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MIKROSKOPISCHE UNTERSUCHUNGEN ZU DEN PUTZFESTIGUNGEN AN DER FELDSTEINKIRCHE IN SCHÖNEWALDE Frank Schlütter, Hans-Hermann Neumann und Herbert Juling (Amtliche Materialprüfungsanstalt Bremen, Abt. Analytische Baustoffmikroskopie) 1. Einleitung Den vorerst abschließenden Teil des „DBU-Mörtelprojektes“ im Land Brandenburg bildet die Umsetzung der aus den zahlreichen kunstgeschichtlichen, restaurato- rischen und naturwissenschaftlichen Einzeluntersuchungen gewonnen Erkenntnisse in eine modellhafte Putzkonservierung. Aufgrund einer ausreichenden Repräsentanz hinsichtlich der auftretenden Putzschäden und nur geringer Veränderungen in der Bauwerksgeschichte wurde hierfür die frühgotische Feldstein-Dorfkirche in Schönewalde im Landkreis Elbe-Elster (Niederlausitz) ausgewählt. Einzelheiten zu den genannten Punkten, einschließlich der handwerklichen Durchführung der Restaurierungen, sind in den entsprechenden Fachartikeln des vorliegenden Arbeitsheftes ausführlich dargelegt (ARNOLD // RAUE // NEUMANN ET AL.). Die Notwendigkeit einer konservatorischen Behandlung ergibt sich angesichts der kunstgeschichtlichen Bedeutung der Putze, Mörtel und Farbbefunde bereits aus den makroskopisch feststellbaren, teilweise erheblichen Schädigungen bzw. Verlusten (Kartierung von KUNZE 1997) und den restauratorischen Bestandsaufnahmen (Kartierung von RAUE 1997). Innerhalb eines Winters war bereits eine deutliche Zunahme an Verlusten nachweisbar. Die Probeflächen zur Putzkonservierung liegen in den kartierten Wandbereichen. Bewährte und zuverlässige zerstörungsfreie Prüfmethoden zur Bewertung einer Putzfestigung stehen bislang nicht zur Verfügung. Daher wurden zur Kennzeich- nung des Ausgangszustandes und damit als Bewertungsgrundlage für den Erfolg der konservatorischen Behandlungen folgende Untersuchungen durchgeführt: Detaillierte Schadbildkartierung (KUNZE 1997) Bestimmung der Ultraschallaufzeiten und E-Moduli (KÖHLER, im vorl. Heft) Bestimmung der kapillaren Wasseraufnahme nach Carsten (KUNZE 1997) Licht- und elektronenmikroskopische Gefügeuntersuchungen (PolMi, REM/EDX) (NEUMANN ET AL. im vorl. Heft // KUNZE 1997) Nach Durchführung der Konservierung mit verschiedenen Festigungsmitteln, Putzergänzungen und Hinterfüllmörteln (s. Gliederungspunkt 3. sowie RAUE, im vorl. Heft) erfolgten erneut Messungen der Ultraschallaufzeiten und E-Moduli (KÖHLER, im vorl. Heft) sowie der kapillaren Wasseraufnahme (ARNOLD, mündl. Mitteilung). Zusätzlich wurden lichtmikroskopische sowie REM-Untersuchungen an insgesamt 8 Proben aus den Testflächen an der Nord- und Südwand unter folgenden Aspekten durchgeführt: Festigungsmittel: Nachweis der Festigungsmittel an der Oberfläche und im Gefüge Morphologie der Festigungsmittel (Filmbildung, Rißneigung) Kontakt zu den Gefügebestandteilen (Bindemittelkristalle, Zuschläge, Gips) Nachweis unerwünschter Veränderungen (Ablagerungen an Oberflächen, Poren- raumveränderungen, Ablagerungen in Rissen etc.) Vergleichende Bewertung der einzelnen Systeme

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MIKROSKOPISCHE UNTERSUCHUNGEN ZU DEN PUTZFESTIGUNGEN AN DER FELDSTEINKIRCHE IN SCHÖNEWALDE

Frank Schlütter, Hans-Hermann Neumann und Herbert Juling

(Amtliche Materialprüfungsanstalt Bremen, Abt. Analytische Baustoffmikroskopie) 1. Einleitung Den vorerst abschließenden Teil des „DBU-Mörtelprojektes“ im Land Brandenburg bildet die Umsetzung der aus den zahlreichen kunstgeschichtlichen, restaurato-rischen und naturwissenschaftlichen Einzeluntersuchungen gewonnen Erkenntnisse in eine modellhafte Putzkonservierung. Aufgrund einer ausreichenden Repräsentanz hinsichtlich der auftretenden Putzschäden und nur geringer Veränderungen in der Bauwerksgeschichte wurde hierfür die frühgotische Feldstein-Dorfkirche in Schönewalde im Landkreis Elbe-Elster (Niederlausitz) ausgewählt. Einzelheiten zu den genannten Punkten, einschließlich der handwerklichen Durchführung der Restaurierungen, sind in den entsprechenden Fachartikeln des vorliegenden Arbeitsheftes ausführlich dargelegt (ARNOLD // RAUE // NEUMANN ET AL.). Die Notwendigkeit einer konservatorischen Behandlung ergibt sich angesichts der kunstgeschichtlichen Bedeutung der Putze, Mörtel und Farbbefunde bereits aus den makroskopisch feststellbaren, teilweise erheblichen Schädigungen bzw. Verlusten (Kartierung von KUNZE 1997) und den restauratorischen Bestandsaufnahmen (Kartierung von RAUE 1997). Innerhalb eines Winters war bereits eine deutliche Zunahme an Verlusten nachweisbar. Die Probeflächen zur Putzkonservierung liegen in den kartierten Wandbereichen. Bewährte und zuverlässige zerstörungsfreie Prüfmethoden zur Bewertung einer Putzfestigung stehen bislang nicht zur Verfügung. Daher wurden zur Kennzeich-nung des Ausgangszustandes und damit als Bewertungsgrundlage für den Erfolg der konservatorischen Behandlungen folgende Untersuchungen durchgeführt: • Detaillierte Schadbildkartierung (KUNZE 1997) • Bestimmung der Ultraschallaufzeiten und E-Moduli (KÖHLER, im vorl. Heft) • Bestimmung der kapillaren Wasseraufnahme nach Carsten (KUNZE 1997) • Licht- und elektronenmikroskopische Gefügeuntersuchungen (PolMi, REM/EDX)

