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4.2019 Wie ich scheiterte und glücklich wurde WIRTSCHAFT Was tun, wenn das eigene Unternehmen ins Trudeln gerät? Vor dieser Frage stand der Unternehmer Markus Hänssler im Jahr 2000. Was er aus der beruflichen, privaten und geistlichen Krise lernte, darüber sprach mit ihm idea-Reporter Karsten Huhn. idea: Herr Hänssler, beim Kongress Christlicher Führungskräfte werden Sie zum Thema „Scheitern“ sprechen. Wo sind Sie gescheitert? Hänssler: Wenn man mich heute sieht, ist das sicher nicht erkennbar: Ich bin mit meiner wundervollen Ehefrau sehr glücklich verheiratet, Vater von fünf großartigen Kindern, Geschäftsführer in einem mittelständischen Unternehmen. Wir wachsen seit Jahren stabil und sind ein „Hidden Cham- pion“, also eines der wenig bekannten, aber sehr erfolgrei- chen Unternehmen. Wenn man aber den Herrn Hänssler von vor 20 Jahren kennt, weiß man, dass es ihm nicht ge- lungen ist, die Insolvenz des elterlichen Unternehmens ab- zuwenden. Das war für mich sehr schmerzhaft und brach- te auch eine persönliche Krise mit sich. Warum wurde der Hänssler-Verlag im Jahr 2002 zahlungs- unfähig? Es war die typische Geschichte eines Traditionsunterneh- mens, das in Probleme gerät: Der Hänssler-Verlag war lan- ge Zeit sehr erfolgreich auf Wachstumskurs und bekam einige prestigeträchtige Auszeichnungen. Die Firmenräu- me reichten nicht mehr aus, und das Unternehmen zog von Neuhausen nach Holzgerlingen. Dann kamen mehrere ex- terne und interne Schwierigkeiten zusammen, von denen jede für sich allein genommen lösbar gewesen wäre. Welche Probleme waren das? 1. In der Medienbranche gibt es seit mehr als 20 Jahren ei- nen Umbruch von gedruckten zu digitalen Werken und von der Schallplatte über die CD hin zu im Internet verfügbaren Medien. Der Markt verändert sich radikal. 2. Beim neuen Standort gab es durch Softwarefehler ausgelöste Anlauf- schwierigkeiten im Logistikzentrum. Das führte dazu, dass Waren nicht mehr termingerecht ausgeliefert wurden. 3. Ein wichtiger Kunde wurde zahlungsunfähig und verstärk- te dadurch die Probleme unseres Verlags. Wie gingen Sie damit um? Man sagt ja gerne, es gibt keine Schwierigkeiten, sondern nur Herausforderungen. Ich hatte den Anspruch, die Ursa- chen zu analysieren, Maßnahmen zu ergreifen und die Pro- bleme zu lösen. In Krisen sind das oft sehr schmerzhafte Schritte, die man sehr schnell und konsequent gehen muss. Markus Hänssler mit zwei seiner fünf Kinder, Rafael (l.) und Jolina Je länger sich die Krise hinzog, desto mehr fragte ich mich, ob es Gott wirklich gibt

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Wie ich scheiterte und glücklich wurdeWirtschaft Was tun, wenn das eigene Unternehmen ins Trudeln gerät? Vor dieser Frage stand der Unternehmer Markus Hänssler im Jahr 2000. Was er aus der beruflichen, privaten und geistlichen Krise lernte, darüber sprach mit ihm idea-Reporter Karsten Huhn.

idea: Herr Hänssler, beim Kongress Christlicher Führungskräfte werden Sie zum Thema „Scheitern“ sprechen. Wo sind Sie gescheitert?

Hänssler: Wenn man mich heute sieht, ist das sicher nicht erkennbar: Ich bin mit meiner wundervollen Ehefrau sehr glücklich verheiratet, Vater von fünf großartigen Kindern, Geschäftsführer in einem mittelständischen Unternehmen. Wir wachsen seit Jahren stabil und sind ein „Hidden Cham-pion“, also eines der wenig bekannten, aber sehr erfolgrei-chen Unternehmen. Wenn man aber den Herrn Hänssler von vor 20 Jahren kennt, weiß man, dass es ihm nicht ge-lungen ist, die Insolvenz des elterlichen Unternehmens ab-zuwenden. Das war für mich sehr schmerzhaft und brach-te auch eine persönliche Krise mit sich.

Warum wurde der Hänssler-Verlag im Jahr 2002 zahlungs-unfähig?Es war die typische Geschichte eines Traditionsunterneh-mens, das in Probleme gerät: Der Hänssler-Verlag war lan-ge Zeit sehr erfolgreich auf Wachstumskurs und bekam einige prestigeträchtige Auszeichnungen. Die Firmenräu-me reichten nicht mehr aus, und das Unternehmen zog von Neuhausen nach Holzgerlingen. Dann kamen mehrere ex-terne und interne Schwierigkeiten zusammen, von denen jede für sich allein genommen lösbar gewesen wäre.

