und Gelb leuchtet.“ Man solle den Menschen die Freu- de an der Jahreszeit nicht nehmen, meint Sigi Kämmerer von der Salz- burg AG. Beim lokalen Stromver- sorger merke man den Mehrver- brauch durch Weihnachtsbeleuch- tung nicht. „Man sieht schon ein paar Spitzen im Dezember, aber das kann genauso gut ein energieinten- siver Betrieb sein, der hochfährt“, so Kämmerer. Der häusliche Lichter- schmuck koste nicht die Welt. Ein Lichtervorhang (140 Leuchten, 200 Stunden Betriebsdauer von Mitte November bis Heiligen Drei Köni- ge) schlage mit 7 Euro zu Buche. Die Altstadtkaufleute zahlen rund 160.000 Euro für Weihnachts- beleuchtung. Lichtsmog erhellt das Weltall In Europa entweicht Streulicht um jährlich 1,7 Milliarden Euro Adventsterne über der Getreidegasse: Das Stimmungslicht brennt an Wochen- enden von 10 Uhr bis 23 Uhr. Foto: Altstadtmarketing Eine neue, ökologisch günstige Stra- ßenlaterne beim Uni-Park: Der Licht- kegel leucht nur nach unten. Foto: Archet

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Die Erde bei Nacht von NASA-Satelliten aus fotografiert. Die hell erleuchteten Städte sind deutlich sichtbar. Die Abstrahlung ins Weltall macht Sterne und Planeten vom Boden aus zunehmend unsichtbar. Foto: NASA

SALZBURGER FENSTER 43/2010 Lokales / 5

Fortsetzung von Seite 1

Der Astronom Thomas Posch vonder Universität Wien hat sich auf dieüberbordende Beleuchtung der Weltspezialisiert und zum Thema „Licht-verschmutzung“ ein Buch geschrie-ben.*) Mit Lichtverschmutzungoder „Lichtsmog“ ist nach oben ent-weichendes Licht gemeint, das dienatürliche Dunkelheit verunreinigt.Posch zum SF: „Man nimmt an,dass 30 Prozent des Lichts ver-schwendet werden. Für Europa wur-de berechnet, dass jährlich Streu-licht um 1,7 Mrd. Euro entweicht.“

Sterne nicht zu sehen

Der Lichtsmog geht mit der Indus-trialisierung und der urbanen Zu-sammenballung einher. Astronomenund Biologen haben dieses Phäno-men als erste thematisiert. Wegender gigantischen Abstrahlung in dasWeltall sind Sterne und Planeten im-mer schlechter wahrnehmbar, ganzeSternwarten mussten deshalb schonin dunklere Flecken der Erde abge-siedelt werden. Da die Milchstraßeund Sternschnuppen vielerorts nichtmehr mit freiem Auge zu sehen sind,gibt es die Forderung an die UNES-CO, den Sternenhimmel als Welter-be zu schützen (sternhell.at).

Vögel und Insekten wiederum

orientieren sich nachts an Himmels-körpern. Die unzähligen künst-lichen Lichtquellen blenden und ir-ritieren sie so, dass sie im Kreis umdas Licht schwirren und verenden.

Wie man aus Studien weiß, scha-det der Lichtexzess auch dermenschlichen Gesundheit. Licht inder Nacht verhindert die Bildung deswichtigen Schlafhormons Melato-nin. Für diesen negativen Effektreicht schon ein laufendes Fernseh-

gerät aus. Zu viel Licht beim Schla-fen erhöht laut amerikanischen Stu-dien das Risiko für Depressionenund Übergewicht.

Der „Lichtverbrauch“ der österrei-chischen Landeshauptstädte ist sehrunterschiedlich. Die Stadt Salzburgwendet doppelt soviel Energie (16Watt pro Kopf) für die öffentliche Be-leuchtung auf wie Graz und Wien,diemit rund 8 Watt „Anschlussleistung“auskommen. Astronom Posch:„Salzburg verbraucht rund 10 Giga-wattstunden für die öffentliche Be-leuchtung, das sind umgerechnet proJahr 1,5 Mio. Euro“ (bei kalkuliertenKosten von 15 Cent pro Kilowatt-stunde).

Salzburgs Beleuchtungdoppelt so teuer

Möglicherweise gehören zum Ein-sparpotenzial auch die 500 Schein-werfer, die bis 24 Uhr die Denkmä-ler und Gebäude der Stadt anstrahlenund zu den Festspielen auf Anord-nung des Bürgermeisters sogar bis 1Uhr an sind.