(NEUMANN ET AL. im vorl. Heft // KUNZE 1997) Nach Durchführung der Konservierung mit verschiedenen Festigungsmitteln, Putzergänzungen und Hinterfüllmörteln (s. Gliederungspunkt 3. sowie RAUE, im vorl. Heft) erfolgten erneut Messungen der Ultraschallaufzeiten und E-Moduli (KÖHLER, im vorl. Heft) sowie der kapillaren Wasseraufnahme (ARNOLD, mündl. Mitteilung). Zusätzlich wurden lichtmikroskopische sowie REM-Untersuchungen an insgesamt 8 Proben aus den Testflächen an der Nord- und Südwand unter folgenden Aspekten durchgeführt: Festigungsmittel: ♦ Nachweis der Festigungsmittel an der Oberfläche und im Gefüge ♦ Morphologie der Festigungsmittel (Filmbildung, Rißneigung) ♦ Kontakt zu den Gefügebestandteilen (Bindemittelkristalle, Zuschläge, Gips) ♦ Nachweis unerwünschter Veränderungen (Ablagerungen an Oberflächen, Poren-

raumveränderungen, Ablagerungen in Rissen etc.) ♦ Vergleichende Bewertung der einzelnen Systeme

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Anputzmörtel / Hinterfüllmörtel:

Bewertung des Anputzmörtels sowie der Kontaktzone zum Fugenmörtel (Gefüge, Haftung)

Bewertung des Hinterfüllmörtels sowie der Kontaktzone Hinterfüllmörtel / Schale (Gefüge, Haftung)

Weiterhin haben sich im Verlauf der Wasseraufnahmemessungen, der Ultraschall-messungen sowie der Applikation der Festigungsmittel eine Reihe von Frage-stellungen ergeben, die auf mikroskopischem Wege beantwortet werden sollten:

Einer guten Verbesserung der Schallgeschwindigkeiten nach erfolgter Festigung an der S-Seite der Kirche (1, 18 1,65 km/s) steht eine sehr geringe Steigerung an der N-Wand gegenüber (1,43 1,53 km/s). Worin liegen die Ursachen der vergleichsweise geringen Zunahme sowie des deutlich höheren Ausgangs-zustandes ?

Bei der Applikation des Festigers P1 (s.u.) haben sich auf den Feldsteinober-flächen weiße Ausblühungen gebildet. Woraus bestehen sie und wie sind sie entstanden ?

Die Wasseraufnahmemessungen an der N-Wand konnten häufig nicht durch-geführt werden, weil das Anbringen der Prüfröhrchen an der Mörteloberfläche trotz erfolgter „Festigung“ in vielen Bereichen nicht möglich war. Mit dem Befesti-gungskitt lösten sich großflächig am Kitt haftende Schalen (1-2 mm stark). Worin liegen die Ursachen ?

Im Rahmen des vorliegenden Beitrages sollen die Ergebnisse der speziellen licht- und elektronenmikroskopischen Untersuchungen an den gefestigten Mörteln in ihren Möglichkeiten und Grenzen vorgestellt und bewertet werden. 2. Gefügeveränderungen (Schäden) / Restauratorischer Ansatz Von grundlegender Bedeutung hierfür sind die Arbeiten von KUNZE 1997 und Neumann (NEUMANN ET AL. im vorl. Heft), die eine Brücke bilden, von der visuellen Beurteilung an der Wand (makroskopische Erscheinung) zu den teilweise erheb-lichen und äußerlich nicht erkennbaren oder vorhersehbaren Veränderungen (Schäden) im mikroskopischen Bereich. Hierin werden u.a. die Mikrogefüge der Putze und Mörtel sowie deren Oberflächenbereiche detailliert beschrieben und die festgestellten Veränderungen (Ist-Zustand) in ihren Konsequenzen für die Konser-vierung diskutiert. Hinsichtlich der Fugenmörtel in Schönewalde sind folgende Schadensphänomene und deren Interpretation durch die genannten Autoren von besonderem Interesse:

Ausgeprägte Schalenbildung (bevorzugt in Bereichen, in denen der Fugenmörtel randlich auf die Feldsteine gezogen wurde)

Hohl liegender Fugenmörtel („Blasen“, d.h. Ablösung vom Mauermörtel) Visuelles Erscheinungsbild erlaubt keine sicheren Schlüsse auf das Mikrogefüge (Rißsystem nicht abschätzbar, Vergipsung häufig stärker als erwartet)

Hohe Gipskonzentrationen hauptsächlich im Oberflächenbereich - Anlagerungen (Kruste bzw. unterbrochene Kruste) - Ersatz des calcitischen Bindemittels, häufig auch kombiniert mit Anlagerungen - Vergipsungstiefe teilweise mehrere Millimeter - stellenweise Gipsflecken im Mörtelgefüge („Nester“)

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Nordseite weist eine stärkere Gipsbelastung auf als die Südseite Keine nachweisbare Volumenvergrößerung durch die Gipsbildung (Kompensation der Volumenzunahme bei der Umwandlung Calcit Gips durch Umlagerungen und Gefügeverdichtungen)

Zahlreiche Fugenmörtelproben weisen ausgeprägte Rißsysteme auf: - Formen: oberflächenparallel, senkrecht zur Oberfläche, Saumporen - Rißweiten und Saumporenbreiten: 10-800 µm

Gelöste Mörtelschollen zumeist über gesamten Querschnitt von Rißsystem durch-zogen.

Rißsystem expositionsabhängig: Rißbildung an der Nordseite stärker ausgeprägt als an der Südseite (N-Seite: mehr und breitere Risse)

Bei dicken, eingewachsenen Gipskrusten erhöhter Anteil Risse unterhalb der Gipskruste (Ausbildung einer Schwächungszone).

