Funktionskrankheiten des Bewegungssystems nach Brügger ......schung und Entwicklung der Diagnostik,...

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Funktionskrankheiten des Bewegungssystems nach Brügger Diagnose, Therapie, Eigentherapie Bearbeitet von Roland Kreutzer, Claudia Koch-Remmele 2., korrigierte Auflage 2017 2017. Buch. 248 S. Hardcover ISBN 978 3 86867 331 9 Format (B x L): 19 x 27 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Physiotherapie, Physikalische Therapie schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

Transcript of Funktionskrankheiten des Bewegungssystems nach Brügger ......schung und Entwicklung der Diagnostik,...

  • Funktionskrankheiten des Bewegungssystems nach Brügger

    Diagnose, Therapie, Eigentherapie

    Bearbeitet vonRoland Kreutzer, Claudia Koch-Remmele

    2., korrigierte Auflage 2017 2017. Buch. 248 S. HardcoverISBN 978 3 86867 331 9

    Format (B x L): 19 x 27 cm

    Weitere Fachgebiete > Medizin > Physiotherapie, Physikalische Therapie

    schnell und portofrei erhältlich bei

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  • Diagnose, Therapie,Eigentherapie

    Funktionskrankheitendes Bewegungssystemsnach Brügger

    Claudia Koch-RemmeleRoland Kreutzer

  • X

    Grundlagen der Funktionskrankheiten 1

    1.1 Geschichte der Funktionskrankheiten .......................................................................................................... 2 1.2 Neurophysiologie ....................................................................................................................................................... 3 1.3 Pathophysiolgie ......................................................................................................................................................... 13

    Das Bewegungsmuster der aufrechten Körperhaltung 31

    2.1 Konstruktion der aufrechten Körperhaltung (AH) .................................................................................. 32 2.2 Bewegungsmuster des Rumpfes in der aufrechten Körperhaltung und

    in der Belastungshaltung ...................................................................................................................................... 36 2.3 Bewegungsmuster der unteren Extremität ............................................................................................... 42 2.4 Bewegungsmuster der oberen Extremität ................................................................................................ 46 2.5 Aufrichtende Muskelschlingen .......................................................................................................................... 50

    Befunderhebung der Funktionskrankheiten 61

    3.1 Aufbau und Ziele der Befunderhebung ...................................................................................................... 62 3.2 Anamnese ....................................................................................................................................................................... 62 3.3 Inspektionsbefund ..................................................................................................................................................... 65 3.4 Palpationsbefund ....................................................................................................................................................... 66 3.5 Funktionsbefund ........................................................................................................................................................ 67 3.6 Funktionstests .............................................................................................................................................................. 69 3.7 Erstellung der Arbeitshypothese ...................................................................................................................... 74 3.8 Dokumentation des Befundes ........................................................................................................................... 76

    Therapie der Funktionskrankheiten 79

    4.1 Aufbau und Ziele der Brügger-Therapie ..................................................................................................... 80 4.2 Vorbereitende Maßnahmen ................................................................................................................................ 80 4.3 Haltungskorrektur im Sitz und Stand ............................................................................................................ 83 4.4 Behandlung persistierender Störfaktoren anhand des 3-Stufen-Modells ............................. 89

    Befund und funktionsorientierte Behandlung persistierender Störfaktoren 107

    5.1 Persistierende Störfaktoren am Rumpf ........................................................................................................ 108 5.2 Persistierende Störfaktoren am Becken ....................................................................................................... 116 5.3 Persistierende Störfaktoren am Kopf ............................................................................................................. 122 5.4 Persistierende Störfaktoren an der Schulter .............................................................................................. 128

    Inhaltsverzeichnis

    5

    1

    2

    3

    4

  • XI

    5.5 Persistierende Störfaktoren am Ellenbogen .............................................................................................. 142 5.6 Persistierende Störfaktoren an der Hand .................................................................................................... 146 5.7 Persistierende Störfaktoren an der Hüfte .................................................................................................... 158 5.8 Persistierende Störfaktoren am Knie .............................................................................................................. 172 5.9 Persistierende Störfaktoren am Fuß ............................................................................................................... 176

    Globale Behandlung persistierender Störfaktoren 185

    6.1 Brügger-Grundübungen ....................................................................................................................................... 186 6.2 Brügger-Walking ......................................................................................................................................................... 188 6.3 Globale Theraband-Übungen ............................................................................................................................ 189 6.4 Activities of daily living (ADL) .............................................................................................................................. 190

    Befund und Behandlungsbeispiel 195

    7.1 Diagnostik und Therapie ....................................................................................................................................... 196

    Klinische Erscheinungsbilder (= Krankheitsbilder) 203

    8.1 Krankheitsbild versus klinisches Erscheinungsbild ............................................................................... 204 8.2 Lokalisation der Störfaktoren .............................................................................................................................. 204 8.3 Top 10 der klinischen Erscheinungsbilder ................................................................................................. 206

    Anhang 233

    Übersicht weitere Funktionstest ....................................................................................................................... 234 Kopiervorlage Befundbogen ............................................................................................................................... 236 Kontaktadressen ......................................................................................................................................................... 238 Literatur ............................................................................................................................................................................ 239 Sachverzeichnis ........................................................................................................................................................... 243

    7

    8

    6

    9

  • 1

    2 Kapitel 1 · Grundlagen der Funktionskrankheiten

    1.1 Geschichte der Funktions-krankheiten

    Die Geschichte der Funktionskrankheiten des Bewegungs-systems wird geprägt durch das Lebens-, Forschungs- undSchaffenswerk des schweizer Neurologen und PsychiatersDr. med. Alois Brügger (⊡ Abb. 1.1).

    Geboren am 14.02.1920 in Chur in der Schweiz stu-dierte er Medizin in Freiburg und Zürich und schloss seinStudium 1948 mit dem Staatsexamen ab. Bis zu seinem 40.Lebensjahr war er intensiv klinisch und forschend auf denGebieten der Psychiatrie, Neurologie, Pathoneuroanato-mie, Neurochirurgie und Rheumatologie (in der Schweiz,New York und England) tätig.

    Auf der Basis eines breit gefächerten interdisziplinärenFachwissens gründete er 1960 in Zürich eine Praxis fürNeurologie und Psychiatrie sowie ein Institut zur interdis-ziplinären Erforschung der Kybernetik des menschlichenKörpers.

    1982 eröffnete Brügger in Zürich ein Forschungs- undSchulungszentrum für Ärzte und Physiotherapeuten. So-mit schuf er die institutionelle Plattform für die Erfor-schung und Entwicklung der Diagnostik, Therapie undLehre der Funktionskrankheiten des Bewegungssystems.Dem gleichen Zweck diente der mit E. Just 1985 gegründe-te „Internationale Arbeitskreis zur Erforschung der Funk-tionskrankheiten am Bewegungssystem“ (IAFK) und dieHerausgabe der Zeitschrift „Funktionskrankheiten des Bewegungssystems“ (Gustav Fischer Verlag).

    Unbefriedigende Ergebnisse in der Diagnostik und Thera-pie der konservativen Orthopädie und Rheumatologie hat-ten Brügger in den 50er Jahren veranlasst, nach weiterenUrsachen schmerzhafter Behinderungen und Beschwerdendes Bewegungssystems zu forschen.

    Er erkannte, dass viele Krankheitsbilder des Bewe-gungssystems nicht primär auf strukturelle, degenerative,oder entzündliche Veränderungen zurückzuführen sind,sondern oftmals funktionell begründet sind. Die dadurchausgelösten Funktionsstörungen im Bereich des arthro-muskulären Systems und der Infrastruktur, welche mitSchmerzen einhergehen können, stellen häufig Schutzme-chanismen dar, die vom Zentralnervensystem (ZNS) orga-nisiert werden. Diese reflektorisch bedingten Veränderun-gen und Schmerzhaftigkeiten bezeichnete Brügger als„Funktionskrankheiten des Bewegungssystems“. Diereflektorisch ausgelösten Funktionsstörungen können je-doch über einen längeren Zeitraum strukturelle Verände-rungen nach sich ziehen, da durch die Fehlbeanspru-chung/Fehlbelastung der Strukturen pathophysiologischeBildungsreize einwirken.

    Zu seinen Erkenntnissen kam Brügger durch verschiedeneklinische Beobachtungen. So berichtet er von einer Patien-tin mit einem Bandscheibenvorfall, bei der eine erfolg-reiche operative Freilegung der komprimierten Nerven-wurzel von S1 durchgeführt wurde. Postoperativ ver-schwanden die neurologischen Symptome, die ausstrah-lenden Schmerzen blieben allerdings. Diese und ähnlichepostoperative Ergebnisse führten zu der Erkenntnis, dass es offenbar systematisch ausgebreitete Muskelschmerzenoder radikulär anmutende, ausstrahlende Schmerzen gibt,die nichts oder nichts mehr mit einer radikulären Sympto-matologie zu tun haben.

    Zur Abgrenzung der radikulären Syndrome führteBrügger 1956/1962 den Begriff „pseudoradikuläre Syn-drome“ ein, ein Begriff, der sich in der heutigen Medizinals Allgemeingut etabliert hat.

    Brügger beobachtete anhand vieler Untersuchungen,dass es Muskelschmerzen gibt, die nur während der Aus-führung bestimmter Bewegungen oder in bestimmten Kör-perhaltungen auftreten. Diese an eine Funktion gebunde-ne Schmerzhaftigkeit bestimmter Muskelfunktionsgrup-pen bezeichnete er als „reflektorische Tendomyose“(1958), um sie von anderen Muskelschmerzen wie z. B. der„Myositis“ oder der „Myalgie“ abzugrenzen.

