GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

download GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

of 269

Transcript of GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    1/269

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    2/269

    Dieses ebook ist nur zumnichtkommerziellen Gebrauch bestimmt!

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    3/269

    RUDOLF STEINER

    DIE GEHEIMWISSENSCHAFT

    IM UMRISS

    VERLAG FREIES GEISTESLEBEN STUTTGART 1948

    1. - 10. Tausend der deutschen Ausgabe 1948Mit Genehmigung von Frau Marie Steiner

    Alle Rechte, insbesondere das Recht der bersetzungin fremde Sprachen, bleiben dem Autor vorbehalten

    Verffentlicht unter Zulassung US-W- 1115der Nachrichtenkontrolle der Militrregierung

    Verfasser: Dr. Rudolf Steiner, geh. Kraljevec 27. 2. 1861,gest. Dornach 30. 3. 1925

    Druck: Union Druckerei GmbH. Stuttgart

    INHALT

    Vorrede zur zwanzigsten Auflage ............................................ IX

    Charakter der Geheimwissenschaft .............................................. 1

    Wesen der Menschheit ................................................................. 22

    Schlaf und Tod ............................................................................. 52

    Die Weltentwickelung und der Mensch .......................................... 113

    Die Erkenntnis der hheren Welten(Von der Einweihung oder Initiation) .......................................... 286

    Gegenwart und Zukunft der Welt-und Menschheits-Entwickelung ................................................... 391

    Einzelheiten aus dem Gebiete der GeisteswissenschaftDer therleib des Menschen .................................................... 414

    Die astralische Welt ................................................................. 417Vom Leben des Menschen nach dem Tode ............................. 418Der Lebenslauf des Menschen ................................................. 421Die hheren Gebiete der geistigen Welt .................................. 423Die Wesensglieder des Menschen ........................................... 425Der Traumzustand ................................................................... 426Zur Erlangung bersinnlicher Erkenntnisse ............................ 427

    Beobachtung besonderer Ereignisse und Wesen der Geisteswelt.... 428Besondere Bemerkungen ............................................................. 430

    Vorrede zur fnfzehnten Auflage ............................................... 437Vorbemerkungen zur vierten Auflage ........................................ 438Vorbemerkungen zur ersten Auflage ........................................... 447

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    4/269

    Vorredezur zwanzigsten Auflage

    (1) Jetzt, nachdem fnfzehn Jahre seit dem ersten Erscheinen dieses Buches verflossen sind,darf ich wohl vor der ffentlichkeit einiges sagen ber die Seelenverfassung, aus der herauses entstanden ist.

    (2) Ursprnglich war mein Plan, seinen wesentlichen Inhalt als letztes Kapitel meinem lange

    vorher erschienenen Buche Theosophie anzufgen. Das ging nicht. Dieser Inhalt rundetesich damals, als die Theosophie ausgefhrt wurde, nicht in der Art in mir ab wie derjenigeder Theosophie. Ich hatte in meinen Imaginationen das geistige Wesen des Einzelmenschenvor meiner Seele stehen und konnte es darstellen, nicht aber standen damals schon diekosmischen Zusammenhnge, die in der Geheimwissenschaft darzulegen waren, ebenso vormir. Sie waren im einzelnen da, nicht aber im Gesamtbild.

    (3) Deshalb entschlo ich mich, die Theosophie mit dem Inhalte erscheinen zu lassen, denich als das Wesen im Leben eines einzelnen Menschen erschaut hatte, und die

    Geheimwissenschaft in der nchsten Zeit in aller Ruhe durchzufhren.

    (4) Der Inhalt dieses Buches mute nach meiner damaligen Seelenstimmung in Gedankengegeben werden, die fr die Darstellung des Geistigen geeignete weitere Fortbildungen der inder Naturwissenschaft angewendeten Gedanken sind. Man wird es den hier, wiederabgedruckten Vorbemerkungen zur ersten Auflage anmerken, wie stark ich mich mit allem,was ich damals ber Geisteserkenntnis schrieb, vor der Naturwissenschaft verantwortlichfhlte.

    (5) Aber man kann in solchen Gedanken allein nicht das zur Darstellung bringen, was sichdem geistigen Schauen als Geistwelt offenbart. Denn diese Offenbarung geht in einen bloenGedankeninhalt nicht ein. Wer das Wesen solcher Offenbarung erlebend, kennen gelernt hat,der wei, da die Gedanken des gewhnlichen Bewutseins nur geeignet sind, das sinnlichWahrgenommene, nicht aber das geistig Geschaute, auszudrcken.

    (6) Der Inhalt des geistig Geschauten lt sich nur in Bildern (Imaginationen) wiedergeben,durch welche Inspirationen sprechen, die von intuitiv erlebter geistiger Wesenheit herrhren.(ber das Wesen von Imagination, Inspiration und Intuition findet man das Notwendige indieser Geheimwissenschaft selbst und in meinem Buche: ;Wie erlangt man Erkenntnisse der

    hheren Welten?.)

    (7) Aber der Darsteller der Imaginationen aus der Geistwelt kann gegenwrtig nicht blodiese Imaginationen hinstellen. Er stellte damit etwas dar, das als ein ganz andererBewutseinsinhalt neben dem Erkenntnisinhalt unseres Zeitalters, ohne allen Zusammenhangmit diesem, stnde. Er mu das gegenwrtige Bewutsein mit dem erfllen, was ein anderesBewutsein, das in die Geistwelt schaut, erkennen kann. Dann wird seine Darstellung dieseGeistwelt zum Inhalte haben; aber dieser Inhalt tritt in der Form von Gedanken auf, in die erhineinfliet. Dadurch wird er dem gewhnlichen Bewutsein, das im Sinne der Gegenwart

    denkt, aber noch nicht in die Geistwelt hineinschaut, voll verstndlich.

    (8)Diese Verstndlichkeit bleibt nur dann aus, wenn man sich selbst Hindernisse vor sie legt.Wenn man die Vorurteile, die die Zeit aus einer falsch aufgefaten Naturanschauung vonGrenzen der Erkenntnis sich gebildet hat, zu den eigenen macht.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    5/269

    (9) Im Geist-Erkennen ist alles in intimes Seelenerleben getaucht. Nicht nur das geistigeAnschauen selbst, sondern auch das Verstehen, das das nichtschauende gewhnlicheBewutsein den Ergebnissen des Schauenden entgegenbringt.

    (10) VondieserIntimitt hat keine Ahnung, wer in dilettantischer Art davon spricht, da der,der zu verstehen glaubt, sich das Verstndnis selbst suggeriert.

    (11) Aber es ist so, da, was innerhalb des Begreifens der physischen Welt blo in Begriffenals Wahrheit oder Irrtum sich auslebt, der geistigen Welt gegenber Erlebnis wird.

    (12) Wer in sein Urteil nur leise empfindend die Behauptung einflieen lt, das geistigGeschaute sei von dem gewhnlichen, noch nicht schauenden Bewutsein wegen dessenGrenzen nicht erfabar, dem legt sich dieses empfindende Urteil wie eine verfinsterndeWolke vor das Erfassen; und er kann wirklich nicht verstehen.

    (13) Aber dem unbefangenen nichtschauenden Bewutsein ist das Geschaute vollverstndlich, wenn es der Schauende bis in die Gedankenform hineinbringt. Es istverstndlich, wie dem Nichtmaler das fertige Bild des Malers verstndlich ist. Und zwar istdas Verstndnis der Geistwelt nicht das knstlerisch-gefhlsmige wie bei einemKunstwerke, sondern ein durchaus gedankenmiges wie der Naturerkenntnis gegenber.

    (14) Um aber ein solches Verstndnis wirklich mglich zu machen, mu der Darsteller desgeistig Geschauten seine Schauungen bis zu einem richtigen Hineingieen in dieGedankenform bringen, ohne da sie innerhalb dieser Form ihren imaginativen Charakterverlieren.

    (15) Das stand alles vor meiner Seele, als ich meine Geheimwissenschaft ausarbeitete.

    (16) 1909 fhlte ich dann, da ich mit diesen Voraussetzungen ein Buch zustande bringenknne, das: erstens den Inhalt meiner Geistesschau bis zu einem gewissen, aber zunchstgengenden Grade, in die Gedankenform gegossen, brachte; und das zweitens von jedemdenkenden Menschen, der sich keine Hindernisse vor das Verstndnis legt, verstandenwerden kann.

    (17) Ich sage das heute, indem ich zugleich ausspreche, da damals (1909) mir die

    Verffentlichung des Buches als ein Wagnis erschien. Denn ich wute ja, da die geforderteUnbefangenheit gerade diejenigen nicht aufbringen knnen, die Naturwissenschaft beruflichtreiben, und ebensowenig alle die zahlreichen Persnlichkeiten, die in ihrem Urteile vondiesen abhngig sind.

    (18) Aber es stand gerade die Tatsache vor meiner Seele, da in der Zeit, in der sich dasBewutsein der Menschheit von der Geisteswelt am weitesten entfernt hatte, die Mitteilungenaus dieser Geistwelt einer allerdringendsten Notwendigkeit entsprachen.

    (19) Ich zhlte darauf, da es auch Menschen gibt, die mehr oder weniger die Entfernung vonaller Geistigkeit so schwer als Lebenshindernis empfinden, da sie zu Mitteilungen aus derGeistwelt mit innerer Sehnsucht greifen.

    (20) Und die folgenden Jahre haben das ja voll besttigt. Die Theosophie undGeheimwissenschaft haben als Bcher, die im Leser guten Willen voraussetzen, auf eineschwierige Stilisierung einzugehen, weite Verbreitung gefunden.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    6/269

    (21) Ich habe ganz bewut angestrebt, nicht eine populre Darstellung zu geben, sonderneine solche, die notwendig macht, mit rechter Gedankenanstrengung in den Inhalthineinzukommen. Ich habe damit meinen Bchern einen solchen Charakter aufgeprgt, daderen Lesen selbst schon der Anfang der Geistesschulung ist. Denn die ruhige, besonneneGedankenanstrengung, die dieses Lesen notwendig macht, verstrkt die Lebenskrfte undmacht sie dadurch fhig, der geistigen Welt nahe zu kommen.

    (22) Da ich dem Buche den Titel Geheimwissenschaft gegeben habe, hat sogleichMiverstndnisse hervorgerufen. Von mancher Seite wurde gesagt, was Wissenschaft seinwill, darf nicht geheim sein. Wie wenig bedacht war ein solcher Einwand. Als ob jemand,der einen Inhalt verffentlicht, mit diesem geheim tun wolle. Das ganze Buch zeigt, danichts als geheim bezeichnet, sondern eben in eine solche Form gebracht werden sollte, daes verstndlich sei wie nur irgendeine Wissenschaft. Oder will man, wenn man das WortNaturwissenschaft gebraucht, nicht andeuten, da es sich um Wissen von der Naturhandelt? Geheimwissenschaft ist Wissenschaft von dem, was sich insofern im geheimenabspielt, als es nicht drauen in der Natur wahrgenommen wird, sondern da, wohin die Seelesich orientiert, wenn sie ihr Inneres nach dem Geiste richtet.

    (23) Geheimwissenschaft ist Gegensatz von Naturwissenschaft.

    (24) Meinen Schauungen in der geistigen Welt hat man immer wieder entgegengehalten, sieseien vernderte Wiedergaben dessen, was im Laufe lterer Zeit an Vorstellungen derMenschen ber die Geistwelt hervorgetreten ist. Man sagte, ich htte mancherlei gelesen, esins Unterbewute aufgenommen und dann in dem Glauben, es entspringe aus dem eigenenSchauen, zur Darstellung gebracht. Aus gnostischen Lehren, aus orientalischenWeisheitsdichtungen usw. soll ich meine Darstellungen gewonnen haben.

    (25) Man ist, indem man dieses behauptet hat, mit den Gedanken ganz an der Oberflchegeblieben.

    (26) Meine Erkenntnisse des Geistigen, dessen bin ich mir voll bewut, sind Ergebnisseeigenen Schauens. Ich hatte jederzeit bei allen Einzelheiten und bei den groen bersichtenmich streng geprft, ob ich jeden Schritt im schauenden Weiterschreiten so mache, davollbesonnenes Bewutsein diese Schritte begleite. Wie der Mathematiker von Gedanke zuGedanke schreitet, ohne da Unbewutes, Autosuggestion usw. eine Rolle spielen, so sagte

    ich mir , mu geistiges Schauen von objektiver Imagination zu objektiver Imaginationschreiten, ohne da etwas anderes in der Seele lebt als der geistige Inhalt klar besonnenenBewutseins.

