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Frederick Forsyth COBRA

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Frederick ForsythCOBRA

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Frederick Forsyth

COBRARoman

Aus dem Englischen vonRainer Schmidt

C. Bertelsmann

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Die Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel »The Cobra« bei Bantam Press, London.

Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100

Das für dieses Buch verwendete FSC-zertifizierte Papier Munken Premium Cream liefert

Arctic Paper Munkedals AB, Schweden.

Copyright 2010 by Frederick ForsythCopyright der deutschsprachigen Ausgabe 2010

beim C. Bertelsmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Satz: Uhl + Massopust, AalenDruck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in GermanyISBN 978-3-570-10004-2

www.cbertelsmann.de

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Für Justin und all die anderen jungen Agenten, Briten und Amerikaner, die unter großen Gefahren

im Undercovereinsatz den Kampf gegen die Drogen führen

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INHALT

Erster Teil: Züngeln 13

Zweiter Teil: Zischen 67

Dritter Teil: Zuschnappen 229

Vierter Teil: Zerstören 353

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HANDELNDE PERSONEN

Berrigan, Bob Operationschef, DEA

Manhire, Tim ehemaliger Zollbeamter, Leiter der MAOC

Devereaux, Paul die CobraSilver, Jonathan Stabschef Weißes HausDexter, Calvin Executive Offficer, Projekt

CobraUribe, Alvaro ehemaliger Präsident von KolumbienDos Santos, Manuel Uribes Nachfolger im

PräsidentenamtCalderon, Felipe Chef der kolumbianischen

DrogenpolizeiDos Rios, Colonel Nachrichtendienstchef der ko-

lumbianischen DrogenpolizeiEsteban, Don Diego oberster Boss des Kokain-

kartellsSanchez, Emilio Abteilungsleiter Produktion

des KartellsPerez, Rodrigo ehemaliger FARC-Terrorist in

Diensten des KartellsLuz, Julio Anwalt, Vorstandsmitglied des

KartellsLargo, José-Maria Vertriebsleiter des KartellsCardenas, Roberto Vorstandsmitglied des KartellsSuarez, Alfredo Transportchef des KartellsValdez, Paco Vollstrecker des KartellsBishop, Jeremy Computerexperte

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Ruiz, Pater Carlos Jesuitenpriester, BogotáKemp, Walter UNODC

Ortega, Francisco Inspektor der Drogenpolizei von Madrid

McGregor, Duncan SchiffsumrüsterArenal, Letizia Studentin aus MadridPons, Francisco KokainpilotRomero, Ignacio Bevollmächtigter des Kartells

in Guinea-BissauGomes, Djalo Armeechef von Guinea-BissauIsidro, Pater Priester in CartagenaCortez, Juan SchweißerMendoza, João Exmajor der brasilianischen

LuftwaffePickering, Ben Major des Special Boat ServiceDixon, Casey Commander SEAL Team zweiEusebio, Pater Dorfpriester in KolumbienMilch, Eberhardt Zollinspektor in HamburgZiegler, Joachim Zollkriminalamt BerlinVan der Merwe Inspektor der Zollkriminal-

abteilung RotterdamChadwick, Bill Commander SEAL Team drei

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ABKÜRZUNGEN UND AKRONYME

AFB Air Force Base (USA) – Luftwaffenstütz-punkt

BAMS Broad Area Maritime Surveillance – Weiträumige Seeüberwachung

BKA BundeskriminalamtCIA Central Intelligence Agency – Auslands-

nachrichtendienst der Vereinigten StaatenCRRC Combat Rubber Raiding Craft (USA) –

Schlauchboot für Gefechts- und Stoßtrupp-einsätze

DEA Drug Enforcement Administration – Drogenbekämpfungsbehörde der USA

FARC Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Marxistische kolumbianische Guerillabewegung

FBI Federal Bureau of Investigations – Bundespolizeiliche Ermittlungsbehörde des US-Justizministeriums

HMRC Her Majesty’s Revenue and Customs – Zoll- und Finanzbehörde Ihrer Majestät (Großbritannien)

ICE Immigration and Customs Enforcement – Zoll- und Einwanderungspolizei des Heimatschutzministeriums (USA)

MAOC-N Maritime Analysis Operations Centre for Narcotics – Maritimes Analyse- und Operationszentrum Rauschgift

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MI5 Security Service – britischer Inlandsge-heimdienst