    Im Verlauf weiterer Forschungen erkannte er, dassTendomyosen nicht zwangsläufig mit Schmerzen verbun-den sein müssen und keine zufällige Ausbreitung haben,

    Abb. 1.1. Dr. med Alois Brügger im Jahr 1995

  • 1.1 · Geschichte der Funktionskrankheiten13

    sondern vom ZNS zum Schutz vor drohender oder fort-schreitender Schädigung des Organismus systematischausgelöst werden.

    Solche pathophysiologischen Schutzmechanismen, diegewährleisten, dass der Mensch trotz vorhandener Störfak-toren handlungsfähig bleibt, wurden von Brügger 1962 als„nozizeptiver somatomotorischer Blockierungseffekt(NSB)“ bezeichnet. Als supraspinal arbeitendes System or-ganisiert der NSB jene beschriebenen reflektorischen Zu-standsveränderungen der Muskulatur (Tendomyosen).Der NSB löst veränderte, teilweise schmerzhafte, Haltungs-und Bewegungsprogramme bis hin zu reflektorisch beding-ter Kraftlosigkeit aus (Blockierungseffekt). Dabei tretendiese schmerzhaften Bewegungen und/oder Haltungenhäufig nicht im Bereich der Störungsursache, sondern ent-fernt am Ort des wirksamsten Schutzes auf.

    Mitte der 60er Jahre beschäftigte sich Brügger intensiv mitder Frage, wie die Haltung des Menschen aus funktionel-ler Sicht aufgebaut ist, um eine optimale Belastung derStrukturen zu gewährleisten. In diesem Zusammenhangerkannte er, dass es eine Wechselbeziehung zwischenRumpf und Extremitäten gibt. Die Tatsache der Verkopp-lung und gegenseitigen Beeinflussung von Rumpf und Ex-tremitäten erfuhr ihre bildliche Darstellung durch dasZahnradmodell (⊡ Abb. 2.3, S. 34).

    1977 erschien sein erstes Hauptwerk: „Erkrankungen desBewegungsapparates und seines Nervensystems“.Dieses 1200 Seiten umfassende, interdisziplinäre Monu-mentalwerk, welches auf dem Fundament der klassischenNeurologie basiert, integriert neben einem immensenGrundlagenwissen die reichhaltigen Ergebnisse seiner For-schungsarbeiten und klinischen Erfahrungen am Patientenin ungewöhnlich faszinierender Art.

    Im Jahr 2000 veröffentlichte er 80-jährig sein zweitesHauptwerk. Das „Lehrbuch der funktionellen Störun-gen des Bewegungssystems“ stellt eine Vertiefung undAktualisierung seines ersten Hauptwerks dar.

    Alois Brügger verstarb am 28.10.2001 im Alter von 81 Jah-ren in Zürich. Er hinterlässt ein umfangreiches, wissen-schaftliches Werk und Behandlungskonzept, welches fürdie Medizin eine fundamentale Erweiterung der Diagnos-tik und Therapie bei Schmerzhaftigkeiten des Bewegungs-system darstellt.

    1.2 Neurophysiologie

    Den Funktionskrankheiten des Bewegungssystems liegenneurophysiologische Geschehen zugrunde. Sie sind dasErgebnis zentralnervös organisierter Anpassungen derSensomotorik und der Viszeromotorik (Infrastruktur) anStörfaktoren. Die Anpassungen treten als Krankheitsbildermit schmerzhaften Bewegungsbehinderungen auf.

    Um zu verstehen, wie sich Haltung und Bewegung un-ter Einfluss von Störfaktoren verändern und schmerzhaftwerden können, sind Kenntnisse über die Organisationvon Haltung und Bewegung unter neurophysiologischenBedingungen notwendig. In diesem Buch beschränkt sichdie Betrachtung der äußerst komplexen Steuerungsmecha-nismen des Zentralnervensystems auf die für das Verständ-nis der Funktionskrankheiten des Bewegungssystems not-wendigen Grundlagen.

    Sämtliche Aktivitäten des lokomotorischen Systemsunterstehen den umfangreichen Steuerungsmechanismendes peripheren und zentralen Nervensystems. Das Nerven-system ist ein Kommunikations- und Verarbeitungssys-tem, das die biologischen Grundfunktionen des menschli-chen Individuums steuert, organisiert, kontrolliert undkorrigiert (Brügger 2000).

    Neben der Herstellung des allgemeinen Aktivitätszu-stands und der Organisation von neurophysiologischenFunktionen wie Emotionen, Motivation, Lernen und Ge-dächtnisbildung, ist die nervale Organisation und Kontrol-le von Haltung und Bewegung die wichtigste Aufgabe desZNS.

    Kenntnisse über• die Organisation der Bewegungsplanung und die

    Durchführung willkürlicher, zielgerichteter Bewe-gungen

    • das sensomotorische System • angeborene und erlernte Bewegungsprogramme • höhere Motorik: Ziel- und Stützmotorik • Spinalmotorik: monosynaptische und polysynap-

    tische Reflexe, spinale Lokomotionszentren • sensorische Systeme und Bewegungskontrolle • die Koppelung des sensomotorischen Systems mit

    dem viszeromotorischen System, der Infrastruktur

    LERNZIELE

  • 2

    42 Kapitel 2 · Das Bewegungsmuster der aufrechten Körperhaltung

    2.3 Bewegungsmuster der unterenExtremität

    Bewegungen des Beckens und der Beine sind in der Aus-gangsstellung Sitz (Punctum fixum Füße) nicht isoliert

    voneinander zu betrachten. Diese sind über den Gestänge-mechanismus (Brügger 1980) miteinander gekoppelt.

    2.3.1 Der Gestängemechanismus im Sitz

    Da im Sitz das Drehzentrum für die Beckenbewegung imTuber liegt, beschreibt das Hüftgelenk bei der Bewegungder Beckenkippung und der Beckenaufrichtung einengroßen bogenförmigen Weg nach vorne bzw. nach hinten.Es kommt zum „Vorwärtsschieben“ und „Rückwärtszie-hen“ des Ober- und des Unterschenkels mit den resultie-renden Bewegungen im Hüft- Knie- und Sprunggelenk.Diese mit der Beckenbewegung gekoppelten Bewegungenvon Oberschenkel und Unterschenkel werden von Brüggerals Gestängemechanismus definiert (⊡ Abb. 2.6).

    Die Primärbewegung der Beckenkippung leitet weiter-laufend nach kranial die thorakolumbale Lordose und nachkaudal die auslaufenden Bewegungsimpulse auf die untereExtremität ein.

    2.3.2 Auslaufende Bewegungsimpulsevon der Primärbewegung Becken-kippung

    Von der Primärbewegung Beckenkippung kommt es zuauslaufenden Bewegungsimpulsen auf die untere Extre-mität. Im Sitz ergibt sich daraus die funktionelle Einstellungder Fuß-Beinachsen (⊡ Tab. 2.1). Voraussetzung ist, dass: die Füße Bodenkontakt haben, so dass sie ein Punc-

    tum fixum darstellen,

    • Die AH bedeutet für die Strukturen eine optimaleBelastung mit physiologischen formativen Bil-dungsreizen. Diese gewährleisten physiologischeAuf- und Abbauprozesse der Strukturen. Struktu-relle Veränderungsprozesse werden vermieden.

    ZUSAMMENFASSUNG (Fortsetzung)

    • Definieren Sie die Beckenkippung im Sitz und imStand.

    • Welche Auswirkung hat die Beckenaufrichtung aufdas Hüftgelenk und in welcher Stellung findet eineoptimale Überdachung des Hüftgelenks statt?

    • Beschreiben Sie die Thoraxhebung und die Inklina-tion.

    • Welche kurzfristigen und langfristigen Auswirkun-gen haben die Beckenaufrichtung, Thoraxsenkungund die Reklination auf die Strukturen der Wirbel-säule, das ISG, ACG, SCG, die Sternokostal- und Kie-fergelenke und auf den Brust- und Bauchraum?

    • Welche Ursachen gibt es für die überwiegende Ein-nahme der BH im Alltag?

    ÜBERPRÜFEN SIE IHR WISSEN

    Kenntnisse über• den Gestängemechanismus im Sitz• auslaufende Bewegungsimpulse von der Becken-

    kippung auf die untere Extremität • die Stellung des Beckens und der unteren Extre-

    mität in der aufrechten Körperhaltung• rücklaufende fördernde und bremsende Bewegungs-

    impulse von der unteren Extremität auf den Rumpf • Auswirkungen von Störfaktoren der unteren Extre-

    mität auf den Rumpf

    LERNZIELE

    Abb. 2.6. Gestängemechanismus der unteren Extremität im Sitz beiFuß Punctum fixum und Becken Punctum mobile (modifiziert nachBrügger 1980).

  • 2.3 · Bewegungsmuster der unteren Extremität243

    die Füße leicht nach außen (leichte Knie-Außenrota-tion) zeigen und

    keine starken Störfaktoren vorliegen.

    2.3.3 Stellung des Beckens und derunteren Extremität in der AH

    Die Gelenkstellungen des Beckens und der unteren Extre-mität in der aufrechten Körperhaltung sind in ⊡ Tab. 2.2,S. 44 beschrieben. Je größer das Bewegungsausmaß in dieBeckenkippung ist, desto größer ist die auslaufende Hüft-Abduktion und -Außenrotation. Diese Bewegungskoppe-lung ist zwingend und liegt an der Beugeebene des Hüftge-lenks. Sie ist aufgrund der Pfannenstellung nach ventro-la-

    teral abduzierend und außenrotierend. Es resultiert einegrößere Knie-Innenrotation vom proximalen Hebel. ZurNeutralisation ist von distal mehr Knie-Außenrotationnötig. Der Fuß zeigt mehr nach außen.