    (27) Da man von einer Imagination wei, sie ist nicht blo subjektives Bild, sondernBildwiedergabe objektiven Geistinhaltes, dazu bringt man es durch gesundes inneres Erleben.Man gelangt dazu auf geistigseelische Art, wie man im Bereich der Sinnesanschauung beigesunder Organisation Einbildungen von objektiven Wahrnehmungen richtig unterscheidet.

    (28) So hatte ich die Ergebnisse meines Schauens vor mir. Sie waren zunchstAnschauungen, die ohne Namen lebten.

    (29) Sollte ich sie mitteilen, so bedurfte es der Wortbezeichnungen. Ich suchte dann spternach solchen in lteren Darstellungen des Geistigen, um das noch Wortlose in Wortenausdrcken zu knnen. Ich gebrauchte diese Wortbezeichnungen frei, so da wohl kaum einederselben in meinem Gebrauch zusammenfllt mit dem, was sie dort war, wo ich sie fand.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    7/269

    (30) Ich suchte aber nach solcher Mglichkeit, mich auszudrcken, stets erst, nachdem mirder Inhalt im eigenen Schauen aufgegangen war.

    (31) Vorher Gelesenes wute ich beim eigenen forschenden Schauen durch dieBewutseinsverfassung, die ich eben geschildert habe, auszuschalten.

    (32) Nun fand man in meinen Ausdrcken Anklnge an ltere Vorstellungen. Ohne auf den

    Inhalt einzugehen, hielt man sieh an solche Ausdrcke. Sprach ich von Lotosblumen in demAstralleib des Menschen, so war das ein Beweis, da ich indische Lehren, in denen man denAusdruck findet, wiedergbe. Ja, sprach ich nur von Astralleib, so war dies das Ergebnisdes Lesens mittelalterlicher Schriften. Gebrauchte ich die Ausdrcke: Angeloi, Archangeloiusw., so erneuerte ich einfach die Vorstellungen christlicher Gnosis.

    (33) Solches ganz an der Oberflche sich bewegende Denken fand ich immer wieder mirentgegengehalten.

    (34) Auch auf diese Tatsache wollte ich gegenwrtig beim Wiedererscheinen derGeheimwissenschaft in neuer Auflage hinweisen. Das Buch enthlt ja die Umrisse derAnthroposophie als eines Ganzen. Es wird daher vorzglich betroffen von denMiverstndnissen, denen diese ausgesetzt ist.

    (35) Ich habe seit der Zeit, in der in meiner Seele die Imaginationen, die das Buchwiedergibt, in ein Gesamtbild zusammengeflossen sind, unausgesetzt das forschende Schauenin den Menschen, in das geschichtliche Werden der Menschheit, in den Kosmos usw.fortgebildet; ich bin im einzelnen zu immer neuen Ergebnissen gekommen. Aber, was ich inder Geheimwissenschaft vor fnfzehn Jahren als Umri gegeben habe, ist fr mich in nichts

    erschttert worden. Alles, was ich seither sagen konnte, erscheint, wenn es an der rechtenStelle diesem Buche eingefgt wird, als eine weitere Ausfhrung der damaligen Skizze.

    Goetheanum, 10. Januar 1925 Rudolf Steiner

    Vorrede zur fnfzehnten Auflage

    (1) Fr diese Neuauflage meiner Geheimwissenschaft im Umri habe ich den erstenAbschnitt Charakter der Geheimwissenschaft fast ganz neu gestaltet. Ich glaube, dadadurch nun weniger zu den Miverstndnissen Anla sein wird, die ich aus der frherenFassung dieses Abschnittes heraus habe entstehen sehen. Von vielen Seiten konnte ich hren:Andere Wissenschaften beweisen; was hier als Wissenschaft sich gibt, sagt einfach: dieGeheimwissenschaft stellt dies oder jenes fest. Ein solches Vorurteil stellt sich naturgemein, da ja das Beweisende der bersinnlichen Erkenntnis sich durch die Darstellung nicht soaufdrngen kann wie bei der Darlegung von Zusammenhngen der sinnenflligenWirklichkeit. Da man es aber nur mit einem Vorurteil zu tun hat, wollte ich durch die

    Umarbeitung des ersten Abschnittes dieses Buches deutlicher machen, als es mir in frherenAuflagen gelungen zu sein scheint. In den andern Teilen des Buches habe ich durchErgnzungen des Inhaltes manches Dargestellte schrfer herauszuarbeiten gesucht. Durch dasGanze hindurch habe ich mich bemht, an zahlreichen Stellen nderungen in der Einkleidungdes Inhalts vorzunehmen, die mir das wiederholte Durchleben des Dargestellten notwendigerscheinen lie.

    Berlin, Mai 1920, Rudolf Steiner

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    8/269

    Vorbemerkungen zur vierten Auflage

    (1) Wer es unternimmt, geisteswissenschaftliche Ergebnisse solcher Art darzustellen, wie siein diesem Buche aufgezeichnet sind, der mu vor allen Dingen damit rechnen, da diese Artgegenwrtig in weitesten Kreisen als eine unmgliche angesehen wird. Werden doch in denfolgenden Ausfhrungen Dinge gesagt, von welchen ein in unserer Zeit als streng geltendesDenken behauptet, da sie fr menschliche Intelligenz vermutlich berhaupt unentscheidbar

    bleiben. Wer die Grnde kennt und zu wrdigen wei, welche manche ernstePersnlichkeit dazu fhren, solche Unmglichkeit zu behaupten, der mchte immer wiedervon neuem den Versuch machen, zu zeigen, auf welchen Miverstndnissen der Glaubeberuht, da dem menschlichen Erkennen ein Eindringen in die bersinnlichen Welten versagtsei.

    (2) Denn zweierlei liegt vor. Erstens wird sich Auf die Dauer keine menschliche Seele beitieferem Nachdenken vor der Tatsache verschlieen knnen: da ihre wichtigsten Fragen nachSinn und Bedeutung des Lebens unbeantwortet bleiben mten, wenn es einen Zugang zu

    bersinnlichen Welten nicht gbe. Man kann sich theoretisch ber diese Tatsachenhinwegtuschen; die Tiefen des Seelenlebens gehen aber mit dieser Selbsttuschung nicht mit. Wer auf diese Seelentiefen nicht hinhren will, der wird Ausfhrungen ber diebersinnlichen Welten naturgem ablehnen. Doch gibt es eben Menschen, deren Zahlwahrhaft nicht gering ist, welche unmglich sich taub gegen die Forderungen dieser Tiefenverhalten knnen. Sie mssen stets an die Pforten klopfen, welche nach der Meinung deranderen das Unfabare verschlieen.

    (3) Zweitens, es sind die Darlegungen des strengen Denkens keineswegs gering zu achten.Wer sich mit ihnen beschftigt, der wird da, wo sie ernst zu nehmen sind, diesen Ernstdurchaus mitfhlen. Der Schreiber dieses Buches mchte nicht als ein solcher angesehenwerden, der leichten Herzens sich hinwegsetzt ber die gewaltige Gedankenarbeit, dieaufgewendet worden ist, um die Grenzen des menschlichen Intellektes zu bestimmen. DieseGedankenarbeit lt sich nicht abtun mit einigen Redensarten ber Schulweisheit unddergleichen. So wie sie in vielen Fllen auftritt, hat sie ihren Quell in wahrem Ringen derErkenntnis und in echtem Scharfsinn. Ja, es soll noch viel mehr zugegeben werden: es sindGrnde dafr vorgebracht worden, da diejenige Erkenntnis, welche gegenwrtig alswissenschaftlich gilt, nicht in die bersinnlichen Welten vordringen kann, und diese Grnde

    sind in gewissem Sinne unwiderleglich.

    (4) Weil dies von dem Schreiber dieses Buches ohne weiteres selbst zugegeben wird, deshalbkann es manchem ganz sonderbar erscheinen, da er es nun doch unternimmt, Ausfhrungenzu machen, die sich auf bersinnliche Welten beziehen. Es scheint ja fast ausgeschlossen zusein, da jemand die Grnde fr, die Unerkennbarkeit der bersinnlichen Welten in gewissem

    Sinne gelten lt und dennoch von diesen bersinnlichen Welten spricht.

    (5) Und doch kann man sich so verhalten. Und man kann zugleich begreifen, da diesesVerhalten als widerspruchsvoll empfunden wird. Es lt sich eben nicht jedermann auf die

    Erfahrungen ein, welche man macht, wenn man mit dem menschlichen Verstande an dasbersinnliche Gebiet heranrckt. Da stellt sich heraus, da die Beweise dieses Verstandeswohl unwiderleglich sein knnen; und da sie trotz ihrer Unwiderleglichkeit fr dieWirklichkeit nicht entscheidend zu sein brauchen. Statt aller theoretischenAuseinandersetzungen sei hier versucht, durch einen Vergleich eine Verstndigungherbeizufhren. Da Vergleiche selbst nicht beweisend sind, wird dabei ohne weitereszugegeben; doch hindert dies nicht, da sie oft verstndlich machen, was ausgedrckt werdensoll.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    9/269

    (6) Das menschliche Erkennen, so wie es im alltglichen Leben und in der gewhnlichenWissenschaft arbeitet, ist wirklich so beschaffen, da es in die bersinnlichen Welten nichteindringen kann. Dies ist unwiderleglich zu beweisen; allein dieser Beweis kann fr einegewisse Art des Seelenlebens keinen anderen Wert haben als derjenige, welchen jemandunternehmen wollte, um zu zeigen, da das natrliche Auge des Menschen mit seinemSehvermgen nicht bis zu den kleinen Zellen eines Lebewesens oder bis zur Beschaffenheit

    ferner Himmelskrper vordringen kann. So richtig und beweisbar die Behauptung ist: dasgewhnliche Sehvermgen dringt nicht bis zu den Zellen, so richtig und beweisbar ist dieandere, da das gewhnliche Erkennen nicht in die bersinnlichen Welten eindringen knne.Und doch entscheidet der Beweis, da das gewhnliche Sehvermgen vor den Zellenhaltmachen mu, nichts gegen die Erforschung der Zellen. Warum sollte der Beweis, da dasgewhnliche Erkenntnisvermgen vor den bersinnlichen Welten haltmachen mu, etwasgegen die Erforschbarkeit dieser Welten entscheiden?

    (7) Man kann die Empfindung fhlen, welche mancher bei diesem Vergleiche haben mu.Man kann selbst mitempfinden, wenn gezweifelt wird, da jemand den ganzen Ernst dererwhnten Gedankenarbeit auch nur ahnt, der dieser Arbeit mit einem solchen Vergleichentgegentritt. Und doch ist derjenige, welcher dieses schreibt, von diesem Ernste nicht nurdurchdrungen, sondern er ist der Ansicht, da diese Gedankenarbeit zu den edelstenLeistungen der Menschheit zhlt. Zu beweisen, da das menschliche Sehvermgen nicht ohneBewaffnung zu den Zellen gelangen knne, wre allerdings ein unntiges Beginnen; instrengem Denken sich der Natur dieses Denkens bewut werden, ist notwendigeGeistesarbeit. Da derjenige, welcher sich solcher Arbeit hingibt, nicht bemerkt, da dieWirklichkeit ihn widerlegen kann, ist nur allzu verstndlich. So wenig in denVorbemerkungen zu diesem Buche der Platz sein kann, auf manche ,Widerlegungen der

    ersten Auflagen von seiten solcher Persnlichkeiten einzugehen, denen alles Verstndnis frdas Erstrebte abgeht oder welche ihre unwahren Angriffe auf die Person des Verfassersrichten, so sehr mu betont werden, da in dem Buche eine Unterschtzung ernsterwissenschaftlicher Denkerarbeit nur der vermuten kann, der sich vor der Gesinnung derAusfhrungen verschlieen will.