Wien hat indessen einen Master-plan „Licht“ beschlossen Seit 2007wird um 23 Uhr die Hälfte der Stra-ßenbeleuchtung abgeschaltet (stattwie früher um Mitternacht). Damitspart man jährlich 220.000 Euro ein.Unter Experten unbestritten ist, dass„man zu verkehrsschwachen Zeiten50 Prozent der Beleuchtung im öf-fentlichen Raum abdrehen könnte,ohne dass die Sicherheit leidet undohne dass die Bevölkerung das über-haupt merken würde“ (AstronomPosch). Die Weihnachtsbeleuchtungkostet die Stadt Wien übrigens

Rund 30 Prozent des Lichts im öffentlichen Raumwird vergeudet, weil es nach oben abstrahlt. Die

Lichtverschmutzung schädigt Mensch und Tierund verunreinigt die natürliche Dunkelkeit.

600.000 Euro, was etwa einem Mo-nat Stromverbrauch für das Stra-ßenlicht entspricht.

In Salzburg sei die „Halbnacht-schaltung“ für die 20.000 Straßen-laternen nicht möglich, das nachdem Krieg gebaute Netz sei dafürnicht ausgelegt, erklärt der zustän-dige Referent Bruno Winterstellervom Magistrat. Stattdessen hat manbei 2800 Lampen ab 150 Watt einSchaltglied eingebaut, das die Dim-mung bewirkt. In neuen Anlagenwürden nur noch die ökologisch bes-ten Leuchten verwendet, die nur ei-nen Kegel nach unten beleuchten.

Sonja Wenger

*) Thomas Posch u. a. : „Das Ende derNacht. Die globale Lichtverschmut-zung und ihre Folgen.“ Wiley-VCHVerlag, Tel. +49 6201 606 400 http://homepage.univie.ac.at/thomas.posch/www.hellenot.org

Astronom Thomas Posch: „Man könn-te die Hälfte der öffentlichen Be-leuchtung abdrehen.“ Foto: Privat

Kaufleute: „Licht lockt Leute“Apotheker Salmen sieht kein Zuviel an Lichtern

D ie Stadt Salzburg hat ihre 14Christbäume heuer erstmals

komplett mit 3.900 LED-Leucht-mitteln behängt. Mit den energieef-fizienten Leuchtdioden spare mangegenüber herkömmlichen Glüh-lampen 3.240 Euro an Energiekos-ten und 15.000 Kilo CO², so die zu-ständige Stadträtin Claudia Schmidt(ÖVP).

Die Innenstadtkaufleute zahlen fürdie Weihnachtsbeleuchtung heuerrund 160.000 Euro (63 Wand-zu-Wand-Verspannungen,62.000 Lämp-chen auf dem Makartsteg, Fassa-denelemente), die Hälfte davon sub-ventioniert das Altstadtmarketing.Eingeschaltet wird wochentags von13 Uhr bis 23 Uhr, am Wochenendeschon um 10 Uhr Vormittag. Die Alt-stadtkommission wolle in der

Schutzzone nur „warmes, dezentesLicht ohne überdimensionierte Ef-fekte“, erklärt Gabi Stadler vom Alt-stadtverband.

Apotheker Werner Salmen, Ob-mann des Vereins Rechte Altstadt,findet nicht, dass die Weihnachtsbe-leuchtung zuviel geworden ist.„Speziell in der Wirtschaft gilt dasWort: Licht lockt Leute.“ Unpas-send ist laut Salmen, „wenn es fla-ckert, Rot, Grün und Gelb leuchtet.“

Man solle den Menschen die Freu-de an der Jahreszeit nicht nehmen,meint Sigi Kämmerer von der Salz-burg AG. Beim lokalen Stromver-sorger merke man den Mehrver-brauch durch Weihnachtsbeleuch-tung nicht. „Man sieht schon einpaar Spitzen im Dezember, aber daskann genauso gut ein energieinten-siver Betrieb sein, der hochfährt“, soKämmerer. Der häusliche Lichter-schmuck koste nicht die Welt. EinLichtervorhang (140 Leuchten, 200Stunden Betriebsdauer von MitteNovember bis Heiligen Drei Köni-ge) schlage mit 7 Euro zu Buche.

Die Altstadtkaufleutezahlen rund 160.000

Euro für Weihnachts-beleuchtung.

Lichtsmog erhellt das WeltallIn Europa entweicht Streulicht um jährlich 1,7 Milliarden Euro

Adventsterne über der Getreidegasse: Das Stimmungslicht brennt an Wochen-enden von 10 Uhr bis 23 Uhr. Foto: Altstadtmarketing

Eine neue, ökologisch günstige Stra-ßenlaterne beim Uni-Park: Der Licht-kegel leucht nur nach unten.

Foto: Archet