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S T A D T U M B A U I N F L E N S B U R G

Tiefbauarbeiten in Fruerlund einst ….. SBV-Archiv

…und jetzt beim Stadtumbau in Fruerlund. Dewanger

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STADTUMBAU IN FLENSBURG – EIN QUARTIER ERFINDET SICH NEU

Raimund DankowskiAndreas Gutschank

Frank JürgensenMartin Kessler

Dr. Gerret Liebing Schlaber

Gerhard NowcFrank Rolfes

Anette SchnoorDr. Broder Schwensen

Eiko Wenzel

FFruerlund

Mit Beiträgen von

S T A D T U M B A U I N F L E N S B U R G

Große Schriftenreihe derGesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte, Nr. 81

Flensburg 2016

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Fruerlund, ein innenstadtna-hes Flensburger Wohnquar-tier, erst 1910 nach Flens-

burg eingemeindet, spielte bei derIntegration von Flüchtlingen undVertriebenen in Flensburg nachdem 2. Weltkrieg eine herausra-gende Rolle. Der Stadtteil nahm ab1950 mit der Errichtung vonWohngebäuden, die vornehmlichder Versorgung der Flüchtlinge undVertriebenen mit angemessenemWohnraum dienten, eine stür-mische Entwicklung. Innerhalb we-niger Jahre wurde aus dem bisdahin ländlich strukturierten Stadt-teil ein dicht bebautes innerstädti-sches Wohngebiet.

Nach etwa 50 Jahren genügten dieseinerzeit errichteten Wohngebäu-de nicht mehr zeitgemäßen Ansprü-chen. Gleiches galt für dasWohnumfeld. Die Aufnahme in dasStadtumbau-West-Programm (mitder anschließenden förmlichenFestlegung als Sanierungsgebiet)bot die Chance zur Erneuerung undAttraktivierung dieses innenstadt-nahen Wohnquartiers. Die Stadt,vertreten durch die Flensburger Ge-sellschaft für Stadterneuerung mbH(IHR Sanierungsträger), und dieSelbsthilfe-Bauverein eG Flens-

burg nutzten diese Chance und ver-einbarten im Stadtumbauvertragvom 6. Juli 2010 eine umfassendeErneuerung und Aufwertung desStadtteiles durch Sanierung, Ab-bruch und Neubau von Wohnungensowie durch Umgestaltung undAufwertung von öffentlichen Stra-ßen und der Anlage eines Stadtteil-parks. Mit diesen Maßnahmenwurde dem Stadtteil Fruerlund„neues Leben für die nächsten Jahr-zehnte eingehaucht“.

Mit der vorliegenden Dokumentati-on wird das Stadtumbauverfahrenerläutert und nachhaltig dokumen-tiert.

Ein herzliches Dankeschön möchteich an dieser Stelle den Fördermit-telgebern Bund und Land aus-sprechen, ohne die der Stadtumbauin dieser Form nicht möglich gewe-sen wäre. Gleiches gilt für denSelbsthilfe-Bauverein Flensburg,der in diesem Verfahren ein ver-lässlicher Partner der Stadt Flens-burg und ihres Sanierungsträgersgewesen ist.

Simon FaberOberbürgermeister

Neues Leben im Quartier

INHALTVorworte Seiten 7-8

Rückblick Seiten 9-40

Das alte Fruerlund

Seiten 10 -15Fruerlund – eine neue Heimat

Seiten 16-25SBV schreibt Geschichte

Seiten 26-32Fruerlund bekommt Probleme

SSeiiten 3333-3535Sanierung oder Neubau?

Seiten 36-40

Stadtumbau Seiten 41-70

Ein Stadtteil erfindet sich neu

Seiten 42-47Von der Idee zur Umsetzung

Seiten 48-55Das neue Gesicht von Fruerlund

Seiten 56-61Neugestaltung der Außenanlagen

Seiten 62-70

Ausblick Seiten 71-80

Stadtumbau mit Strategie

Seiten 72-75Wohnen und Leben in Fruerlund

Seiten 76-80

Fruerlund damals und heuteSeiten 81-85

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IMPRESSUM

HeHeraraususgegebeber:r: SStatadtdt FFlelensnsbuburgrg,SBV Flensburg eG,

Gesellschaft für FlensburgerStadtgeschichte e.V.

ISBN 978-925856-76-1

Verlag: Gesellschaft fürFlensburger Stadtgeschichte e.V.

www.stadtgeschichte-flensburg.deRathaus/Rathausplatz 1

24937 Flensburg

Projektleitung: Andreas Gutschank,Anette Schnoor

Titelfoto: Marcus DewangerRedaktion: Anette Schnoor

Übersetzungen: Ute SchmidtLayout & Satz: www.macht-wort.de

Repro einzelner Zeitungsartikeli.S.d. § 51 UrhG: Anette Schnoor

Auflage: 3000 Stck.CO2 -neutaler Druck,

Papier chlorfrei gebleicht

Bauarbeiten an der Mürwiker Straße: Optisch kaum verändert, sind die Häuser heute moderne Niedrigenergie-Gebäude. Archiv Gerhard Nowc

Stolz auf Fruerlund

S T A D T U M B A U I N F L E N S B U R G

Diese Dokumentation ist ei-ne bleibende Erinnerungan den Stadtumbau in un-

serem Traditionsstadtteil Fruerlundund an seine Geschichte. Wir freu-en uns, auf diese Weise den hunder-ten Menschen, die an denPlanungen und deren Umsetzungmitgearbeitet und sie unterstützthaben, „Danke“ sagen zu können.

Zugleich bewahrt das Buch einengroßen Teil der Geschichte unseresSelbsthilfe-Bauvereins. Es hält fest,wie im vorigen Jahrhundert tausen-de Flüchtlinge nach Flensburg ka-men und sich einige von ihnen zueiner Genossenschaft zusammen-taten. Eine neue Heimat wollten diewenigen Männer sich erschaffen.Schnell wuchs dann die Mitglieder-zahl und in Fruerlund, beim „Frau-enwäldchen“, entstanden die erstenHäuser, die den vielen jungen Fa-milien im neuen Stadtteil ein Zu-hause gaben.

Schnurgerade an den Straßen ent-lang hochgezogen, versprühten dieGebäude lange Zeit den Charmeder 50er Jahre – zunächst noch mitblühenden Vorgärten, aber doch

irgendwie „kasernnenartig“, wie kri-tische Flensburgerr anmerkten. Nurauf etwa 25 Jahree war die Lebens-dauer der Häuserr zunächst ange-legt. Tatsächlich blieben sie dannbeinahe unveränddert bis ins Jahr2010 hinein stehen und aus demliebevoll gepflegtten Viertel wurdezusehends ein Prooblemstadtteil.

Mit dem Stadtummbau ist der altePioniergeist zurücckgekehrt. Heutesind wir stolz ddarauf, dass das„Wohnen für Geenerationen“ ausFruerlund einen der schönstenStadtteile Flensbuurgs gemacht hat:großzügig, grün und mit vielen Be-gegnungsmöglichkkeiten für dieMenschen, die hieer wohnen: Fami-lien, Singles, Alt und Jung – alleGenerationen ebenn.

Wir wünschen Ihhnen, liebe Leser,viel Freude auf Ihrer Fruerlund-Entdeckungstour durch diesesBuch!

Raimund Dankowskki Jürgen MöllerVorstand Selbsthilfe-Bauverein eGilfe-Bauverein eG

G

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FRUERLUND

Denne dokumentation er en varig erindringpå ombygningen i vores traditionelle bydelFruerlund og om dens historie. Vi glæder os

at vi på denne måde kan takke alle de hundredvis afmennesker, som har arbejdet med planlægningen ogrealiseringen og har støttet den.

Samtidigt bevarer bogen en stor del af voresSelbsthilfe-Bauvereins historie. Bogen doku-menterer hvordan der i det sidste århundrede komtusindvis af flygtninge til Flensborg og hvordannogle af dem sluttede sig sammen til etandelsselskab. De få mænd ville skabe sig en nyhjemstavn. Antallet af medlemmer voksede hurtigtog i Fruerlund ved „Fruens skov“ opstod de førstehuse som gav mange unge familier et nyt hjem i dennye bydel.

Snorlige bygget direkte langs gaderne, barbygningerne over lang tid charmen af 50erne – ibegyndelsen endnu med blomstrende forhaver menpå en eller anden måde alligevel „kaserneagtigt“,

som nogle kritiske Flensborgere bemærkede.Husenes levetid var beregnet til kun cirka 25 år.Faktisk blev de dog næsten stående uforandredeindtil 2010 og det kærligt plejede kvarter blev mereog mere til en problembydel.

Med ombygningen af bydelen er den gamlepionerånd vendt tilbage. I dag er vi stolte over at„Bolig for generationer“ har lavet Fruerlund til en afbyens smukkeste bydele: storstilet, grøn, medmange muligheder for at mødes for de mennesker,som bor her: Familier, singles, gamle og unge –simpelthen alle generationer.

Vi ønsker jer, kære læsere, megen glæde på jeresopdagelsesvandring i Fruerlund gennem denne bog!

Raimund Dankowski Jürgen MöllerBestyrelse Selbsthilfe-Bauverein eG

Stolt af Fruerlund

Nyt liv i kvarteret

Fruerlund, et Flensborger boligkvarter tæt påcentrum, som først blev indlemmet efter1910, spillede en fremtrædende rolle ved

integrationen af flygtninge og fordrevne i Flensborgefter anden verdenskrig. Denne bydel gennemgikfra 1950 en hastig udvikling med opførelsen afbygninger, som først og fremmest skulle bruges tilat forsyne flygtninge og fordrevne med rimeligeboliger. I løbet af nogle få år blev den dertil landligtstrukturerede bydel til et tæt bebygget boligkvarteri byen.

Efter ca. 50 år kunne boligerne fra den tid ikkelængere leve op til tidernes krav. Det samme gjaltfor boligmiljøet. Optagelsen i det såkaldte„Stadtumbau-West-Programm“ (med denefterfølgende formelle fastlæggelse somsaneringsområde) bød en chance for en fornyelse ogmere attraktiv udformning af dette boligkvarter,som ligger tæt ved centrum. Kommunen,repræsenteret af „Flensburger Gesellschaft fürStadterneuerung mbH (IHR Sanierungsträger)“, ogSelbsthilfe-Bauverein eG Flensburg greb chancenog aftalte i byfornyelseskontrakten af 6. juli 2010 en

omfattende fornyelse og forbedring af denne bydelgennem sanering, nedrivning og nybygning aflejligheder samt gennem omlægning og forbedringaf offentlige gader og etablering af en bydelspark.Med alle disse tiltag fik bydelen Fruerlund„indblæst nyt liv til de næste årtier“.

Med den her foreliggende dokumentationen bliverhele processen for denne byfornyelse forklaret ogdokumenteret på en bæredygtig måde.

Her vil jeg også gerne rette en hjertelig tak tilstøttegiverne, forbundet og delstaten, uden demville kvarterets ombygning ikke have været muligt idenne form. Det samme gælder for Selbsthilfe-Bauverein Flensburg, som i hele denne proces harværet en pålidelig partner for Stadt Flensburg og deansvarlige saneringsinstitutioner.

Simon FaberOverborgmester

R i d D k ki Jü Möll

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STADTUMBAU / RÜCKBLICK

SBV Archiv

Teil A Rückblick

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Die Gartenseite eines der beiden Ursprungshöfe von Fruerlund (Alt-Fruerlund 4-8), in seiner auf 1794 zurückgehenden Bauausfüh-rung, hier noch mit Strohdach. Das Gebäude ist bis heute erhalten, ebenso der Feldsteinwall. Stadtarchiv

Ein Spaziergang durch Fruer-lund lässt uns heute aufStraßennamen und Orte sto-

ßen, die von der ebenso langen wiewechselhaften Geschichte desStadtteils künden. Namensteile wie„Lund“, „Holz“, „Feld“, „Lücke“,„Hof“ oder „Kloster“ weisen aufdie frühe ländliche Geschichte desStadtteils. Hingegen erinnern diezahlreichen Straßennamen mit Be-zug auf ehemals ostdeutsche Städteund Landschaften auf die jüngereSiedlungsgeschichte durch Flücht-linge und Vertriebene nach 1945.

Im Zentrum dieser Nachkriegs-Siedlungen liegt der Willi-Sander-Platz an der Kreuzung Fruerlund-lücke-Mühlenholz, benannt nachdem Gründer des Selbsthilfe-Bau-vereins (SBV) und FlensburgerStadtrat Willi Sander, einem gebür-

tigen Schlesier. Nach 2010 habenStadt und Selbsthilfe-Bauvereindas Gebiet für die heutigen moder-nen Wohnanforderungen komplettumgestaltet.

Der Wandel setzt sich damit fort.Auf unserem Gang durch Fruer-lund tauchen so ganz selbstver-ständlich spannende Fragen auf:Wie war es hier früher? Wer lebtehier und was geschah hier? Warumwurden die Dinge so, wie sie unsheute begegnen? Nun, im Fol-genden wollen wir versuchen, dar-auf einige Antworten zu geben.Wir finden sie in ehrwürdigen Ar-chivalien, dicken Büchern, altenLandkarten, vergilbten Zeitungen

und wenigen erhaltenen Photogra-phien:

Fruerlund ist eine der mittelalter-lichen Adelbyer Aussiedelungen,die nach einem kleinen Waldstückbenannt wurde. Ein richtiges Dorfwar es jedoch nie, denn das Zen-trum bildeten nur die beiden nochbestehenden Höfe. In einem Gil-destatut von 1468 wurde der Namebereits „Fruerlunt” geschrieben.(„fruer“ = Plattdeutsch für „Frau-en“, „lund“ = Dänisch für „Wäld-chen). Nach welchen Frauen derOrt benannt ist, ist unbekannt, Hin-weise auf Verbindungen etwa zurFlensburger Marienkirche findensich nicht. Wahrscheinlich warFruerlund ursprünglich sogar nurein Einzelhof, denn die beiden Hö-fe wurden noch im 19. Jahrhundertnur als halbe Bohlstellen berechnet.

Das alte Fruerlund bis 1950Wo heute moderne Mehrfamilienhäuser stehen, sah es voreinhundert Jahren romantisch aus: Felder, ein Wäldchenund einzelne Gehöfte prägten das Landschaftsbild.

Fruerlund – das Frauenwäldchen:ein ungeklärtes Namens-Rätsel

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Die im 19. Jahrhundert entstandeneParzelle Fruerlundfeld südlich vomheutigen Willi-Sander-Platz hatkeine Spuren hinterlassen, doch un-terscheidet sich die Nachfolgebe-bauung am Mühlenholz sichtbarvon den älteren und jüngsten Bau-ten der Umgebung. Der Standortder 1912 abgebrannten Windmühlesüdlich der beiden Höfe ist hinge-gen noch erkennbar.

Der geografische Gebietsname Fru-erlund erfuhr im 19. Jahrhunderteinen erheblichen Bedeutungswan-del. Von 1869 bis 1910 erstrecktesich die selbständige Gemeinde alslanger Gebietsstreifen von derAdelbyer Kirche im Süden bis zumFördestrand bei Mürwik im Nor-den. Heute beschränkt sich Fruer-lund auf das Gebiet nördlich derNordstraße, welches die beiden al-ten Höfe umfasst, das westlich da-von gelegene Nachkriegsviertel umdie Fruerlundlücke, Blasberg, Kiel-seng und vor allem das Großwohn-gebiet zwischen Mürwiker Straßeund Alt-Engelsby. In letzterem hatsich der Rest einer weiteren histo-rischen Ortschaft erhalten: Fruer-lundholz war eine Katensiedlung,die ab dem 18. Jahrhundert in amt-lichen Verzeichnissen aufgeführtwurde. Die ursprüngliche Ortschaft(1840: 14 Katen) lag hauptsächlicham Verbindungsweg zwischen derStraße von St. Jürgen bzw. Fruer-lund nach Twedter Holz (heutigeFruerlunder Straße) und dem Wegvon Engelsby nach Klosterholz(Engelsbyer Weg). Die geschwun-gene Dorfstraße blieb teilweise er-halten und führt noch den Namender alten Ortschaft. Doch nur weni-ge Häuser (Nr. 4 und 13) zeugenvon der Zeit vor 1864.

Um 1900 entstand westlich davonan der Fruerlunder Straße eine städ-tisch anmutende Häuserzeile mitdem früher beliebten AusflugslokalSommerlust als nördlichem End-punkt. Nordwestlich hiervon lagdie Fruerlunder Ziegelei, an welchenur noch der Straßenname Ziegelei-straße erinnert. Mit dem Bau derMürwiker Straße wurde die alte

Fruerlunder Straße, die in den1920er Jahren stark nach Süden hinbebaut wurde, zu einer Nebenstraßedegradiert.

Mürwik ist heute über FlensburgsStadtgrenzen hinaus viel bekannterals Fruerlund. Dabei lag das ur-sprüngliche Mürwik innerhalb derGemarkung Fruerlund. Und auch

dieser Ortsname bezieht sich heutenicht mehr auf die historische Orts-lage. Heute umfasst der Name Mür-wik den gesamten Stadtbezirknördlich der Nordstraße außer denBezirken Fruerlund und Alt-Engelsby.

Noch im späten 19. Jahrhundertaber war Mürwik ein recht unbe-

Die Gemeindegrenzen Fruerlunds bis 1910. Studieafdelingen ved DCB

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Das einstige Gasthaus „Sommerlust“ in Fruerlundholz bot in der Kaiserzeit einen freien Blick auf die Mürwiker Bucht. Es wurde inden 1980er Jahren abgerissen. Stadtarchiv

deutender Wohnplatz im Bereichdes heutigen „Sonwik“. Zunächstgab es hier einen als Viertelbohl-stelle verzeichneten Hof, der miteiner der früher an der FlensburgerFörde liegenden zahlreichen Ziege-leien verbunden war. Explizit wur-de „Muhrwick“ erstmals imSchuld- und Pfandprotokoll desAmtes Flensburg von 1734 ge-nannt. Bis 1853 stand „Mörrwiek(Myrvig)“ unter der Gerichtsbarkeitdes Flensburger Hospitals.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sichMürwik, an der Wasserseite Fruer-lunds gelegen, zu einem beliebtenAusflugsziel der Flensburger. DerKaufmann und zeitweilige Hospi-talsvorsteher Heinrich Göttig hattehier einen sehenswerten Park ange-legt. Als das Baden im Meer immerbeliebter wurde, zog auch der Mür-wiker Strand immer mehr Gäste ausder nahen Stadt an. Zwei Hotels –

das Strand-Hotel (später „Linden-hof“) im alten Wohnhaus der Zie-gelei und das jüngere Park-Hotelmitten im Park (Park- bzw. Swine-münder Str. 11) – belegten deutlichdie Bedeutung Mürwiks als Reise-ziel.

Doch als die kaiserliche Marine dieGegend entdeckte und hier ab 1903den Flottenstützpunkt anlegte, wur-de die Idylle beeinträchtigt undschließlich ganz zerstört, als dieBucht mit ihrem Strand zu einemgroßen Kriegsschiffshafen umge-staltet wurde. Damit nahm auch dieimmer eigenständigere Entwick-lung Mürwiks ihren Anfang.

Durch den Ausbau Mürwiks wuchsdie Einwohnerzahl der GemeindeFruerlund bis 1910 beträchtlich. Indiesem Jahr erfolgte die Einge-meindung Fruerlunds, Engelsbys,Twedts und der sich nördlich an

Mürwik anschließenden GemeindeTwedter Holz. Als neuer Hauptstra-ßenzug entstand die heutige Mür-wiker Straße (damals Kaiser-Wil-helm-Straße), durch die sich dieVerkehrsstrukturen im neuenFlensburger Nordosten nachhaltigveränderten, samt Straßenbahn-und Kleinbahnanschluss.

Am Nordrand der Gemeinde Fruer-lund lagen, ursprünglich ebenfallsauf Hospitalsgrund, vier Katen ent-lang des heutigen Querstraßen-zuges Swinemünder (früher Park-)Straße/ Blücherstraße. Ihr NameKlosterholz weist direkt auf diefrüheren Besitzverhältnisse hin.Das letzte alte Haus (Parkstraße 4)verschwand um 1925. Nur derKlosterholzweg, ein Teil des ur-sprünglichen Weges von Fruerlundund Mürwik nach Twedter Holz,erinnert noch an die verschwunde-ne Häusergruppe.

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Das historische Fruerlund umfasstejedoch auch noch ein Areal, dassich südlich des Lautrupsbachesund teilweise bis an Tarup heranerstreckte. An diese Verbindungerinnern heute nur noch eine Bus-haltestelle und ein nahe gelegenesHotel im früheren Bahnhof Fruer-lund an der Glücksburger Straße.Die kaiserzeitliche Häuserreihevom Adelbyer Kirchenweg biszum vielfach umgebauten Bahnhof(heute das weithin bekannte Res-taurant Dionysos und Hotel Fruer-lund) entstand nach dem Bau derEisenbahn. Die Gemarkung Fruer-lund reichte hier in einem rechtschmalen Korridor südlich an denTrögelsbyer Weg, während einerecht gerade Linie von der Kreu-

lundmühle im Bereich der heutigenStraßen Philipp-Lassen-Koppel,Tulpenweg und Rosenstraße dieSüdwestgrenze bildete.

Auch einige am Trögelsbyer Weggelegene Gebäude gehörten nochzur Gemarkung Fruerlund, wäh-rend diese Straße heute Bestandteildes Stadtbezirks Engelsby ist. Ander Kreuzung mit der heutigenRichard-Wagner-Straße lag die1880 von der Adelbyer Schule ab-gelegte Engelsbyer Schule, aufwelche die Fruerlunder, Engelsby-er und Twedter Kinder gingen. Ander Koppel Bussesiek lag im 19.Jahrhundert ein Haus, das offenbarnicht lange bestand. Der heute andieser Stelle befindliche (frühere)Bauernhof „Adelby” wurde erst inden 1920er Jahren errichtet. Öst-lich hiervon erinnert der Flurname„Armenhauskoppel“ an eine Ein-richtung, die im 19. Jahrhundertgroße Bedeutung für das gesamteKirchspiel hatte. Hier lag die ältes-te kommunale Armenarbeitsanstaltin ganz Ostschleswig. Schon 1830befanden sich etwa 100 Menschenin der Anstalt, die westlich nahedem Taruper Weg lag. Erst einigeZeit nachdem man die Sozialpoli-tik in den 1880er Jahren auf eineneue Grundlage gestellt hatte,konnte man auf diese Einrichtungverzichten. Heute befinden sich

dort die Wohnanlage „Apfelhof“und einige Einfamilienhäuser jün-geren Datums.

Fruerlund hat seit der Eingemein-dung 1910 jedoch nicht nur Verlus-te erlitten. Vom bereits 1900 nachFlensburg eingemeindeten Jür-gensgaard werden die nördlich derheutigen Nordstraße gelegenenWohnplätze Blasberg und Kielsengheute zu Fruerlund gezählt. Erste-rer ist heute fest mit Fruerlund ver-wachsen, die kleine Straße glei-chen Namens erinnert mit einigenkaiserzeitlichen ländlichen Häu-sern noch an die ursprünglichekleine Katensiedlung. Diese wardurch den heutigen Volkspark mitdem am Wasser gelegenen HofKielseng verbunden, der eine sehr

bewegte Geschichte hat. Leiderblieb von diesem, den drei zugehö-rigen Katen (darunter ein einstmalssehr beliebtes Ausflugslokal) undder Windmühle nach dem Ausbaudes Freihafens, des Industriege-biets und der Hauptverkehrsstraßenicht mehr als der Straßennameerhalten. Auch die sich südlich anKielseng anschließenden Wohn-plätze Harnis (früherer Ziegelei-standort) und Ballastbrücke sindsehr alt, wovon noch einzelne alteFischerhäuser und das alte See-mannsheim an der Ballastbrückezeugen. Diese waren bereits 1874mit St. Jürgen an die Stadt gefallenund werden heute ebenfalls zu Fru-erlund gerechnet.

Bedeutender als die Gebiets-Ar-rondierungen aber waren wohl, fürFruerlund wie für die ganze StadtFlensburg, die Siedlungs-Umwäl-zungen im Nachgang des Zweiten

Blick von Kielseng auf die junge Marinestation Mürwik, ca. 1905. Stadtarchiv

Blick von der Glücksburger Straße über das mittlere Lautrupstal auf die alte MühleFruerlund, ca.1900. Die Mühle ging 1912 durch einen Brand verloren. Stadtarchiv

Der Blasberg erinnert heute nochan die ehemalige Katensiedlung

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Das Flüchtlingslager Kielseng mit den typischen Holzbaracken, ca. 1950. Stadtarchiv

Weltkrieges. HunderttausendeFlüchtlinge hatte der Untergang desDeutschen Reiches nach Schles-wig-Holstein verschlagen. VonFebruar 1945 bis Juni 1945 war dieBevölkerungszahl des Landes von1,6 auf 2,4 Millionen Einwohner an-gewachsen, 1946 kamen weitere200.000 Ost-Vertriebene hinzu.Menschenwürdiger Wohnraumstand nicht hinreichend zur Ver-fügung. In mehrfach belegtenWohnungen, in unzähligen Massen-quartieren, Notunterkünften undBarackenlagern mussten einanderfremde Menschen auf engstemRaum miteinander leben und aus-kommen. Mangel an Privatheit,Perspektivlosigkeit und manch ab-wertendes Urteil durch Eingeses-sene belasteten den bedrückendenNachkriegsalltag zusätzlich.

Dabei nahm Flensburg unter denStädten der Provinz schon 1945 eineSpitzenstellung in der Zuwanderungvon Flüchtlingen ein. Die Bevölke-rung der Fördestadt hatte sich binnenweniger Monate von 68.000 (1944)auf über 110.000 Menschen (1945)erhöht. Bereits im Juli 1945 ver-hängte die britische Militärregierungeine Zuzugssperre für die För-destadt. Die Umsiedlung von Flücht-lingen und die Rückführung der beiKriegsende am Ort etwa 7500Fremd- und Zwangsarbeiter aberschritt nur langsam voran. Noch1946 drängten sich in den rund58.000 Flensburger Wohn- undSchlafräumen 92.000 Menschen,und in den zwei Dutzend Lagern amOrt hausten weitere 9000 Personen,darunter 2700 Kinder unter 14 Jah-ren, in zumeist baufälligen Unter-

künften ohne hinreichendematerielle und sanitäre Versorgung.Der allgemeine Notstand wurdedurch den Hungerwinter 1946/47nochmals verschärft. Einschnei-dende Maßnahmen waren erforder-lich. Es galt, die Flüchtlinge undVertriebenen dauerhaft in die ein-heimische Bevölkerung zu in-tegrieren, auch um einer politischenRadikalisierung vorzubeugen. Vor-ausschauende Persönlichkeiten wieder Schlesier Willi Sander nahmensich der Aufgabe an. Mit der Grün-dung des Selbsthilfebauvereins(SBV) im Jahre 1949 und dessengenossenschaftlichem Siedlungsbaugelang ein sozialpolitisches Frie-denswerk, das in Fruerlund seinenAnfang nahm.

Dr. Broder SchwensenDr. Gerret Liebing Schlaber

„Der SBV – ein sozialpolitischesFriedenswerk“

Dr. Broder SchwensenStädt. Archivdirektor

„Fruerlund – sechs Jahrhundertewandlungsreicher Geschichte“

Dr. Gerret Liebing SchlaberRegional-Historiker

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Ved en gåtur gennem Fru-erlund støder vi i dag pågadenavne og steder,

som fortæller os noget om denlange og skiftende historie fradenne bydel. Dele i navnene som„Lund“, „Holz/lille skov“,„Feld/mark“, „Lücke/hul“,„Hof“ eller „Kloster“ henviser tilbydelens tidlige og landlige his-torie. Derimod minder navnemed relation til østtyske byer oglandskaber om den senestebosættelseshistorie efter 1945med flygtninge og hjemstavns-fordrevne.

Fruerlund var oprindelig en mid-delalderlig udflytning fra Adel-by, som fik sit navn efter en lilleskov. Det har dog aldrig været enrigtig landsby, fordi selve cent-rum kun bestod af de to gårde,som stadigvæk eksisterer i dag. Ien gildestatut fra 1468 blev nav-net allerede stavet „Fruerlunt”.

