Ganz einfach kommunizieren || Was ist Praktische Emotionale Kompetenz (PEK)?

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15 Was ist Praktische Emotionale Kompetenz (PEK)? | 1. Was ist Praktische Emotionale Kompetenz (PEK)? In der Betriebswirtschaftslehre bilden „Führung“ und „Kommunikation“ immer noch zwei zwar sehr wichtige, doch erstaunlicherweise voneinander unterschiedene Bereiche. Unter Führung versteht man dabei im weitesten Sinne, Mitarbeiter ziel- und ergebnisorientiert zu aktivieren, sozial zu be- einflussen und sie bei der Erfüllung von Arbeitsaufgaben zu unterstützen. Mit Kommunikation hingegen wird im Allgemeinen der Austausch von In- formationen zwischen zwei oder mehreren Personen bezeichnet. Doch Kommunikation geschieht nicht absichtslos; wer kommuniziert, will etwas erreichen. Nicht einmal der so genannte Small Talk ist davon ausgenommen. Wer als Führungskraft beeinflussen will, muss kommuni- zieren. Genau genommen besteht Führung aus nichts anderem als Kommu- nikation. Aus diesem Grunde ist „Ganz einfach kommunizieren“ ein Buch über Führung durch überzeugende Kommunikation. Besonders wichtig ist kommunikative Überzeugungskraft für Führungskräfte im Vertrieb. Wer Kunden wie Mitarbeiter gleichermaßen versteht, deren Bedürfnisse, Moti- ve oder Ängste erkennt, kann sein Team so führen, dass es erfolgreich ist, viele Aufträge gewinnt und stabile Kundenbeziehungen aufbaut und pflegt. Im Mitarbeiter- wie auch im Kundengespräch kommt es darauf an, in der jeweiligen Situation „das Richtige“ zu tun. Das gelingt, wenn man sein Ge- genüber „richtig“ wahrnimmt, die Gesprächssituation „richtig“ erfasst und dann angemessen handelt. Doch was genau ist „richtig“? Wie kann man si- cher sein, sein Gegenüber „richtig“ zu verstehen oder eine Situation „rich- tig“ zu interpretieren? Und selbst, wenn dies gelingt, wie kann man Kon- stellationen, die im Alltag blitzschnell und ohne Unterbrechung ablaufen, kommunikativ bewusst steuern? Sie lernen hier einen Ansatz kennen, der Wegweiser und Werkzeuge für Ihre Kommunikation im Führungsalltag bereitstellt. Einfache Denkmodel- le ermöglichen es Ihnen, Schritt für Schritt ein Bewusstsein für das Fühlen, Handeln und Denken Ihrer Kunden und Mitarbeiter zu entwickeln. Dabei folgt das Denken ganz bewusst an letzter Stelle. Es mag sein, dass Dan Ari- W. Schneiderheinze, C. Zotta, Ganz einfach kommunizieren, DOI 10.1007/978-3-8349-3930-2_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

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15 Was ist Praktische Emotionale Kompetenz (PEK)? |

1. Was ist Praktische

Emotionale Kompetenz (PEK)?

In der Betriebswirtschaftslehre bilden „Führung“ und „Kommunikation“ immer noch zwei zwar sehr wichtige, doch erstaunlicherweise voneinander unterschiedene Bereiche. Unter Führung versteht man dabei im weitesten Sinne, Mitarbeiter ziel- und ergebnisorientiert zu aktivieren, sozial zu be-einflussen und sie bei der Erfüllung von Arbeitsaufgaben zu unterstützen. Mit Kommunikation hingegen wird im Allgemeinen der Austausch von In-formationen zwischen zwei oder mehreren Personen bezeichnet.