    (8) Das Erkennen des Menschen kann verstrkt, erkraftet werden, wie das Sehvermgen desAuges verstrkt werden kann. Nur sind die Mittel zur Erkraftung des Erkennens durchaus vongeistiger Art; sie sind innere, rein seelische Verrichtungen. Sie bestehen in dein was in

    diesem Buche als Meditation, Konzentration, Kontemplation beschrieben wird. Dasgewhnliche Seelenleben ist an die Werkzeuge des Leibes gebunden; das erkrafteteSeelenleben macht sich davon frei. Es gibt Gedankenrichtungen der Gegenwart, fr welcheeine solche Behauptung ganz unsinnig erscheinen mu, fr welche sie nur aufSelbsttuschung beruhen mu. Solche Gedankenrichtungen werden es von ihremGesichtspunkte aus leicht finden, nachzuweisen, wie alles Seelenleben an dasNervensystem gebunden sei. Wer auf dem Standpunkte steht, von dem aus dieses Buchgeschrieben ist, der versteht durchaus solche Beweise. Er versteht die Menschen, welchesagen, es knne nur Oberflchlichkeit behaupten, da man irgend ein vom Leibeunabhngiges Seelenleben haben knne. Welche ,ganz davon berzeugt sind, da fr solcheSeelenerlebnisse ein Zusammenhang mit dem Nervenleben vorliegt, dengeisteswissenschaftlicher Dilettantismus nur nicht durchschaut.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    10/269

    (9) Hier stehen demjenigen, was in diesem Buche geschildert wird, gewisse durchausbegreifliche Denkgewohnheiten so schroff gegenber, da mit vielen eine Verstndigunggegenwrtig noch ganz aussichtslos ist. Man steht hier eben vor dem Punkte, an welchem sichder Wunsch geltend machen mu, da es in der Gegenwart dem Geistesleben nicht mehrentsprechen sollte, eine Forschungsrichtung sogleich als Phantasterei, Trumerei usw. zuverketzern, die schroff von der eigenen abweicht. Auf der andern Seite steht aber dochschon gegenwrtig die Tatsache, da fr die bersinnliche Forschungsart, wie sie auch in

    diesem Buche dargestellt wird, eine Anzahl von Menschen Verstndnis, haben. Menschen,welche einsehen, da der Sinn des Lebens sich nicht in allgemeinen Redensarten ber Seele,Selbst usw. enthllt, sondern nur durch das wirkliche Eingehen auf die Ergebnisse derbersinnlichen Forschung sich ergeben kann. Nicht aus Unbescheidenheit, sondern infreudiger Befriedigung wird von dem Verfasser dieses Buches tief empfunden dieNotwendigkeit dieser vierten Auflage nach verhltnismig kurzer Zeit.

    (10) Um in Unbescheidenheit dies zu betonen, dazu fhlt der Verfasser nur allzudeutlich, wiewenig auch die neue Auflage dem entspricht, was sie als Umri einer bersinnlichenWeltanschauung eigentlich sein sollte. Noch einmal wurde zur Neuauflage das Ganzedurchgearbeitet, viele Ergnzungen wurden an wichtigen Stellen eingefgt, Verdeutlichungenwurden angestrebt. Doch fhlbar wurde dem Verfasser an zahlreichen Stellen, wie sprde sichdie Mittel der ihm zugnglichen Darstellung erweisen gegenber dem, was die bersinnlicheForschung, zeigt. So konnte kaum mehr als ein Weg gezeigt werden, um zu Vorstellungen zugelangen, welche in dem Buche fr Saturn-, Sonnen-, Mondenentwickelung gegeben werden.Ein wichtiger Gesichtspunkt ist in dieser Auflage auch auf diesem Gebiete in Krze neubehandelt worden. Doch weichen die Erlebnisse in bezug auf solche Dinge so sehr von allenErlebnissen auf dem Sinnesgebiete ab, da die Darstellung ein fortwhrendes Ringen nacheinem nur einigermaen gengend scheinenden Ausdruck notwendig macht Wer auf den hier

    gemachten Versuch der Darstellung einzugehen willens ist, wird vielleicht bemerken, damanches, was dem trockenen Worte zu sagen unmglich ist, durch die Artder Schilderungerstrebt wird. Diese ist anders zum Beispiel bei der Saturn-, anders bei der Sonnen- usw.Entwickelung.

    (11) Viele dem Verfasser des Buches wichtig erscheinende Ergnzungen und Erweiterungenerfuhr in der neuen Auflage der zweite Teil des Buches, welcher von der Erkenntnis derhheren Welten handelt. Es lag das Bestreben vor, die Art der inneren Seelenvorgngeanschaulich darzustellen, durch welche die Erkenntnis von ihren in der Sinnenwelt

    vorhandenen Grenzen sich befreit und sich fr das Erleben der bersinnlichen Welt geeignetmacht.. Versucht wurde zu zeigen, da dieses Erleben, obwohl es durch ganz innerliche Mittelund Wege erworben wird, doch nicht eine blo subjektive Bedeutung fr den einzelnenMenschen hat, der es erwirbt. Es sollte aus der Darstellung hervorgehen, da innerhalbderSeele deren Einzelheit und persnliche Besonderheit abgestreift und ein Erleben erreicht wird,dasjederMensch in der gleichen Art hat, der eben in rechter Art die Entwickelung aus seinensubjektiven Erlebnissen heraus bewirkt. Erst wenn die Erkenntnis der bersinnlichenWelten mit diesem Charakter gedacht wird, vermag man sie zu unterscheiden von allenErlebnissen blo subjektiver Mystik usw. Von solcher Mystik kann man wohl sagen, da siemehr oder weniger doch eine subjektive Angelegenheit des Mystikers ist. Diegeisteswissenschaftliche Seelenschulung, wie sie hier gemeint ist, strebt aber nach solchenobjektiven Erlebnissen, deren Wahrheit zwar ganz innerlich erkannt wird, die aber dochgerade deshalb in ihrer Allgemeingltigkeit durchschaut werden. Auch hier ist ja wieder einPunkt, an dem eine Verstndigung mit manchen Denkgewohnheiten, unserer Zeit rechtschwierig ist.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    11/269

    (12) Zum Schlusse mchte der Verfasser des Buches die Bemerkung machen, da auch vonWohlmeinenden diese Ausfhrungen als das hingenommen werden mgen, als was sie, sichdurch ihren eigenen Inhalt geben. Es herrscht heute vielfach das Bestreben, dieser oder jenerGeistesrichtung diesen oder jenen alten Namen zugeben. Dadurch scheint sie manchem erstwertvoll. Es darf aber gefragt werden: was sollen die Ausfhrungen dieses Buches dadurchgewinnen, da man sie als rosenkreuzerisch oder dergleichen bezeichnet? Worauf esankommt, ist, da hier mit den Mitteln, welche in der gegenwrtigen Entwickelungsperiode

    der Seele mglich und dieser angemessen sind, ein Einblick in die bersinnlichen Weltenversucht wird, und da von diesem Gesichtspunkte aus die Rtsel des menschlichenSchicksals und des menschlichen Daseins ber die Grenzen von Geburt und Tod hinausbetrachtet werden. Es soll sich nicht handeln um ein Streben, welches diesen oder jenen altenNamen trgt, sondern um ein Streben nach Wahrheit.

    (13) Auf der andern Seite sind auch in gegnerischer Absicht. Bezeichnungen fr die in demBuche dargestellte Weltanschauung gebraucht worden. Abgesehen davon, da diejenigen, mitwelchen man den Verfasser hat amschwersten treffen und diskreditieren wollen, absurd undobjektiv unwahr. sind, charakterisieren sich solche Bezeichnungen in ihrer Unwrdigkeitdadurch, da sie ein vlligunabhngigesWahrheitsstreben herabsetzen, indem sie es nichtaus sich selbst beurteilen, sondern die von ihnen erfundene oder grundlos bernommene undweiter getragene Abhngigkeit von dieser oder jener Richtung andern als Urteil beibringenwollen. So notwendig diese Worte angesichts mancher Angriffe gegen den Verfasser sind, sowiderstrebt es diesem doch,an diesem Orte auf die Sache weiter einzugehen.

    Geschrieben im Juni 1913 Rudolf Steiner

    Vorbemerkungen zur ersten Auflage

    (1) Wer ein Buch wie das vorliegende der ffentlichkeit bergibt, der soll mit Gelassenheitjede Art von Beurteilung seiner Ausfhrungen stellen knnen, welche in der Gegenwartmglich ist. Da knnte z.B. jemand die hier gegebene Darstellung dieses oder jenes Dinges zulesen beginnen, welcher, sich Gedanken ber diese Dinge gem den Forschungsergebnissender Wissenschaft gemacht hat. Und er knnte zu dem folgenden Urteil kommen: Man isterstaunt, wie dergleichen Behauptungen in unserer Zeit nur berhaupt mglich sind. Mit deneinfachsten naturwissenschaftlichen Begriffen wird in einer Weise umgesprungen, die auf

    eine geradezu unbegreifliche Unbekanntschaft mit selbst elementaren Erkenntnissen schlieenlt. Der Verfasser gebraucht Begriffe, wie z. B. Wrme, in einer Art, wie es nur jemandvermag, an dem die ganze moderne Denkweise der Physik spurlos vorbergegangen ist. Jeder,der auch nur die Anfangsgrnde dieser Wissenschaft kennt, knnte ihm zeigen, da, was er'da redet, nicht einmal die Bezeichnung Dilettantismus verdient, sondern nur mit demAusdruck: absolute Ignoranz belegt werden kann ... Es knnten nun noch viele solche Stzeeiner derartigen, durchaus mglichen Beurteilung hingeschrieben werden. Man knnte sichaber nach den obigen Aussprchen auch etwa folgenden Schlu denken: Wer ein paar Seitendieses Buches gelesen hat, wird es, je nach seinem Temperament lchelnd oder entrstet

    weglegen und sich sagen: Es ist doch sonderbar, was fr Auswchse eine verkehrteGedankenrichtung in gegenwrtiger Zeit treiben kann. Man legt diese Ausfhrungen ambesten zu mancherlei anderem Kuriosen, was einem jetzt begegnet. Was sagt aber nun derVerfasser dieses Buches, wenn er etwa wirklich eine solche Beurteilung erfahren wrde? Muer nicht einfach, vonseinem Standpunkt aus, den Beurteiler fr einen urteilsunfhigen Leserhalten oder fr einen solchen, der nicht den guten Willen hat, um zu einem verstndnisvollenUrteile zu kommen? Darauf soll geantwortet werden: Nein, dieser Verfasser tut dasdurchaus nicht immer.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    12/269

    Er vermag sich vorzustellen, da sein Beurteiler eine sehr kluge Persnlichkeit, auch eintchtiger Wissenschafter und jemand sein kann, der sich ein Urteil auf ganz gewissenhafte Artbildet. Denn dieser Verfasser ist in der Lage, sich hineinzudenken in die Seele einer solchenPersnlichkeit und die Grnde, welche diese zu einem solchen Urteil fhren knnen. Um nunkenntlich zu machen, was der Verfasser wirklich sagt, ist etwas notwendig, was ihm selbst imallgemeinen oft unpassend scheint, wozu aber gerade bei diesem Buche eine dringendeVeranlassung ist: nmlich ber einiges Persnliche zu reden. Allerdings soll in dieser

    Richtung nichts vorgebracht werden, was nicht mit dem Entschlusse zusammenhngt, diesesBuch zu schreiben. Was in einem solchen Buche gesagt wird, htte gewi kein Daseinsrecht,wenn es nur einen persnlichen Charakter trge. Es muDarstellungen enthalten, zu denen

    jederMensch kommen kann, und es mu so gesagt werden, da keinerlei persnliche Frbungzu bemerken ist, soweit dies berhaupt mglich ist. In dieser Beziehung soll also dasPersnliche nicht gemeint sein. Es soll sich nur darauf beziehen, verstndlich zu machen, wieder Verfasser die oben gekennzeichnete Beurteilung seiner Ausfhrungen begreiflich findenkann und dennoch dieses Buch schreiben konnte. Es gbe ja allerdings etwas, was dieVorbringung eines solchen Persnlichen berflssig machen knnte: wenn man, inausfhrlicher Art, alle Einzelheiten geltend machte, welche zeigen, wie die Darstellung diesesBuches in Wirklichkeit doch mit allen Fortschritten gegenwrtiger Wissenschaftbereinstimmt. Dazu wren nun aber allerdings viele Bnde als Einleitung zu dem Buchenotwendig. Da diese augenblicklich nicht geliefert werden knnen, so scheint es demVerfasser notwendig, zu sagen, durch welche persnlichen Verhltnisse er sich berechtigtglaubt, eine solche bereinstimmung in befriedigender Art fr mglich zu halten. Er htteganz gewi alles dasjenige niemals zu verffentlichen unternommen, was in diesem Buche z.B. mit Bezug auf Wrmevorgnge gesagt wird, wenn er sich nicht das Folgende gestehendrfte: Er war vor nunmehr dreiig Jahren in der Lage, ein Studium der Physikdurchzumachen, welches sich in die verschiedenen Gebiete dieser Wissenschaft verzweigte.

