Geburtstag Walter Barfuß - Nachlese CONNEX Sonderdruck

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Immer den richtigen Ton treffen. Nie eindimensional sein! Univ.Prof. DDr. Walter Barfuß, seit 2002 Präsident von Austrian Standards Institute, feierte am 1. Februar 2012 seinen 75. Geburtstag. Anlass für ein Gespräch, das Dr. Georg Strzyzowski mit dem als Jazzliebhaber bekannten Jubilar geführt hat. weil die an der Entstehung von Normen Be- teiligten, Gewerbetreibende oder ganze In- dustriezweige, klarerweise früher darüber Bescheid wissen, wohin die Reise geht, als jene, die sich nicht einbringen oder auch nur dafür interessieren. Beim Reden kommen also die Leute zu- sammen – und in einem solchen Prozess tauschen sich Fachleute aus, schildern selbst oder hören von anderen neue Ge- sichtspunkte, ändern oder verbessern eige- ne Standpunkte, lernen dabei. Mein Vater hat gesagt, dass man „auch vom Dümmsten etwas lernen kann, wenn man nur richtig zuhört“. Wer sich aber nicht interessiert bzw. nicht direkt oder indirekt engagiert, hat von vornherein einen nicht wettzumachenden Informationsnachteil und gerät gegenüber dem Mitbewerb ins Hinter- treffen. So betrachtet, ist für mich die Mög- lichkeit, beim großen Thema „Normen“ mit- machen zu dürfen, ein dem Klavierspielen ebenbürtiges Vergnügen! CONNEX: Es gibt von Seiten Außenste- hender immer wieder das Missverständnis, dass Normen eine Schikane sind, die man widerwillig zu erdulden hat. Es ist aber doch viel eher so, dass sie das Resultat eines Abstimmungsprozesses sind, das einen reibungslosen Ablauf in Produktion, Handel, Logistik, Verkauf und Verbrauch erst ermöglichen, eines Abstimmungspro- zesses, in den man sich nach Möglichkeit einbringen sollte. Barfuß: Genau so ist es: Jeder, der ein bisschen Lebenserfahrung hat und darüber nachdenkt, der weiß, dass man überall dort, wo man nicht mitspielt, bestenfalls „bespielt“ wird. Ganz einfach: Wenn ich mich nicht selbst einbringe, wenn ich nicht mittue – egal ob das im Bereich Politik, Wissenschaft, Wirtschaft oder Gesellschaft ist – dann bestimmen die anderen, was ich zu tun habe. Wer also nicht mitnormt, der wird genormt! Es ist also so, wie wenn man im politischen Bereich nicht an demokratischen Wahlen teilnimmt; das wäre nicht gerade geistreich. Und ebenso wenig geistreich wäre es, wenn sich ein bestimmter Wirtschafts- oder Industriezweig, ein Gewerbetreibender oder eine Wirtschaftsorganisation nicht für Nor- men interessiert, sich in deren Entstehung nicht einbringt. CONNEX: Zur Zeit merkt man in Europa sehr schmerzhaft, dass es – speziell im Fi- nanzbereich – offensichtlich kaum verbindli- che Regelwerke gibt, die dazu geeignet wä- ren, einen wirksamen Schutz vor Proble- men, wie einer Kredit-, Finanz- oder Wäh- rungskrise, zu garantieren. Barfuß: Ich halte den europäischen Weg für einen absolut richtigen und für nicht wi- derrufbar. Aber auch hier manifestiert sich eine allgemein menschliche Eigenschaft, nämlich das Bestreben einzelner, nur das zu tun, was ihnen vordergründig zu nützen scheint. Das führt bis hin zum Ignorieren der europäischen Idee, und das zeigt sich natürlich auch überall dort, wo es massive Vorbehalte gegenüber sinnvollen und kom- fortablen Vereinheitlichungen gibt. Übrigens etwas, was auch in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen geführt hat. CONNEX: Welchen Einfluss, welche Mög- lichkeiten besitzt der Präsident von Austrian Standards, welche Möglichkeiten beispiels- weise, um die europäische Idee zu unter- stützen? Barfuß: Formell sehr wenig. Stellen Sie sich das so vor wie die Funktion des Dogen in der alten venezianischen Republik: Er CONNEX: Sie, als begeisterter Jazz-Pia- nist, sehen möglicherweise eine Überein- stimmung zwischen Normen und improvi- sierter Musik: auf der einen Seite sind es vereinbarte Regelwerke, auf die sich Indust- rie, Handel und Konsumenten verlassen können, im anderen Fall sind es Harmonie- folgen, über die man sich einig ist und über die man improvisiert. Barfuß: Ja, das ist bei Normen ähnlich. Ich habe einmal gesagt, „ohne Regeln gibt´s Brösel“. Und auch, wenn es in der Musik keine Regeln gäbe, dann wäre das Resultat fürchterlich. Letzten Endes würde man sich sehr bald auf Normen, auf Regeln einigen. Das ist aber in allen Lebensberei- chen so. Ansonsten hoffe ich, dass ich als Präsident von Austrian Standards besser bin denn als Klavierspieler (denn das habe ich nie gelernt) – da bin ich absoluter Auto- didakt. Notenlesen habe ich erst im Musik- unterricht gelernt, wobei meine Professorin darauf bestanden hat, dass alle ihre 19 Schüler an der Tafel einfache Lieder trans- ponieren konnten, dass alle über den Quin- tenzirkel Bescheid wussten. So hat sie bei- spielsweise Opern als eine Mischung von schlechter Musik und schlechtem Theater, Jazz als „Sexualmusik“ bezeichnet – ein guter Grund, weshalb ich mich ans Klavier gesetzt und zu Beginn der Musikstunden gerne einen Boogie angestimmt habe. Das hat sie wohl nicht sehr gefreut; es ist ihr aber definitiv nicht gelungen, diesen „Un- fug“ abzustellen. So bin ich dabei geblieben und habe mich informiert, beispielsweise die Musik von George Shearing gehört, mit den Fingern „erlebt“, wie die spezifischen Jazz-Akkorde zustande kommen. Eine ganz wichtige und schöne Erfahrung. Ähnlich ist es mir später auch mit den Normen ergan- gen. CONNEX: Nämlich genau wie? Barfuß: Ende der 90er Jahre wurde mir angeboten, dem Vorstand des Normungsin- stituts beizutreten. Für mich zunächst schwer vorstellbar, denn, wie ich damals irrtümlich glaubte, gehe es dabei um Ma- thematik, Darstellende Geometrie und Technik. Das waren für mich als Jurist nicht gerade jene Themen, die ganz oben auf der Skala meiner Interessen gestanden hätten. Ich habe mich also gefragt, was ich in einem Normungsinstitut soll, wenn ich von den Inhalten, die dort behandelt werden, definitiv nichts verstehe. Ich habe es dann trotzdem gemacht und sehr bald erfahren, dass auch ich (wie fast alle Außenstehen- den) ein völlig falsches Bild von Normen hatte: Für mich waren die damit Befassten so etwas wie „Sektierer“, die sich vorrangig mit technischen Details, also beispielsweise der Geometrie von Schrauben, beschäfti- gen. Nach kurzer Zeit habe ich allerdings be- merkt, dass im Normenbereich wirtschaftli- che, technische und politische Interessen zusammenfließen, und dass es bei der Funktion, die ich hier übernommen habe, darauf ankommt, ähnlich wie ein Coach da- für zu sorgen, dass die übergeordneten Re- geln eingehalten werden, dass nicht jeder machen kann, was er will. Dass also Nor- men tatsächlich so zustande kommen, wie sie zustande kommen sollen, nämlich nach vereinbarten Zielen, nach einer weitgehen- den und allgemeinen Aussprache, im Kon- sens, weiters natürlich auch im Hinblick auf Erfordernisse des Exports. CONNEX: Was aber in der täglichen Praxis nicht immer so ideal abläuft. Barfuß: Richtig. Die Interessen prallen häufig aufeinander, unter anderem deshalb, Wer nicht mitnormt, der wird genormt. In einem solchen Prozess tauschen sich Fachleute aus, schildern selbst oder hören von anderen neue Gesichtspunkte, ändern oder ver- bessern eigene Standpunkte, lernen dabei. Ich habe sehr bald erfahren, dass auch ich (wie fast alle Außenstehenden) ein völlig falsches Bild von Normen hatte. Wer sich nicht interessiert bzw. nicht engagiert, hat von vorn- herein einen nicht wettzuma- chenden Nach- teil. Ich halte den europäischen Weg für einen absolut richtigen und für nicht widerrufbar.