Aus den aufgeführten Details ist die große Bandbreite der zu konservierenden Zustände ersichtlich, gleichzeitig ergeben sich hieraus wesentliche Anforderungen an die Festigungsmittel, und es können konkrete Auswahlkriterien abgeleitet werden. 2.1. Zur Festigung der internen Gefügelockerungen („Steinfestiger“) Aufgrund des erheblichen Spektrums der mikroskopisch bestimmten Rißweiten in den zu festigenden Mörtelpartien (10-800 µm) war ein Kompromiß unumgänglich, da nach WENDLER (mündl. Mitteilung) die auftretenden Rißweiten in relativ engen Grenzen die Einsetzbarkeit bestimmter Festiger definieren bzw. Modifizierungen erforderlich machen. Eine grobe Orientierung soll folgende Übersicht bieten: < 2 µm: 2 bis 50 µm: 50 bis 100 µm: bis max. 200 µm 200 µm bis 1 mm: > 1 mm:

Ungenügendes Eindringen (Kieselsäureester, KSE) (handelsübliche) Tränkungsmittel Modifizierte Tränkungsmittel - Vorkondensierung (Erhöhung der Teilchengröße und damit der Viskosität) Modifizierte Tränkungsmittel - Erhöhung des Wirstoffgehaltes - schnell erhärtende Mittel (stark katalysiert) Spezielle Hinterfüllmassen (z.T. noch in der Entwicklung) (Klassische) Hinterfüllmörtel

Die Auszählungen der Risse und Saumporen an der Kirche Schönewalde (KUNZE 1997) zeigen an der S-Seite den Trend, daß die meisten Risse unter 200 µm liegen, während an der N-Seite Werte zwischen 200 und 630 µm dominieren. Letztlich wurde entschieden, mit zwei modifizierten und einem handelsüblichen Kieselsäureester (KSE) zu arbeiten (s. Abschnitt 3.1. und RAUE im vorl. Heft). 2.2. Putzergänzungen / Anböschmörtel Nicht haftende Mörtelpartien sind generell verstärkt rißgefährdet. Durch das Schließen von Fehlstellen werden die originalen Putzränder geschützt und die An-griffsfläche für die Verwitterung insgesamt verringert. Diese Schadensformen können mit Festigungsmitteln nicht behandelt werden, hierzu mußte ein Spezialmörtel konzipiert werden. Die Anpassung an die Originalsubstanz erfolgte auf der Grundlage der ermittelten E-Moduli, der Sieblinien und der Farbigkeit (s. Abschnitt 3.2. und WENS // KÖHLER // RAUE, alle im vorl. Heft).

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2.3. Sicherung hohl liegenden Putzes (Hinterfüllmörtel) Durch Mörtelinjektionen sollte die Verbindung mit dem Untergrund wiederhergestellt werden. Die Einstellung auf die speziellen Gegebenheiten in Schönewalde erfolgte vor allem auf der Basis des E-Moduls, es wurde für den Injektionsmörtel ein etwas geringerer E-Modul angestrebt als das Festigungsziel der Originalmörtel (s. Abschnitt 3.3. und RAUE im vorl. Heft). 3. Konservierungsmaterialien 3.1. „Steinfestiger“ P1 Vorkondensierter Kieselsäureester, Zugabe von Phosphorsäure-

ester als Haftvermittler (Labor E. Wendler, München) Verdünnungen an den Probeflächen: 1:1 und 1:2 (mit Isopropanol)

VP 13 Kieselsäureester mit elastifizierendem Zusatz auf Polyether-Basis (Labor E. Wendler, München) Verdünnungen an den Probeflächen: 1:1 und 1:2 (mit Isopropanol)

Funcosil 300 Kieselsäureester (Fa. Remmers) Verdünnungen an den Probeflächen: 1:1 und 1:2 (mit Isopropanol)

3.2. Anböschmörtel / Putzergänzungen Spezialmörtel Modifizierter Kalkmörtel

(Fa. Karl Epple, Stuttgart und Taucha b. Leipzig) 3.3. Hinterfüllmörtel Sulfadur Bindemittel: Sulfadur PZ 45 F-HS

Zuschläge: Hohlglaskügelchen Scotchlite S 22 Füllstoff: Marmormehl Verflüssiger: Addiment FMF verarbeitet mit Wasser ,Tylose MHB 30.000, Spiritus (Fa. Heidelberger Zement AG)

4. Probenbeschreibung / Präparation Die durchgeführten mikroskopischen Untersuchungen beschränkten sich auf die modellhaften Putzsicherungen in den eingehend kartierten und voruntersuchten Musterflächen an der Süd und Nordseite der Kirche Schönewalde. Tabelle 1 gibt einen Überblick über das Probenmaterial, die Exposition am Bauwerk, die verwendeten Konservierungsmittel und die durchgeführten Untersuchungen. Die Probenentnahme am Bauwerk erfolgte durch Frau Dr. Arnold im Anwesenheit eines Restaurators. Die Größe der Proben betrug max. 5 cm3.