    Auf dem Felde der Wrmeerscheinungen standen damals die Erklrungen im Mittelpunktedes Studiums, welche der sogenannten mechanischen Wrmetheorie angehren. Und diesemechanische Wrmetheorie interessiere ihn sogar ganz besonders. Die geschichtlicheEntwickelung der entsprechenden Erklrungen, die sich an Namen wie Julius Robert Mayer,Helmholtz, Joule, Clausius usw. damals knpfte, gehrte zu seinen fortwhrenden Studien.Dadurch hat er sich in der Zeit seiner Studien die hinreichende Grundlage und Mglichkeitgeschaffen, bis heute alle die tatschlichen Fortschritte auf dem Gebiete der physikalischenWrmelehre verfolgen zu knnen und keine Hindernisse zu finden, wenn er versucht,einzudringen in alles das, was die Wissenschaft auf diesem Felde leistet. Mte sich der

    Verfasser sagen: er kann das nicht, so wre dies fr ihn ein Grund, die in dem Buchevorgebrachten Dinge ungesagt und ungeschrieben zu lassen. Er hat es sich wirklich zumGrundsatz gemacht, nur ber solches auf dem Gebiete der Geisteswissenschaft zu reden oderzu schreiben, bei dem er in einer ihm gengend erscheinenden Art auch zu sagen wte, wasdie gegenwrtige Wissenschaft darber wei. Damit will er durchaus nicht etwas aussprechen,was eine allgemeine Anforderung an alle Menschen sein soll. Es kann jedermann sich mitRecht gedrngt fhlen, dasjenige mitzuteilen und zu verffentlichen, wozu ihn seineUrteilskraft, sein gesunder Wahrheitssinn und sein Gefhl treiben, auch wenn er nicht wei,was ber die betreffenden Dinge vom Gesichtspunkt zeitgenssischer Wissenschaft aus zusagen ist. Nur der Verfasser dieses Buches mchte sich fr sich an das oben Ausgesprochenehalten. Er mchte z.B. nicht die paar Stze ber das menschliche Drsensystem oder dasmenschliche Nervensystem machen, welche in diesem Buche sich finden, wenn er nicht in derLage wre, ber diese Dinge auch den Versuch zu machen, in den Formen zu sprechen, indenen ein gegenwrtiger Naturgelehrter vom Standpunkte der Wissenschaft aus ber dasDrsen- oder Nervensystem spricht.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    13/269

    Trotzdem also das Urteil mglich ist, derjenige, welcher so, wie es hier geschieht, berWrme spricht, wisse nichts von den Anfangsgrnden der gegenwrtigen Physik, ist dochrichtig, da sich der Verfasser dieses Buches vollberechtigt glaubt zu dem, was er getan hat,weiler die gegenwrtige Forschung wirklich zu kennen bestrebt ist, und da er es unterlassenwrde, so zu sprechen, wenn sie ihm fremd wre. Er wei, wie das Motiv, aus dem heraus einsolcher Grundsatz ausgesprochen wird, recht leicht mit Unbescheidenheit verwechselt werdenkann. Es ist aber doch ntig, gegenber diesem Buche solches auszusprechen, damit des,

    Verfassers wahre Motive nicht mit noch ganz anderen verwechselt werden. Und dieseVerwechslung knnte eben noch weit schlimmer sein als diejenige mit der Unbescheidenheit.

    (2) Nun wre aber auch eine Beurteilung von einem philosophischen Standpunkte ausmglich. Sie knnte sich folgendermaen gestalten. Wer als Philosoph dieses Buch liest, derfragt sich: Hat der Verfasser die ganze erkenntnistheoretische Arbeit der Gegenwartverschlafen? Hat er nie etwas davon erfahren, da ein Kant gelebt hat und da, nach diesem,es einfach philosophisch unstatthaft ist, derlei Dinge vorzubringen? Wieder knnte indieser Richtung fortgeschritten werden. Aber auch so knnte die Beurteilung schlieen: Frden Philosophen ist derlei unkritisches, naives, laienhaftes Zeug unertrglich, und ein weiteresEingehen darauf wre Zeitverlust. Aus demselben Motiv, das oben gekennzeichnet wordenist, mchte trotz aller Miverstndnisse, die sich daran schlieen knnen, der Verfasser auchhier wieder Persnliches vorbringen. Sein Kantstudium begann in seinem sechzehntenLebensjahre; und heute glaubt er wahrhaftig, ganz objektiv alles das, was in dem vorliegendenBuch vorgebracht wird, vom Kantschen Standpunkte aus beurteilen zu drfen. Er wrde auchvon dieser Seite her einen Grund gehabt haben, das Buch ungeschrieben zu lassen, wte ernicht, was einen Philosophen dazu bewegen kann, es naiv zu finden, wenn der kritischeMastab der Gegenwart angelegt wird. Man kann aber wirklich wissen, wie im Sinne Kantshier die Grenzen einer mglichen Erkenntnis berschritten werden; man kann wissen, wie

    Herbart naiven Realismus finden wrde, der es nicht zur Bearbeitung der Begriffegebracht hat usw. usw.; man kann sogar wissen, wie der moderne Pragmatismus James,Schillers usw. das Ma dessen berschritten finden wrde, was wahre Vorstellungen sind,welche wir uns aneignen, die, wir geltend machen, in Kraft setzen und verifizieren knnen.[* Man kann sogar die Philosophie des Als ob, den Bergsonismus und die Kritik derSprache in ernste Erwgung gezogen und studiert haben. ]Mankanndies alles wissen und trotzdem, ja eben deshalbsich berechtigt finden, diese hiervorliegenden Ausfhrungen zu schreiben. Der Verfasser dieses Buches hat sich mitphilosophischen Gedankenrichtungen auseinandergesetzt in seinen Schriften

    Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung, Wahrheit und Wissenschaft,Philosophie der Freiheit, Goethes Weltanschauung, Welt- und Lebensanschauungen imneunzehnten Jahrhundert, Die Rtsel der Philosophie.

    (3) Viele Arten von mglichen Beurteilungen knnten noch angefhrt werden. Es knnteauch jemanden geben, welcher eine der frheren Schriften des Verfassers gelesen hat, z. B.Welt- und Lebensanschauungen im neunzehnten Jahrhundert oder etwa dessen kleinesSchriftchen: Haeckel und seine Gegner. Ein solcher knnte sagen: Es ist geradezu un-erfindlich, wie ein und derselbe Mensch diese Schriften und auch, neben der bereits von ihmerschienenen Theosophie, dieses hier vorliegende, Buch schreiben kann. Wie kann maneinmal so fr Haeckel eintreten und dann wieder allem ins Gesicht schlagen, was als gesunderMonismus aus Haeckels Forschungen folgt? Man knnte begreifen, da der Verfasserdieser Geheimwissenschaft mit Feuer und Schwert gegen Haeckel zu Felde ziehe; da erihn verteidigt hat, ja da er ihm sogar Welt- und Lebensanschauungen im neunzehntenJahrhundert gewidmet hat, das ist wohl das Ungeheuerlichste, was sich denken lt.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    14/269

    Haeckel htte sich fr diese Widmung wohl mit nicht mizuverstehender Ablehnungbedankt, wenn er gewut htte, da der Widmer einmal solches Zeug schreiben werde, wie esdiese Geheimwissenschaft mit ihrem mehr als plumpen Dualismus enthlt. DerVerfasser dieses Buches ist nun der Ansicht, da man ganz gut Haeckel verstehen kann unddoch nicht zu glauben braucht, man verstnde ihn nur dann, wenn man alles fr Unsinn hlt,was nicht aus Haeckels eigenen Vorstellungen und Voraussetzungen fliet. Er ist aber fernerder Ansicht, da man zum Verstndnis Haeckels nicht kommt, wenn man ihn mit Feuer und

    Schwert bekmpft, sondern wenn man auf dasjenige eingeht, was er der Wissenschaftgeleistet hat. Und am allerwenigsten glaubt der Verfasser, da die Gegner Haeckels im Rechtesind, gegen welche er z.B. in seiner Schrift Haeckel und seine Gegner den groenNaturdenker verteidigt hat. Wahrhaftig, wenn der Verfasser dieser Schrift ber HaeckelsVoraussetzungen hinausgeht und die geistige Ansicht ber die Welt neben die blo natrlicheHaeckels setzt, so braucht er deshalb mit des letzteren Gegnern nicht einer Meinung zu sein.Wer sich bemht, die Sache richtig anzusehen, wird den Einklang von des Verfassersgegenwrtigen Schriften mit seinen frheren schon bemerken knnen.

    (4) Auch ein solcher Beurteiler ist dem Verfasser vllig verstndlich, der ganz imallgemeinen ohne weiteres die Ausfhrungen dieses Buches als Ergsse einer wildgewordenen Phantastik oder eines trumerischen Gedankenspiels ansieht. Doch ist alles, wasin dieser Beziehung zu sagen ist, in dem Buche selbst enthalten. Es ist da gezeigt, wie invollem Mae das vernunftgeme Denken zum Probierstein des Dargestellten werden kannundsoll.Wer auf dieses Dargestellte die vernunftgeme Prfung ebenso anwendet, wie siesachgem z.B. auf die Tatsachen der Naturwissenschaft angewendet wird, der erst wirdentscheiden knnen, was die Vernunft bei solcher Prfung sagt.

    (5) Nachdem so viel ber solche Persnlichkeiten gesagt ist, welche dieses Buch zunchst

    ablehnen knnen, darf auch ein Wort an diejenigen fallen, welche sich zu demselbenzustimmend zu verhalten Anla haben. Fr sie ist jedoch das Wesentlichste in dem erstenKapitel Charakter der Geheimwissenschaft enthalten. Ein weniges aber soll noch hiergesagt werden. Obwohl das Buch sich mit Forschungen befat, welche dem an die Sinnenweltgebundenen Verstand nicht erforschbar sind, so ist doch nichts vorgebracht, was nichtverstndlich sein kann unbefangener Vernunft und gesundem Wahrheitssinn einer jedenPersnlichkeit, welche diese Gaben des Menschen anwenden will. Der Verfasser sagt esunumwunden: er mchte vor allem Leser, welche nicht gewillt sind, auf blinden Glauben hindie vorgebrachten Dinge anzunehmen, sondern welche sich bemhen, das Mitgeteilte an den

    Erkenntnissen der, eigenen und an den Erfahrungen des eigenen Lebens zu prfen*.[*Gemeint ist hier nicht etwa nur die geisteswissenschaftliche Prfung durch die bersinnlichenForschungsmethoden, sondern vor allem die durchaus mglichevom gesunden, vorurteilslosen Denken undMenschenverstand aus.]

    Er mchte vor allem vorsichtige Leser, welche nur das logisch zu Rechtfertigende geltenlassen. Der Verfasser wei, sein Buch wre nichts wert, wenn es nur auf blinden Glaubenangewiesen wre; es ist nur in dem Mae tauglich, als es sich vor der unbefangenen Vernunftrechtfertigen kann. Der blinde Glauben kann so leicht das Trichte und Aberglubische mit

    dem Wahren verwechseln. Mancher, der sich mit dem bloen Glauben an bersinnlichesgerne begngt, wird finden, da in diesem Buche dem Denken zu viel zugemutet wird. Doches handelt sich wahrlich bei den hier gegebenen Mitteilungen nicht blo darum, da etwasmitgeteilt werde, sondern darum, da die Darstellung so ist, wie es einer gewissenhaftenAnschauung auf dem entsprechenden Gebiete des Lebens angemessen ist. Es ist ja das Gebiet,wo sich die hchsten Dinge mit gewissenloser Scharlatanerie, wo sieh auch Erkenntnis undAberglaube im wirklichen Leben so leicht berhren und wo sie, vor allem, auch so leichtverwechselt werden knnen.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    15/269

    (6) Wer mit bersinnlicher Forschung bekannt ist, wird beim Lesen des Buches wohl merken,da versucht worden ist, die Grenzen scharf einzuhalten zwischen dem, was aus dem Gebieteder bersinnlichen Erkenntnisse gegenwrtig mitgeteilt werden kann und soll, und dem, waszu einer spteren Zeit oder wenigstens in anderer Form dargestellt werden soll.

