Franz Martin Wimmer 13. November 2011 1 Kepler Salon Linz Was ist interkulturelle Philosophie?...

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Kepler Salon LinzWas ist interkulturelle Philosophie?

AusgangsfragenBegriffe

AufgabenVerfahren

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Ausgangsfragen

• Entstehung einer Weltkultur– Extern universell!– Intern universell?

Gestaltung:

primär durch eine der früheren Kulturen

durch Entwicklungen aus mehreren Kulturen

mit Weiterbestehen kultureller Differenzen

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Ausgangsfragen

• Entstehung einer Weltkultur

• Vielheit philosophischer Traditionen– unterschiedliche Welt- und Menschenbilder– unterschiedliche Wertvorstellungen– unterschiedliche Gesellschaftsideale

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Begriffe: Philosophie

• „Philosophie“ ist ein griechisches Wort

- Ist Philosophie nur in Griechisch entstanden?

- Ist die faktische Gleichsetzung von Philosophie mit griechisch-okzidentaler Philosophie berechtigt?

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Begriffe: Philosophie

• „Philosophie“ ist ein griechisches Wort

• Philosophie ist eine MenschheitsleistungEs gibt mehrfache Ursprünge und Traditionen: im

antiken Ost-, Süd- und Westasien, in Griechenland, im Islam, in Afrika, möglicherweise in Zentralamerika.

Einige dieser Traditionen wirken stark bis in die Gegenwart. Wenn sie für eine globale Welt fruchtbar sein sollen, brauchen wir einen „generischen“ Begriff.

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Begriffe: Philosophie

• „Philosophie“ ist ein griechisches Wort• Philosophie ist eine Menschheitsleistung

• Generischer Begriff von Philosophie• Fragen nach der Grundstruktur von Wirklichkeit• Fragen nach der Erkennbarkeit von Wirklichkeit• Fragen nach der Begründbarkeit von Normen • Entwicklung von Begrifflichkeit und begrifflicher Argumentation

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Begriffe: Kulturalität

• Menschen sind von Natur kultürlichDie kulturelle Geprägtheit von Menschen betrifft

Weltbilder, Verhaltensweisen, Ästhetiken, Normensysteme.

Eine dieser Prägungen ist durch differente Sprachen gegeben - sie ist für die jeweilige Philosophie von großer Bedeutung, weil Philosophierende jeweils (nur) mit ihrer Sprache zeigen können, was sie denken.

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Begriffe: Kulturalität

• Menschen sind von Natur kultürlich

• Kulturalität betrifft (auch) die jeweilige Philosophietradition

- Entstehungsbedingungen verschieden- Weltbilder und Gesellschaftsformen- Sprachstrukturen

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Begriffe: Kulturalität

• Menschen sind von Natur kultürlich• Kulturalität betrifft (auch) die jeweilige Philosophietradition

• Philosophie kann monokulturell, multikulturell oder interkulturell orientiert sein

Diese Orientierungen entsprechen jeweils einem Typus „zentristischen“ Denkens, nämlich einem

- expansiven bzw. integrativen, einem - separativen oder einem- tentativen Zentrismus

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Begriffe: Dilemma der Kulturalität

Wenn Philosophie- stets kulturell geprägt ist,

- nur bestimmte kulturelle Ausdrucksmittel hat,

- in bestimmter kultureller Tradition geschieht, aber

Allgemeingültigkeit intendiert- muss sie ein Bewusstsein davon haben

- und Verfahren zur gegenseitigen Aufklärung entwickeln

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Aufgaben: Kritik der Philosophiehistorie

- Neuzeitliche Philosophiehistorie ist im Allgemeinen eurozentrisch: - Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde Geschichte der

Philosophie zunehmend als Geschichte der europäischen Philosophie dargestellt, kulminierend im 19. Jahrhundert und so als Standardsicht immer noch präsent.

- Darin bekommt die menschliche Vernunft ein Geschlecht (männlich), eine Hautfarbe (weiß) und eine kulturelle Normalität (christlich-abendländisch).

- Aufgrund starker Affinität zu ihrer Geschichte prägt dies den Begriff von Philosophie in irreführender Weise.

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Aufgaben: Globalgeschichte der Philosophie

- Komparative Philosophie, bislang vor allem auf Ost- und Südasien im Vergleich mit dem Westen konzentriert, soll auch andere Regionen erfassen.

- Curricula und Lehrmaterialien der Philosophie sollen alle großen Menschheitstraditionen vermitteln.

- Periodisierungen und Interpretamente der Philosophiehistorie sollen möglichst mit Bezug auf alle Traditionen anwendbar sein.