Welche Probleme waren das?1. In der Medienbranche gibt es seit mehr als 20 Jahren ei-nen Umbruch von gedruckten zu digitalen Werken und von der Schallplatte über die CD hin zu im Internet verfügbaren Medien. Der Markt verändert sich radikal. 2. Beim neuen Standort gab es durch Softwarefehler ausgelöste Anlauf-schwierigkeiten im Logistikzentrum. Das führte dazu, dass Waren nicht mehr termingerecht ausgeliefert wurden. 3. Ein wichtiger Kunde wurde zahlungsunfähig und verstärk-te dadurch die Probleme unseres Verlags.

Wie gingen Sie damit um?Man sagt ja gerne, es gibt keine Schwierigkeiten, sondern nur Herausforderungen. Ich hatte den Anspruch, die Ursa-chen zu analysieren, Maßnahmen zu ergreifen und die Pro-bleme zu lösen. In Krisen sind das oft sehr schmerzhafte Schritte, die man sehr schnell und konsequent gehen muss.

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Je länger sich die Krise hinzog, desto mehr fragte ich mich, ob es Gott wirklich gibt Fo

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Das ist Ihnen nicht gelungen?Ich habe mich gefragt, ob ich in dieser Situation noch der Richtige bin – sowohl von der fachlichen Erfahrung als auch von den Handlungsmöglichkeiten. Ich habe mir für bestimmte Zielsetzungen selbst eine rote Linie und ein Da-tum gesetzt und bin schließlich Ende 2000 aus der aktiven Geschäftsführung ausgeschieden. Als Gesellschafter und auch mit persönlichen Bürgschaften blieb ich dem Unter-nehmen jedoch weiterhin bis zur Insolvenz im Jahr 2002 verbunden.

Gleichzeitig gerieten Sie in eine private Krise.Die Unternehmenskrise wirkte sich auch auf meine Fami-lie, auf Freundschaften und auf meinen Glauben aus. Ich zweifelte an allem, auch an mir selbst.

In Krisen beten die einen umso mehr, die anderen gar nicht mehr. Wie war es bei Ihnen?Ich habe mich oft gefragt, ob der Glaube in dieser Situation für mich eine Hilfe oder eine zusätzliche Belastung war. In der ersten Phase hat die Krise meine Gebete verstärkt. Ich suchte Zuflucht bei Gott und vertraute darauf, dass er mir helfen kann. Je länger sich die Krise hinzog, desto mehr fragte ich mich, ob es Gott wirklich gibt. Und wenn ja: Liebt er mich? Ist er wirklich allmächtig? Und warum tut er nichts? Mein bisheriges Gottesbild wurde erschüttert.

Sind Sie auf den Golfplatz gegangen anstatt in den Gottes-dienst?Für den Golfplatz hatte ich keine Zeit. Ich habe in dieser Zeit mindestens 80 Stunden in der Woche gearbeitet. Mir war es aber wichtig, weiter den Gottesdienst zu besuchen, weil mir bewusst war, dass mich der Glaube hält, wenn al-les ins Wanken gerät. Meine Persönlichkeit geriet so stark unter Druck, und ich verhielt mich anders als sonst. Ich habe versucht wegzutauchen und sprach nicht mehr offen über meine Probleme.

Sie sagten, Sie seien heute ein völlig anderer. Wie kam es zum Sinneswandel?Ich habe mir natürlich die Frage gestellt: Was habe ich falsch gemacht? Wo hätte ich Warnsignale erkennen müs-sen? Wie hätte ich anders handeln können? Ich habe zum Beispiel gelernt, dass man besonders in Krisen Transparenz herstellen muss – für sich selbst und für andere. Ich muss über unangenehme Wahrheiten offen sprechen – das gilt für Geschäftsbeziehungen genauso wie für private Bezie-hungen. Damals habe ich stark dazu geneigt, mich selbst

zu rechtfertigen und zugleich nach Zustimmung für meine Entscheidungen zu suchen. Das ist aber wenig hilfreich. Es braucht auch Menschen, die einen auf Schwächen und Feh-ler hinweisen.

Haben Sie professionelle Hilfe gesucht, etwa einen Coach oder Therapeuten?Meine damalige Frau und ich haben eine Eheberatung be-sucht. Auch für den Verlag haben wir Berater in Anspruch genommen. In beiden Fällen hat das letztlich nicht zum er-hofften Ergebnis geführt.

Sie haben später als Sanierer von in Krisen geratenen Unter-nehmen gearbeitet. Woran scheitern Unternehmen besonders häufig?Das Thema hat mich aus eigenem Erleben fasziniert. Dem Hänssler-Verlag konnte ich damals leider nicht helfen. Nun wollte ich es besser machen. In Krisensituationen gibt es eine Ereigniskette: Am Anfang neigen die meisten dazu, die Krise zu ignorieren, zu leugnen und schönzureden. Wenn das nicht mehr geht, wird nach Schuldigen gesucht. Das hilft aber meistens nicht, die wirklichen Ursachen für die Krise zu finden. Unternehmen, die ihr Problem erkannt haben, sind meistens nicht schnell und konsequent genug, um es zu beheben. Denn was man in Krisen am allerwe-nigsten hat, ist Zeit.