    Geschrieben im Dezember 1909 Rudolf Steiner

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    16/269

    Charakter der Geheimwissenschaft

    (1) Ein altes Wort: Geheimwissenschaft wird fr den Inhalt dieses Buchesangewendet. Das Wort kann Veranlassung werden, da sogleich bei denverschiedenen Menschen der Gegenwart die entgegengesetztestenEmpfindungen wachgerufen werden. Fr viele hat es etwas Abstoendes; es ruft

    Spott, mitleidiges Lcheln, vielleicht Verachtung hervor. Sie stellen sich vor,da eine Vorstellungsart, die sich so bezeichnet, nur auf einer migenTrumerei, auf Phantasterei beruhen knne, da sich hinter solchervermeintlichen Wissenschaft nur der Drang verbergen knne, allerleiAberglauben zu erneuern, den mit Recht meidet, wer wahreWissenschaftlichkeit und echtes Erkenntnisstreben kennengelernt hat. Aufandere wirkt das Wort so, als ob ihnen das damit Gemeinte etwas bringenmsse, was auf keinem andern Wege zu erlangen ist und zu dem sie, je nach

    ihrer Veranlagung, tief innerliche Erkenntnissehnsucht oder seelisch verfeinerteNeugierde hinzieht. Zwischen diesen schroff einander gegenberstehendenMeinungen gibt es alle mglichen Zwischenstufen der bedingten Ablehnungoder Annahme dessen, was sich der eine oder der andere vorstellt, wenn er dasWort Geheimwissenschaft vernimmt. Es ist nicht in Abrede zu stellen, dafr manchen das Wort Geheimwissenschaft deshalb einen zauberhaften Klanghat, weil es seine verhngnisvolle Sucht zu befriedigen scheint nach einem aufnaturgemem Wege nicht zu erlangenden Wissen von einem Unbekannten,

    Geheimnisvollen, ja Unklaren. Denn viele Menschen wollen die tiefstenSehnsuchten ihrer Seele nicht durch das befriedigen, was klar erkannt werdenkann. Ihre berzeugung geht dahin, da es auer demjenigen, was man in derWelt erkennen. knne, noch etwas geben msse, das sich der Erkenntnisentzieht. Mit einem sonderbaren Widersinn, den sie nicht bemerken, lehnen siefr die tiefsten Erkenntnissehnsuchten alles ab, was bekannt ist, und wollendafr nur etwas gelten lassen, wovon man nicht sagen knne, da es durchnaturgemes Forschen bekannt werde. Wer von Geheimwissenschaft redet,

    wird gut daran tun, sich vor Augen zu halten, da ihm Miverstndnisseentgegenstehen, die von solchen Verteidigern einer derartigen Wissenschaftverursacht werden; von Verteidigern, die eigentlich nicht ein Wissen, sonderndas Gegenteil davon anstreben.

    (2) Diese Ausfhrungen richten sich an Leser, welche sich ihre Unbefangenheitnicht dadurch nehmen lassen, da ein Wort durch verschiedene UmstndeVorurteile hervorruft. Von einem Wissen, das in irgendeiner Beziehung als ein

    geheimes, nur durch besondere Schicksalsgunst fr manchen zugngliches,gelten soll, wird hier nicht die Rede sein. Man wird dem hier gemeintenWortgebrauche gerecht werden, wenn man an dasjenige denkt, was Goethe imSinne hat, wenn er von den offenbaren Geheimnissen in denWelterscheinungen spricht. (2)

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    17/269

    Was in diesen Erscheinungen geheim, unoffenbar bleibt, wenn man sie nurdurch die Sinne und den an die Sinne sich bindenden Verstand erfat, das wirdals der Inhalt einer bersinnlichen Erkenntnisart angesehen.*

    [*Es ist vorgekommen, da man den Ausdruck Geheimwissenschaft - wie er von dem Verfasserdieses Buches schon in frheren Auflagen gebraucht worden ist - gerade aus dein Grunde abgelehnthat, weil eine Wissenschaft doch fr niemand etwas Geheimes sein knne. Man htte Recht, wenn

    die Sache so gemeint wre. Allein das ist nicht der Fall. So wenig Naturwissenschaft einenatrliche Wissenschaft in dem Sinne genannt werden kann, da sie jedem von Natur eigen ist,so wenig denkt sich der Verfasser unter Geheimwissenschaft eine geheime Wissenschaft, sonderneine solche, welche sich auf das in den Welterscheinungen fr die gewhnliche ErkenntnisartUnoffenbare, Geheime bezieht, eine Wissenschaft von dem Geheimen, von dem offenbarenGeheimnis. Geheimnis aber soll diese Wissenschaft - fr niemand sein, der ihre Erkenntnisse auf denihr entsprechenden Wegen sucht.]

    Wer als Wissenschaft nur gelten lt, was durch die Sinne und den ihnen

    dienenden Verstand offenbar wird, fr den kann selbstverstndlich das hier als,Geheimwissenschaft Gemeinte keine Wissenschaft sein. Ein solcher mteaber, wenn er sich selbst verstehen wollte, zugeben, da er nicht aus einer

    begrndeten Einsicht heraus, sondern durch einen seinem rein persnlichenEmpfinden entstammenden Machtspruch eine Geheimwissenschaft ablehnt.Um das einzusehen, hat man nur ntig, berlegungen darber anzustellen, wieWissenschaft entsteht und welche Bedeutung sie im menschlichen Leben, hat.Das Entstehen der Wissenschaft, dem Wesen nach, erkennt man nicht an dem

    Gegenstande, den die Wissenschaft ergreift; man erkennt es an der imwissenschaftlichen Streben auftretenden Bettigungsart der menschlichen Seele.

    (3) Wie sich die Seele verhlt, indem sie Wissenschaft sich erarbeitet, daraufhat man zu sehen. Eignet man sich die Gewohnheit an, diese Bettigungsart nurdann ins Werk zu setzen, wenn die Offenbarungen der Sinne in Betrachtkommen, dann gert man leicht auf die Meinung, diese Sinnesoffenbarung seidas Wesentliche. Und man lenkt dann den Blick nicht darauf, da ein gewisses

    Verhalten der menschlichen Seele eben nur auf die Sinnesoffenbarungangewendet worden ist. Aber man kann ber diese willkrlicheSelbstbeschrnkung hinauskommen und, abgesehen von dem besonderen Falleder Anwendung, den Charakter der wissenschaftlichen Bettigung ins Augefassen. Dies liegt zugrunde, wenn hier fr die Erkenntnis nichtsinnlicherWeltinhalte als von einer wissenschaftlichen gesprochen wird. An diesenWeltinhalten will sich die menschliche Vorstellungsart so bettigen, wie sie sichim andern Falle an den naturwissenschaftlichen Weltinhalten bettigt.

    Geheimwissenschaft will die naturwissenschaftliche Forschungsart undForschungsgesinnung, die auf ihrem Gebiete sich an den Zusammenhang undVerlauf der sinnlichen Tatsachen hlt, von dieser besonderen Anwendungloslsen, aber sie in ihrer denkerischen und sonstigen Eigenart festhalten. Siewill ber Nichtsinnliches in derselben Art sprechen, wie die Naturwissenschaftber Sinnliches spricht.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    18/269

    Whrend die Naturwissenschaft im Sinnlichen mit dieser Forschungsart undDenkweise stehenbleibt, will Geheimwissenschaft die seelische Arbeit an der

    Natur als eine Art Selbsterziehung der Seele betrachten, und das Anerzogene aufdas nichtsinnliche Gebiet anwenden. (4) Sie will so verfahren, da sie zwar nichtber die sinnlichen Erscheinungen als solch spricht, aber ber dienichtsinnlichen Weltinhalte so, wieder Naturforscher ber die sinnenflligen.

    Sie hlt von dem naturwissenschaftlichen Verfahren die seelische Verfassunginnerhalb dieses Verfahrens fest, also gerade das, durch welches

    Naturerkenntnis Wissenschaft erst wird. Sie darf sich deshalb als Wissenschaftbezeichnen.

    (4) Wer ber die Bedeutung der Naturwissenschaft im menschlichen Lebenberlegungen anstellt, der wird finden, da diese Bedeutung nicht erschpft seinkann mit der Aneignung von Naturerkenntnissen. Denn diese Erkenntnisse

    knnen nie und nimmer zu etwas anderem fhren als zu einem Erlebendesjenigen, was die Menschenseele selbst nicht ist. Nicht in dem lebt dasSeelische, was der Mensch an der Natur erkennt, sondern in dem Vorgang desErkennens. In ihrer Bettigung an der Natur erlebt sich die Seele. Was sie indieser Bettigung lebensvollsich erarbeitet, das ist noch etwas anderes als dasWissen ber die Natur selbst. Das ist an der Naturerkenntnis erfahreneSelbstentwickelung. Den Gewinn dieser Selbstentwickelung will dieGeheimwissenschaft bettigen auf Gebieten, die ber die bloe Natur hinaus

    liegen., Der Geheimwissenschafter will den Wert der Naturwissenschaft nichtverkennen, sondern ihn noch besser anerkennen als der Naturwissenschafterselbst. Er wei, da er ohne die Strenge der Vorstellungsart, die in der

    Naturwissenschaft waltet, keine Wissenschaft begrnden kann. Er wei aberauch, da, wenn diese Strenge durch ein echtes Eindringen in den Geist desnaturwissenschaftlichen Denkens erworben ist, sie festgehalten werden kanndurch die Kraft der Seele fr andere Gebiete. (5)

    (5) Etwas, was bedenklich machen kann, tritt dabei allerdings auf. In derBetrachtung der Natur wird die Seele durch den betrachteten Gegenstand ineinem viel strkeren Mae geleitet als in derjenigen nichtsinnlicher Weltinhalte.In dieser mu sie in einem hheren Mae aus rein inneren Impulsen heraus dieFhigkeit haben, das Wesen der wissenschaftlichen Vorstellungsart festzuhalten.Weil sehr viele Menschen unbewut glauben, da nur an dem Leitfaden der

    Naturerscheinungen dieses Wesen festgehalten werden kann, sind sie geneigt,durch einen Machtspruch sich dahin zu entscheiden: sobald dieser Leitfaden

    verlassen wird, tappt die Seele mit ihrem wissenschaftlichen Verfahren imLeeren. Solche Menschen haben sich die Eigenart dieses Verfahrens nicht zumBewutsein gebracht; sie bilden sich ihr Urteil zumeist aus den Verirrungen, dieentstehen mssen, wenn die wissenschaftliche Gesinnung an den

    Naturerscheinungen nicht gefestigt genug ist und trotzdem die Seele sich an dieBetrachtung des nicht sinnlichen Weltgebietes begeben will.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    19/269

    Da entsteht selbstverstndlich viel unwissenschaftliches Reden bernichtsinnliche Weltinhalte. Aber nicht deswegen, weil solches Reden seinemWesen nach nicht wissenschaftlich sein kann, sondern weil es, im besonderenFalle, an der wissenschaftlichen Selbsterziehung, durch die Naturbeobachtunghat fehlen lassen.

    (6) Wer von Geheimwissenschaft reden will, mu allerdings mit Rcksichtauf das eben Gesagte einen wachsamen Sinn haben fr alles Irrlichtelierende,das entsteht, wenn ber die offenbaren Geheimnisse der Welt etwas ausgemachtwird ohne wissenschaftliche Gesinnung. Dennoch fhrte es zu etwasErsprielichem nicht, wenn hier, gleich im Anfange geheimwissenschaftlicherAusfhrungen, ber alle mglichen Verirrungen gesprochen wrde, die in derSeele vorurteilsvoller Personen jedes Forschen in dieser Richtung inMiachtung bringen, weil solche Personen aus dem Vorhandensein wahrlich

    recht zahlreicher Verirrungen auf das Unberechtigte des ganzen Strebensschlieen. (6) Da aber zumeist bei Wissenschaftern oder wissenschaftlichgesinnten Beurteilern die Ablehnung der Geheimwissenschaft doch nur auf demoben gekennzeichneten Machtspruch beruht und die Berufung auf dieVerirrungen nur oft unbewuter Vorwand ist, so wird eineAuseinandersetzung mit solchen Gegnern zunchst wenig fruchtbar sein. Nichtshindert sie ja, den gewi durchaus berechtigten Einwand zu machen, da vonvornhereindurch nichts festgestellt werden kann, ob denn bei demjenigen, der

    andere in Verirrung befangen glaubt, der oben gekennzeichnete feste Grundvorhanden ist. Daher kann der nach einer Geheimwissenschaft Strebende nureinfach vorfhren, was er glaubt sagen zu drfen. Das Urteil ber seineBerechtigung knnen nur andere, aber auch nur solche Personen sich bilden,welche unter Vermeidung aller Machtsprche sich einzulassen vermgen auf dieArt seiner Mitteilungen ber die offenbaren Geheimnisse des Weltgeschehens.Obliegen wird ihm allerdings zu zeigen, wie sich das von ihm Vorgebrachte zuanderen Errungenschaften des Wissens und des Lebens verhlt, welche

    Gegnerschaften mglich sind und inwieferne die unmittelbare ueresinnenfllige Lebenswirklichkeit Besttigungen bringt fr seine Beobachtungen.

