Frankfurter Verein Reha-W erkstatt R delheim...Produkte und Dienstleistungen Als moderne Druckerei...

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Druckvorstufe Offsetdruck Weiterverarbeitung Mailingservice KfZ-Beschriftungen Die Werkstatt Die Reha-Werkstatt Rödelheim ist eine Einrich- tung zur beruflichen und sozialen Integration seelisch behinderter Menschen. Produkte und Dienstleistungen Als moderne Druckerei ist die Reha-Werkstatt Rödelheim ein Systemanbieter des grafischen Gewerbes. In der Druckvorstufe arbeitet die Werkstatt zur Satzherstellung, Gestaltung und elektronischer Bildbearbeitung mit modernsten Scan- und DTP-Systemen. Sie bearbeitet und belichtet gelieferte Druckdateien. Im Offset-Druck und der Druckweiterverarbeit- ung werden alle notwendigen Leistungen er- bracht; dazu zählen auch Satz- und Binde- arbeiten. Die Reha-Werkstatt Rödelheim übernimmt Ver- sand-Dienstleistungen und bietet somit Kom- plettlösungen an – von der Satzerstellung und Gestaltung bis zur Auslieferung. Qualität Gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mit- arbeitern bearbeitet die Werkstatt - gemäß dem Prinzip „Förderung durch Arbeit” - die Kundenaufträge. Ein Qualitätsmanagment- system nach DIN ISO 9001: 2000 hilft bei der Aufrechterhaltung einer gleichbleibend guten Qualität. Reha-Werkstatt Rödelheim Frankfurter Verein für soziale Heimstätten e.V. Anzeige Frankfurter Verein Reha - Werkstatt Rödelheim Biedenkopfer Weg 40 a 60489 Frankfurt am Main Fon 069 - 90 74 98 0 Fax 069 - 90 74 98 25

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Druckvorstufe

Offsetdruck

Weiterverarbeitung

Mailingservice

KfZ-Beschriftungen

Die Werkstatt

Die Reha-Werkstatt Rödelheim ist eine Einrich-tung zur beruflichen und sozialen Integrationseelisch behinderter Menschen.

Produkte und Dienstleistungen

Als moderne Druckerei ist die Reha-WerkstattRödelheim ein Systemanbieter des grafischenGewerbes. In der Druckvorstufe arbeitet dieWerkstatt zur Satzherstellung, Gestaltung undelektronischer Bildbearbeitung mit modernstenScan- und DTP-Systemen. Sie bearbeitet undbelichtet gelieferte Druckdateien.Im Offset-Druck und der Druckweiterverarbeit-ung werden alle notwendigen Leistungen er-bracht; dazu zählen auch Satz- und Binde-arbeiten.Die Reha-Werkstatt Rödelheim übernimmt Ver-sand-Dienstleistungen und bietet somit Kom-plettlösungen an – von der Satzerstellung undGestaltung bis zur Auslieferung.

Qualität

Gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mit-arbeitern bearbeitet die Werkstatt - gemäßdem Prinzip „Förderung durch Arbeit” - dieKundenaufträge. Ein Qualitätsmanagment-system nach DIN ISO 9001: 2000 hilft bei derAufrechterhaltung einer gleichbleibend gutenQualität.

Reha-WerkstattRödelheim

Frankfurter Vereinfür soziale Heimstätten e.V.

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Reha-Werkstatt Rödelheim Biedenkopfer Weg 40 a 60489 Frankfurt am Main Fon 069-90 74 98 0 Fax 069-90 74 98 25

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TreffpunkteFrankfurter Zeitschrift für Gemeindepsychiatrie

Herausgegeben von der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V.

Frankfurter Psychiatriewoche 2010 Berichte, Meinungen, Impressionen

4/ 2010

Outsider – nicht nur für Insider Die Frankfurter Schirn zeigt Werke von Künstlern, die »anders« sindVon Birgit Enderle

Wahnsinnig jungDie Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie sucht neue Wege für Jugendliche mit psychischen Schwierigkeiten

»Sie« und »wir«Rede und Gegenrede zu einem schwierigen Zitat über psychisch kranke und »normale« Menschen

FragebogenSieben Fragen an Andrea Kempf

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Impressum

ImpressumTreffpunkteFrankfurter Zeitschrift für Gemeindepsychiatrie

KonzeptDie Zeitschrift ist ein Forum für alle Beteiligten in derambulanten, teilstationären und stationären Psychia-trie sowie in der Sozialpsychiatrie. Die Zeitschriftberichtet über allgemeine Entwicklungen; dasbesondere Gewicht liegt auf regionalen Aspekten derRhein-Main-Region.

GründerChristof Streidl (1939-1992)

HerausgeberBürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V.Holbeinstraße 25-27, 60596 Frankfurt am Main Telefon 069 96201869, Fax 069 627705 [email protected] www.bsf-frankfurt.de

RedaktionsteamHenning Böke, Parvaneh Ghorishi, Christel Gilcher,Oliver Glaubrecht, Karla Mundt, Stephan von Nessen,Gerhard Pfannendörfer, Nadine Röder, StefanThalheim

ChefredaktionGerhard Pfannendörfer, Eichwaldstraße 45 60385 Frankfurt am Main Telefon 069 447401 [email protected] www.gerhard-pfannendoerfer.de

Druck und VertriebReha-Werkstatt Rödelheim, Biedenkopfer Weg 40a60489 Frankfurt am MainTelefon 069 907498-0, Fax 069 [email protected]/frankfurter-verein/rwr/rwr.html

Layout, Satz und GestaltungBettina [email protected]

TitelseiteDie Tanztherapiegruppe aus dem Bamberger Hofbegeisterte die Besucher der Eröffnungsveranstaltungder diesjährigen Frankfurter Psychiatriewoche.Foto: Gerhard Pfannendörfer

ErscheinungsweiseDie Zeitschrift erscheint vierteljährlich.

Auflage1.300 Exemplare

EinzelpreisDie Zeitschrift kostet 5,- Euro einschließlichVersandpauschale.

AbonnementDas Jahresabonnement kostet 12,- Euro, zzgl. 5,- EuroVersandpauschale jährlich. Das Abonnement kann biszum 31. Dezember jedes Jahres gekündigt werden.Bestellungen bitte an den Herausgeber.

FörderabonnementMit einem Förderabonnement ab 20,- Euro jährlichkann die Zeitschrift unterstützt werden.

AnzeigenBürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V.Holbeinstraße 25-27, 60596 Frankfurt am Main Telefon 069 96201869, Fax 069 [email protected]

hat sich zur Aufgabe gemacht, die Situation psychisch krankerMenschen in Frankfurt am Main zu verbessern. Hierzu hat der Vereinim Laufe der Jahre viele Projekte initiiert, deren vorrangiges Ziel dieVerbesserung der außerklinischen Versorgung ist.

Angebote der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V. sindbeispielsweise das Betreute Wohnen, die Psychosoziale Kontakt- undBeratungsstelle Süd, eine Tagesstätte, ein Wohnheim und der offene»Treffpunkt Süd«. Die Einrichtungen bieten psychisch kranken Men-schen Unterkunft und Beratung sowie die Möglichkeit, ihren Tag zustrukturieren und mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen.Der Psychosoziale Krisendienst sichert außerhalb der allgemeinenDienstzeiten der Beratungsstellen und sonstigen Diensten in Notlagenpsychosoziale und ärztliche Hilfe. Er wendet sich an Menschen mitpsychischen Erkrankungen und seelischen Behinderungen, die an einerakuten ernsthaften Störung ihrer seelischen Gesundheit leiden, sowiederen Angehörige, Freunde, Bekannte und Nachbarn.

Die von der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V.herausgegebene Zeitschrift für Gemeindepsychiatrie »Treffpunkte«dient der Vermittlung von Fachinformationen und der Unterrichtungder Öffentlichkeit über die Situation psychisch kranker Menschen. DieZeitschrift soll helfen, Vorurteile gegenüber diesem Personenkreisabzubauen.

Der Vorstand der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V.setzt sich zusammen aus Stephan von Nessen (1. Vorsitzender), Kirstinvon Witzleben-Stromeyer (2. Vorsitzende), Regina Stappelton (Schatz-meisterin), Gabriele Schlembach (Schriftführerin) sowie den BeisitzernWolfgang Schrank und Bernhard Moch. Geschäftsführer der BürgerhilfeSozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V. ist Gerhard Seitz-Cychy.

Die Arbeit des Vereins wird finanziert durch Leistungsentgelte für dieerbrachten Einzelangebote, durch Zuschüsse der Stadt Frankfurt amMain und des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen sowie durchMitgliedsbeiträge und Spenden.

www.bsf-frankfurt.de

Die Bürgerhilfe SozialpsychiatrieFrankfurt am Main e. V.

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Editorial

»Tradition heißt nicht Asche verwahren,sondern eine Flamme am Brennen halten.«

Jean Jaurès, französischer Philosoph und Politiker (1859–1914)

Liebe Leserin, lieber Leser,

über mangelnden Zuspruch konnten sich die meisten Veranstalter der 22. Frankfurter Psychiatriewoche nicht beklagen. Vom 9. bis 17. September 2010strömten die Besucher in die 34 Veranstaltungen unterschiedlicher Art mitunterschiedlichen Themen. Ein Schwerpunkt war die Frage, wie man jungenMenschen, die selbst oder deren Eltern psychisch krank sind, am besten helfenkann. Dabei zeigt sich, dass die Psychiatrie als Ganzes und auch das sonst gutausgebaute Hilfesystem in Frankfurt am Main noch Nachhilfebedarf haben.Für die »Jungen Wilden«, die immer öfter in Diensten und Einrichtungen derSozialpsychiatrie auftauchen, hat noch niemand die passenden Angeboteparat. Auch die Personengruppe der psychisch kranken Straftäter war bislangnoch nicht so recht im Blickfeld der gemeindenahen Psychiatrie. Dass es sichbeim manchmal belächelten Symptom des Burn-outs um eine ernsthafteGefährdung der psychischen Gesundheit handelt, legte eine ebenfalls gutbesuchte Veranstaltung dar, über die in diesem Heft berichtet wird.

Im Jahr der zahlreichen Jubiläen von psychiatrischen Organisationen zeigtedie Frankfurter Psychiatriewoche wieder einmal, was ihre Stärke und ihrenReiz ausmacht: Die Vergangenheit nicht vergessen, aber den Blick fest auf dieZukunft richten!

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Kurz nach seiner Pensionierung hat Artur Diethelm einen Schlaganfall erlitten.Eine Generation lang hat er die Gemeindepsychiatrie in Frankfurt am Mainwesentlich mitgeprägt; über dreißig Jahre als Leiter des Bamberger Hofes, fürdessen Erhalt er oft gestritten und den er durch seinen politischen und fach-lichen Einsatz letztlich gesichert hat. Die von ihm initiierte »Ambulantepsychiatrische Akutbehandlung zu Hause« ist heute über die Grenzen unsererStadt hinaus bekannt und gilt als Musterbeispiel zeitgemäßer Sozialpsychia-trie. Vielen psychisch kranken Menschen konnte dadurch geholfen werden.Artur Diethelm befindet sich auf dem Weg der gesundheitlichen Besserung –Herausgeber und Redaktion der »Treffpunkte« wünschen ihm von Herzen eineweiter gute und vollständige Genesung.

Gerhard PfannendörferRedaktion »Treffpunkte«

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Inhalt

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Inhalt

Editorial1 Von Gerhard Pfannendörfer

Magazin3 »Kultur für ALLE«

Ein neuer Pass für Menschen ohne viel Geld

4 Outsider – nicht nur für InsiderDie Frankfurter Schirn zeigt Werke von Künstlern, die »anders« sindVon Birgit Enderle

Thema6 Impressionen aus der

Eröffnungsveranstaltung

6 Interview Wie war die diesjährige Psychiatriewoche,Hélène Bister?

8 … wenn die Batterien leer sindBurn-out ist kein unabwendbares SchicksalVon Christopher Weber

12 Wohin mit den »Jungen Wilden«?Zwei Veranstaltungen während der FrankfurterPsychiatriewoche 2010 beschäftigten sich mitpsychisch kranken jungen MenschenVon Gerhard Seitz-Cychy

17 Wahnsinnig jungDie Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie sucht neueWege für junge MenschenVon Henning Böke

19 Den Zusammenhalt in der Familie fördernEine Fachveranstaltung während der 22. Frankfurter Psychiatriewoche untersuchte,wie man Kindern psychisch kranker Elternhelfen kannVon Christel Gilcher

21 Therapie und SicherheitDie 22. Frankfurter Psychiatriewoche disku-tierte das Verhältnis von Forensik undGemeindepsychiatrieVon Gerhard Seitz-Cychy

Forum24 »Sie« und »wir«

Rede und Gegenrede zu einem schwierigenZitat über psychisch kranke und »normale«MenschenAuf Alice Wunderland antwortetStephan von Nessen

Informationen26 Themenhefte und Notizen

Fragebogen32 Sieben Fragen an Andrea Kempf

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Magazin

»Kultur für ALLE«Ein neuer Pass für Menschen ohne viel Geld

»Kultur hat nicht exklusiv zu sein, sondern inklusiv.« Nach diesemGrundsatz hat der Musikproduzent Götz Werner einen Verein gegrün-

det, der einen Kulturpass für bedürftige Menschen in Frankfurt amMain ausgibt. Viele Kultureinrichtungen machen zwischenzeitlich mit.

»Kultur für alle« war einst einSchlachtruf in den 1970-er Jahren,ausgelöst durch ein Buch des damali-gen Frankfurter KulturdezernentenHilmar Hoffmann. Inzwischen habensich die Zeiten gründlich geändert.Allein in Frankfurt leben über80.000 Menschen an der Armuts-grenze, die sich die Teilnahme amkulturellen Leben in dieser Stadtkaum leisten können. So sind dieEintrittspreise für Museen, Theater,Oper, Kino und Konzerte exorbitantgestiegen. Die Menschen, die schongenug Probleme haben, den tägli-chen Überlebenskampf zu meistern,sind von der Teilhabe an Kultur aus-geschlossen.

In Frankfurt am Main hat sich des-halb der Verein »Kultur für ALLE e. V.«gegründet und hat mit einem ambi-tionierten und bestechenden Kon-zept in kurzer Zeit schon Erfolg. DerVerein gibt einen scheckkartenähnli-chen Kulturpass heraus, den Interes-sierte für einen Euro im Jahr (Kinder50 Cent) erwerben können. Der Kul-turpass trägt auf der Vorderseite einBild des Malers Marc Chagall, denner soll kein »Armutspappendeckel«sein, sondern soll mit Stolz als Aus-weis des Rechts und Interesses ankultureller Teilhabe vorgezeigt wer-den können.

Zugleich verhandelt der Verein mitVeranstaltern aller Couleur, die Kul-turpass-Inhaber für einen Euro ein-zulassen. Teilweise bezieht sich diesauf nicht verkaufte Plätze, jedoch

gibt es auch Veranstalter, die ein fes-tes Kontingent zur Verfügung stel-len. In kurzer Zeit hat »Kultur fürALLE e. V.« schon über 3.000 Kultur-pässe ausgeben können. Um heraus-zufinden, welche Veranstalter denKulturpass akzeptieren, hat der Ver-ein eine Website eingerichtet, dieständig gepflegt ist und auf der dieKulturpassinhaber das sich ständigerweiternde Angebot einsehen kön-nen. Dabei sind Oper und Schauspiel,das hr-Sinfonieorchester und die hr-Big Band, fast alle FrankfurterMuseen, Buchmesse und Musikmes-se, der Musik Club »Das Bett«, dasHaus am Dom und das Literaturhaus,um nur einige der über 150 Koopera-tionspartner zu nennen.

Der Verein wird ausschließlichehrenamtlich getragen und wurde in

diesem Jahr vom ehemaligen Bun-despräsidenten Horst Köhler undBundeskanzlerin Angela Merkel aus-gezeichnet.

Den Kulturpass erhalten Personen,die nicht in der Lage sind, ihren not-wendigen Lebensunterhalt aus eige-nen Kräften und Mitteln zu beschaf-fen. Hierzu gehören Bezieher vonHartz IV, Menschen, die Hilfe zumLebensunterhalt beziehen, Rentnermit Grundsicherung, Asylbewerber,Obdachlose. Als Nachweis genügt ein»Frankfurt Pass« oder ein behördli-cher Bescheid.

Interessenten finden auf der Websitedes Vereins alle weiteren Angaben:www.kulturpass.net.

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»Der schönste Armutsausweis der Welt«, nennt der Vereinsgründer Götz Werner denFrankfurter Kulturpass mit einem Bild von Marc Chagall.