Doch Kommunikation geschieht nicht absichtslos; wer kommuniziert, will etwas erreichen. Nicht einmal der so genannte Small Talk ist davon ausgenommen. Wer als Führungskraft beeinflussen will, muss kommuni-zieren. Genau genommen besteht Führung aus nichts anderem als Kommu-nikation. Aus diesem Grunde ist „Ganz einfach kommunizieren“ ein Buch über Führung durch überzeugende Kommunikation. Besonders wichtig ist kommunikative Überzeugungskraft für Führungskräfte im Vertrieb. Wer Kunden wie Mitarbeiter gleichermaßen versteht, deren Bedürfnisse, Moti-ve oder Ängste erkennt, kann sein Team so führen, dass es erfolgreich ist, viele Aufträge gewinnt und stabile Kundenbeziehungen aufbaut und pflegt.

Im Mitarbeiter- wie auch im Kundengespräch kommt es darauf an, in der jeweiligen Situation „das Richtige“ zu tun. Das gelingt, wenn man sein Ge-genüber „richtig“ wahrnimmt, die Gesprächssituation „richtig“ erfasst und dann angemessen handelt. Doch was genau ist „richtig“? Wie kann man si-cher sein, sein Gegenüber „richtig“ zu verstehen oder eine Situation „rich-tig“ zu interpretieren? Und selbst, wenn dies gelingt, wie kann man Kon-stellationen, die im Alltag blitzschnell und ohne Unterbrechung ablaufen, kommunikativ bewusst steuern?

Sie lernen hier einen Ansatz kennen, der Wegweiser und Werkzeuge für Ihre Kommunikation im Führungsalltag bereitstellt. Einfache Denkmodel-le ermöglichen es Ihnen, Schritt für Schritt ein Bewusstsein für das Fühlen, Handeln und Denken Ihrer Kunden und Mitarbeiter zu entwickeln. Dabei folgt das Denken ganz bewusst an letzter Stelle. Es mag sein, dass Dan Ari-

W. Schneiderheinze, C. Zotta, Ganz einfach kommunizieren,DOI 10.1007/978-3-8349-3930-2_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

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ely mit seiner These „Denken hilft zwar, nützt aber nichts“ zu weit geht. Doch sicher ist, dass Denken weit weniger entscheidungsbestimmend ist, als allge-mein angenommen wird. Der Mensch ist kein „Homo oeconomicus“, der blitz-schnell alle Alternativen nach ihrer Wirtschaftlichkeit abwägen kann, um sich dann für diejenige mit dem besten Kosten-/Nutzen-Verhältnis zu entscheiden.

Warum ist das so? Unser Unterbewusstsein mit all unseren Emotionen, Mo-tiven, Ängsten und Bedürfnissen steuert unser Verhalten wesentlich: 90 bis 95 Prozent unserer Entscheidungen treffen wir unterbewusst, das heißt impli-zit und ohne bewusste Reflexion. Quasi wie der Autopilot in einem Flugzeug, auf den sich der Pilot während des Fluges verlässt, ohne wirklich zu wissen, was im Autopiloten vorgeht. Im Gehirn liegt das an der extrem unterschiedli-chen Verarbeitungsgeschwindigkeit von bewussten und unterbewussten In-formationen. Unser bewusster Pilot verarbeitet weniger als 50 Bits/Sekunde, unser unterbewusster Autopilot dagegen etwa 11.000.000 Bits/Sekunde.

So unmittelbar, wie wir in Gesprächen und Verhandlungen agieren müs-sen, haben wir also gar nicht die Zeit, über das, was wir tun (unser Verhalten also) immer bewusst nachzudenken. Umso wichtiger ist es, unser Potenzial von fünf bis zehn Prozent bewussten Entscheidungen gut zu investieren. Der Pilot eines Flugzeugs ist zuständig für die schwierigen Situationen wie Start, Landung oder Turbulenzen. Ein Flugzeug, dessen Pilot eine Turbulenz zu spät erkennt und sie dem Autopiloten überlässt, kann abstürzen. Für Führungs-kräfte gilt im übertragenen Sinne das gleiche. Wer eine kritische Situation nicht als solche erkennt, wird in der Regel mit unreflektierter Kommunikati-on im Autopiloten eine Bruchlandung erleiden. Dasselbe gilt, wenn eine Situa-tion zwar als kritisch erkannt wird, doch die bewusste Kommunikation dieser Situation nicht gerecht wird.