NSA National Security Agency – Nationale Sicherheitsbehörde für die Überwachung und Entschlüsselung elektronischer Kom-munikation (USA)

RATO Rocket-Assisted-Take-Off – Raketenunter-stützter Flugzeugstart

RFA Royal Fleet Auxiliary – Hilfsschiff der Königlichen Flotte (Großbritannien)

RHIB Rigid-hull Inflatable Boat – Festrumpf- Schlauchboot (Großbritannien)

RIB Rigid-hull Inflatable Boat – Festrumpf- Schlauchboot (USA)

SAS Special Air Service Regiment – Spezial-einheit der britischen Armee

SEALs Sea, Air, Land – Spezialeinheit der U.S. Navy

SOCA Serious and Organised Crime Agency – britische Behörde zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens

UAV Unmanned Aerial Vehicle – Unbemanntes Luftfahrzeug

UDYCO Unidad de Drogas y Crimen Organizado –spanische Sondereinheit zur Bekämpfung von Rauschgift- und organisierter Krimi-nalität

UNODC United Nations Office on Drugs and Crime – Büro der Vereinigten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung

ZKA Zollkriminalamt

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ERSTER TEIL

ZÜNGELN

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EINS

Der halbwüchsige Junge starb. Kein Mensch wusste es, und nur einen hätte es gekümmert. Dürr wie ein Skelett nach einem durch Drogen ruinierten Leben, kauerte er auf einem stinken-den Strohsack in der Ecke eines dreckigen Zimmers in einem verlassenen Wohnblock. Der Slum lag in einer der gescheiter-ten, »Projects« genannten Wohnsiedlungen in Anacostia, ei-nem Teil von Washington, D. C., auf den die Stadt nicht stolz ist und der von Touristen nie besucht wird.

Wenn der Junge gewusst hätte, dass sein Tod einen Krieg auslösen würde, hätte er es nicht verstanden, aber es hätte ihn auch nicht interessiert. So wirkt der Drogenmissbrauch auf einen jungen Verstand. Er zerstört ihn.

Das spätsommerliche Dinner im Weißen Haus war nach den Maßstäben der präsidialen Gastlichkeit eher klein. Zwanzig Gäste, zehn Paare, setzten sich nach den Drinks, die in einem Vorraum gereicht worden waren, zu Tisch, und achtzehn wa-ren höchst beeindruckt davon, hier zu sein.

Neun von ihnen waren leitende freiwillige Mitarbeiter der Veterans’ Administration, des Verbandes, der sich landesweit um das Wohlergehen derjenigen kümmert, die in den bewaff-neten Streitkräften gedient haben.

In den neun Jahren bis 2010 waren sehr viele Männer und etliche Frauen verwundet oder traumatisiert aus dem Irak und aus Afghanistan zurückgekehrt. Als Oberkommandierender der Streitkräfte bedankte sich der Präsident bei seinen neun Gästen von der VA für das, was sie für diese Leute hatten tun können. Deshalb waren sie und ihre Gattinnen eingeladen

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worden, dort zu speisen, wo einst der legendäre Abraham Lin-coln seine Mahlzeiten eingenommen hatte. Die First Lady per-sönlich hatte sie durch die Räume geführt, und jetzt saßen sie unter den wachsamen Blicken des Majordomus da und warte-ten darauf, dass die Suppe serviert wurde. Als die ältliche Kell-nerin zu weinen anfing, löste das leise Betretenheit aus.

Sie tat es lautlos, aber die Terrine in ihren Händen begann zu zittern. Die First Lady saß auf der anderen Seite des run-den Tisches. Sie blickte von dem Gast auf, dem gerade Suppe eingeschenkt wurde, und sah die Tränen, die lautlos über die Wange der Kellnerin rannen.

Der Majordomus, dem nichts entging, was dem Präsidenten missfallen könnte, folgte ihrem Blick und ging mit leisen, aber schnellen Schritten um den Tisch herum. Er nickte einem Kell-ner in der Nähe energisch zu, damit dieser die Terrine über-nahm, bevor es zu einer Katastrophe kommen konnte, und bugsierte dann die ältere Frau vom Tisch weg und auf die Schwingtür zu, die in den Anrichteraum vor der Küche führte. Als die beiden verschwunden waren, betupfte die First Lady sich die Lippen, entschuldigte sich leise bei dem pensionierten General zu ihrer Linken, stand auf und folgte ihnen.