    2.3.4 Rücklaufende Bewegungsimpulsevon der unteren Extremität auf denRumpf

    Rücklaufende Bewegungsimpulse können sowohl förderndals auch bremsend auf die Beckenkippung und die weite-ren Primärbewegungen wirken.

    Die neurophysiologische Stellung der Beinachsen inder AH wirkt sich rücklaufend fördernd aus. Diese wirddurch den funktionellen Synergismus der gelenkstabilisie-renden Muskulatur gewährleistet. Die Einnahme der auf-rechten Körperhaltung ist störungsfrei möglich. Rücklau-fend bremsend wirken sich die in ⊡ Tab. 2.3, S. 44 beschrie-benen Funktionen aus.

    ⊡ Tab. 2.1. Auslaufende Bewegungsimpulse bei Beckenkippung und Beckenaufrichtung auf die untere Extremität

    Gelenk Primärbewegung Beckenkippung↓

    Auslaufende Bewegung auf die untere Extremität:

    Beckenaufrichtung↓

    Auslaufende Bewegung auf die untere Extremität:

    Hüftgelenk � Flexion � Abduktion � Außenrotation

    (aufgrund der Beugeebene des Hüftgelenks)

    � Extension � Adduktion� Innenrotation

    Kniegelenk � Flexion � Innenrotation (Die in der ASTE eingestellte Knie-Außen-

    rotation vom distalen Hebelarm wird vom proximalenHebelarm zur Rotationsnullstellung neutralisiert. DieRotationsnullstellung bedeutet eine physiologischeBelastung des Kniegelenks.)

    � Abnahme der Knie-Flexion� Außenrotation

    OberesSprunggelenk

    � Dorsalextension � Plantarflexion

    UnteresSprunggelenk

    � Pronation vom proximalen Hebelarm � Es entsteht eine subtalare Verwringung des Vorfußes mit

    einem gleichmäßigen 3-Punkte-Kontakt von Großzeh-,Kleinzehballen und der gesamten Ferse.

    � Supination

    Der Gestängemechanismus im Sitz kann therapeutischgenutzt werden, um die Entstehung weiterer Störfak-toren zu vermeiden. Bandscheibenpatienten mit nochvorhandener Fußheberparese neigen zur Kontrakturder Plantarflexoren und Supinatoren aufgrund man-gelnder Impulse durch exzentrische Kontraktion.Durch Einnahme der Beckenkippung wird über denGestängemechanismus vom proximalen Hebelarmdie Dorsalextension und Pronation eingeleitet, so dassdie Gefahr einer Spitzfußstellung vermieden wird.

    PRAXISTIPP

    Die Beinachseneinstellung ist abhängig vom Gradder Beckenkippung. Aus funktioneller Sicht könnenkeine festen Winkelgrade bezüglich der Hüft-Abduk-tion und -Außenrotation sowie der Fußstellungangegeben werden.

    MEMO

  • 2

    44 Kapitel 2 · Das Bewegungsmuster der aufrechten Körperhaltung

    ⊡ Tab. 2.2. Stellung des Beckens und der unteren Extremität in der aufrechten Körperhaltung

    Becken� Beckenkippung�weiterlaufend thorakolumbale Lordose

    Hüftgelenk

    � Flexion (sollte nicht über 90° sein, dies ergibt sich aus der richtigen Stuhlhöhe)� Abduktion (im entsprechenden Verhältnis zur Beckenkippung)� Außenrotation (Unterschenkellängsachse sollte senkrecht stehen)� Stand: leichte FLEX/ABD/ARO

    Kniegelenk� Flexion (je nach Stuhlhöhe ca. 90°)� Rotationsnullstellung (Oberschenkel- und Fußlängsachse [Strahl d. Metatarsale II] stehen in Verlängerung)� Stand: EXT, keine Überstreckung

    Oberes Sprunggelenk � 0-Stellung

    Unteres Sprunggelenk� 0-Stellung bezüglich Inversion/Eversion� Pronation/subtalare Fußverwringung (gleichmäßiger 3-Punkte-Kontakt von Großzeh-, Kleinzehballen

    und der gesamten Ferse)

    Zehen � 0-Stellung im MTP, DIP, PIP

    ⊡ Tab. 2.3. Bremsende und fördernde rücklaufende Bewegungsimpulse von der unteren Extremität auf die Primärbewegung Becken

    Bremsende rücklaufende Bewegungsimpulse Fördernde rücklaufende Bewegungsimpulse

    Beckenaufrichtung (BA), Hüft-Extension Beckenkippung (BK)

    Hüft-Flexion über 90° (Der Oberschenkel schiebt das Becken indie BA.)

    funktioneller Synergismus der Hüft-Extensoren mit den -Flexo-ren in ca. 90° Hüft-Flexion

    Hüft-Adduktion funktioneller Synergismus der Hüft-Abduktoren mit den -Adduktoren in einer der Beckenkippung entsprechenden Hüft-Abduktionsstellung++ Hüft-Abduktion (Wenn sich die Hüft-ADD nicht optimal

    verlängern können, können sie sich vom proximalen Hebelarmüber die BA wieder annähern, da sie im Sitz Hüft-Extensorensind.)

    Hüft-Innenrotation funktioneller Synergismus der Hüft-Außenrotatoren mit den-Innenrotatoren in einer leichten Hüft-Außenrotationsstellung

    ++ Hüft-Außenrotation (ist häufig mit der ++ Hüft-ABD gekoppelt)

    Knie-Extension aus der eingestellten Beinachse im Sitz (rücklau-fend → BA über ischiokrurale Muskulatur)

    funktioneller Synergismus der Knie-Flexoren mit den -Extenso-ren in einer 90° Stellung des Knies, abhängig von der Stuhlhöhe

    ++ Knie-Flexion → die dadurch verkleinerte Unterstützungs-fläche verlangt eine SP-Verlagerung nach dorsal. Es entstehteine BA oder ein dorsaler Überhang.

    Knie-Innenrotation (rücklaufend Hüft-ADD → BA) funktioneller Synergismus der Knie-Außenrotatoren mit den -Innenrotatoren

    ++ Knie-Außenrotation (rücklaufend ++ Hüft-ABD → BA)

    Fuß-Plantarflexion (führt via Gestängemechanismus über dieKnie-EXT → BA)

    funktioneller Synergismus der Fuß-Dorsalextensoren mit den -Plantarflexoren in einer 0-Stellung

    Fuß-Supination (→ Knie-IRO → Hüft-ADD → BA; oder →++ Hüft-ABD → BA)

    funktioneller Synergismus der Fuß-Pronatoren mit den -Supina-toren

    ++ Fuß-Pronation

    Inversion (→ ++ Hüft-ABD → BA) subtalare Vorfußverwringung

    Eversion (→ Hüft-ADD/IRO → BA)

    Zehen-Flexion und Kleinzeh-Opposition(kontrakte Zehen-FLEX als 2-gelenkige Muskeln werden ge-schützt über hypertone Plantarflexoren → hypertone Knie-FLEX→ hypertone Hüft-EXT → BH)

    funktioneller Synergismus der Zehen-Extensoren und -Flexorenin einer 0-Stellung im MTP, PIP und DIP

    Stellung in AH

  • 2.3 · Bewegungsmuster der unteren Extremität245

    2.3.5 Auswirkungen von Störfaktoren der unteren Extremität auf das Bewegungssystem

    Liegen Störfaktoren im Bereich der unteren Extremität vor,so wird der Gestängemechanismus reflektorisch gebremst.Patienten, die habituell mit nach innen gedrehten Füßensitzen, können z. B. eine Kontraktur oder ein muskuläresÜberlastungsödem der Fuß-Supinatoren entwickeln.

    Zum Schutz der kontrakten Fuß-Supinatoren werdendie Fuß-Pronatoren und Knie-Außenrotatoren hypotontendomyotisch geschaltet. Über die nach kranial einge-leitete Knie-Innenrotation, Hüft-Adduktion, und -Innen-rotation wird das Becken über rücklaufende bremsendeImpulse in die Beckenaufrichtung gedrängt. Diese Mus-kelfunktionsgruppen werden hyperton tendomyotisch geschaltet. Weiterlaufend kommt es nach kranial zurBremsung der Primärbewegungen Thoraxhebung undInklination. Die Extensionsfähigkeit der Wirbelsäule isteingeschränkt. Die Ursache hierfür liegt nicht in Störfak-toren der Wirbelsäule, sondern in der Kontraktur der Fuß-Supinatoren.

    Durch die mangelnde Thoraxhebung können im Wei-teren auslaufende Bewegungen der oberen Extremität ge-bremst werden. So ist z. B. die endgradige Schulter-Flexioneingeschränkt. Die zum Schutz der kontrakten Muskulaturausgelöste persistierende ATMR bleibt häufig nicht auf dieuntere Extremität begrenzt. Vielmehr kann sie über rück-laufende bremsende Impulse durch das Bewegungspro-gramm der Belastungshaltung auch den Rumpf und aus-laufend die obere Extremität in den Schutz einbeziehen. Sokönnten die Rumpf-Flexoren hyperton und die Rumpf-Ex-tensoren hypoton tendomyotisch geschaltet werden. Wer-den diese bei der Einnahme der aufrechten Haltung akti-viert, so könnte es zum Kontraktionsschmerz im Bereichder Rumpf-Extensoren kommen.

    Wird das zum Schutz der Kontrakturen aktivierte Bewe-gungsprogramm der Belastungshaltung über einen länge-ren Zeitraum benötigt, so können sich aus den hypertontendomyotisch geschalteten Muskelfunktionsgruppen(hier: Rumpf-Flexoren) reaktive Störfaktoren (Kontraktu-ren und muskuläre Überlastungsödeme) entwickeln. ImWeiteren kann es über die Fehlbelastung der Strukturen zudegenerativen Veränderungen, wie z. B. einem Bandschei-benvorfall, kommen.