Der Schlüssel zu wirksamer, überzeugender Kommunikation liegt also da-rin, kritische Situationen auch als solche wahrzunehmen.

Reflexion:Kommunikation beruht auf drei tragenden Säulen: Das Gegenüber in seiner Emotionalität wahrnehmen, durch Fragen sachlich und emotional zu verstehen und schließlich inhaltlich wie auch emotional bewusst anzusprechen.

Die Fähigkeit, Gesprächspartner bewusst differenziert wahrzunehmen, dabei ihre emotionale Verfassung zu erkennen, zu verstehen, welche Be-

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dürfnisse sie haben, was sie motivieren könnte oder was möglicherweise ihre Ängste sind, ist deshalb die erste tragende Säule überzeugender Kom-munikation und Führung.

Die zweite tragende Säule von Kommunikation ist eng mit der ersten verbunden. Sie beruht auf der Fähigkeit, situationsbezogen die emotional „richtigen“ Fragen zu stellen.

Auf den daraus gewonnenen Erkenntnissen baut die dritte Säule der Kommunikation, eine bewusste, emotional wirksame und damit überzeu-gende Wortwahl und Sprache, auf.

Wer Kommunikation so versteht und praktisch beherrscht, überredet nicht, er überzeugt – auch oder gerade als Führungskraft. Deshalb laden wir Sie in diesem Buch ein, Ihren Weg zu mehr praktischer emotionaler Kompe-tenz, kurz PEK, zu gehen.

Tabelle 1: Verhaltensfacetten und emotionale Verfassung

Facette Kurz- Beschreibung

Emotion ba-siert auf einem unbewussten …

Vitalbedürfnis, Grundmotiv im Kontext von …

Grundangst im Kontext von …

pragmatisch, handelnd

Ich „weiß“, was ich will und was ich dafür tun muss!

DominanzMacht, Kampf, Status, Autono-mie, Ehre

OhnmachtVerlust von: Kontrolle, Status, Auto-nomie

optimistisch, unbeschwert

Ich „brauche“ Anerkennung und positive Interaktion.

StimulanzErfolg, Aner-kennung, Neu-es, Kreativität

BlamageDastehen als: unfähig, Ver-lierer, Versa-ger …

sanftmütig, einfühlsam

Ich „suche“ Einklang und Sicherheit in meiner Umge-bung.

BalanceZugehörigkeit, Bewahren, Kontinuität, Sicherheit

Wertlosigkeitzurückgewie-sen, allein, isoliert, unbe-liebt

nachdenklich, hinterfragend

Bevor ich hand-le, „will“ ich alles klären und verstehen.

KlarheitInformation: Genau, Mess-bar, Prüfbar

ÜberraschungFehler, unge-nau, uninfor-miert, unklar

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Im ersten Schritt geht es bei PEK darum, Ihre individuelle Beobachtungs-gabe zu verfeinern und Ihnen eine sichere Interpretation und das Verstehen von Verhalten zu ermöglichen. Die Basis hierfür bildet ein Denkmodell mit vier deutlich unterscheidbaren Facetten, die menschliches Verhalten ge-nauso einfach bildhaft strukturieren, wie die vier Jahreszeiten ein Jahr.

Jede Verhaltensfacette ist durch eine Grundemotion geprägt, deren un-terwusste Grundhaltung in Tabelle 1 mit einem Satz kurz beschrieben ist. Die emotionale Verfassung der einzelnen Verhaltensfacetten führt zu cha-rakteristischen Bedürfnissen, Motiven und Ängsten. In Anlehnung an Wil-liam Marston, der schon 1928 unterschiedliches menschliches Verhalten durch vier, mit den Farben Rot, Gelb, Grün und Blau bezeichnete Grundemo-tionen erklärte, bezeichnen auch wir die vier Facetten menschlichen Verhal-tens mit diesen Farben. Im Anhang am Ende dieses Buches finden Sie eine ausführliche Darstellung der theoretischen Grundlagen und PEK. Deshalb beschränken wir uns in dieser Einleitung auf die kompakte Beschreibung der vier Verhaltensfacetten, wie Sie sie in Tabelle 1 finden.