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Tabelle 1: Probenbezeichnungen und Entnahmestellen

Proben-

Bez. Proben-Material1)

Bauteil/ Exposition

Konservierungsmittel (Verbrauch)

REM PolMi

SW 3/1 Fugenmörtel mit Anputzmörtel

Schiff, Süd P1 / 1:2 (0,37 l/qm)

x x

SW 3/2 Fugenmörtel Schiff, Süd VP 13 / 1:1 (0,38 l/qm)

x

SW 3/3 Fugenmörtel Schiff, Süd Funcosil 300 / 1:1 (0,75 l/qm)

x

SW 3/4 Fugenmörtel Schiff, Süd Funcosil 300 / 1:2 (0,75 l/qm)

x

SW 3/5 Fugenmörtel mit Hinterfüllmörtel

Schiff, Nord P1 / 1:2 (0,34 l/qm)

x x

SW 3/6 Fugenmörtel Schiff, Nord VP 13 / 1:2 (0,23 l/qm)

x

SW 3/7 Fugenmörtel Schiff, Nord Funcosil 300 / 1:2 (0,44 l/qm)

x

SW 3/8 Ausblühung auf Feldstein

Schiff, Nord P1 x

1) die sogen. Fugenmörtel sind identisch mit den Verfugmörteln in (KUNZE 1997) Die REM-Untersuchungen wurden an senkrecht zur Oberfläche orientierten Bruchflächen durchgeführt, so daß prinzipiell eine tiefenabhängige Bewertung möglich war. Zusätzlich wurden von den Proben SW 3/1 und 3/5 Dünnschliffe angefertigt. Die jeweils notwendigen Präparationsschritte sind im Beitrag von NEUMANN ET AL. im vorliegenden Arbeitsheft eingehend erläutert. 5. Untersuchungsergebnisse Die gewonnenen Erkenntnisse werden im folgenden schwerpunktmäßig an den Proben SW 3/1 und SW 3/5 erläutert. Sie repräsentieren zum einen die hinsichtlich der Putzfestigung wichtigen Unterschiede zwischen Nord- und Südwand, zum anderen können hieran auch die Ergebnisse der Putzergänzungen sowie der Hinterfüllungen von Schalen diskutiert werden. Darüber hinaus werden an entsprechender Stelle auch Vergleiche zwischen den Festigern bzw. mit vorangegangenen Untersuchungen an bestimmten Systemen durchgeführt (Putzfestigungen am Kloster Chorin).

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5.1. Festigungsmittel Sowohl auf den Oberflächen als auch im Porenraum aller Proben sind die Festiger im Elektronenmikroskop (REM) als filmartige Überzüge bereichsweise identifizierbar und mit der EDX nachweisbar [Bildtafeln I bis V im Anhang]. In einigen Fällen sind die Filme über die gesamte präparierte Probenbreite (5-6 mm) erkennbar. Eine ungenügende Filmbildung , z.B. durch Spannungen innerhalb der Filme, tritt nur sehr vereinzelt auf [Bildtafel II im Anhang]. Stärkere Abscheidungen sind weder an den Oberflächen noch im Probeninneren, etwa in großen Poren oder breiteren Rissen, nachweisbar. Auch innerhalb sowie vor oder hinter Gipszonen sind keine unerwünschten Anreicherungen der Festiger aufgetreten. Ein positiver Einfluß des Nachflutens der Oberflächen mit reinem Lösungsmittel nach Erreichen der Sättigung (s. RAUE im vorl. Heft), analog früheren Beobachtungen in Chorin (SCHLÜTTER, unveröffentl. Bericht), ist wahrscheinlich. Die gute Aufnahme der Festiger über die Oberflächen bestätigt die aus den Wasser-aufnahmemessungen gezogenen Schlußfolgerungen (KUNZE 1997), in denen eine Reinigung der Mörteloberflächen aus diesen und anderen Gründen abgelehnt wird. Die Filmdicken im Porenraum zeigen Schwankungen, liegen aber immer im nm-Bereich. Risse, scherbige Bruchstücke oder ungenügende Haftung der Filme an den Bindemittelkristallen sind vereinzelt an allen Systemen aufgetreten [Bildtafel IV im Anhang]. Gleichmäßige Auskleidungen größerer Poren, wie sie für die Festigungen an den Putzen im Kloster Chorin charakteristisch waren, traten, trotz vergleichbarer Schutzstoffmengen (Chorin: 400-625 ml/qm, Schönewalde: 230-750 ml/qm), kaum auf [Bildtafel V im Anhang]. Ein Zusammenhang mit den deutlich inhomogeneren Gefügen in Schönewalde ist anzunehmen, eventuell liegt hier bereits ein Einfluß sogenannter Sickerströmungen vor (s.u.). Dennoch deuten die Beobachtungen im REM auch im vorliegenden Fall auf eine Veränderung der Porenradienverteilung infolge der Festigung, da die filmartigen Überzüge auf den porösen Bindemittel-strukturen wahrscheinlich die Zugänge zu den Feinstporen verschließen. In der mikroskopischen Bewertung sind am vorliegenden Probenmaterial keine signifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen Festigersystemen und damit Entscheidungskriterien für oder gegen einen Einsatz feststellbar. Eine direkte Bewertung der Wirksamkeit einer Festigung oder eine Bestimmung der Eindringtiefe im REM ist nicht möglich. Aus Tabelle 2 geht hervor, daß weder die Mittelaufnahme noch die mikroskopischen Beobachtungen oder die Exposition eine gegenseitige Abhängigkeit erkennen lassen. Wie zu erwarten, steigt aber mit zunehmender Aufnahmemenge auch die Nachweisbarkeit im REM.

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Tabelle 2: Trend der REM-Beobachtungen im Vergleich mit den Expositionen und

den aufgenommenen Festigermengen Probe Exposition Konservierungs-

mittel Mittel-

aufnahmeFestigungsmittel im

REM SW 3/1 Süd P1 / 1:2 0,37 l/qm stellenweise nachweisbar SW 3/2 Süd VP 13 / 1:1 0,38 l/qm nur an Oberfl. nachweisb. SW 3/3 Süd Funcosil 300 / 1:1 0,75 l/qm über gesamte präparierte

Breite (5mm) nachweisbarSW 3/4 Süd Funcosil 300 / 1:2 0,75 l/qm über gesamte präparierte

Breite (5mm) nachweisbarSW 3/5 Nord P1 / 1:2 0,34 l/qm über gesamte präparierte

Breite (5mm) nachweisbarSW 3/6 Nord VP 13 / 1:2 0,23 l/qm stellenweise nachweisbar SW 3/7 Nord Funcosil 300 / 1:2 0,44 l/qm über gesamte präparierte

Breite (5mm) nachweisbar Fast unlösbare Bedingungen für eine „konventionelle“ Festigung liegen in den stark geschädigten Bereichen der N-Wand vor. Hier treten, insbesondere an den Rändern von Schalen schwer handhabbare Schadensformen auf (s. nachstehende Abbil-dungen). Gipskrusten, Lockerungszonen und normale Gefügeabschnitte sind eng benachbart, und zeigen das ganze Spektrum an Rißweiten (bis 800 µm).