Fra 1869 til 1910 omfattede denselvstændige kommune Fruer-lund en lang stribe fra Adelbykirke i syd til stranden ved Mür-wik i nord. I dag er Fruerlund be-grænset af det område, som lig-ger nord for Nordstraße og somomfatter de to gårde samt denvestlig beliggende efterkrigs-kvarter omkring Fruerlundlücke,Blasberg, Kielseng og selvfølge-lig det store boligområde mellemMürwiker Straße og Alt-Engels-by. Her er resterne af endnu ethistorisk sted bevaret: Fruer-lundholz, som var et kvarter medsærlige nordtyske små-huse,som fra det 18. århundrede blivernævnt i amtslige fortegnelser.Mürwik, som før i tiden lå inden-for grænserne af Fruerlund, er idag meget mere kendt, også udover Flensborgs bygrænser. Det-te skyldes, at der her efter 1903

blev opbygget et støttepunkt forden kejserlige marine. I 1910blev Fruerlund ( med Mürwik)Engelsby, Twedt og Twedter-holz indlemmet i kommunenFlensborg. Samtidigt blev Mür-wiker Straße (dengang Kaiser-Wilhelm-Straße) nyanlagt og bå-de sporvognsforbindelse og jern-bane forbindelse blev etableret.

Ved krigens slutning i 1945 blevFlensborgs befolkning i løbet affå måneder øget med flere end40.000 øst-flygtninge og hjemsta-vnsfordrevne fra 68.000 (1944) til

flere end 110.000 indbyggere.Mange mennesker boede i førsteomgang i træbarakker, ofte i om-rådet Mürwik, Twedt og Fruer-lund. Det handlede om at inte-grere de rodløse mennesker i denlokale befolkning, også for atforebygge en politisk radikalise-ring. Fremsynede personlighedersom Willi Sander fra Schlesienpåtog sig denne opgave. Med eta-bleringen af andelsboligselskab-et Selbsthilfe-Bauverein i 1949 ogmed dens byggeprojekter, lykke-des et socialpolitisk freds-projekt,som begyndte i Fruerlund.

D A S A L T E F R U E R L U N D

Fruerlund til 1950

Den gamle mølle i fruerlund. Archiv Nowc

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Eines der größten ProblemeFlensburgs in der Zeit nachdem Zusammenbruch des

Dritten Reiches war die Lösung derFlüchtlings- und Wohnungsfrage.Nur allmählich sank die Bevölke-rungszahl, die infolge des Zu-stroms der Flüchtlinge undVertriebenen auf über 110.000 an-gestiegen war, durch Umsiedlungwieder ab. Zum Zeitpunkt derWährungsreform im Jahr 1948 hat-te Flensburg noch 106.000 Ein-wohner, davon waren 36 ProzentVertriebene.

Per Zwangseinquartierung durchdas Wohnungsamt konnte nur einTeil der Vertriebenen in vorhande-nen Wohnungen untergebrachtwerden. Andere mussten in Mas-senquartieren hausen oder beka-men einen Platz in einer Baracke.

Durch die nationalsozialistischeAufrüstungspolitik gab es in Flens-burg eine Vielzahl von Barackenla-gern der Wehrmacht für Soldatenund Offiziere, aber auch für andereZwecke: für Fremdarbeiter, für denReichsarbeitsdienst, für Bomben-geschädigte, Zwangsarbeiter,Kriegsgefangene. Sie wurden ab1945 zu Flüchtlingsunterkünften.Auch wenn durch die besonderenUmstände der Zeit statistische An-gaben schwierig sind, ist davonauszugehen, dass es in Flensburgbis zu 26 Barackenlager mit weitüber 8000 Lagerbewohnern gab.Jeder fünfte Vertriebene war 1948ein Lagerbewohner.

Die Verhältnisse waren erschre-ckend: Die Räume waren teilweisemit 14 bis 19 Personen oder dreibis vier Familien belegt. Von 168

Baracken in den 22 Lagern, die1948 vom Ministerium für Arbeit,Soziales und Vertriebene desLandes Schleswig-Holstein inspi-ziert wurden, wurden 83 als„schlecht“ bezeichnet. Dächer undFußböden waren reparaturbedürf-tig, es fehlten Aborte, Kochgele-genheiten, Möbel und Glühlampen.

Neben der Umsiedlung von Flücht-lingen gewann mit der Aufhebungdes Neubauverbots durch die Mili-tärregierung im Jahre 1948 derWohnungsbau als Maßnahme ge-gen die Wohnungsnot an Bedeu-tung: Die interne Umsiedlung –von der Baracke in die Neubau-wohnung – wurde ein wichtigesThema. Mit Hilfe von Mitteln ausdem Marshallplan – offiziell „Eu-ropean Recovery Program“ – wur-den in Schleswig-Holstein 1950/51

Fruerlund – eine neue HeimatNach dem Zweiten Weltkrieg werden die Barackenlager der Wehrmacht zuFlüchtlingsunterkünften. 1948 war jeder fünfte Vertriebene in Flensburg ein Lagerbewohner –und die Lebensumstände waren zum Teil erschreckend.

Bebauungsplanskizze von Stadtplaner Berg, Stadt Flensburg, vom Dezember 1949 (Abb.1) . Pläne: Stadtarchiv

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Städtebauliche Konzeption der Flüchtlingssiedlung Fruerlund, März 1950 (Abb.2).

10.000 Flüchtlingswohnungen ge-baut. In der Folge wurde der Woh-nungsbau durch Baracken-Räumprogramme gefördert. Be-reits 1949, bevor es diese besonde-ren Programme gab, errichteten diestädtische Wohnungsbaugesell-schaft, die Stadt Flensburg, derFlensburger Arbeiterbauverein, dieHeimstätte Schleswig-Holstein undeinige private Bauherren 228 neueWohnungen in Flensburg. Im Feb-ruar 1950 waren 220 zusätzlicheWohnungen im Bau.

Am 16. Februar 1950 wurde dasWohnungsbauprogramm desLandes Schleswig-Holstein be-kanntgegeben und gleichzeitig dar-über informiert, dass im Rahmendes auf 10.000 neue Wohnungen inSchleswig-Holstein ausgelegtenFlüchtlingsbauprogrammes zusätz-

lich 600 Wohnungen für Heimat-vertriebene vorgesehen seien. DaSchleswig-Holstein prozentual diemeisten Flüchtlinge und Vertrie-benen verkraften musste, anderer-seits hier auch die Vorbereitungenfür einen Neubau von Wohnungenam weitesten voran geschritten wa-ren, erhielt das nördlichste Bundes-land den größten Anteil der imProgramm ERP-Mittel genanntenHilfen – 40 von 61 Mio. DM.

Die Erstellung einer derartig gro-ßen Zahl von Wohnungen war an-gesichts der Produktionsbedin-gungen der unmittelbaren Nach-kriegszeit eine außerordentlichgroße Herausforderung. Das Sozi-alministerium und die im Oktober1949 gegründete, seit Februar 1950mit eigenen Angestellten tätige„Arbeitsgemeinschaft für produk-

tive Flüchtlingshilfe“ entwickeltenunter Hinzuziehung von drei Pri-vatarchitekten fünf Wohnungs-typen und schafften damit dieVoraussetzung für einen standardi-sierten Planungs- und Bauprozess.Den Grundrissplänen waren sche-matische Ansichtszeichnungenbeigefügt. Die Architekten derWohnungsbaugesellschaften hat-ten die Aufgabe, sowohl Grund-risse als auch Ansichten sorgfältigdurchzuarbeiten und nach den Be-dürfnissen der jeweiligen städte-baulichen Situation abzuändern.

Folgende Wohnungstypen wurdenfür das ERP-Flüchtlingswoh-nungsprogramm von 1950/51 zu-grunde gelegt:

Typ A: Zweieinhalbzimmerwoh-nung, ZweispännerTyp B: Zweizimmerwohnung,DreispännerTyp C: Zweifamilienhaus, zwei-geschossig, mit getrennten Ein-gängenTyp D: Einfamilienhaus, einge-schossig, mit ausgebautem Dach-geschossTyp E: Kleinsiedlerstelle, einge-schossig, mit ausgebautem Dach-geschoss

Um eine Wohnung zu erhalten,mussten die Heimatvertriebenen,Bombengeschädigten oder poli-tisch Verfolgten über eine Arbeitverfügen. Die Miete, die um 1950für eine neue Zweizimmer-Famili-enwohnung von 50 Quadratmeternmit Badezimmer mit nicht mehr als40 DM kalkuliert war, konnte nurvon Personen aufgebracht werden,die nicht arbeitslos waren. Hinzukam, dass viele Mieter einen Bei-trag für die Mitgliedschaft in einerBaugenossenschaft aufbringenmussten. Die Erstellungskosteneiner neuen Wohnung lagen bei8500 DM. Diese sollten zu 90 Pro-zent aus öffentlichen Geldern,hauptsächlich ERP-Mitteln, finan-ziert werden. Der verbleibendeAnteil von 10 Prozent sollte u.a.aus Genossenschaftsmitteln, auchdurch Eigenleistungen der Mit-

„Der SBV hat großen Anteil an der Integrationder Flüchtlinge und Vertriebenen.“

Eiko WenzelAbteilungsleiter Denkmalschutz

Stadt Flensburg

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glieder, erbracht werden. WilliSander, Ratsherr und Vorsitzenderder 1949 neu gegründeten und erstam 26. Januar 1950 in das Genos-senschaftsregister eingetragenenGenossenschaft Selbsthilfe-Bau-verein, informierte das FlensburgerTageblatt über die Pläne, das fürFlensburg vorgesehene Kontingentzu nutzen. Danach wurden von derstädtischen Wohnungsbaugesell-schaft 103 Wohnungen an derGlücksburger Straße und 85 Woh-nungen am Ostseebadweg geplant.Im Gebiet um die Reithalle (desFlensburger Reit- und Fahrvereins)in Fruerlund sollten 412 Woh-nungen in Reihenhäusern erstelltwerden. Für dieses Gelände warenim Februar 1950 noch der Flens-burger Arbeiterbauverein und derSelbsthilfe-Bauverein als Trägervorgesehen, der erstgenannte hattesich aber seinerzeit noch nicht ent-schieden.

Willi Sander war ein entschiedenerVerfechter des Genossenschaftsge-dankens im Wohnungsbau, der sei-ne Ideen in den bestehendenFlensburger Baugenossenschaftennur unzureichend unterstützt sah.Im Vordergrund stand der Gedan-ke, dass die Flüchtlinge ihr Schick-sal selbst in die Hand nehmen undauch Eigenleistung einbringen soll-ten: Selbsthilfe. Es verwundert da-her nicht, dass alle Führungs-positionen im Selbsthilfe-Bauver-ein mit Vertriebenen besetzt waren.Sie kamen aus Hinterpommern,aus Schlesien und dem Sudeten-land. So war der SBV zunächsteine reine Flüchtlings-Bau-genossenschaft. Auch Willi Sanderselbst war Vertriebener; er wurdeam 27. Oktober 1907 in Primke-nau, Kreis Sprotau/Niederschlesiengeboren. Unmittelbar nach Kriegs-ende stellte er sich der Vertriebe-nenarbeit zur Verfügung undbekleidete schnell mehrere Ehren-ämter. Er gehörte unter anderemauch dem fünfköpfigen Vorstandder Arbeitsgemeinschaft für pro-duktive Flüchtlingshilfe an. DiePlanungen für das Baugebiet Fru-erlund wurden bereits 1949 im

Mühlenholz 43-53, ERP-Häuser im Bau um 1951, in: Der Bau von 10000 Flüchtlings-Wohnungen. Das Bild wurde 1952 wie folgt kommentiert: „Einfache, unkomplizierteBaukörper geben, insbesondere innerhalb regelloser vorhandener Bebauung, am ehestendie Chance, ein ruhiges Straßenbild zu erreichen. Mag die Behandlung der Treppenhaus-fenster, die der Sockel und einiger anderer Einzelheiten auch nicht voll befriedigen, so istdas Straßenbild als Ganzes doch immer noch annehmbar“(Abb. 4). Stadtarchiv

Mühlenholz, südlicher Teil nach Nordosten: Hinter der Einmündung des Bohlbergssind die ERP-Häuser Mühlenholz 15-35 (1950/51) und 20-22 (1951/52) zu erkennen(Abb.3). Stadtarchiv

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Fruerlundlücke von Westen, um/nach1952. Links im Vordergrund der Westgie-bel des 1952 fertiggestellten WohnblocksFruerlundlücke 1-5, mit einem Sgraffitoeines unbekannten Künstlers. Das Sgraffitowurde erst nach Fertigstellung des Hausesangebracht, möglicherweise, um die unbe-friedigende Giebelgestaltung zu verbessern(Abb.5). Stadtarchiv

Klabundeweg nach Norden, um/nach1952, mit Zweifamilien-Reihenhäusern.Die beiden Zeilen in der rechten Bildhälftegehören zum Resselweg (Abb 6). Stadtarchiv

Fruerlundlücke nach Osten, um/nach1955. Deutlich wird, dass die Grünflächenfür Gemüseanbau genutzt wurden (Abb. 7).

Remmers glaspladesamling, Arkivet vedDansk Centralbibliotek for Sydslesvig

Stadtplanungsamt der Stadt Flens-burg entwickelt. Das Gebiet botsich wegen der „tragbaren Fußweg-entfernung zur Stadt“ und durch diedirekte Lage an der Mürwiker Stra-ßenbahnlinie an. Außerdem lag esgünstig zu den Industrieanlagen aufdem Flensburger Ostufer. Der An-schluss an Versorgungsleitungenschien leicht möglich zu sein. DieseStandortvorteile führten dazu, dassdie Stadt einen Durchführungsplan,der nach dem Schleswig-Holstein-ischen Aufbaugesetz von 1949Voraussetzung für die Entwicklungeines Wohngebiets war, für das Ge-biet Fruerlund aufstellen ließ. Dieplanerischen Konflikte waren ver-gleichsweise gering; die Grundstü-cke waren in städtischem Besitzoder konnten privat erworben wer-den. Eine Hürde stellte lediglich dienotwendige Aufgabe bzw. Verlage-rung von Kleingärten dar.

In den Erläuterungen zum Durch-führungsplan wird deutlich, dassdie Planung eines Wohngebiets inFruerlund auch der städtebaulichenArrondierung bestehender Splitter-siedlungen an den Straßen Bohl-berg, Blasberg und an derFruerlunder Straße dienen sollteund gleichzeitig das Ziel verfolgtwurde, den „ausgefransten“ Stadt-rand zu reparieren. In den frühenPlanungsstadien ging der Stadtpla-ner Berg davon aus, dass die Mür-wiker Straße „aus Verkehrsgründenvon jeder Bebauung weitgehendfreizuhalten ist“. Außerdem solltedie Bebauung im Osten an einerprojektierten Umgehungsstraße en-den, die Mürwik/Fruerlund mitAdelby verbinden sollte, indem dieFruerlunder Straße an Alt-Fruer-lundhof vorbei bis zur heutigenRichard-Wagner-Straße geführtwerden sollte. Der Bauernhof Alt-Fruerlundhof war bewusst als glie-derndes Element in die Konzeption

einbezogen und sollte in seinemBestand gesichert werden. Die Pla-nung aus dem Jahre 1949 (Abb. 1,S. 14) beinhaltet noch die ursprüng-liche Konzeption mit Reihenhaus-bebauung an Wohnstraßen, dieüberwiegend in Nord-Süd-Richtung verlaufen. Der Plan zeigtdie sich seit den 1920ern durchset-zende Aufgabe der Struktur vongeschlossenen Baublocks zuguns-ten einer Zeilenbauweise. Die Ab-kehr vom geschlossenen Block unddas Ziel einer gegliederten und auf-gelockerten Stadt war ein städte-bauliches Leitbild beim Wieder-aufbau der zerstörten Alt- und In-nenstädte, das letztlich von der Er-fahrung des Luftkriegs mit vielenOpfern in hochverdichteten Bau-blocks geprägt war. Hannover hatteim Zuge der Bauausstellung „Cons-tructa“ (1951) mit dem Wiederauf-bau des Kreuzkirchenviertels ein inder Fachwelt stark beachtetes Bei-spiel gegeben. In der Terminologieder städtebaulichen Diskussion umdie Planung der Siedlung Fruerlundwurde der Begriff „Zeilenbau“ fürHauszeilen verwendet, die nichtparallel, sondern rechtwinklig zuden Erschließungsstraßen angeord-net und nur über bis zu 80 Meternlange Wohnwege erschlossen wur-den. In der Stadtplanung sprachman sich nachdrücklich gegen den„Zeilenbau“ aus. Grund war dieBefürchtung, dass wegen „der weit-gehend konservativen Einstellungder Flensburger Bevölkerung“ eineErschließung nur über nicht vollausgebaute Wohnwege keinen Be-stand hätte. Im Sozialministerium,das die Durchführung des ERP-Programms verantwortete und denstädtischen Durchführungsplan ge-nehmigen sollte, wurde dagegenauf dem „Zeilenbau“ bestanden,weil sich so eine wirtschaftlichereErschließung und eine bessereGrundstücksausnutzung ergäbe.

Am 6. Februar 1950 fiel anlässlicheines Abstimmungsgesprächs zwi-schen Stadt und Land in Kiel dieEntscheidung, dass die in Nord-Süd-Richtung geplanten Wohnstra-ßen zugunsten einer Ost-West-Er-

Das neue Wohngebietin Fruerlund sollte Menschen

eine Heimat geben und zugleich den Stadtrand glätten

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schließung aufgegeben werdensollen: Der sogenannte „Mittel-weg“, die Fruerlundlücke, war ge-boren, wie sie dann auch in einerersten Skizze, die wohl aus demStadtplanungsamt stammt, zu sehenist (Abb. 2, S.15). Diese Skizzezeigt noch eine zur Straße paralleleAnordnung der Wohnblocks aufbeiden Seiten und eine weitere Er-schließungsstraße nördlich desBohlbergs („Südweg“). Hier solltein die Kleinsiedlung mit ihrer„anormal großen Grundstückstiefevon 130 Metern“ eingeschnittenwerden, um ein Zusammenwachsenvon alter und neuer Bebauung zufördern. Jedoch verschwand dieser„Südweg“ wieder aus der Planung,wohl weil die Grundstücke nichtverfügbar waren. In einer Kompro-missvariante erhielt die spätereFruerlundlücke mit den vier Stie-gen – Eger-, Oder-, Weichsel- undPregelstieg – „Zeilenbauten“ inForm von zweigeschossigen Mehr-familien-Reihenhäusern.

Das Schleswig-Holsteinische ERP-Flüchtlingsbauprogramm ging imMärz 1950 mit der Grundsteinle-gung für die Hans-Böckler-Sied-lung in Neumünster in dieUmsetzungsphase. In Flensburggab es eine erste, gemeinsameGrundsteinlegung für die 600 ERP-Wohnungen im selben Monat ander Apenrader Straße. In Fruer-

lund sollte nur der SBV aktiv wer-den. Für die im Programmbewilligten 277 Wohnungsneu-bauten beging der SBV am 4. Juli1950 eine offizielle Grundsteinle-gung am Mühlenholz in Fruerlund,und am 16. Dezember 1950 feiertedie Genossenschaft dort das ersteRichtfest (Abb. 3 + 4, S.16, zeigendie ERP-Häuser im Mühlenholz).

Das Flensburger Tageblatt berich-tete Ende April 1950 über die Woh-nungsbaupläne für die Stadt undden bevorstehenden Baubeginnbeim SBV. Unter der Überschrift„Flensburger Wohnungsbau inZahlen“ schreibt die Zeitung imJuli, dass der SBV in Fruerlund dieErrichtung von 634 Wohnungenplane. Innerhalb des Jahres 1950sollten allein 285 Wohnungen ausERP-Mitteln und 20 Wohnungenaus dem Landeswohnungsbaupro-gramm erstellt werden, und zwar 90Zweieinhalbzimmerwohnungenmit einer Wohnfläche von jeweils50 Quadratmetern, 42 Zweizim-merwohnungen und 21 Woh-nungen mit Gewerberäumen. AlsHauptziel des SBV für 1950 wirddie Errichtung von 132 Eigenhei-men bezeichnet. Hinzu sollten

außerdem folgende Wohnungenkommen:

41 Wohnungen nach Typ D(Zweieinhalbzimmerwohnungenmit viel Nebengelass,1geschossigmit ausgebautem Dachgeschoss,Gesamtwohnfläche 50qm)12 H-Typen für kinderreiche Fa-milien mit 65 qm Gesamtwohn-fläche14 H-Typen mit Einliegerwoh-nung mit 66 qm Gesamtwohn-fläche8 H-Typen, zweigeschossig mitEinliegerwohnung mit 103 qmGesamtwohnfläche6 Kleinsiedlerstellen (E-Typen)am Bohlberg

Diese Aufstellung lässt daraufschließen, dass die Arbeitsgemein-schaft für produktive Flüchtlings-hilfe im Sommer 1950 bereits ihrenTypenkatalog erweitert hatte; derTyp H bezeichnete zweigeschos-sige Gebäude mit ausgebautemDach und drei Zweizimmerwoh-nungen, jeweils eine auf einer Ebe-ne. Nach den Angaben, die in denBauakten dokumentiert sind, lässtsich feststellen, dass im Mai 1950zunächst mit den Mehrfamilienhäu-sern auf der Westseite der StraßeMühlenholz begonnen wurde. Allediese zweigeschossigen Gebäudemit ausgebautem Dachgeschosssind entweder A- oder B-Typen.

Nettelbeckplatz 1-7, später Willi-Sander-Platz 1-7, Wohnhaus mit Ladenzeile, 16. März 1952 (Abb.8).Remmers glaspladesamling, Arkivet ved Dansk Centralbibliotek for Sydslesvig

Im April 1950 berichtet dasFlensburger Tageblatt über den

Bau von 634 Wohnungen8

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Um einer Gleichförmigkeit entge-genzutreten, wurden die Gebäudemit leichten Versätzen und in unter-schiedlichen Längen gruppiert. Diestädtebauliche Gruppierung wurdeim Erläuterungsbericht zum Durch-führungsplan wie folgt begründet:„Die Bebauung soll gemäß der vonder Landesregierung entwickeltenTypen erfolgen. Da im Sinne einerweitgehenden Senkung der Bau-kosten irgendwelche architekto-nischen Besonderheiten unter-bleiben müssen, ist versucht wor-den, allein durch Einschaltung vonleichten Straßenkrümmungen, kon-kaven Baufluchten, kleineren Vor-und Rücksprüngen sowie durch Va-riation der Blocklängen reizvolleStraßenbilder zu erzielen…. EineÜbertreibung der Abwechslung, diepraktisch dann leicht auf Anleihenaus dem Mittelalter hinausläuft,musste aber andererseits auch wie-der vermieden werden, weil jedesZuviel in dieser Hinsicht zu den imGrunde genommen ,sachlichen’Typen doch nicht passen sondernals Krampf empfunden würde.“

Zu den ersten Siedlungsbautenzählt auch das 1950 begonnene, auszwei H-Typen zusammengesetzteDoppelhaus Mühlenholz 30/30asowie die Bebauung mit D-Typenam Adolf-Menzel-Weg. Ein Zen-trum erhielt das neue Quartier mitden ebenfalls 1951/52 errichteten

Bauten am Nettelbeckplatz (Abb.8-9). Im Erläuterungsbericht zumDurchführungsplan ist dazu Fol-gendes ausgeführt: „Geschäfte undHandwerksbetriebe mit entsprech-enden Lager- und Werkstatträumensind in der Nähe der vorhandenenReithalle an einem dem halbwegsländlichen Charakter des Viertelsangepassten und deshalb baulich

nur locker gefassten Platz mit An-gergepräge untergebracht. Eineausgesprochene Mittelpunktlagewurde vermieden, da diese Sied-lung kein vollständiger Trabant ist,sondern sehr stark zur Stadt tendiertund deshalb die Verlegung des ört-lichen Einkaufszentrums zweckmä-ßigerweise dorthin erfolgte, wo derganze Fußgängerverkehr des Vier-tels von und nach der Stadt ohnehinvorbeiführt.“

An der Nordseite des Platzes ent-stand eine zweigeschossige Wohn-und Geschäftshausgruppe mit 14Wohnungen und 9 Ladeneinheitenfür Geschäfte des täglichen Be-darfs. An der Südseite wurde eineeingeschossige Zeile mit Kleinlä-den erbaut. Als städtebaulicher Ak-zent des Platzes wurde am

beckplatz 16 fertiggestellt. Es istmit seinen drei Geschossen unddem ausgebauten Dach das höchsteGebäude des neuen Viertels undwurde in den Bauantragsunterlagenauch als „Turm“ bezeichnet. DasGebäude war das erste eigenständi-ge Verwaltungsgebäude des SBVund enthielt Büroräume im Erd-und ersten Obergeschoss. Der zumPlatz ausgerichtete Nordgiebel desHauses ist mit einer Arkade betont,außerdem ist er mit einem Sgraffitogestaltet. Der bildliche Inhalt diesesSgraffitos ist ein Symbol des neuenFlüchtlingswohngebietes Fruer-lund: Hier in Flensburg haben dieHeimatvertriebenen aus dem Ostenein neues Nest gefunden. Auf einerBaumwurzel sind die Wappen derehemaligen deutschen Ostgebiete –Schlesien, Ostpreußen, Danzig,Westpreußen und Pommern – dar-gestellt. Diese Wurzel verbindetsich mit dem Flensburger Stadt-wappen und führt weiter zu einemBaum, der ein Reihernest trägt.

Vermutlich wurde das Sgraffitovon dem Flensburger Künstler Her-mann Sörensen (1901-1991) ge-schaffen. Das Gebäude ist heutetrotz seiner Veränderungen anFenstern, Fassade und Dach eineder bedeutsamsten Erinnerungen andie Anfänge der Flüchtlingssied-lung Fruerlund, nicht zuletzt nach

Der angerartige Nettelbeckplatz als kleines Stadtteilzentrum, 1968 (Abb.9). Stadtarchiv

Der Nettelbeckplatzwird zum Zentrum des

neuen Quartiers

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dem Abbruch der meisten Gebäudein der unmittelbaren Nachbarschaft.

Die Arbeitsgemeinschaft für pro-duktive Flüchtlingshilfe, die 1952einen Rechenschaftsbericht überdie Gesamtmaßnahme publizierte,machte zu den 84 Bauvorhaben inSchleswig-Holstein 14 besondereErwähnungen, davon zwei zu Fru-erlund. Eine Erwähnung gilt derLadengruppe am Nettelbeckplatz,eine andere der Siedlung Fruerlundim Allgemeinen mit folgendem

Text: „Die Siedlung Fruerlund inFlensburg, auf dem FlensburgerOstufer, 277 Wohnungen desSelbsthilfe-Bauvereins, einer rei-nen Flüchtlings-Baugenossen-schaft, die mit starkem Einsatz vonSelbsthilfe einen geschlossenenneuen Siedlungsabschnitt zu erstel-len begann.“

Auch nach Abschluss der ERP-Maßnahme wuchs Neu-Fruerlundweiter. Dem SBV gelang es weiter-hin, Förderprogramme zu binden,

vor allem die sogenannten Ba-rackenräumprogramme. Sie gabenHilfen für den Ersatzwohnungsbauund ermutigten die Gemeinden, dieRäumung der Elendsquartiere vor-anzutreiben. Noch im November1950 wohnten in Flensburg 8500Heimatvertriebene in Barackenla-gern, 1954 waren es noch 5000.Die Räumung ging sehr mühsamvoran, weil viele Barackenbewoh-ner sich den Umzug in eine Neu-bauwohnung aufgrund ihrer Ar-beitslosigkeit nicht leisten konnten.

Willi-Sander-Platz 1, SBV-Gebäude: Sgraffiti an der Westseite des Brückengebäudes (Abb. 10). Wenzel

Kinder vor der SBV-Zentrale am Nettel-beckplatz (Abb. 11). Arkivet ved Dansk Centralbibliotek for Sydslesvig

Nettelbeckplatz 1-7, Wohnhaus mit Ladenzeile, um 1951/52, in: Der Bau von 10000Flüchtlings-Wohnungen. In der Bildunterschrift wird die geschickte Einfügung der Lädenin das Wohnhaus gelobt (Abb. 12).

Willi-Sander-Platz 1: SBV-Verwaltungs-und Wohngebäude vonRichard Thomsen, Blick aus dem 4.OG durch das Treppenauge(Abb. 13). Fotos:Wenzel

Willi-Sander-Platz mit dem Verwaltungs- und Wohngebäude von1957, links das Erweiterungsgebäude von 2007 mit Brunnen vonUwe Appold, rechts das Gemeinschaftshaus von 2011 (Abb. 14).

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Außerdem standen die Barackenselbst einer Neubebauung im Wege.

In den Jahren 1952-54 wurde dieSiedlung am Keplerweg, am Gam-meldamm, an der Gerhart-Haupt-mann-Straße und durch denWohnblock Fruerlundlücke 10/12sowie in der nördlichen Ostland-straße weiter vervollständigt. 1954verlagerte sich das Baugeschehenan die Mürwiker Straße: Ursprüng-lich sollte diese Straße von Bebau-ung freigehalten werden. Nacheiner Konzeption mit zwei- unddreigeschossigen Gebäuden, die imWechsel parallel und senkrecht zurStraße angeordnet sind, errichteteder SBV von 1954 bis 1958 dortdennoch Wohnhäuser mit rotemVerblendstein, die seither durch-gängig das Gesicht des Viertels ander Mürwiker Straße prägen.