Die Farben Rot, Gelb und Grün beschreiben das durch das limbische System gesteuerte Verhaltensspektrum. Die diesen Farben zugeordneten menschlichen Vitalbedürfnisse beschrieb Hans-Georg Häusel 2008 in sei-nem limbischen Modell. Die drei, den gleichen Farben zuordenbaren, Grund-motive (in der Tabelle unterstrichen) und Grundängste führte McClelland 1987 ein. Auch sie sind bei jedem Menschen latent vorhanden und damit an-sprechbar.

Eine Sonderstellung nimmt dabei die blaue Grundemotion ein. Men-schen in Blau verhalten sich aus umgangssprachlicher Sicht nahezu emoti-onslos. Und diese Beschreibung ist absolut zutreffend. In Blau agieren wir nicht limbisch, sondern unser Verhalten wird vom Denkhirn gesteuert. So sind dann auch das blaue Bedürfnis nach Klarheit sowie das Motiv Informa-tion und die Angst vor Überraschung typisch für den denkenden Menschen. Vereinfacht kann man sagen, dass wir im Autopiloten vorwiegend in Grün, Gelb und Rot agieren, im Piloten dagegen meist in Blau.

Um Ihnen eine anschauliche Vorstellung vom typischen Verhalten in der jeweiligen Grundemotion (oder Farbe) zu geben, erhalten Sie jetzt hierzu eine kurze verbale Beschreibung. Wir betonen ausdrücklich, dass die emo-tionale Verfassung situationsbezogen ist. Das heißt, sobald sich die Situati-on oder besser die subjektive Bewertung einer Situation ändert, verändert

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sich auch die Grundemotion – das bietet Ihnen überhaupt erst die Möglich-keit, Menschen zu bewegen und zu kurzfristigen, situativen Verhaltensän-derungen zu führen.

Die rote Grundemotion entspricht unserer pragmatisch-handelnden Seite. Wer in Rot agiert, dominiert häufig seine Umgebung, sucht und hält Blickkontakt. Die Körperhaltung ist aufrecht, die Körpersprache wirkt nachdrücklich. In Rot

werden wir schnell ungeduldig. Die Stimme ist klar, prononciert und immer so laut, dass man sie nicht überhören kann. Verbale Reaktionen erfolgen rasch, direkt und gezielt, wobei die geradlinige, oft energische Gestik die Aussagen unterstreicht und verstärkt. In Rot haben Sätze selten mehr als fünf oder sechs Wörter, und die Satzzeichen werden deutlich mitgespro-chen. Als wichtig erachtete Aussagen werden durch Pausen hervorgehoben.

In unserer gelben Facette erscheinen wir unserem gegen-über Umfeld offen, gelassen oder gar unbeschwert. Unser Blick ist interessiert, freundlich und schweift neugierig um-her. Die Körperhaltung wirkt entspannt, manchmal lässig.

Die Körpersprache ist offen, lebhaft und gestenreich, die Bewegungen sind schwungvoll. Mimik und Gestik unterstützen, was gesagt oder erzählt wird. In Gelb sprechen wir frei heraus und spontan, mit lebhafter gefühlsbetonter Stimme.

Menschen in Grün begegnen uns in vertrauter Umgebung freundlich und hilfsbereit, mit offenem Blickkontakt. Sind wir oder die Umgebung nicht vertraut, so ist ein Gegenüber in Grün eher vorsichtig und zurückhaltend, und der Blick-

kontakt wird oft ganz vermieden. In dieser Situation führt besonders der herausfordernde rote Blickkontakt sogar zu Verlegenheit. In Grün agieren wir ruhig und unaufdringlich, was durch die im Vergleich zu den drei anderen Farben leise Stimme noch unterstrichen wird. In Grün halten wir uns gerne zurück, drängen uns auf keinen Fall in den Vordergrund. Im Ge-spräch mit nur wenig bekannten Personen antworten wir in Grün oft nur auf direkte Nachfrage. Gestik und Körpersprache wirken in Grün langsam, gleichmäßig und ausgesprochen unaufdringlich. Auf die Mimik muss man

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sehr genau achten, um Enttäuschung, Zustimmung oder Ablehnung darin zu erkennen – besonders dann, wenn wir mit dem Gegenüber nicht sehr ver-traut sind.