Mehrfachschalenbildung an einer Fugenmörtel-Probe der Nordwand (Bruchfläche senkrecht zur Oberfläche): Hierbei treten interne, 1-2 mm dünne Schalen, innerhalb einer dickeren cm-starken Mörtelschale auf. Am linken Bildrand ist die Mörteloberfläche mit eingewachsener Gipskruste zu erkennen. [REM-RE-Aufnahme]

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Gefügelockerungen innerhalb einer Fugenmörtel-Probe der Nordwand: Die gegenüber einem intakten Mörtelgefüge stark erhöhte Porosität ist charakte-ristisch für die sogenannten Mürbzonen zwischen den internen Schalen, Bindemittel ist nur noch reliktisch vorhanden. [PolMi-Aufnahme, // Pol. Porenraum blau eingefärbt, Bildbreite ca. 2 mm] Nach WENDLER (mdl. Mitteilung) sind solche Bereiche kaum beherrschbar („Grauzone“ mit auftretenden Sickerströmungen im Bereich 100 bis 400 µm). Die verwendeten Festiger wirken, wie auch im REM bestätigt werden kann, nur punktuell, eine kraftschlüssige Verbindung und damit Stabilisierung der gesamten Schale kommt aber nicht zustande. Unerwünschte „Staus“, d.h. stärkere Abscheidungen der Festiger durch Kanali-sierung u.ä. wurden aber auch in diesen Bereichen nicht festgestellt. Hinterfüllmörtel sind für diese Entfestigungsformen wahrscheinlich ebenfalls nicht geeignet, aufgrund der eng benachbart auftretenden sehr verschiedenen Rißweiten und der „Blockverfüllungen“ in den Lockerzonen ist eine erfolgreiche Hinterfüllung kaum zu erwarten. 5.2. Anböschmörtel / Putzergänzungen Die Putzergänzungen zeigen im Gegensatz zu den stark veränderten Fugenmörtel-oberflächen (Herauswitterung von Zuschlägen, Gipsanlagerungen etc.) eine ver-gleichsweise dichte, geschlossene Oberfläche mit einem feinen Rißsystem. Sowohl im PolMi als auch im REM ist die Ausbildung einer oberflächlichen, dünnen Sinterschicht zu erkennen [Bildtafel VI im Anhang].

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Darüber hinaus ist ein gleichmäßiger Festigungsmittelfilm nachweisbar, eine Verengung der Poren im Oberflächenbereich durch die Sinterschicht und zusätzlich durch den Festiger ist nicht auszuschließen. Der mögliche Einfluß auf die hygrischen Eigenschaften (kapillare Wasseraufnahme, Wasserdampfdiffusion) muß jedoch mit den entsprechenden Meßmethoden überprüft werden. Das interne Gefüge, der Korn-Matrix-Kontakt und die Anbindung an den Untergrund sind als gut zu bewerten (keine Schwindrisse), die Sieblinie ist gut an den benachbarten historischen Fugenmörtel angepaßt [Bildtafel VII im Anhang]. Einschränkend muß darauf hingewiesen werden, daß die Schichtdicke des Ergänzungsmörtels an der untersuchten Probe im Mittel nur 2 mm beträgt. 5.3. Hinterfüllmörtel Auffällig war zunächst das Ausmaß der Gefügeschädigungen in der etwa 1cm dicken Schale von der Nordseite [Bildtafel VIII im Anhang]. Sie müssen als extremes Stadium kurz vor dem Finale, d.h. dem Verlust, bezeichnet werden. Während an der Südseite (SW 3/1) gleichmäßige Lockerungen des Gefüges durch die Entstehung von Saumporen (5-30 µm) und eine unterbrochene, dünne Gipskruste (im Mittel 100 µm) charakteristisch sind, zeigt die Nordseite (SW 3/5) ein deutlich anderes Schadensbild. Abfolge innerhalb einer stark geschädigten Putzschale an der Nordwand von außen nach innen:

- Gipskruste (eingewachsen, Dicke bis 1mm) - Lockerungszone mit Gips (1 mm) - „normaler“ Gefügeabschnitt (1-2 mm) - Lockerungszone mit Gips (1 mm) - mäßig erhaltener Gefügeabschnitt mit durchlaufendem Riß (1-2 mm) - Lockerungszone mit Gips (1-2 mm) - Hinterfüllmörtel.

Die Auswirkungen solcher Gefügeabfolgen mit Rißweiten bis 800 µm auf konventionelle Festigungsversuche wurde bereits unter Punkt 5.1. diskutiert, ähnlich kann hinsichtlich einer Hinterfüllung argumentiert werden. Der Behandlungserfolg kann aufgrund der Probenbeschaffenheit nur bezüglich der Anbindung des Hinterfüllmörtels an die Fugenmörtelschale bewertet werden, der „Untergrund“ (Mauermörtel oder Feldstein) war an der Probe nicht (mehr) vorhanden. Mikroskopisch ist punktuell oder bereichsweise ein guter Kontakt zum Hinterfüllmörtel erkennbar, es bleibt jedoch wieder die Frage nach der Kraftschlüssigkeit dieser Verbindung bezogen auf das Gesamtsystem Schale / Untergrund [Bildtafel IX im Anhang].