Ebenfalls an der Mürwiker Straßeerrichtete der SBV 1957 nach denPlänen seines Architekten RichardThomsen ein neues Verwaltungsge-bäude mit vier Wohnungen, weilder 1952 bezogene Bau am Nettel-beckplatz den Anforderungen nichtmehr genügte.

Das Gebäude ist das einzige ge-schützte Kulturdenkmal auf demGebiet der Fruerlunder Flüchtlings-siedlung. Durch seine Höhenent-wicklung und die architektonischeAusprägung mit zeittypischen Ar-chitekturelementen, insbesonderedem Treppenhaus mit farbiger Ver-glasung und Terrazzofußböden(Abb.13) sowie den aus der Fassadeschräg halbrund vortretenden Bal-konen und seinem Flachdach, bildetes einen städtebaulichen und gestal-terischen Höhepunkt Fruerlunds.

Eine künstlerische Ausgestaltungerhielt das Gebäude durch dieBrüstungselemente an dem Brü-ckengebäude, das den ursprüng-

lichen Sitzungssaal des SBVbeherbergt. Die Arbeiten wurden inSgraffito-Technik unter der Leitungdes Lehrers an der FlensburgerWerkkunstschule, Fritz ThomasGottesberg, und seinen SchülernHeinz Holland und Siegbert Amlerausgeführt und thematisierenFlucht, Vertreibung und Neuan-fang. An der Westseite sind siebenBrüstungsfelder mit folgenden The-men vorhanden (von links nachrechts, Abb. 10):

1. Krieg und Vertreibung: EinRiesenkrake verschlingt das Le-bensschiff und reißt es in die Tiefe.2. Verwirrung nach dem Zusam-menbruch: Ein Mensch blickt zu-rück auf das verlorene Schiff, eineFrau ist zusammengebrochen, einalter, ratloser Mann weiß nicht wo-hin und ein weiterer Mann begibtsich auf die Flucht.3. Die Vertreibung: Mit letztenHabseligkeiten auf der Flucht, einBlick zurück in die Heimat, eineMutter mit Kindern bei der Rastund ein entschlossen ausschreiten-des Paar.4. Die Frauen: Sie tragen alle Las-ten, da die Männer nicht da sind.5. Die Männer: Erschöpft, ver-wundet, trostlos, oft mutlos kehrensie heim.6. Neuanfang: Das Lebensschiffwird wieder flott gemacht und vomStrand ins Meer geschoben.7. Die Geschichte der Flucht wirderzählt: Ein alter Mann erzählt,eine Frau ist erschüttert, eine ande-re hört genau zu, ein junger Mannist eher uninteressiert, ein Kindspielt unbeteiligt am Boden.

An der Ostseite sind vier Tempera-mente in der menschlichen Physi-ognomie, in den Elementen und inTierdarstellungen gezeigt: DemPhlegmatiker sind die Kuh und dasWasser, dem Choleriker der Stierund das Feuer, dem Sanguiniker der

Löwe und die Luft und dem Melan-choliker die Erde und der Adlerzuzuordnen. In einem Gesicht istder Gründer des SBV, Willi San-der, zu erkennen (Abb. 15).

Das Gebäude wurde am 10. März2006 in das Denkmalbuch desLandes Schleswig-Holstein einge-tragen. Da der SBV nach der Über-nahme der WohnungsbauFlensburg GmbH einen größerenRaumbedarf hatte, wurde das Ver-waltungsgebäude 2007 umgebaut.Anstelle des Gebäudes Mühlenhof2-4 wurde ein Neubau nach derPlanung von Architekt Volker Dü-cker (Asmussen und Partner, Flens-burg) mit einem zentralen Ein-gangsbereich errichtet. DasselbeBüro baute 2011/2012 im Zuge derStadtteilsanierung das Wohn- undGeschäftshaus Mürwiker Straße28/30 neu. Das denkmalgeschützteSBV-Haus von 1957 stellt sich da-durch heute in einem verändertenUmfeld dar. Die Baugruppe bildetdie beiden Zeitschichten der Stadt-teilentstehung in den 1950er Jahrenund der Stadtteilsanierung in denJahren 2010-14 ab und formt einharmonisches Ganzes.

1956/57 erfolgte eine weitere Be-bauung der südlichen Ostlandstraßezwischen Fruerlundlücke/ Walden-burger Weg und Bohlberg mitzweigeschossigen Wohnblöcken(Abb. 17; S. 22). Außerdem wurdenin diesen Jahren die Reihen- undDoppelhäuser am Glatzer Weg er-richtet und die Kleinsiedlung amBohlberg und am Neißestieg wei-tergebaut. Die Planung einer Ver-bindungs- bzw. Umgehungsstraßeam Ostrand der Siedlung war mitt-lerweile aufgegeben worden. Unterder Leitung von Baurat WalterBaumgarten hatte die Stadt Flens-burg mit dem SBV die weitere Er-schließung Fruerlunds mit demGebiet Fruerlundholz vorangetrie-

Willi-Sander-Platz 1, SBV-Gebäude: Sgraffiti an der Ostseite des Brückengebäudes (Abb. 15). Wenzel

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ben. Mit der Bebauung des Wal-denburger Weges, des LausitzerWeges, des Altvaterweges und desSudetenweges fanden die Baumaß-nahmen in der FlüchtlingssiedlungFruerlund bis 1959/1960 einen Ab-schluss. Bis dahin wurden vomSBV in Fruerlund rund 1150 Woh-nungen in Wohnblöcken, Reihen-,Doppel- und freistehenden Einfa-milienhäusern sowie Kleinsied-lungen errichtet. Mit dem Bau derSchule Fruerlund am Bohlberg, diein zwei Bauabschnitten von 1954bis 1956 errichtet wurde, erhieltder Stadtteil auch eine eigeneGrundschule. Zu den WahrzeichenMürwik/Fruerlunds, die auch fürdie Architektur der Nachkriegszeitstehen, zählen die 1957-58 nach derPlanung der Hamburger Archi-tekten Bernhard Hopp und RudolfJäger errichtete Christuskirche ander Fördestraße sowie der Wasser-turm im Volkspark von ProfessorFritz Trautwein (ebenfalls Ham-burg) aus dem Jahr 1961. Durchden 2004 erfolgten Abbruch derPädagogischen Hochschule, dem

ersten Nachkriegs-Hochschulneu-bau in Schleswig-Holstein von1957/58, hat der Stadtteil allerdingsein identitätsstiftendes Elementverloren.

Die Flüchtlingssiedlung Fruerlunddes SBV war in der städtebaulichenGrundstruktur ihrer Entstehungs-zeit bis zur Stadtteilsanierung inden Jahren 2010-14 weitgehend er-halten. Allerdings hatte die Privati-sierung in den Reihen- undEinfamilienhausgebieten zur Folge,dass aufgrund individueller Um-bauten und Veränderungen dasSiedlungsbild stark verloren ging.Zu erheblichen gestalterischen Ver-lusten führten auch die vor allem inden 1980er und 1990er Jahrendurchgeführten Fenstererneuer-ungen und Fassadenverkleidungender Mehrfamilienhäuser. Die gutearchitektonische Wirkung der sehrschlichten Nachkriegsbauten rührtevon einer sorgfältigen, traditio-nellen Gestaltung der Einzelele-mente wie Dächer mit Ton-pfannendeckung, Holzzargenfens-

ter und flächigen Putzfassaden.Nach den Erneuerungsmaßnahmenwar die Erscheinung der Häusertrotz der guten städtebaulichenGrundstruktur nur noch belanglos.

Gleichwohl verdient die städtebau-liche und wohnungswirtschaftlicheLeistung der SBV-Flüchtlingssied-lung noch heute große Anerken-nung. Sie hat einen wesentlichenAnteil an dem Aufbau Flensburgsin der Nachkriegszeit und an derIntegration von Flüchtlingen undVertriebenen. Durch die Stadtteil-sanierung ist das Viertel nun auchden Anforderungen der Gegenwartund Zukunft gewachsen. Die erhal-tenen Erinnerungszeichen, insbe-sondere die SBV-Häuser am Willi-Sander-Platz und am ehemaligenNettelbeckplatz, sowie das Straßen-netz mit den Straßennamen, sollenweiter die Geschichte des Stadtteilserzählen. In einer Zeit, die weiterweltweit Flüchtlinge durch Armut,Unterdrückung und Krieg schafft,ist dieses Erinnern von besondererBedeutung. Eiko Wenzel

Willi-Sander-Platz 1: SBV-Gebäude,Sgraffito an der Ostseite des Brückenge-bäudes mit Darstellung menschlicher Tem-peramente (Abb. 15b). Fotos: Wenzel

Willi-Sander-Platz 1: SBV-Gebäude,Sgraffito an der Westseite des Brückenge-bäudes: „Neuanfang“. Das Schiff des Le-bens wird wieder flott gemacht (Abb. 14b).

Blick vom 1957 errichteten SBV-Gebäude auf Fruerlund: Die Freiflächen wurdennicht nur als Wäschetrocken- und Teppichklopfplätze, sondern als Obst- und Gemüsegär-ten genutzt. Im Hintergrund die Bebauung um die Ostlandstraße, die in der zweiten Hälfteder 1950er Jahre entstand (Abb. 16). Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt

Ostlandstraße, gesehen von der Einmün-dung in den Bohlberg, um/nach 1957. Ty-pisch für die Siedlung ist der Versuch, dieMonotonie durch die Stellung der Baukör-per zu vermeiden (Abb. 17).

Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt

Fruerlundlücke 13-21, ERP-Häuser, er-baut 1951/52, Fassadenverkleidung von1994, Zustand im März 2012 kurz vor demAbbruch (Abb. 18).

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Fruerlund – en ny hjemstavn

Fußnoten1 Uwe Carstens, Strohsack und Kekssuppe. Flüchtlinge und Vertriebene in Flensburg,in: Lange Schatten. Ende der NS-Diktatur und frühe Nachkriegsjahre in Flensburg(Flensburger Beiträge zur Zeitgeschichte, Bd. 5, hrsg. vom Stadtarchiv Flensburg inZusammenarbeit mit der Universität Flensburg), Flensburg 2000, S. 190f.2 Arbeitsgemeinschaft für produktive Flüchtlingshilfe e.V. (Hrsg.), Der Bau von 10000Flüchtlings-Wohnungen in Schleswig-Holstein (ERP-Sonderprogramm 1950) – Ergeb-nis, Methode, Erfahrungen, Folgerungen, Kiel 1952, S. 29, Bildunterschriften zu Abb.114f.3 Flensburger Tageblatt vom 9. 2.1950, S.34 Dieter Pust, Flensburger Straßennamen (Schriftenreihe der Gesellschaft für Flens-burger Stadtgeschichte, Bd. 61), Flensburg 2005, S.2065 Durchführungsplanung für das Bauvorhaben Flensburg-Fruerlund 1949-1970, Stadt-archiv Flensburg VI D 4416 Klaus von Beyme, Werner Durth, Niels Gutschow, Winfried Nerdinger, Thomas Topf-stedt (Hrsg.), Neue Städte aus Ruinen. Deutscher Städtebau der Nachkriegszeit,München 1992, S. 217 Werner Durth, Hannover: Geplante Expansion, in: Neue Städte aus Ruinen, wie Anm.6, S. 1748 wie Anm. 59 wie Anm. 2, S. 1110 Selbsthilfe-Bauverein eG (Hrsg.), 50 Jahre SBV - Selbsthilfe-Bauverein eG, BadSchwalbach o.J. (1999), S. 1011 Flensburger Tageblatt vom 27. 4.195012 Flensburger Tageblatt vom 11. 7.195013 wie Anm. 2, S. 1614 wie Anm. 515 Abb. in: wie Anm. 10, S.2716 wie Anm. 5

17 wie Anm. 10, S. 11, und Bauakte Fruerlundlücke 2/Mühlenholz 26 (vormals Nettel-beckplatz 16, Willi-Sander-Platz 16) im Bauaktenarchiv der Stadt, Abt. Bauordnung.18 Hinweis auf der Rückseite des Fotos XIV Fot C4 Nettelbeckplatz F2 im Stadtarchiv:„Sgraffito: Sörensen“. Sörensen schuf in den 1950er Jahren auch andere, vergleich-bare Wandgestaltungen in Sgraffito- und Mosaiktechnik, z.B. für die WohnungsbauFlensburg am Tegelbarg. In der Jubiläumsschrift des SBV von 1999 (wie Anm. 10, S.11 und 28) ist die Arbeit am Nettelbeckplatz allerdings dem „Flensburger Bildhauer-meister Rudolf Horn“ zugeschrieben.19 wie Anm. 2, S. 18f.20 Flensburger Tageblatt vom 1.11.195021 2. Barackenräumprogramm, 1952-54, Stadtarchiv VI A 25 und 30; Broder Schwen-sen, „…für Wohnzwecke im besonderen Maße ungeeignet“. Zum Barackenräumpro-gramm im Schleswig-Holstein der Nachkriegszeit (unveröff. Bericht im Stadtarchiv).22 Leider ist dieses städtebauliche Prinzip durch die Sanierung der Häuser MürwikerStraße 10-20 mit Wärmedämmverbundsystem verlassen worden.23 jetzt Willi-Sander-Platz 1, vorm. Mürwiker Straße 26. Bauakte im Bauaktenarchivder Stadt, Abt. Bauordnung, Akte bei der Stadt, Untere Denkmalschutzbehörde. Vgl.auch Lutz Wilde (Bearb.), Flensburg (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutsch-land, Kulturdenkmale in S-H, hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege S-H, Bd. 2),Neumünster 2001, S. 540f., und Zeitzeichen, Architektur in Flensburg nach 1945,hrsg. von der Stadt Flensburg und der AIK Schleswig-Holstein, Hamburg o.J. (2007),S. 82. In beiden Publikationen falsche Architektenzuweisungen; die Zuweisung zuRichard Thomsen, der vom 1.10.1954 bis zum 31.12.1957 in der Bauabteilung desSBV angestellt war, ist durch die Initialen „RT“ auf den Bauantragsplänen belegt.24 Wie Anm. 10, S. 2925 wie Anm. 10, S. 1226 Verwaltungsbericht der Stadt Flensburg 1954-1958, S. 17327 Lutz Wilde, wie Anm. 24, S. 524f., und Zeitzeichen, wie Anm. 24, S.94f.28 Lutz Wilde, wie Anm. 24, S. 520f., und Zeitzeichen, wie Anm. 24. S. 83

Gennem tilgang af flygt-ninge og hjemstavnsfor-drevne voksede Flens-

borgs indbyggertal efter andenverdenskrig til over 110.000. I26 barak-lejre levede langt flereend 8000 mennesker under fryg-telige vilkår. Løsningen på bo-ligproblemet var en af devigtigste opgaver i efterkrigsti-den. Ved hjælp af midler fra„European Recovery Program“(ERP) kunne der i SchleswigHolstein i 1950/51 bygges10.000 lejligheder for flygt-ninge. Forudsætningen for atbygge disse lejligheder var enbegrænsning om kun at bygge fåtyper forskellige lejligheder, forat forenkle planlægningen ogbyggeprocessen.

I Flensborg mødtes flygtninge iet flygtninge-byggeselskab, hvorde ville løse boligproblemet vedhjælp af selvhjælp. Formandska-bet blev overtaget af Willi San-der, som også varbyrådsmedlem. I 1949 blev bo-

ligselskabet Selbsthilfe-Bauver-ein (SBV) etableret. Kommu-nens planlægningsafdeling ud-viklede allerede i 1949 en planfor området Fruerlund, fordi det-te areal bød på mange godeforudsætninger: Det stod til rå-dighed for en bebyggelse, lå tætved byens centrum og ved ar-bjdspladserne ved havnens øst-lige ende og med sporvognslinjetil Mürwik, var det også trafik-mæssig nemt at nå.

Fra 1950 begyndte SBV at byg-ge i Fruerlund. Der blev byggetde hustyper, som før var blevetudviklet i samarbejde med „Ar-beitsgemeinschaft für produk-tive Flüchtlingshilfe/arbejds-gruppe for produktiv flygtnin-gehjælp“. Ved gaden Mühlen-holz fejredes den 16. december1950 foreningens første rejsegil-de. Det byplanmæssige konceptfulgte idéen om en spredt bebyg-gelse i rækker, som allerede varblevet udviklet i 1920 erne ogsom også var det bestemmende

designprincip ved genopbygnin-gen af de byer, som var blevetødelagt i luftkrigen. Ved Nettel-beckplatz opstod et lille handels-centrum med flere butikker. Derhavde også SBV siden 1952 sineegne kontorlokaler i en ejendom.I 1957 opførte SBV en ny byg-ning efter planerne fra arkitektenRichard Thomsen ved det sted,som i dag hedder Willi-Sander-Platz. Sgraffito billederne undervinduerne i portbygningen for-tæller endnu i dag Fruerlundshistorie og er sammen med byg-ningerne fredede.

Også efter afslutningen af ERP-programmet byggede SBV vi-dere, bl.a. ved hjælp af de såkal-dte barakrydningsprogrammer.Da den byggemæssige udviklingi Fruerlund i 1960 var afsluttet,havde SBV bygget ca.1150 lej-ligheder i dette område. Dennebydel var et betydningsfuldt bid-rag til Flensborgs opblomstringefter krigen og til en succesrigintegration af de nytilkomne.

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Fruerlund? Mit Fruerlund hat-te früher sogar manch alteingesessener Flensburger

seine Schwierigkeiten. „Wo liegtFruerlund?“, hieß es dann. Rechtsvon der Mürwiker Straße. Also,Mürwik? Eben nicht. Nördlich derNordstraße. Also, Engelsby? Nein,auch nicht. Fruerlund ist ein eige-ner kleiner Stadtteil, mit eigenenEinkaufsmöglichkeiten, einer in-takten, aktiven Kirchengemeindeund einem völlig neu gestaltetenViertel im Süden – dem „Wohnenfür Generationen“. Das endlich hatFruerlund stadtweit bekannt wer-den lassen.

Fruerlund – aus dem Plattdeut-schen („Frau“) und dem Dä-nischen („lund“) übersetzt –bedeutet soviel wie Frauen-Wald.Für die Vermutung, dass damit einWäldchen gemeint war, das zur

Kirchengemeinde St. Marien ge-hörte, gibt es indes keinen Beleg(s.S.8). Es war aber ein idyllischesFleckchen nördlich der Bismarck-brücke, geprägt von Wiesen undFeldern, das nach dem Krieg zurneuen Heimat für tausende Men-schen wurde, die als Vertriebenenach Flensburg gekommen waren.Durch den Flüchtlingsstrom ausdem Osten war die Zahl der Ein-wohner nach dem Zweiten Welt-krieg von 62.000 auf rund 110.000gewachsen. Sie hausten zunächst inBaracken oder waren in den Häu-sern von Flensburger Familien un-tergebracht. Der Mangel anWohnraum war, wie das Fehlenvon Arbeitsplätzen, gewaltig. Sokamen am 21. Juli 1949 mehr als100 Heimatvertriebene in der Gast-stätte „Sanssouci“ – Sorgenfrei –in der Friesischen Straße zusam-men, um eine Baugenossenschaft

zu gründen. Die Selbsthilfe-Bau-verein eG, kurz SBV, war geboren.Heute ist sie mit mehr als 9000Mitgliedern Flensburgs größteWohnungsbaugenossenschaft.

Vor allem aus Schlesien und Ost-pommern stammten ihre 38 Mit-glieder der ersten Stunde, die imJuli 1950 mit den Arbeiten began-nen. Ein Jahr später waren die ers-ten Wohnungen bezugsfertig. 1954hatte der SBV 1100, 1959 verfügteer über 1150 Wohnungen in Mehr-familienhäusern, Eigenheimen undKleinsiedlungen. Treibende Kraftwar maßgeblich der erste Vor-standsvorsitzende Willi Sander,nach dem der wachsende Stadtteilbald scherzhaft „Sanderup“ ge-nannt wurde. In einem Gesprächfür das Mitgliedermagazin der Ge-nossenschaft, den SBV-Boten, er-innerte Gertrud Sander 1999 an

Der SBV schreibt Geschichte„Klein Königsberg“ oder „Sandershausen“ tauften die Flensburger das Stadtviertel, das nach dem Kriegzwischen Feldern und Förde entstand. Hier fanden Tausende Flüchtlinge eine neue Heimat. Nach demStadtumbau heißt das moderne Motto „Wohnen für Generationen“. Zeitzeugen berichten:

Er gab der Genossenschaft ein Gesicht: Willi Sander mit seiner Frau Gertrud und ihren Kindern. Fotos: SBV-Archiv

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Schnappschuss aus alten Tagen: Schwäne vor dem Gammeldamm. Archiv Nowc

Straßenbahn-Linie 3: Mit ihr fuhr Helmut Schumann als Kind durch Fruerlund.

ihren vier Jahre zuvor verstorbenenMann: „Sander war auf abenteuer-lichen Wegen aus russischer Ge-fangenschaft nach Flensburgentkommen, wo ich mit den beidenKindern Gudrun und Manfred be-reits untergekommen war. EinePerspektive bot sich unserer klei-nen Familie, in die noch im Juli1945 die zweite Tochter Heike ge-boren wurde, kaum. Doch davonwollte er sich nicht entmutigen las-sen. Er war von jeher ein Energie-bündel und auch in der größten Notnoch positiv eingestellt.“ So trieb„Sander“ die Gründung der Genos-senschaft voran. Doch wovon soll-ten Grundstücke und Baumaterialbezahlt werden, von den Handwer-kern gar nicht zu reden? „Wir fan-gen klein an, dann wird dasschon“, sagte er damals zu seinerbesorgten Frau. Das war tief gesta-pelt, denn tatsächlich wurdengleich im ersten Anlauf 600 Woh-nungen gebaut: Der Vorstandsvor-sitzende hatte mit unermüdlichemEinsatz Mittel aus dem Marshall-plan akquiriert.

Das Glücksgefühl der Menschen,die wieder in eine eigene Wohnungziehen konnten, war unbeschreib-lich, erinnert sich heute Emil Lu-cas, sein einstiger Weggefährteund ehemaliger Aufsichtsratsvor-sitzender. Unermüdlich sei WilliSander für die Belange des Bau-vereins unterwegs gewesen. Malmit Bauplänen unterm Arm vomSBV-Büro im fünften Stock desPolizeipräsidiums zum Bahnhofeilend, mal auf einer der zahllosenBaustellen. Überall gab der ersteVorstandsvorsitzende dem SBVfür viele Jahre Profil. Bis 1975prägte „Sander“ das Gesicht Fru-erlunds. Als er im Juni 1995 starb,sorgte sein langjähriger Mitarbeiterund Nachfolger Helmut Schu-mann für ein ehrendes Andenken:Aus dem Nettelbeckplatz wurdeder Willi-Sander-Platz und ein Ge-denkstein erinnerte an den Gründerund Vorsitzenden. Mit demStadtumbau zogen Platz und Ge-denkstein später vor das neueSBV-Haus um.

„Wer etwas erreichen will, dermuss sich tüchtig rühren.“

Willi Sander,Erster Vorstandsvorsitzenderder Selbsthilfe-Bauverein eG

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Weihnachtsfeier 1958 mit Willi Sander (stehend) und Helmut Schumann (rechts nebendem Vorstandsvorsitzenden sitzend). SBV-Archiv

Traditionsbewusst: Der Fries am heute denkmalgeschützen SBV-Haus erzählt die Ge-schichte von Armut und Verteibung (s. S.20). Archiv Nowc, Foto von 1961

Modernisierung und Sa-nierung waren schon dieThemen, als Helmut

Schumann 1975 das Genossen-schaftsruder übernahm. Er hattebereits eine lange Karriere beimBauverein hinter sich. Emil Lucasberichtet von Schumanns Einstel-lung als Lehrling: „Er brauchteeine Sondergenehmigung, weil ernoch so jung war damals. Aber wirhaben ihn trotzdem eingestellt.Und dann ist ja auch was drausgeworden.“ Tageblatt-RedakteurGerhard Nowc – selbst ein Kindaus Fruerlund – erinnert sich heutean seine Gespräche mit HelmutSchumann:

„Schumann lebte als Junge mitseiner Familie in einer Baracke desLagers Weiche am alten Ochsen-weg, danach im Lager Westeral-lee. Oft fuhr er mit derStraßenbahnlinie 3 entlang derMürwiker Straße in Richtung Ma-rineschule, um für seine MutterBesorgungen zu machen. Die Lee-re am rechten Straßenrand war da-mals nur unterbrochen voneinzelnen Bauten: Gegenüber derheutigen Einfahrt zum Wasserturmlag die Villa von Lehrer OttoBrückmann, einzelne Häuser stan-den auf dem Blasberg. Einige mar-kante Villen prägten die Westseiteder Mürwiker Straße Höhe Finis-berg: etwa die des HeilpraktikersHesse. Endstation für Linie 3 wardie Kelmstraße.

Fruerlund, Fruerlundholz und Fru-erlundhof gehörten damals zu dreiHöfen: Iwersen (heute noch Fruer-lundhof), Mangelsen (EngelsbyDorf) und Callsen (südlich derNordstraße, nicht erhalten). DerBauverein kaufte umliegende Wie-sen und Einzelgrundstücke längsder Mürwiker Straße auf. Seineersten Häuser entstanden dann imMühlenholz. Das Deutsche RoteKreuz baute für seine Schwestern-schaft ,Elsa Brandström’ jenseitsder Bismarckbrücke. Ideal für dieSiedlung war die anschließendeEntstehung der Fruerlundschule inden 50er Jahren. All das beobach-

Helmut Schumann förderte das sozialeLeben in Fruerlund.

Emil Lucas gehört zu den Gründungsmit-gliedern im Bauverein. Fotos: Schnoor

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tete der junge Helmut Schumanngenau und bewarb sich schließlichzum April 1954 um eine Ausbil-dungsstelle beim SBV. Er kam zurGenossenschaft, als die Bebauungder Mürwiker Straße in vollemGang war: Auf der Ostseite entstan-den Sozialwohnungen, gegenüberHäuser im frei finanzierten Woh-nungsbau. Dazu gewann der SBVInvestoren, die für ihre Aufwen-dungen Steuervergünstigungen er-hielten. Firmen wie die Feldmühlemachten davon Gebrauch. Sie stell-ten die Wohnungen ihren geho-beneren Angestellten zur Ver-fügung. Die Flensburger bezeich-neten die Mieten von 1,43 Markdamals als ,Wahnsinn’; keinMensch würde je dort einziehen.Doch tatsächlich war die Wartelis-te lang. Es trugen sich vor allemFamilien ein, die wegen der Höheihres Einkommens kein Anrechtauf eine Sozialwohnung hatten,aber auch nicht selbst bauen konn-ten. Bernd Kuchenbecker, Deutsch-lands Handballer Nr. 1 im Jahr1955, gehörte dazu. Helmut Schu-mann selbst, seine Mutter und seineGeschwister zogen 1955 in eineErdgeschoss-Wohnung im HausMürwiker Straße. In den Jahren1956/57 wurde die Gerhart-Haupt-mann-Straße mit den Reihenhäu-sern bebaut und der Bauvereinerrichtete sein markantes Verwal-tungsgebäude auf dem GrundstückBrückmann.“

Die Genossen schufteten gemein-sam „in Selbsthilfe“. Sie waren eineeingeschworene Gemeinschaft, diefeiern und streiten konnte – und aufihre historische Bedeutung Wertlegte: Noch heute schmückt dasdenkmalgeschützte SBV-Haus ander Mürwiker Straße ein Fries desKünstlers Rudolf Horn, der die Ge-schichte von Vertreibung und Ar-mut bis hin zur neuen Heimat inFlensburg erzählt. Als HelmutSchumann den SBV übernahm,hatte der Bauverein 2500 Woh-nungen und Eigenheime gebaut undFruerlund begann zu altern. Mitdem Anschluss an die Fernwärme-versorgung durch das heute nicht

mehr betriebene Heizkraftwerk inder Travestraße, begannen ersteModernisierungsarbeiten. VieleGebäude erhielten an ihren Fassa-den bunte Faserzementplatten.Drinnen wurden die – kleinen –Wohnungen mit höherem Komfortausgestattet. Das Kabelfernsehenhielt Einzug. Und noch etwas ver-änderte sich im Stadtteil: das Sozi-alleben. In der Gründungsphase derGenossenschaft habe das Wohnenim Vordergrund gestanden, erinnertsich Emil Lucas. Wohl habe mansich unter Nachbarn schon immergetroffen und „einen Schnack“ ge-habt. „Aber darüber hinaus warnichts. Es ging darum, Wohnungenzu bauen.“ Mit Helmut Schumann

gewannen Begegnungen zwischenden Menschen im Viertel an Bedeu-tung. Als die Genossenschaft in den90er Jahren rund 4000 Mitgliederzählte, stellte er einen diplomiertenSozialpädagogen ein, der sich umdie Leute kümmern sollte. Ging esfür ihn anfangs zumeist darum,Menschen aus Zahlungsschwierig-keiten oder Krisen herauszuhelfen,gewannen schnell die fröhlichenSeiten des Lebens an Gewicht. Esentstand Raum für Gemeinschafts-erlebnisse. Bald gab es eine Begeg-nungsstätte, ein Büchercafé, gingendie Mitglieder auf Kaffeefahrt, tra-fen sich bei Chor- und Tanz-

gefühl übertrug sich aufs Viertel.Britta Zemke kann davon berich-ten. Sie hat ihr Leben hier ver-bracht, ist hier „schon immerzuhause gewesen“, sagt die inzwi-schen über 60-Jährige. Im Mühlen-

holz 33 aufgewachsen, bezog siedie erste eigene Wohnung in derMürwiker Straße 60. Mit ihremMann wohnte sie später in der Mür-wiker Straße 14 und „als ich hörte,dass im Mühlenholz neu gebautwird, haben wir uns für eine Woh-nung dort beworben.“ Nun wohntsie wieder am Ort ihrer Kindheit.