Viele Manager leben nach dem Motto: beruflich Profi, privat Amateur.Das mag so sein. Als Manager weiß man, dass man nur dort Erfolg hat, wo man zuvor investiert hat. Im Privatleben ver-

Markus Hänssler (r.) mit seinen Eltern Ursula und Friedrich

Ich habe Jesus Christus wirklich als Heiland erlebt

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weigern viele Manager aber die nötigen Investitionen. Natürlich sind im Privatleben ganz andere Investitionen notwendig. Ich denke da nicht an den Porsche und den Dia-mantring für die Ehefrau, sondern an Zeit, Aufmerksam-keit, Wertschätzung und Liebe.

Das ist schwierig, wenn man abgehetzt und müde aus der Firma kommt.Kein Mensch hat wenig Zeit. Jeder von uns hat 24 Stunden am Tag. Die Frage ist, wie ich diese Stunden sinnvoll fülle und eine ausgewogene Balance zwischen Geschäft und Pri-vatleben finde. Als Manager sind wir Getriebene und müs-sen oft mehr arbeiten, als für uns gut ist. Beruflicher Erfolg ist aber bei weitem nicht alles im Leben. Viel wichtiger sind die persönlichen Beziehungen und natürlich vor allem die Beziehung zu Gott. Es ist wichtig, dass wir uns das immer wieder bewusstmachen. Im Geschäftsleben bewerten wir Menschen oft sehr stark danach, was sie an Ergebnissen generieren. Im geistlichen Leben – also vor Gott – gilt das aber nicht. Diese Erkenntnis hat mich unglaublich befreit. Es war so, als hätte ich ein zweites Mal zum Glauben ge-funden. Ich habe Jesus Christus wirklich als Heiland erlebt.

Das war vorher nicht der Fall?Ich habe schon mit Jesus gelebt, habe ihm gedient und woll-te ihm gefallen. Ich hatte immer die Sorge gehabt, dass ich ihn enttäusche, weil ich etwas falsch mache. In meiner Le-benskrise habe ich aber erkannt, dass es mir nicht möglich ist, Jesus zu enttäuschen. Er täuscht sich nicht in uns, son-dern kennt mich viel besser als ich mich selbst. Mein Schei-tern löst bei Jesus also keine Enttäuschung, sondern viel mehr Erbarmen aus. Dieses Wort ist in unserer Gesellschaft sicher nicht mehr so präsent, bei Jesus ist es aber Realität. Er ist gerade dann für uns da, wenn es uns nicht gutgeht.

Wie haben Sie das erlebt?Das war ein längerer Prozess. Zunächst hatte ich ja eher den Eindruck, Gott habe sich von mir abgewandt. Im Bibellesen und Gebet kam ich aber zur Erkenntnis, dass Gott sich mir gerade in der Krise zuwendet.

Sie wuchsen in einem christlichen Elternhaus auf, umgeben von christlicher Literatur. Dennoch hat es sehr lange ge-braucht, bis Sie zu dieser Erkenntnis kamen.Elternhaus, Kinderstunde und Jungschar sind ein wertvol-ler Teil meiner Beziehung zu Christus. Ich sehe darin auch keinen Bruch, sondern eher eine Entwicklung zu einem rei-fen Glauben.

Muss über das Scheitern mehr gepredigt werden?Wir tun uns schwer, damit umzugehen, insbesondere wenn es sich um längere Krisenphasen handelt. Sicher spricht man im Geschäftsleben viel davon, dass wir eine Fehlerkultur brauchen, und in der Kirche, dass wir Vergebungsbereit-schaft benötigen. Häufig bleibt es aber eher bei der Theorie.

Was sollten Manager über das Scheitern unbedingt wissen?Manager sind nicht fürs Scheitern da, sondern dafür, Kri-sen zu meistern. Nichtsdestotrotz gibt es im Leben nicht nur Erfolge. Und Krisen sind häufig wichtige Innovations-treiber, also Auslöser für positive Veränderungen. Deshalb müssen wir uns in guten Zeiten mit diesem Thema ausei-nandersetzen. Bevor wir ins Meer gehen, machen wir ja auch einen Schwimmkurs.

Vielen Dank für das Gespräch!

Markus Hänssler (51) ist in zweiter Ehe verheiratet und Vater von fünf Kindern. Er war von 1991 bis 2000 Geschäftsführer des Hänssler-Verlags und danach in Leitungspositionen bei mehreren Industrieunternehmen in Umstrukturierungs- und Sanierungsphasen. Seit 2008 ist er Geschäftsführer der HEWI G. Winker Gruppe (Spaichingen bei Stuttgart), einem international tätigen Automobilzulieferer mit 600 Mitarbeitern und 140 Millionen Euro Umsatz.

Kongress Christlicher FührungskräfteMarkus Hänssler spricht zum Thema „Scheitern“ beim Kongress Christlicher Führungskräfte, der

vom 28. Februar bis 2. März in Karlsruhe stattfindet. Zum Kon-gress werden rund 3.000 Teilnehmer erwartet.

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