    (7) Aber er sollte niemals darnach streben seine Darstellung so zu halten, dadiese statt durch ihren Inhalt durch seine berredungskunst wirke.

    (8) Man kann gegenber geheimwissenschaftlichen Ausfhrungen oftmals denEinwand hren: diese beweisen nicht, was sie vorbringen; sie stellen nur das

    eine oder das andere hin und sagen: die Geheimwissenschaft stelle dieses fest.Die folgenden Ausfhrungen verkennt man, wenn man glaubt, irgend etwas inihnen sei in diesem Sinne vorgebracht. Was hier angestrebt wird, ist, das in derSeele am Naturwissen Entfaltete sich so weiter entwickeln zu lassen, wie es sichseiner eigenen Wesenheit nach entwickeln kann, und dann darauf aufmerksamzu machen, da bei solcher Entwickelung die Seele auf bersinnliche Tatsachenstt.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    20/269

    Es wird dabei vorausgesetzt, da jeder Leser, der auf das Ausgefhrteeinzugehen vermag, ganz notwendig auf diese Tatsachen stt. Ein Unterschiedgegenber der rein naturwissenschaftlichen Betrachtung liegt allerdings in demAugenblicke vor, in dem man das geisteswissenschaftliche Gebiet betritt. In der

    Naturwissenschaft liegen die Tatsachen im Felde der Sinneswelt vor; derwissenschaftliche Darsteller betrachtet die Seelenbettigung als etwas, das

    gegenber dem Zusammenhang und Verlauf der Sinnes-Tatsachen zurcktritt.Der geisteswissenschaftliche Darsteller mu diese Seelenbettigung in denVordergrund stellen; denn der Leser gelangt nur zu den Tatsachen, wenn erdiese Seelenbettigung in rechtmiger Weise zu seiner eigenen macht. DieseTatsachen sind nicht wie in der Naturwissenschaft allerdings unbegriffen auchohne die Seelenbettigung vor der menschlichen Wahrnehmung; sie tretenvielmehr in diese nur durch die Seelenbettigung. (8) Der geistes-wissenschaftliche Darsteller setzt also voraus, da der Leser mit ihm gemeinsam

    die Tatsachensucht.Seine Darstellung wird in der Art gehalten sein, da er vondem Auffinden dieser Tatsachenerzhltund da in der Art, wie er erzhlt, nichtpersnliche Willkr, sondern der an der Naturwissenschaft heranerzogenewissenschaftliche Sinn herrscht. Er wird daher auch gentigt sein, von den

    Mittelnzu sprechen, durch die man zu einer Betrachtung des Nichtsinnlichen des bersinnlichen gelangt. Wer sich in eine geheimwissenschaftlicheDarstellung einlt, der wird bald einsehen, da durch sie Vorstellungen undIdeen erworben werden, die man vorher nicht gehabt hat. So kommt man zu

    neuen Gedanken auch ber das, was man vorher ber das Wesen desBeweisens gemeint hat. Man lernt erkennen, da fr die naturwissen-schaftliche Darstellung das Beweisen etwas ist, was an diese gewissermaenvon auen herangebracht wird. Im geisteswissenschaftlichen Denken liegt aberdie Bettigung, welche die Seele beim naturwissenschaftlichen Denken auf denBeweis wendet, schon in dem Suchen nach den Tatsachen. Man kann diese nichtfinden, wenn nicht der Weg zu ihnen schon ein beweisender ist. Wer diesenWeg wirklich durchschreitet, hat auch schon das Beweisende erlebt; es kann

    nichts durch einen von auen hinzugefgten Beweis geleistet werden. Da mandieses im Charakter der Geheimwissenschaft verkennt, ruft vieleMiverstndnisse hervor.

    (9) Alle Geheimwissenschaft mu aus zwei Gedanken hervorkeimen, die injedem Menschen Wurzel fassen knnen. (9) Fr den Geheimwissenschafter, wieer hier gemeint ist, drcken diese beiden Gedanken Tatsachen aus, die manerleben kann, wenn man sich der rechten Mittel dazu bedient. Fr viele

    Menschen bedeuten schon diese Gedanken hchst anfechtbare Behauptungen,ber die sich viel streiten lt, wenn nicht gar etwas, dessen Unmglichkeit manbeweisen kann.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    21/269

    (10) Diese beiden Gedanken sind, da es hinter der sichtbaren Welt eineunsichtbare einezunchstfr die Sinne und das an die Sinne gefesselte Denkenverborgene Welt gibt, und da es dem Menschen durch Entwickelung vonFhigkeiten, die in ihm schlummern, mglich ist, in diese verborgene Welteinzudringen.

    (11) Solch eine verborgene Welt gibt es nicht, sagt der eine. Die Welt, welcheder Mensch durch seine Sinne wahrnimmt, sei die einzige. Man knne ihreRtsel aus ihr selbst lsen. Wenn auch der Mensch gegenwrtig noch weit davonentfernt sei, alle Fragen des Daseins beantworten zu knnen, es werde schon dieZeit kommen, wo die Sinneserfahrung und die auf sie gesttzte Wissenschaftdie, Antworten werden geben knnen.

    (12) Man knne nicht behaupten, da es nicht eine verborgene Welt hinter der

    sichtbaren gebe, sagen andere; aber die menschlichen Erkenntniskrfte knnennicht in diese Welt eindringen. Sie haben Grenzen, die sie nicht berschreitenknnen. Mag das Bedrfnis des Glaubens zu einer solchen Welt seineZuflucht nehmen: eine wahre Wissenschaft, die sich auf gesicherte Tatsachensttzt, knne sich mit einer solchen Welt nicht beschftigen.

    (13) Eine dritte Partei ist die, welche es fr eine Art Vermessenheit ansieht,wenn der Mensch durch seine Erkenntnisarbeit in ein Gebiet eindringen will, in

    bezug auf welches man auf Wissen verzichten und sich mit dem Glaubenbescheiden soll. (10) Wie ein Unrecht empfinden es die Bekenner dieserMeinung, wenn der schwache Mensch vordringen will in eine Welt, die einzigdem religisen Leben angehren knne.

    (14) Auch das wird vorgebracht, da allen Menschen' eine gemeinsameErkenntnis der Tatsachen der Sinneswelt mglich sei, da aber in bezug auf diebersinnlichen Dinge einzig die, persnliche Meinung des einzelnen in Frage

    kommen knne und da von einer allgemein geltenden Gewiheit in diesenDingen nicht gesprochen werden sollte.

    (15) Andere behaupten vieles andere.

    (16) Man kann sich klar darber werden, da die Betrachtung der sichtbarenWelt dem Menschen Rtsel vorlegt, die niemals aus den Tatsachen dieser Weltselbst gelst werden knnen. Sie werden auch dann auf diese Art nicht gelst

    werden, wenn die Wissenschaft dieser Tatsachen so weit wie nur irgend mglichfortgeschritten sein wird. Denn die sichtbaren Tatsachen weisen deutlich durchihre eigene innere Wesenheit auf eine verborgene Welt hin. Wer solches nichteinsieht, der verschliet sieh den Rtsel n, die 'berall deutlich aus denTatsachen der Sinneswelt hervorspringen. Erwillgewisse Fragen und Rtsel garnicht sehen; deshalb glaubt, er, da alle Fragen durch die sinnenflligenTatsachen beantwortet werden knnen.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    22/269

    Diejenigen Fragen, welche er stellen will, sind wirklich auch alle durch dieTatsachen zu beantworten, von denen er sich verspricht, da man sie im Laufeder Zukunft entdecken werde. Das kann man ohne weiteres zugeben. (11) Aberwarum sollte der auch auf Antworten in gewissen Dingen warten, der gar keineFragen stellt? Wer nach Geheimwissenschaft strebt, sagt nichts anderes, als dafr ihn solche Fragen selbstverstndlich seien und da man sie als einen

    vollberechtigten Ausdruck der menschlichen Seele anerkennen msse. DieWissenschaft kann doch nicht dadurch in Grenzen eingezwngt werden, daman dem Menschen das unbefangene Fragen verbietet.

    (17) Zu der Meinung, der Mensch habe Grenzen seiner Erkenntnis, die er nichtberschreiten knne und die ihn zwingen, vor einer unsichtbaren Welthaltzumachen, mu doch gesagt werden: es kann gar kein Zweifel obwalten, daman durch diejenige Erkenntnisart, welche da gemeint ist, nicht in eine

    unsichtbare Welt eindringen knne. Wer diese Erkenntnisart fr die einzigmgliche hlt, der kann gar nicht zu einer andern Ansicht als zu der kommen,da es dem Menschen versagt sei, in eine etwa vorhandene hhere Welteinzudringen. Aber man kann doch auch das Folgende sagen: wenn es mglichist, eine andere Erkenntnisart zu entwickeln, so kann doch diese in diebersinnliche Welt fhren. Hlt man eine solche Erkenntnisart fr unmglich,dann kommt man zu einem Gesichtspunkte, von dem aus gesehen alles Redenber eine bersinnliche Welt als der reine Unsinn erscheint. Gegenber einem

    unbefangenen Urteil kann es aber fr eine solche Meinung keinen andern Grundgeben als den, da dem Bekenner derselben jene andere Erkenntnisartunbekannt ist. Wie kann man aber ber dasjenige berhaupt urteilen, von demman behauptet, da man es nicht kenne? (12) Unbefangenes Denken mu sichzu dem Satze bekennen, da man nur von demjenigen spreche,was man kennt,und da man ber dasjenige nichts feststelle, was man nichtkennt. SolchesDenken kann nur von dem Rechte sprechen, da jemand eine Sache mitteile, dieer erfahren hat, nicht aber von einem Rechte, da jemand fr unmglich erklre,

    was er nicht wei oder nicht wissen will. Man kann niemand das Rechtbestreiten, sich um das bersinnliche nicht zu kmmern; aber niemals kann sichein echter Grund dafr ergeben, da jemand nicht nur fr das sich magebenderklrte, was er wissen kann, sondern auch fr alles das, was ein Menschnichtwissen kann.

    (18) Denen gegenber, welche es als Vermessenheit erklren, in dasbersinnliche Gebiet einzudringen, mu eine geheimwissenschaftliche

    Betrachtung zu bedenken geben, da man dies knne und da es eineVersndigung sei gegen die dem Menschen gegebenen Fhigkeiten, wenn er sieverden lt, statt sie zu entwickeln und sich ihrer zu bedienen.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    23/269

    (19) Wer aber glaubt, die Ansichten ber die bersinnliche Welt mssen ganzdem persnlichen Meinen und Empfinden angehren, der verleugnet dasGemeinsame in allen menschlichen Wesen. Es ist gewi richtig, da die Einsichtin diese Dinge ein jeder durch sich selbst finden msse, es ist auch eineTatsache, da alle diejenigen Menschen, welche nur weit genug gehen, berdiese Dinge nicht zu verschiedenen, sondern zu der gleichen Einsicht kommen.

    Die Verschiedenheit ist nur solange vorhanden, als sich die Menschen nicht aufeinem wissenschaftlich gesicherten Wege, sondern auf dem der persnlicheWillkr den hchsten Wahrheiten nhern wollen. (13) Das allerdings mu ohneweiteres wieder zugestanden werden, da nur derjenige die Richtigkeit desgeheimwissenschaftlichen Weges anerkennen knne, der sich in dessen Eigenarteinleben will.