Damals lebten viele Familien mitihrem Nachwuchs hier. „Man kann-te sich vom Sehen und packte an,wenn etwas zu tun war. Alle halfeneinander.“ Die Lütten spielten vieldraußen. Aber „Schmierereien gabes damals keine. Wir lernten einensorgsamen Umgang mit dem ge-meinsamen Eigentum, denn wirwaren ja alle Bauverein und fühltenden Wert, eine eigene Wohnung zuhaben“ – ein Lebensgefühl, das sichlange hielt. Den Zeiten des Auf-baus, folgte die Zeit des Bewah-rens. Der Immobilienbestandwurde gehegt und gepflegt. BrittaZemke berichtet von Modernisie-rungen, von neuen Fenstern, Bä-dern und Küchen, die seit den70er-Jahren in die alten Woh-nungen eingebaut wurden. Neuesallerdings entstand nicht und aucham geselligen Leben im Viertelnahmen zunehmend die Seniorenteil. In den 2000er Jahren war Fru-erlund alt geworden. Helmut Schu-mann wollte das ändern. Er träumtevon einer Mustersiedlung für jungeund alte Leute. Die Älteren könntenauf die Kinder aufpassen, wenn dieEltern ausgingen, die Jüngerenkönnten Einkäufe für die Älterenmiterledigen. Doch seine Plänescheiterten: „Es ist grauenhaft ge-wesen, da war Zank und Streit! Espasste einfach nicht zusammen.Daran bin ich fast verzweifelt“, be-richtete er später. Auch eine Neuge-staltung des alten Willi-Sander-Platzes, ein Abbruch der Geschäfts-zeile und eine attraktivere neueNutzung, konnte er nicht durchset-zen. Er ließ den Plan fallen, als ihmdie Geschäftsleute signalisierten,dies würde über ihr Leistungsver-mögen gehen: „Da soll sich meinNachfolger den Kopf zerbrechen,wie er einen Akzent setzt.“

Britta Zemke, Mitglied im Aufsichsrat,ist ein echtes Fruerlund-Kind. Schnoor

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Vorstand 2002: v.l. Raimund Dankow-ski, Helmut Schumann, Peer Oberg.

SBV-Archiv

Tatsächlich verfolgte Rai-mund Dankowski, der Hel-mut Schumann 2002 im

Vorstandsvorsitz ablöste, die Ideedes generationsübergreifendenWohnens weiter. „Zuerst kommtder Mensch, dann das Geschäftser-gebnis“, sagte er am Tag seinerAmtseinführung und signalisierteallen Mitgliedern und Kollegen:„Es wird weitergehen mit dem so-zialen Leben in unserer Genossen-schaft.“ Doch neben „demMenschlichen haben wir diePflicht, guten und zukunftsfähigenWohnraum für unsere Mitgliederzu schaffen und zu erhalten“, setzteer hinzu. Damit war die Marsch-route klar.

Der SBV-AufsichtsratsvorsitzendePeer Oberg, damals nebenamt-licher zweiter Vorstand der Genos-senschaft, erinnert sich an den Elanmit dem der neue Vorsitzende ansWerk ging: „Das Tempo, das Rai-mund vorlegte, war enorm.“ DieGenossenschaft baute in Flensburgdie ersten Servicehäuser für Seni-oren, kaufte die kommunale Wo-Bau und gründete schließlich alsgrößter Wohnungsanbieter derStadt – inzwischen sind mehr als9000 Mitglieder in der Genossen-schaft vereint – eine eigene Spar-einrichtung. Peer Oberg: „Dasssich auch etwas für Fruerlund ver-ändern musste, war ziemlich baldklar.“ Die Bausubstanz der Gebäu-de rund ums Mühlenholz war ma-rode, die Wohnungen zu klein,Deckenhöhen zu niedrig, Bäderund Küchen veraltet, die Fassadenhoffnungslos wärmedurchlässig.

Sanieren oder abreißen? Diese Fra-ge stellte sich nicht nur der Füh-rungsriege der Genossenschaft.Auch die Flensburger Stadtplanerund die Mitarbeiter des Sanie-rungsträgers machten sich Gedan-ken um den traditionsreichenStadtteil. Ihr gemeinsames Ziel wares, das Viertel modernen Wohnan-sprüchen anzupassen und ihm den-noch nichts von seinem Charakterals Genossenschaftsdorf in derStadt zu nehmen. 2006 einigten

sich die Verantwortlichen, Fruer-lund mit Hilfe von Geldern aus demFörderprogramm Stadtumbau West„fit für die Zukunft“ zu machen.Grundlage war ein Wohnraumver-sorgungskonzept, das die StadtFlensburg schon 2004 als ersteKommune in Schleswig-Holsteinerarbeitet hatte und mit dem sieeine Pilotfunktion für andere Städteübernahm. Nun wurde der etwaneun Hektar große Stadtteil aufHerz und Nieren untersucht. Nichtnur die Gebäude selbst, auch Au-ßenanlagen, Verkehrsanbindung,soziale Infrastruktur standen aufdem Prüfstand. Die Experten schüt-telten bald den Kopf: „Mit denalten Häusern kommen wir nichtweiter: zu klein, zu niedrig, un-günstig zur Sonne angeordnet, ver-fallende Bausubstanz, veralteteVerkehrsführung.“ Ihr Vorschlagwar eine Radikallösung: „Komplettabreißen und neu aufbauen.“ Nureinzelne Häuser sollten umgebautund modernisiert werden.

„Angesichts der rund 58 MillionenEuro Investitionsvolumen, habenwir damals tief durchatmen müs-sen“, sagt Peer Oberg heute. Undunter den Bewohnern im Stadtteilwurde heftig diskutiert. Mehr als750 Mieter und ihre Familien wa-ren von den Plänen betroffen undviele bekamen es mit der Angst zutun: Was würde mit ihrem Zuhausepassieren? „Werden wir hier jetztein zweites Mal vertrieben?“, fragtejemand auf einer der zahlreichenInformationsveranstaltungen, dienun folgten. Klaus Hartwig erin-nert sich an die anfängliche Verun-sicherung. „Wir hatten es ja mitgewaltigen Veränderungen und ei-ner enormen Entwicklung zu tun“,sagt der inzwischen pensionierte,langjährige Aufsichtsratsvorsitzen-de, der selbst noch als SBV-Kind„bei Oma Nielsen die Haare ge-schnitten bekam“.

Wie er und Britta Zemke lebtenviele Menschen seit Jahrzehntenfest verwurzelt in ihrem Fruerlund.Gerade hatten sie erlebt, dass ihrekleine Genossenschaft die kommu-

Wohnen für Generationen: Der Umbauist beinahe abgeschlossen. Vorstandsvor-sitzender Raimund Dankowski zeigtSchleswig-Holsteins damaligem Innenmi-nister Andreas Breitner (SPD) 2014 denneu gestalteten Traditionsstadtteil (unten).

Fotos: Dewanger

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Richtfest in Fruerlund: Von 2010 bis 2014 dauerte der Umbau des Stadtteils. Dewanger

nale WoBau gekauft hatte. Dass derneue SBV nun „Sandershausenwegreißen“ wollte, war für diemeisten unvorstellbar. Schließlichgründete sich die „FruerlunderRunde“. Hier versammelten sichMenschen, die gemeinsam mit denVerantwortlichen von Sanierungs-träger und Genossenschaft über dieVeränderungen diskutierten, Wün-sche und Bedenken vortrugen. Werwollte, konnte mitreden und vielesvon dem, was damals Thema war,floss am Ende in das heutige„Wohnen für Generationen“ ein.Tatsächlich gelang es den Verant-wortlichen aus der anfänglichenAblehnung eine Aufbruchstim-

mung wachsen zu lassen. „Heutesind wir uns alle einig“, sagt KlausHartwig. „Es hat sich zum Gutengebessert.“ Er ist sich mit BrittaZemke einig. „Hier hat sich seit2010 viel verändert, aber der Zu-sammenhalt ist geblieben.“ Das giltfür die Hausgemeinschaften, in de-nen sie wohnen, das gilt für dieBegegnungen auf der Straße undbeim Bäcker. „Man kennt sich vomSehen. Das ist wie früher.“ Nur istdraußen alles großzügiger, geräu-miger und grüner. Die Straßen sindbreiter und besser asphaltiert. Esgibt mehr Parkplätze. Die 207 neu-en Wohnungen sind barrierearmund über Aufzüge zu erreichen –soweit sie nicht zu ebener Erdeliegen. Zentrales Element ist einkleiner Park, in dem Fitnessgeräteaufgebaut sind. Hier treffen sich dieälteren Anwohner, während dieKinder sich auf dem neuen Spiel-platz oder dem Straßenfußballfeldvergnügen. Die Mustersiedlung fürjunge und alte Leute, von der Hel-mut Schumann noch geträumt hat –heute steht sie in Fruerlund.

Anette SchnoorGerhard Nowc

Klaus Hartwig: „Es hat sich viel verän-dert, der Zusammenhalt ist geblieben.“

DewangerGutschank

Straßenbild Fruerlundlücke/Klabunde-weg vor und nach dem Stadtumbau:Die alten, mit bunten Platten verkleidetenHäuser wurden abgerissen und machtengroßzügigen dreigeschossigen GebäudenPlatz. Schnoor

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SBV skriver historie

Tageblatt-Redakteur Gerhard Nowc (m) wuchs in Fruerlund auf. Seine Elternhatten hier einen Milchladen.Tageblatt-journalist Gerhard Nowc (m) voksede up i fruerlund. Hans forældrehavde her en lille handel med fødevarer. Archiv Nowc

Fruerlund – oversat fra detplatttyske („Fru“) og detdanske („lund“), betyder

så „Kvinder skov“ og betegnermåske en lille skov, som me-nigheden St. Marien en ganghavde ret til at dyrke. Men bevi-ser findes ikke. Dette idylliskested blev efter krigen til en nyhjemstavn for tusindvis af

mennesker, som var kommet tilFlensborg som hjemstavnsfor-drevne. Med flygtningsstrøm-men fra øst voksede antallet afindbyggere fra 62.000 til over120. 000. De boede under dår-lige forhold i barakker eller varindlogeret i huse hos Flensbor-ger familier. Manglen på bo-liger var lige som manglen på

arbejdspladser voldsom. Den21. juli 1949 mødtes derforflere end 100 hjemstavnsfordre-vne for at etablere et andelsbo-ligselskab. Selbsthilfe-Bauver-ein eG, kort SBV, blev grund-lagt. I dag er det med flere end9.000 medlemmer Flensborgsstørste andelsboligselskab.

Op til begyndelsen af ombyg-ningsarbejder i Fruerlund havdeSBV tre formænd. Hver af demprægede andelsboligselskabetmed en særlig profil. Den dri-vende kraft i de første år varWilli Sander, og den voksendebydel blev snart spøgefuldt kal-dt „Sanderup“. Da han døde ijuni 1995, sørgede hans medar-bejder gennem mange år – ogefterfølger – Helmut Schu-mann for at ære hans minde:Nettelbeckplatz blev omdøbttil Willi-Sander-Platz og enmindesten blev rejst til mindeom stifteren og formanden.Schumann var som lærlingkommet til SBV. Han kendteden voksende virksomhed tilbunds og styrkede det socialeliv i fællesskabet. SBV havde4000 medlemmer, da han i2002 blev afløst af RaimundDankowski. På det tidspunktblev den gamle boligmasse til etvoksende problem. Med Dan-kowski som formand byggedeboligselskabet de første huse,hvor man kan få særlig service,købte det kommunale boligsels-kab WoBau og etablerede somførste boligselskab i byen enegen sparekasse. I dag blivermange nye bygninger og mo-derniseringstiltag finansieretmed midler herfra. Det betyder,at virksomheden i høj grad eruafhængig af fremmede lån,dette gælder også for finan-sieringen af ombygningerne iFruerlund-Süd.

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Alter und Armut – dieseWorte schwingen Anfangdes neuen Jahrtausends

mit, wenn in Flensburg vom „Tra-ditionsstadtteil Fruerlund“ die Re-de ist. Das im Juni 2004vorgestellte „Wohnraumversor-gungskonzept“ der Stadt charakte-risiert das Quartier „Fruerlund-Süd“ als „konsolidiertes Gebiet mitbesonderem Handlungsbedarf“und attestiert eine „teilweise hoheInstandhaltungs- und Modernisie-rungsbedürftigkeit mit eventuellemRückbau sowie einen erhöhtenRückgang an öffentlich geförder-ten Wohnungen“.

Im Klartext heißt das: Die Häusersind zu alt, sie entsprechen nichtden modernen Wohnansprüchen,nicht den gesetzlichen Vorgabenfür energieeffizientes Wohnen und

sollten dringend modernisiert,wenn nicht gar abgerissen werden.Damals war der Flensburger Miet-wohnungsmarkt entspannt. Es gabin manchen Bereich sogar einÜberangebot. Der Geschosswoh-nungsbau war weitgehend zum Er-liegen gekommen. Flensburgwuchs an den Rändern undschrumpfte im Inneren.

Und nicht nur in Fruerlund-Südnahm der Anteil älterer Einwohnerstetig zu. Doch hier war es beson-ders sichtbar und die Stadtplanersprachen von Überalterung undvon einer wachsenden sozialenSchieflage. Ihre Analyse erfolgteauf Grundlage einer Experten ge-stützten, stadtteilbezogenen soge-nannten SWOT-Studie. SWOT,das kommt aus dem Englischenund steht für Strengths (Stärken),

Weaknesses (Schwächen), Oppor-tunities (Chancen) und Threats(Gefahren). In Stadtteilsteckbrie-fen werteten Fachleute diese As-pekte für Flensburgs Wohn-quartiere aus. Bitter für Fruerlund-Süd: Für die Altbauten der50/60er-Jahre attestierten sie denbereits erwähnten „besonderenHandlungsbedarf“ und registrier-ten daneben einen „erhöhten sozi-alen Betreuungsaufwand“.

Zwei Ziele sollten die Verantwort-lichen in Fruerlund verfolgen, rietdas Gutachten: Zum einen die„nachfragegerechte Weiterent-wicklung des Wohnungsbestan-des“, zum anderen die Stabi-lisierung der sozialen Bevölke-rungsstruktur. Es ging in Fruerlundalso nicht nur um die Frage, wasmit den veralteten Häusern und

Fruerlund bekommt ProblemeUm die Jahrtausendwende rückt das Traditionsquartier in den Fokus der FlensburgerStadtplaner: Im Viertel geht es bergab. Die Menschen kämpfen mit sozialen Problemenund für die Händler laufen die Geschäfte immer schlechter.

Ladenzeile am Willi-Sander-Platz 2007: Im Viertel scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Schnoor

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Wohnungen geschehen solle. Ins-besondere standen Stadt und Ge-nossenschaft vor der Aufgabe, denMenschen im Viertel gerecht zuwerden. Wichtig war es, die Wohn-standards an moderne Wohnan-sprüche anzupassen, barrierefreieRäume in und vor den Gebäudenzu gestalten, überhaupt das Wohn-umfeld so zu verändern, dass jungeund alte Menschen sich in Fruer-lund gleichermaßen wieder wohl-fühlen konnten.

Sanierungsträger und SBV mach-ten den ersten Schritt auf der Suchenach einer Problemlösung gemein-sam und vergaben den Auftrag, ein„integriertes Quartiersentwick-lungskonzept“ zu erstellen. Ihr Zielwar es, in das damals taufrischeStädtebauförderungsprogramm„Stadtumbau West“ aufgenommenzu werden. Und das Quartiersent-wicklungskonzept sollte über einenRahmenplan hinausgehend auchein Maßnahmenkonzept beinhal-ten, das später Grundlage für die

primär von privaten Immobilienei-gentümern umzusetzenden Bau-steinen werden sollte. Damit ginges von Anfang an darum, in engerAbstimmung mit den beteiligtenNutzern und Eigentümern imQuartier zu planen und zu entwi-ckeln. Daneben war der Stadt dar-an gelegen, die DisziplinenStädtebau, Architektur, Land-schaftsarchitektur, Raum- und So-zialwissenschaften sowie dieImmobilienwirtschaft umfassendeinzubinden. Die beauftragte Ar-beitsgemeinschaft „Plewa undPartner – arbos“ schlug demgemäßauftragskonform vor, in einemStartworkshop unter Beteiligungder örtlichen Akteure und unterEinbindung der Bürgerinnen undBürger die Ergebnisse der SWOT-Analyse zu überprüfen und zu er-gänzen. Die Veranstaltung war gutbesucht. Gemeinsam dachten dieBeteiligten aus ihren verschie-denen Positionen heraus überWohntrends und zukünftige Her-ausforderungen nach und leiteten

daraus Fragen und Themen ab, diezur Maßgabe für die weitere Pla-nung durch Experten wurden. Esgab intensive Gespräche mit demHaupteigentümer, dem SBV, andenen sämtliche zuständige städ-tische Fachbereiche beteiligt wa-ren, und regelmäßig auchZwischenergebnisse diskutierten.

Die ausgeprägte Mitwirkungsbe-reitschaft der seit langen Jahren inFruerlund verwurzelten Bewohne-rinnen und Bewohner war ebensobemerkenswert, wie ihr Engage-ment bei der Weiterentwicklungdes Quartiers. Hier zeigte sich derGenossenschaftsgedanke – das„Wir“ und das „Miteinander“ – ineiner ganz besonderen, außerge-wöhnlichen Form. Erklärtes ge-meinsames Ziel war es, denWohnstandort „Fruerlund“ unver-wechselbar zu positionieren undseine Qualitäten, Potenziale undAkzeptanz bei den Menschen imViertel herauszustellen.

Frank Rolfes/ Anette Schnoor

Fruerlund soll schöner werden: Angesichts alarmierender statistischer Werte (s.o.) werden die Stadt Flensburg, der SBV und dieBewohner im Viertel aktiv. Gemeinsam suchen sie nach Wegen, die Attraktivität des Wohnquartiers zu steigern. Startschuss für die Arbeitist ein erster Workshop mit der Planungsgruppe Plewa (rechts). Schnoor

Studenten

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Alderdom og fattigdom –det er disse ord, der au-tomatisk tænkes på ved

begyndelsen af det nye årtusind,når der i Flensborg tales om„Traditionsbydel Fruerlund“. IJuni 2004 præsenterede kommu-nen et „boligforsyningskon-cept“, som dokumenterede en„til dels meget stort behov forvedligeholdelse/ moderniseringmed en evtl. nedrivning“. Sagtligeud betyder det: Husene er forgamle, de lever ikke op til demoderne boligkrav, svarer ikketil de lovmæssige retningslinjerfor energieeffektive boliger ogburde absolut moderniseres, omikke nedrives. De ansvarlige forsaneringen og SBV tog det førstefælles skridt på vejen til en pro-

blemløsning og gav et eksterntplanlægningskontor ordre til „ atudarbejde et integreret kvarter-sudviklingskoncept“.

Aktørerne gjorde også dette medhenblik på at blive optaget i detpå den tid splinternye bygge-fremmeprogram for byer,„Stadtumbau West“. Så kommu-nen og boligselskabet har lige frastarten af bestræbt sig på at plan-lægge og udvikle i et tæt samar-bejde med samtlige deltagendebrugere og ejere i bydelen. Deru-dover er det for kommunen vig-tigt, i videst muligt omfang atinddrage byplanlægning, arki-tektur, landskabsarkitektur, so-cialvidenskab og ejendoms-mæglere.

Deltagelsen ved den første op-startsworkshop for projektet erstor. I fællesskab tænker deltage-rne udfra deres egne positionersom udgangspunkt på forskel-lige boligtrends og fremtidigeudfordringer. Dette resulterer såi spørgsmål og emner, sombliver til en mål for eksperternesvidere planlægning. Der føresintensive samtaler med hoved-ejeren, SBV, hvor samtlige ans-varlige kommunale afdelingerdeltager og hvor der jævnligtdiskuteres forløbige resultater.

Målet er at positionere bydelen„Fruerlund“ på en eneståendemåde og at fremhæve dens kvali-teter, potentialer og få accept hosmenneskene i denne bydel.

Fruerlund får problemer

Willi-Sander-Platz 2008 (r.)und 2010 Schnoor

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Die Vorarbeiten zur Quar-tiersentwicklung kam inden verschiedenen Ar-

beitsgruppen gut voran. Unter Lei-tung von Stadt und SBV beteiligtensich viele Akteure aus Fruerlund –Einwohner, Geschäftsleute, Kinderund Erwachsene – in verschie-denen Workshops und an rundenTischen mit der Zukunft ihresQuartiers. Im Sommer 2009 bean-tragte schließlich der SBV als Bau-herr vor Ort, sein ursprünglichesKerngebiet gemeinsam mit demSanierungsträger der Stadt Flens-burg neu zu gestalten. Vorgesehenwar danach „durch umfangreichehoch- und tiefbauliche Maßnah-men in Verbindung mit der Umset-zung eines Freianlagenkonzeptsein zukunftsfähiges und familien-

freundliches Wohnquartier zuschaffen, in dem ein nachbarschaft-liches Miteinander gelebt wird unddas allen Generationen Raum zumWohnen und Leben unter dem Na-men ‚Fruerlund – Wohnen für Ge-nerationen‘ bietet“.

Die marode Bausubstanz im Vier-tel bereitete den Verantwortlichenallerdings Kopfzerbrechen. Fruer-lund hatte über die Jahrzehnte sei-nen besonderen Charakter erhalten.Wie ein Dorf mitten in der Stadtwirkte der Stadtteil, in dem vieleMenschen eine gemeinsame Ge-schichte miteinander verband. Die-se Besonderheit wollten dieBeteiligten bei allem Modernisie-rungsbestreben erhalten. Das galtauch mit Blick auf die Häuser. So

viele alte Gebäude wie möglichsollten stehen bleiben. Anderer-seits war schon bei deren Bau klargewesen, dass sie kaum länger als30 Jahre stehen würden, denn vielewaren mit Fördermitteln aus demEuropean Recovery Program(ERP) finanziert worden, um mitihnen die größte Wohnungsnot derNachkriegsjahre zu lindern. DieseAufgabe hatten sie erfüllt. Inzwi-schen war ihre Lebenszeit weitüberschritten.

Der SBV beschloss deshalb mit dereigenen Technischen Abteilungund seinem Generalplaner BauplanNord, die bestehenden Möglich-keiten für jedes einzelne Haus zuprüfen. Die Abwägung, ob saniertoder abgerissen und neu gebaut

Sanierung oder Neubau?„Wohnen für Generationen“ – ein modernes Wohnumfeld für Jung und Alt sollte in Fruerlund ent-stehen. Das war im Quartierentwicklungsprozess schnell klar. Aber gaben die alten Gebäude dasher? Planer, Techniker und Architekten begannen mit der Prüfung.

In Zeichnungen wie dieser wurden die bestehenden Bestandsstrukturen im Untersuchungsgebiet festgehalten. SBV-Archiv

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werden sollte, richtete sich dabeinach den folgenden Kriterien:

> Lage des Gebäudes> Baualter – Restnutzungsdauer> Zustand der Fassaden> Dacheindeckung> Balkone> Deckenhöhen> Fenster> Modernisierungs-, Sanierungs- stand> Zukunftsfähigkeit der Grundrisse

Am Ende entschieden sich die Be-teiligten für einen Maßnahmen-Mix: Ein Teil der Häuser sollteabgerissen und durch Neubautenersetzt, ein anderer Teil saniertwerden. Frank Jürgensen, Leiterder Technischen Abteilung der Ge-nossenschaft, fasste die Gründe derEntscheidung in dem folgendenBericht beispielhaft für den Be-reich Mühlenhof/Ostlandstraße zu-sammen:

„Im Zuge der technischen Untersu-chung der Gebäude im Siedlungs-gebiet Fruerlund hat sich heraus-kristallisiert, dass die Mehrfamili-enhäuser am Straßenzug Mühlen-holz und in der Ostlandstraße einentechnisch schlechteren Zustandaufweisen, als die Gebäude der an-liegenden Straßenzüge Altvater-weg, Lausitzer Weg, Sudetenwegetc. Im Gegensatz zu den Gebäu-den Fruerlunder Straße, Ostland-straße wurden die GebäudeAltvaterweg, Sudetenweg in den80er und 90er Jahren umgedeckt,so dass wir hier eine bessere Dach-eindeckung vorgefunden haben, alsan den Gebäuden Fruerlunder Stra-ße, Ostlandstraße. Des Weiterenweisen die Grundrisse bessere Ge-staltungsmöglichkeiten im Rah-men einer Modernisierung auf; dasheißt, dass sich hier die Größe unddie Dimensionen der vorhandenenGebäude dem heutigen Wohnbe-darf anpassen. Außerdem sind dieWohnungen mit Balkonen ausge-stattet und eine gewisse Anzahlvon Wohnungen sind in den letztenJahren bereits modernisiert wor-den, was in den Gebäuden Mühlen-

holz, Fruerlunder Straße nicht derFall ist.

Die Gebäude Mühlenholz undFruerlunder Straße wurden in den50er Jahren als Behelfsbauten er-stellt, die etwa 30 Jahre zur Verfü-gung stehen sollten. Am tech-nischen Standard der Gebäude hatsich bis auf die Verkleidung derAußenfassade bis heute nicht vielverändert, so dass sich hier einenormer Bedarf an Änderungen imBereich der technischen Vor-schriften ergibt. Die Elektroanla-gen sind vollkommen veraltet,stellen eine gewisse Unfallgefahrdar und entsprechen nicht mehrdem heutigen Stand der Erforder-nisse für die üblichen Haushaltsge-räte. Ebenso ist der Schallschutz inden Gebäuden als schlecht einzu-stufen und entspricht nicht mehrdem heutigen Standard.

Die schwerwiegendsten tech-nischen Fehlpunkte finden wir je-doch im Bereich der Gebäudehülle.Die Energieeinsparverordnung2007 und folgend die Energie-einsparverordnung 2009 fordernerhebliche Verbesserungen an derGebäudehülle, dies bezogen aufAußenwände, Fenster, Kellerdeckeund oberste Geschosslage. Hier istes zwingend erforderlich und ge-setzlich vorgeschrieben, entspre-chende Veränderungen vorzu-nehmen. Oberste Geschosslagensind mit einer Wärmedämmungvon bis zu 120 mm zu versehen,Heizungsrohre sind zu isolierenund Wärmebrücken am gesamtenGebäude zu minimieren. Ebensomüssten Dächer umgedeckt wer-den und die vorhandenen Gaubenkomplett neu verkleidet sowie miteiner Wärmedämmung versehenwerden. Vorhandene Fenster müs-sen entfernt und durch neue miteiner Wärmeschutzverglasung er-setzt werden.

Die sich in den Wohnungen nochbefindlichen alten Durchlauferhit-zer müssten komplett erneuert wer-den. Gegebenenfalls sollten hiersogar weitere Warmwassergeräte

„Die Gebäude entsprachen nichtden modernen Standards. Viele

mussten wir zurückbauen.“Frank Jürgensen

Leiter Technik SBV Flensburg eG

Das einst liebevoll gepflegte Viertel boteinen traurigen Anblick. Die Außenhüllenwaren schadhaft geworden.

Im Mühlenholz und der FruerlunderStraße hatten die Gebäude im Laufe derZeit lediglich neue Fassaden erhalten. Fotos: SBV-Archiv

Voigt

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in den Küchen installiert werden,um mit modernen 5-Liter-Unter-tischgeräten eine energetisch ver-nünftige Versorgung mit Warm-wasser in den Küchen zu gewähr-leisten.