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Das Haus ist dunkel und übersätmit Schnitzereien. Auch im Innerenist es düster. Alles ist noch so, als obes der Künstler gerade verlassen hät-te. Auf der Schnitzbank liegt nochdas Werkzeug, es gibt keine verputz-ten Wände, überall spinnt sich einNetz von Malereien und Ornamen-ten aus dunklem Holz. Auch ein Ehe-bett und eine Kinderwiege stehenbereit für ein Leben mit Familie.Doch der Künstler war nie verheira-tet. Er hat sich eine eigene Weltgeschaffen, die nur von ihm mitLeben ausgefüllt wurde. Im Ort Lem-go galt er als Sonderling. Man erzähltsich die Geschichte von einer un-glücklichen Liebe.

Karl Junkers Welt ist nur eine von 14»Welten«, die in der Ausstellung»Weltenwandler – die Kunst der Out-sider« in der Schirn zu sehen ist.

Gemeinsam ist allen Künstlern, dasssie »anders« sind und ein Dasein amRande der Gesellschaft fristen. Der

Bogen reicht von der Jahrhundert-wende bis zu heute noch lebendenund aktiven Künstlern.

Problematisch bleibt jedoch der Sam-melbegriff »Outsider«. Er umfasstkeine stilistische Einheit. Zudem istdie geistige Verfassung der ausge-stellten Künstler zwar ungewöhn-lich, aber sehr unterschiedlich, dennein psychisch kranker Künstlermöchte sicher ungern als »behin-dert«, und eine Frau mit Down-Syn-drom als »krank« eingestuft werden.

Entstanden ist der Begriff »OutsiderArt« in den siebziger Jahren, der eng-lische Kunsthistoriker Roger Cardinalsuchte ein weiter gefasstes Äquiva-lent für »Art Brut« – Dubuffets Wort-schöpfung, was soviel wie unverbil-dete, rohe Kunst bedeutet. Denn diemeisten ausgestellten Künstlerhaben keine künstlerische Ausbil-dung genossen, ihre Kunst istursprünglich und frei von »-Ismen«und Normen der Kunstwelt.

Die Kunstwerke sind meist gar nichtfür einen Betrachter gemacht, viel-mehr standen die ausgestelltenKünstler unter der inneren Notwen-digkeit, ihre Phantasiewelt in einergeradezu manischen Produktionabzuarbeiten. Bereits PrinzhornsSammlung und sein Buch »Die Bild-nerei der Geisteskranken« von 1922hatten einen großen Einfluss. DieSurrealisten ließen sich durch dieunbändige Phantasie der Anstaltsin-sassen inspirieren. Doch Prinzhornsprach bewusst noch nicht vonKunst, sondern nur von »Bildnerei«,bei ihm war meist auch noch dieRede von Fall-Nummern und nichtvon Persönlichkeiten mit Namen.Erst der Künstler Dubuffet – auf derSuche nach einer authentischen Aus-drucksweise – erhob die in seinerSammlung aufgenommen Werke inden Rang von Kunstwerken.

Zwischen dem Kunstwerk und demLeben des Künstlers ist schwer zutrennen, das Menschliche spielt eine

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Outsider – nicht nur für InsiderDie Frankfurter Schirn zeigt Werke von Künstlern, die »anders« sind

Von Birgit Enderle

Die Ausstellung »Weltenwandler« in der Schirn Kunsthalle auf demFrankfurter Römerberg zeigt bis 9. Januar 2011 die Werke von Künstlern,die unter den nicht unproblematischen Sammelbegriff »Outsider«gefasst werden. Sehenswert sind die teilweise erstmals in Deutschlandausgestellten Kunstwerke jedoch auf alle Fälle.

HENRY DARGER: OHNE TITEL, CA. 1950–1960; Gouache, Bleistift und Collage auf Papier 60 x 270 cmcollection abcd, Paris. / Fotografie: collection abcd, Paris

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wesentliche Rolle bei der Rezeptionder Werke, und können sie uns nichtdadurch auch näher kommen alsmanche Kunstwerke von akademi-schen, etablierten Künstlern, die dieKunstgeschichte umkreisen wie eineAuster, als ob es keine Welt außer-halb gäbe?

In den 14 Kabinetten sind bekannteNamen vertreten, so Klassiker derArt-Brut-Sammlung wie Aloïse,Wölfli und Forestier. Auch ein Künst-ler aus Gugging, August Walla, istdabei. Aber es gibt auch Werke zuentdecken, die bisher im deutsch-sprachigen Raum noch nicht ausge-stellt wurden, wie die »HealingMashines« von Emery Blagdon, einBuch- und Zeichnungsepos von

Henry Darger oder Zeichnungen vonMadge Gill, die glaubte, durch einMedium inspiriert worden zu sein.

Empfangen wird der Besucher imTreppenhaus von den MalereienBirgit Ziegerts, die wie Judith Scottmit einem Down-Syndrom geborenwurde. Beide haben bereits Förde-rung erfahren, Birgit Ziegert wird imFrankfurter Atelier Goldstein betreut.

Es handelt sich trotz des fragwürdi-gen Sammelbegriffs »Outsider« umeine sehenswerte Ausstellung. Wirkönnen in fremde, manchmal son-derbare Welten eintauchen, die unsvielleicht auch an unsere eigenenÄngste und Wünsche erinnern.

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Birgit Enderle ist Diplom-Pädagogin, Kunstpädagogin und Referentin für neue Medien.Sie hat einen Film über die erste Ausstellung der Gruppe »Vivat Anima!«

in der Psychiatrie der Universitätsklinik Frankfurt am Main gedreht.www.puppet-transition.blogspot.com

[email protected]

AUSSTELLUNGSANSICHT Schirn Kunsthalle Frankfurt. / Fotografie: Norbert Miguletz

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Auftakt zur 22. Frankfurter PsychiatriewocheDer Auftakt zur 22. Frankfurter Psychiatriewoche fandam 9. September 2010 im Saalbau Gallus statt. Dr.Manuela Rottmann (Foto links), Dezernentin für Umweltund Gesundheit, überbrachte die Grüße der Stadt Frank-furt am Main. Die doppelt schwierige Position von Mig-rantenkindern mit psychisch kranken Eltern stand imMittelpunkt des Fachvortrags und der Podiumsdiskussi-on während der Eröffnungsveranstaltung, die dieses Maleine Gemeinschaftsproduktion von vier Organisationen

Hélène Bister von der Frankfurter Instituts-ambulanz Hohe Mark hat zusammen mit

Andrea Kempf von Perspektiven e. V.(vgl. Seite 32) maßgeblich die diesjährige

Frankfurter Psychiatriewoche vorbereitet.Da beide auch Sprecherinnen der Fachgruppe

Psychiatrie sind, mussten dessen Treffen indiesem Jahr ausfallen. Wir fragten Hélène

Bister nach ihren Erfahrungen.

Wie war die diesjährige Psychiatriewoche, Hélène Bister?

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Thema

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war, dem Internationalen Familienzentrum e. V., derVitos-Klinik Bamberger Hof, der Städtischen KlinikFrankfurt Höchst (Klinik für Psychiatrie, Psychosomatikund Psychotherapie) und Perspektiven e. V. In ihrer Ein-leitung wies die Moderatorin der Veranstaltung, Dr. Bar-bara Bornheim vom Bamberger Hof (Foto unten Mitte),darauf hin, dass Menschen mit Migrationshintergrundrund 37 Prozent der psychisch Kranken stellten. In denKliniken sind es teilweise sogar die Hälfte der Patienten.

Kinder aus solchen Familien müssen als besonders belas-tet gelten, da sie häufig Verantwortung für ihre Elternund für jüngere Geschwister übernehmen müssten.Künstlerisch begleitet wurde die Eröffnungsveranstal-tung von der griechischen Rembetiko-Musikgruppe»Prosechos« aus Frankfurt am Main (Foto unten links)und der Tanztherapiegruppe vom Bamberger Hof. (Fotound rechts)

Treffpunkte: Was ist gut gelaufen in der diesjährigenPsychiatriewoche?Hélène Bister: Für uns war es eine Premiere, neben denAufgaben als Fachgruppensprecherinnen auch die Organi-sation und Durchführung der Psychiatriewoche zu über-nehmen. Dafür ist es meiner Meinung nach gut gelaufen.Es gab keine größeren Pannen – und wenn sie sich dochankündigten, wurden sie durch tatkräftige Unterstützungvieler Helferinnen und Helfer schnell abgewendet.

Treffpunkte: Was hätte man besser machen können?Hélène Bister: Wir haben einige Ideen für die Zukunftsammeln können. Ein Beispiel: Es sollten nach Meinungvon Einrichtungen und Besuchern nicht so viele Veranstal-tungen parallel laufen; wenn möglich, sollten bei der Pla-nung nicht mehr als zwei Termine gleichzeitig angesetztwerden. Das müsste im Vorfeld abgesprochen und koordi-niert werden. Dies ist eine von vielen Ideen.

Treffpunkte: Was war ihr schönstes Erlebnis bei den dies-jährigen Veranstaltungen?

Hélène Bister: Ich besuchte den Kongress im Meta-Quarck-Haus und fand es sehr schön, dass dort auch die »Betroffe-nen« selbst zu Wort kommen konnten – besonders durchihre musikalischen Beiträge. Denn so findet Austauschstatt.

Treffpunkte: Welchen Rat geben Sie dem Vorbereitungs-team für die Psychiatriewoche 2011?Hélène Bister: Einfach mit viel Spaß an die Sache herange-hen – dann läuft es. Und sie sollten Mut haben, Neues aus-zuprobieren, Interesse an Neuem. Und immer einen gutenAustausch mit allen Beteiligten pflegen.

Treffpunkte: Wie geht´s jetzt weiter mit der FachgruppePsychiatrie?Hélène Bister: Das ist eine gute Frage; ich hoffe, sie dem-nächst beantworten zu können. Wir werden schauen. Essind noch immer interessierte Mitorganisatoren will-kommen.

? INTERVIEW

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Thema

»Burn-out – wenn die Batterien leersind« Mit diesem Thema lag der Integrationsfach-

dienst Rhein-Main in Frankfurt am Main bei seinerdiesjährigen Veranstaltung im Rahmen der Psychia-

triewoche offenbar goldrichtig.

Rund einhundert Personen – Mitarbeitende, Personalver-antwortliche und Interessenvertreter aus Unternehmender Region sowie am Thema Interessierte – warengekommen, um »mit vollen Batterien« den Ausführun-gen von Gabriela Buruck zu folgen und in der sichanschließenden Diskussion ihre eigenen Erfahrungenund oft auch Unsicherheiten im Umgang mit der Thema-tik einzubringen. Gabriele Buruck ist wissenschaftlicheMitarbeiterin an der Professur für Arbeits- und Organisa-tionspsychologie an der Technischen Universität Dres-den und beschäftigt sich seit über zwanzig Jahren mitFragen der Arbeitsorganisation und Arbeitsplatzgestal-tung.

Burn-out ist ein ernstzunehmendes Phänomen, welchesin fast allen Berufsgruppen anzutreffen ist und einer dif-ferenzierten Betrachtungsweise bedarf. Dabei richtetsich der Fokus auf zwei Punkte: zum einen die emotiona-le Kompetenz, mit der die jeweilige Person ihre Arbeiterledigt und zum anderen die konkreten Rahmenbedin-gungen des jeweiligen Arbeitsplatzes und die damit ver-bundenen Handlungsspielräume, welche dem Mitarbei-ter eröffnet werden – oder verschlossen bleiben. Um demPhänomen Burn-out auf die Spur zu kommen, muss man

beide Aspekte betrachten, denn man kann sie letztend-lich nicht voneinander trennen.

Der Einzelne

Unsere Dienstleistungsgesellschaft erwartet von Mitar-beitenden persönliche Kompetenzen, die mit dem Aus-bildungsberuf im eigentlichen Sinne oft wenig zu tunhaben und als solche eher vorausgesetzt als vermitteltwerden.

Ich nenne nur das Stichwort »Kundenorientierung«.Unter diesem Begriff versammeln sich durch das Unter-nehmen definierte oder selbst auferlegte Vorgaben, denGeschäftspartner zu seiner vollen Zufriedenheit zubedienen, keine Wünsche offen zu lassen, verständnis-voll und zugewandt zu sein, Kritik und sonstigenUnmutsäußerungen mit einem hohen Maß an Akzep-tanz zu begegnen usw.

Und genau an diesem Punkt kommen wir Menschenaufgrund unserer individuell verschiedenen emotiona-len Konstitution in die Bredouille. Kein Mensch ist emo-tional darauf geeicht, Kritik an der eigenen Arbeit oderPerson als motivierend zu erleben. Vielmehr sucht jeder,wenn auch oft erst einmal unbewusst, nach Auswegenaus dieser Situation. Der eine legt sich ein dickes Fell zu,an dem scheinbar alles abperlt, ein weiterer verbreiteteinen Optimismus, der alle Kritik aufsaugt wie ein tro-

… wenn die Batterien leer sindBurn-out ist kein unabwendbares Schicksal

Von Christopher Weber

Die Problematik des Burn-outs untersuchte während der dies-jährigen Frankfurter Psychiatriewoche eine Veranstaltung desIntegrationsfachdienstes Rhein-Main. Tenor: Die Gründe fürdas Gefühl des Ausgebranntseins liegen meistens sowohlbeim Einzelnen wie an den betrieblichen Strukturen.

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ckener Schwamm, der Dritte arbeitet in stoischer Ruheeines nach dem anderen ab, ihn scheint nichts zuerschüttern und der Vierte versucht seinem Gegenüberdie Wünsche von den Lippen abzulesen und eilfertigumzusetzen, bevor es überhaupt auch nur zu einemHauch von Kritik kommen kann.

Meist handelt es sich bei diesen Verhaltensweisen umFassaden, die kränkende oder persönliche Grenzen auf-zeigende Erfahrungen und Begegnungen verbergen sol-len. Solche Fassaden können sich als recht dauerhaft undwiderstandsfähig erweisen. Mit den Jahren kommt esaber zu Rissen und das Selbstbewusstsein fängt an zubröckeln. Sollte es dem Mitarbeiter oder der Mitarbeite-rin nicht gelingen, dem entgegenzusteuern, kann Burn-out die unausweichliche Folge sein.

An diesem Punkt kommt die individuelle emotionaleKompetenz der jeweiligen Person ins Spiel. Sie tut dieerlebte Kränkung nicht als Bagatelle ab. Vielmehr schautsie genau hin, was in der konkreten Situation dazu bei-getragen hat, beispielsweise die Kritik des Vorgesetztenoder die Beschwerde eines Kunden als Kränkung zuerfahren.Wer ehrlich mit sich umgeht, wird meist zu einer diffe-renzierten Sicht der Dinge in der Lage sein. Zum einenwird er vielleicht merken, dass er emotional sehr dünn-häutig ist und jede kritische Bemerkung schnell als per-sönliche Infragestellung erlebt. Zum anderen wird erunter Umständen erkennen, dass sein Chef mit Kritik

schnell bei der Hand ist und dazu neigt, in Situationen,die nicht gut laufen, einen Schuldigen auszudeuten, demer alles in die Schuhe schieben kann.

Emotionale Kompetenz bestärkt mich darin, an persönli-chen Schwachpunkten zu arbeiten, so dass ich michdurch Kritik nicht gleich innerlich zutiefst verletzt fühle.Außerdem bewahrt sie mich davor jeden Schuh anzuzie-hen, den andere mir vor die Tür stellen. Und das Ganzeist obendrein mit einem Lerneffekt verbunden. Auf Dau-er kränkende Situationen sind nie einmalig. Sie laufennach dem gleichen Schema immer wieder ab. Emotiona-le Kompetenz versetzt mich in die Lage, solche Situatio-nen vorauszusehen, mich auf sie einzustellen und ange-messener zu reagieren.

Das gelingt nicht von heute auf morgen. Ich kann aberim Laufe der Zeit ein Gespür entwickeln, das mir hilft zuahnen, an welchen Punkten mich Kritik innerlich ver-letzt, wie ich dieser Kritik möglichst sachlich begegnenkann und wie ich mich davor schütze, mich über dieMaßen schuldig zu fühlen. Emotionale Kompetenz befä-higt mich zu einem differenzierten wahrnehmendenVerhalten, welches mich davor bewahrt, auf der emotio-nalen Ebene überzureagieren, indem ich beispielsweisealles in mich hineinfresse, um es dann tagelang unver-daut mit mir herumzuschleppen. Emotionale Kompetenzschenkt mir die innere Gelassenheit, weil nichts so heißgegessen wird, wie es gekocht wird. Emotionale Kompe-tenz ist ein Weg der kleinen Schritte, auf dem ich aus jeder

Das Thema Burn-out hatte während der Frankfurter Psychiatriewoche viele interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer in»hoffmanns höfe« nach Niederrad gelockt.