Menschen in der blauen Grundemotion wirken auf den ers-ten Blick reserviert, vielleicht sogar kühl oder in Gedanken versunken. Sie wirken ruhig und in sich ruhend. Ihre Ant-worten und Aussagen sind überlegt und betont sachlich, was

manchmal distanziert und emotional unbeteiligt wirkt. Auf jeden Fall ist es der Ausdruck dessen, dass wir uns in der blauen Facette unserer Persönlich-keit gut und reiflich überlegen, was und wie wir etwas sagen. Das unter-scheidet Blau von den drei übrigen, den limbischen Verhaltensfacetten.

In Blau ist die Sprache gleichmäßig, ohne Stimmlage oder Lautstärke zu variieren, was aus Gelb, Grün oder Rot heraus als monoton empfunden wird. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die blaue Gestik und Mimik, die im Grunde nicht sichtbar ist.

1.1 Die Grundemotion des Gegenübers durch Fragen ermitteln

Das folgende kleine Beispiel dient der Verdeutlichung des unterschiedli-chen Verhaltens in den jeweiligen Grundemotionen. Auf die Frage „Wie weit sind Sie mit dem Bericht?“ könnten Sie die folgenden Antworten erhalten:

„Bis wann brauchen Sie ihn spätestens?“ (Wobei Ihr Mitarbeiter eher denkt: „Das geht Dich gar nichts an!“)

„Oh, im Moment ist hier so viel los, ich weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht. Aber morgen fangen wir gleich damit an!“ (Signalisiert kein sonderliches Engagement).

n ermitteln

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„Ähm, hm, dazu bin ich noch nicht gekommen. Ich musste erst noch das Protokoll schreiben und die Reisekosten abrechnen … Dann muss ich heute länger bleiben.“ (Rechtfertigt sich und hofft auf Mitgefühl).

„Also, die Materialsammlung ist weitgehend abgeschlossen. Ich warte noch auf den Input vom Lager. Dann kann ich alles konsoli-dieren. Spätestens Donnerstagnachmittag haben Sie den ersten Entwurf.“ (Versteht die Frage als Aufforderung zu einem Statusbe-richt).

Mit welcher Antwort Sie sich dann zufrieden geben und mit welcher nicht, hängt von Ihrer aktiven Farbe ab …

Die vier Grundemotionen verursachen, wie Sie sehen, das gesamte, typi-sche Spektrum menschlichen Verhaltens. Das ist wohl der Hauptgrund, wa-rum „Vierfarben-Modelle“ seit 60 Jahren so populär sind – meist jedoch her-angezogen zur Deutung und Erklärung von Persönlichkeit! Doch Verhalten lässt sich nicht adäquat nur durch Persönlichkeit erklären. Eine Erkennt-nis, die seit ihrer Postulierung durch William Marston aber noch fast 80 Jahre brauchte, um sich auf breiter Front durchzusetzen. Insofern unter-scheidet sich PEK wesentlich von allen bisherigen „Farbmodellen“ zu Per-sönlichkeit bzw. Verhaltenspräferenzen – was nur eine andere Formulie-rung ist. Menschen passen nicht in feste Schubladen, auch nicht in farbige.

Was macht „richtig“ fragen aus?Keine Frage ist „an sich“ gut. In jeder Farbe gibt es andere Erwartungen an „gute“ Fragen.

Rot richtig zu fragen bedeutet, sich darauf zu konzentrieren,

was Rot wichtig ist. Fragen Sie direkt und prägnant. Stellen

Sie keine Suggestivfragen, so vermeiden Sie Provokationen.