Auf Grund der kleineren Grund-risse im Gegensatz zu den Gebäu-den Altvaterweg, Lausitzer Wegund Sudetenweg sowie der fehlen-den Balkone wird keine Mo-dernisierung empfohlen. Mo-derne und heute am Markt ge-fragte Grundrisse können beiden vorhandenen Gebäudeab-messungen nicht hergestelltwerden, so dass eine langfristi-ge Vermietung vom SBV nichtgewährleistet werden kann.“

Mit diesem Prüfungsergebnisstand die Entscheidung der Ge-nossenschaft fest: Der gesamteBestand im Konzeptgebietwürde energetisch erneuertwerden. Gebäude mit kleinenWohnflächen, nicht mehr zeit-gemäßen Grundrissen und bau-technischen Mängeln würdenabgerissen und durch Ersatz-neubauten als KfW-Effizienz-haus 55 (EnEV 2009) ersetztwerden. Heizung und Warm-wasserversorgung würden da-nach über Fernwärme erfol-gen. Die übrigen Häuser soll-ten zu sogenannten KfW-Effi-zienhäusern 85 (EnEV 2009)saniert werden. Neben derDämmungen der Außenfassa-de, der Dach- und Kellerge-schossdecken waren auchFenster und Eingangstüren zuerneuern. Begleitend erfolgteein hydraulischer Abgleich derHeizanlagen, um den Energie-verbrauch zu optimieren.Schließlich sollte die Erzeu-gung von Warmwasser vondezentralen Durchlauferhitzernauf die zentrale Fernwärmeumgestellt werden.

Am 6. Juli 2010 unterzeichnetenFlenburgs damaliger Oberbürger-meister Klaus Tscheuschner für dieStadt, SBV-Vorstandsvorsitzender

Raimund Dankowski und sein Kol-lege, SBV-Prokurist Jörg Neu-mann, einen Vertrag über denStadtumbau in Fruerlund-Süd. Mitersten Modernisierungsarbeiten imBestand hatte die Genossenschaftdamals schon begonnen. Nun ver-einbarten die Beteiligten im Einzel-nen die Zuständigkeiten für dieBaumaßnahmen und den zeitlichen

Ablauf. Zudem diente der Kontraktmaßgeblich als Grundlage für dieBewilligung von Städtebauförder-mitteln. Nur zwei Tage später ver-abschiedete der Sanierungsträgerseinen „Ersten Rahmenplan“(S.36). Es ging an die Umsetzung.Das „Wohnen für Generationen“begann, Gestalt anzunehmen.

Frank JürgensenAnette SchnoorAnette Schnoor

Die Stadtteilzeitung von Fruerlund: Mit ihr informierte der Sanie-rungsträger die Menschen im Viertel regelmäßig über die bevorste-henden Arbeiten, über Pläne und Baufortschritte. Im Juli 2010berichtete das Blatt in seiner zweiten Ausgabe ausführlich über denVertragsschluss und seine Bedeutung für den Stadtumbau.

IHR Sanierungsträger

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„Wohnen für Generationen“ – so ging es los

Bei Beginn des Stadtumbaus war der SBV mit 7014 Wohnungen und einem Anteil von 22 Prozent der größteAnbieter auf dem Mietwohnungsmarkt in Flensburg. Seine erste Siedlung Fruerlund umfasste rund 750 Wohnein-heiten in zwei- und dreigeschossigen Zeilenbauten.

Nicht alle Gebäude würden sich entsprechend der Planungen sanieren lassen. So entschloss sich der SBV nachlangen Überlegungen dazu, die alten Häuser mit insgesamt 293 Wohnungen abzureißen und durch 19 Neubauten mitmodernen Wohnungen auf einer größeren Grundfläche zu ersetzen. Tatsächlich wurden schließlich 20 Häuser mit207 Wohnungen gebaut.

Det første resultat af detfælles planlægningsarbej-de er hurtigt klar: Fruer-

lund skal blive til en bydel, hvormottoen“ Boliger for generatio-ner“ er fremherskende, unge somældre skal føle sig tilpas . Bydelenomfatter på det tidspunkt ca. 750boligenheder i huse med to og treetager. SBV er med 7.014 lejlig-heder og en andel på 22 procent,den største udbyder på boligmar-kedet for udlejningslejligheder, iFlensborg.

For virksomheden handler det omat forandre Fruerlund på en måde,der imødekommer medlemmerne– til en bydel, som skal give pladstil at bo moderne, plads til detmenneskelige møde og som sam-tidigt tilgodeser boligselskabetsværdier om klimabeskyttelse,

fællesskab og social engagement.Derfor lader SBV bygningerneundersøge meget nøjagtigt. Hvil-ke huse skal bevares for også attilgodese denne bydels historie?Og hvilke skal nedrives? Analy-serne er til dels rystende: De viseren elendig boligmasse, storeenergi- tekniske mangler - oglejlig- hedernes størrelse ogindretning svarer ikke længere tilbehovet. I mange tilfælde er„nedrivning og nybyggeri“ deneneste mulige løsning for dennebydels problemer.

Slutteligt står resultatet klar: 465lejligheder skal totalrenoveres.Køkkener og badeværelser skalmoderniseres, og de gamle huseskal forsynes med ny varmeiso-lering, således at bygningerneefter endt arbejde lever op til de

aktuelle retningslinijer omenergieffektivi- tet. Energifor-bruget skal reduceres til underhalvdelen.

For nogle af bygningerne, er en såomfattende renovering dog ikkemuligt. Derfor beslutter SBV eftergrundige overvejelser at nedrivegamle huse med i alt 293lejligheder og erstatte dem med 19nye bygninger med 198 modernelejligheder med et større grund-areal. I planlægnings- workshopsmed samtlige invol- verede, ogsådem, der bor i Fruerlund, arbejdesder med at konkretisereplanlægningen – og de overvejerogså hvor de mennesker, somønsker at blive i Fruerlund kan bounder bygge- fasen og hvor de,der ønsker at forlade området, kanfinde et nyt hjem.

Renovering eller nybyggeri?

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S T A D T U M B A U I N F R U E R L U N D

Dewanger

Teil B Stadtumbau

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E R F I N D E T S I C H N E U

Zahlreiche Gespräche gab esvor Beginn der Sanierungs-planungen zwischen allen

Beteiligten. Sie diskutieren in ver-schiedenen Gesprächsrunden, wel-che Möglichkeiten es gebenkönnte, das Quartier zukunftsfähigzu machen. Viele Bewohner warendabei. Typische Aussagen damalswaren:

„Ich lebe gerne hier in Fruerlund.Das Quartier ist Teil meines Le-bens geworden. Ich fühle mich hierzu Hause. Hier habe ich Freundeund Bekannte, die zum Teil, so wieich, aus der Flüchtlingszeit mit indas Quartier gezogen sind, aus Ma-suren und wo sie alle herkamen.Heute erkennt man die Herkunftnoch an den Straßennamen, wieAltvaterweg, Lausitzer Weg, Wal-denburger Weg, Glatzer Weg, undso weiter. Man trifft sich beim Bä-cker, beim Kaufmann oder auf der

Straße und schnackt ein wenig.Aber in der letzten Zeit ist dieStimmung schlechter geworden.Die Menschen beklagen sich mehrund mehr über Instandhaltungs-rückstau der in die Jahre gekom-menen Gebäude, die doch zukleinen Wohnungen, zu niedrigenDecken von zum Teil nur gut zweiMetern, die zu kleinen veraltetenBäder, undichten Fenster oder Tü-ren und eine schlechte Wärme-isolierung.

In den 80iger und 90er Jahren hatman mal etwas saniert und einezusätzliche Dämmung auf die Häu-ser aufgebracht. Die Faserzement-platten werden jetzt zunehmendgrün und nur selten gereinigt. Un-sere Häuser sehen schon aus wiegeschuppte, kranke Fische.

Wer sich eine moderne Waschma-schine leisten kann, weiß nicht, wo

er sie aufstellen soll. Es gibt keinenPlatz und keine Anschlüsse. We-nigstens Wäschestangen gibt eshinter den Häusern, verrostet zwar,aber da. Nur sehen die Flächen anden Häusern trostlos aus und wer-den auch kaum genutzt. Gern hältman sich hier nicht auf.

In letzter Zeit beobachten wir, dassFremde in die günstigen Woh-nungen ziehen. Manchmal fühlenwir uns nicht mehr sicher im Quar-tier, besonders abends. Es ist im-mer mehr geworden mit den Autosin den kleinen Straßen von Fruer-lund-Süd. Geparkt wurde schonimmer am Straßenrand, aber jetztmuss man schon sehen, dass manüberhaupt noch einen Platz be-kommt. Manchmal gibt es darübersogar einen handfesten Streit.

Auch die Gehwege waren schonimmer etwas schmal, einem Kin-

Ein Stadtteil erfindet sich neuStadt, SBV und die Bewohner im Viertel sind sich einig:Sie wollen, dass Fruerlund schöner wird. Moderner Wohnraum und neueAußenanlagen sollen entstehen. Ein frischer Wind weht durch das alte Viertel.

Stadtumbau - Dieser Begriff beschreibt gut, was in Fruerlund passiert ist. Das Viertel hat mit seinen modernen Gebäuden ein völliganderes Gesicht bekommen. Oben rechts ist der neue Willi-Sander-Platz mit dem SBV-Haus zu sehen. Dewanger

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derfahrrad oder einem Kinderwa-gen kann man hier nicht begegnen,dann muss man die Straßenseitewechseln und sich zwischen denAutos durchquälen.

Der Willi-Sander-Platz, der hattewas! Eine Bäckerei, einen Kauf-mann, einen Friseur und eine Spar-kasse waren hier früher. Die alteWäscherei war Treffpunkt für Altund Jung. Aber all diese Geschäftekönnen sich nicht halten und schonmacht sich Leerstand breit.“

Die städtischen Sozialplaner undStadtplaner sehen diese Probleme.Seit 2002 rückt der Stadtteil Fruer-lund-Süd verstärkt in ihr Blickfeld.Sie verzeichnen eine deutliche Zu-nahme von „Wohnungsnotfällen“,also Kündigungen durch den Ver-mieter, Räumungsklagen, Zwangs-räumungen oder Mitteilungen überMietrückstände. Im Sozialatlas der

Stadt Flensburg aus dem Jahr 2002belegt der Stadtteil hinsichtlich derWohngeldempfänger Rang 11 von13, hinsichtlich der Hilfe zum Le-bensunterhalt Rang 9 von 13 undhinsichtlich der Hilfen zur Erzie-hung Rang 6 von 13. Das Viertelfällt insbesondere durch die ge-ringe Haushaltsgröße von nur 1,1Personen je Haushalt, durch einegegenüber der Gesamtstadt erhöhteSozialhilfequote und einen hohenAnteil an Wohngeldempfängernauf.

Auch der Anteil älterer Menschenim Stadtteil ist deutlich höher alsim übrigen Flensburg. Diese struk-turellen Probleme stehen in unmit-telbarem Zusammenhang mit derbaulichen Struktur des Gebietes.Das Alter der Gebäude, die gerin-gen Wohnungsgrößen und diedementsprechend vergleichsweisegeringen Mieten ziehen wirtschaft-

lich schwache Gruppen an. In denJahren vor der Sanierung gewinntdieser Prozess an Dynamik.

Es ist schon in Teil A gesagt wor-den: Es herrschte Einigkeit darü-ber, dass es an der Zeit war, sichplanvoll mit der Zukunft des Stadt-teiles zu beschäftigen. Im Rahmeneiner gesamtstädtischen Woh-nungsmarktanalyse wurde deshalb2006 ein integriertes Quartiersent-wicklungskonzept erarbeitet, unddie ersten Gebäude exemplarischauf ihre Sanierungsfähigkeit hinuntersucht.

Es ging um Grundrissänderungen,den Anbau neuer Balkone, umenergetische Vollsanierung, dieModernisierung von Bädern, Kü-chen, Treppenhäusern, die Erneue-rung von Fenstern und Türen – undum die zu erwartenden Kosten.Was war wirtschaftlich sinnvoll?

So sah es einmal aus - Im unteren linken Bildbereich ist das alte SBV-Haus noch ohne Anbau zu sehen, davor die ehemalige Wäscherei.Die Faserplatten-bedeckten Häuser am Mühlenholz sind heute modernen Neubauten gewichen (s. Foto links). Dewanger

„Nur die enge Zusammenarbeit derbeteiligten Akteure hat die zügige und reibungslose

Umsetzung der Stadtumbaumaßnahmen möglich gemacht.“Andreas Gutschank

Gebietsleiter IHR Sanierungsträger

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Ab 2005 arbeiteten Stadtvertreter,SBV-Verantwortliche, Politikerund Bewohner des Stadtteils ge-meinsam an möglichen Lösungen.Ein „Masterplan Wohnen“ über-setzte erste Arbeitsergebnisse inein städtebauliches Quartiersent-wicklungskonzept. Ergänzendwurden der fließende und ruhendeVerkehr untersucht. Schließlichgab es ein Erschließungskonzept,das auch Aussagen für die Unter-bringung von Parkplätzen undStellplätzen für den ruhenden Ver-kehr empfahl.

Auf dieser Grundlage wurde imSommer 2009 ein freiraumplane-rischer Ideenwettbewerb für dasProjekt mit dem Titel „Wohnen fürGenerationen“ ausgelobt. Reali-siert werden sollte eine Quartiers-mitte in Form eines Stadtteilparks(Einzelne Wettbewerbs-Beiträgefinden Sie auf Seite 62). Prozess-begleitend gab es frühzeitig RundeTische mit Anwohnern, Anwoh-nervertretern und verschiedenensozialen Institutionen. Schon baldwurde der Umfang der Aufgabedeutlich – es ging um den Umbauder kompletten Siedlung Fruer-lund-Süd: Sanierung von 465Wohnungen mit mehr als 24.000m² Wohnfläche, Abriss von 293Wohnungen mit mehr als

den Neubau von 207 Wohnungenmit 13.400 m² in 20 Gebäuden (an-fangs waren 198 Wohnungen in 19Gebäuden geplant), dazu kam dieUmgestaltung der öffentlichenStraßenräume mit vier Straßen undder Neubau eines Stadtteilparks alsneuer Quartiersmitte.

Fünf Beiträge von Landschaftsar-chitekten gingen beim freiraumpla-nerischen Wettbewerb „Wohnenfür Generationen“ ein. Am 9. Ok-tober 2009 entschied dann eine Ju-ry, besetzt mit Fachleuten desSanierungsträgers, der Stadt Flens-

Beim freiraumplanerischen Ideenwettbewerb setzten sich die Flensburger Landschafts-architekten kessler.krämer mit diesem Entwurf gegen die Mitbewerber durch.

FreiraumplanerischerWettbewerb unter dem Motto„Wohnen für Generationen“

Nicht umgesetzt wurde der Entwurf der Hamburger Landschaftsarchitekten arbos (s.o.)

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burg, Politik und Genossenschaftsowie unabhängigen Landschafts-architekten aus Schleswig-Holsteinüber die Entwürfe (s.S.62).

Schließlich setzte sich das Flens-burger Büro kessler.krämer durch.Mit ihrer Idee eines Quartiersparks,überzeugten sie das Preisgericht.Die Experten lobten außerdem „dieräumliche Ausformung durch dieVeränderung der Baukörperaus-richtung der Wohngebäude nörd-lich des Parks, so dass derwestliche Baukörper giebelständigin der Baulinie am Mühlenholzsteht“. Später wurden die Pla-nungen leicht modifiziert und umeinen Parcours mit Sportgerätenergänzt. Die Idee, den Park zueinem Zentrum für Begegnungenim Viertel zu machen, wurde nochwährend der Bauarbeiten und vorseiner offiziellen Eröffnung vonden Bewohnern mit Leben gefüllt.

Die Planungen für den Stadtumbauschritten zügig voran, dafür hatteFlensburg mit Blick auf die Finan-zierung notwendiger Maßnahmengute Vorarbeit geleistet: Schon2004 legte die Stadt als erste inSchleswig-Holstein ein Wohn-raumversorgungskonzept vor. Da-mit übernahm sie im „StadtumbauWest“ eine Pilotfunktion für ande-re Städte.

Ursprünglich war das Förderungs-programm „Stadtumbau 2004“ fürden Aufbau Ost ins Leben gerufenworden. Nun wurde es als„Stadtumbau West“ auf die westli-chen Bundesländer übertragen unddamit die finanzielle Ausstattungeines neuen Handlungsfeldes nach§ 171 BauGB ins Leben gerufen.

Maßnahmen des Stadtumbaus die-nen der Beseitigung erheblicherstädtebaulicher Funktionsverlusteund der Herstellung nachhaltigerstädtebaulicher Strukturen. In die-sem Zusammenhang werden auch

Die Jury wählt aus fünf Beiträgen den Siegentwurf aus (links stehend: Fachpreisrichter HansFriedrich Kroll, rechts sitzend: Sabine Kling, Innenministerium Schleswig-Holstein). Ritschel

Finanzierungshilfe aus demStädtebau-Förderungsprogramm

„Stadtumbau West“

DiDiese ZiZi lele wu drden ffüürFFruuue lrlundd fform luliie trt

VVerrbbesserung dder WW hohn- u dnd LLe-bbennsqualität imm Sttaddtttteieill füfürr alallele GGe-enneraattionen durcch:

SSttädtebaulicchee NNeuoordnuung, ins-bbesonndere der Geebääude undd der öf-ffenttlichen, haalbböfffentllicheen unddpprivvaaten Freifläächhenn.

VVVerbesserunng derr Nuutzunngsmmögg-liichhkkeiten undd GGestaltuungssquq alität,,innsbbeesondere BBerrüccksicchtigung derAAnsspprüche vonn FFammilien, Kindernuundd SSenioren.

SScchaffung eieineness heheteterorogegenenennWWoohhnungsangebotes für unter-sschieedliche Bevölkerungsgruppen,wwie e SiSiSingnglleles,s, PPPaaaarere,, SSeSe ininiororenen uu dndndFaFamimililienen.

VVe hrhiindderung ieines so izi lalennAbAbrurutstschchenenss dedess QuQuarartitiererss dudurrchheinseitige Nachfrage nach kleinneem,günstigem Wohnraum.

EEnerge itischhe SSanieierung der BBe--ststänändede uundnd UUmsmstet lllunng der Wärrmme--und Warmwassservverrsorgung aauffFernwärme.

Erhaltt unnd Staabiilisierung dderrNahvversoorguung.

Neeuorrdnuung dess rruhenden VVeer--kkehrss.

Scchaffffungg vonn BBeggegnungs- uunddAufenthaaltsfllächhen imm öffentlichheen,wie im privatten FFreeiraaum.

Realisierung derr hhochgesteckkttennGeGestala tunggszieelee.

2010 floss dieses Zielkonzept in denRahmenplan Fruerlund-Süd ein, derGrundlage für die nachfolgendenSanierungsschritte war.

„Wir sind stolz auf das neueFruerlund – eines der schönstenund modernsten Quartiere hier.“

Raimund DankowskiVorstandsvorsitzender SBV eG

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Aspekte wie Wirtschaft, soziale In-frastruktur, Verkehr, Frei- undGrünraumplanung in die Entwick-lungskonzepte integriert.

In Flensburg übernimmt seit 2003die Gesellschaft für Stadterneue-rung mbH „IHR Sanierungsträger“die Betreuung der Stadterneue-rungsprozesse. Die hundertprozen-tige Stadttochter hat dabeiAufgaben wie die Abrechnung, dieOrganisation der Beteiligung oderdie Beratung und Vorbereitung derrechtlichen und planerischen Ins-trumente. IHR Sanierungsträgerentwickelt heute in Flensburg fünfStadtumbau-Gebiete: Hafen-Ost,Südstadt, Wasserlooser Weg, Mar-rensdamm und Fruerlund-Süd. Inallen Gebieten spielt die Bewoh-nerbeteiligung eine besonderswichtige Rolle.

Fruerlund-Süd wurde mit Be-schluss der Ratsversammlung im

Stadtumbaugebiet festgelegt. Kurzvor Umsetzung der Maßnahmenwurde der Stadtteil zum förm-

BauGB erklärt. Dies diente u.a. derFinanzierung der umfassendenUmbaumaßnahmen an der öffent-lichen Infrastruktur, wie der Stra-ßenumbaumaßnahmen im Mühlen-holz, der Fruerlundlücke, der Ost-landstraße, der Gerhart-Haupt-mann-Straße und dem Stadt-

teilpark. Darüber hinaus ermögli-chte das umfassende Sanierungs-recht, Einzeleigentümer imQuartier durch eine steuerlicheFörderung von Maßnahmen bei derSanierung mitzunehmen. Hierdiente das Sanierungsrecht alsInstrument zur Aktivierung vonPrivatleuten, die ebenfalls in ihreBestände investieren wollten. Imumfassenden Sanierungsverfahrenkamen so lediglich Ausgleichsbe-träge auf die Eigentümer zu.

Im Kasten oben geben wir einenÜberblick über die konkreten För-dertatbestände. Sie waren Bestand-teil des städtebaulichen Förder-konzeptes, das letztlich zur Grund-lage des zwischen der Stadt unddem SBV vereinbarten Stadtum-bauvertrages wurde. Die Zusam-menarbeit zwischen Stadt undGenossenschaft ist als eine öffent-lich-private Kooperation zu be-zeichnen. Sie ist Ergebnis eineslangen, nicht immer einfachen oderkonfliktfreien Verhandlungspro-zesses zwischen allen Beteiligten.

In diesem Stadtumbauvertrag wur-de niedergelegt, wer zu welchemZeitpunkt der Umsetzungsmaß-nahmen was zu tun, und wer wel-

che Maßnahme zu finanzierenhatte. Die zügige und erfolgreicheUmsetzung der Stadtumbaumaß-nahmen in Fruerlund-Süd lässt sichnach unseren Erfahrungen heuteauf das integrative und kooperativeHandeln aller beteiligten Projekt-partner zurückführen: der StadtFlensburg, des Sanierungsträgers,des Selbsthilfebauvereins und desLandes Schleswig-Holstein mitdem Referat Städtebauförderung.Gemeinsam haben sämtliche Be-teiligten die Erneuerung des Quar-tiers unter Berücksichtigung derzahlreichen stadtentwicklungspoli-tisch relevanten Aspekte umge-setzt. Zu nennen sind hierinsbesondere die konzeptionelleund finanzielle Verschränkung vonMaßnahmen der Wohnraument-wicklung und der städtebaulichenErneuerung des Quartiers, dernachhaltigen und sozialen Stadt-entwicklung und der Integrationenergetischer Sanierungsmaß-nahmen. Während der Umsetzungwurden die Stadtumbaumaßnah-men und die Maßnahmen andererTräger durch eine Arbeitsgemein-schaft Hochbau/Freiraum und eineübergeordnete Lenkungsgruppekoordiniert. Die enge Zusammen-arbeit der beteiligten Akteure aufder Arbeitsebene hat die zügigeund reibungslose Umsetzung allerMaßnahmen in Fruerlund-Südermöglicht.

Andreas Gutschank

Öffentlich-Privates Teamals Fundament

Einsatz von Fördermitteln aus dem „Stadtumbau West“

1. Vorbereitung der Gesamtmaßnahme. Hierzu gehörten Gutachten und Konzepte, wie z. B. die Bearbeitung desintegrierten städtebaulichen Entwicklungskonzeptes, städtebauliche Planung, Vermessungen, Bodenunter-

suchungen, naturschutzrechtliche Fachbeiträge und Öffentlichkeitsarbeit.

2. Durchführung von Ordnungsmaßnahmen wie dem Abbruch von Gebäuden einschließlich der Freilegung derGrundstücke; Erstattung der Kosten für notwendige Leitungsverlegungen an die Träger der Leitungsinfra-struktur, hier insbesondere Fernwärme; Grunderwerb für öffentliche Straßen und Parkanlagen.

3. Planung und Umgestaltung der öffentlichen Straßen und die Herstellung der Parkanlage als neue Quartiers-mitte.

4. Umsetzung kommunaler gemeinbedarfsorientierter Baumaßnahmen wie die anteilige Finanzierung einerKindertagesstätte, eines gemeinsamen Mensa/Aufenthaltsraumes mit der angrenzenden Grundschule und dieHerstellung der zugehörigen Spiel- und Freiflächen auf dem Kindercampus.

5. Kosten des beauftragten Sanierungsträgers zur Steuerung und Koordinierung der Gesamtmaßnahme.

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Inden saneringsarbejdet be-gyndte, var der talrige sam-taler mellem de involverede

parter. Derved viste det sig, atmange indbyggere var glade forat bo i deres bydel, især dem,som har oplevet denne bydelsoprindelse som flygtningekvar-ter. De måtte dog allesammenkonstatere, at den nødvendigevedligeholdelse af både bygnin-ger og infrastruktur samt de fo-randrede krav til brugen og destigende sociale problemstillin-ger gjorde, at det var nødvendigtat beskæftige sig med planlæg-ning af hele bydelens fornyelse.

Fra året 2005 arbejdede kommu-nens repræsentanter, SBVansv-arlige, politikere og bydelensbeboere fælles på mulige løsnin-ger. Der blev udviklet en bolig-masterplan, et bydelsudviklings-

koncept og et trafik/byggemod-ningskoncept.

I 2009 blev der udskrevet enidékonkurrence med titlen „Bo-liger for generationer“. En jurymed 11 medlemmer udvalgte enkonkurrencevinder blandt defem landskabsarkitektoniskeforslag.

Virksomheden „kessler.krämer“fra Flensborg får førsteprisenmed dens idé om en bydelspark.Idéen er, at lave parken til etcentrum for mødet mellem gene-rationerne, og beboerne tagerideen til sig allerede under byg-gefasen og inden den officielleindvielse.

I Fruerlund saneres 465 lejlighe-der med mere end 24.000 m²boligareal, 293 lejligheder (18

bygninger) med 12.000 m²bliver nedrevet, 207 lejligheder(20 bygninger) med 13.400 m²bliver nybygget, fire offentligeveje bliver fuldstændig lavet om,bydelens park bygges som nytcentrum for området og adskil-lige forsyningsledninger etable-res. I fremtiden skal skolen medet anneks og gennem en kombi-nation af en børnehave og enkantine udvides til et børnecam-pus.

Afgørende for successen meddisse ombygningstiltag, er bådedet tætte samarbejde mellem deinvolverede aktører og mulighe-den for at finansiere tiltagenemed midler fra både „Wohn-raumförderung/tilskud til ska-belse af boliger“ og „Städte-bauförderung/tilskud til byfor-nyelse“.

En bydel opfinder sig på ny

Dewanger

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Wie gesagt: Von der Ideeeiner Neugestaltung desStadtteiles Fruerlund-

Süd waren die beteiligten Verant-wortlichen bei SBV, Stadt und Sa-nierungsträger schnell überzeugt.Aber wie nun diese Idee umsetzen?Wer musste beteiligt werden? Undwie gestaltet man einen Stadtteilneu, wenn hierfür 293 Wohnungenabgerissen und 465 bewohnteWohnungen saniert werden sollen,hunderte Mieter zeitweise umzie-hen müssen und sämtliche Kanäleund Leitungen ebenso alt und sa-nierungsbedürftig sind wie dieStraßen darüber?

Denn: Schnell stellte sich heraus,dass die alten Straßen gar nicht inder Lage sein würden, den Baustel-lenverkehr mit entsprechendschweren Fahrzeugen unbeschadetzu überstehen. Und schließlich gabes auch noch die Idee der Stadtpla-ner, das Quartier städtebaulich neuauszurichten. Die Gebäude sollten

mehr zur Sonne hin orientiert wer-den, Freiflächen eine attraktive undkommunikationsfördernde Gestal-tung erhalten. So würden auchsämtliche Ver- und Entsorgungs-leitungen erneuert oder zumindestangepasst werden müssen.

Eine Arbeitsgruppe aus den unter-schiedlichen beteiligten Abtei-lungen des SBV, dem Sanierungs-träger, aus Stadtplanern und Archi-tekten wurde gegründet, erste Pla-nungsaufträge erteilt. So bildetedie Flensburger PlanungsgruppePlewa eine Arbeitsgemeinschaftmit den arbos-Landschaftsarchi-tekten aus Hamburg. Diese Gruppeerarbeitete das Quartiersent-wicklungskonzept „Inneres Fruer-lund 2015“. Daten zurBevölkerungsstruktur und -ent-

wicklung sowie zur Sozial- undAltersstruktur wurden erhoben undausgewertet, die räumliche Struk-tur wie Freiflächen, Verkehrsflä-chen, Gebäudenutzungen, diesoziale Infrastruktur einschließlichder Orte für Begegnungen unter-sucht.

Es folgte eine Analyse des Miet-wohnungsbestandes: Wohnungs-größen, Ausstattungsstandards,Mietniveau, Fluktuation undWohnzufriedenheit wurden erho-ben. Städtebauliche Potenzialeund Defizite waren schon zuvorermittelt, eine SWOT-Analyse lagvor (s. S. 31). Stärken und Schwä-chen sowie Chancen und Risikendes Stadtteils waren mit dem Zielbeschrieben, die Stärken auszubau-en, Schwächen oder Risiken zubeseitigen und Chancen zu nutzen.Aus all diesen Untersuchungenund Analysen wurden schließlich„Maßnahmen zur Umsetzung desStrukturkonzeptes“ abgeleitet.