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Thema

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Konfliktsituation innerlich ein wenig gestärkter heraus-gehe, als es beim vorherigen Mal der Fall gewesen ist.

Das System

Bei aller Wertschätzung der Fähigkeit des Einzelnen, sichdurch die Entwicklung einer emotionalen Kompetenzdavor zu schützen, in die Burn-out-Falle zu laufen, darfnicht übersehen werden, dass es in Betrieben und Unter-nehmen oft ein System gibt, welches gewollt oder unge-wollt Türen öffnet, durch die man dem Burn-out-Syn-drom geradezu in die Arme läuft.

Eine dieser Türen trägt den Namen »unklare Strukturenund Arbeitsanweisungen«. Das führt dazu, dass sich ein-zelne Mitarbeitende und Teams voller Enthusiasmuseiner Aufgabe zuwenden und zu deren Zielerreichungalle vorhandenen Ressourcen mobilisieren. Der Arbeitge-ber nimmt dies mit großem Wohlwollen wahr, versäumtaber (weil es ja gut läuft), die Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter zu einer die persönlichen Kräfte schonendenArbeitsweise anzuhalten und Übergabepunkte zu setzen,an denen andere in das Projekt mit einsteigen.Der Einzelne oder das ganze Team gerät dann schnell ineine Situation der Überforderung. Und da es keine klaren

Strukturen gibt, an denen man die Gründe für die Über-forderung festmachen kann, wird die Frage nach denUrsachen häufig auf die personale Ebene verlagert: »WeilHerr X oder Frau Y nicht den vollen Einsatz gebrachthaben, konnten wir das Projekt nicht abschließen.« Spä-testens jetzt sind klare Strukturen und Arbeitsanweisun-gen vorzugeben, welche Herrn X und Frau Y schützenund die Arbeitsfähigkeit im Team wieder herstellen.Geschieht dies nicht, wird die Zusammenarbeit durchein enormes Spannungspotenzial belastet, das alle krea-tiven Impulse aufsaugt, Misserfolge vorprogrammiertund den einzelnen Mitarbeitenden in eine achselzucken-de Resignation abgleiten lässt, die ohne Gegensteuerungin einem erschöpfenden Burn-out zu enden droht.

Auswege

Für Personen, die Burn-out am eigenen Leib erlebthaben, ist es ein langer Weg zurück in die »Normalität«.Für sie gilt es, wegzukommen von dem inneren Autopi-loten, der sie in die Krise gesteuert und ihnen jeglicheHandlungskompetenz geraubt hat. Sie müssen neu ler-nen eigene Entscheidungen zu treffen, sich von negati-ven Emotionen zu distanzieren, in ihrem Tun neue Kraft-quellen zu entdecken und vor allem zu realisieren, dasssie, egal in welcher Situation sie sich gerade befinden,immer eine oder mehrere Alternativen haben, zwischendenen sie wählen können.

Häufig ist der Wechsel des Arbeitgebers eine möglicheAlternative. Aber dies ist nicht zwingend, sofern am vor-handenen Arbeitsplatz eine von allen Seiten offene Auf-arbeitung der Situation erfolgt und somit ein neuerAnfang möglich wird. Das setzt voraus, dass im Unter-nehmen eine Kultur etabliert wird, die es ermöglicht,sich offen über Erschöpfung, Burn-out, persönlichesEngagement, Anforderungen und Grenzen zu unterhal-ten.

An diesem Punkt bewahrheitet sich das Sprichwort, dassder Fisch am Kopf zu stinken anfängt. Führungskräfte,die sich selbst in der Situation erleben, dass die Konzern-leitung ihnen in der Führung ihrer Abteilung und derGestaltung von Arbeitsbedingungen wenig Spielraumlässt, werden diesen Druck aus Selbstschutz nach untenweiter geben und damit Sackgassen schaffen, die unwei-gerlich zu Konstellationen führen, in denen Mitarbeiten-de ihre Ressourcen verbrennen, statt sie im Interesse desUnternehmens einzubringen und weiter zu entwickeln.

Prävention geht daher immer einen doppelten Weg. Aufder strukturellen Ebene sensibilisiert sie die Entschei-dungsträger im Unternehmen dafür, «gesunde« Arbeits-bedingungen zu schaffen. Diese zeichnen sich aus durchfolgende Faktoren:

Kompetente Beratung ist möglichAuf dem Hintergrund einer oft über die Jahregewachsenen Zusammenarbeit mit Mitarbeiten-den, Personalverantwortlichen und betrieblichenVertrauenspersonen hat der Integrationsfach-dienst Rhein-Main ein Netzwerk angeleitetersowie kollegialer Beratung geschaffen, das in dieLage versetzt, auch bei Fragen rund um das Phä-nomen Burn-out ein kompetenter und zuverlässi-ger Ansprechpartner zu sein. Sprechen Sie uns an!Gerne entwickeln wir gemeinsam mit Ihnenpassgenaue Lösungen.

Integrationsfachdienste Rhein-MainSonnemannstraße 5, 60314 Frankfurt am MainTelefon 069 7580-790, [email protected] 0173 9678077 als Service für Menschen mitHörbehinderung, Internet www.ifd.de.vu

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Transparenz in der Entscheidungsfindung und damit verbunden eine offene Kommunikation

Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte

vollständige Übertragung von Aufgaben

angemessene Partizipation aller Mitarbeitenden anTeamprojekten

persönliche Wertschätzung und Anerkennung

Sicherheit des Arbeitsplatzes

Kompatibilität der Arbeitszeit mit Freizeit undFamilie

Ausgleich zwischen Über- und Unterforderung

Auf dem Hintergrund dieser sich entwickelnden Arbeits-kultur bedeutet Prävention aber auch, dass sich der ein-zelne Beschäftigte hinsichtlich seiner persönlichenBelastbarkeit immer wieder diesen Fragen stellen muss:

Wie verantwortlich und wertschätzend gehe ich mitmir und anderen Menschen um?

Achte ich genug auf mich selbst, meine Rhythmen,Bedürfnisse und Körpersignale?

Entspricht meine Arbeit meinen persönlichen Wert-vorstellungen und Lebenszielen?

Sowohl vorhandene Arbeitsstrukturen als auch die sichin ihnen bewegenden Personen brauchen Zeit, sich zuverändern und sich aufeinander einzuspielen. Es gibtkeine Lösungen im Hau-Ruck-Verfahren. Konzepte vonUnternehmensberatung, die dies suggerieren, befindensich meist auf dem Holzweg. Sie scheinen auf den erstenBlick konsequent und klar strukturiert, vergessen dabeiaber oft, dass der einzelne Mitarbeitende einemGewohnheitstier gleicht, das nur schwer aus dem Trottzu bringen ist, und sei dieser auch noch so beschwerlich.

Ein kontinuierlicher und nachhaltiger Prozess der Verän-derung ist von Nöten. Ein Prozess, der dazu einlädt,

dem anderen zuzuhören, ohne bereits ein fertigesKonzept in der Tasche zu haben,

dem anderen das Recht einzuräumen, sich geirrt zuhaben und seine Meinung zu revidieren,

Lösungen schrittweise gemeinsam zu entwickeln.

Und bei allem sollte man den Humor nicht verlieren: Eshilft enorm miteinander herzhaft zu lachen, wenn manerkannt hat, dass man wieder einmal vorgefertigten Bil-dern und Urteilen auf dem Leim gegangen ist.

Wie man dem Burn-outTor und Tür öffnet

Unklare Strukturen und fehlende Arbeitsanwei-sungen in Betrieben und Organisationen sind einEinfallstor für Burn-out bei den Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern. Weitere Gefahren, die den Wegzum Burn-out öffnen, können sein:

– zu geringe Handlungs- und Entscheidungs-spielräume

– fehlende soziale Unterstützung

– Arbeitsplatzunsicherheit

– schlechtes Teamklima

– ungerechte Behandlung durch Vorgesetzte

– Arbeitsverdichtung und Zeitdruck

– häufige betriebliche Umstrukturierungen

Thema

Christopher Weber leitet die Integrationsfachdienste

Rhein-Main und ist Vorsitzender derLandesarbeitsgemeinschaft der Inte-

grationsfachdienste in Hessen.E-Mail [email protected]

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Immer mehr junge Menschen werden in bisher ehervon höheren Altersgruppen frequentierten Einrichtun-gen und Beratungsstellen der Eingliederungshilfe undder sozialpsychiatrischen Versorgung wahrgenommen,vermittelt und aufgenommen. Dieser neue Personen-kreis hat oft einen sehr komplexen und speziellen Hilfe-bedarf, der nicht nur altersbedingt, sondern auch geprägtist durch häufig multiple Krankheitsbilder und schwieri-ge Symptome: Drogen- und Alkoholmissbrauch, Selbst-und Fremdaggression, bereits langjährig auffälliges Ver-halten. Zwei Veranstaltungen in der diesjährigen Frank-furter Psychiatriewoche versuchten, dieses Thema besserauszuleuchten und das große Interesse an diesen The-menangeboten zeigt dessen Brisanz und Aktualität.

Kinderseelen in erwachsenen Körpern

Die Frankfurter Werkgemeinschaft (fwg) hatte anlässlichder Einweihung ihrer neuen Tagesstätte in der Bornhei-mer Löwengasse zu einem Vortrag mit dem Thema »Jungund psychisch krank – eine Herausforderung für alle!«eingeladen. Der Vortrag fand so großes Interesse, dasskaum genug Platz für über einhundert Interessierte war,zahlreiche Besucherinnen und Besucher mussten sichmit einem Stehplatz begnügen.

Der Referent Prof. Dr. Wolfgang Schwarzer, Facharzt fürpsychotherapeutische Medizin, Facharzt für Neurolo-gie/Psychiatrie und Dozent an der Katholischen Hoch-schule Köln, stellte zwei »Grundtypen« von jungen psy-chisch Kranken gegenüber, nämlich einen »klassischenTyp« und einen »modernen Typ«:

Kennzeichen des »klassischen Typs« sind seiner Ansichtnach:

bürgerliches Erziehungsmilieuerfolgreiche Sozialisation, Grundkompetenzen vor-handenhäufig Schulabschluss, oft Abiturwenig verhaltensauffällig, chronisch stabil mit guterHeilungsprognoseklassische psychiatrische Krankheitsbilder: Schizo-phrenie, paranoide Züge, DepressionRessourcen vorhanden, auf denen aufgebaut werdenkannseltener Sucht- und Missbrauchsproblematik

Ganz anders sieht es beim »modernen Typ« despsychisch kranken Jugendlichen aus:

Auffälligkeiten und Traumatisierungen häufig bereitsim Kindesalterhäufig wechselnde Hilfeinstitutionen, »Drehtür-psychiatrie-Patienten«meistens Drogen-, Alkohol- oder Medikamenten-missbrauch (Polytoxikomanie)VerwahrlosungstendenzenAuto- und fremdaggressivda keine homogene biografische Entwicklung (vieleAbbrüche) wenig Ressourcen, auf denen aufgebautwerden kannwenig soziale Kompetenz, forderndes, teils rücksichts-loses Verhaltenwenig Krankheitseinsicht und Compliance, aber:hochsensibel, feinfühlig, hohe Vulnerabilität undEmpfindlichkeit

Wohin mit den »Jungen Wilden«?Zwei Veranstaltungen während der Frankfurter Psychiatriewoche 2010beschäftigten sich mit psychisch kranken jungen Menschen

Gerhard Seitz-Cychy

Zwar sind derzeit in der Gemeindepsychiatrie die »Jungen Wilden« in aller Mun-de, aber es sind bisher kaum Fakten über dieses Phänomen bekannt. Bei diesemThema wird deutlich, wie wenig die an Erwachsenen orientierte Sozialpsychiatrieund die Kinder- und Jugendpsychiatrie bisher gemeinsam hatten und wie weitdiese voneinander entfernt sind – was sich schleunigst ändern sollte.

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Als Kinder wurde bei diesem Patiententyp häufig einAufmerksamkeitsdefizit-Syndrom mit Hyperaktivität(ADSH) diagnostiziert oder auch als solches nichterkannt. Später erfolgt oft gleichzeitig eine Borderline-oder eine ASP-Diagnose (Antisoziale Persönlichkeitsstö-rung).

Viele »medikamentieren« sich mit Cannabis, welches inden letzten Jahren durch neue wissenschaftlicheErkenntnisse stark in Verruf geraten ist. Durch seinenexzessiven Gebrauch erfolgt häufig eine Beschleunigungund dramatische Verschlechterung psychischer Krank-heitssymptome speziell im Jugendalter. Dies machte derReferent eindringlich deutlich und verwies dabei aufneuere medizinische Erkenntnisse, die er unter anderemin einem Vortrag bereits ausführlich beschrieben hat, derim Internet abgerufen werden kann (www.aerztekam-mer-bw.de/25/08laek/dokumentation/061123/08.pdf). ImInternet finden sich unter dem Stichwort »Cannabis undpsychische Krankheit« eine Fülle von Hinweisen undErfahrungsberichten, die diesen Befund bestätigen (z. B.http://sghl.de/forum/index.php?page=Thread&threa-dID=6173). Bis vor wenigen Jahren wurde auch in der For-schung die Wirkung von Cannabis insbesondere aufJugendliche eher verharmlosend dargestellt. Diese Sicht-weise muss dringend revidiert werden.

Eine weitere Klassifizierung aus dem englischsprachige-naum bezeichnet die Gruppe als »Young Adult ChronicPatients« (YACP). Diese werden als schwerkranke Patien-ten mit früh belastenden Lebensereignissen, Persönlich-keitsstörungen, mit schizophrenen und schizophren-affektiven Psychosen und auch Alkohol-, Drogen-, Medi-kamentenmissbrauch beschrieben. Die Symptome beiihnen führen zu häufigen Suizidversuchen und Selbst-verletzungen sowie zu sozialem Rückzug.

Wolfgang Schwarzer beschrieb in seinem Vortrag zwar»idealtypisch«, aber an der Reaktion des Publikums er-kennbar, häufig zutreffend eine schwierige und anstren-gende Klientengruppe, die auch öfters als »Junge Wilde«bezeichnet wird. Diese sind in den üblichen gemeinde-psychiatrischen Einrichtungen und Angeboten kaum zubetreuen, da dort auf einen Minimalkonsens an sozialerKompetenz gesetzt wird, der bei ihnen meist nicht gege-ben ist.

Jetzt reicht es natürlich nicht aus, diese, wie Schwarzertreffend titulierte, »Kinderseelen in erwachsenen Kör-pern«, immer wieder zu beschreiben, sondern es giltHandlungsstrategien zu entwickeln, diesen jungen Men-schen die erforderlichen Hilfen zur Verfügung zu stellen,also Angebote, die passen.

Auch der Referent hatte für die neuen Klienten keine fer-tigen Rezepte und Konzeptionen in der Tasche, sondern

stellte auf vielen Nachfragen fest, dass die Forschungund Theorie, ebenso wie die therapeutische und sozial-pädagogische Praxis hier noch ziemlich am Anfang stün-de. Die Einrichtungen und ihre Mitarbeiter werden ehervon der Problematik überrollt, als dass sie darauf vorbe-reitet wären.

Niedrigschwellige, offene Gemeindepsychiatrie, Wahl-und Entscheidungsdruck und ständige Konfrontationmit der Außenwelt mit zu vielen Reizen und Einflüssenscheinen diese Patienten eher zu überfordern. Es exis-tiert bei ihnen ein enormer Nachholbedarf an Grund-kompetenzen, an Orientierung und Halt, die sie in ihrerKindheit nicht entwickeln konnten.

Ansätze sind Überlegungen, sie zeitweise außerhalbihrer »realen« Welt und der bekannten gemeindepsychi-atrischen Einrichtungen unterzubringen. Stark geregelteTagesstrukturen und Abläufe könnten die Möglichkeitbieten, bisher nicht erfahrene und erlernte Regeln,Sicherheit, Orientierung zu vermitteln, garantierte Dro-genfreiheit inklusive.

Klar ist, dass dies im Widerspruch zum möglichst offenenund ambulanten gemeindepsychiatrischen Ansatz derletzten Jahrzehnte steht und außerdem wieder auf einenneuen Einrichtungstypus abzielt. Wollen wir das? Eigent-lich nicht, aber bleibt uns eine andere Wahl, um diesenjungen Menschen wirklich und nachhaltig zu helfen?