    Störfaktoren der unteren Extremität können überrücklaufende, weiterlaufende und auslaufendebremsende Bewegungsimpulse eine ATMR undSchmerzen in entfernten Muskelfunktionsgruppenam Rumpf und an den Extremitäten auslösen. DerSchutz wird über das Bewegungsprogramm derBelastungshaltung organisiert.

    MEMO

    • Die Bewegungen des Beckens und der Beine sindim Sitz über den Gestängemechanismus miteinan-der gekoppelt.

    • Die Primärbewegung der Beckenkippung führtauslaufend zu einer Hüft-Flexion, -Abduktion, und-Außenrotation. Im Kniegelenk kommt es auslau-fend zu einer Knie-Flexion und -Innenrotation. Diein der ASTE vom distalen Hebelarm eingestellteKnie-Außenrotation wird vom proximalen Hebel-arm durch die Knie-Innenrotation zur Rotations-nullstellung in der aufrechten Haltung neutrali-siert. Im Sprunggelenk entsteht auslaufend eineDorsalextension und Pronation.

    • Die Einstellung der Fuß-Beinachsen ist somitabhängig vom Grad der Beckenkippung.

    • Die physiologische Stellung der Beinachsen wirktsich rücklaufend fördernd auf die optimale Einnah-me der aufrechten Körperhaltung aus.

    • Rücklaufend bremsend wirken sich eine Hüft-Ad-duktion, -Innenrotation, Knie-Innenrotation und -Extension, die Plantarflexion und Supination,Inversion sowie Eversion und Abweichung derphysiologischen Zehenstellung von der Norm aus.

    • Auch eine zu starke Hüft-Abduktion und -Außenro-tation oder eine zu starke Knie-Außenrotationhaben rücklaufende bremsende Impulse auf diePrimärbewegungen.

    • Störfaktoren der unteren Extremität können überrücklaufende bremsende Bewegungsimpulse eineATMR und Schmerzen in entfernten Muskelfunk-tionen am Rumpf und an den Extremitäten auslö-sen. Der Schutz wird z. B. über das Bewegungspro-gramm der Belastungshaltung organisiert.

    ZUSAMMENFASSUNG

  • 4

    80 Kapitel 4 · Therapie der Funktionskrankheiten

    4.1 Aufbau und Ziele der Brügger-Therapie

    Das Ziel der Therapie besteht in: der Reduktion und Beseitigung von Störfaktoren, die

    Auslöser der schmerzhaften Schutzreaktionen sind; der Reedukation (Wiedererlangen) und dem Auto-

    matisieren der physiologischen Haltungs- und Bewe-gungsprogramme der aufrechten Haltung. Durch dieoptimale Belastung des Bewegungssystems werdenneurophysiologisch formative Bildungsreize für dieStrukturen gewährleistet.

    Zum Erreichen dieser Ziele werden die in ⊡ Abb. 4.1 dar-gestellten Bausteine in der Brügger-Therapie angewendet.

    4.2 Vorbereitende Maßnahmen

    Die Lagerung in aufrechter Haltung ist fester Bestandteilder Brügger-Therapie. Sie findet als „vorbereitende Maß-nahme“ 20–30 Minuten vor der Therapie, im optimalenFall mit zusätzlicher Wärmebehandlung, statt.

    4.2.1 Lagerung in aufrechter Haltung

    Ziele der Lagerung (in Rückenlage)Durch die Lagerung wird eine Senkung der Nozizepto-renaktivität und eine damit verbundene Schmerzreduktionangestrebt. Diese wird erzielt durch: Förderung der exzentrischen Kontraktionsfähigkeit

    der Muskulatur, die in der BH angenähert ist undzur Verkürzung neigt

    Beseitigung von transitorischen Störfaktoren, diedurch die BH entstehen (z. B. Biegespannungen),

    physiologische Belastung des Bewegungssystems, Entlastung von Bauchorganen, Herz und Lunge.

    Im Weiteren dient sie zum Erspüren und Automatisierendes Bewegungsprogramms der AH und zur Entspannungdurch die reduzierte Aktivität der posturalen Reflexe.

    Arten der LagerungEs werden zwei Arten der Lagerung unterschieden: Dieoptimale Lagerung und die patientenangepasste Lagerung.

    Die optimale Lagerung in RückenlageDie optimale Lagerung entspricht den neurophysiologi-schen Bewegungsmustern von Rumpf und Extremitätengemäß dem Zahnradmodell (Beckenkippung, Thoraxhe-bung und Inklination). Im Bereich der Extremitäten wer-den fördernde rücklaufende Impulse ausgenutzt. Die opti-male Lagerung wird in ⊡ Abb. 1, S. 81 gezeigt. Der Patient sollte thorakolumbal und zervikothorakal harmonisch unterstützt sein. Die Extremitäten müssen gut auf der Un-terlage abgelegt werden können. Die abdominale Atmungsollte möglich und die Lagerung beschwerdefrei sein. Isteines dieser Parameter nicht erfüllt, muss eine patienten-angepasste Lagerung durchgeführt werden.

    Die patientenangepasste Lagerung in RückenlageIst die optimale Lagerung nicht einnehmbar, wird der Pa-tient – entsprechend der vorhandenen Störfaktoren – an-gepasst gelagert. Die patientenangepasste Lagerung sollteso weit wie möglich der optimalen Lagerung angenähertwerden. Der Patient sollte sich dabei wohl fühlen, entspan-nen können und möglichst beschwerdefrei sein. Treten imLaufe der Lagerung Beschwerden wie z. B. das Einschlafen

    Bausteine derBrügger-Therapie

    Eigenübungsprogramm

    • funktionsorientierte Maßnahmen

    • globale Maßnahmen

    Behandlung persistierenderStörfaktoren im3-Stufen-Modell

    Instruktion der aufrechtenKörperhaltung

    Lagerung in aufrechterHaltung in Verbindung mit

    Wärmeanwendung

    ADL(Activities of daily living)

    Abb. 4.1. Bausteine der Brügger-Therapie

    Kenntnisse über• Ziele, Arten und Anwendungsmöglichkeiten der

    Lagerung in aufrechter Haltung in Rückenlage • Zusätzliche Applikation von Wärmeträgern

    (Wirkungsweise, Applikationsmöglichkeiten derWärmeträger, Kontraindikationen der Wärme-therapie)

    LERNZIELE

  • 4.2 · Vorbereitende Maßnahmen481

    der Hände auf, so wird der Patient angeleitet, die Lagerungselbständig zu modifizieren (z. B. die Arme herunterzu-nehmen). Einige Anpassungsmöglichkeiten von Rumpf,Kopf sowie oberer und unterer Extremität werden in ⊡ Abb. 2 gezeigt.

    Weitere Anpassungsmöglichkeiten ergeben sich befund-abhängig von den jeweiligen Störfaktoren.

    Anwendung der Lagerung Die Lagerung ist in Verbindung mit der Bauchat-

    mung ein wichtiger Bestandteil im Eigentherapiepro-gramm des Patienten. Der Patient sollte sich täglichanfänglich zehn bis hin zu 30 Minuten lagern.

    In Rückenlage stellt sie die Ausgangsstellung für ver-schiedene physiotherapeutische Maßnahmen dar.

    Sie eignet sich zur Umsetzung der thorakolumbalenStreckung, wenn diese in anderen Ausgangsstellun-

    Ein Lendenkissen unterstützt harmonisch die thorakolum-bale Lordose mit Beckenkippung und Thoraxhebung. Essollte maximal vom Os sacrum bis zum Angulus inferiorreichen. Die Höhe des Lendenkissens richtet sich nach derGröße und der thorakolumbalen Streckfähigkeit desPatienten.Ein flexibles Kopfkissen unterstützt die Inklination desKopfes mit der zervikothorakalen Streckung.Die Arme sind eleviert, abduziert und außenrotiert, dieHände werden in Funktionsstellung (leichte Dorsalexten-sion) an der Bankkante gelagert. Die Beine sind abduziertund außenrotiert.

    Optimale Lagerung in Rückenlage

    Anpassungsmöglichkeiten im Bereich� des Rumpfes: Die Lagerung erfolgt bei schlechter thora-

    kolumbaler Streckfähigkeit mit einem dünnen zusam-mengelegten Handtuch oder ohne Kissen.� des Kopfes: Ein flexibles Kopfkissen unterstützt eine ver-

    stärkt vorhandene HWS-Lordose.� der Arme: Durch Unterlagerung des Unterarms rechts

    können die Schulter-IRO rechts angenähert werden. Istdie Elevation links nicht möglich, wird der Arm nebendem Oberkörper in einer außenrotierten Stellung gela-gert (⊡ Abb.). � der Beine: Bei eingeschränkter Knie- und Hüft-Extension

    rechts wird das Knie rechts unterlagert (⊡ Abb.).

    Patientenangepasste Lagerung

    1 2

    Abweichungen von der optimalen Lagerung gebenHinweise auf Störfaktoren.

    PRAXISTIPP

    gen noch nicht möglich ist, da hier die posturalenReflexe herabgesetzt sind.

    Sie kann zur Pneumonieprophylaxe (Frauenknecht u.Wirth-Kreuzig 1992), Obstipationsprophylaxe, Kon-trakturprophylaxe, Dekubitusprophylaxe (Bienstein1997), zur positiven Beeinflussung der Wundheilung(z. B. einer Bauchnarbe) und zur Entlastung desBeckenbodens beitragen. Somit kann die Lagerung inder inneren Medizin, Chirurgie, Neurologie, Gynäko-logie und in der häuslichen Pflege eingesetzt werden.

