Galerie in Focus zeigt Arbeiten des US-Fotografen Bruce Davidson … · 2012-08-09 · 15.02.2008...

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15.02.2008 Ressort: KÖKU Junge Wilde unterwegs in Brooklyn Galerie in Focus zeigt Arbeiten des US-Fotografen Bruce Davidson von THOMAS LINDEN In den Straßen von Spanish Harlem, wo er seine bedeutendsten Fotografien machte, nannte man Bruce Davidson nur den Picture-Man, den Bilder-Mann. Jeder kannte ihn, weil er mit seiner Kamera schon zum Straßenbild der East 100th Street in New York gehörte - ein Stadtteil, der aussah wie nach einem Krieg. Die Leute, die hier lebten, empfanden seine Bilder als zu "dunkel". Im Museum of Modern Art, ein paar Straßen weiter, war man hingegen so begeistert von Davidsons Arbeiten, dass man sie schon 1970, wenige Monate nach ihrer Entstehung, ausstellte. Neben dieser klassischen Foto-Reihe zeigt die Galerie in Focus derzeit auch Arbeiten aus dem Zyklus "Brooklyn Gang" von 1962, ebenfalls eine epochale Arbeit des 1933 in Illinois geborenen Amerikaners. Noch älter sind die Beobachtungen eines "Zwergs", der in einem Zirkus auftrat, von 1958. Hier erkennt man, dass Davidson in seine Rolle als Beobachter erst finden musste. Es handelt sich um dramatische Aufnahmen, die jedoch so überpointiert sind, dass die Einsamkeit des kleinwüchsigen Mannes in seiner Clownsmaske mitunter groteske und sentimentale Züge annimmt. Die Ausstellung zeigt, mit welcher Entschlossenheit Davidson ein Sensorium für das entwickelt, was sich atmosphärisch zwischen den Bildern ereignete. Die Wildheit der Brooklyn Gang, die Gewalt, die in der Luft liegt, werden zum eigentlichen Thema. Bilder romantischer Küsse, die schon zu Ikonen der frühen sechziger Jahre geworden sind, finden sich neben Szenen voller innerer Verzweiflung. In den Fotos aus Harlem ist es dagegen immer wieder die Konfrontation mit dem Anderen, die elektrisierend wirkt. Angeschaut werden Kinder, Alte, Frauen - immer Auge in Auge. So wird man mit einem Leben konfrontiert, das einen Menschen an genau diesen Punkt geführt hat, an dem das Foto gemacht wurde. Denn es handelt sich bei Davidson eben nicht um Schnappschüsse, sondern um Bilder, die in großer Ruhe, in einer Atmosphäre des Vertrauens, entstanden. Auch die Ärmsten besitzen Würde, und Davidson zeigt, dass sie trotz aller Verwüstungen um diese Würde wissen. Das gibt diesen Fotografien eine Substanz, die mit den Jahren nichts an Dichte verloren hat. Es handelt sich hier um historische Zeugnisse, die absolut gegenwärtig geblieben sind. Preise zwischen 2200 und 2900 Euro. Bis 15. März, Brüsseler Str. 83, Besichtigung nach tel. Absprache, Tel. (0221) 13 00 341. Zeitlose Szene aus Bruce Davidsons Foto-Serie "Brooklyn Gang". (Foto: Galerie)

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15.02.2008Ressort: KÖKUJunge Wilde unterwegs in BrooklynGalerie in Focus zeigt Arbeiten des US-Fotografen Bruce Davidson

von THOMAS LINDEN

In den Straßen von Spanish Harlem, wo er seine bedeutendsten Fotografien machte,nannte man Bruce Davidson nur den Picture-Man, den Bilder-Mann. Jeder kannte ihn, weiler mit seiner Kamera schon zum Straßenbild der East 100th Street in New York gehörte -ein Stadtteil, der aussah wie nach einem Krieg. Die Leute, die hier lebten, empfanden seineBilder als zu "dunkel". Im Museum of Modern Art, ein paar Straßen weiter, war manhingegen so begeistert von Davidsons Arbeiten, dass man sie schon 1970, wenige Monatenach ihrer Entstehung, ausstellte.

Neben dieser klassischen Foto-Reihe zeigt die Galerie in Focus derzeit auch Arbeiten ausdem Zyklus "Brooklyn Gang" von 1962, ebenfalls eine epochale Arbeit des 1933 in Illinoisgeborenen Amerikaners. Noch älter sind die Beobachtungen eines "Zwergs", der in einemZirkus auftrat, von 1958. Hier erkennt man, dass Davidson in seine Rolle als Beobachtererst finden musste. Es handelt sich um dramatische Aufnahmen, die jedoch soüberpointiert sind, dass die Einsamkeit des kleinwüchsigen Mannes in seiner Clownsmaskemitunter groteske und sentimentale Züge annimmt.

Die Ausstellung zeigt, mit welcher Entschlossenheit Davidson ein Sensorium für dasentwickelt, was sich atmosphärisch zwischen den Bildern ereignete. Die Wildheit derBrooklyn Gang, die Gewalt, die in der Luft liegt, werden zum eigentlichen Thema. Bilderromantischer Küsse, die schon zu Ikonen der frühen sechziger Jahre geworden sind, findensich neben Szenen voller innerer Verzweiflung. In den Fotos aus Harlem ist es dagegenimmer wieder die Konfrontation mit dem Anderen, die elektrisierend wirkt. Angeschautwerden Kinder, Alte, Frauen - immer Auge in Auge. So wird man mit einem Lebenkonfrontiert, das einen Menschen an genau diesen Punkt geführt hat, an dem das Fotogemacht wurde. Denn es handelt sich bei Davidson eben nicht um Schnappschüsse,sondern um Bilder, die in großer Ruhe, in einer Atmosphäre des Vertrauens, entstanden.

Auch die Ärmsten besitzen Würde, und Davidson zeigt, dass sie trotz aller Verwüstungenum diese Würde wissen. Das gibt diesen Fotografien eine Substanz, die mit den Jahrennichts an Dichte verloren hat. Es handelt sich hier um historische Zeugnisse, die absolutgegenwärtig geblieben sind. Preise zwischen 2200 und 2900 Euro.

Bis 15. März,

Brüsseler Str. 83, Besichtigung nach tel. Absprache, Tel. (0221) 13 00 341.

Zeitlose Szene aus Bruce Davidsons Foto-Serie "Brooklyn Gang". (Foto: Galerie)