Wolfgang Schwarzer wies abschließend darauf hin, wasDienste und Einrichtungen tun können: Erforderlich isteine stärkere Vernetzung und Kooperation von Jugend-hilfe, Suchthilfe und Sozialpsychiatrie. So fand in Kölnbeispielsweise eine erste gemeinsame Fachtagung allerBeteiligten auf kommunaler Ebene statt. Dies wäre viel-leicht auch für Frankfurt am Main ein Anfang.

Frankfurter Erfahrungen

Auch die Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt amMain stellt sich in einer Veranstaltung während der Psy-chiatriewoche 2010 dem Thema der »Jungen Wilden«(vgl. auch den nachfolgenden Beitrag von HenningBöke). Einleitend wurde bei diesem Symposium auchBezug genommen zum 40-jährigen Bestehen der Bürger-hilfe, die immer davon geprägt und angetrieben war,sich neuen Herausforderungen zu stellen (vgl. »Treff-punkte« 3/2010). So also auch dieser durch die Konfronta-tion mit immer mehr ganz jungen Klienten.

Die rund 40 Besucher wurden vom Autor dieses Beitragsins Thema eingeführt: Junge Klienten mit »fremden«

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Verhaltensweisen und unklaren Diagnosen tauchen seiteinigen Jahren verstärkt in Diensten und Einrichtungender Sozialpsychiatrie auf, teilweise im Auftrag derJugendämter und nicht über die übliche Vermittlungdurch den Landeswohlfahrtsverband Hessen.

Kai Scheu und Kolleginnen und Kollegen aus demBetreuten Wohnen der Bürgerhilfe SozialpsychiatrieFrankfurt am Main e. V. schilderten ihre Erfahrungen,speziell aus den Wohngemeinschaften, in denen bereitsmehrere jüngere, teilweise unter 25 Jahre junge Men-schen leben. Es wurde deutlich, dass man mit den Mit-teln des bisher praktizierten ambulant betreuten Woh-nens mit einer lockeren, auf Freiwilligkeit basierendenHerangehensweise dieser Gruppe nicht gerecht wird. Siebrauchen eine hohe Verbindlichkeit, klare Regeln undOrientierung. Auch sind die zeitlichen Ressourcen imBetreuten Wohnen schnell erschöpft, wenn es darumgeht, mit viel Geduld und Beharrlichkeit jemand zumtäglichen Aufstehen zwecks Schul- oder Ausbildungs-platz-Besuch zu bewegen. Um innerhalb des Hilfeange-botes Betreutes Wohnen einigermaßen erfolgverspre-chend arbeiten zu können, müssten folgende Kriterienerfüllt werden:

Zusammenfassung mehrerer junger Klienten in nichtzu großen Gruppen in Wohnungen (maximal Vierer-Wohngemeinschaften)entsprechend aus- oder weitergebildete Fachkräfte alsBetreuungspersonen und Ansprechpartnerfür Betreutes Wohnen überdurchschnittlich hoheBeachtung, Einhaltung und konsequentes Nachgehenverbindlicher Regeln was Wohnungsversorgung, Ein-haltung der Tagesstruktur, Termine, äußere und inne-re Ordnung angehtmöglichst hoher Betreuungsschlüssel mit entspre-chender Fachleistungsstunden-Frequenzmöglichst häufige Anwesenheit von Betreuungsperso-nen in der näheren Umgebung (z. B. Büro im Haus o.Ä.)verbindliche therapeutische Begleitunghöhere und für das Klientel adäquate Freizeit- undGruppenangebote

Auf diese Weise könnte der Versuch gemacht werden,einzelne dieser Klienten erfolgreich aus dem negativenKreislauf herauszulösen, ohne gleich eine neue und wie-derum finanziell und therapeutisch-pädagogisch auf-wändigere Institution zu schaffen.

Das Trio Terz, schon öfter Gast bei den Frankfurter Psychiatriewochen, spielte auch bei der Eröffnung der neuen Tages-stätte im Löwenhof in Frankfurter Stadtteil Bornheim. Die Frankfurter Werkgemeinschaft bot bei dieser Veranstaltungzudem einen vielbeachteten Fachvortrag über junge psychisch kranke Menschen, die derzeit manche sozialpsychiatri-sche Einrichtung vor Probleme stellen.

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Ein andere interessante Betreuungsvariante aus derJugendhilfe stellte Mareile Wackerbarth vom Verein fürsozialpädagogische Modelle e. V. in Frankfurt am Mainvor. Dort wurde im vorigen Jahr eine therapeutischeWohngemeinschaft für fünf junge Frauen gegründet, dieauf dem Weg in eine selbständige Lebensführungzunächst eine sehr intensive und enge Betreuung benöti-gen. Auszüge aus der Kurzbeschreibung dieses Projektes»Wohnen und integrierte Therapie für Adoleszente«(WiTA):

»Die Einrichtung WiTA wurde für 5 junge Frauen imAlter ab 17 Jahren konzipiert, die seelisch behindert odervon einer Behinderung bedroht sind und auf dem Weg inein selbstständiges Leben sowohl pädagogische als auchtherapeutische Unterstützung benötigen. Sie leben in 3 Zweizimmerwohnungen in einem Haus und werdendort tagsüber bis in die späten Nachtstunden betreut.Für die betreuungsfreien Zeiten ist eine Rufbereitschaftorganisiert. 3 sozial-pädagogische Fachkräfte und einePsychologin unterstützen die jungen Frauen bei derStrukturierung des Alltags, der schulischen oder berufli-chen Perspektivplanung sowie bei auftretenden Schwie-rigkeiten oder Konflikten.

Auf der Grundlage einer psychologischen Diagnostikwerden ergänzende therapeutische Maßnahmen erar-beitet. Diese werden sowohl in Gruppen als auch im Ein-zelsetting durchgeführt und können sich z. B. auf denUmgang mit Gefühlen, die zwischenmenschliche Kom-munikation oder die Verbesserung der Aufmerksamkeitbeziehen.

Eine stabile innerpsychische Struktur ist eine wesentli-che Voraussetzung, um die Anforderungen, die einselbstständiges Leben mit sich bringt, erfüllen zu kön-nen. Diese bildet sich jedoch nicht von selbst: Fähigkei-ten und Kompetenzen müssen von Kindheit an erprobtund immer wieder trainiert werden. Frühkindliche Ent-wicklungsstörungen, Traumatisierungen oder Interakti-onsstörungen in der Familie können dazu führen, dass eszu Verhaltens- und emotionalen Störungen kommenkann, die den Verselbständigungsprozess massiv behin-dern. Rechtsgrundlage: § 35 a SGB VIII«

Mareile Wackerbarth bestätigte in ihren Ausführung dieWichtigkeit von Verbindlichkeit, Entwicklung von Haltund Orientierung sowie von immer wieder stattfinden-den Reflexionen und Gesprächen im Falle von Brüchenund Misserfolgen. Erforderlich ist also ein langfristigangelegtes Aufarbeiten von versäumten und verzöger-ten Entwicklungen, was viel Geduld und Ausdauer beiallen Beteiligten erfordert. So konnte in der bisherigenArbeit weitgehend auf Sanktionen verzichtet werden.Über die mittel- und langfristige Wirkungsweise dieseProjektes, das ja erst seit einem Jahr arbeitet, kann

naturgemäß noch nicht viel gesagt werden. Erste Erfah-rungen sind jedoch vielversprechend, erreichbar aller-dings nur mit hohem personellen und therapeutischemAufwand.Auch im Bamberger Hof im Frankfurter Nordend werdenseit vielen Jahren schwerpunktmäßig jüngere erwachse-ne Patienten betreut und behandelt. Dr. med. Irina Pro-kofieva, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie inder Vitos-Klinik Bamberger Hof schilderte die Arbeit mitdieser Klientengruppe, für die im Bamberger Hof achtTherapieplätze – ein Drittel der Gesamtkapazität –bereitstehen. Da der Bamberger Hof seit dem Umzug inden Oeder Weg als Tagesklinik fungiert, also keine sta-tionären Betten mehr vorhält, ist das therapeutischeAngebot ein eher innerstädtisch-offenes, was für diePatienten bedeutet, dass sie sich vor und nach ihrerTagesklinik-Zeit in ihrem normalen Umfeld zurechtfin-den müssen, hier also kein abgeschlossenes Therapie-Setting, fern der sonstigen Umgebung, stattfindet.

Der Bamberger Hof nimmt häufig Patienten schon abdem 16. Lebensjahr auf, also noch »richtige« Jugendliche,die teilweise bereits erheblich gestört sind und auf diedie beschriebenen Symptome zahlreich zutreffen. ImBamberger Hof versucht man, mit den tagesklinischenund altersspezifischen Angeboten die jungen Menschenzu behandeln, ohne sie komplett aus ihrem sozialenUmfeld herauszulösen, wie es in der Beschreibung desTherapieangebots für Jugendliche und junge Erwachse-ne heißt:

»Die Tagesklinik Bamberger Hof verfügt über 25 Plätzemit einem Anteil für Jugendliche und junge Erwachsenezwischen 16 und 23 Jahren. Integriert in den Stationsab-lauf, wird die Behandlung in der Tagesklinik von festenBezugspersonen begleitet. Unter Berücksichtigung deralters- und krankheitsspezifischen Anforderungenerfährt der Patient eine umfassende Behandlung, sowohlin Einzel- als auch in Gruppentherapien, den jeweiligenBehandlungszielen angepasst. Das Konzept unserertagesklinischen Behandlung für junge Erwachsene bein-haltet außer fachärztlich- psychotherapeutischen Einzel-behandlungen zweimal wöchentlich stattfindende Stati-onsversammlungen sowie Teilnahme an den strukturier-ten, pädagogisch begleiteten Außenaktivitäten derJugendgruppe.

Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen bekommensozialpädagogische Unterstützung und Begleitung beider Entwicklung beruflicher Perspektiven.

Das Gruppenprogramm umfasst therapeutische Ange-bote wie: Ergotherapie, Bewegungstherapie, Gruppen imlebenspraktischen Bereich sowie therapeutischeGesprächsgruppen.

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Zudem werden altersspezifische Gruppen für die jünge-ren Patienten angeboten: ›Sport und Spiele‹ und ›AerobicPlus‹ aus dem Bereich der Bewegungstherapie, compu-tergestütztes Training der kognitiven Fähigkeiten mitspielerischem Aufbau, Training zur Verbesserung derzwischenmenschlichen Kommunikation, themenzen-trierte Gesprächsgruppe.

Im Rahmen des Therapiekonzeptes bildet die Einbezie-hung der Familie einen Behandlungsschwerpunkt.«

Ein langsamer Übergang zu mehr Eigenverantwortungund Erweiterung eigener Ressourcen, so führte Frau Pro-kofieva aus, kann in vielen Fällen eine positive Entwick-lung begünstigen und den jungen Menschen nach derBehandlung ein einigermaßen stabiles und normalesLeben ermöglichen.

Auch der Bamberger Hof kooperiert mit verschiedenenFrankfurter Einrichtungen (Jugendämter, Jobcenter, Sozi-al-psychiatrischer Dienst, Trägervereine des BetreutenWohnens, Wohngemeinschaften etc.).

Wie weiter?

In der Diskussion im Fachforum der Bürgerhilfe wurdeöfters die Frage nach Konsequenzen, Sanktionen oderZwangsmaßnahmen bei Abbrüchen, Regelverletzungenund Grenzüberschreitungen gestellt.

Alle bekannten Einrichtungen, Konzepte und Hilfen sindin Hessen zurzeit nicht wirklich geschlossene, sondernbasieren auf einem Mindestmaß an Freiheit und Freiwil-ligkeit. Die Frage drängte sich auf, ob für bestimmteGruppen in bestimmten Lebenslagen die geschlosseneUnterbringung nicht die bessere Alternative wäre. Dies

klang sowohl im Vortrag von Prof. Dr. Wolfgang Schwar-zer als auch in den Berichten und der Diskussion im Tep-litz-Pavillon deutlich an.

Diese Frage wurde lange Zeit nicht gestellt, weil es in derPhase der Reformpsychiatrie und in der Pädagogik jagerade darum ging, alte Fesseln abzustreifen und Mau-ern einzureißen – was richtig und wichtig war. Ange-sichts der beschriebenen Entwicklungen scheint jedocheine Ent-Tabuisierung und Ent-Ideologisierung diesesThemas nun aber nötig zu sein, weil unsere seit den1980er Jahren entwickelten Konzepte zumindest bei die-ser Personengruppe anscheinend nicht mehr greifen.Dies wird sicherlich kontrovers zu diskutieren sein undstellt kein Plädoyer für die Wiedereinführung derSchwarzen Pädagogik dar. Wir werden sehen, ob diebeschriebenen Ansätze der Integration der »Jungen Wil-den« in unsere bestehenden Hilfsangebote gelingt undderen »klientenzentrierte« Modifizierung ausreicht.

Das Thema der »Jungen Wilden« steht in der Fachdiskus-sion und Forschung am Anfang und es geht zunächsteher darum, die Probleme präzise zu beschreiben, als vor-schnell nach fertigen Lösungen zu rufen. Die Diskussionmuss weitergehen.

Gerhard Seitz-Cychyist Geschäftsführer der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V.

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Im Rahmen der 22. Frankfurter Psychiatriewoche nahmdie Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V.ihr nunmehr 40-jähriges Bestehen zum Anlass einer Dis-kussion über neue Aufgaben, die in den letzten Jahren zuden »klassischen« Zuständigkeiten hinzugetreten sind:Das Stichwort »Junge Wilde« bezeichnete den Gegen-stand eines Fachforums von Ärzten, Psychologen undSozialarbeitern, das am 14. September 2010 im Teplitz-Pavillon stattfand. Unter den Menschen mit psychischenErkrankungen und Störungen, die klinische und gemein-depsychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen, stellenJugendliche und junge Erwachsene einen immer größe-ren Anteil.

Die wachsende Gruppe junger Klienten stellt eine neueHerausforderung dar: Die konventionellen Hilfsangeboteder Gemeindepsychiatrie richten sich in erster Linie anerwachsene Menschen, die nach einer normalen Soziali-sation infolge psychischer Erkrankungen ins Strauchelngeraten sind und Hilfen benötigen, die ihnen den Wegzurück in die Normalität ermöglichen. Diese Angeboteerweisen sich jedoch als wenig wirksam bei der neuer-dings zunehmend in Erscheinung tretenden Gruppe vonetwa 15- bis 25-Jährigen, bei denen für eine Rückführungin ein normales Leben die Grundlagen fehlen, weil diesejungen Menschen nie eine normale Persönlichkeitsent-wicklung durchlaufen haben. Schon die herkömmlichendiagnostischen Kategorien der Psychiatrie greifen hieroft nicht.

Die bestehenden klinischen Institutionen sind gegliedertin eine Erwachsenenpsychiatrie, die sich in erster Linie

mit nach der Adoleszenz aufgetretenen Erkrankungenwie beispielsweise Psychosen oder Depressionen befasst,und eine Kinder- und Jugendpsychiatrie, in der überwie-gend angeborene, meist mit mehr oder weniger ausge-prägten kognitiven Defiziten einhergehende Störungenbehandelt werden, beispielsweise geistige Behinderun-gen, Autismus usw.

Bei der neuen Problemgruppe von Jugendlichen und jun-gen Erwachsenen liegen meistens weder klassische Psy-chosen noch geistige Behinderungen vor, sondern Ver-

haltens- und Persönlichkeitsstörungen, die bewirken,dass diese Menschen normale soziale Anforderungennicht bewältigen und keinen Weg in ein selbstständigesLeben finden. Sie erscheinen als »Versager«, haben oftkeinen Schulabschluss und folglich keine beruflichenPerspektiven, sind emotional instabil und unreif, kennenkeine geordneten Strukturen und keinen geregeltenTagesrhythmus, sind unfähig, Ziele zu verfolgen. ➝

Wahnsinnig jungDie Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie sucht neue Wege für junge Menschen

Henning Böke

Die Dienste und Einrichtungen der Psychiatrie haben es immer öftermit Heranwachsenden zu tun, die weder klassische Psychosen noch

geistige Behinderungen haben, sondern massive Verhaltens- und Per-sönlichkeitsstörungen. Die Jugendlichen erscheinen als »Versager«,

haben keinen Schulabschluss, sind emotional instabil und unreif. Wastun mit diesen »Jungen Wilden«?, fragte ein Symposium während der

diesjährigen Frankfurter Psychiatriewoche.

Die Psychiatrie soll Probleme auf-fangen, wenn Familie, Schule undWirtschaft versagen

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Häufig liegt diesem Zustandsbild eine soziale Verwahrlo-sung zugrunde. Allerdings betrifft das, wie eine Sozialar-beiterin aus dem Taunus anmerkte, durchaus nicht nursozial schwache und benachteiligte Bevölkerungsteile,sondern derartige Probleme treten auch in »gehobenen«Schichten auf.