    4.2.2 Zusätzliche Wärmebehandlungnach Brügger

    Zur Steigerung der Effektivität wird die Lagerung inRückenlage mit der Applikation von Wärmeträgern er-gänzt. Da sie in der Brügger-Therapie vor der Behandlungfür 20–30 Minuten durchgeführt wird, stellt sie eine „vor-bereitende Maßnahme“ dar. Im Weiteren dient diese Lage-rung als effektive Eigentherapiemaßnahme, zur Prophy-laxe oder zur Unterstützung der physiotherapeutischenBehandlung.

    Dabei wird in Folie eingeschweißtes Moor entwederohne oder mit einer Kurland-Packung (Einmal-Moor, Ein-

  • 5

    114 Kapitel 5 · Befund und funktionsorientierte Behandlung persistierender Störfaktoren

    Anamnese und Diagnose Funktionsüberwiegen: monotone statische oder dynamischeTätigkeiten in Rumpf-Shift� Beruf: Kindergärtnerin, Briefträger etc.� Sport: Dart, Tischtennis� Freizeit/Alltag: einseitiges Tragen, habituelles Sitzen mit

    Rumpf-Shift Mögliche Diagnosen bei Störfaktoren im Bereich desRumpf-Shift: Rückenschmerzen, LWS-/BWS-Syndrom Hinweis: Störfaktoren im Bereich der Rumpf-Shifts könnenUrsache für verschiedene entfernte Schmerzsyndrome desBewegungssystems sein (Störfaktor entfernt).

    Funktionsbefund: Rumpf-ShiftZur Beurteilung des Rumpf-Shift wird die Wirbelsäulen-stellung der BWS in der Frontalebene betrachtet. Der Rumpf-Shift geht mit einer vermehrten Faltenbildung gegenseitigund einer Veränderung der Taillendreiecke einher. Die Lot-linien von der Achselfalte fallen nicht symmetrisch auf dasBecken. Hinweis: Zur Überprüfung können vom Therapeuten leichteImpulse in den Shift beidseits gegeben werden. Der Rumpf-Shift in Richtung des Funktionsüberwiegens wird leichterdurchzuführen sein. Der Patient zeigt einen Rumpf-Shift nach rechts.

    Funktionstest: Schulter-ARO Bei der aktiven Schulter-ARO zeigt der Patient eine verminder-te Außenrotation rechts. Die Schulter-IRO rechts sind zumSchutz des kontrakten Rumpf-Shift nach rechts möglicherwei-se hyperton tendomyotisch geschaltet (durch den Shiftkommt es rechts auslaufend zur Skapula-ELEV/-ABD undSchulter-PROTR/-IRO) und können nicht optimal exzentrischarbeiten.Weitere mögliche Funktionstests:� TH5-Wippen: Der Patient zeigt eine Steifigkeit in allen

    Primärbewegungen und Wirbelsäulenabschnitten.

    Inspektionsbefund: Rumpf-Shift nach rechts�M. obliquus internus rechts und M. obliquus externus links �M. quadratus lumborum links�M. latissimus dorsi linksHäufige Lokalisation muskulärer Überlastungsödeme (OGE): � Außenfläche der 5.–12. Rippen links �� Rippenbogen links �� dorsaler Beckenkamm links �� Crista iliaca beidseits �

    Diagnostik des Rumpf-Shift

    5.1.4 Rumpf-Shift

    1

    3 4

    2a 2b

  • 5.1 · Persistierende Störfaktoren am Rumpf5115

    AEKASTE P: patientenangepasste AH, der Patient stabilisiert dieAH über rücklaufende fördernde Impulse (Schulter-ARO).ASTE T: Einbeinkniestand/Sitz hinter dem PatientenG: Die Hände werden von dorsal flächig an denThoraxuntersatz gelegt. Mit den Daumen kann die WS-Stre-ckung überprüft und fazilitiert werden.D: Der Patient bewegt aktiv ohne Widerstand in den Rumpf-Shift nach links. Der Therapeut bewegt den Thorax gegen denWiderstand des Patienten in den Rumpf-Shift nach rechts.

    Funktionelle SchüttelungASTE P: patientenangepasste RückenlageASTE T: Stand neben dem Patienten auf der Gegenseite desFunktionsüberwiegensG: Ein Handtuch/Laken wird um den Thorax des Patientengelegt. Durch Zug an den Handtuchenden wird der Thoraxdes Patienten leicht angehoben und kann somit bewegt wer-den.D: Die Impulse werden mit kleinen Bewegungsausschlägenund hoher Frequenz in den Rumpf-Shift nach links gegeben.Die Maßnahme wird mit zunehmendem Rumpf-Shift nachlinks durchgeführt.

    Heiße RolleASTE P: patientenangepasste Rückenlage und BauchlageD: Die Anwendung erfolgt entweder direkt auf den OGE oderin Verbindung mit einer Quermassage im Bereich der betrof-fenen Muskulatur (auf dem Foto: M. obliquus internus rechts).

    Theraband-ÜbungW: Das Theraband wird flächig um den Thorax (Gegenseitedes Funktionsüberwiegens) gelegt. Die Bandenden werden,von ventral und dorsal kommend, mit der „Standard-Handwickelung“ auf der Gegenseite fixiert. Die Hand istPunctum fixum, der Rumpf Punctum mobile. Zur Verdeut-lichung dient eine Wand oder die Hand des Therapeuten.D: Der Patient führt einen Rumpf-Shift nach links gegen dasTheraband aus, lässt sich dann durch den Zug des Bandes indas Funktionsüberwiegen des Rumpf-Shift nach rechts hinein-ziehen und bremst die Bewegung ab.AWM bei AEK/TB: Rumpf-ROT, -LATFLEX, -FLEX

    Therapeutische Maßnahmen zur Behandlung des Rumpf-Shift

    1 2

    3 4

    ▼▼

    ▼▼

  • 5

    116 Kapitel 5 · Befund und funktionsorientierte Behandlung persistierender Störfaktoren

    5.2 Persistierende Störfaktoren am Becken

    5.2.1 Becken-Extensoren (Becken-EXT)

    Anamnese und Diagnose Funktionsüberwiegen: monotone statische oder dynamischeTätigkeiten der Becken-EXT� Beruf: Kindergärtnerin, Fliesenleger, Schreibtischarbeit etc.� Sport: Rudern, Radsport, Karate etc.� Freizeit/Alltag: Sitz auf dem Boden, Haus- und Gartenarbeit

    in BH Mögliche Diagnosen bei Störfaktoren im Bereich derBecken-EXT: Leisten-, Hüft- und Rückenschmerzen, BWS-/LWS-SyndromHinweis: Störfaktoren im Bereich der Becken-EXT könnenUrsache für verschiedene entfernte Schmerzsyndrome desBewegungssystems sein (Störfaktor entfernt).

    Funktionsbefund: Becken-ExtensionZur Beurteilung der Becken-EXT wird die Stellung des Beckensvon der Seite betrachtet. In der AH sollte das Becken gekipptsein. Dieses beinhaltet einen ventralen Tuberkontakt und eineweiterlaufende harmonische thorakolumbale Lordose. Sitzt der Patient auf dem mittleren oder hinteren Teil desTuber oder dahinter, und ist die LWS und untere BWS nurungenügend lordosiert, steilgestellt oder kyphosiert, so weistdies auf eine Becken-EXT hin. Hinweis: Der Patient zeigt eine Becken-EXT.

    Funktionstest: Arm-Elevation Bei der aktiven Arm-Elevation zeigt der Patient eine vermin-derte Elevation beidseits. Die Schulter-ADD/-IRO sind zumSchutz der kontrakten Becken-EXT möglicherweise hypertontendomyotisch geschaltet und können nicht optimal exzen-trisch arbeiten.Weitere mögliche Funktionstests:� Bauchatmung: Der Patient zeigt geringe Atemwegsex-

    kursion mit erhöhter Atemfrequenz.� Schulter-ARO: Der Patient zeigt eine eingeschränkte ARO

    beidseits.� TH5-Wippen: Der Patient zeigt eine Steifigkeit v. a. in der

    unteren LWS und eine mangelnde Beckenkippung.

    Inspektionsbefund: Becken-Extensoren�Mm. glutei maximus und medius (hier dorsale Fasern) � ischiokrurale Muskulatur�M. adductor magnusHäufige Lokalisation muskulärer Überlastungsödeme (OGE):� hinteres Drittel der Crista iliaca �� Sakrum �� Caput fibulae �� Pes anserinus profundus �� Pes anserinus superficialis �

    Diagnostik der Becken-Extensoren

    1 2

    3 4

  • 5.2 · Persistierende Störfaktoren am Becken5117

    AEKASTE P: patientenangepasste AH, der Patient stabilisiert dieAH über rücklaufende fördernde Impulse (Schulter-ARO).ASTE T: Kniestand vor/hinter dem Patienten G: Die Kleinfingerballen beider Hände befinden sich jeweilsventral-kaudal der Spina iliaca anterior superior.D: Der Patient kippt sein Becken aktiv ohne Widerstand. DerTherapeut bewegt das Becken gegen den Widerstand desPatienten in die Becken-EXT. Die Maßnahme endet, wenn derPatient auf dem dorsalen Teil des Tuber sitzt. Unter derBewegung lässt der Patient die Schulter-ARO nach.

    Funktionelle SchüttelungASTE P: patientenangepasste RückenlageASTE T: Stand neben dem Patienten (Höhe der Oberschenkel)bei niedriggestellter Bank G: Ein Handtuch/Laken liegt unter dem Becken und der LWSdes Patienten.D: Die Impulse werden mit kleinen Bewegungsausschlägenund hoher Frequenz in die Rumpf-EXT und Beckenkippunggegeben. Die Maßnahme wird mit zunehmender Becken-kippung durchgeführt.