Stellen Sie offene Fragen, sonst bekommen Sie nur ein Ja oder Nein.

Gelb richtig zu fragen heißt nach Vorstellungen und

Wünschen zu fragen. Lenken Sie das gelbe

Mitteilungsbedürfnis in für Sie nützliche Bahnen und stellen

Sie gezielte Zwischenfragen. Auch auf geschlossene Fragen antwortet

Gelb meist ausführlich.

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Grün richtig zu fragen bedeutet geduldig und freundlich zu

fragen. Sagen Sie, warum Sie fragen, signalisieren Sie

Verständnis und geben Sie den Antworten Zeit.

Blau richtig zu fragen bedeutet konkret, präzise und

detailliert zu fragen. Fragen Sie zu allgemein, stellt Blau

Präzisierungsfragen. Zeigen Sie Respekt für Fachwissen,

fragen Sie nach – so zeigen Sie Kompetenz.

Nach diesem kleinen Exkurs in die Informationen, die uns das beobacht-bare menschliche Verhalten liefert, kommen wir jetzt zur zweiten tragen-den Säule von Kommunikation und ihrer praktischen Umsetzung.

1.2 Die emotionale Verfassung des Gegenübers gezielt beeinflussen

Jemanden emotional zu verstehen ist jedoch nur der erste Schritt. Im zweiten Schritt – und das ist das eigentlich Spannende an PEK – geht es dar-um, die emotionale Verfassung Ihres Gegenübers zu beeinflussen!

Die zweite wichtige Kompetenz, die zu PEK gehört, ist die bereits erwähn-te Fähigkeit, situationsbezogen die emotional richtigen Fragen zu stellen. Sie können erst dann richtig handeln oder antworten, wenn Sie die Situa-tion Ihrer Mitarbeiterin, Ihres Mitarbeiters oder Ihres Kunden erfasst und verstanden haben. Solange Sie Ihr Gegenüber nicht vollständig verstanden haben, können Sie nicht erwarten, dass er das, was Sie sagen, so versteht, wie Sie es meinen. Durch Fragen können Sie nicht nur Sachverhalte klären, vielmehr geht es auch darum, Ihren Gesprächspartner emotional zu verste-hen. Nur so erfahren Sie, was ihm wirklich wichtig und welchen Argumen-ten er überhaupt zugänglich ist.

Welche Grundemotion unser Verhalten gerade bestimmt, hängt davon ab, wie wir eine Situation subjektiv erleben und bewerten. Dies kann unbe-wusst im Autopiloten oder aber bewusst im Piloten erfolgen. Kommunika-tion beeinflusst die Sicht auf eine Situation – deshalb kommunizieren wir.

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Und: bewusste, im Piloten durchdachte Kommunikation kann diese Sicht in eine von Ihnen gewünschte Richtung ändern. Und nichts anderes ist ja, wie wir eingangs gesehen haben, Sinn und Ziel von Kommunikation.

PEK verbindet Verstehen mit legitimem BeeinflussenGrundemotionen können sich von einem Moment auf den anderen ändern. Wer die Ursachen dafür nicht nur versteht, sondern auch bewusst setzen kann, der kommuniziert überzeugend und damit legitim beeinflussend.

Besonders wichtig ist folgender Aspekt: Sie können sich auch selbst Fra-gen stellen, die Ihnen helfen, aus einer bestimmten Grundemotion und dem daraus resultierenden Verhalten herauszukommen. In diesem Buch finden Sie zahlreiche Anregungen, wie Sie Ihre eigenen Emotionen und damit Ihr Verhalten bewusst beherrschen können.

Wenn Sie nun Ihre Gesprächspartner in ihrer Emotionalität verstehen, können Sie Ihr Anliegen mit Argumenten so formulieren und verpacken, dass sie nicht nur sachlich nachvollziehbar sind, sondern vor allem auch emotional angenommen werden. Das geschieht, wenn der andere seine ak-tuellen Bedürfnisse berücksichtigt sieht, wenn das, was Sie sagen, ihn mo-tiviert, oder wenn Sie das Gefühl vermitteln, eine Sorge ernst zu nehmen.