Die Herausforderung besteht also darin, dass das gesell-schaftliche Teilsystem Psychiatrie Probleme auffangenmuss, die sich aus einem Versagen in den TeilsystemenFamilie, Bildung und – nicht zuletzt – Ökonomie ergeben.

Grundsätzlich könnte man fragen, ob sie das überhauptkann. Natürlich stellt sich diese Frage für die Gemeinde-psychiatrie insofern nicht, als deren Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter selbstverständlich alles tun, um Abhilfezu schaffen. Erschwert wird das allerdings nicht nurdurch die Kürzung von Mitteln seitens der Politik, son-

dern auch durch ein gesellschaftliches Klima, in dempopulistische Forderungen nach »hartem Durchgreifen«zunehmend Resonanz finden. Nicht wenige der betroffe-nen Jugendlichen sind bereits mit dem Gesetz in Kon-flikt geraten, und die Sozialpsychiatrie sieht sich Tenden-zen konfrontiert, diesen desintegrierten Individuen ehermit den Mitteln des Strafrechts zu Leibe zu rücken.

Für die Gemeindepsychiatrie besteht im Moment dieAufgabe darin, angemessene altersgruppenspezifischeStrukturen aufzubauen, beispielsweise in Gestalt betreu-ter Wohngruppen und sinnvoller Freizeitangebote. Fürdie junge Zielgruppe sind pädagogische Interventionenerforderlich, die eine nachholende Entwicklung stabilerPersönlichkeitsstrukturen ermöglichen. Welche Art vonMaßnahmen sich als wirkungsvoll erweist, bleibt vorerstoffen.

Henning Bökeengagiert sich für die Selbsthilfe hoch-funktional autistischer Menschen imRhein-Main-Gebiet. Er ist Mitglied imRedaktionsteam der »Treffpunkte«.

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Den einführenden Vortrag hielt Prof. Dr. Albert Lenzvon der Katholischen Hochschule Nordrhein–Westfalenin Paderborn. Er befasst sich seit über zehn Jahren mitdem Thema und hat einige Untersuchungen in Klinikendurchgeführt. Im Mittelpunkt seiner letzten Studie standdas Coping der Kinder. »Coping« ist ein in der Stressfor-schung verwendetes Konzept, das die Fähigkeiten meint,Belastungen zu bewältigen oder mit Problemen umzuge-hen.

Die untersuchten Kinder der psychisch kranken Elternkonnten sich kaum ablenken, sich erholen, sie schafftenProblemlösungen mit sozialer Unterstützung oder siewurden aggressiv. In der Regel stehen sie meistens unterStrom. Man kann die Entwicklung der Kinder in dreiTypen einteilen. Beim Typ I herrschen geringe Ablen-kungsfähigkeit und äußerste aggressive Momente vor,wahrscheinlich geht die Entwicklung hin zu eigenenpsychischen Symptomen. Beim Typ II kann eine positiveEntwicklung entstehen, wenn ein hohes Unterstützungs-bedürfnis von der Umwelt stattfindet, sie versuchenaktiv zu helfen und haben ein hohes Verantwortungsge-fühl in der Familie. Wenn es zu keiner sozialen Unter-stützung kommt, werden die Kinder mit großer Wahr-scheinlichkeit psychische Symptome entwickeln. BeimTyp II gibt es unauffällige Werte.

Daneben stellt Lenz fünf verschiedene Formen von fami-liärem Coping vor, die Kindern in ihrer Entwicklung ent-weder helfen oder solch destruktive Formen annehmenkönnen, dass die Kinder selbst erkranken. Daraus erge-ben sich Konsequenzen für die Praxis, um den Familienund den Kindern zu helfen: Förderung der familiären

Kommunikation, Förderung situationsadäquater Coping-Strategien und die Förderung der sozialen Ressourcen.Seine Untersuchungsergebnisse und Vorschläge hatAlbert Lenz in vielen Büchern und im Internet veröffent-licht. Erwähnenswert ist, dass Kinder von psychischkranken Eltern zu einem Drittel psychisch gesund blei-ben und zwei Drittel gefährdet sind oder klinisch auffäl-lig werden.

Referentinnen von zwei Frankfurter Organisationenstellten ihre praktischen Hilfen für Kinder psychischkranker Eltern vor: Karin Schuhmann vom Verein Aurynund Barbara Bornemann-Sörgel von der Waisenhausstif-tung. ➝

Der Referent der Fachveranstaltung des Bamberger Hofes, Prof. Dr.Albert Lenz von der Katholischen Fachhochschule in Paderborn(rechts), war auch in den Pausen ein gefragter Gesprächspartner.

Den Zusammenhalt in der Familie fördernEine Fachveranstaltung während der 22. Frankfurter Psychiatriewoche

untersuchte, wie man Kindern psychisch kranker Eltern helfen kann

Von Christel Gilcher

»Kinder psychisch kranker Eltern – welche Hilfen gibt es, was wäre inFrankfurt am Main zu verbessern?« Antworten auf diese Frage suchten

Experten und Teilnehmende einer Veranstaltung im Bamberger Hof inFrankfurt am Main. Der wichtigste Rat für die Hilfepraxis: In belasteten

Familien muss die familiäre Kommunikation gefördert und Kinder müs-sen gestärkt werden; zudem gilt es, soziale Ressourcen auszubauen.

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Karin Schuhmann von Auryn betonte, Kinder fordertenAufklärung über die Erkrankung der Eltern. Sie wollensich erklären können, warum die Eltern sich plötzlichanders verhalten. Sie wollen wissen, wie sie helfen kön-nen oder wie sie sich in diesen Momenten verhalten sol-len. Ziel ist es, dass Probleme realistisch von den Kinderneingeschätzt werden können und sie Lösungsstrategienentwickeln, die sie individuell in die Lage versetzt, posi-tiv zu handeln. Neben Krankheitsthemen gibt es ganz»normale« Probleme der Kinder, um die sich der Vereinauch kümmert. Natürlich werden mit der gesamtenFamilie Gespräche geführt. Eltern werden gestärkt,damit sie Hilfen annehmen. Ziel ist es, die Kommunikati-ons- und Beziehungsfähigkeit zu fördern, das Selbstwert-gefühl und das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken.Neben den therapeutischen Einzelförderungen gibt esGruppen- und Freizeitangebote. Es geht darum, Spaß zuhaben und nicht ständig an Probleme zu denken.

Barbara Bornemann-Sörgel bietet mit der Waisenhaus-stiftung den Kindern neben der Diagnostikerstellungtherapeutische Hilfen durch Sozialarbeiterinnen undSozialarbeiter an (ein Kind erhält 60 therapeutische Sit-zungen), regelmäßige Elternkontakte, finanzielle Unter-stützung für die Kinder, Nachhilfe für die schulische För-derung. Besonders erwachsenen Kindern wird in denletzten Jahren durch Gruppenangebote Hilfe angeboten.In den bestehenden Gruppen sind 18- bis 27-jährigeerwachsene Kinder, die sich endlich über ihre Kindheits-erinnerungen austauschen können und sich jetzt gegen-seitig stützen. Wenn es zu Hause nicht mehr geht, kön-nen die vier Jugendhilfe-Einrichtungen, die die Waisen-hausstiftung unterhält, den Kindern und Jugendlicheweiterhelfen. Ein neues Projekt ist im Entstehen: Part-nerschaften für Kinder.

Ein spezielles Angebot wurde von Sevgi Meddur–Gleiss-ner vorgestellt, die vor allem Kindern von psychischkranken Eltern mit migrationspezifischen Besonderhei-ten hilft. Die Praxis besteht seit zwölf Jahren und hatderzeit fünf bis sechs Anfragen für ein Angebot von Kin-dertherapeuten im muttersprachlichen Bereich. VieleKinder, die behandelt werden, kommen aus einemElternhaus mit einem psychisch kranken Elternteil.Besonders schlimm ist es, wenn der Vater arbeitslos wirdund seine Probleme zu Hause auslebt. Die Struktur einerFamilie bricht auseinander. Wenn die Mütter erkranken,bleibt der Alltag erhalten, weil sie sich Hilfen für ihreKinder suchen. Nach den Erfahrungen von Sevgi Med-dur-Gleissner sind die meisten Eltern selbst Kinder vonEltern sind, die Beziehungsabbrüche erlebt haben und zuihren eigenen Kindern keine Beziehung aufbauen kön-nen. Konflikte entstehen aber auch dann, wenn ein Ehe-partner aus dem Heimatland nachkommt. Gewaltbeherrscht oft das Familienleben. Psychische Erkrankungist oft eine »Problemlösung«.

In der anschließenden Diskussionsrunde waren nebenden Referenten und Referentinnen auch erwachsenebetroffene Kinder von psychisch kranken Eltern dabeiund Dr. Hans-Joachim Kirschenbauer vom Amt fürGesundheit der Stadt Frankfurt am Main sowie ein Ver-treter vom Sozialrathaus Frankfurt am Main-Sachsen-hausen und ein Arzt vom Frankfurter Markus-Kranken-haus. Alle waren sich darin einig, dass diese Arbeit wei-tergeführt werden muss. Viele Untersuchungen seiennotwendig, um dieses Feld zu erforschen und um dieArbeit voranzutreiben. Die Öffentlichkeitsarbeit sei not-wendig, um Kindern frühzeitig zu helfen. Mitarbeiter inallen Bereichen sollten sich qualifizieren, dazu sei eineenge Zusammenarbeit und ein flüssiger Informations-austausch zwischen Fachleuten und anderen Helfernwünschenswert. Im Vordergrund sollten die Kinder ste-hen und die Präventionsarbeit, um rechtzeitig Hilfe leis-ten zu können.

Dr. Barbara Bornheimer, die neue Chefärztin des Bam-berger Hofes, hat während der diesjährigen FrankfurterPsychiatriewoche eine interessante und gelungene Ver-anstaltung auf die Beine gestellt.

Christel Gilcher Christel Gilcher leitet das Betreute Wohnen bei der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurtam Main e. V. Sie ist Mitglied im Redaktionsteam der Zeitschrift »Treffpunkte«.

Manchmal kann ich auch nicht

mehr, aber dann muss ich es

trotzdem machen

„“

Aus dem Interview einer 13-jährigen Jugend-

lichen, die eine psychisch kranke Mutter hat.

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Das Thema psychisch kranker Straftäter wurde bei zweilehrreichen Veranstaltungen während der diesjährigenPsychiatriewoche erörtert. Da die – auch vielen sozialpsy-chiatrischen Profis weitgehend unbekannte – forensi-sche Psychiatrie in Hessen nahezu ausschließlich durchdie Vitos-Klinik des Landeswohlfahrtsverbandes imnordhessischen Haina (mit stationärer Außenstelle inGießen und Ambulanzniederlassungen in Haina, Kassel,Gießen, Schotten, Eltville und Riedstadt) organisiertwird, waren bei beiden Veranstaltungen Vertreter undVertreterinnen der Vitos-Klinik Haina die Referenten.

Am Nachmittag fand im Rahmen des Kongresses »Quovadis Psychiatrie?« des Meta-Quarck-Hauses ein Vortragstatt unter dem Thema »Aspekte der Zusammenarbeitzwischen Forensik und Einrichtungen der Eingliede-rungshilfe«, moderiert von Dr. Roland Freese, ÄrztlicherDirektor der Forensisch-psychiatrischen Ambulanz Hes-sen. In einer Abendveranstaltung am gleichen Tag luddie Arbeitsgemeinschaft der Angehörigen ein zu einemVortrag mit Diskussion zum Thema »Grundlagen undBehandlung in der forensischen Psychiatrie«. Vortragen-de hier war Dr. Petra Bauer, Leitende Ärztin der Forensi-schen Klinik in Haina.

Die Referierenden stellten in ihren Vorträgen zunächstdie Grundsätze des Begriffes Forensik, die grundsätzlicheProblematik und die Abgrenzung und Unterschiede zurAllgemein-Psychiatrie vor. Unter Forensik ist alles zu ver-stehen, was im Zusammenhang steht mit Straftaten, dieaufgrund einer psychiatrischen Erkrankung des Täters

begangen werden. Ein Täter wird dann nicht verurteiltund beispielsweise zu einer Haftstrafe verurteilt, son-dern per Urteil in die forensische Psychiatrie eingewie-sen.

Dabei geht es in aller Regel um sogenannte »erhebliche«Straftaten, meist Taten gegen Leib und Leben des jeweili-gen Opfers. Häufig ist die Straftat, um die es bei der »Ver-urteilung« oder gerichtlichen Einweisung in die Forensikgeht, nur eine von mehreren. So ist bei vielen Forensik-Patienten ein Hintergrund von diversen Gesetzesübertre-tungen vorhanden (z. B. Drogendelikte, Diebstahl, Raubbis hin zu Körperverletzungen und Tötungen).

Bemerkenswert ist der grundsätzliche Ansatz der Foren-sik im Unterschied zur Allgemein-Psychiatrie, dass nichtdie »Heilung« und Behandlung der Ursachen psy-chischer Erkrankungen im Vordergrund steht, sondern

Therapie und SicherheitDie 22. Frankfurter Psychiatriewoche diskutierte das Verhältnis

von Forensik und Gemeindepsychiatrie

Von Gerhard Seitz-Cychy

Die Einrichtungen der Sozialpsychiatrie bekommen es immer häufiger mitPatienten zu tun, die vorher eine Straftat begangen haben und nach einigen

Jahren in der stationären Forensischen Psychiatrie in die Freiheit entlassenwerden. Die forensische Nachsorge soll dann für unterstützende Behandlungs-

und Betreuungsangebote mit dem Ziel einer psychischen Stabilisierung sor-gen. Gleichzeitig hat forensische Nachsorge die Aufgabe, die Sicherheit der

Bevölkerung im Blick zu haben und mögliche »deliktfördernde« Veränderungenfrühzeitig zu erkennen.

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die Verhinderung weiterer folgenreicher Straftaten. Eingroßer Unterschied liegt auch im Finanzierungsansatz.So werden allgemein-psychiatrische Patienten als Versi-cherte von ihrer Krankenkasse finanziert, Forensik-Patienten jedoch unmittelbar vom Land Hessen, ähnlichwie verurteilte Gefängnis-Insassen.

Die entsprechenden Beschränkungen in der Verweildau-er (derzeit in der Allgemein-Psychiatrie bei ca. durch-schnittlich 20 bis 23 Tagen) existieren in der Forensiknatürlich nicht. Hier werden die Betroffenen über einensehr viel längeren Zeitraum (durchschnittlich vier bisfünf Jahre) behandelt oder per Gerichtsbeschluss »festge-halten« – wie überhaupt Aufnahmen und Entlassungenin der forensischen Psychiatrie immer auf Grundlageeines Gerichtsbeschlusses erfolgen.

In deutlichen Worten machten beide Experten daraufaufmerksam, dass heute die Forensik eine Institutionmit immer größer werdendem Bettenbedarf ist, was invielerlei Hinsicht problematisch ist: In der Bevölkerungkönnen Neubauten und Ansiedlung von forensischenKliniken oder Abteilungen nur schwer Akzeptanz finden,

wegen der gemutmaßten Gefahr für die Allgemeinheit,die von potentiell entweichenden psychisch »gestörten«Straftätern ausgeht. Ob dies nun realistisch ist oder pres-sewirksam erzeugte Panikmache, sei hier nicht näherbeleuchtet – die von den Experten genannten Zahlenbelegen keine erhöhte Gefährdung der Allgemeinheitdurch Forensikpatienten. Bei gleichzeitigem Abbau vonallgemeinpsychiatrischen Klinikbetten, Langzeitaufent-halten und Wohnheim-Plätzen in der Gemeindepsychia-trie, bedingt durch die Reformen und den Paradigmen-Wechsel (ambulant vor stationär) und den Ausbau desgemeindepsychiatrischen – vorwiegend ambulanten –Hilfesystems der letzten Jahrzehnte stieg die Zahl derForensik-Patienten kontinuierlich an.