Im Anrichteraum saß die Kellnerin auf einem Stuhl. Ihre Schultern zuckten, und sie murmelte: »Es tut mir leid, es tut mir so leid.« Der Gesichtsausdruck des Majordomus ließ er-kennen, dass er nicht in nachsichtiger Stimmung war. Vor dem Präsidenten bekam man keinen Zusammenbruch.

Die First Lady bedeutete ihm, ins Speisezimmer zurückzu-kehren. Dann beugte sie sich über die weinende Frau, die sich mit dem Saum ihrer Schürze die Augen betupfte und sich noch immer entschuldigte.

Ein, zwei behutsame Fragen, und die Kellnerin Maybelle erklärte ihren ungewöhnlichen Lapsus. Die Polizei habe den Leichnam ihres einzigen Enkels gefunden, des Jungen, den sie großgezogen habe, nachdem sein Vater neun Jahre zuvor in

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den Trümmern des World Trade Center umgekommen sei, als das Kind sechs Jahre alt war.

Man habe ihr die Todesursache erklärt, die der Leichen-beschauer festgestellt hatte, und ihr mitgeteilt, der Leichnam könne in der städtischen Leichenhalle abgeholt werden.

So kam es, dass die First Lady der USA und eine ältliche Kellnerin, beide Nachkommen von Sklaven, einander in einer Ecke des Anrichteraums trösteten, während ein paar Schritte weit entfernt die führenden Figuren der VA bei Suppe und Croutons gestelzte Konversation betrieben.

Fünf Stunden später, in der beinahe vollkommenen Dunkel-heit des Schlafzimmers, in das durch die kugelsicheren Schei-ben und am Vorhang vorbei nur ein schmaler Streifen Licht von der permanenten Helligkeit über der Stadt Washington drang, merkte die First Lady, dass der Mann an ihrer Seite nicht schlief.

Der Präsident war hauptsächlich bei seiner Großmutter auf-gewachsen. Er wusste, welche Beziehung ein Junge zu seiner Großmutter haben kann, und es war ihm wichtig. Obwohl er es gewohnt war, morgens früh aufzustehen und sich mit einem rigorosen Gymnastikprogramm in Form zu halten, konnte er nicht einschlafen. Er lag im Dunkeln und dachte nach.

Er hatte bereits entschieden, dass der Fünfzehnjährige, wer immer er sein mochte, nicht in einem Armengrab verscharrt werden, sondern ein anständiges Begräbnis auf einem richti-gen Friedhof bekommen sollte. Doch was ihm keine Ruhe ließ, war die Todesursache bei einem so jungen Menschen aus ar-mer, aber entschieden respektabler Familie.

Kurz nach drei schwang er die langen Beine aus dem Bett und griff nach seinem Bademantel. »Wo willst du hin?«, fragte seine Frau schlaftrunken. »Bin gleich wieder da«, antwortete er, verknotete den Gürtel und tappte ins Ankleidezimmer.

Als er das Telefon in der Hand hielt, dauerte es zwei Sekunden, bis sich jemand meldete. Falls die diensthabende

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Telefonistin zu dieser Nachtzeit, in der die menschliche Tat-kraft ihren tiefsten Stand erreicht, müde war, so ließ sie sich nichts davon anmerken. Sie klang eifrig und munter.

»Ja, Mr. President.«Das Licht an ihrer Telefonanlage verriet ihr, wer der Anru-

fer war. Noch nach zwei Jahren in diesem bemerkenswerten Gebäude musste der Mann aus Chicago sich hin und wieder in Erinnerung rufen, dass er zu jeder Tages- und Nachtzeit be-kommen konnte, was er wollte. Er brauchte nur zu fragen.

»Würden Sie bitte den Direktor der DEA wecken, zu Hause oder wo er sonst ist?«, fragte er. Die Telefonistin war nicht überrascht. Wenn dieser Mann mit dem Präsidenten der Mon-golei plaudern wollte, würde man es arrangieren.

»Ich verbinde Sie sofort«, sagte die junge Frau tief unten in der Kommunikationszentrale. Rasch tippte sie etwas auf einem Computerkeyboard. Winzige Schaltungen taten ihre Arbeit, und ein Name leuchtete auf. Die Suche nach einer Privatnum-mer brachte eine zehnstellige Ziffer auf den Monitor, die zu ei-nem gediegenen Townhouse draußen in Georgetown gehörte. Sie stellte die Verbindung her und wartete. Nach dem zehnten Klingeln meldete sich eine schlaftrunkene Stimme.