    Heiße RolleASTE P: patientenangepasste BauchlageD: Die heiße Rolle wird zuerst auf den kurzen eingelenkigenMuskeln durchgeführt (M. gluteus maximus und M. gluteusmedius).Die Anwendung erfolgt entweder direkt auf den OGE oder inVerbindung mit einer Quermassage im Bereich der betroffe-nen Muskulatur (auf dem Foto: M. gluteus maximus).

    Theraband-ÜbungW: Der Patient sitzt mittig auf dem Band, es wird hintengekreuzt und flächig über die Schultern geführt. Vorne wirdes wiederum gekreuzt und von außen unter den Oberschen-keln fixiert.D: Der Patient streckt sich gegen das Theraband bis zu seineroptimalen aufrechten Haltung, lässt sich dann durch den Zugdes Bandes in das Funktionsüberwiegen der Becken-EXT undRumpf-FLEX hineinziehen und bremst die Bewegung bis zumdorsalen Tubersitz ab.AWM bei AEK/TB: dorsaler Überhang, Pressatmung, vermehr-te Aktivität im BKA

    Therapeutische Maßnahmen zur Behandlung der Becken-Extensoren

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  • 5

    160 Kapitel 5 · Befund und funktionsorientierte Behandlung persistierender Störfaktoren

    Anamnese und Diagnose Funktionsüberwiegen: monotone statische oder dynamischeTätigkeiten der Hüft-ABD/-ARO � Beruf: sitzende Tätigkeiten mit abduzierten, außenrotierten

    Hüften� Sport: Reiten, Karate, Volleyball etc.� Freizeit/Alltag: habituelles Sitzen auf dem Sofa, Stuhl etc.Mögliche Diagnosen bei Störfaktoren im Bereich der Hüft-ABD/-ARO: Leisten- und Hüftschmerzen Hinweis: Störfaktoren im Bereich der Hüft-ABD/-ARO könnenUrsache für entfernte Schmerzsyndrome amBewegungssystem sein (Störfaktor entfernt).

    Funktionsbefund: Hüft-Abduktion/-Außenrotation Zur Beurteilung der Hüft-ABD/-ARO wird die Stellung derOber- und Unterschenkellängsachsen betrachtet. Im Sitz solltedie Hüfte in leichter ABD/ARO (entsprechend dem Grad derBeckenkippung sein) und die Unterschenkellängsachse verti-kal stehen. Sind die Oberschenkel zu stark abduziert und zeigen dieUnterschenkel nach schräg unten-innen, so resultiert eineHüft-ABD/-ARO. Hinweis: Der Patient zeigt eine Hüft-ABD/-ARO links.

    Funktionstest: Hüft-FlexionstestBeim Hüft-Flexionstest zeigt der Patient eine eingeschränkteHüft-ADD und -IRO. Die Hüft-ABD/-ARO sind kontrakt, könnennicht optimal exzentrisch arbeiten und schränken die Bewe-gung in die Hüft-ADD/-IRO ein.Weitere mögliche Funktionstests:� Becken-Rotation: Der Patient zeigt eine eingeschränkte

    Becken-Rotation links.� Gang: Der Patient zeigt eine zu breite Spurbreite.� TH5-Wippen: Der Patient zeigt eine Steifigkeit in der unteren

    und mittleren LWS sowie eine eingeschränkte Becken-kippung.

    Inspektionsbefund: Hüft-Abduktoren/-Außenrotatoren�Mm. glutei maximus, medius und minimus (⊡ Abb.)�M. piriformis (⊡ Abb.) �Mm. gemelli (⊡ Abb.)�M. quadratus femoris (⊡ Abb.) �M. iliopsoas�M. sartorius �Mm. obturatorii externus und internus (⊡ Abb.)Häufige Lokalisation muskulärer Überlastungsödeme (OGE):� Crista iliaca � � ISG-Bereich �� Sakrum � � Trochanterspitze �� Spina iliaca posterior superior �� Spina iliaca anterior superior

    Diagnostik der Hüft-Abduktoren/-Außenrotatoren

    5.7.2 Hüft-Abduktoren/-Außenrotatoren (Hüft-ABD/-ARO)

    1 2

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  • 5.7 · Persistierende Störfaktoren an der Hüfte5161

    AEKASTE P: patientenangepasste AH, der Fuß wird in Dorsal-EXT/PRON gehalten.ASTE T: Kniestand seitlich des/vor dem Patienten G: Die eine Hand liegt medial am distalen Oberschenkel, dieandere an der SIAS. Wird die AEK beidseitig durchgeführt, wer-den beide Hände medial an den distalen Oberschenkel gelegt.D: Der Patient bewegt aktiv ohne Widerstand in die Hüft-ADD/-IRO. Der Therapeut bewegt die Oberschenkel desPatienten gegen Widerstand in die Hüft-ABD/-ARO. Hinweis: Die Maßnahme sollte nur in einem Bewegungs-umfang durchgeführt werden, in dem der Patient dieBeckenkippung halten kann.

    Funktionelle SchüttelungASTE P: patientenangepasste Rückenlage, das zu behan-delnde Bein wird angestellt. Der Fuß wird in Dorsal-EXT/PRON gehalten.ASTE T: seitlich neben der Bank, auf Höhe des UnterschenkelsG: Die proximale Hand befindet sich lateral/ventral am Knie.Die distale Hand umgreift das Sprunggelenk und stabilisiertden Fuß und das Bein.D: Die Impulse werden mit kleinen Bewegungsausschlägenund hoher Frequenz in die Hüft-ADD/-IRO gegeben. DieMaßnahme wird mit zunehmender Hüft-ADD/-IRO durchge-führt.

    Heiße RolleASTE P: patientenangepasste BauchlageD: Die Anwendung erfolgt entweder direkt auf den OGE oderin Verbindung mit einer Quermassage im Bereich der betrof-fenen Muskulatur (auf dem Foto: M. gluteus maximus)

    Theraband-ÜbungW: Der Patient sitzt auf der Mitte des Bandes, so dass sichbeide Enden zwischen den Oberschenkeln befinden. DieEnden werden von innen über die Oberschenkel nach außen,dann von hinten-innen um die Unterschenkel nach außengeführt und mit der „Standard-Handwickelung“ fixiert.D: Der Patient führt eine Hüft-ADD/-IRO gegen das Therabandaus, lässt sich dann durch den Zug des Bandes in das Funk-tionsüberwiegen der Hüft-ABD/-ARO hineinziehen undbremst die Bewegung ab.AWM bei AEK/TB: Beckenaufrichtung, Rumpf-ROT (bei ein-seitiger AEK/TB).

    Therapeutische Maßnahmen zur Behandlung der Hüft-Abduktoren/-Außenrotatoren

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  • 8

    218 Kapitel 8 · Klinische Erscheinungsbilder (= Krankheitsbilder)

    8.3.6 Knieschmerz

    Klinisches ErscheinungsbildPatienten geben häufig diffuse Schmerzen im Bereich desKnies an. Oft sind es Schmerzen, die durch Belastung oderdurch bestimmte Bewegungen in unterschiedlichen Win-kelgraden ausgelöst werden können. Mal tritt der Schmerznach längerer Belastung (z. B. längeres Bergabgehen) auf,mal stechend nach einer kleinen (oft rotatorischen) Bewe-gung unter Belastung.

    Schulmedizinische Diagnostik In der schulmedizinschen Diagnostik wird i. d. R. versucht,die vorhandene Schmerzsymptomatik am Knie einer be-

    stimmten anatomischen Struktur zuzuordnen. Strukturen,die durch symptomauslösende Provokationstests belastetwerden, können somit als Ursache der Knieschmerzen an-gesehen werden. Schmerzort und Schmerzursache sinddemnach identisch. Häufig gestellte Diagnosen sind: Chon-dropathia patellae, Meniskusläsion, Läsionen des Innen-und Außenbandes und Gonarthrose.

    Funktionelle Diagnostik Im Rahmen der Brügger-Therapie werden Schmerzen amKnie ohne einen ursächlichen Bezug zu bestimmten Struk-turen betrachtet. Der Schmerz ist ein reflektorischesSchutzgeschehen, häufig zunächst aufgrund von mus-kulären Störfaktoren, die sich im Bereich des Knies, aberauch entfernt befinden können (Fuß, Rumpf, obere Extre-mität). Bleiben die Störfaktoren länger bestehen, so kann essekundär zu strukturellen Veränderungen (Menisken, Liga-mente, Knorpel etc.) kommen. Knieschmerzen könnensomit durch muskuläre Störfaktoren verursacht werdenoder in Verbindung mit Strukturveränderungen auftreten.Günstigerweise sollte der therapeutische Einsatz erfolgen,bevor es zu strukturellen Veränderungen kommt.

    Funktionelle Betrachtung

    Lateraler KnieschmerzDurch monotone Aktivität der Knie-Innenrotatoren (häu-fig bei sitzenden Tätigkeiten) wird diese Muskelfunktions-gruppe funktionell kontrakt und lagert evtl. muskuläreÜberlastungsödeme ein. Die zum Schutz ausgelöste ATMRunterstützt die Stellung in der Knie-Innenrotation, umnicht an der Kontraktur zu ziehen. Durch die Innenrota-tion des Knies wird der laterale Meniskus unter dem late-ralen Femurkondylus komprimiert. Diese Kompressionlöst Nozizeption aus. Ist die Gesamtnozizeption im Körperentsprechend hoch, kann der Patient einen Schmerz imBereich des lateralen Knies verspüren.