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5.4. Ursachen der unterschiedlichen Ultraschallgeschwindigkeiten Wesentlichen Einfluß haben die oben beschriebenen Gefügeunterschiede zwischen Süd- und Nordwand auch auf die Ultraschallmessungen [Bildtafel X im Anhang]. Die höheren Ausgangswerte an der Nordwand (1,43 km/s gegenüber 1,18 km/s) sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine bevorzugte Ausbreitung der Schallwellen innerhalb der relativ dichten Gipskrusten zurückzuführen. Das erklärt auch, warum die „Festigung“ an der Nordwand keine nennenswerte Steigerung der Schall-geschwindigkeiten bewirkt (1,43 1,53 km/s). Die Verbesserung an der Südwand (1,18 1,65 km/s) wird demgegenüber auf eine erfolgreiche Festigung zurückge-führt. Die Ablösung von dünnen Mörtelschalen (1-2 mm) während der Wasseraufnahme-messungen nach erfolgter Festigung ist auf ein Versagen hinter der Gipskruste, innerhalb der ersten Lockerungszone, zurückzuführen. Der zur Befestigung des Carstenschen Prüfröhrchens mittels Kitt erforderliche Druck übersteigt die Festigkeit des Mörtels. 5.5. Ausblühungen auf Feldsteinoberflächen Entgegen den Schlußfolgerungen aus einer röntgendiffraktometrischen Analyse der Ausblühungen (Gips !), hat die mikroskopische Untersuchung gezeigt, daß es sich um die Abscheidung amorpher Kieselsäure auf vergipster Feldsteinoberfläche handelt [Bildtafel XI im Anhang]. Bei der mechanischen Entfernung der Aus-blühungen ist der Gips in die Analysensubstanz geraten, stellt aber weder den Hauptanteil noch die Ursache der Ausblühung dar. Vielmehr liegt hier ein Applikationsfehler des Festigers P 1 vor, der nur auf ausschließlich carbonatischen Untergründen (Putzflächen) angewendet werden darf (WENDLER, mündl. Mitteilung). Die Zugabe von Phosphorsäureester bewirkt auf einer Feldsteinoberfläche aufgrund der fehlenden „Ca2+-Gegen-Ionen“ für den Haftvermittler eine katalytisch beschleu-nigte Reaktion, die infolge eines Überwiegens der kohäsiven Kräfte im Gel eine Filmbildung verhindert und eine Abscheidung kugelförmiger SiO2-Aggregate (Teilchengröße 100-200 nm) zur Folge hat. Im Gegensatz zu den makroskopisch meist nicht erkennbaren dünnen Filmen der Festiger VP13 und F300 auf den Feldsteinen (bei gleicher Applikationstechnologie (Fluten) und vergleichbaren Untergründen) führen die kugelförmigen Aggregate aufgrund ihres spezifischen optischen Verhaltens gegenüber dem Licht (Brechung und Beugung) zu einem auffälligen weißen „Schleier“ auf den Feldsteinoberflächen. Auf bzw. im Fugenmörtel sind auch bei Verwendung des Festigers P1 die oben beschriebenen Formen nicht aufgetreten. 6. Zusammenfassung An der Feldstein-Dorfkirche in Schönewalde wurden nach Abschluß der modellhaften Konservierungen an Probeflächen gezielte mikroskopische Untersuchungen durchgeführt (PolMi, REM/EDX).

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Hinsichtlich der Auswahl einer geeigneten Konservierungsmethode (Festigen, Hinterfüllen, Ergänzen) sowie zur Definition bestimmter Anforderungen an die Konservierungsmittel (Vorkondensation u.ä.) war die polarisationsmikroskopische Bestandsaufnahme von grundlegender Bedeutung. Modifizierungen und ggf. weitere Eignungsprüfungen sollten in jedem Fall von einem Fachlabor durchgeführt werden. Die Fugenmörtel an der Südwand ermöglichen aufgrund ihrer vergleichsweise gleichmäßigen Entfestigung und auftretenden Rißweiten < 200 µm den Einsatz eines modifizierten Steinfestigers. Die Verbesserung der Ultraschallaufzeiten nach der Festigung an den meisten Meßpunkten der Südwand wurde als Festigkeitszuwachs interpretiert. Die Nordwand zeigt ein extremeres Schadensbild mit einer schwer handhabbaren Abfolge Krusten, internen Schalen und Lockerungszonen. Über Putzfestigungen sind die auftretenden Rißweiten (bis 800 µm) wahrscheinlich nicht konsolidierbar, der Einsatz von Hinterfüllmörteln zur Festigung der Internstrukturen der Schalen hat ebenfalls wenig Aussicht auf Erfolg. Der schließlich doch eingesetzte modifizierte Steinfestiger stellt lediglich den gegenwärtig möglichen Kompromiß dar. Ein Festigungserfolg konnte durch die Ultraschallmessungen nicht nachgewiesen werden. Die generell höheren Werte an der Nordwand sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine bevorzugte Ausbreitung der Schallwellen innerhalb der relativ dichten Gipskrusten zurückzuführen. Das erklärt auch, warum die „Festigung“ an der Nordwand keine nennenswerte Steigerung der Schallgeschwindigkeiten bewirkt. Auch die Ablösung von dünnen Mörtelschalen (1-2 mm) während der Wasserauf-nahmemessungen nach erfolgter Festigung steht im Zusammenhang mit der Gipskruste. Durch das Andrücken des Prüfröhrchens kommt es zu einem Bruch der punktuell an der Lockerungszone haftenden ersten Schale mit der Gipskruste. In der elektronenmikroskopischen Bewertung zeigen die eingesetzten Festiger (P1, VP13, F300) keine signifikanten Unterschiede. Sie bilden nanometerfeine, filmartige, gut haftende und rißfreie Überzüge auf den Bindemittel- und Gipskristallen an den Oberflächen sowie im Porenraum. Ein Verschluß der Feinstporen ist bereichsweise erkennbar, tritt aber auch beim Einsatz von nicht modifizierten Festigern auf und ist folglich nicht die Folge einer Viskositätserhöhung durch die Vorkondensierung. Unerwünschte Abscheidungen an den Oberflächen, vor oder hinter Gipszonen bzw. in breiten Rissen treten selbst in extremen Gefügestrukturen nicht auf. Ein positiver Effekt des Nachflutens mit reinem Lösungsmittel ist wahrscheinlich. Durch die REM-Untersuchungen können wichtige Einzelaspekte einer Festigung visualisiert und auch beurteilt werden, eine direkte Bewertung des Festigungs-erfolges sowie eine Bestimmung der Eindringtiefe (Wirkungstiefe) können aber nicht erbracht werden. Die Putzergänzungen weisen eine dünne, oberflächliche Sinterschicht mit einem feinen Rißsystem sowie eine gleichmäßigen Festigungsmittelfilm an der Oberfläche auf. Das interne Gefüge, der Korn-Matrix-Kontakt und die Anbindung an den Unter-grund sind als gut zu bewerten (keine Schwindrisse), die Sieblinie ist gut an den benachbarten historischen Fugenmörtel angepaßt. Der Hinterfüllmörtel zeigt punktuell oder bereichsweise ein gute Anbindung an die intern stark geschädigte Mörtelschale, es ist jedoch sehr fraglich, ob hierdurch eine