»Ich habe den Präsidenten für Sie, Sir«, sagte sie. Der Staats-diener, ein Mann mittleren Alters, war schlagartig hellwach. Die Telefonistin verband den Chef der Bundesbehörde zur Drogenbekämpfung, offiziell als Drug Enforcement Adminis-tration bekannt, mit dem Zimmer über ihr. Sie hörte nicht mit. Eine Leuchtdiode würde ihr sagen, wann die beiden Männer fertig wären und sie die Verbindung trennen könnte.

»Tut mir leid, dass ich Sie um diese Zeit störe«, sagte der Präsident, und sofort wurde ihm versichert, er störe keines-wegs. »Ich brauche ein paar Informationen und vielleicht ei-nen Rat. Könnten Sie heute früh um neun im Westflügel sein?«

Nur aus Höflichkeit war der Satz mit einem Fragezeichen versehen. Präsidenten geben Anweisungen. Der Direktor der

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DEA würde um neun Uhr im Oval Office sein. Der Präsident legte auf und ging wieder ins Bett. Jetzt endlich schlief er ein.

In einem eleganten Rotziegelhaus in Georgetown brannte das Licht im Schlafzimmer, und der Direktor fragte eine ratlose Frau in Lockenwicklern, was zum Teufel denn jetzt passiert sein mochte. Ein leitender Beamter, der morgens um drei von seinem obersten Vorgesetzten persönlich geweckt wird, muss zwangsläufig annehmen, dass etwas schiefgegangen ist. Viel-leicht etwas Schwerwiegendes. Der Direktor schlief nicht wie-der ein. Er ging hinunter in die Küche und machte sich bei Saft und Kaffee ernsthafte Sorgen.

Auf der anderen Seite des Atlantiks graute der Morgen. Vor der norddeutschen Hafenstadt Cuxhaven nahm die MV San Cristobal auf der trüben, grauen, regengepeitschten See den Lotsen an Bord. Der Skipper, Kapitän José-Maria Vargas, stand am Steuer, und der Lotse neben ihm gab ihm mit leiser Stimme Anweisungen. Sie sprachen Englisch miteinander, die Verkehrssprache in der Luft und auf dem Wasser. Die San Cris-tobal drehte den Bug in die Elbmündung. Sechzig Meilen wei-ter würde sie in den Hamburger Hafen einlaufen, Europas drittgrößten Überseehafen.

Mit 30 000 Tonnen war die San Cristobal ein Container-frachter und fuhr unter der Flagge von Panama. Vor der Brü-cke, auf der die beiden Männer in den dunklen Morgen hi-nausspähten, um die Markierungsbojen der Fahrrinne zu erkennen, erstreckten sich Reihen um Reihen stählerner Über-seecontainer. Sie stapelten sich in acht Ebenen unter und in vier über Deck, vierzehn Reihen vom Bug bis zur Brücke, und das Schiff war breit genug für acht Längsreihen.

Die Schiffspapiere gaben zutreffend an, dass die San Cris-tobal ihre Reise in Maracaibo, Venezuela, begonnen hatte. Sie war von dort ostwärts nach Paramaribo, der Haupt- und ein-

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zigen Hafenstadt von Surinam, gefahren und hatte ihre La-dung durch weitere achtzig Container mit Bananen vervoll-ständigt. Allerdings stand in den Papieren nicht, dass ein ganz spezieller Container darunter war: Er enthielt Bananen und eine zweite Art von Waren.

Diese zweite Ladung war mit einem müden alten Transall-Transportflugzeug, das in sehr gebrauchtem Zustand in Süd-afrika gekauft worden war, von einer abgelegenen Hacienda im ländlichen Kolumbien über Venezuela und Guyana zu einer ebenso entlegenen Bananenplantage in Surinam gebracht wor-den.

Die Ladung, die das alte Transportflugzeug gebracht hatte, war Brick für Brick an der Rückwand eines Stahlcontainers gestapelt worden, von einer Seitenwand zur anderen und vom Boden bis zu Decke. Vor der siebten Lage hatte man eine fal-sche Rückwand eingeschweißt und sie zusammen mit dem restlichen Innenraum glatt geschliffen und angestrichen. Erst dann hatte man die harten, unreifen Bananen in die Stellagen gehängt, wo sie – gekühlt, aber nicht gefroren – nach Europa transportiert werden würden.