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1.3 Verwenden Sie emotional wirksame Sprache

Sprache wirkt emotional

Der Verkäufer verspricht: „Darum wird man Sie beneiden!“ Unbewusst oder bewusst spricht er damit Gelb an. Kunden oder Mitarbeiter in Gelb werden positiv reagieren. Doch dieser Satz kann auch anders aufgenommen werden. Rot wird so nicht überzeugt und könnte erwidern: „Sagen Sie mir lieber, was unter dem Strich dabei herauskommt.“ Grün dagegen wird so eher abgeschreckt und denkt: „Wenn die anderen neidisch sind, dann lassen sie mich das auch spüren, das hilft keinem.“ Und bei der blauen Reaktion wird die Frage am wahrscheinlichsten lauten: „Können Sie das exakt belegen und haben Sie aussagefähige Referenzen?“

Sie sehen, Sprache wirkt sehr unterschiedlich und nicht immer so, wie der Sender es will. Wenn Sie etwas Wichtiges formulieren, sollten Sie sicher sein, dass der Empfänger in der für Ihre Formulierung passenden Emotion ist – oder durch Ihre Botschaft in diese Emotion kommt. Womit wir bei der dritten Kompetenz sind, die PEK ausmacht: eine emotional wirksame Wort-wahl und Sprache. Sprache erzeugt Bilder im Kopf und diese lösen Emoti-onen aus. Wer diese Wirkung von Sprache versteht, kann mit seiner Wort-wahl Grundemotionen verstärken, abschwächen oder auch verändern.

Jede der vier Grundemotionen hat ihre Signal- und Schlüsselwörter. Zur Illustration und als Anregung haben wir Ihnen hier eine kleine Auswahl zu-sammengestellt.

Um den Weg zu mehr praktischer emotionaler Kompetenz für Sie leicht und vor allem interessant zu machen, laden wir Sie ein, Alexandra, die für eine Produktlinie zuständige Vertriebsleiterin eines international täti-gen deutschen Unternehmens, durch verschiedene Situationen ihres Ar-beitsalltags zu begleiten.

Sie erleben die junge Frau in sechs Episoden, in unterschiedlichen Pro-blemen und Situationen. Die Beispiele sind so gewählt, dass Sie möglichst viele Themen wiederfinden, mit denen auch Sie in Ihrem Alltag zu tun ha-

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ben. Der Bogen spannt sich von der unerwarteten Ansprache „zwischen Tür und Angel“ über die Hindernisse beim Delegieren bis zum schwierigen und scheinbar völlig verfahrenen Meeting. Sie erleben Alexandra und ihre Kol-legen in den unterschiedlichsten emotionalen Konstellationen und werden so beim Lesen mit PEK und den vier Grundemotionen immer vertrauter. Sie sehen an lebendigen, anschaulichen Beispielen, wer wann unreflektiert im Autopiloten agiert und wie sich Probleme abwenden lassen, wenn man die vier Grundemotionen als Schlüssel nutzt, um den Piloten „einzusetzen“.

Der erste und entscheidende Schritt besteht darin, dass Sie die einge-fahrenen Muster Ihres Autopiloten erkennen. Dann können Sie im zweiten Schritt Ihren Piloten bewusst aktivieren, und Fragetechniken oder gezielte Wortwahl werden zu für Sie selbstverständlichen Fähigkeiten – genau wie eine neu gelernte Fremdsprache, in der Sie sich verständigen können. Und wie bei einer Fremdsprache gilt: Je häufiger Sie sie anwenden, desto unbe-wusster wird die Anwendung. Was nichts anderes bedeutet, als dass das re-gelmäßige „Einschalten“ Ihres Piloten stets auch Ihren Autopiloten beein-flusst und trainiert.

Die gute Nachricht zum Schluss: Der Wechsel vom Autopiloten in den be-wussten Piloten erfordert lediglich Übung – nicht mehr und nicht weniger.