Diese Entwicklungen seien wichtig und notwendiggewesen, wie beide Fachleute betonten. Aber es gäbeeine Gruppe von Menschen, die so schwer und dauerhafterkrankt seien, dass man ihnen mit den eher liberalenund offenen, weitgehend auf Zwang verzichtendenAngeboten der gemeindepsychiatrischen Versorgungnicht gerecht werde. Und diese landeten immer häufigerin der Forensik. Ein für die Krankenversicherungen posi-

Immer mehr psychisch Kranke im Justizvollzug?Mit dieser Frage beschäftigte sich Gisella Müller-Foti in ihrer Dissertation im Jahre2007. Sie untersuchte an der Forensischen Psychiatrie der Charité in Berlin hundertMenschen mit Ersatzfreiheitsstrafen und deren psychische Erkrankungen. Ein Problemder psychischen Störungen in Vollzugsanstalten ist, dass diese zumeist gar nichterkannt werden, da die Ärzte in den Haftanstalten nicht entsprechend ausgebildetoder überfordert sind. Die Autorin musste in ihrer Studie feststellen, dass in der Zeitvon 1999 bis 2004 die psychotischen Störungen in Haftanstalten von 10 auf 14 Prozentgestiegen sind, während in der nicht straffällig gewordenen Bürgern weniger als einProzent psychotisch sind. Nicht nur, dass die Erkrankungen weit über dem Durch-schnitt in der Normalbevölkerung liegen, auch die Anzahl der Kranken, die inhaftiertsind, ist stark gestiegen. Müller-Foti zeigt kriminalpolitische, anstaltsinterne und sozi-almedizinisch-psychosoziale Lösungen auf, um den Betroffenen im Fall von nicht ein-zubringenden Geldstrafen Hilfestellungen bei der Alltagsbewältigung und Inhaftie-rungsvermeidung zu ermöglichen, sowie gleichzeitig den Strafvollzug durch eine Mini-mierung der Haftzeit oder sogar völligen Vermeidung der Inhaftierung von Ersatzfrei-heitsstrafern zu entlasten. Die umfangreiche Studie steht auf der Website der FreienUniversität Berlin kostenlos zum Herunterladen zur Verfügung. – Karla Mundt

www.diss.fu-berlin.de (Suchtext: Müller-Foti)

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tiver Nebeneffekt dabei: Die Kosten derForensik-Aufenthalte trägt das Land Hes-sen, also der Steuerzahler und nicht dieKrankenkassen.Bei der Veranstaltung der Arbeitsge-meinschaft der Angehörigen warenerstaunliche Meinungen von mehrerenEltern psychisch kranker Straftäter zuhören, die sich in sehr positiver Weisezur Arbeit der Forensischen Psychiatrieäußerten, und diese als quasi letzte, aberhilfreiche Instanz in der Krankheits- undEntwicklungsgeschichte ihrer – meistens– Söhne schilderten.

Nach zunächst großen Vorbehalten gegenüber der»Gefängnis-Psychiatrie« schätzen sie die dortige Arbeitmittlerweile sehr und sind der Meinung, dass ohne dasgerichtlich angeordnete und konsequente Vorgehen kei-ne positive Entwicklung eingesetzt hätte, die danachallerdings in Gang kam. Petra Bauer unterstrich dieseErfahrung: Erst durch klare Entscheidungen und das zeit-weise »Aussetzen der bürgerlichen Freiheiten« kann derFokus auf eine medikamentöse, therapeutische und psy-chiatrische Behandlung gerichtet werden. Sie betonte,dass viel Wert gelegt werde auf »Überzeugung stattZwang« und so viel persönliche Freiheit wie möglich,beispielsweise durch weitgehende Bewegungsfreiheitinnerhalb der Klinik und eine möglichst liberale Rege-lung des »Ausganges« aus der Klinik. Dies hätte natür-lich seine Grenzen in besonders schwierigen Fällen undin der Akzeptanz der Bevölkerung oder dann, wenn es indiesem Zusammenhang »Vorfälle« gäbe, die dann jahre-lange Nachwirkungen hätten.

Allen Beteiligten ist klar, dass es insbesondere in Zeitenschneller Medien und der zurecht bestehenden Sensibili-sierung der öffentlichen Meinung gegenüber pädosexu-ellen Missbrauchs- und sonstigen Sexualdelikten umsehr heikle Themen geht, deren sachlicher Diskussionweder mit Verharmlosung noch mit Panikmache gedientist.

Die Zusammenarbeit zwischen Gemeindepsychiatrieund Forensik existiert zunehmend und ist notwendigvor allem da, wo Forensik-Patienten aus dem Maßregel-vollzug entlassen werden und im normalen Umfeld wie-der Fuß fassen möchten, häufig allerdings an anderenWohnorten als vor dem psychiatrischen Aufenthalt.

Nach der Entlassung wird die forensische Nachsorgetätig, was Schwerpunkt des Vortrags von Roland Freesewar, dem Leiter dieser Abteilung. Die Entlassenen wer-den in der Regel über Weisungen und Auflagen zunächsteng »nachbetreut«, was auch in der Finanzierung derAnschlussmaßnahmen (z. B. Wohnheim-Kosten-Über-

nahme für die ersten Monate) zum Aus-druck kommt, aber auch in enger Koope-ration der Nachsorge-Mitarbeiter mitden übernehmenden Institutionen.Etwa zwei Drittel der Forensik-Entlasse-nen leben anschließend in Wohnhei-men, der Rest in eigener Wohnung oderbei Angehörigen, von diesen allerdingsetwa die Hälfte mit Hilfe des AmbulantBetreuten Wohnens.

Mit vielen Zahlen und Statistiken beleg-te Freese die Quantität und Qualität der

forensischen Nachsorge. Die Rückfallquoteist mit unter fünf Prozent (Rückfall durch neues schwe-res Delikt) recht gering, weitere etwa zehn Prozent gel-ten als gescheitert, weil sie zwar ohne neues Delikt, aberwegen eines Verstoßes gegen Weisungen wieder in dengeschlossenen Maßregelvollzug zurückkehren mussten.Der große Rest von nahezu 85 Prozent durchläuft dieNachsorge positiv und kann anschließend als »wiedereingegliedert« gelten. Viele leben anschließend weiter-hin in Einrichtungen oder ambulanter Betreuung durchdie Eingliederungshilfe.

Wie weiter?

Beide Vorträge hoben die Wichtigkeit der Kooperationzwischen Sozialpsychiatrie und Forensik hervor. Die Zahlvon Ex-Forensik-Patienten in Frankfurter Sozialpsychia-trie-Einrichtungen ist steigend. So berichtete HartmutMolling, Leiter des Meta-Quarck-Hauses von einer gutenKooperation und etwa zehn bis 15 Prozent Bewohner desMeta-Quarck-Hauses aus der Forensik. Auch in den ande-ren Einrichtungen und im Betreuten Wohnen findetman mehr und mehr solche Kooperationen, die in allerRegel gut und verbindlich ablaufen.

Wie schon bei vorangegangenen Diskussionen um dieradikale Absenkung der Plätze bis hin zur Abschaffungder angeblich die Menschen kasernierenden Wohnheimemuss auch hierbei festgestellt werden, dass das, was füreine Mehrheit gilt und richtig ist, nicht für alle – undgemeint sind die besonders schwer Erkrankten gemeint– die richtige Behandlungs- oder Aufenthaltsform ist.Hat die Gemeindepsychiatrie es bisher versäumt, auchdiese Menschen in ihre Perspektive einzubeziehen?

Gerhard Seitz-Cychyist Geschäftsführer der

Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V.

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Sehr geehrte Damen und Herren,

in Ihrer Zeitschrift »Treffpunkte« verwenden Sie regelmä-ßig an prominenter Stelle ein Zitat von Christof Streidl,einem Gründungsmitglied der Zeitschrift. Das Zitat lau-tet: »Psychisch kranke und behinderte Menschen mögenanders denken, fühlen, handeln – sie sind jedoch nichtandersgeartet.«

Bereits vor einiger Zeit hatte ich in der Geschäftsstelle derBürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main angeru-fen und darauf hingewiesen, dass, und aus welchen Grün-den, mich dieses Zitat erheblich stört. Leider verwendenSie es dennoch weiter. Daher lege ich noch einmal schrift-lich dar, wieso der Spruch aus meiner (Betroffenen-) Sichtgut geeignet ist, die Diskriminierung psychisch Krankerfortzuschreiben und damit sein Ziel nicht nur verfehlt,sondern sich die gute Absicht in ihr Gegenteil verkehrt:

1. Das Zitat konstituiert ein »Sie« und ein »Wir« – einenGegensatz von psychisch kranken oder behinderten Men-schen und »normalen« Menschen. Dieser Gegensatz exis-tiert so nicht, bzw. er wird herbei geführt oder zementiertdurch eben solche Sinnsprüche. Ihn aufzuheben ist jawohl das erklärte Ziel aller mit der Thematik beschäftigenMenschen.

2. »Sie« (also die psychisch Kranken) würden (grundsätz-lich) »anders denken, fühlen, handeln«. Das angeblicheAnderssein wird sogar durch die Markierung im Textnoch betont, wodurch, wie gesagt, der oben angesproche-ne Gegensatz weiter verstärkt wird. Ich darf Ihnen nach-drücklich versichern, dass die Aussage selbstverständlichfalsch ist; wie könnte es auch anders sein? Wir – die soge-nannten psychisch Kranken denken über EDV-Problemenach, über das Buch, das wir gerade lesen oder meinetwe-gen über den Sinn des Lebens; wir haben Liebeskummeroder Glück in der Liebe, wir haben Freundschaften, dielange halten oder nach einer Weile im Sande verlaufen;wir treiben Sport oder sind zu faul dazu, gehen am Sonn-

»Sie« und »wir«Rede und Gegenrede zu einem schwierigen Zitat über psychisch kranke und »normale« Menschen.

»

tag spazieren oder lassen es bleiben. In manchen Zeitengehen unsere Gefühle mit uns durch oder wir sind sehrniedergeschlagen, können nicht schlafen, hören Stim-men, sehen Zeichen an der Wand etc. All das gehörtgrundsätzlich zur Möglichkeit menschlichen Daseins, esgehört zum Repertoire menschlicher Verhaltensweisen,auch wenn solche Zeiten eine dann eventuell besondereArt des Eingehens auf uns bedeuten. Vieles unseresangeblichen »Anderssein« ist, wie Sie wissen, den psycho-sozialen Folgen des »Verrücktseins« geschuldet, die sichdurch Stigmatisierung (und nichts anderes ist das ZitatHerrn Streidls) weiter verschlimmern.

3. »Sie« seien jedoch »nicht andersgeartet«. Das heißt, eswird sogar die Möglichkeit angesprochen, dass psychischKranke gar nicht derselben »Art« angehören (könnten)wie die nicht psychisch Kranken. Abgesehen von derungeheuren Überheblichkeit dieser Aussage – welche»Art« sollte das sein? Sind wir Aliens? Bindeglieder zwi-schen Neandertalern und dem Homo sapiens? Genetischmangelhafte Fehlexemplare der Gattung Mensch? Nocheinmal: Nein, wir denken, fühlen oder handeln nichtanders, wir sind auch nicht »aus der Art geschlagen«. Soleid es mir tut und so sehr sich vielleicht manch einer(auch der Profis) vor uns oder dem Wahnsinn fürchtet undsich daher abgrenzen möchte.

Ich bitte Sie noch einmal darum, in Zukunft ein moderne-res Zitat zu verwenden, auch wenn seinerzeit eine guteAbsicht dahinter steckte. Gut gemeint ist nun mal manch-mal das Gegenteil von gut gemacht.

Alice Wunderland

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Die Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main, die auch diese Zeitschrift

herausgibt, verwendet in ihren Veröffentlichungen öfters ein Zitat ihres Mitbe-

gründers Christof Streidl aus den 1970-er Jahren. Eine psychiatrieerfahrene Lese-

rin mit dem Pseudonym Alice Wunderland nimmt daran Anstoß, weil sie in der

Aussage eine versteckte Diskriminierung psychisch kranker Menschen sieht. Auf

ihre Vorwürfe antwortet Stephan von Nessen, der 1. Vorsitzende der Bürgerhilfe.»

Liebe Alice Wunderland,

Christoph Streidl ist leider schon lange tot und wir kön-nen ihn nicht mehr fragen, wie er heute – mit mehr poli-tischer Korrektheit – seine kritisierte Aussage anders for-mulieren würde.

Ich habe ihn bei seiner Arbeit und im Kontakt mit psy-chisch kranken Menschen erlebt, kenne seine Arbeitenund sicher einige seiner Gedanken und Motive und maßemir jetzt an, als grundlegende Intention seiner Aussagedas Bemühen um Akzeptanz zu erkennen. Akzeptanzaber nicht als Einbahnstraße, sondern als Forderung andie Gesellschaft genauso, wie auch als Forderung an dievon psychischer Erkrankung Betroffenen selbst.

Die psychisch Kranken, um die sich Christoph Streidl inseiner Arbeit beim Gesundheitsamt der Stadt Frankfurtam Main und dem Ehrenamt als 1. Vorsitzender der Bür-gerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V. primärgekümmert hat und von denen die Rede ist, waren Men-schen mit massiven und zumeist chronischen Erkrankun-gen. Menschen, die aufgrund seelischer Erkrankungenbzw. Behinderungen an den Rand der Gesellschaftgedrückt wurden. Menschen, die unter ihren – oft nichtnur für den Rest der Gesellschaft, sondern sogar für sichselbst – fremdartig anderen Gedanken, Gefühlen undauch Handlungen sehr leiden.

In praktisch jeder Gesellschaft finden sich Ängste, Vorurtei-le und oft Ressentiments gegenüber allem, was fremdscheint. Wenn jemand eine fremde Sprache spricht, einerfremden Religion angehört, fremde Umgangsformen anden Tag legt oder sonst wie aus dem Rahmen der gewohn-ten Regeln fällt, läuft er Gefahr abgelehnt, verachtet odergar verfolgt zu werden. Gelingt es aber die anfänglichbefremdlich wirkenden Unterschiede zu verstehen, dieSprache zu lernen, die zunächst verborgenen Gemeinsam-keiten im religiösen Leben zu entdecken, entsteht ein Mit-gefühl und damit ein Mehr an Nähe und Verantwortung.

So zu tun, als gäbe es keinen Unterschied zwischenschwer chronisch kranken Menschen und dem Rest derGesellschaft, hilft in meinen Augen nur dem Teil derGesellschaft, der in der Lage ist, den Anforderungen derNorm zu entsprechen; dem Teil, der »normal« ist. Sich imAlltag psychisch kranker Menschen auf tuende Grenzenzu ignorieren und zu postulieren, diese gäbe es nicht, istin meinen Augen ein Indiz für eine fehlende Akzeptanzder sich aus Krankheiten ergebenden Realitäten undbehindert den Abbau von Ausgrenzung.

Zwischen psychischer Gesundheit und schwerer chroni-scher Erkrankung gibt es einen fließenden Übergang. Füreher leichter Betroffene mag das kritisierte Zitat wie eineDiskriminierung aussehen. Die schwerer Betroffenenwerden sich und ihr tägliches Erleben aber bestimmtgenauso erkennen, wie das Bemühen bestehende Vorur-teile abzubauen.

Wenn Christoph Steidl eine Andersartigkeit psychischKranker verneint, dann nur, weil es nicht nur im DrittenReich den Ausdruck der Abartigkeit gegeben hat, sondernleider auch heute noch ein solches Denken in den Köpfenvieler Menschen vorhanden ist.

Die Zensur unangenehmer Wahrheiten macht unsereWelt nicht besser, schöner oder sicherer, daher plädiereich dafür, das Zitat weiterhin beizubehalten und freuemich darüber, dass es Christoph Streidl damit selbst heu-te noch gelingt, hier einen kritischen und verantwor-tungsvolleren Blick auf diese Randgruppe unserer Gesell-schaft einzufordern und unsere Leser zum Nachdenkenzu bringen. Womöglich würde er genau deshalb seineAussage heute gar nicht anders formulieren wollen ...

Stephan von Nessen1. Vorsitzender der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie

Frankfurt am Main e. V.

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Informationen

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Hohe Mark startet»Bürgervorlesungen«Die Klinik Hohe Mark hat inFrankfurt am Main eine Ver-anstaltungsreihe unter demTitel »Bürgervorlesungenzur seelischen Gesundheit«gestartet. Interessierten Bür-gerinnen und Bürgern solldamit Gelegenheit gegebenwerden, sich über psychi-atrische Themen zu infor-mieren und zwar unabhän-gig davon, ob sie selbst oderAngehörige an einer psy-chischen Störung leidenoder nicht. Die Veranstal-tungen sollen auch zur Ents-tigmatisierung psychischerStörungen beitragen, indemÄngste und Vorbehalteabgebaut werden. Zugleichmöchten die Referentinnenund Referenten über Hilfs-und Behandlungsmöglich-keiten aufklären. Nach denVorträgen gibt es Zeit zumpersönlichen Austauschgeben. Die beiden nächstenThemen und Termine sind:

• »Wege aus dem Sucht-kreislauf« am 31. Januar 2011;Referent ist Dr. DietmarSeehuber.