Von der Idee zur UmsetzungNach den gemeinsamen Vorüberlegungen, machen sich die Beteiligten an die Arbeit.Das Ziel ist sehr ambitioniert. In nur fünf Jahren soll Fruerlund völlig neu gestaltet sein –Stadt, Genossenschaft und die Bewohner im Viertel stehen vor einer Herkulesaufgabe.

Wichtig für alle Beteiligten:Die Einbeziehung derBürger in Fruerlund

Planungsstand September 2009: Die ursprünglichen Pläne wurden über die Jahre kontinuierlich fortgeschrieben und weiterentwickelt.

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SBV-Sozialarbeiter Frank Raguse(links) war ein fester Ansprechpartner.

Günter Krappitz (SPD) setzte sich enga-giert für die Bürgerinteressen ein.

Stadtumbau-Workshop für Fruerlundmit Cornelia Plewa (l.)

Seit Mai 2005 wälzten Bürger, Planerund Politiker Pläne. Fotos: Schnoor

Die gemeinsame Arbeit förderte auchdie persönliche Begegnung im Viertel.

Regelmäßig stellten die Beteiligten dieZwischenergebnisse der Arbeit vor.

Frank Rolfes von der Stadt Flensburggehörte zum Runden Tisch.

Während der Treffen wurde konzentriertgearbeitet.

Hierzu gehörten die „Differenzie-rung des Wohnungsangebotes undAusrichtung auf heutige und zu-künftige Wohnansprüche“, „Barri-erefreies Wohnen“, Gestaltung desWohnumfeldes.

Von Beginn an war den Beteiligtendaran gelegen, sämtliche notwen-digen Fachdisziplinen wie etwaStädtebau, Architektur, Land-schaftsarchitektur, Raum- und So-zialwissenschaften sowie dieImmobilienwirtschaft umfassendeinzubinden. Daneben war diefrühzeitige Einbeziehung der be-troffenen Bürger im Viertel insbe-sondere für die Genossenschaft einSchwerpunkt. So begann das Pro-jekt „Stadtumbau West“ in Fruer-lund-Süd aufbauend auf dieErgebnisse der SWOT-Analyse,mit einem Startworkshop unter Be-teiligung der örtlichen Akteure undder Bürgerinnen und Bürger. Werwollte, konnte die Vorgaben über-prüfen und ergänzen. Gemeinsamwurde über Trends und die Zukunftnachgedacht, um Fragen und The-men zur weiteren Bearbeitung ab-zuleiten. Es wurden Interviews undGespräche geführt und Zwischen-ergebnisse diskutiert.

Die Mitwirkungsbereitschaft derlangjährig im Gebiet lebenden Be-wohnerinnen und Bewohner war sogroß wie ihr Engagement zur Wei-terentwicklung des Quartiers. Hierzeigte sich der Genossenschaftsge-danke, das „Wir“ und das „Mitein-ander“ im gemeinsamen Ziel, zumeinen den Wohnstandort „Fruer-lund“ unverwechselbar zu positio-nieren und seine Qualitäten,Potenziale und Akzeptanz bei denMietern herauszustellen. Zum an-deren ging es den Verantwortlichendarum, den Ängsten der Mieter zubegegnen, die sich plötzlich mit derDarstellung flächenhafter Abrissevon Gebäuden in ihrem Viertelkonfrontiert sahen. Statt einer Kün-digungswelle wollten sie eine Auf-bruchstimmung sehen, die Fruer-lund überflutete: Immerhin gab esnun Chancen und Möglichkeitenfür eine gemeinsame Entwicklung,

„Die ausgeprägteMitwirkungsbereitschaft war

beeindruckend.“Frank Rolfes

Stadt Flensburg

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Wohnserviceleiterin Gesa Kitschke kümmerte sich mit ihremTeam um die Fruerlunder Mieter. Voigtländer

SBV-Mitarbeiterin Jessica Behernd informierte im persön-lichen Gespräch . Schnoor

die nur Jahre zuvor nicht einmaldenkbar war.

Und das Kunststück gelang: Nachdem Startworkshop im Mai 2005trafen sich interessierte Bürgermehr als 30 Mal, um sich zu infor-mieren und eigene Anregungen insGeschehen einzubringen. Es wurdeselten gemeckert, Baulärm undStaub waren zwar lästig, aber zu-meist kein Grund zur Klage.

Dass die Sorgen und Ängste imViertel nicht überhandnahmen,nachdem 2010 die ersten Baggeranrollten, war ein besonderes Ver-dienst der Mitarbeiter des SBV. Siesahen sich vor allem in der An-fangszeit Sorgen und Problemender Fruerlunder gegenüber, für de-ren Lösung sie Fingerspitzenge-fühl und viel Sinn fürs Praktischebrauchten. Es galt, Menschen miteinem neuen Zuhause oder zumin-dest einer Übergangslösung zu ver-sorgen. Betroffen waren dieBewohner von 465 zu sanierendenWohnungen und 293 Wohnungen,die später abgerissen wurden. DieKollegen zeigten viel Kreativitätund Engagement. So waren sie es,die in einem Wettbewerb dem Pro-

jekt seinen Namen gaben: „Fruer-lund – Wohnen für alleGenerationen“. Im Viertel wurdedieses Motto zum Begriff, mit demjeder etwas anfangen kann: „Obklein oder groß – jeder Menschkann hier glücklich werden undsein Zuhause finden“, sagte Wohn-service-Leiterin Gesa Kitschkespäter beim Fertigfest. Das Rezeptim Umgang untereinander und mitden Menschen im Quartier war ein-fach, aber wirksam. „PersönlichesGespräch“ und „Erreichbarkeit“waren die Zauberworte. Und wennschon das Telefon ständig besetztund das Büro zumeist überlaufenwar, so gab es immerhin rund umdie Uhr die Möglichkeit, sich on-line zu informieren oder über einFormular sein Anliegen vorzutra-gen. Auf einer Homepage, die nurfür den Stadtumbau gestaltet wur-de, luden Sanierungsträger undSBV die jeweils neuesten Nach-richten und Fotos aus dem Viertelhoch.

Die Geschäftsordnung der Fruer-lunder Runde war dort ebenso zufinden, wie sämtliche Protokollegemeinsamer Arbeitssitzungen,Presseartikel und Informationen

für und aus der Nachbarschaft. So-gar eine Stadtteilzeitung stand zumDownload für diejenigen bereit,die das Druckwerk mit Nachrich-ten und persönlichen Berichten ausFruerlund nicht in ihrem Briefkas-ten gefunden hatten. Frank Rolfes,damals verantwortlich als Leiterdes Sanierungsträgers, erinnertsich heute: „.Das Kommunikati-onskonzept erwies sich schnell alstragfähig und führte in Ergänzungzu den Runden Tischen und derÖffentlichkeitsarbeit des SBV zurAkzeptanz bei den Bewohnern.“

Die ersten sichtbaren Verände-rungen kamen dann schon vor2010. Fruerlund begann sich zuverwandeln, als der SBV 2008 seinneues Verwaltungsgebäude an derMürwiker Straße 26 beziehenkonnte. Der Eingang zum Viertel,der Hof mit dem ehemaligenWaschhaus wurde nach den Plänendes Büros arbos aus Hamburg neugestaltet und mit dem Wolkenbrun-nen des Flensburger Künstlers

Es geht los:Das neue SBV-Haus wird

zur Initialzündung

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Schwerpunkt-VeranstaltungenStadtumbau West in Fruerlund-Süd

24.05.2005 Workshop Quartiersentwicklungskonzept11.09.2007 1. Runder Tisch28.04.2008 2. Runder Tisch24.05.2008 Ideenwerkstatt mit Bürgern aus Fruerlund-Süd06.10.2008 3. Runder Tisch01.07.2009 4. Runder Tisch07.07.2009 Bürgerversammlung im Fördegymnasium10.09.2009 Bürgerinformation in der Furerlund-Schule28.10.2009 5. Runder Tisch06.11.2009 Bürgerversammlung im Fördegymnasium10./12.05.2010 Planungswerkstatt Kindertagesstätte18.05.2010 Bürgerversammlung Rathaus18.05.2010 Planungswerkstatt Grundschule19.05.2010 Planungswerkstatt Heranwachsende29.05.2010 Planungswerkstatt Erwachsene/Ältere Menschen14.06.2010 6. Runder Tisch30.06.2010 Informationsabend des SBV für die Nachbarschaft08.12.2010 7. Runder Tisch11.01.2011 Sanierungstreff im Rathaus22.09.2011 Ortstermin Willi-Sander-Platz 8-1228.09.2011 8. Runder Tisch26.10.2011 Workshop mit den Anwohnern des Klabundeweges11.01.2012 Sanierungstreff im Rathaus22.02.2012 Diskussionsauswertung des Workshops mit den An- wohnern des Klabunde- und Resselweges14.05.2012 1. Spatenstich für den neuen Quartierspark Fruerlund12.02.2013 9. Runder Tisch18.04.2013 Ortstermin mit den Anwohnern der Fruerlundlücke 8-1215.05.2013 Bürgerversammlung28.03.2014 1. Spatenstich Ostlandstraße12.08.2014 Einweihung des neuen Quartiersparks und

Uwe Appolt bei einem zünftigen„Wohn- und Wetterfest“ der Öf-fentlichkeit übergeben. Derweil ar-beitete das vom Generalunter-nehmer Bauplan Nord beauftragteFlensburger Architekturbüro As-mussen & Partner an der städte-und hochbaulichen „Vision Fruer-lund“. Das VerkehrsplanungsbüroSBI, Hamburg, erstellte danebendas verkehrliche Erschließungs-konzept im Auftrag des Sanie-rungsträgers. Beide Konzeptewaren auf ihre Art visionär undsollten grundlegende Änderungenfür die Strukturen des Stadtteils mitsich bringen.

Die städtebauliche Vision Fruer-lunds des Architekten Axel Waltjemit seinem Abriss von 18 Häusernund den Neubau von 20 zur Sonneausgerichteten Mehrfamilienhäu-sern wurde spätestens 2009 positivaufgenommen. Insbesondere dieIdee der Freistellung einer Flächefür einen Stadtteilpark in der Quar-tiersmitte fand Anklang bei Stadt-planern und Entscheidungsträgern.

Dagegen hatte das Verkehrskon-zept der Planer SBI anfangs miterheblichen Vorbehalten zu kämp-fen. Die verfügbaren Flächen zurUnterbringung des ruhenden Ver-kehrs waren einfach zu klein. DieQuartiersmitte hätte statt einer grü-nen Erholungsfläche ein PKW-Parkplatz werden können. Einesolche Lösung schlugen die Planeraber nicht vor. Stellplätze musstenstatt dessen kleinteilig auf denBaugrundstücken im Stadtteil ver-teilt und durch eine sorgfältige Ge-staltungsplanung in die Freiflächenintegriert werden. Die Straßenwurden auf eine Regelbreite von

Begegnungen war damit nur nochan dafür vorgesehenen Stellenmöglich. Der frei werdende Raumwurde für Längsparkplätze in derStraße genutzt. Die Feuerwehr ge-langte so wieder durch die Straßen.Die Gehwege wurden auf 2,55 Me-ter verbreitert, das schuf Raum fürKinderwagen, Rollatoren – undstellte eine barrierefreie Gestaltung

Eine Homepage für Fruerlund: In der ersten Version ist noch der Anker als Wahrzei-chen des Quartiers zu sehen. Später veränderte sich das Aussehen der Internetseite.

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sicher. Im Folgenden die konkretenPlanungen:

MühlenholzDas Mühlenholz ist die „Quar-tierserschließende Straße“. Geh-wege auf 2,55 Meter verbreitert,Straße ist nun Tempo-30-Zone,Gliederung der Fahrbahn durchabschnittsweise Parkbuchten mitFugenpflaster und Straßenbäumen.Regelfahrbahnbreite: 3,50 Meter,Begegnungsbereiche mit Fahr-bahnbreite von 5,50 Metern. Ober-flächenbeläge betonen Gliederungund schaffen optische Aufwertungdes Straßenraumes.

OstlandstraßeAuch die Ostlandstraße ist eineQuartierserschließende Straße:Gehwegeverbreiterung auf 2,55Meter, Tempo-30-Zone, Fahrbahn-gliederung durch abschnittsweiseParkbuchten mit Fugenpflaster undStraßenbäumen. Regelfahrbahn-breite 3,50 Meter mit Parkbuchten.Begegnungsbereiche mit Fahr-bahnbreite: 5,50 Meter. Oberflä-chenbeläge betonen die Gliederungdes Straßenraumes und schaffeneine optische Aufwertung.

FruerlundlückeDie Fruerlundlücke ist eine Wohn-straße. Hier gilt nun das Mischver-kehrsprinzip: Fußgänger, Rad-fahrer und PKW sind gleichbe-rechtigt. Fahrgeschwindigkeit istSchrittgeschwindigkeit. Fahrbahn-gliederung durch abschnittsweiseParkbuchten mit Fugenpflaster undStraßenbäumen. Regelfahrbahn-breite: 3,80 Meter. Begegnungs-stellen Fahrbahnbreite: 5,50 Meter.Daneben Randeinfassung zumPark mit 15 cm Blockstufe alsÜberfahrschutz.

Die Entscheidung des SBV, seineZentrale zurück in den StadtteilFruerlund, in die Nähe des ur-sprünglichen GründungsstandortesNettelbeckplatz 16 (heutiges Müh-lenholz 26, Goldschmiede Reich)zu verlegen, füllte den historischenStandort der Genossenschaft wie-der mit Leben. Der Neubau fügtesich als moderner Anbau an daserste eigenständige SBV-Verwal-tungsgebäude an und schaffte eineVerbindung zwischen Historie undModerne. Sein Bau wirkte wie eineInitialzündung für den Stadtum-bau; nicht zuletzt auch, weil damit

schon eine Neugestaltung desMühlenhofes erreicht wurde. Dergroßzügige Platz vor der SBV-Zentrale (heute Willi-SanderPlatz) veränderte den Eingang indas Quartier durch das Portal vonder Mürwiker Straße 26 aus. Mitihm wandelten sich erstmals städ-tebauliche Defizite, die das Quar-tiersentwicklungskonzept für denBereich Fruerlund-Süd benannthatte: Der Platz ist heute ein posi-tives städtebauliches Anschau-ungsobjekt. Durch das inFlensburg bekannte Brückenge-bäude von der Mürwiker Straßeaus gelangen die Besucher in eingroßzügig gestaltetes, modernesWohnquartier. Es ist ein symbo-lischer Schritt von der genossen-schaftlichen Historie in dieModerne, denn das Tor zwischendem traditionellem roten50erJahre-Klinkerbau und demmodernen 360°-Gemeinschafts-haus beherbergt noch immer denersten Sitzungssaal der Genossen-schaft von 1958 und trägt einSgraffito in den Brüstungsfeldern,das die Geschichte von Flucht undVertreibung und dem Neuanfang inFruerlund erzählt (s. S. 20).

Der neue Willi-Sander-Platz: Ein Ensemble, das Tradition und Moderne miteinander vereint. Fotos: Schnoor

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Die Toreinfahrt zum Wohnquartier verbindet mit seinem Sgraffito in den Brüstungsfeldern weiterhin Gestern und Heute.

Das Wetter setzte seine eigenenZeichen zum Start des Stadtum-baus in Fruerlund: Mit Beginn derAbrissarbeiten schüttete es ausgrauen Wolken. Der Abschied vomalten Viertel war trist. Als dann guteinen Monat später, im September2010, Schleswig-Holsteins amtie-render Innenminister Klaus Schlie(CDU) gemeinsam mit SBV-Vor-stand Raimund Dankowski denGrundstein zum Stadtumbau legte,lachte die Sonne wieder am Him-mel. Zur Feier des Tages warenhunderte Gäste angereist. Politiker,Pressevertreter, Bewohner und na-türlich alle am Projekt Beteiligtenwollten in dieser besonderen Stun-de dabei sein. Innenminister KlausSchlie nannte das Projekt „Woh-nen für Generationen“ ein zu-kunftsweisendes Vorhaben: „Mitder aufwendigen Umgestaltung desWohnquartiers wird die Lebens-qualität im gesamten Stadtteil dau-erhaft erhöht“, lobte er und hob dasEngagement von Stadt und SBVhervor, die sich gemeinsam der

Aufgabe gestellt hätten. „So wirdes möglich, dass die Menschen, diein Fruerlund ihre Heimat gefundenhaben, dort auch weiterhin wohnenkönnen.“ Er freue sich, dass dieWohnraumförderung des Landesdazu durch finanzielle und förder-rechtliche Unterstützung den Bo-den bereitet habe. Das Geld sei„gut angelegt“, zitierte das Flens-burger Tageblatt den Minister. DerKooperationsvertrag zwischen derStadt Flensburg, SBV und Investi-tionsbank, die im Namen der Lan-

desregierung agiere, ermöglichedem Unternehmen eine flexibleVergabe der geförderten Woh-nungen. Mögliche Überschüsseaus höheren Mieten oder wegeneiner sinkenden Fluktuation kön-nen so dem Projekt zugutekom-men. „Damit werden stabileWohn- und Nachbarschaftsverhält-nisse geschaffen”, sagte Schlie undlächelte dann zum Abschluss sei-ner Rede.

Frank RolfesAnette Schnoor

Grundsteinlegung:Ministerbesuch, viel Lobund ein ehrgeiziges Ziel

Gesamtinvestitionsvolumen „Wohnen für Generationen“

24,6 Mio Euro aus der sozialen Wohnraumförderung als IB.SH-Kredit an denSBV für Hochbaumaßnahmen

21 Mio Euro von der Kreditanstalt für Wiederaufbau, kurz KfW, als Kreditan den SBV für Hochbaumaßnahmen

8,4 Mio Euro Einsatz von Eigenmitteln des SBV

1,3 Mio Euro Kapitalmarktdarlehen

2,6 Mio Euro von der genossenschaftseigenen Spareinrichtung

Städtebauförderung: 2,25 Mio Euro (Land), 2,25 Mio Euro (Bund), rund 2,5Mio Euro (Stadt Flensburg)

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Fotos: Dewanger

Flensburger Tageblatt, 7. September 2010

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Alle deltagere – de ans-varlige hos SBV, kom-munen og de sanerings-

ansvarlige var lige fra startenhelt overbeviste om idéen om enny udformning af bydelen Fru-erlund Süd. Men hvordan kunnedenne idé realiseres? Hvemskulle deltage? Og hvordan ud-former man en bydel helt forfra,når det kræver nedrivning af293 lejligheder og 465 beboedelejligheder skal saneres? En ar-bejdsgruppe med medlemmerfra de forskellige SBV-afdelin-ger, saneringsansvarlige, by-planlæggere og arkitekter blevetableret. De første planlæg-ningsopgaver blev gennemførtog slutteligt fandt man frem tilde første „Tiltag til realiserin-gen af strukturkonceptet. Detvar SBV-medarbejdernes sær-

lige fortjeneste, at bekymringer-ne i bydelen ikke blev alt forstore. Medarbejderne så sig isæri starten konfronteret med bebo-ernes bekymringer og proble-mer og for at løse dette, skal dermegen indfølingsevne og sansfor det praktiske til. Det handle-de om at forsyne beboerne medet nyt hjem eller i det mindstemed en overgangsløsning. Be-boerne af 465 lejligheder, somskal saneres og 207 lejligheder,som senere nedrives var ramt afdenne problematik.

De første byggemæssige fo-randringer stod så allerede fær-dige i 2008 med det nye SBV-hus, hvor boligselskabets admi-nistration flyttede ind. Der, hvordet fælles vaskehus for bydelentidligere stod, ses nu den nye,

rummelige Willi-Sander-Platz.På samme tidspunkt arbejder detlokale arkitektkontor Asmussen& Partner, som allerede var ans-varlig for bygningsplanlægnin-gen, på by – og byggeudviklings-planen „Vision Fruerlund“. Tra-fikplanlægningskontoret SBI,Hamburg, udarbejdede en trafik-plan for at gøre området tilgænge-ligt og byggemoden og i 2010begynder så selve byggearbejdet.Med en investeringsvolumen på ialt 65 millioner Euro vækker det-te projekt stor opmærksomhed ihele delstaten og bliver vurderetsom fremtidssikret. Til det førstespadestik kommer den daværendeindenrigsminister Klaus Schlie ogviser sin begejstring: „Med denneoverdådige nye udforming af det-te boligkvarter bliver livskvalitet-en i hele bydelen varig øget.”

Fra idé til realiseringen

Dewanger

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Das neue Gesicht von Fruerlund

Das vom Flensburger Gene-ralunternehmer BauplanNord beauftragte Archi-

tekturbüro Asmussen & Partnerund die Landschaftsarchitektenkessler.krämer verantworten heutedas städtebauliche Konzept hinterdem neuen Fruerlund, hinter dem„Wohnen für Generationen“. Siehaben es gemeinsam mit den vielenAkteuren – dem Sanierungsträgerder Stadt Flensburg, dem SBV,den Handwerksfirmen und nichtzuletzt den engagierten Bewohne-rinnen und Bewohnern – ge-schafft, das Viertel modernenWohnansprüchen anzupassen undihm dennoch nichts von seinemCharakter als Genossenschaftsdorfin der Stadt zu nehmen. Zentrum

des neu entstandenen Stadtteils istder Quartierspark. Hier schlägt dasHerz der Nachbarschaft, gibt esPlatz für Freizeitspaß und Begeg-nungen, spielen Kinder auf Spiel-plätzen und Kickerfeld, halten sichdie Älteren an den Fitnessgeräten„open air“ beweglich.

Eine Herausforderung war zuvordie Entwicklung eines neuenHaustyps gewesen, der modernenWohnansprüchen gerecht werden,sich daneben aber in die bestehen-de Struktur der 50er Jahre einfügenund ein Zuhause für junge Leute,Familien mit Kindern und Seniorengleichermaßen bieten sollte. Ur-sprünglich waren entlang der Stra-ßen in Fruerlund kasernenartige,

dreigeschossige Mehrfamilienhäu-ser mit einem Hochparterre ent-standen. Nun entschieden sich dieArchitekten Axel Waltje undVolker Dücker für barrierearmeHäuser mit einem Parterre zur ebe-nen Erde und Walmdächern, derenFirst die Höhe der alten Gebäudeübernehmen. Sie drehten vieleHäuser um 90 Grad, so dass dieWohnräume heute nach Südenoder Westen ausgerichtet sind. Esentstanden Innenhöfe, auf denenMieter Raum für ihre Autos finden.Mit kleinen Gärten, Terrassen undLoggien gibt es daneben individu-elle Außenflächen.

In einem Leitfaden zur Planungschrieben die Verantwortlichen:

Von 2010 bis 2014 ist keine lange Zeit. Gerade einmal vier Jahre dauerte es, um dasTraditionsviertel völlig neu zu gestalten. Der Kraftakt gelang, weil alle – Bewohner,Genossenschaft, Stadt und Land – an einem Strang zogen.

Baustelle von oben: Der Flensburger Fotograf Marcus Dewanger hielt den Umbau in Fruerlund in Bildern fest. Dewanger

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Abbruch in Fruerlund: Anfang 2011 bot sich im Viertel ein trauriger Anblick.Fotos: Dewanger

Beinahe frei schwebend überstand der alte Sitzungssaal mit seinem denkmalgeschütztenFries die Arbeiten am neuen Gemeinschaftshaus 360º.

„Die Architektur der Gebäude istgeprägt von einer bewussten Zu-rücknahme einer eigenständigenDarstellung, das Motiv ist die Ge-samtheit. Die neuen Baukörpersollen durch ihre Gesamtheit städ-tebaulich wirken und keinen Kon-trast zu der bestehenden Bebauungbilden.“ Vier verschiedene Haus-typen wurden entwickelt, in denenheute Wohnungen mit unter-schiedlichen Grundrissen in Grö-ßen zwischen 50 und 90 Qua-dratmetern angeboten werden.„Die Fassaden gleichen sich bisauf leichte Variationen. In ihremBauvolumen ähneln die neuen Ge-bäude den alten Häusern. Auch dasverwendete Material, Putz undDachziegel, entspricht dem Be-stand.“

2010 lag das alte Fruerlund inTrümmern: 18 alte Gebäude wur-den abgerissen, um 20 neuen Platzzu machen. Weitere 27 Häuserwurden modernisiert und energe-tisch saniert. Straßen und Bürger-steige waren aufgerissen. Dasgesamte Viertel war eine riesigeBaustelle – auf der schon im Juni2011 die ersten elf SBV-Mit-glieder ihre neue Wohnung imMühlenholz 39 bezogen; unterihnen Anke und Samir Tuzlic.Schon damals, als junge Eltern,lebten sie viele Jahre in Fruerlund,weil es hier „schön ruhig“ ist unddennoch alles vorhanden, „was wirbrauchen“: Einkaufsmöglichkei-ten, Ärzte, eine Bank, Kindergar-ten und Schule. Dass sie erst ein-mal mitten im Baugetümmelwohnen würden, fanden die beidennicht besonders schlimm, genausowenig wie ihre neuen Nachbarn,das Ehepaar Sannowitz. Die San-nowitzens waren von Beginn anzwischen den entstehenden Neu-bauten unterwegs. Allesamt beob-achteten sie den Stadtumbau mitgroßem Interesse und mit wach-sender Freude. Schließlich „wirdhier bald alles neu und grün sein“.

Tatsächlich ging es schnell voran.Ein Haus nach dem anderen wuchsund wurde bezogen. Trotz Lärm,

„Der Stadtumbau in Fruerlund ist ein wichtiges Projektfür die Flensburger Stadtentwicklung. Wir freuen uns

über eine Fortsetzung am Wasserturm.“Torsten Koch

Geschäftsführer Bauplan Nord GmbH & Co. KG

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Winter 2011: Klirrende Kälte wird zur Herausforderung für die Bauarbeiter. Dewanger

Sommers wie winters wird auf der Riesenbaustelle gearbeitet. Bald ziehen die erstenBewohner ein. Fotos: Dewanger

„Wir waren schneller, als wir esursprünglich geplant hatten.“

Jörg NeumannProjektleiter SBV Flensburg eG

Baustaub und anfänglichen Unan-nehmlichkeiten herrschte zumeistgute Laune im Viertel. Der Beginneiner neuen Zeit lag in der Luft.Auftrieb bekam diese Stimmungein weiteres Jahr später, als im Juni2012 die Flensburger unter demMotto „Mittelpunkt Mensch“ Er-öffnung für das neue Gemein-schaftshaus „360°“ feierten. DieBegegnungsstätte stieß im gesamt-en Stadtgebiet auf Interesse, dennnicht nur SBV-Mitglieder sind hierwillkommen. Jeder Flensburgerkann als Anbieter oder Teilnehmervon Kursen, Selbsthilfegruppenund bei sonstigen Veranstaltungendabei sein. So sprach das Flensbur-ger Tageblatt von einem neuen„Herzstück“ des Stadtteils, das derGemeinschaftsaufgabe entspre-chend zusammen mit den Bürgernder Stadt gestaltet wurde: Im Erd-geschoss befinden sich Bäcker undCafé-Lounge. Im ersten Stock gibtes Veranstaltungsräume, die fürzahlreiche Gemeinschaftsaktivi-täten genutzt werden. Sogar eineprofessionell eingerichtete Küchebefindet sich im Haus. Danebensind Gewerbeflächen und Bürosuntergebracht.

„Ein generationsübergreifendesMiteinander“, wünschte sich Vor-standsvorsitzender Raimund Dan-kowski am Tag der Eröffnung fürdas neue Gebäude – und war baldschon überwältigt von dem Leben,mit dem es sich schnell füllte.Kaum ein Jahr später platzte dasAngebot der ehrenamtlichen Kurs-leiter aus allen Nähten. Tatsäch-lich: Jung & Alt waren unter demDach des neuen Gemeinschaft-hauses keine zwölf Monate späterbei Workshops, Kursen und Festi-vitäten vereint.

Verantwortlich für das Gebäudesind wiederum die Architekten As-mussen & Partner. Wie mit einerKlammer haben sie das Haus überdie denkmalgeschützte Brücke mit

Start frei für eingenerationsübergreifendes

Miteinander im 360º

Dewanger Schnoor

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Frühling 2013: Der Endspurt beginnt. Hier entsteht die Fruerlundlücke neu. Schnoor

Trotz Lärm und Dreck begleiten die Fruerlunder das Projekt wohlwollend. Die Bauar-beiter fühlen sich wohl im Viertel. Fotos: Dewanger

„Die städtebauliche Idee vomWohnen am Park ist aufgegangen.“

Axel WaltjeArchitekt Asmussen & Partner

dem alten, rot geklinkerten Ver-waltungsgebäude aus den 50erJahren verbunden. Ein grauer Ver-blendziegelstein gibt ihm Gestalt –das entspricht der einige Jahre zu-vor auf der anderen Seite errichte-ten neuen SBV-Zentrale. So bildenbeide Häuser als sichtbar neue Ele-mente gemeinsam mit dem Traditi-onsbau aus den 50er Jahren eingeschlossenes Ensemble.