Tieflader waren grollend und schnaubend durch den Dschungel gerollt und hatten den Exportauftrag an die Küste gebracht, und dort hatte die San Cristobal sie als Decksladung an Bord genommen, um ihre Transportkapazität auszuschöp-fen. Voll beladen hatte das Schiff Kurs auf Europa genommen.

Kapitän Vargas, ein zutiefst ehrlicher Seemann, der nichts von der Extraladung wusste, die er an Bord hatte, war schon in Hamburg gewesen, aber immer wieder bestaunte er die Größe und Effizienz dieser alten Hansestadt, die eigentlich aus zwei Städten besteht: Da ist die Stadt, in der die Menschen an den Wasserstraßen der Außen- und Binnenalster leben, und da ist die weitläufige Hafenstadt, der größte Containerhafen des Kontinents.

Bei 13 000 Anlandungen an insgesamt 320 Liegeplätzen

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werden hier jährlich 140 Millionen Tonnen umgeschlagen. Der Containerhafen allein hat vier Terminals, und die San Cristo-bal wurde nach Altenwerder gelotst.

Während der Frachter mit einer Geschwindigkeit von fünf Knoten an den Hamburger Vororten vorbeiglitt, die am nörd-lichen Ufer der Elbe allmählich erwachten, brachte man den beiden Männern am Steuer starken kolumbianischen Kaffee. Der Deutsche schnupperte anerkennend, als ihm der Duft in die Nase stieg. Es hatte aufgehört zu regnen, die Sonne schim-merte durch die Wolken, und die Besatzung freute sich auf den Landgang.

Als die San Cristobal an dem ihr zugewiesenen Liege-platz festmachte, war es kurz vor Mittag, und beinahe sofort brachte sich eine der fünfzehn Containerbrücken von Alten-werder in Position und fing an, die Container vom Frachter auf den Kai zu heben.

Kapitän Vargas hatte sich von dem Lotsen verabschiedet. Dessen Schicht war zu Ende, und er war nach Hause, nach Altona, gefahren. Die Maschinen waren abgeschaltet, die be-nötigten Anlagen liefen mit Generatorstrom, die Besatzung war mit ihren Pässen in der Hand von Bord gegangen, um in die Bars der Reeperbahn einzufallen, und die San Cristobal er-schien so friedlich, wie Kapitän Vargas, dessen Zuhause und Arbeitsplatz sie war, es gern hatte.

Er konnte nicht ahnen, dass in der vierten Containerreihe vor seiner Brücke, zwei Ebenen tief und drei Reihen von Steu-erbord entfernt, ein Container mit einem kleinen, ungewöhn-lichen Logo verborgen war. Man würde gründlich suchen müssen, um das Logo zu finden, denn Überseecontainer sind voll von Kratzern, Farbklecksen, ID-Codes und Eignernamen. Dieses spezielle Logo bestand aus zwei konzentrischen Kreisen und einem Malteserkreuz im kleineren, inneren Kreis. Das war das geheime Erkennungszeichen der Hermandad – der Bru-derschaft –, der Bande also, die hinter neunzig Prozent des ko-

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lumbianischen Kokains steckt. Und unten auf dem Kai war ein einziges Augenpaar, das dieses Zeichen erkennen würde.

Die Containerbrücke hob die Container vom Schiff hinüber zu einem wimmelnden Heer von computergesteuerten, fahrer-losen Transportfahrzeugen, sogenannten Automatic Guided Vehicles oder kurz AGV. Von einem Turm hoch über dem Kai gesteuert, beförderten sie die stählernen Kisten vom Kai zum Lagerareal. Hier entdeckte der Mitarbeiter, der sich unbemerkt zwischen den AGVs bewegte, das Logo mit den beiden Krei-sen. Er tätigte einen Anruf mit dem Handy und lief dann eilig in sein Büro zurück. Meilenweit entfernt setzte sich ein Tief-lader in Bewegung und fuhr in Richtung Hamburg.