• »Vom Überleben zumLeben: Psychische Trau-mata bewältigen« am 28. Februar 2011;Referent: Dr. Franz Ebner

Die Veranstaltungen begin-nen jeweils um 18.00 Uhr inder Psychiatrischen Insti-tutsambulanz der KlinikHohe Mark, Burgstraße 106,60389 Frankfurt am Main.Ansprechpartnerin ist dieDiplom-Psychologin Eva-Maria Schnabel (Foto), Psy-chologische Leiterin der Ins-titutsambulanz.

Institutsambulanz der KlinikHohe Mark des DeutschenGemeinschafts-Diakoniever-bandes GmbH, Burgstraße 106,60389 Frankfurt am MainTelefon 069 [email protected]

Ein Jahr »AllgemeineSozialberatung SanktJosef Bornheim«

Informationen, Rat und Hil-fe bei allen Fragen und Pro-blemen des Alltags könnensich Frankfurter Bürger seiteinem Jahr bei der »Allge-meinen Sozialberatung« derkatholischen Pfarrei St. JosefBornheim holen. Regelmä-ßig jeden Montag gibt esdort von 16 Uhr bis 18 Uhreine offene Sprechstunde.Gestartet hat die Gemeindedas Projekt im Herbst 2009.Von Oktober 2009 bis zu denSommerferien 2010 konnte35 Ratsuchenden weiterge-holfen werden. Ein Teamvon ehrenamtlichen Mitar-beiterinnen aus der PfarreiSt. Josef engagiert sich alsAnsprechpartner für Men-schen mit persönlichen oder

sozialen Anliegen und Pro-blemen. Die Beratung istkostenlos und vertraulich.Eine Anmeldung ist nichtnötig. Wer Hilfe braucht, istwillkommen. Für die fachli-che Begleitung und die Qua-lifizierung der ehrenamtli-chen Beraterinnen sorgtSigrid Bender, Diplom-Sozi-alarbeiterin bei der CaritasFrankfurt. Zusammen mitMartin Dorda, dem Gemein-dereferenten der Pfarrge-

meinde St. Josef Bornheim,der das Projekt mit aufge-baut und von Anfang anbegleitet hat, ist sieAnsprechpartnerin für dasBeratungs-Team..

Katholische Pfarrgemeinde SanktJosef, Eichwaldstraße 41,60385 Frankfurt am MainTelefon 069 943322-0,[email protected]

Notizen

Die Reha-Werkstatt Oberrad ist erneut DeutscherFußball-Meister der Werkstätten für behinderteMenschen. In einem spannenden Finale setzte sichdas Team aus Frankfurt am Main mit 5:0 gegendas Rehabilitationszentrum Stadtroda durch. DieOberräder hatten bereits 2008 den Meistertitelgewonnen. Vier Tage trafen sich rund 250 Werk-statt-Fußballer in der Sportschule Duisburg-Wedau; insgesamt waren 16 Mannschaften ausallen Bundesländern sowie ein Gastteam ausFrankreich der Einladung der DFB-Stiftung SeppHerberger gefolgt. Die älteste deutsche Fußballstif-tung veranstaltet bereits seit dem Jahr 2000gemeinsam mit der BundesarbeitsgemeinschaftWerkstätten für behinderte Menschen, dem Deut-schen Behindertensportverband sowie SpecialOlympics Deutschland das größte Fußballturnierfür geistigbehinderte und psychisch-kranke Werk-stattbeschäftigte. Ein Sieben-Minuten-Video überdas Tunier gibt es auf der Website des DeutschenFußball-Bundes zu sehen:

http://tv.dfb.de/index.php?view=2581

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informationen

Landesarbeitsgemein-schaft Integrationsfach-dienste wird VereinIn der Mitgliederversamm-lung Ende August haben dieMitglieder die Überleitungder Landesarbeitsgemein-schaft Integrationsfachdiens-te Hessen in die Rechtsformeines eingetragenen Vereinsbeschlossen und in der sichanschließenden Gründungs-versammlung einen neuenVorstand gewählt. Vorsitzen-der wurde Christopher Webervom Frankfurter Verein fürsoziale Heimstätten e. V., seinStellvertreter AndreasBüscher vom Fördervereinfür seelische Gesundheit e. V.Gießen. Kassenführerin wur-de Katja Flick vom Diakoni-schen Werk Dillenburg undBeisitzer Lothar Engelmannvom Behindertenwerk Main-Kinzig e. V. und Roswitha Sie-gel vom Diakonischen WerkBergstraße. Die Landesar-beitsgemeinschaft ist einZusammenschluss der Trägerder Integrationsfachdienstein Hessen. In der Organisati-on bewerten und koordinie-ren die Träger die fachlicheAusrichtung der Arbeit derIntegrationsfachdienste. Derneue Verein war maßgeblichbeteiligt an der Ausgestal-tung der neuen Dienstleis-tungsvereinbarung des Lan-deswohlfahrtsverbandesHessen mit den Trägern derhessischen Integrationsfach-dienste sowie der zwischendem Landeswohlfahrtsver-band und der Liga der freienWohlfahrtspflege in Hessenausgehandelten HessischenRahmenvereinbarung überdie Leistungen der Integrati-onsfachdienste in Hessen.

LandesarbeitsgemeinschaftIntegrationsfachdienste Hessen e.V.c/o Integrationsfachdienst Rhein-Main, Sonnemannstraße 5,60314 Frankfurt am Main, Telefon069 75807914, [email protected],www.ifd.rhein-main.de.vu

Der neue Pflegebus ist daDie Elisabeth-Straßenambu-lanz des CaritasverbandsFrankfurt am Main hat einenneuen Pflegebus in Betriebgenommen. Die Organisationleistet seit 1994 aufsuchendeArbeit für Wohnungslose aufden Straßen und Plätzen derStadt mit einem solchenKleinbus. Da dieser denmodernen Standards nach 16Jahren nicht mehr entsprach,hatte der CaritasverbandFrankfurt einen neuen Bus inAuftrag gegeben, der an dieBedürfnisse der Pflege fürWohnungslose angepasst ist.Der Pflegebus ist ein wichti-ger Teil der Arbeit der Elisa-beth-Straßenambulanz:Allein in den letzten zehnJahren, von 1999 bis 2009,wurden im aufsuchendenDienst mit dem Ambulanz-pflegebus durchschnittlich1.000 Behandlungen im Jahrvor Ort, also auf der Straße,durchgeführt. Der neueAmbulanzbus, wie der ersteein umgebautes VW-T5-Modell, wurde aufgrund derErfahrungen in den letzten16 Jahren weiterentwickeltund verbessert. Der Raumwird nun noch besser ausge-nutzt, die Hygienestandardswurden durch andere Ober-flächen- und Bodenbelägeverbessert und die Energie-kosten gesenkt durch eineffizienteres Heizungs- und

Lüftungssystem. Besonderswichtig war der Einbau eineskleinen Kühlschranks, sodass die Kühlkette für emp-findliche Medikamente wiezum Beispiel Salben gesi-chert ist. Die Anschaffungdes neuen Busses wurdedurch zahlreiche Geldgeberund Spender ermöglicht, u. a.den Lionsclub FrankfurtPaulskirche.

Elisabeth-Straßenambulanz, Klin-gerstraße 8, 60313 Frankfurt amMain, Telefon 069 29720874 0, E-Mail [email protected]

Psychosoziale Kontakt-und Beratungsstellen wei-ter gefördertDer Verwaltungsausschussdes Landeswohlfahrtsver-bandes Hessen hat beschlos-sen, 2,18 Millionen Euro fürdie Arbeit der Psychosozia-len Kontakt- und Beratungs-stellen an 74 Standorten zuzahlen. Psychosoziale Kon-takt- und Beratungsstellensind niedrigschwelligeAngebote für Menschen miteiner seelischen Behinde-rung und deren Angehörige.Sie bieten Personen, die auf-grund einer schweren psy-chischen Erkrankung dauer-haft oder vorübergehendUnterstützung zur Lebens-bewältigung brauchen,

Gelegenheit zu Gesprächenuntereinander und mit denMitarbeitern. Den Betroffe-nen werden weiterführendeHilfestellungen vermitteltoder sie werden nach derEntlassung aus einer statio-nären Behandlung unter-stützt. Die Beratungsstellensind auch Begegnungsstät-ten, die ermöglichen, denTag gemeinsam zu planenund zu gestalten.

Landeswohlfahrtsverband Hes-sen, Ständeplatz 6–10, 34117 Kas-sel, Telefon 0561 1004-0, [email protected], Internetwww.lwv-hessen.de

Zahl der Eingliede-rungshilfen für jungeMenschen steigtIm Jahr 2009 wurden in Hes-sen gut 4.300 Eingliede-rungshilfen für seelischbehinderte junge Menschengeleistet, knapp zwei Prozentmehr als ein Jahr zuvor. Wiedas Hessische StatistischeLandesamt mitteilt, dauertenEnde 2009 noch 3.000 Hilfenan. Gut 1.500 Hilfen wurdenin 2009 begonnen. 54 Prozentder Hilfen erfolgten ambu-lant oder teilstationär, rund44 Prozent der Hilfen wurdenin einer Einrichtung über Tagund Nacht geleistet undknapp zwei Prozent bei einerPflegeperson. Hauptzielgrup-pe waren bei Beginn der Hil-fe die Sechs bis unter Zwölf-jährigen mit 44 Prozent,gefolgt von den Zwölf- bisunter 18-Jährigen mit fast 38Prozent. 18 Prozent warenbereits volljährig und weni-ger als ein Prozent war untersechs Jahre alt. Mit gut zweiDritteln wurden die Hilfenvor allem männlichenHeranwachsenden zuteil. DieHilfen werden jungen Men-schen gewährt, wenn derenseelische Gesundheit mithoher Wahrscheinlichkeit

Foto: Martin Weis

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Treffpunkte 4/10

Informationen

länger als sechs Monate vondem für das Lebensalter typi-schen Zustand abweicht unddaher die Teilhabe am Lebenin der Gesellschaft beein-trächtigt oder eine solcheBeeinträchtigung zu erwar-ten ist.

Hessisches Statistisches Landes-amt, Rheinstraße 35/37, 65175Wiesbaden, Telefon 0611 3802-0,Fax 0611 3802890, [email protected], Internetwww.statistik-hessen.de

Studie offenbart Lichtund Schatten der Rhein-Main-Region

Die Region Rhein-Mainermöglicht es in ihrer Vielfaltvon Lebensstilen und schrof-fen Gegensätzen ganz unter-schiedlichen Menschen, Hei-matgefühle zu entwickelnund sich zu identifizieren:Mehr als 70 Prozent fühlensich als Rhein-Main-Bewoh-ner, 80 Prozent sind mitihren Lebensumständen

28

zufrieden. Das sind Ergebnis-se der »Hertie-Studie Frank-furtRheinMain«, die unterder wissenschaftlichen Lei-tung der Sozialwissenschaft-ler Klaus Hurrelmann, Hel-mut Anheier und AndreasKlocke die Bevölkerung derdrittgrößten MetropolregionDeutschlands nach ihrerLebenslage und ihremLebensgefühl, nach ihrerZufriedenheit und ihrer Iden-tifikation mit der Regionbefragt hat. Die Region wird

als verkehrsbelastet und teu-er kritisiert, zugleich aber alszentrale, aufstrebende undschöne Kulturregion gelobt.Besonders beliebt: die Viel-falt auf vergleichsweise über-schaubarem Raum. Trotz derHeterogenität erleben dieMenschen Frankfurt amMain und die Rhein-Main-Region daher als zusammen-hängende Einheit. An derSpitze der Probleme, die dieBewohner in ihrer Regionausmachen, stehen die stei-

In Frankfurt am Main umfasstder Sektor West als Versor-gungsgebiet der Hilfen für psy-chisch kranke Menschen dieStadtteile Westend, Bocken-heim, Rödelheim, Griesheim,Höchst, Zeilsheim, Sindlingen,Unterliederbach, Sossenheimund Nied. Für die psychiatrischePflichtversorgung dieser Stadt-teile ist das Städtische KlinikenFrankfurt am Main-Höchstzuständig sowie der Frankfur-ter Verein für soziale Heimstät-ten mit seinen zahlreichenDiensten und Einrichtungen.Und dieser Sektor hat nochweitere Angebote vorzuweisen.

»Sektor West«

Treffpunkte 1/2010

Im 21. Jahr ist die FrankfurterPsychiatriewoche endgültigerwachsen geworden. Über 40Veranstaltungen präsentiertenim September 2009 öffentlich,was Fachkräfte und Organisa-tionen sonst zumeist hinterverschlossenen Türen an Ange-boten für Menschen mit einerpsychischen Erkrankung undihre Angehörigen bereithalten.Gemeinsames Ziel der Termine,die von den Verantwortlichengroßteils neben ihren sonstigenAufgaben organisiert wurden:Über Aspekte der Präventionund Therapie psychischerErkrankungen zu informierenund auf die Belange psychischerkrankter Menschen aufmerk-sam zu machen.

»Gegen die Tyrannei der Normalität«

Treffpunkte 4/2009

Die »Treffpunkte«sind ein Forum für alle Beteiligten in derambulanten, teilstationären und stationärenPsychiatrie sowie in der Sozialpsychiatrie. DieZeitschrift berichtet über allgemeine Entwick-lungen; das besondere Gewicht liegt aufregionalen Aspekten der Rhein-Main-Region.

Der Jahresbezugspreis fürein Einzelabonnement der»Treffpunkte« beträgt 12,-Euro (zuzüglich 5,- Euro Ver-sandkostenpauschale). Werdie Zeitschrift besondersunterstützen möchte, kannsich zu einem Förderabonne-ment entschließen: Ab 20,-Euro im Jahr wird dafür jedeAusgabe ins Haus geliefert.Die Ausgaben sind einzelnzum Heftpreis von 5,- Euroerhältlich.

Bürgerhilfe SozialpsychiatrieFrankfurt am Main e. V.,Holbeinstraße 25-2760596 Frankfurt am Main

Telefon 069 96201869Fax 069 [email protected]

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Informationen

29Treffpunkte 1/10

genden Preise. Sie sind für 57Prozent ein großes oder sehrgroßes Problem, gefolgt vonhoher Verkehrsbelastung (55Prozent). Umweltverschmut-zung, Kriminalität undGewalt sowie zunehmendeArmut rangieren mit rund 50Prozent auf den nächstenPlätzen. Der Anteil derjeni-gen, die Ausgrenzung undIntoleranz und die hohe Zahlan Menschen mit Migrati-onshintergrund als sehr gro-ßes oder großes Problem

betrachten, liegt hingegendeutlich niedriger bei 28 Pro-zent. 85 Prozent der Frankfur-ter sind stolz auf ihre Stadt,die sie in allererster Linie alsinternational und weltoffen,aber auch als aufstrebendund hektisch empfinden. Dieentscheidenden Faktoren fürdas Wohlbefinden der Frank-furter sind Gemütlichkeitund Lebensfreude. Je längerdie Menschen in der Regionleben, desto lieber bleibensie. Rund 90 Prozent der Ein-

wohner Frankfurts und derRhein-Main-Region lebengern oder sehr gern hier.www.hertie-studie-frm.de

Jede dritte Frührenteist psychisch bedingt

Wegen psychischer Erkran-kungen sind in Hessen imvergangenen Jahr über 2.300Frauen und Männer vorzeitigaus dem Arbeitsleben ausge-schieden. Das bedeutet, dass

jede dritte der insgesamtrund 6.300 Frührenten psy-chisch bedingt war. Männer,die wegen psychischer Belas-tungen in Frührente gingen,waren im Durchschnitt 48Jahre, Frauen 49 Jahre alt.Darauf weist die TechnikerKrankenkasse in Hessen hin.

Techniker Krankenkasse, Landes-vertretung Hessen, Stiftstraße 30,60313 Frankfurt am Main,Telefon 069 962191-14,[email protected],www.tk-online.de/lv-hessen

Die Deutschen sind vielleichtnicht mehr das Volk der Dichterund Denker, aber ein Volk vonKulturfans. So verzeichneten imletzten Jahr allein die Kunstmu-seen rund 21 Millionen Besu-cher – soviel wie die 1. und 2.Fußball-Bundesliga zusammen.Auch für viele Menschen miteiner psychischen Krankheit istKultur und Kunst eine Hoff-nung. Entweder, weil sie durchkulturelle Erlebnisse wiederwagen, an sich und ihre Gefüh-le zu glauben; oder weil sieselbst kulturell tätig werden. Invielen Diensten und Einrichtun-gen der Psychiatrie spielt des-halb das kulturelle Angeboteine bedeutsame Rolle.