    Ein gesunder Meniskus ist dieser Belastung gewachsen.Persistieren jedoch Störfaktoren der Knie-Innenrotatoren,so kann die lang andauernde Kompressionsbelastung zuSchädigungen des Meniskus führen. Die Nozizeptorenak-tivität steigt um ein Vielfaches an. Die Ursache für dieunphysiolgoische Stellung des Kniegelenks und die darausresultierende degenerative Veränderung des Meniskus liegtin diesem Fall im Bereich der Knie-Innenrotatoren (Stör-faktor vor Ort). Die „Meniskussymptomatik“ ist dasResultat der funktionellen Fehlbelastung.

    Die gleiche Symptomatik kann auftreten, wenn dieKnie-Innenrotatoren in Form einer hypertonen Tendo-

    ⊡ Tab. 8.5. Mögliche Befunde bei Hüftschmerz

    Anamnese � Bewegungs- und Belastungsschmerzen ander lateralen Hüfte, vom Trochanter begin-nend bis zum Knie ausstrahlend (hypotoneTendomyose der Hüft-ABD) oder in der Leis-te (hypotone Tendomyose der Hüft-FLEX/Beckenkipper) � später auch Ruheschmerz � eingeschränkte Beweglichkeit (in Hüft-EXT,

    -ABD, -IRO)� häufig zusätzlich Knie- und Rückenschmerzen

    Inspektions-befund

    � Störfaktor vor Ort: muskuläre Überlastungs-ödeme in den Becken-EXT, Hüft-ADD, Hüft-FLEX/Beckenkippern� Störfaktor entfernt: muskuläre Überlastungs-

    ödeme reaktiv in den Knie-Flex, Plantar-FLEX,am Rumpf und der oberen Extremität (DieATMR wird über die Hüft- und Beckenfunk-tionen organisiert.)

    Funktions-befund

    � Becken-Flexion ohne weiterlaufende harmo-nische Lordose mit Extension im BKA�Hüft-FLEX/-ADD/-ARO� Knie-FLEX� Plantar-FLEX�weitere Abweichungen im Rumpf und der

    oberen Extremitäten

    Funktions-tests

    �Gang: - verkürzte Schrittlänge aufgrund kontrakter

    Hüft-FLEX, -ARO und -EXT, Knie-FLEX - Trendelenburg- bzw. Duchenne-Zeichen

    aufgrund hypoton tendomyotisch geschal-teter Hüft-ABD (Schutz der kontrakten Hüft-ADD und Reduktion der Hüftbelastung)

    �Hüft-Flexionstest: eingeschränkte Hüft-EXT, -ABD, -IRO� Becken-Rotation: Becken-Rotation zur Gegen-

    seite eingeschränkt (kontrakte Hüft-ADD) � TH5-Wippen: eingeschränkte Beckenkippung,

    Steifigkeit in der unteren und mittleren LWS,zu viel Beweglichkeit im BKA

  • 8.3 · Top 10 der klinischen Erscheinungsbilder8219

    myose in ein Schutzgeschehen involviert sind. So könnenkontrakte Zehen-Flexoren oder Fuß-Supinatoren überhyperton tendomyotisch geschaltete Knie-Innenrotatorengeschützt werden. Im Weiteren kann die Knie-Innenrota-tion z. B. eine Kontraktur der Hüft-Adduktoren der glei-chen Seite schützen (Störfaktor entfernt).

    Über das Muster der BH können Störfaktoren dergleichseitigen oberen Extremität oder der gegenseitigenunteren Extremität sowie Rumpffunktionen geschützt wer-den (Schutz über das Bewegungsprogramm der BH).

    Störfaktoren der gegenseitigen oberen Extremität kön-nen über die diagonale Muskelschlinge ebenfalls überhyperton tendomyotische Knie-Innenrotatoren geschütztwerden (Schutz über die diagonale Muskelschlinge).

    Zeigt ein Patient einen adduktorischen Sitztyp, so sinddie Beinachsen (durch die Koppelung mit der Hüft-Innen-rotation) häufig in einer Valgusstellung. Die Valgusstel-lung des Knies führt zu einer Zugbelastung des Knie-Innenbandes und zu einer Kompressionsbelastung desAußenmeniskus. Beide Faktoren führen zu einer Erhöhungder Nozizeption, wodurch der Patient einen Schmerz imBereich des lateralen Knies verspüren kann. Auch hierkann eine lang andauernde Kompressionsbelastung zuSchädigungen des Meniskus und des Gelenkknorpelsführen.

    Die Ursache für die unphysiologische Stellung desKniegelenks und die daraus resultierende degenerativeVeränderung (des Meniskus und Gelenkknopels) liegt hier im Bereich der Hüft-Adduktoren. Die „Schmerzsymp-tomatik“ resultiert aus der lang anhaltenden funktionellenFehlbelastung. Übernehmen die Hüft-Adduktoren eineSchutzfunktion für Funktionen des Rumpfes, der oberenoder unteren Extremität, so können die gleichen Sympto-me ausgelöst werden (Störfaktor entfernt).

    Medialer KnieschmerzAufgrund der habituellen Haltung, oder aufgrund vonBewegungsmustern im Beruf, Sport etc., kann ein Patientfunktionelle Kontrakturen oder muskuläre Überlastungs-ödeme im Bereich der Knie-Außenrotatoren entwickeln.Da der mediale Meniskus mit der Tibia fest verbunden ist,kommt es durch die Außenrotation des Knies zur Kom-pression des Meniskus unter dem medialen Femurkon-dylus. Die durch erhöhte Druckbelastung ausgelöste Nozi-zeption kann bei entsprechender Stärke einen Schmerz imBereich des medialen Knies auslösen.

    Bleiben Störfaktoren der Knie-Außenrotatoren übereinen längeren Zeitraum bestehen, so kann die permanenteKompressionsbelastung eine Schädigung des Innenmenis-

    kus zur Folge haben. Somit sind die kontrakten Knie-Außenrotatoren Ursache für die auf den Meniskus wirken-de Fehlbelastung, welche auf Dauer zur degenerativen Ver-änderung führen kann (Störfaktor vor Ort).

    Gleiche Beschwerden können auftreten, wenn dieKnie-Außenrotatoren in Form einer hypertonen Ten-domyose in ein Schutzgeschehen involviert sind (Störfak-tor entfernt).

    Patienten mit abduktorischem Sitztyp zeigen häufigeine Varusstellung der Beinachsen. Die Varusstellung desKnies hat eine Zugbelastung des Knie-Außenbandes undeine Kompressionsbelastung des Innenmeniskus zur Folge.Diese Überbelastung der Strukturen führt zu einer Er-höhung der Nozizeptorenaktivität, die kortikal registriertzu Schmerzen im Bereich des medialen Knies führen kann.Persistiert die Kompressionsbelastung über einen längerenZeitraum, so kann dies Schädigungen des Meniskus unddes Gelenkknorpels nach sich ziehen. Die funktionelle Ur-sache der erhöhten Nozizeptorenaktivität und der darausresultierenden Schmerzen sowie der ggf. entstandenendegenerativen Veränderungen liegt im Bereich der Hüft-Abduktoren. Werden die Hüft-Abduktoren in ein arthro-mukuläres Schutzprogramm für Störfaktoren am Rumpf,der oberen oder unteren Extremität involviert, kann derPatient die gleichen Beschwerden verspüren (Störfaktorentfernt).

    Patellarer KnieschmerzPatienten klagen häufig über einen Schmerz im Bereich derKniescheibe oder über Schmerzen im Bereich der Knie-Ex-tensoren, wenn sie längere Strecken bergab gelaufen odereine Treppe auf- oder abgestiegen sind. Schulmedizinischwird ein erhöhter retropatellarer Anpressdruck für dieseSymptomatik verantwortlich gemacht. Muskuläre Insuffi-zienz, Bandlaxität, Knorpelerweichung, kongenitale Fehl-bildung im Bereich der Patella oder Mikrotraumen sindhäufig genannte Ursachen. Da der Knorpel jedoch nur imÜbergangsbereich zum Knochen über Nozizeptoren ver-fügt, müssen andere Faktoren für die empfundene Symp-tomatik verantwortlich sein.

    Bei schmerzauslösenden Tätigkeiten wird der M. qua-driceps angesteuert, um die Kniebewegung exzentrisch und konzentrisch zu führen. Bei flektiertem Knie (Bückenoder Bergabgehen) droht der Femur über die Tibia nachventral zu gleiten. Damit dies nicht geschieht, wird der M. quadriceps aktiviert, um der Gleitbewegung entgegen-zuwirken. Von dorsal können der M. gastrocnemius undder M. popliteus die Gleitbewegung verhindern, indem siean der hinteren Tibiakante ein Hypomochlion nehmen

  • 8

    220 Kapitel 8 · Klinische Erscheinungsbilder (= Krankheitsbilder)

    und somit die Tibia nach ventral schieben und die Femur-kondylen relativ nach dorsal ziehen. Durch die erhöhteAktivität können diese Muskeln Überlastungsödeme ein-lagern. (Störfaktor vor Ort).

    Kommt es durch die verstärkte Aktivität des M. quad-riceps beim Treppensteigen oder Bergabgehen zur Kom-pression der muskulären Überlastungsödeme, so kann derreflektorisch hypoton tendomyotisch geschaltete M. quad-riceps einen Kontraktionsschmerz aufweisen.