    (20) Den Weg zur Geheimwissenschaft kann jeder Mensch in dem fr ihn

    geeigneten Zeitpunkte finden, der das Vorhandensein eines Verborgenen ausdem Offenbaren heraus erkennt oder auch nur vermutet oder ahnt, und welcheraus dem Bewutsein heraus, da die Erkenntniskrfte entwickelungsfhig seien,zu dem Gefhl getrieben wird, da das Verborgene sich ihm enthllen knne.Einem Menschen, der durch diese Seelenerlebnisse zur Geheimwissenschaftgefhrt wird, dem erffnet sich durch diese nicht nur die Aussicht, da er frgewisse Fragen seines Erkenntnisdranges die Antwort finden werde, sondernauch noch die ganz andere, da er zum berwinder alles dessen wird, was das

    Leben hemmt und schwach macht. Und es bedeutet in einem gewissen hherenSinne eine Schwchung des Lebens, ja einen seelischen Tod, wenn der Menschsich gezwungen sieht, sich von dem bersinnlichen abzuwenden oder es zuleugnen. Ja es fhrt unter gewissen Voraussetzungen zur Verzweiflung, wennein Mensch die Hoffnung verliert, da ihm das Verborgene offenbar werde.Dieser Tod und diese Verzweiflung in ihren mannigfaltigen Formen sindzugleich innere, seelische Gegner geheimwissenschaftlichen Bestrebung. Sietreten ein, wenn des Menschen innere Kraft dahinschwindet. Dann mu ihm alle

    Kraft des Lebens von auen zugefhrt werden, wenn berhaupt eine solche inseinen Besitz kommen soll. (14) Er nimmt dann die Dinge, die Wesenheiten undVorgnge wahr, welche an seine Sinne herantreten; er zergliedert diese mitseinem Verstande. Sie bereiten ihm Freude und Schmerz; sie treiben ihn zu denHandlungen, deren er fhig ist. Er mag es eine Weile so weiter treiben: er muaber doch einmal an einen Punkt gelangen, an dem er innerlich abstirbt. Dennwas so aus der Welt fr den Menschen herausgezogen werden kann, erschpftsich. Dies ist nicht eine Behauptung, welche aus der persnlichen Erfahrung

    eines einzelnen stammt, sondern etwas, was sich aus einer unbefangenenBetrachtungallesMenschenlebens ergibt. Was vor dieser Erschpfung bewahrt,ist das Verborgene, das in der Tiefe der Dinge ruht. Erstirbt in dem Menschendie. Kraft, in diese Tiefen hinunterzusteigen, um immer neue Lebenskraftheraufzuholen, so erweist sich zuletzt auch das uere der Dinge nicht mehrlebenfrdernd.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    24/269

    (21) Die Sache verhlt sich keineswegs so, da sie nur den einzelnenMenschen, nur dessen persnliches Wohl und Wehe anginge. Gerade durchwahre geheimwissenschaftliche Betrachtungen wird es dem Menschen zurGewiheit, da von einem hheren Gesichtspunkte aus das Wohl und Wehe deseinzelnen innig zusammenhngt mit dem Heile oder Unheile der ganzen Welt.Es gibt da einen Weg, auf dem der Mensch zu der Einsicht gelangt, da er der

    ganzen Welt und allen Wesen in ihr einen Schaden zufgt, wenn erseine Krftenicht in der rechten Art zur Entfaltung bringt. (15) Verdet der Mensch seinLeben dadurch, da er den Zusammenhang mit dem bersinnlichen verliert, sozerstrt er nicht nur in seinem Inneren etwas, dessen Absterben ihn zurVerzweiflung zuletzt fhren kann, sondern er bildet durch seine Schwche einHemmnis fr die Entwickelung, der ganzen Welt, in der er lebt.

    (22) Nun kann sich der Mensch tuschen. Er kann sich dem Glauben

    hingeben, da es ein Verborgenes nicht gbe, da in demjenigen, was an seineSinne und an seinen Verstand herantritt, schon alles enthalten sei, was berhauptvorhanden sein kann. Aber diese Tuschung ist nur fr die Oberflche desBewutseins mglich, nicht fr dessen Tiefe. Das Gefhl und der Wunsch fgensieh diesem tuschenden Glauben nicht. Sie werden immer wieder inirgendeiner Art nach einem Verborgenen verlangen. Und wenn ihnen diesesentzogen ist, drngen sie den Menschen in Zweifel, in Lebensunsicherheit, jaeben in die Verzweiflung hinein. Ein Erkennen, welches das Verborgene

    offenbar macht, ist geeignet, alle Hoffnungslosigkeit, alle Lebensunsicherheit,alle Verzweiflung, kurz alles dasjenige zu berwinden, was das Leben schwchtund es unfhig zu dem ihm notwendigen Dienste im Weltganzen macht.

    (23) Das ist die schne Frucht geisteswissenschaftlicher Erkenntnisse, da siedem Leben Strke und Festigkeit und nicht allein der Wibegierde Befriedigunggeben. Der Quell, aus dem solche Erkenntnisse Kraft zur Arbeit, Zuversicht frdas Leben schpfen, ist ein unversieglicher. Keiner, dereinmalan diesen Quell

    wahrhaft herangekommen ist, wird bei wiederholter Zuflucht, die er zudemselben nimmt, ungestrkt hinweggehen.

    (24) Es gibt Menschen, die aus dem Grunde von solchen Erkenntnissen nichtswissen wollen, weil sie in dem eben Gesagten schon etwas Ungesundes sehen.Fr die Oberflche und das uere des Lebens haben solche Menschendurchaus recht. (16) Sie wollen das nicht verkmmert wissen, was das Leben inder sogenannten Wirklichkeit darbietet. Sie sehen eine Schwche darin, wenn

    sich der Mensch von der Wirklichkeit abwendet und sein Heil in einerverborgenen Welt sucht, die fr sie ja einer phantastischen, ertrumten,gleichkommt. Will man bei solchem geisteswissenschaftlichen Suchen nicht inkrankhafte Trumerei und Schwche verfallen, so mu man das teilweiseBerechtigte solcher Einwnde anerkennen.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    25/269

    Denn sie beruhen auf einem gesunden Urteile, welches nur dadurch nicht zueiner ganzen, sondern zu einer halben Wahrheit fhrt, da es nicht in die Tiefender Dinge dringt, sondern an deren Oberflche stehenbleibt. Wre einbersinnliches Erkenntnisstreben dazu angetan, das Leben zu schwchen undden Menschen zur Abkehr zu bringen von der wahren Wirklichkeit, dann wrensicher solche Einwnde stark genug, dieser Geistesrichtung den Boden unter den

    Fen wegzuziehen.

    (25) Aber auch diesen Meinungen gegenber wrden geheimwissenschaftlicheBestrebungen nicht den rechten Weg gehen, wenn sie sich im gewhnlichenSinne des Wortes verteidigen wollten. Auch da knnen sie nur durch ihren fr

    jeden Unbefangenen erkennbaren Wert sprechen, wenn sie fhlbar machen, wiesie Lebenskraft und Lebensstrke dem erhhen, der sich im rechten Sinne in sieeinlebt. Diese Bestrebungen knnen nicht zum weltfremden Menschen, nicht

    zum Trumer machen; sie erkraften den Menschen aus denjenigenLebensquellen, aus denen er, seinem geistig-seelischen Teil nach, stammt.

    (26) Andere Hindernisse des Verstndnisses noch legen sich manchemMenschen in den Weg, wenn er an geheimwissenschaftliche Bestrebungenherantritt. (17) Es ist nmlich grundstzlich zwar richtig, da der Leser in dergeheimwissenschaftlichen Darstellung eine Schilderung findet vonSeelenerlebnissen, durch deren Verfolgung er sich zu den bersinnlichen

    Weltinhalten hinbewegen kann. Allein in der Praxis mu sich dieses doch alseine Art Ideal ausleben. Der Leser mu zunchst eine grere Summe vonbersinnlichen Erfahrungen, die er noch nicht selbst erlebt, mitteilungsgemaufnehmen. Das kann nicht anders sein und wird auch mit diesem Buche so sein.Es wird geschildert werden, was der Verfasser zu wissen vermeint ber dasWesen des Menschen, ber dessen Verhalten in Geburt und Tod und imleibfreien Zustande in der geistigen Welt; es wird ferner dargestellt werden dieEntwickelung der Erde und der Menschheit. So knnte es scheinen, als ob doch

    die Voraussetzung gemacht wrde, da eine Anzahl vermeintlicher Erkenntnissewie Dogmen vorgetragen wrden, fr die Glauben auf Autoritt hin verlangtwrde. Es ist dies aber doch nicht der Fall. Was nmlich von bersinnlichenWeltinhalten gewut werden kann, das lebt in dem Darsteller als lebendigerSeeleninhalt; und lebt man sich in diesen Seeleninhalt ein, so entzndet diesesEinleben in der eigenen Seele die Impulse, welche nach den entsprechendenbersinnlichen Tatsachen hinfhren. Man lebt im Lesen vongeisteswissenschaftlichen Erkenntnissen auf andere Art, als in demjenigen der

    Mitteilungen sinnenflliger Tatsachen. Liest man Mitteilungen aus dersinnenflligen Welt, so liest man eben ber sie. Liest man aber Mitteilungenber bersinnliche Tatsachen im rechten Sinne, so lebt man sich ein in denStrom geistigen Daseins. (18) Im Aufnehmen der Ergebnisse nimmt manzugleich den eigenen Innenweg dazu auf. Es ist richtig, da dies hier Gemeintevon dem Leser zunchst oft gar nicht bemerkt wird.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    26/269

    Man stellt sich den Eintritt in die geistige Welt viel zu hnlich einemsinnenflligen vor, und so findet man, da, was man beim Lesen von dieser Welterlebt, viel zu gedankenmig ist. Aber in dem wahrengedankenmigen Aufnehmen steht man in dieser Welt schon drinnen und hat sich nur noch klardarber zu werden, da man schon unvermerkt erlebt hat, was man vermeinte,

    blo als Gedankenmitteilung erhalten zu haben. Man wird ber die echte

    Natur dieses Erlebten dann volle Klarheit erhalten, wenn man praktischdurchfhrt, was im zweiten (letzten) Teil dieses Buches als Weg zu denbersinnlichen Erkenntnissen geschildert wird. Man knnte leicht glauben, dasUmgekehrte sei richtig: dieser Weg msse zuerst geschildert werden. Das istaber nicht der Fall. Wer, ohne auf bestimmte Tatsachen der bersinnlichen Weltden Seelenblick zu richten, nur bungen macht, um in die bersinnliche Welteinzutreten, fr den bleibt diese Welt ein unbestimmtes, sich verwirrendesChaos. Man lernt sich einleben in diese Welt gewissermaen naiv, indem man

    sich ber bestimmte Tatsachen derselben unterrichtet, und dann gibt man sichRechenschaft, wie man die Naivitt verlassend vollbewut selbst zu denErlebnissen gelangt, von denen man Mitteilung erlangt hat. Man wird sich, wennman in geheimwissenschaftliche Darstellungen eindringt, berzeugen, da einsicherer Weg zu bersinnlicher Erkenntnis doch nur dieser sein kann. (19) Manwird auch erkennen, da alle Meinung, es knnten die bersinnlichenErkenntnisse zuerst als Dogmen gewissermaen durch suggestive Macht wirken,unbegrndet ist. Denn der Inhalt dieser Erkenntnisse wird in einem solchen

    Seelenleben erworben, das ihm jede bloe suggestive Gewalt benimmt und ihmnur die Mglichkeit gibt, auf demselben Wege zum andern zu sprechen, auf demalle Wahrheiten zu ihm sprechen, die sich an sein besonnenes Urteil richten.Da der andere zunchst nicht bemerkt, wie er in der geistigen Welt lebt, dazuliegt nicht der Grund in einem unbesonnenen suggestiven Aufnehmen, sondernin der Feinheit und dem Ungewohnten des im Lesen Erlebten. So wird mandurch das erste Aufnehmen der Mitteilungen, wie sie im ersten Teile diesesBuches gegeben sind, zunchst Mit-Erkennerder bersinnlichen Welt; durch

    die praktische Ausfhrung der im zweiten Teile angegebenenSeelenverrichtungen wird man selbstndiger Erkenner in dieser Welt.

    (27) Dem Geiste und dem wahren Sinne nach wird auch kein echterWissenschafter einen Widerspruch finden knnen zwischen seiner auf denTatsachen der Sinnenwelt erbauten Wissenschaft und der Art, wie diebersinnliche Welt erforscht wird. Jener Wissenschafter bedient sich gewisserWerkzeuge und Methoden. Die Werkzeuge stellt er sich durch Verarbeitung

    dessen her, was ihm die Natur gibt. Die bersinnliche Erkenntnisart bedientsich auch eines Werkzeugs. Nur ist dieses Werkzeug der Mensch selbst. Undauch dieses Werkzeug mu fr die hhere Forschung erst zugerichtet werden.

    (28) Es mssen in ihm die zunchst ohne des Menschen Zutun ihm von derNatur gegebenen Fhigkeiten und Krfte in hhere umgewandelt werden. (21)Dadurch kann sich der Mensch zum Instrument machen fr die Erforschung derbersinnlichen Welt.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    27/269

    Wesen der Menschheit

    (1) Bei der Betrachtung des Menschen vom Gesichtspunkte einerbersinnlichen Erkenntnisart tritt sogleich in Kraft, was von dieser Erkenntnisartim allgemeinen gilt. Diese Betrachtung beruht auf der Anerkennung desoffenbaren Geheimnisses in der eigenen menschlichen Wesenheit. Den

    Sinnen und dem auf sie gesttzten Verstande ist nur ein Teil von demzugnglich, was in bersinnlicher Erkenntnis als menschliche Wesenheit erfatwird, nmlich derphysische Leib.Um den Begriff von diesem physischen Leibzu beleuchten, mu zunchst die Aufmerksamkeit auf die Erscheinung gelenktwerden, die wie das groe Rtsel ber alle Beobachtung des Lebens ausgebreitetliegt: auf den Tod und, im Zusammenhang damit, auf die sogenannte leblose

    Natur, auf das Reich des Mineralischen, das stets den Tod in sich trgt. Es istdamit auf Tatsachen hingewiesen, deren volle Aufklrung nur durch

    bersinnliche Erkenntnis mglich ist und denen ein wichtiger Teil dieser Schriftgewidmet werden mu. Hier aber sollen vorerst nur einige Vorstellungen zurOrientierung angeregt werden.