Zur selben Zeit wurde der Direktor der DEA ins Oval Office geführt. Er war schon mehrmals hier gewesen, aber der rie-sige antike Schreibtisch, die drapierten Flaggen und das Siegel der Republik beeindruckten ihn immer noch. Er wusste, was Macht war, und dieser Raum war der Inbegriff der Macht.

Der Präsident war gut gelaunt; er hatte trainiert, geduscht, gefrühstückt und war lässig gekleidet. Er ließ seinen Besucher auf einem der Sofas Platz nehmen und setzte sich auf das an-dere.

»Kokain«, sagte er. »Informieren Sie mich über Kokain. Sie haben Unmassen von Material darüber.«

»Eine ganze Halle voll, Mr. President. Stöße von Akten, turmhoch gestapelt.«

»Zu viel«, sagte der Präsident. »Ich brauche ungefähr zehn-tausend Wörter. Keine endlosen Seiten mit Statistiken. Nur die Fakten. Eine Zusammenfassung. Was es ist, woher es kommt – als ob ich das nicht wüsste – , wer es herstellt, wer es transpor-tiert, wer es kauft, wer es nimmt, was es kostet, wo die Pro-fite hingehen, wer den Nutzen hat, wer den Nachteil, was wir dagegen tun.«

»Nur Kokain, Mr. President? Nicht auch die andern? He-

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roin, PCP, Angel Dust, Methamphetamin, das allgegenwärtige Cannabis?«

»Nur Kokain. Nur für mich. Vertraulich. Ich will die grund-legenden Fakten.«

»Ich werde einen neuen Report zusammenstellen lassen, Sir. Zehntausend Wörter. Klar formuliert. Top secret. In sechs Tagen, Mr. President?«

Der Oberkommandierende erhob sich lächelnd und streckte die Hand aus. Das Treffen war zu Ende. Die Tür war schon offen.

»Ich wusste, ich kann mich auf Sie verlassen, Direktor. In drei Tagen.«

Der Crown Victoria des Direktors wartete auf dem Park-platz. Auf einen Wink hin lenkte der Fahrer ihn im Bogen vor die Tür des Westflügels. Vierzig Minuten später war der Direktor auf der anderen Seite des Potomac in Arlington und in seiner Bürosuite im obersten Stock des Gebäudes 700 Army Navy Drive.

Er gab den Auftrag an seinen Operationschef Bob Berrigan weiter. Der jüngere Mann, der seine Sporen im Außendienst und nicht am Schreibtisch verdient hatte, nickte düster und brummte: »Drei Tage?«

Der Direktor nickte. »Essen Sie nicht, schlafen Sie nicht. Er-nähren Sie sich von Kaffee. Und, Bob – halten Sie sich nicht zurück. Stellen Sie es so übel dar, wie es ist. Da könnte eine Erhöhung des Etats auf uns zukommen.«

Der Operationschef und ehemalige Außendienstagent ging den Korridor hinunter und wies seine Assistentin an, sämtli-che Besprechungen, Interviews und Termine für die nächsten drei Tage abzusagen. Sesselfurzer, dachte er. Delegieren, das Unmögliche verlangen, essen gehen und sehen, wo das Geld bleibt.

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Frederick Forsyth

CobraRoman

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 400 Seiten, 13,5 x 21,5 cmISBN: 978-3-570-10004-2

C. Bertelsmann

Erscheinungstermin: November 2010

Der Kampf der westlichen Geheimdienste gegen die mächtigen Drogenbarone International agierende Drogenkartelle setzen pro Jahr Kokain im Wert von mehreren MilliardenDollar um und werden immer größer, einflussreicher … eine Plage. Das Weiße Haus beschließt,endlich einzugreifen, und erteilt Ex-CIA-Agent Paul Deveraux – genannt Cobra – einenGeheimauftrag: Er soll das kolumbianische Kartell der Kartelle zu Fall bringen. Mit allen Mitteln.Bald werden Drogenhändler als Terroristen eingestuft, gnadenlos gejagt und ausgelöscht.Lieferanten und Abnehmer werden gegeneinander aufgehetzt. Deverauxs Plan, der das Endedes internationalen Kokainhandels bedeutet, scheint aufzugehen … bis die Situation plötzlich zueskalieren droht. Frederick Forsyth hat das Genre des internationalen Polit-Thrillers, wie wir ihn heute kennen,praktisch im Alleingang erfunden und liefert fesselnde Spannung pur – mit einem untrüglichenGespür für brandaktuelle Themen.