»Kultur und Psychiatrie«

Treffpunkte 2/2010

Einige Institutionen derGemeindepsychiatrie feiern indiesem Jahr runde Geburtstage.Der Frankfurter Verein fürsoziale Heimstätten wird 100Jahre alt, die Bürgerhilfe Sozial-psychiatrie Frankfurt am Mainfeiert – ebenso wie die Deut-sche Gesellschaft für SozialePsychiatrie – ihren 40. Geburts-tag, das Sozialwerk Main Tau-nus wurde vor 35 Jahrengegründet. Runde Jubiläen sindein guter Anlass auf denzurückgelegten Weg zu blicken– und zu überlegen, wie es wei-tergehen soll.

»Eine andere Psychiatrie ist möglich«

Treffpunkte 3/2010

Der Sektor Nord inFrankfurt am Mainumfasst als Versor-gungsgebiet bei denAngeboten für psy-chisch kranke Men-schen die StadtteileDornbusch, Eckenheim,Eschersheim, Preun-gesheim, Berkersheim,Harheim, Nieder-Erlen-bach, Nieder-Eschbach,Bonames, Kalbach,Riedberg, FrankfurterBerg, Heddernheim,

Niederursel, Nordweststadt, Praunheim, Hausen, Merton-viertel und Ginnheim mit dem »Ginnheimer Spargel«(Foto). Für die psychiatrische Pflichtversorgung dieserStadtteile ist als Klinik der Pflichtversorgung das Markus-Krankenhaus zuständig und für die komplementärePflichtversorgung - also vor allem Beratungsstellen, Tages-stätten und Betreutes Wohnen - das Sozialwerk Main Tau-nus e. V., das derzeit sein 35-jähriges Bestehen feiert.

»Sektor Nord«

Treffpunkte 1/2011

Im nächsten Heft:

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Ehrendoktorwürde fürPeter Lehmann

Ein Urgestein der deutschenAntipsychiatrie-Bewegunghat die Ehrendoktorwürdeder griechischen Aristoteles-Universität Thessaloniki ver-liehen bekommen. Der 1950im Schwarzwald geboreneAutor, Verleger und Lehrbe-auftragte der TU Berlinbekommt die Auszeichnungin »Anerkennung seinesaußerordentlichen wissen-schaftlichen und humanitä-ren Beitrags für die Durchset-zung der Rechte Psychiatrie-betroffener«. Lehmann istweltweit der erste Psychi-atriebetroffene, dem für Pio-nierleistungen im Bereichder humanistischen Antipsy-chiatrie die Ehrendoktorwür-de verliehen wird.Peter Lehmann Antipsychiatrie-verlag & Versandbuchhandel,Zabel-Krüger-Damm 183, 13469Berlin, Telefon 030 [email protected],www.antipsychiatrieverlag.de

Krankenpfleger töte-ten 326 Patienten seit 1970Für Prof. Dr. Karl H. Beine,Psychiater an der UniversitätWitten/Herdecke, ist dasTäterprofil eines Pflegers, derPatienten tötet, eindeutig:»Sie sind meist männlich, siesind in ihrem Team meist dieAußenseiter und sie gebensich vor ihrer Tat oft zuerkennen. Das Team mussdie verdeckten Hinweise nurerkennen können und darfim Alltag nicht darüber hin-weggehen. Denn die Tätertöten wiederholt!« Beine hatin seinem jetzt erschienenenBuch »Krankentötungen inKliniken und Heimen« alle 35seit 1970 weltweit bekannt-gewordenen Tötungsserienmit 326 Opfern untersucht.Dabei kommt er zu demSchluss, dass solche Fälle injeder Einrichtung vorkom-

men können, das Risiko abervermindert werden kann.Beine hat in seinem Buch 13Prüffragen für Einrichtungenentwickelt, beispielsweise:Werden Auffälligkeiten beivermehrten Todesfällen inVerbindung mit den Anwe-senheitszeiten von Mitarbei-tern sofort registriert? Wiegut ist unsere Medikamen-tenkontrolle? Gibt es bei unsdie Möglichkeit einer anony-men Meldung kritischerEreignisse? Kein Kranken-haus und kein Heim ist inBeines Augen vor solchenEntwicklungen geschützt:»Wenn sich ein Team dieseFragen in Ruhe regelmäßigstellt, können vielleicht inZukunft einige dieser drama-tischen Taten verhindertwerden.«Karl H. Beine: Krankentötungen inKliniken und Heimen. Aufdeckenund Verhindern. Lambertus-Ver-lag, Freiburg im Breisgau.350 Seiten. 27,90 Euro.ISBN 978-3-7841-1973-1.

Anti-Depressiva-Ver-schreibungen mehr alsverdoppelt

Eine Sonderauswertung desTK-Gesundheitsreports zeigt,dass sich das Volumen derverschriebenen Antidepressi-va unter DeutschlandsBeschäftigten in den letztenzehn Jahren verdoppelt hat:Statistisch gesehen erhieltjeder Berufstätige im vorigenJahr für acht Tage Medika-mente zur Behandlung vonDepressionen. Das bedeuteteinen Anstieg von 113 Prozentim Vergleich zum Jahr 2000.Der TK-Gesundheitsreport

analysiert jedes Jahr dieKrankenstandsdaten sowieArzneimittelverordnungender bei der TK versichertenErwerbspersonen. Dazu zäh-len derzeit 3,4 Millionen sozi-alversicherungspflichtigBeschäftigte sowie Arbeitslo-sengeld I-Empfänger. Der TK-Gesundheitsreport 2010 stehtauf der Internetseite der TKzum kostenlosen Herunterla-den bereit.www.presse.tk-online.de

Informationen zurRehabilitation psychischkranker Menschen

Eine neue Broschüre des Bun-desministeriums für Arbeitund Soziales stellt die Ein-richtungen der medizinisch-beruflichen Rehabilitationvor. Aufgabe der Einrichtun-gen ist es, die Teilhabe amArbeitsleben für Menschenmit Behinderung zu verbes-sern, um so Behinderungabzuwenden, zu mindern, zubeseitigen oder auszuglei-chen. Die dafür notwendigemedizinisch-berufliche Reha-bilitation hat in Deutschlandeinen hohen Standarderreicht. Die Mitarbeiterin-nen und- Mitarbeiter in denEinrichtungen beweisen Tagfür Tag, welche positiven Ent-wicklungen durch einegezielte Therapie möglichsind.www.bmas.de/portal/41676

»Sprich mit Dir«

Selbstgespräche fördern dieKontrolle über sich selbst.Menschen, die berichten, mitihrer inneren Stimme zukommunizieren, können sichbesser selber kontrollieren.So spielen Selbstgesprächeeine wichtige Rolle, umbesonders impulsives Verhal-ten zu regulieren. Das fanden

nach einem Bericht des Fach-magazins Acta PsychologicaWissenschaftler der kanadi-schen University of TorontoScarborough heraus undzeigten damit, dass Selbstge-spräche nicht unbedingt einepsychische Belastung seinmüssen. Monologe werden inder Psychologie und Psychia-trie bei mehreren Krankhei-ten beobachtet und tretenhäufig bei Persönlichkeitsstö-rungen und Psychosen auf.Nicht selten leiden diesePatienten darunter. Mit ihrerStudie wollten die Fachleutefür soziale Neurowissen-schaften jedoch herausfin-den, ob Selbstgespräche fürdie Betroffenen auch hilf-reich sein können. Bei einemTest sahen die Probanden ineinem Computer-Versuch einSymbol auf dem Bildschirmund mussten einen Knopfdrücken, sobald dieses Sym-bol erschien. Der Computermischte dieses Signalsymbolmit anderen Bildern, beideren Erscheinen die Proban-den den Knopf nicht drückensollten. Es zeigte sich bei die-sen Patienten ein deutlichkontrollierteres Verhalten,wenn sie mit sich selberredeten.www.utsc.utoronto.ca

Strategien gegen dieStigmatisierung psychischkranker Menschen

Interventionen gegen dieStigmatisierung psychischkranker Menschen sind vorallem dann wirksam, wennsie neben der Aufklärungüber psychische Erkrankun-gen interaktiven Kontakt zuBetroffenen einschließen.Das ist das Resümee desAbschlussberichts des Akti-onsbündnisses für SeelischeGesundheit über eine wis-senschaftliche Studie zurWirksamkeit von Maßnah-

Treffpunkte 4/1030

Informationen

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men zur Entstigmatisierungpsychischer Erkrankungen.Das Bundesministerium fürGesundheit hatte die Studiein Auftrag gegeben mit demZiel, eine wissenschaftlicheGrundlage für die evidenzba-sierte Weiterentwicklungentsprechender Interventio-nen zu schaffen. Jeder drittebis vierte Deutsche erleidetim Laufe seines Lebens einepsychische Erkrankung. Abernoch immer verdrängen vie-le Betroffene aus Scham undAngst vor negativen Reaktio-nen ihrer Umwelt psychischeBeschwerden, suchen spätoder gar nicht die verfügba-ren Hilfsangebote auf undgeraten damit in die Gefahrder Chronifizierung oder gareines späteren Suizids. DasAktionsbündnis SeelischeGesundheit ist eine Initiativezur Förderung der seelischenGesundheit. Unter derSchirmherrschaft des Bun-desgesundheitsministersbeteiligen sich über 60 Bünd-nispartner an dem bundes-weiten Netzwerk, darunterExperten der Psychiatrie undGesundheitsförderung,Betroffene und ihre Angehö-

rigen. Das Bündnis will derbreiten Öffentlichkeit ver-mitteln, dass psychische Stö-rungen therapierbare undgerade bei frühzeitigerBehandlung auch heilbareErkrankungen sind, die jedeund jeden betreffen können.Es fördert den Austausch derbeteiligten Akteure, infor-miert über die Chancen derFrüherkennung und Präven-tion und ermuntert Men-schen, Hilfe in Anspruch zunehmen, und fördert so dieMöglichkeiten der sozialenund beruflichen Integrationvon psychisch erkranktenMenschen und die gesell-schaftliche Teilhabe vonBetroffenen und ihren Fami-lien. Die 93-seitige Studie mitdem Titel »Konzeption undUmsetzung von Interventio-nen zur Entstigmatisierungseelischer Erkrankungen:Empfehlungen und Ergebnis-se aus Forschung und Praxis«steht auf der Website desBundesministeriums fürGesundheit zum kostenlosenHerunterladen zur Verfü-gung.www.bmg.bund.de

Akute Depression

Als Ertrag aus JahrzehntenPraxis, Lehre und Fachpubli-zistik des Autors, legt derHogrefe-Verlag in der Reihe»Fortschritte der Psychothe-rapie« einen komprimiertenBand vor zum Thema »akuteDepression«. »Der Schwer-punkt dieses Bandes liegt aufdem psychologischen Ver-ständnis und der Psychothe-rapie akuter depressiver Epi-soden. Damit verbunden istdas Ziel der Symptomreduk-tion und der Überwindungaktueller depressiver Beein-trächtigungen.« So der Ver-fasser im Vorwort. Ausge-hend von Definitionskrite-rien und Diagnostik, werdenEpidemiologie und Risikofak-toren diskutiert, Erklärungs-modelle, Behandlungsindika-tionen und Behandlungsop-tionen sowie behandleri-

Literatursches Vorgehen. Das Buch isteine übersichtlich gestaltete,anregende und gut zu lesen-de Handreichung für Prakti-ker mit streckenweise unfrei-williger — ? — erheiterndemdidaktischem Impetus derArt: Merke: ErfolgreicheDepressionstherapeuten sind… Wohl wahr. Der Autorselbst fasst zusammen: »Esist ein Buch entstanden, dasNeues und weiterhinBewährtes, man könnte auchsagen Modernes und Klassi-sches miteinander verbin-det.« – Miriam Weill

Martin Hautzinger: Akute Depres-sion. Hogrefe Verlag, Göttingen2010. 94 Seiten. 19,95 Euro.ISBN 978-3-8017-2144-2

Treffpunkte 4/10 31

Informationen

»Die Seele kommt alt zur Welt,

aber sie wird jung. Das ist die

Komödie des Lebens. Und der Leib

kommt jung zur Welt und wird alt.

Das ist die Tragödie des Lebens. «Oscar Wildeirischer Schriftsteller (1854-1900)

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Treffpunkte 4/1032

Fragebogen

1. Was ist gut an der psychosozialen Versorgung in Frankfurt am Main?Gut und wichtig finde ich das vernetzte Arbeiten der verschiedenen psychosozialen Vereine in Frankfurt

am Main. Gemeinsam entsteht so eine breite Angebotspalette für psychisch kranke Menschen und es wirdmöglich, für verschiedene »Zielgruppen« – wie beispielsweise junge oder ältere psychisch kranke Menschen

und psychisch kranke Migranten – spezielle Angebote vorzuhalten.

2. Was müsste in der psychosozialen Versorgung in Frankfurt am Main dringend verbessert werden?Was uns in der Gemeindepsychiatrie meiner Meinung nach noch fehlt, ist eine bessere Vernetzung »über

den Tellerrand« hinaus. Damit meine ich eine gute Kooperation mit Vereinen in der Jugend-, Alten- undBehindertenarbeit, da mit diesen Bereichen oft Überschneidungen vorkommen. Und: Integration kann

nicht alleine von den Mitarbeitenden in der Gemeindepsychiatrie geleistet werden, hier brauchen wir nochmehr bürgerschaftliches Engagement!

3. Welches psychosoziale Angebot ist viel zu wenig bekannt?Ich denke, dass innerhalb der Gemeindepsychiatrie die vielfältigen Angebote bei den Profis und den

Betroffenen gut bekannt sind. Was mir aber bei der Öffentlichkeitsarbeit auffällt – beispielsweise wenn sich Angehörige erstmals Erkrankter bei uns melden – ist, dass diese vorher so gut wie noch

nie von Tagesstätten, Reha-Werkstätten, Betreutem Einzelwohnen und Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen gehört haben. Auch sind nicht alle niedergelassenen Fachärzte

über die umfangreichen Angebote ausreichend informiert.

4. Welchem Buch wünschen Sie viele Leserinnen und Leser?Das Buch »Supergute Tage oder die sonderbare Welt des Christopher Boone« von Mark Haddon hat mir sehr gutgefallen und mich auch emotional bewegt. Dieses Buch gibt Einblicke in die Welt eines autistischen Jungen, der

u. a. das Rätsel um den Tod eines Hundes in der Nachbarschaft löst. Ansonsten: alles von Terry Pratchett.

5. Welchen Film haben Sie zuletzt gesehen?Ich sehe sehr gerne Filme und mache auch vor unterhaltsamen Popcorn-Kino nicht halt. Aber zuletzt habe

ich das Drama »Blind Side – die große Chance« gesehen. Darin wird die wahre Geschichte eines vernachläs-sigten schwarzen Jungen erzählt, dem es mit Hilfe seiner reichen und weißen Adoptivfamilie gelingt, sein

Leben wieder in den Griff zu bekommen, die Schule zu besuchen und eine Sportlerkarriere zu beginnen.

6. Sie haben plötzlich einen Tag frei – was würden Sie gerne machen?Zuerst: In Gesellschaft nett frühstücken oder brunchen gehen. Dann ein bisschen in die Natur, wenn es das

Wetter zulässt, beispielsweise Spazierengehen auf dem Lohrberg. Und abends: Auf dem Sofa gemütlichmachen und ein paar Folgen der britischen Science-Fiction-Fernsehserie »Dr. Who« gucken.

7. Die Märchenfee erscheint – Ihre drei Wünsche?Schwierige Frage. Auf jeden Fall würde ich mir einen Wunsch in Reserve behalten,

falls die ersten beiden nach hinten losgehen ...

Andrea KempfAndrea Kempf wurde 1972 in Frankfurt am Main geboren. Nach demStudium der Sozialarbeit und dem Jahrespraktikum in der Betreu-ungsstelle der Stadt Frankfurt am Main hat sie in einem Wohnheimfür Menschen mit einer geistigen Behinderung in Wiesbaden gear-beitet. Seit 2002 ist sie in Frankfurt am Main bei dem Verein Perspek-tiven für das betreute Einzelwohnen angestellt; seit 2006 nimmt sieim Verein zusätzlich Koordinationsaufgaben für das Team wahr. Sieist mit Hélène Bister (vgl. Seite 6) eine der beiden Sprecherinnen derFrankfurter Fachgruppe Psychiatrie und hat bei der Organisation derdiesjährigen Psychiatriewoche mitgewirkt.

Sieben Fragen an

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»Psychisch kranke und behinderte Menschenmögen anders denken, fühlen, handeln -

sie sind jedoch nicht anders geartet…«Christof Streidl (1939-1992)

Gründungsmitglied der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e.V. und

der Zeitschrift »Treffpunkte«

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