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kraftschlüssige Verbindung bezogen auf das Gesamtsystem Schale / Untergrund erreicht werden kann. Bei den weißen „Ausblühungen“ auf den Feldsteinoberflächen auf den Test-flächen des Festigers P1 handelt es sich nicht, wie ursprünglich vermutet, um Gips, sondern um amorphe Kieselsäure. Hier liegt kein Versagen des Festigers, sondern ein Applikationsfehler vor. Aufgrund der Zugabe eines Haftvermittlers darf dieses System nur auf ausschließlich carbonatischen, evtl. vergipsten, Untergründen (Putzflächen) angewendet werden Der vorliegende Beitrag zeigt, daß nur die begleitenden mikroskopischen Untersuchungen eine abgesicherte Interpretation einzelner Meßergebnisse gestatten. Durch die Kombination licht- und elektronenmikroskopischer Methoden werden die Möglichkeiten der mikroskopischen Analytik zusätzlich entscheidend verbessert. Angesichts der heutigen Anforderungen an eine Konservierung steht hiermit für den gesamten Arbeitsablauf

Kartierung Voruntersuchungen Konservierung Erfolgskontrolle ein wichtiges und unerläßliches „Werkzeug“ zur Verfügung. Quellenangaben: ARNOLD, B.: „Das Modellprojekt „ Erforschung und Erhaltung historischer Putze und

Mörtel im Hinblick auf Umweltschäden“. Beitrag im vorliegenden Arbeitsheft. ARNOLD, B.: „Schlußbetrachtung“. Beitrag im vorliegenden Arbeitsheft. KUNZE, N.: „Verwitterung von Kalkmörteln mittelalterlicher Feldsteinkirchen in

Brandenburg“. Diplomarbeit im Fachbereich Geowissenschaften der Universität Bremen, 1997

KÖHLER, WOLFRAM: „Zerstörungsfreie Untersuchungen an Putzen und Mörteln der mittelalterlichen Feldsteinkirche in Schönewalde“. Beitrag im vorliegenden Arbeitsheft.

NEUMANN, H.-H., KUNZE, N., PACHE, T., SCHLÜTTER, F., JULING, H.: „Mikroskopische Untersuchungen an historischen Kalkmörteln von Feldsteinkirchen in Bran-denburg“. Beitrag im vorliegenden Arbeitsheft.

RAUE, JAN: „Restauratorische und naturwissenschaftliche Untersuchung und Konservierung der mittelalterlichen Putze in einer brandenburgischen Feldstein-Dorfkirche“. Beitrag im vorliegenden Arbeitsheft.

SCHLÜTTER, FRANK: „Elektronenmikroskopische Untersuchungen zur Verteilung des Festigungsmittels im Porenraum unterschiedlich konservierter mittelalter-licher Putze [Testflächen Kloster Chorin]“. Unveröffentlichter Bericht im Auftrag des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege.

Anhang: Bildtafeln I bis XI

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TAFEL I Abb. 1: Festigungsmittel F 300 zwischen Gipskristallen (Oberfläche der Probe SW 3/7, mit LM nachgeflutet): Stellenweise sind Abrisse des Filmes von den Gipskristallen zu erkennen. [REM-SE-Aufnahme]

Abb. 2: Vergleichsaufnahme einer Putzoberfläche aus dem Kloster Chorin (ebenfalls Festigungsmittel F 300, nicht mit LM nachgeflutet): Ungenügende Filmbildung: „Löcher“ zwischen Gips-kristallen (gleiche Vergrößerung wie Abb. 1) [REM-SE-Aufnahme]

Abb. 3: Festigungsmittel VP 13 zwischen Gipskristallen (Oberfläche der Probe SW 3/6, mit LM nachgeflutet): Stellenweise sind Abrisse des Filmes von den Gips-kristallen zu erkennen. [REM-RE-Aufnahme]

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TAFEL II Abb. 4: Festigungsmittel P 1 zwischen Gipskristallen (Oberfläche der Probe SW 3/5, mit LM nachgeflutet): Stellenweise sind Abrisse des Filmes von den Gips-kristallen und „Löcher“ zu erkennen. [REM-RE-Aufnahme]

Abb. 5: EDX-Elementspektrum des Festigers in Abb.4: Ca und S stammen vom Gips, Si vom Festiger.

Abb. 6: Festigungsmittel F 300 auf Calcit-Bindemittelkristallen (Oberfläche der Probe SW 3/3, mit LM nachgeflutet): Ungenügende Filmbildung und Aufwölbungen (schlechte Haftung ?) sind zu erkennen. [REM-SE-Aufnahme]

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TAFEL III Abb. 7: Festigungsmittel P 1 auf Calcit-Bindemittelkristallen des Fugenmörtels (Oberfläche der Probe SW 3/1, mit LM nachgeflutet): Geschlossener Film. Die Ursache der „Furchen“ ist derzeit noch nicht bekannt. [REM-SE-Aufnahme]

Abb. 8: EDX-Elementspektrum, aufge-nommen an der Oberfläche der in Abb.7: Ca stammt vom Bindemittel des Fugenmörtels, Si vom Festiger.