    (2) Innerhalb der offenbaren Welt ist der physische Menschenleib dasjenige,worinnen der Mensch der mineralischen Welt gleich ist. Dagegen kann nicht als

    physischer Leib das gelten, was den Menschen vom Mineral unterscheidet. (22)Fr eine unbefangene Betrachtung ist vor allem die Tatsache wichtig, da der

    Tod dasjenige von der menschlichen Wesenheit blolegt, was, wenn der Todeingetreten ist, mit der mineralischen Welt gleicher Art ist. Man kann auf denLeichnam als auf das vom Menschen hinweisen, was nach dem Tode Vorgngenunterworfen ist, die sich im Reiche der mineralischen Welt finden. Man kann dieTatsache betonen, da in diesem Gliede der Menschenwesenheit, demLeichnam, dieselben Stoffe und Krfte wirksam sind wie im mineralischenGebiet; aber ntig ist, nicht minder stark zu betonen, da mit dem Tode frdiesen physischen Leib der Zerfall eintritt. Berechtigt ist aber auch, zu sagen:

    gewi, es sind im physischen Menschenleibe dieselben Stoffe und Krftewirksam wie im Mineral; aber ihre Wirksamkeit ist whrend des Lebens in einenhheren, Dienst gestellt. Sie wirken erst der mineralischen Welt gleich, wennder Tod eingetreten ist. Da treten sie auf, wie sie ihrer eigenen Wesenheit gemauf treten mssen, nmlich als Auflser der physischen Leibesgestaltung.

    (3) So ist im Menschen scharf zu scheiden das Offenbare von demVerborgenen. Denn whrend des Lebens mu ein Verborgenes einen

    fortwhrenden Kampf fhren gegen die Stoffe und Krfte des Mineralischen imphysischen Leibe. Hrt dieser Kampf auf, so tritt die mineralische Wirksamkeitauf. Damit ist auf den Punkt hingewiesen, an dem die Wissenschaft vombersinnlichen einsetzen mu. Sie hat dasjenige zu suchen, was denangedeuteten Kampf fhrt. Und dies eben ist fr die Beobachtung der Sinneverborgen. Es ist erst der bersinnlichen Beobachtung zugnglich. (23)

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    28/269

    Wie der Mensch dazu gelangt, da ihm dieses Verborgene so offenbar werde,wie es den gewhnlichen Augen die sinnlichen Erscheinungen sind davon wirdin einem spteren Teile dieser Schrift gesprochen werden. Hier aber soll

    beschrieben werden, was sich der bersinnlichen Beobachtung ergibt.

    (4) Es ist schon gesagt worden: nur dann knnen die Mitteilungen ber den

    Weg, auf dem man zum hheren Schauen gelangt, dem Menschen von Wertsein, wenn er sich zuerst durch die bloe Erzhlung bekanntgemacht hat mitdem, was die bersinnliche Forschung enthllt. Dennbegreifenkann man ebenauch das auf diesem Gebiete, was man nochnichtbeobachtet.Ja es ist der guteWeg zum Schauen derjenige, welcher vom Begreifen ausgeht.

    (5) Wenn nun auch jenes Verborgene, das in dem physischen Leibe denKampf gegen den Zerfall fhrt, nur fr das hhere Schauen zu beobachten ist: in

    seinen Wirkungen liegt es fr die auf das Offenbare sich beschrnkendeUrteilskraft klar zutage. Und diese Wirkungen drcken sich in derFormoderGestalt aus, in welcher whrend des Lebens die mineralischen Stoffe und Krftedes physischen Leibes zusammengefgt sind. Diese Form entschwindet nachund nach, und der physische Leib wird ein Teil der brigen mineralischen Welt,wenn der Tod eingetreten ist. Die bersinnliche Anschauung aber kanndasjenige als selbstndiges Glied der menschlichen Wesenheit beobachten, wasdie physischen Stoffe und Krfte whrend, des Lebens hindert, ihre eigenen

    Wege zu gehen, welche zur Auflsung des physischen Leibes fhren. Es seidieses selbstndige Glied der therleib oder Lebensleib genannt. (24)Wenn sich nicht sogleich, von Anfang an, Miverstndnisse einschleichensollen, so mu gegenber diesen Bezeichnungen eines zweiten Gliedes dermenschlichen Wesenheit zweierlei bercksichtigt werden. Das Wort therwird hier in einem anderen Sinne gebraucht, als dies von der gegenwrtigenPhysik geschieht. Diese bezeichnet z.B. den Trger des Lichtes als ther. Hiersoll aber das Wort in dem Sinne benutzt werden, der oben angegeben worden

    ist. Es soll angewendet werden fr dasjenige, was dem hheren Schauenzugnglich ist und was sich fr die Sinnesbeobachtung nur in seinen Wirkungenzu erkennen gibt, nmlich dadurch, da es den im physischen Leibevorhandenen mineralischen Stoffen und Krften eine bestimmte Form oderGestalt zu geben vermag. Und auch das Wort Leib soll nicht miverstandenwerden. Man mu zur Bezeichnung der hheren Dinge des Daseins eben dochdie Worte der gewhnlichen Sprache gebrauchen. Und diese drcken ja fr dieSinnesbeobachtung nur das Sinnliche aus. Im sinnlichen Sinne ist natrlich der

    therleib durchaus nichts Leibliches, wie fein man sich ein solches auchvorstellen mag.*

    [* Da mit der Bezeichnung therleib, Lebensleib nicht einfach die Anschauung von der alten,naturwissenschaftlich berwundenen Lebenskraft erneuert werden soll, darber hat )ich derVerfasser dieses Buches in seiner Theosophie ausgesprochen.] (25)

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    29/269

    (6) Indem man in der Darstellung des bersinnlichen bis zur Erwhnungdieses therleibes oder Lebensleibes gelangt, ist schon der Punkt erreicht,an dem solcher Darstellung der Widerspruch mancher gegenwrtigen Ansicht

    begegnen mu. Die Entwickelung des Menschengeistes hat dahin gefhrt, da inunserer Zeit das Sprechen von einem solchen Gliede der menschlichenWesenheit als etwas Unwissenschaftliches angesehen werden mu. Die

    materialistische Vorstellungsart ist dazu gelangt, in dem lebendigen Leibe nichtsanderes zu sehen als eine Zusammenfgung von physischen Stoffen undKrften, wie sie sieh in dem sogenannten leblosen Krper, in dem Mineral, auchfindet. Nur sei die Zusammenfgung in dem Lebendigen komplizierter als indem Leblosen. Man hat auch in der gewhnlichen Wissenschaft vor nichtallzulanger Zeit noch andere Ansichten gehabt. Wer die Schriften manchenernsten Wissenschafters aus der ersten Hlfte des neunzehnten Jahrhundertsverfolgt, dem wird klar, wie da auch echte Naturforscher sich bewut waren,

    da in dem lebendigen Leibe noch etwas anderes vorhanden ist als in demleblosen Mineral. Man sprach von einer Lebenskraft. Zwar wird dieseLebenskraft nicht als das vorgestellt, was oben als Lebensleibgekennzeichnet ist; aber der betreffenden Vorstellung liegt doch eine Ahnungdavon zugrunde, da es dergleichen gibt. Man stellte sich diese Lebenskraftetwa so vor, wie wenn sie in dem lebendigen Leibe zu den physischen Stoffenund Krften hinzukme auf hnliche Art, wie die magnetische Kraft zu dem

    bloen Eisen in dem Magneten. Dann kam die Zeit, in welcher diese

    Lebenskraft aus dem Bestande der Wissenschaft entfernt wurde. Man wolltefr alles mit den bloen physischen und chemischen Ursachen ausreichen.Gegenwrtig ist in dieser Beziehung bei manchem naturwissenschaftlichenDenker wieder ein Rckschlag eingetreten. (26) Es wird von mancher Seitezugegeben, da die Annahme von etwas der Lebenskraft hnlichem dochkein vlliger Unsinn sei. Doch wird auch derjenige Wissenschafter, der sichzu solchem herbeilt, mit der hier dargestellten Anschauung in bezug auf denLebensleib nicht gemeinsame Sache machen wollen. Es wird in der Regel zu

    keinem Ziele fhren, wenn man sich vom Gesichtspunkte bersinnlicherErkenntnis mit solchen Ansichten in eine Diskussion einlt. Es sollte vielmehrdie Sache dieser Erkenntnis sein, anzuerkennen, da die materialistischeVorstellungsart eine notwendige Begleiterscheinung des groennaturwissenschaftlichen Fortschrittes in unserer Zeit ist. Dieser Fortschritt

    beruht auf einer gewaltigen Verfeinerung der Mittel. zur Sinnesbeobachtung.Und es liegt einmal im Wesen des Menschen, da er innerhalb der Entwickelung

    jeweilig einzelne Fhigkeiten auf Kosten anderer zu einem gewissen

    Vollkommenheitsgrade bringt. Die genaue Sinnesbeobachtung, die sich in einemso bedeutungsvollen Mae durch die Naturwissenschaft entwickelt hat, mutedie Pflege derjenigen menschlichen Fhigkeiten in den Hintergrund tretenlassen, welche in die verborgenen Welten fhren. Aber eine Zeit ist wieder da,in welcher diese Pflege notwendig ist.

  • 8/11/2019 GA 013 - DIE GEHEIMWISSENSCHAFT IM UMRISS - RUDOLF STEINER - deutsch

    30/269

    Und das Verborgene wird nicht dadurch anerkannt, da man die Urteilebekmpft, welche aus dem Ableugnen dieses Verborgenen ja doch mit logischerFolgerichtigkeit sich ergeben, sondern dadurch, da man dieses Verborgeneselbst in das rechte Licht setzt. Anerkennen werden es dann diejenigen, frwelche die Zeit gekommen ist. (27)

    (7) Es mute dies hier nur gesagt werden, damit man nicht Unbekanntschaftmit den Gesichtspunkten der Naturwissenschaft voraussetzt, wenn von einemtherleib gesprochen wird, der doch in manchen Kreisen fr etwas vlligPhantastisches gelten mu.

    (8) Dieser therleib ist also ein zweites Glied der menschlichen Wesenheit.Ihm kommt fr das bersinnliche Erkennen ein hherer Grad von Wirklichkeitzu als dem physischen Leibe. Eine Beschreibung, wie ihn das bersinnliche

    Erkennen sieht, kann erst in den folgenden Teilen dieser Schrift gegebenwerden, wenn hervortreten wird, in welchem Sinne solche Beschreibungen zunehmen sind. Vorlufig mag es gengen, wenn gesagt wird, da der therleibden physischen Krper berall durchsetzt und da er wie eine Art Architekt desletzteren anzusehen ist. Alle Organe werden in ihrer Form und Gestalt durch dieStrmungen und Bewegungen des therleibes gehalten. Dem physischenHerzen liegt ein therherz zugrunde, dem physischen Gehirn einthergehirn usw. Es ist eben der therleib in sich gegliedert wie der

    physische, nur komplizierter, und es ist in ihm alles in lebendigemDurcheinanderflieen, wo im physischen Leibe abgesonderte Teile vorhandensind.

    (9) Diesen therleib hat nun der Mensch so mit dem Pflanzlichen gemein, wieer den physischen Leib mit dem Mineralischen gemein hat. Alles Lebendige hatseinen therleib.

    (10) Von dem therleib steigt die bersinnliche Betrachtung auf zu einemweiteren Gliede der menschlichen Wesenheit. Sie deutet zur Bildung einerVorstellung von diesem Gliede auf die Erscheinung des Schlafes hin, wie sie

    beim therleib auf den Tod hingewiesen hat. (28) Alles menschliche Schaffenberuht auf der Ttigkeit im Wachen, so weit das Offenbare in Betracht kommt.Diese Ttigkeit ist aber nur mglich, wenn der Mensch die Erstarkung seiner er-schpften Krfte sich immer wieder aus dem Schlafe holt. Handeln und Denkenschwinden dahin