    Ebenso kann ein Patient aufgrund der habituellen Hal-tungs- oder Bewegungsmuster im Beruf, Sport etc. funktio-nelle Kontrakturen und muskuläre Überlastungsödeme(OGE) in den Knie-Flexoren und -Innenrotatoren ent-wickeln (sitzende Tätigkeit, Füße unter den Stuhl gezogen).Die reflektorisch ausgelöste ATMR schaltet die Knie-Ex-tensoren und -Außenrotatoren hypoton tendomyotisch.Der M. quadriceps ist zum Schutz der Knie-Flexoren hypo-ton tendomyotisch geschaltet, muss jedoch beim Treppen-steigen oder Bergabgehen enorme Leistung erbringen, umdie Extension zu stabilisieren und das Gleiten der Femur-kondylen nach ventral zu verhindern. Sekundär werdendurch die herabgesetzte Infrastruktur im M. quadricepsOGE eingelagert. Der Patient verspürt einen Kontraktions-schmerz bei Tonuserhöhung der Knie-Extensoren. Dieseräußert sich häufig im Bereich der Kniescheibe. Das gleicheklinische Erscheinungsbild kann auftreten, wenn die Knie-Extensoren (hypotone Tendomyose) reflektorisch in einSchutzgeschehen für Störfaktoren am Rumpf oder der obe-ren Extremität involviert sind (Störfaktor entfernt).

    Ist die Nozizeptorenaktivität sehr hoch, so kann esaufgrund der ausgelösten Tonussenkung des M. quadri-ceps zum Einknicken des Knies bei Belastung kommen (Blockierungseffekt). Dies geschieht insbesondere, wennbei längerem Bestehen der hypotonen Tendomyose der M. quadriceps zusätzlich atrophiert (reaktive Atrophie).

    Reaktion des Körpers auf persistierende StörfaktorenBefindet sich der Patient, bedingt durch seine Kontraktu-ren, über einen längeren Zeitraum in einer unphysiolo-gischen Stellung der Knie- und Hüftgelenke, so kommt esdurch die Knie-Rotation zur Stellungsänderung der Patel-la im femoralen Gleitlager. Nur in Rotationsnullstellunghat die Patella eine größtmögliche Kontaktfläche und da-mit optimale Belastungsfläche zum femoralen Gleitlager.Der retropatellare Anpressdruck ist von zwei Faktoren ab-hängig: vom Ausmaß der Knie-Flexion und der einwirken-den Gewichtskraft. Je stärker die Knie-Flexion unter einerBewegung durchgeführt wird (beim vertikalen Bücken

    größer als beim horizontalen Bücken), desto höher ist derretropatellare Anpressdruck. Je vertikaler sich der Patientbückt, desto größer ist der Lastarm und somit die aufzu-bringende Kraft, um das Knie zu stabilisieren. Diese Belas-tung führt zu Druckspannungsspitzen des Knorpels imBereich der Patella und des Femur. Sind die Knie-Flexorenkontrakt, so ist die Druckbelastung noch verstärkt.

    Ebenso kann eine nicht exakt eingestellte Beinachse(Varus/Valgus, Knie-Rotation) zur unphysiologischenBelastung des retropatellaren Knorpels beitragen. Durchdie funktionelle Fehlbelastung kann es aufgrund unphysio-logischer Bildungsreize zur Regression des Knorpels undüber einen längeren Zeitraum zu degenerativen Verände-rungen (Retropatellararthrose) kommen.

    Befund und TherapieDie Lokalisation und Ausprägung der Störfaktoren wird imRahmen der Diagnostik zusammengefasst. MöglicheBefunde sind in ⊡ Tab. 8.6 aufgeführt.

    In der Therapie werden die vorhandenen Störfaktoren vorOrt (Kniebereich) und entfernt abgebaut, um die Gesamt-nozizeption zu senken.

    ⊡ Tab. 8.6. Mögliche Befunde bei Knieschmerz

    Anamnese � lateraler bzw. medialer Knieschmerz beiBewegung bzw. Belastung � retropatellarer Schmerz und Schmerzen im

    Bereich der Knie-EXT, v. a. beim Bergabge-hen, Treppab- und -aufgehen

    Inspektions-befund

    � Störfaktor vor Ort: muskuläre Überlastungs-ödeme der Knie-IRO, bzw. -ARO, der Knie-EXTbzw. -FLEX� Störfaktor entfernt: muskuläre Überlas-

    tungsödeme im Bereich der Hüft-ADD bzw. -ABD, Zehen-FLEX, der Plantar-FLEX/SUP, amRumpf und an der oberen Extremität (dieATMR wird über die Kniefunktionen organi-siert)

    Funktions-befund

    � Ab- oder Adduktionstyp mit rücklaufenderBeckenaufrichtung�Hüft-ABD/-ARO oder Hüft-ADD/-IRO, oft mit

    Knie-IRO oder -ARO� Knie-FLEX� schlechte 3-Punkte-Belastung der Füße (SUP)�weitere Abweichungen am Rumpf und an

    der oberen und unteren Extremität

    Funktions-tests

    � TH5-Wippen: eingeschränkte Beckenkippungund Steifigkeit in der unteren und mittlerenLWS � Bücken: Abweichung der Beinachsen; unphy-

    siologische Fußbelastung

  • 8.3 · Top 10 der klinischen Erscheinungsbilder8221

    Die Behandlung hat folgende Schwerpunkte: Vorbereitende Maßnahmen: Die Lagerung wird pati-

    entenangepasst mit Wärmeträgern auf den jeweiligenKontrakturen und muskulären Überlastungsödemendurchgeführt

    Haltungskorrektur Beseitigung der Störfaktoren vor Ort (Knie-IRO,

    -ARO, -EXT, -FLEX) und entfernt (Hüft-ADD, -ABDusw.) entsprechend der Arbeitshypothese und des 3-Stufen-Modells mit funktionsorientierten und globalen Maßnahmen.

    Besonders intensiv muss im Rahmen des ADL auf dieKorrektur der Fuß-Beinachsen bei verschiedenenHaltungen und Bewegungen eingegangen werden(Stand, Gang, Treppensteigen, Bücken, Aufstehen/Hinsetzen etc.). Die Vermittlung eines Mischtyps zwi-schen horizontalem und vertikalem Bücken ist zurVermeidung struktureller Veränderungen retropatel-lar von besonderer Bedeutung.

    Sind strukturelle Veränderungen vorhanden, müssendiese durch entsprechende Maßnahmen mittherapiertwerden.

    Arbeitsplatzberatung Kompensationsübungen, um nicht zu verhindernden

    Funktionsüberwiegen im Beruf und Alltag entgegen-zuwirken.

    8.3.7 Distorsionstrauma

    Klinisches ErscheinungsbildBeim „Umknicken“ des Fußes handelt es sich in der Mehr-zahl um Supinations-, seltener um Pronationstraumen. Jenach Schwere der Verletzung kommt es zu Teil- bis Kom-plettrupturen des lateralen (bzw. medialen) Kapsel-Band-Apparates. Der Patient gibt entsprechende Schmerzen undBewegungseinschränkungen an. Bei der Befragung in derAnamnese schildern Patienten häufig, dass sie schon mehr-fach „umgeknickt“ sind. Das Distorsionstrauma wird oft alsBagatellverletzung angesehen und nicht therapeutischbehandelt. Häufig wird erst bei schwereren Verletzungenärztliche Hilfe eingeholt.

    Schulmedizinische Diagnostik In der klinischen Untersuchung wird eine Fraktur ausge-schlossen und mittels bildgebender Verfahren ermittelt, in-wieweit der Kapsel-Band-Apparat beschädigt ist (Auf-klappbarkeit/Talusvorschub). Je nach Schweregrad derVerletzung wird das Sprunggelenk teilweise oder komplett

    immobilisiert. Eine operative Versorgung erfolgt i. d. R.nur bei Rezidivverletzungen.

    Funktionelle Diagnostik Im Rahmen der funktionellen Diagnostik wird analysiert,warum der Patient umgeknickt ist und welche Faktorendas Supinationstrauma begünstigen. Funktionelle Kon-trakturen und muskuläre Überlastungsödeme der Füßekönnen mitverantwortlich für diese Verletzungen sein.

    Funktionelle BetrachtungÜber die Füße wird das gesamte Körpergewicht abgeleitet.Im Weiteren kann sich der Fuß aufgrund seiner gutenBeweglichkeit optimal an den Untergrund anpassen. Vor-aussetzung der Anpassungsfähigkeit und der Kraftab-leitung des Fußes ist eine optimale Koordination und Stabi-lisation der umgebenden Fußmuskulatur (funktionellerSynergismus). Jede unphysiologische Stellungsänderungdes Fußes während der Stand- oder Abrollphase führt zumfunktionellen Antagonismus und zur verminderten Ko-ordination und Steuerung der Fußmotorik. Aufgrund derhabituellen Haltung im Alltag, Beruf oder Sport entstehenfunktionelle Kontrakturen und muskuläre Überlastungs-ödeme (OGE), z. B. im Bereich der Plantarflexoren/Supi-natoren, Zehen-Flexoren und der Kleinzehen-Opposition(Störfaktor vor Ort).

    Weitere Ursachen für die Stellungsveränderung desFußes und die sich daraus entwickelnden Kontrakturensind: Das Tragen zu enger Schuhe, welche zur Kontraktur

    der Großzehen-, Kleinzehen-Adduktoren undZehen-Flexoren führen. Dies behindert die 2. Abroll-phase (Extension) und führt zu Veränderungen desgesamten Gangablaufs.

    An der Ferse offene Schuhe führen zu einer über-mäßigen Beanspruchung (OGE) der Zehen-Flexoren.Die Zehen-Extension, welche beim Abrollen desFußes notwendig ist, ist nur bedingt möglich.

    Schuhe mit Supinationserhöhung an der medialenSchuhseite behindern den physiologischen Wechselzwischen Pronation und Supination. Die Fuß-Supina-toren sind durch die mediale Erhöhung angenähertund neigen zur Kontraktur. Das Abrollen des Fußesin die Pronation ist nur eingeschränkt möglich.

    Schuhe mit hohen Absätzen führen zur Annäherungund Kontraktur der Plantarflexoren. Das Aufsetzendes Fußes in Dorsalextension/Supination (1. Abroll-phase) wird beeinträchtigt.