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Aufgaben: Kritik zentristischer Universalismen

- Universalität vs Partikularität - eine irrige Alternative?- Universelle Wahrheit/Gültigkeit nur in praktizierten

Dialogen/Polylogen zu entwickeln- Minimalregeln der Praxis:

- Negativ: Halte keine philosophische These für gut begründet, an deren Zustandekommen nur Menschen einer einzigen kulturellen Tradition beteiligt waren.

- Positiv: Suche wo immer möglich nach transkulturellen „Überlappungen” von philosophischen Begriffen, da es wahrscheinlich ist, dass gut begründete Thesen in mehr als nur einer kulturellen Tradition entwickelt worden sind.

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Aufgaben: Sachfragen der Philosophie universell behandeln

- Wenn Philosophie Grundfragen ontologischer, erkenntnistheoretischer oder normativer Art als Gegenstand hat, so sind alle bisher hier formulierten Aufgaben bloße Präliminarien.

- Philosophie hat in interkultureller Orientierung keine besonderen Gegenstände, sondern eben die Klärung von Grundfragen, aber in bewusst globaler Zugangsweise.

- Dazu sind geeignete Verfahren zu entwickeln.

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Verfahren: Argumentationen angesichts von Differenz

• Monologisch• Dialogisch - Polylogisch

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Verfahren 1: Monologisch

• Voraussetzungen monologischer Argumentationen

• Es gibt eine objektiv überlegene Position/Tradition.

• Die überlegene Position ändert sich nicht in Prozessen der Argumentation gegen andere Positionen.

• Differente Positionen können und sollen restlos überwunden werden.

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Monolog

• gleichförmig

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Verfahren 2: dialogisch und polylogisch

• Voraussetzungen dialogischer und polylogischer Argumentationen

• Keine Position/Tradition kann ohne ernsthafte Auseinandersetzung mit konkurrierenden Positionen als überlegen vorausgesetzt werden.

• Jede Position steht in dialogischen oder polylogischen Prozessen zur Gänze zur Disposition.

• Differente Positionen können und sollen einander kritisieren und aufklären.

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Polylog

• gleichförmig

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Verfahren 3: Zentrismuskritik• Zentristisches Denken - die Interpretation des Andern

mit eigenen Kategorien - ist kultürlich normal und allgemein.

• Für globale philosophische Diskurse spielen mehrere Zentrismen eine Rolle, z.B.:– Eurozentrismus, Sinozentrismus, Afrozentrismus, Islamozentrismus

Zentrismen sind unterschiedlichen Typs und von unterschiedlicher Wirksamkeit: expansiv, integrativ, separativ und tentativ.

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Zentrismus 1: expansivDie Anstrengung des Zentrums besteht in dieser Perspektive darin, sich stets weiter auszudehnen und so das jeweils Andere schließlich zu beseitigen. Dies ergibt die Vorstellung von einem monologischen Prozess als Heilsver-kündigung im religiösen oder säkularen Sinn.

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Grafik: David Griedl

Schema 5: Zentrismus, expansiv

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Exkurs zum Logo

mono-zentrisch

kon-zentrisch

abnehmend nach außen (expansiv verlaufend)ODER:

zunehmend nach innen (integrativ verstärkend)

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Zentrismus 2: integrativ

“Integrativer Zentrismus” geht von derselben Überzeugung einer objektiven Überlegenheit des Eigenen aus, wobei aber angenommen wird, dass dessen Attraktivität als solche bereits ausreicht, um alles Fremde anzuziehen und einzuverleiben.

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Grafik: David Griedl

Schema 6: Zentrismus, integrativ

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Zentrismus 3: separativ

Als “multiplen” oder “separativen” Zentrismus kann man eine Haltung bezeichnen, in der angenommen oder sogar angestrebt wird, dass mehrere oder viele Überzeugungen von Wahrheit oder von der Optimalität des je Eigenen nebeneinander bestehen. Hier wird Vielheit und nicht Einheitlichkeit als das Grundlegende und auch als Ideal angenommen.

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Grafik: David Griedl

Schema 7: Zentrismus, separativ

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Zentrismus 4: tentativDie jeweils eigene, aus begründeter Überzeugung

vertretene Sichtweise, so wird angenommen, ist eine notwendige Voraussetzung dafür, die ebenso subjektiv begründete andere Überzeugung der Anderen zu verstehen, nicht nur in ihrer Tatsächlichkeit, sondern auch in ihrer Berechtigung. Auch hier wird Vielheit als das Grundlegende gedacht, aber so, dass es sich bei dessen jeweiliger Gestalt um etwas Vorübergehendes handelt.

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Schema 8: Zentrismus, tentativ

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