Zum Hintergrund ihrer Architekturschreiben Asmussen & Partner:„Es wurde (bei der neuen SBV-Zentrale) bewusst ein andersfar-biger Stein gewählt, um dem Neu-bau eine eigene Identität zu geben,andererseits nimmt sich der Neu-bau zurück in seiner Form, um denAltbau als dominantes Gebäude zuzeigen. Das Gemeinschaftshaus360° ist eine Fortführung dieserGedanken. Das unter Denkmal-schutz stehende Hauptgebäudegibt klar den Ton an und die beidenneuen Flügel rahmen diese Gebäu-de ein und bilden gleichzeitigräumlich einen Abschluss desPlatzes und auch einen Abschlussletztendlich des Parks und desQuartiers.“

Zwei Jahre wuchs das neue Vier-tel. Häuser entstanden, die Nach-barschaft lernte sich kennen, beimBäcker traf sich der morgendlicheStammtisch wieder, wie immerschon in Fruerlund. Dann kündigtesich erneut Ministerbesuch an. Derinzwischen amtierende Innenmi-nister Andreas Breitner (SPD)wollte mit Stadtvertretern, Genos-senschaft und allen am Bau Betei-ligten das „Fertigfest“ feiern. Auchdie örtliche Presse war dabei undschrieb über „Lob von allen Sei-ten“. Hüpfburg, Fußball-Kleinfeldund Festzelt mit Live-Musik undGrillbuffet – der SBV fuhr Einigesauf, um mit tausenden Flensbur-gern und dem hohen Besuch ausKiel das Ende der Stadtteilsanie-rung zu begehen.

Grundsteinlegung: WiederMinisterbesuch, viel Lobund ein ehrgeiziges Ziel

Schnoor Dewanger

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Breitner zeigte sich beeindruckt:„SBV und Stadt haben ein Vorzei-geprojekt geschaffen.“ Ohne dieenge Abstimmung mit den Bewoh-nern wäre das allerdings nichtmöglich gewesen, betonte danebenBauplan Nord-Chef Torsten Koch:„Der Bau ist nur ein Teil der Leis-tung. Mindestens genauso wichtigist die Zufriedenheit von Bürgern,Bauverein, Land und Stadt.“ AuchFlensburgs Oberbürgermeister Si-mon Faber lobte die Veränderungim Osten der Stadt: „Das Viertelbietet mit dem neu gestaltetenQuartierspark, Ärzten, Apotheken,Supermärkten und dem Begeg-nungshaus ein attraktives Um-feld.“ So viel Lob machteSBV-Vorstand Raimund Dankow-

ski offensichtlich stolz. Er bestä-tigte: „Heute kann ich sagen –Fruerlund ist einer der schönstenStadtteile hier.“

Und dieser schöne Stadtteil bekamvier Monate später – im August2014 – ein letztes Sahnehäubchen:Die Einweihung des schon zuvorgelobten Stadtteilparkes wurde ge-feiert (Bericht Flensburger Tage-blatt s.u.). Dazu reisten Gäste unteranderem aus den PartnerstädtenCarlisle und Sstanden Pate für den neuen

wir nicht nur an die Flüchtlings-und Vertriebenengeschichte Fruer-lunds erinnern“, erläuterte HelmutPagel (IHR Sanierungsträger).„Wir möchten auch unsere Ver-bundenheit mit den Menschen inunserer polnischen Partnerstadtzeigen, die selbst das Schicksalvon Flucht und Vertreibung erlit-ten haben.“ Straßennamen wieOstlandstraße, Pregelstieg undOderstieg spielen auf die Ge-schichte Fruerlunds an. Sie sindErinnerung und Mahnung zu-gleich, die eigenen Wurzeln nichtzu vergessen und auch künftig alsGemeinschaft für Menschen da zusein, die ein ähnliches Schicksalhaben. Anette Schnoor

Der S upsk-Park:Einweihung für die grüne

Seele von Fruerlund

Flensburger Tageblatt, 13. August 2014

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I efteråret 2009 gennemførteFlensborg by en lands-kabsarkitektonisk konkur-

rence. Blandt deltagerne, somkom fra Aarhus, Hamburg, Kielog Flensburg, var firmaet „kess-ler.krämer“, landskabsarkitekter.

De vinder konkurrencen medderes planlægning af en bydels-park mellem Willi-Sander-Platzog Ostlandstraße, direkte imidten af det ny opståendekvarter. Der skal opstå mangetilbud, som en legeplads,kommunikations- mødesteder ogen park med sportsrekvisitter.Denne planlægning lever op tilmottoet for hele by-om-lægningen, nemlig „Bolig forgenerationer“. Den 12. august2014 bliver den færdigebydelspark officielt indviet og

efter Flensborgs polskepartnerskabsby kaldt Slupsk-park. Forud for åbningsfesten erder gået ca. fire årsplanlægnings-og byggetid. In-den denne fase startede blev der,ligesom denne bydel har tradi-tion for, gennemført flere work-shops for de forskellige brugerei bydelen. Børn, unge og voksnediskuterer deres forventninger tilbydelens sanering og parkensudformning. Deltagernes forslagbliver taget op og workshop-pernes resultater bliver præsen-teret på et fælles møde med alleinvolverede parter.

I dag svarer parkens geometri ogde prægende materialer ogdesignelementer stort set stadig-væk til det udkast, der vandtkonkurrencen. Detaljernes ud-

formning tager dog højde forresultaterne fra inddragelsen afbeboerne og den faglig-tekniskekoordinering. Siden den blev

parken brugt rigtigt meget.Vejen gennem parken er formange beboere en populærdaglig gangstiforbindelse.Siddemuligheder ved vejenskant bliver ligeledes taget godtimod. Derudover bruger SBV ogFlensborg by det koncept, somblev beskrevet i bidraget tilkonkurrencen for gade- ogboligområdeplanlægning i dagsom basis for den videreplanlægning for offentlige ogprivate arealer. Således skaberman nu et fint gangstinet mellemde nye bygninger for at forbedrede daglige veje i dette bolig-område.

Omlægning af de ydre anlæg

Ritschel

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Der Wettbewerb von 2009umfasste zwei Teile. Zumeinen sollte im Realisie-

rungsteil ein konkreter Ent-wurfsansatz für den BereichQuartierspark und Fruerlundlückegefunden werden. Der Bearbei-tungsbereich für den Ideenteil er-streckte sich über das gesamteGebiet der städtebaulichen Neu-ordnung. Ziel des Ideenteils war es,Vorschläge für die Neugestaltungder öffentlichen Straßenräume desQuartiers und des privaten Wohn-umfeldes zu erhalten.

Die Wettbewerbsjury, in der exter-ne Fachpreisrichter, das Innenmi-nisterium, der SBV und Kom-munalpolitiker vertreten waren,gab schließlich dem Entwurf derFlensburger Landschaftsarchitek-ten kessler.krämer die Umset-

zungsempfehlung. Martin Kesslerschreibt zu den Entwurfsgedanken:

„Die klare Zuordnung und Ausfor-mung der privaten und öffentlichenFreiflächen im Quartier soll dasNeben- und Miteinander der unter-schiedlichen Bewohnergruppenfördern. Eine attraktive und vielfäl-tige Gestaltung fordert zu Bewe-gung, Aufenthalt und Begegnungim Freien auf und erweitert dieWohnbereiche in den Außenraum.

Die Freiflächen bieten abgestufteMöglichkeiten von der Privatheitbis zur Öffentlichkeit, es gibt woh-

nungs-, nachbarschafts- und quar-tierszugeordnete Außenanlagen.Das soziale Bezugsfeld kann – vonder privaten Terrasse über zeilen-bezogene Gemeinschaftsflächenbis zum öffentlichen Quartierspark– stufenweise gefunden und be-stimmt werden.

Der zentrale Freiraum ist der Quar-tierspark, der vom neu geordnetenWilli-Sander-Platz im Westen alslang gestreckter Grünzug bis an dieOstlandstraße verläuft. Die wesent-lichen Entwurfsgedanken für denPark sind

> eine klare räumliche Fassung:entlang des Nordrandes eine ge-schwungene Kante, entlang desSüdrandes der Parkweg Fruer-lundlücke mit heckengesäum-tem Baumbogen

Neugestaltungder AußenanlagenIm August 2014 feierten die Fruerlunder Einweihung für ihren neuen Stadtteil-Park,den S Herbst 2009 hatte sich Martin Kessler mit dieser Idee beim freiraumplanerischenWettbewerb durchgesetzt. Hier berichtet er von der preisgekrönten Neugestaltung.

Entwurfsideedes freiraumplanerischen

Wettbewerbs

Der neue Spielplatz an der Ostlandstraße wurde nach den Vorstellungen der Anwohner gebaut.

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G E S T A L T U N G A U ß E N A N L A G E N

> ein ‚langsamer’ Flanier- undAufenthaltsweg im Norden undein ‚schneller’ Durchgangswegim Süden

> Aufenthaltsschwerpunkte anden beiden Auftakt-/ Endberei-chen des Parks: Am Westrandder ruhige Sitzbereich am Wil-li-Sander-Platz, am Ostrand imbreiteren Parkabschnitt bietetder Spielplatz einen belebtenTreffpunkt und Aktivitätsbe-reich

> Die Fruerlundlücke wird zumParkweg mit einer Baumreiheentlang des Südrandes, der bis-herige Verkehrsraum wird zumTeil des Parks.

> Alle anliegenden Wohngebäu-de werden durch Fußwege anden Park angebunden.

Mit dem Ziel der mittel- bis lang-fristigen Entwicklung des Parkszur reinen Fußgänger-, Radfahrer-bzw. Rollfahrerfläche schlägt derWettbewerbsentwurf eine neueWohnstraße ‚Fruerlund-Süd’ süd-lich der Reihenhäuser vor. DieStraße könnte die aus einer PKW-freien Fruerlundlücke resultie-

renden Verkehrsverlagerung kom-pensieren und die Reihenhäuservon Süden sowie die sehr tiefenGrundstücke am Bohlberg vonNorden erschließen und dadurchdort Neubauoptionen schaffen.

Für den Fall, dass die neue Stra-ßenverbindung auch auf längereSicht nicht realisiert werden kann,schlagen die Wettbewerbsverfasserdie Fruerlundlücke als verkehrsbe-ruhigte Wohnstraße vor.“

Eröffnung im August 2014

Am 12. August 2014 wurde derfertiggestellte Quartierspark offizi-ell eröffnet und nach der pol-nischen Partnerstadt Flensburgs als

nungsfest gingen rund vier JahrePlanungs- und Bauzeit voraus.

Vorarbeit ab 2010:die Anliegerbeteiligung

Im Mai 2010 fanden mehrereWorkshops mit unterschiedlichenNutzergruppen aus dem Quartierstatt. In getrennten Workshops dis-

kutierten Kinder, Jugendliche undErwachsene über Ihre Erwartungenan die Stadtteilsanierung und dieParkgestaltung. Die Vorschlägeder Teilnehmer wurden aufgenom-men und die Ergebnisse der Work-shops bei einem gemeinsamenTreffen mit allen Beteiligten vor-gestellt.

Dabei bestand bei allen drei Alters-gruppen grundsätzlich Einigkeitdarüber, dass die Anlage des neuenParks in der Mitte des Quartiersgewünscht wird. Die in der Work-shopeinführung und bei Ortsbe-sichtigungen vorgeschlageneGrobgliederung des Parks in einenAktiv-Spielbereich am Ostendeund einem ruhigen Grünbereicham Westende (Willi-Sander-Platz)wurde bestätigt und war Grundlageder weiteren Diskussionen.

Aus den Workshops ergaben sichfolgende wesentliche Ziele undHinweise für die Planung:

> Schaffen einer Parkanlage, diefür alle Altersgruppen attraktivist. Als Zielgruppen solleninsbesondere Kinder, Familienund Senioren angesprochenwerden.

Eine Betonsitzkante unterstreicht die geschwungene Wegelinie auf ganzer Länge des Park-Nordrandes. Fotos: Schnoor

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Protokoll zum drittplatzierten Entwurfdes Büros Birk Nielsen Landskabsarki-tekter, Arhus DK: „Alle wesentlichenTeile der Aufgabe werden gelöst. DerLeitgedanke ,Wohnen für Generationen’wird durch dezentrale Angebote aufge-griffen, wobei der Schwerpunkt aufSpiel- und Sitzgelegenheiten liegt. DieSchrägstellung der Gebäude im Westendes Parks wird als ungünstig beurteilt,im Hinblick auf die dadurch hervorgeru-fene Raumkante, der es an Klarheit man-gelt. Insbesondere die daran angelehnte Zick-Zack-Führung der privatenErschließung erscheint fragwürdig. Auch mit ihrer Anbindung an den Ressel-weg. Gelungen erscheint die Verschiebung des geplanten Gebäudes westlichdes Mühlenholzes, um Raum für den Auftakt des Parkes zu schaffen (…) imÜbergang zum Quartiersplatz. Die Durchlässigkeit zwischen privaten Flächenund Park ist angedeutet, aber in der Anbindung nicht überzeugend ausformu-liert.“

Erstplatzierter Entwurf des Büros kessler.krämer – Begründung im Proto-koll der Preisgerichtssitzung vom 9.Oktober 2010:

„Die Entwurfsverfasser erfüllen die gestellte Aufgabe überzeugend. Der frei-raumplanerische Entwurf folgt einem klaren konzeptionellen Leitbild, daseinen guten Ansatz mit zahlreichen Angeboten für ,Wohnen für Generationen’bietet. (…) Zentrale Idee der Verfasser ist die Ausformung eines Quar-tiersparkes zwischen dem Willi-Sander-Platz und der Ostlandstraße. Äußerstpositiv bewertet das Preisgericht die Verknüpfung der Parkelemente mittelseines Höhenversprunges mit einer geschwungenen Sitzkante, die alle Parkele-mente miteinander verknüpft. Mit dem (…) zentralen Aufenthaltsplatz unddem Spielhain werden hochwertige, attraktive Kommunikationspunkte für dasgesamte Quartier angeboten.“

Protokoll zum drittplatzierten Ent-wurf des Büros arbos Landschaftsar-chitekten, Greis Köster Metzger,Hamburg: „Inhaltlich wurde die Pro-grammstellung erfüllt. Die Arbeit bieteteine klare Differenzierung zwischen öf-fentlichen und halböffentlichen sowieprivaten Freiräumen. Als gestalte-risches Element wird ein durchge-hendes Heckenband genutzt. DerParkbogen Fruerlund wird in fünf Ra-senparterres, drei Blütenhaine und ein

Spielband gegliedert. Die Anbindung des SBV-Verwaltungsgebäudes und desdazugehörigen Parkplatzes gelingt durch durchgängige Gestaltungselemente,die durch ein Gemeinschaftsgebäude ergänzt werden. Die städtebauliche Struk-tur überzeugt generell. Sie ist zum Teil jedoch etwas formalistisch.“

Nach der Einweihung des neuenSBV-Hauses 2008 wurde 2009 der„Freiraumplanerische Ideenwett-bewerb“ ausgelobt. Ziel war es, diestädtebauliche Vision „Wohnen fürGenerationen“ weiter auszuarbei-ten. Private wie öffentliche Freiflä-chen und insbesondere die neueQuartiersmitte sollten als Orte derBegegnung für die Bewohner desStadtteiles entworfen werden.

Eingeladen wurden fünf Land-schaftsarchitekturbüros:

arbos Landschaftsarchitekten,Greis, Köster, Metzger, HamburgBendfeldt, Herrmann, Franke,Landschaftsarchitekten, KielBirk Nielsen,Landskarbsarchitekter, Arhuskessler.krämer,Landschaftsarchitekten, FlensburgSillerLandschaftsarchitekten, Kiel

Als Fachpreisrichter waren in dieJury berufen:

Bertel Kehlet Bruun,Landschaftsarchitekt, HamburgTeja Trüper,Landschaftsarchitekt, LübeckHolger Muhs,Landschaftsarchitekt, SchönbergDieter Richter,Landschaftsarchitekt, KielSabine Kling,Innenministerium des LandesSchleswig-Holstein,Referat StädtebauförderungHans Friedrich Kroll,StadtplanerFrank Rolfes,Stadt Flensburg

Unter den Sachpreisrichtern warenBürgermeister Henning Brügge-mann, Raimund Dankowski, Vor-standsvorsitzender des SBV unddie Ratsherren Frank Markus Döh-ring, Andreas Rothgänger und Hu-bert Ambrosius vertreten.

Die ausgezeichnetenWettbewerbs-Beiträge

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> Die Parkanlage soll sowohlSpiel-, Freizeitsport- als auchRuhebereiche beinhalten, wobeidurch die FunktionsgliederungNutzungskonflikte vermiedenwerden.

> Das Hauptthema der Spielplatz-gestaltung soll Klettern undHangeln sein, weiterhin soll eseinen kleinen Bolzplatz als Mi-nispielfeld mit Bande geben.

> Durch attraktive Gestaltung sollder Park zur Identitätsbildungdes neu gestalteten Quartiersbeitragen, wichtig ist dabei u.a.ein dauerhaft gepflegtes Er-scheinungsbild.

> Der Park soll offen und über-sichtlich gestaltet sein und inden wichtigsten Bereichennachts beleuchtet sein.

> Durch die Umgestaltung derStraße Fruerlundlücke sollenkeine grundsätzlichen Ände-

rungen der Verkehrsabläufe be-wirkt werden: befahrbar für alleund in beide Richtungen, Erhaltder Parkplätze am Fahrbahn-rand.

> Neben der Fruerlundlücke solles einen sicheren Fuß-/Radwegim Park geben.

> Die am Park anliegendenWohngebäude/-grundstückesollen gut an die öffentlicheFreifläche angebunden werden.

Anliegerinteressen beachtet:die Parkanlage

Mühlenholz über den neu geord-neten Willi-Sander-Platz als langgestreckter Grünzug bis an die Ost-landstraße. Die Geometrie der An-lage und die prägenden Materialienund Gestaltelemente entsprechenim Wesentlichen noch dem Wett-bewerbsentwurf. Die Detailausfüh-

rung berücksichtigt jedoch dieErgebnisse der Anliegerbeteili-gung und der fachtechnischen Ab-stimmung.

Der Quartierspark bildet die West-Ost-Freiraumachse in Fruerlund,die ihre Verlängerung RichtungWesten zum Wasserturm imVolkspark findet. Ein wichtiger‚Dreh- und Angelpunkt’ auf dieserLinie ist der neu geordnete Willi-Sander-Platz, der sich als Pflaster-fläche über die Straße Mühlenholzerstreckt. Westlich der Straße wur-de, von der Fahrbahn durch wenigeStufen abgesetzt, ein kleiner Sitz-platz mit großem Solitärbaum an-gelegt. Von dem gegenüber derStraße ca. 75cm höher gelegenenSitzplatz hat man einen guten Blickin den sich nach Osten erstrecken-

Vom Willi-Sander-Platz aus wirdder Quartierspark Richtung Ostendurch zwei Wege erschlossen. Amsüdlichen Parkrand liegt weitge-

Preisgekrönte Planung: Im April 2015 wurde die Freiflächengestaltung mit dem Deutschen Landschaftsarchitektur-Preis ausgezeich-net. Das Flensburger Tageblatt berichtete darüber (s.S. 67).

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hend auf der bisherigen Straßen-trasse die zum 3,80 Meter breitenWohnweg umgebaute Fruerlundlü-cke. Eine wesentliche Lageände-rung bekam die Fruerlundlücke imBereich Willi-Sander-Platz, wo siedirekt vor der Vorgartenzone derReihenhäuser entlanggeführt wird.

Dieser Wohnweg wird gegenüberden Rasenflächen des Parks durchBlockstufenelemente abgegrenzt,die mit 14 cm Ansichtshöhe eineKante bildet, und das Befahren derRasenfläche verhindern soll. Süd-lich der gepflasterten Fahrbahnliegt, unterbrochen von einzelnenAusweichstellen für den Begeg-nungsverkehr und den Eingängenzu den Stiegen, ein zwei Meterbreiter Längsparkstreifen aus Ra-senpflaster. Daran schließt sich einvariierend bis zu 3,70 Meter breiterGrünstreifen an, in dem als Hoch-stammbäume Blütenkirschen ge-pflanzt wurden.

Der nördliche Weg ist ein reinerFuß- und Flanierweg. In ge-schwungenem Verlauf und variie-render Breite bieten sich demSpaziergänger unterschiedlicheSichtlinien. Als Belag wurde nachDiskussion mit den beteiligtenFachbehörden Granit-Kleinstein-pflaster gewählt. Die Wegeoberflä-che soll angenehm begehbar sein,gleichzeitig aber so rau, dass sie fürSkater ungeeignet ist und darausresultierende Konflikte vermiedenwerden. Eine Betonsitzkante unter-streicht die geschwungene Wegeli-nie auf ganzer Länge desPark-Nordrandes. Sie bildet inVerbindung mit dem dahinter ver-laufenden Pflanzstreifen das präg-nante Gestaltungselement desParks. Die ca. zwei Meter hohen

Sträucher schirmen den öffent-lichen Bereich zu den privatenTerrassen-/Rasenflächen der an-schließenden Wohnhäuser ab.

Der mittlere Abschnitt des Parks istüberwiegend als offene Rasenflä-che gestaltet, die Blicke in dieHauptrichtung der Anlage zulässtund sich für Ballspiele, Lagern u.a.anbietet. In der Rasenfläche zeich-nen sich lediglich die quer in denPark verlängerten Wege aus deranliegenden Wohnbebauung ab.Solitärbäume sind in die durch dieWege gegliederten Rasensegmenteeingestreut. Den gestalterischenSchwerpunkt in der Parkmitte bil-det der kleine Aufenthaltsplatz mitSpielmöglichkeiten, die sich eheran Erwachsene richten. Hier stehtauch eine der drei großen Pergolen,die mit ihren roten Holzlamellenauffallende Gestaltungselementedes Parks sind. Unter der Pergolastehen ein wetterfester Spieltisch

Die Planung der Außenanlagen in der Übersicht: Als grünes Band zieht sich der durchs umgestaltete Viertel.

Aufenthaltsplatzmit Spielmöglichkeiten

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Wie ein grünes Band wirkt die offene Rasenfläche in der Mitte des Parks. Schnoor

Erster Spatenstich mit SBV-Vorstand Jürgen Möller (l.)und Stadtplaner Dr. Peter Schroeders (m.). Stadt FL

Die Wegefläche ist gut begeh- und befahrbar, zugleich aber zu raufür Skater, um hier Konflikte und Unfälle zu vermeiden. Dewanger

(Schach), Stühle und eine Bank.Die wassergebundene Fläche ne-ben der Pergola ist zum Boulespielgeeignet.

Am östlichen Parkrand unterhalbder Ostlandstraße wurde ein Spiel-platz angelegt, bei dessen Konzep-tion die Ergebnisse der Workshopsmit Kindern und Jugendlichen be-rücksichtigt wurden. Die Gestal-tungsidee hier ist der ‚Spielhain‘.Der Spielplatz wird von Holzgerä-ten sowie den umgebenden und inder Fläche stehenden Bäumen ge-prägt. Nördlich des Spielplatzeskönnen Obstbäume erhalten unddurch neue ergänzt werden. Blick-fang und Hauptattraktion desSpielplatzes ist die bunte Spielan-lage aus Plateaus, Türmen, Brü-cken und Balancierelementen, dieringförmig miteinander verbundensind. Die Anlage bietet vielfältigeKletter-, Hangel-, Balanciermög-lichkeiten, Schaukel und Rutsche.

Die südwestliche Ecke des Spiel-platzes ist mit niedrigeren Plateaus,Kleinrutsche und Schattendach fürkleinere Kinder ausgestattet.

Die Fallschutzfläche des Spiel-platzes aus feinkörnigem Kieselwird entlang der Ost- und Südseitedurch Betonsitzkanten gefasst,nach Süden zum befahrenenWohnweg wird der Spielplatzaußerdem durch eine Hecke mitStabgitterzaun abgeschirmt. Ent-lang des West- und Nordrandes derFallschutzfläche verlaufen schmaleHolzdecks, die als Spiel-, Sitz- undLiegefläche fungieren und in denenBäume platziert sind (Schatten-spender). Westlich an den Geräte-spielbereich schließt sich einewassergebundene Fläche an, dane-

ben steht eine der roten Pergolen.Sie ist mit Bank-/Tisch-Kombinati-on (Oberflächen aus rotem Kunst-stofflaminat) und mit niedrigemSeilnetz und Hängematten ausge-stattet. Der Boden unter der Pergo-la besteht aus Fallschutzgründenaus Gummi. In der Rasenflächewestlich der Pergola liegt ein ca.14x10 Meter kleines Ballspielfeld.Es ist ca. 50 cm gegenüber derRasenfläche abgesenkt und miteinem Ballfangzaun aus Stabgitter-elementen umgeben.

tigstellung im Mai 2014 gut ge-nutzt. Der Weg durch den Park istfür viele Anwohner des Quartierseine beliebte tägliche Fußwegever-bindung. Auch die Sitzbereiche amWegesrand werden gut genutzt.Seltener besetzt sind bisher dieBank-/Tisch-Kombinationen unterden Pergolen. Eine Ausnahme istdie Pergola am Spielplatz. Bolzfeld

Seit Mai 2014 wird der

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und Spielplatz sind sehr beliebt.Bei gutem Wetter halten sich hiermeist um die 50 Erwachsene undKinder auf.

Das private Wohnumfeld

Das im Ideenteil des freiraumpla-nerischen Wettbewerbs vorge-schlagene gemeinsame Konzeptzur Straßenraum- und Wohnum-feldgestaltung wurde vom SBVund der Stadt Flensburg als Grund-lage für die weitere Planung deröffentlichen und privaten Flächengewählt. Der SBV stellte darüberhinaus ein Budget bereit, mit demneben den erforderlichen Basis-maßnahmen (wie Stellplätzen) zu-sätzliche gestalterische undfunktionale Elemente den Außen-anlagen realisiert werden konnten.

Das direkte Wohnumfeld sollte sogestaltet und ausgestattet werden,dass die alltäglichen Funktionenauf praktische und ansprechendeWeise gewährleistet sind. JedemHaus werden Flächen für Fahrrad-schuppen etc. zugeordnet, dieMülleinhausungen stehen jeweilsnahe der Stellplatzzufahrt. Stell-platzanlagen werden generell mög-lichst kompakt angeordnet, so dassim Nahumfeld der meisten Gebäu-dezeilen Raum für Gemeinschafts-flächen (Kleinkinderspiel, Aufent-halt, Treffpunkte) für die Anwoh-ner bleibt. Allen Erdgeschoßwoh-

nungen ist nach Süden oderWesten orientiert eine mindestenfünf Meter breite private Terras-sen- und Rasenzone vorgelagert.

Die Wohngebäude entlang derStraße Mühlenholz stehen senk-recht zur Straße mit 25 Meter brei-ten rechteckigen Zeilenzwischen-räumen. Hier sind die Stellplatzan-lagen in der zur Straße orientiertenHofhälfte angeordnet. Die westli-che Freiraumhälfte, vom Stellplatzdurch einen schmalen Pergola/Schuppen-Riegel (Fahrräder etc.)abgetrennt, dient als Gemein-schaftsfreifläche. Sie wurde unter-schiedlich ausgestattet, als Treff-punkt/ Picknickplatz, Kleinkinder-spielplatz, Rasenfläche für Feder-ball u.a.. Die nördlich an dieGemeinschaftsflächen und Stell-plätze angrenzenden Terrassen-und Gartenflächen sind durch He-cken abgegrenzt.

Die Hoffassaden der Häuser wer-den von einem Pflanzstreifen ausHeckenbuchen begleitet, die Ein-gangsbereiche sind gestalterischbetont. Nahe der Eingänge gibt esFahrradstellplätze. Die neben derHofzufahrt befindlichen Müllein-hausungen sind gestalterisch aufdie die Stellplätze abschirmendenPergolawände abgestimmt. DieWandverkleidung aus ziegelrotenLamellen und Laminatkassettenprägt das Erscheinungsbild und

stellt die optische Verbindung zwi-schen dem privaten Wohnumfeldund dem Park (Pergolen in gleicherFarbe) her. Auch die roten Bank-/Tisch-Kombinationen aus demPark finden sich dort wieder.