Abb. 9: Festigungsmittel P 1 auf Calcit-Bindemittelkristallen des Anputzmörtels (Teil der Ober-fläche der Probe SW 3/1, mit LM nachgeflutet). Geschlossener Festigungs-mittelfilm. [REM-SE-Aufnahme]

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TAFEL IV Abb. 10: Festigungsmittel P 1 im ober-flächennahen Porenraum (Probe SW 3/1). Stellenweise sind Abrisse der Filme von den Gefügebestandteilen zu erkennen. [REM-SE-Aufnahme]

Abb. 11: Festigungsmittel VP 13 im oberflächennahen Porenraum zwischen (rissigen) Gips-kristallen. Die Haftung ist im abgebildeten Bereich nicht zufriedenstellend. [REM-RE-Aufnahme]

Abb. 12: EDX-Elementspektrum, aufgenommen im Festigungs-mittel in Abb. 11. Ca und S stammen vom Gips, Si vom Festiger.

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TAFEL V Abb. 13: Festigungsmittel VP 13 im oberflächennahen Porenraum: Stellenweise ist ein filmartiger, gut haftender Überzug auf den Bindemittelaggregaten erkenn-bar. [REM-SE-Aufnahme]

Abb. 14: Vergleichsaufnahme aus dem oberflächennahen Porenraum einer gefestigten Putzprobe aus dem Kloster Chorin (mit F 300): Die Benetzung und Haftung sind nicht optimal (stellenweise „abstehende Segel“). Weiterhin ist eine Verschluß der Feinstporen sehr wahrscheinlich [REM-SE-Aufnahme]

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TAFEL VI Abb. 15: Blick auf die Oberfläche einer Putzergänzung Teil der Probe SW 3/1): Die geschlossen wirkende Bindemittelschicht wird von einem Netz feiner Risse durchzogen. [REM-SE-Aufnahme]

Abb. 16: Blick auf die Bruchfläche einer Putzergänzung (Teil der Probe SW 3/1): An der Oberfläche (im Bild oben) ist die Ausbildung einer 10-20 µm dünnen, gegenüber dem darunter befindlichen Gefüge verdichteten Sinterschicht zu erkennen. [REM-SE-Aufnahme]

Abb. 17: Kontaktzone der Putzergän-zung zum Fugenmörtel (Teil der Probe SW 3/1): Guter Kontakt zwischen altem und neuem Mörtel [PolMi-Aufn., // Pol., Porenraum blau, Bildbreite ca. 4 mm]

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TAFEL VII Abb. 18: Charakteristisches Gefüge des Fugen-mörtels (Teil der Probe SW 3/1): Gleichmäßig gelocker-tes Gefüge mit stark erhöhter Porosität durch hohen Saumporengehalt. [PolMi-Aufn., // Pol., Porenraum blau, Bildbreite ca. 1 mm]

Abb. 19: Charakteristisches Gefüge des Ergän-zungsmörtels (Teil der Probe SW 3/1): Guter Korn-Matrix-Kontakt, keine Schwindrisse [PolMi-Aufn., // Pol., Porenraum blau, Bildbreite ca. 1 mm]

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TAFEL VIII Abb. 20: Gefüge einer Mörtel-schale der N-Wand (SW 3/5): Im Bild links ist Außenseite mit sich ablösender Gipskruste zu erkennen. [PolMi-Aufn., // Pol., Porenraum blau, Bildbreite ca. 4 mm]

Abb. 21: Detail aus Abb. 20: Algen hinter der hohl liegenden Gipskruste [PolMi-Aufn., // Pol., Porenraum blau, Bildbreite ca. 4 mm

Abb. 22: Rückseite einer abgelösten Gipskruste von der N-Seite: Algen (rund, dunkel) auf Gips (hell). [REM-RE-Aufnahme]

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TAFEL IX Abb. 23: Kontaktzone Fugenmörtel / Hinterfüllmörtel (SW 3/5): Die Anbindung ist gut, allerdings erfolgt sie an eine sogenannte Lockerungszone. Die Zuschläge werden nicht von Bindemittel umschlossen. Eine kraftschlüssige Verbin-dung ist nicht zu erwarten. [PolMi-Aufn., // Pol., Porenraum blau, Bildbreite ca. 4 mm]

Abb. 24: Detail aus Abb. 23 [PolMi-Aufn., // Pol., Porenraum blau, Bildbreite ca. 4 mm]

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TAFEL X Abb. 25: Fugenmörtel Nordwand (SW 3/5): In Oberflächennähe (äußerste 0, 5 mm des Mörtels) ist das ehemals calcitische Bindemittel durch Gips ersetzt ( Gips-kruste in der linken Bildhälfte) [PolMi-Aufn. // Pol., Porenraum blau, Bildbreite ca. 1 mm]

Abb. 26: Fugenmörtel N-Wand. Querbruch durch eine Schale, die sich während der Befestigung eins Carstenschen Prüfröhrchens gelöst hat: Eingewachsene, im Bild-bereich 0,3-0,5 mm starke Gipskruste; dahinter die Lockerungszone, in der die Ablösung erfolgte. [REM-RE-Aufnahme]

Abb. 27: Die Gipskruste aus Abb. 26 im Detail: Die Gipskristalle sind eng mit-einander verwachsen und bilden ein, gegenüber dem Fugenmörtel, sehr dichtes Gefüge. [REM-SE-Aufnahme]

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TAFEL XI Abb. 28: Stark gerissene Schicht aus amorpher Kieselsäure auf Feldsteinoberfläche. In der linken oberen und rechten unteren Ecke sind in diese Schicht eingeschlossene, helle Gipskristalle zu erkennen (zugehörige EDX-Spektren s. Abb. 30 und 31) [REM-RE-Aufnahme]

Abb. 29: Detail einer Oberfläche der Bruchstücke in Abb. 28: Die Kieselsäureablagerungen setzten sich aus 100-200 nm kleinen Kügelchen zusammen. [REM-SE-Aufnahme]

Abb.30: EDX-Spektrum der amorphen Kieselsäure in Abb. 29

Abb. 31: EDX-Spektrum der in der Kieselsäureschicht eingeschlossenen Gipskristalle