Bei den neuen Wohngebäuden ander Ostlandstraße und nördlich desParks ergaben sich aufgrund dergegebenen Grundstückszuschnitteunterschiedliche Freiraumgeo-metrien und teilweise nicht ideal-flächeneffiziente Stellplatzanord-nungen. Die oben genannten Prin-zipien und Elemente der Wohn-umfeldgestaltung wurden aberauch in diesen Bauabschnitten um-gesetzt. Mit der sukzessiven Fertig-stellung der einzelnen Gebäude-umfelder wurde dabei ein neuesFußwegenetz aufgebaut. In Ergän-zung der öffentlichen Wege ent-lang der Straßen und im geplantenQuartierspark wurde eine fein-gliedrige Wegestruktur zur fußläu-figen Vernetzung und Aufwertungder alltäglichen Wege zwischenWohnen und Infrastruktur geschaf-fen. Diese zusätzlichen Wege die-nen in besonderem Maße Kindern,die die verschiedenen Spielpunktebzw. den größeren Spielplatz imPark erreichen, und Senioren, diekleinere Spazierwege nutzenmöchten. Alle Wege sind barriere-frei und bieten in regelmäßigenAbständen Sitzgelegenheiten.Andreas Gutschank/Martin Kessler

Vitalparcours: Die Fitnessgeräte für Erwachsene waren bei den Fruerlundern schnell in Benutzung. Dewanger

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Flensburger Tageblatt, 21. April 2015

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Det Flensborger Arki-tekturkontor Asmussen& Partner og landskabs-

arkitekterne „kessler.krämer“,ligeledes fra Flensborg, er i dagansvarlige for det by-byg-ningsmæssige koncept for detnye Fruerlund, „Bolig forgenerationer“. De har sammenmed mange forskellige aktører,kommunens saneringsansvar-lige, SBV, byggevirksomhedenBauplan Nord, håndværks-firmaerne og ikke mindstsammen med de engageredebeboere formået, at tilpassedenne bydel til de moderneboligkrav uden at bydelen tabtenoget af sin karakter somboligselskabs-landsby midt ibyen. Centrum af den nyopståede bydel er parken. Herslår naboskabets hjerte, her erder plads til sjove frititids-aktiviteter og at mødes, børn

leger på legepladserne ellerspiller fodbold på en fodbold-plads, de ældre menneskerholder sig fit ved „open air“sportsrekvisitterne.

En særlig udfordring forarkitekterne Asmussen &Partner var udviklingen af en nyhustype, som skulle leve op tilmoderne boligkrav og samtidigtskulle passe sig ind istrukturerne fra 50 erne og blivetil et hjem for både ungemennesker, børnefamilier ogældre.

I 50erne havde man bygget tre-etagers flerfamilieejendommelangs gaden, alle med hævetstueplan, men nu besluttedearkitekterne sig for huse med fåbarrierer, en stueetage i terræn-højde og valmtage, som medderes højde svarede til de gamle

bygningers højde. Arkitekternedrejede mange huse med 90grad, således at alle opholdsrumi dag er rettet mod syd eller vest.Der opstod indre gårde, hvorbeboerne kan finde opholds-steder og plads til deres biler.

Da de første gravemaskiner an-kom i 2010, blev 18 gamle by-gninger nedrevet, 20 nye bygget,yderligere 27 huse moderniseretog energimæssigt renoveret.Alle gader og fortove blevfornyet, hele bydelen blev til enkæmpestor byggeplads. Alleredeom sommeren kunne de førsteSBV-medlemmer flytte ind ideres nye store lejligheder vedMühlenholz. I juni 2012 hed detså „Midtpunkt menneske“. Detnye fælleshus „360°“ åbnede ogsiden da kommer og går hermange Flensborgere – uanset omder er medlem af SBV eller ej.

Fruerlunds nye ansigtSchnoor

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S T A D T U M B A U / A U S B L I C K

Dewanger

Teil C Ausblick

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S T A D T U M B A U M I T S T R A T E G I E

Mit einem kurzen „super“kommentiert Dr. PeterSchroeders die Zusam-

menarbeit von Stadt, SBV und demLand Schleswig-Holstein beimStadtumbau in Fruerlund. Der Um-bau sei einer Gesamtstrategie ge-folgt, erklärt Flensburgs obersterStadtplaner: „Begonnen haben wir2005 mit der Neugestaltung desGeländes an der ehemaligen Päda-gogischen Hochschule (PH), da-nach kamen der Bau des neuenSBV-Hauses und die Umgestal-tung am Willi-Sander-Platz,schließlich das ,Wohnen für Gene-rationen’ in Fruerlund-Süd.“Schlusspunkt: die Wohnbebauungam Wasserturm.

Herr Dr. Schroeders, warumwurde diese umfassende Neu-strukturierung notwendig?Dr. Schroeders: „Spätestens umdie Jahrtausendwende zeichnete

sich deutlich ab, dass Flensburg imOsten der Stadt ein Problem be-kam: Die Bevölkerung alterte, derAnteil an Mietern, die auf Sozial-leistungen angewiesen waren, stiegund viele Geschäfte musstenschließen oder wanderten ab.“

Was war die Ursache?„Es gab nicht die eine Ursache. Dakamen mehrere Faktoren zusam-men. Fruerlund war nach demKrieg ein Flüchtlingsviertel gewe-sen. Auf dem alten PH-Geländehaben ja lange Baracken gestan-den, bevor dort Ende der 50er Jah-re die Hochschulgebäude und zurselben Zeit rund ums Mühlenholzauch die SBV-Häuser gebaut wur-den. Um den Jahrtausendwechselwar dieser Gebäudebestand dannnatürlich alt – und die Infrastruk-tur, also das Straßennetz mit dendarunterliegenden Versorgungslei-tungen war es auch. Trotzdem blie-

ben aber viele Mieter über dieJahrzehnte hinweg in ihren Woh-nungen, inzwischen als Rentner.Daneben stieg die Arbeitslosigkeitin der Stadt seit den 1990er Jahrenan. Die Leute brauchten günstigenWohnraum und fanden ihn rundum die Mürwiker Straße. Anfang2000 wies deshalb der Sozialatlaseine relativ alte und sozialschwache Bevölkerungsstrukturaus. Das Gebiet war nicht mehrattraktiv für Geschäftsleute undjunge, gut situierte Familien. 2002haben wir mit Planungen angefan-gen, um diese Entwicklung zustoppen.“

Es kam schnell zur Zusammen-arbeit mit dem SBV.„Ja, das ist wahr. Der Bauvereinzeigte schnell Interesse an unserenPlanungen in seinem Beritt. Da-mals hatte Raimund Dankowskigerade den Vorstandsvorsitz über-

Stadtumbau mit StrategieDer Stadtumbau in Fruerlund-Süd ist Ergebnis einer Planung, die den Osten Flensburgs alsWohngebiet attraktiv gemacht hat. Im Interview berichtet Stadtplaner Dr. Peter Schroeders vomProjektstart am alten PH-Gelände bis hin zum Ende des Umbaus mit dem „Wohnen am Wasserturm“.

Richtfest für das erste Haus im neuen Fruerlund: Vom Dach des Gebäudes im Mühlenholz sprechen die Handwerker ihren Segen fürden Bau. Am rechten oberen Bildrand ist das neue SBV-Haus zu sehen. Dewanger

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Planung für das PH-Gelände: Wohnhäuser und das Service-Wohnen für Senioren sindan ein Nahversorgungszentrum angeschlossen. Oben: Wohnheim auf dem alten Gelände.

nommen und der SBV wollte sichfit für die Zukunft machen. Dorthatte man mit den Problemen imQuartier ja unmittelbar zu tun, mitmaroden Gebäuden, leer stehendenGewerbeflächen, unzufriedenenMietern.“

Der Start gestaltet sich schwie-riger als gedacht, oder?„Ja, bevor wir überhaupt in diePlanungen einsteigen konnten,stellte sich uns die Frage, was wirmit dem alten PH-Gebäude über-haupt machen konnten. Die Situati-on war schwierig. Seit 2002standen die Häuser leer, aber Nut-zungs- oder Sanierungsmöglich-keiten gab es quasi nicht. DieAnlage galt unter Denkmalschüt-zern als hervorragendes Beispielder städtebaulichen Planung einesHochschulbereiches in den 50erJahren, als Kulturdenkmal. Unddie Flensburger hingen an ihremalten Hochschulgelände. Erst alsder damalige Bauleitplaner Wil-helm Lücking saftige Zahlen prä-sentierte – 12 Millionen Euro hätteeine Sanierung gekostet, die Inves-titionen in einen Umbau nicht miteingerechnet – war offensichtlich,dass sich der Erhalt für alle Verant-wortlichen nicht rechnen würde.So durften wir schließlich abreißenund neu bauen.“ (s. Bericht rechts)

Wie sieht es heute aus?„Der Stadtteil hat sich gut entwi-ckelt. Neben dem Nahversorgungs-zentrum mit Geschäften, Ärztenund verschiedenen Dienstleistern,sind Wohnungen für junge und alteMenschen, für Familien, Alleinste-hende und Paare entstanden. Stattwie ursprünglich geplant abzuwan-dern, hat die Sparkasse in ein neuesGebäude investiert Und: Das Ge-meinschaftsprojekt ,Servicehausfür Senioren’ von SBV und derdamals kommunalen WoBau wur-de zum Ausgangspunkt für dieVerschmelzung beider Unterneh-men zu einer großen Genossen-schaft. Heute ist der SBV fürStadtplanung und Sanierungsträgerin Gesamt-Flensburg ein wichtigerKooperationspartner.“ Flensburger Tageblatt, 5. März 2005.

„Das gesamteViertel ist heute

individuell, modernund freundlich“

Dr. Peter SchroedersLeiter Fachbereich

Entwicklung und Innovation Schnoor

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Vom Stadtumbau West war da-mals aber noch nicht Rede?Nein, das Förderprogramm war ur-sprünglich nur für den Ausbau Ostvorgesehen. Es wurde erst 2004 aufdie westlichen Länder übertragen.Damals standen wir aber schon miteinem Wohnraumversorgungskon-zept für Flensburg in den Startlö-chern und konnten dem SBVanbieten, seinen Gebäudebestandin Fruerlund-Süd mit aufzuneh-men. So griff ein Baustein in denanderen. Nach Abschluss der Ar-beiten an der alten PH, kam 2008das SBV-Verwaltungshaus mit derUmgestaltung des Mühlenhofes,2010 war Grundsteinlegung für dasgenossenschaftliche Projekt ,Woh-nen für Generationen’ und 2013haben die Bauarbeiten für das,Wohnen am Wasserturm’ begon-nen – auch das ist übrigens einelange Geschichte.“

Inwiefern?Das Gelände war in Privatbesitzund an eine Veräußerung der Flä-che auch wegen der vielen Klein-gärten darauf lange Zeit nicht zudenken. Schließlich gab es aberdoch die Lösung für eine Wohnbe-bauung im Nordosten des Gelän-des. Im Gegenzug garantiert die

Stadt, die nicht bebauten Flächenauch nicht weiter zu überplanen.Nördlich anschließend blieb dieKolonie unverändert. So ist derGroßteil der Gärten erhalten.

Es gab dann 2010 einen Architek-tenwettbewerb, um Ideen für die

Bebauung am Wasserturm zu sam-meln. Dabei setzte sich ein dä-nischer Entwurf durch, für den wirspäter aber keinen Investor fanden.Also guckten wir uns noch einmalden Zweitplatzierten an. Auf dieserGrundlage fanden wir schnell eineInvestorengruppe, mit der wir dasProjekt ,Wohnen am Wasserturm’verwirklichen konnten.“ Das Ar-chitekturbüro Asmussen & Partnerentwickelte den Entwurf dann zuseiner heutigen Form weiter.

Das klingt anstrengend.Es war ein schwieriger Prozess. Esgab zum Teil harte Diskussionenzwischen sämtlichen Beteiligtenund auch die Presse berichtete sehrkritisch über das Geschehen. Aber:Das Ergebnis zählt, und mit dembin ich sehr zufrieden. Wenn dasProjekt Wasserturm verwirklichtist, haben wir im östlichen Stadtge-biet genau die soziale Durchmi-schung, die wir anstreben. Damitist die Konsolidierung des Stadtbe-zirkes dann weitgehend abge-schlossen und die Stadt kann sichzurückziehen.

14 Jahre Stadtentwicklung istauch eine lange Zeit……in der vieles gewachsen ist. Dasist im Stadtteil sichtbar, aber auchin den Beziehungen zwischen denhandelnden Personen. Besondersdem SBV sind wir dankbar, dass erdieses große Projekt über Jahrehinweg in sehr persönlichen Bezü-gen begleitet und auf einen gutenWeg gebracht hat. Das gesamteViertel ist heute individuell, mo-dern und freundlich – für jedesPortemonnaie ist etwas im Ange-bot. Das ist gut gemacht, städte-baulich, wie auch mit Blick auf diesozialen Aspekte. Anette Schnoor

Dr. Peter Schroeders Voigt

Vision vom Wohnen am Wasserturm: Die Zeichnung des Flensburger Architekturbüros Asmussen & Partner zeigt das neu überplanteGelände rund um das Wahrzeichen der östlichen Höhe.

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Byrenoveringen i Fruer-lund-Süd, denne „Boligfor generationer“ er

resultatet af en helhedsplan-lægning, som har gjort Flens-borgs østlige kvarter mereattraktiv som boligområde. Detteberetter kommunens byplanlægger Dr. Peter Schroeders i etinterview.

Allerede i 2005 startede dettestore projekt med en ny udform-ning af det areal, hvor der før itiden stod det pædagogiskeseminar (PH), så fulgte bygnin-gen af det nye SBV-hus ogomformningen af Willi-Sander-Platz, og slutteligt „Bolig forgenerationer“. Afslutningen afbyudviklingen i denne sammen-hæng er bygninger til boligerved vandtårnet. Den nye

udformning af Flensborgs øst-lige del blev nødvendig, fordi destrukturelle problemer blevværre: Befolkningen blev ældre,andelen af lejere, som varafhængig af sociale ydelser blevstørre og mange butikker måttelukke eller flyttede. Siden harhele området udviklet sig godt.

På den forhenværende PH-arealer der opstået et nærforsynings-centrum med butikker, læger ogforskellige serviceydelser. Derfindes lejligheder til både ungeog ældre mennesker, til familier,singles og par. Det fælles projekt„Servicehus for ældre“ fra SBVog den i sin tid kommunaleboligselskab WoBau blev tiludgangspunktet for en fusion afde to store virksomheder til etstort boligselskab. På denne

måde blev SBV til en vigtigsamarbejdspartner for byplan-lægning og renoveringsansvar.Ombygningens succeser er syn-lige: I stedet for – som oprin-deligt planlagt – at flytte,investerede Sparkasse her i en nybygning. Nye butikker – blandtandet et apotek, en material-handel og en stor levnedsmiddel-forhandler etablerede sig her.Der blev skabt nye børnehave-pladser. På skolens areal opståren moderne børnecampus.Byplanlægger Peter Schroederser tilfreds med resultatet, somanstrengelserne fra de sidste århar ført til: „Hele bydelen er idag individuel, moderne ogvenlig – der er tilbud for enhverpung. Det er, bybygnings-mæssigt godt lavet , men også ihenhold til de sociale aspekter.“

Verantwortlich im Sanierungsgebiet / ansvarlige i sanering område: Sabine Kling, Innenministerium Schleswig-Holstein(Mitte) und Helmut Pagel, Geschäftsführer IHR Sanierungsträger (rechts). Stadt Flensburg

Byrenovering med strategi

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W O H N E N U N D L E B E N

Fruerlund – das sind immernoch in erster Linie dieMenschen, die hier leben,

die dem Viertel sein Gesicht geben.In den allermeisten Fällen ist es einfröhliches Gesicht, selbst währendder für alle Beteiligten anstren-genden Umbauarbeiten im Quar-tier.

Wie ein Stück aus Utopia schien esmanchem, als bekannt wurde, wasim Stadtteil Fruerlund passierensollte: Häuser mit insgesamt fast300 Wohnungen wurden abgeris-sen und neu gebaut, die gesamteSiedlung überplant, zahlreiche alteGebäude komplett modernisiert,nach neuesten Wohnstandards undEnergie-Effizienz-Vorgaben „um-gekrempelt“.

Selbstverständlich kam da auchAngst auf, Angst vor den Verände-

rungen in einer für viele schonzweiten, endlich vertraut gewor-denen Heimat. Da war der Mo-ment, in dem die Abrissbirnen imSommer 2010 wirklich anrückten.Und wir als im SBV-Vorstand Ver-antwortliche hatten manches Malfeuchte Hände. Aber welche Alter-nativen hätte es für Fruerlund ge-geben? Der Stadtumbau West undunser „Wohnen für Generationen“waren eine Riesenchance fürsViertel. Wir haben sie genutzt.

Heute sehe ich auf den Straßen, imMühlenholz, in der Ostlandstraßeoder in den Stiegen noch immerviele vertraute Gesichter. Undmanch alte Tradition ist geblieben.Der Herrenstammtisch trifft sichwie in alten Zeiten jeden morgengegen halb zehn beim Bäcker imBüchercafé. Dort war einmal dasGambrinus, eine Kneipe, in der

Helmut Schumann ein und ausging, später war es unsere Begeg-nungsstätte, bevor dann das Ge-meinschaftshaus 360° gebautwurde.

Dort zeigt sich übrigens besonders,wie sehr Genossenschaftsgedankeund Gemeinschaft mit dem neuentstandenen Quartier Auftrieb be-kommen haben: Das tägliche An-gebot ist im Vergleich zu dem deralten Begegnungsstätte vielfältigergeworden, das Haus lebt mit undvon vielen Menschen allen Altersund verschiedener Herkunft, diesich engagieren. Wer hier seineTalente in regelmäßigen Kursen

Wohnen und Leben in Fruerlund „Fruerlund ist zu einem der schönsten Wohnviertel in Flensburg geworden“, sagt SBV-VorstandsvorsitzenderRaimund Dankowski. Darauf sei er stolz. Der Stadtumbau habe dem Gemeinschaftsleben gut getan. Und tat-sächlich sind viele Leute im Viertel zu sehen – junge und alte. In Fruerlund wohnen „alle Generationen“.

Hinein ins Miteinander: Eine Bronzeplastik des Glücksburger Bildhauers Siegbert Amler begrüßt die Gäste der Begegnungsstätte 360°direkt an der Mürwiker Straße. Dewanger

Im Gemeinschaftshaus 360°zeigt sich die

Veränderung deutlich

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Frank Jürgensen am Stadtumbau-Modell: Der Leiter der SBV-Technik erklärt Interes-sierten, was in Fruerlund passieren wird. Dewanger

Noch vor dem Stadtumbau stellt Raimund Dankowski die Pläne für das neue Service-haus Fruerlund auf dem alten PH-Gelände vor. Schnoor

Stadtumbau: So sah es während der Bauarbeiten im Viertel aus. Dewanger

oder für Workshops anbietet, demgeht es nicht darum, Geld zu ver-dienen. Er will in erster Linie seineFähigkeiten der Allgemeinheit zurVerfügung zu stellen und Spaß inder Gemeinschaft erleben, beimKochen etwa, beim Stricken, Bas-teln, Backen, in Autoren- und Lite-raturtreffs, Malkursen und Musik-und Selbsthilfegruppen, beim Yo-ga, Qi Gong und beim Tai Chi.

Mit dem Stadtumbau ist Vielesmoderner und freier geworden.Auf den Fitnessgeräten im Parkhalten sich die Erwachsenen fit,das Streetsoccerfeld und der großeSpielplatz wurden fast sofort vonKindern und Jugendlichen belegt,die meisten von ihnen Neuzugängein Fruerlund. Wir haben es in gera-de einmal vier Jahren geschafft,dem alten Quartier ein frisches,modernes Gesicht zu geben, ohneihm den genossenschaftlichenCharme zu nehmen. Das macht unsim SBV stolz.

Mit einem guten Team sind solcheErfolge möglich. Und bei aller An-strengung und vielen Schwierig-keiten – die vergangenen vier Jahrehaben gezeigt, auf was für eingutes Team wir uns in unseremBauverein verlassen können:

Da waren der Wohnservice und dasSozialmanagement, die sich um dieMenschen gekümmert haben, dieplötzlich ohne ein Zuhause dastan-den – und sei es auch nur über-gangsweise. Für beinahe jedenhaben sie eine maßgeschneiderteLösung für individuelle Problemegefunden. Im Rechnungswesenund der Spareinrichtung wurdenfreiwillig Überstunden geschoben,um Finanzierungen auf die Beinezu stellen; fleißig auch die Mitar-beiter, die im Projektmanagementdie Fäden in der Hand hielten. Daswar ganz sicher nicht immer leicht.Und in der Öffentlichkeitsarbeitwar besonderes Fingerspitzenge-

Die Kollegen habeneinen guten Job gemacht

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fühl notwendig, um den Menschenin Flensburg unser Mammutvorha-ben nah zu bringen.

Und dann die Kollegen in derTechnik. Sie hatten besonders vielzu tun: Häuser mit rund 300 Woh-nungen mussten abgerissen undneu gebaut, zahlreiche alte Gebäu-de modernisiert, nach neuestenWohnstandards und Energie-Effi-zienz-Vorgaben „umgekrempelt“werden – alles neben dem üblichenBetrieb, neben notwendigen Mo-dernisierungs- und Sanierungsvor-haben, Notfalleinsätzen undweiteren Neubauten in anderenStadtteilen.

In Fruerlund sind 20 neue Häuserentstanden, die Wohnungen längstbezogen. Wir haben mit viel Spaßauf dem neuen Willi-Sander-Platzunser „Fertigfest“ gefeiert. Nochbevor sämtliche Arbeiten an Au-ßenanlagen und Straßenführungabgeschlossen sind, kehrt hier fühl-bar eine neue Normalität ein.

Gegenüber auf der anderen Seiteder Mürwiker Straße geht es jetzterst los. Da wird das „Wohnen fürGenerationen“ seine Fortsetzungmit dem „Wohnen am Wasser-turm“ finden. 2013 endlich wurdendie Weichen für die Bebauung desGeländes gestellt. Nun können wirzusammen mit der WOGE Kiel,dem Flensburger BauunternehmerHermann Höft und Bauplan Nordunsere Vision von einem hochwer-tigen Quartier Wirklichkeit werdenlassen: Doppel- und Einfamilien-häuser werden entstehen, Eigen-tums- und Mietwohnungen imprivaten und im genossenschaft-lichen Besitz. Familien, Paare, Al-leinstehende – Menschen mit ganzverschiedenen Ansprüchen – wer-den hier in neuer Nachbarschaft,umgeben von Natur, ihr Zuhausefinden.

Am Wasserturmgeht es weiter

Fröhliches Viertel: Der Willi-Sander-Platz ist regelmäßiger Schauplatz für SBV-Feste.Hier wurde 2014 das „Fertigfest“ als Abschluss der Umbauarbeiten gefeiert.

Die Außendienstler der Genossenschaft haben mit der Pflege der Grünanlagen nichtnur in Fruerlund jede Menge zu tun.

Fitness im Park: Auch Flensburgs Oberbürgermeister Simon Faber (r.) und SBV-Vor-standsvorsitzender Raimund Dankowski betätigen sich sportlich. Fotos: Dewanger

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Für uns ist das Engagement in ei-ner Erschließungsgesellschaft – der„Am Wasserturm GmbH & Co.KG“ gemeinsam mit Höft Immo-bilien und Bauplan Nord – neu.Aber warum nicht etwas Neuesausprobieren? Mit der WOGE Kielhaben wir ja eine starke Genossen-schaft mit ins Boot holen können.Nun gehen wir also das nächstegroße Projekt an: Rund 150 Wohn-einheiten sind auf der 30.000 Qua-dratmeter umfassenden Flächegeplant: Die WOGE wird davon 27Mietwohnungen im nördlichenTeil des Geländes übernehmen.Wir planen mit 50 Wohnungenzwischen 65 und 120 Quadratme-tern. 10,5 Millionen Euro wollenwir einsetzen – Gelder, die größ-tenteils aus unserer eigenen Spar-einrichtung stammen.

Das „Wohnen am Wasserturm“soll unser Wohnraumangebot fürgehobene Ansprüche erweitern.Im Sinne unserer Mitglieder sindwir bewusst an der Gestaltungeines neuen, exklusiven Stadtteilesbeteiligt. Viele neue, finanzstarkeMitglieder, die in unmittelbarerNähe des bekannten Wahrzeichensauf der östlichen Höhe wohnenmöchten, haben wir mit unserenPlänen schon gewinnen können.Insgesamt stehen weit mehr Inter-essenten auf der Warteliste, als wirunterbringen können. Und wenndie Häuser am Wasserturm bezo-gen sind, wird der Umbau in Fruer-lund abgeschlossen sein, dieQuartiersentwicklung aber ist niezu Ende. Als Genossenschaft sindwir ständig und in allen Stadtteilenbestrebt, Häuser und Wohnumfeldfür unsere Mitglieder weiterzuent-wickeln – für eine Gesellschaft, inder sich jeder wohlfühlen kann,egal woher er kommt, was er kannoder ist. Der Runde Tisch ausUmbauzeiten – es wird ihn deshalbauch künftig geben.

Raimund Dankowski

Quartiersentwicklungist nie zu Ende

„Der Umbau hat dem Stadtteilneues Leben für die nächsten

Jahrzehnte eingehaucht.“Simon Faber

Oberbürgermeister in Flensburg

Das Viertel noch im Umbau: Heute sind die Lücken geschlossen (s. Titelfoto).

Die Sportpiraten sind fast immer dabei, wenn die Genossenschaft zu Spiel und Spaß aufdem Willi-Sander-Platz einlädt.

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Fruerlund – på trods af allede forandringer, som deseneste år har bragt, har

bydelen ikke virkelig forandretsig, fordi det stadigvæk først ogfremmest handler om demennesker, som bor her, somgiver bydelen dens ansigt. I deallerfleste tilfælde er det et gladansigt, selv under ombygnings-arbejderne, som har været an-strengende for alle involveredeparter.

For nogle virkede det megetutopisk, da det blev be-kendtgjort, hvad der skulle ske ibydelen Fruerlund. Og i dag erder på mange gader, i Mühlen-holz og Ostlandstraße eller påstierne stadigvæk de mangekendte ansigter at se. Ogsånogle gamle traditioner blevopretholdt. Herrernes stambord

mødes stadigvæk hver morgenkl. 9.30 hos bageren ibogcaféen. Der lå en gangGambrinus, som var etværtshus, hvor HelmutSchumann kom meget, senereblev det til SBV-mødestedet.

I dag står der på dette stedfælleshuset „360°“. Her viserdet sig i øvrigt helt tydeligt,hvordan tanken om andelssel-skab og fællesskab fik medvindi det ny opståede kvarter: Detdaglige tilbud bliver mere ogmere mangfoldig, huset levermed og af de mange menneskerpå forskellig alder, som enga-gerer sig her. For dem, der hertilbyder sine evner, handler detikke om at tjene penge. De vilførst og fremmest stille deresevner til rådighed for almen-heden og opleve at det er sjovt i

fællesskabet, for eksempel vedat lave mad, strikke, klippe ogklistre, bage, i forfatter- oglitteraturcaféer, ved malekurserog musik- og selvhjælps-grupper, ved Yoga, Qi Gong ogTai Chi. Med bydelensombygning er meget blevetmere frit og moderne. Vedsportsrekvisitterne i parkenholder de voksne sig fit, street-soccerpladsen og den storelegeplads blev med det sammeovertaget af børn og unge, defleste af dem er nytilflyttere iFruerlund. I kun lige knap fire årformåede alle involveredeparter at give det gamle kvarteret friskt, moderne ansigt – ogmed „Boliger ved vandtårnet“lykkedes det samtidigt at udvidemed boliger i den østlige del iFlensburg, som er til folk medhøjere krav.

At bo og leve i Fruerlund

Blumen zum Einzug / blomster til de nye naboer. Dewanger

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Dewanger

Anhang

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Mühlenholz in den 1950er-JahrenStadt Flensburg

Mühlenholz in den 2000er-JahrenSchnoor

Mühlenholz 2014Schnoor

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Der Willi-Sander-Platz (damals Mühlenhof) einst…. Archiv Nowc

Fruerlund damals und heuteSeit mehr als 65 Jahren gibt es den Stadtteil Fruerlund. In dieser Zeit hat sich viel verändert –wie die Fotos beweisen. Eines ist geblieben: Die Menschen im Viertel kennen sich, persönlicheBegegnungen sind wichtig. Und das soll auch in Zukunft so bleiben.

Das neue SBV-Haus steht heute dort… Schnoor

…. und heute. Schnoor

….wo früher die Sparkasse war. Archiv Nowc

Später residierte hier der Vorstand. SBV

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Aus dem ehemaligen Gambrinus wurde die Kneipe XXL. SBV

Später traf man sich hier in der Begegnungsstätte. SBV

Heute steht das Gemeinschaftshaus 360° an selber Stelle – aller-dings treffen sich hier mehr Menschen als damals im Gambrinus.

Das erste SBV-Verwaltungsgebäude entstand 1952. Stadtarchiv

Die Jungs von damals könnten die Großväter der Jungs von heutesein. Wenzel

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Der Klabundeweg in den 50er-Jahren…… Archiv Nowc

…und heute. Schnoor

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