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Univ.Prof. DDr. Walter Barfuß, seit 2002 Präsident von Austrian Standards Institute, feierte am 1. Februar 2012 seinen 75. Geburtstag. Anlass für ein Gespräch, das Dr. Georg Strzyzowski mit dem als Jazzliebhaber bekannten Jubilar geführt hat. Mehr auf http://www.austrian-standards.at/as-wirueberuns/praesidium-geschaeftsfuehrung/walter-barfuss.html

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Immer den richtigen Ton treffen.Nie eindimensional sein!

Univ.Prof. DDr. Walter Barfuß, seit 2002 Präsident von Austrian Standards Institute, feierte am 1. Februar 2012 seinen 75. Geburtstag. Anlass für ein Gespräch, das Dr. Georg Strzyzowski mit dem als Jazzliebhaber bekannten Jubilar geführt hat.

weil die an der Entstehung von Normen Be-teiligten, Gewerbetreibende oder ganze In-dustriezweige, klarerweise früher darüber Bescheid wissen, wohin die Reise geht, als jene, die sich nicht einbringen oder auch nur dafür interessieren. Beim Reden kommen also die Leute zu-sammen – und in einem solchen Prozess tauschen sich Fachleute aus, schildern selbst oder hören von anderen neue Ge-sichtspunkte, ändern oder verbessern eige-ne Standpunkte, lernen dabei.Mein Vater hat gesagt, dass man „auch vom Dümmsten etwas lernen kann, wenn man nur richtig zuhört“. Wer sich aber nicht interessiert bzw. nicht direkt oder indirekt engagiert, hat von vornherein einen nicht wettzumachenden Informationsnachteil und gerät gegenüber dem Mitbewerb ins Hinter-treffen. So betrachtet, ist für mich die Mög-lichkeit, beim großen Thema „Normen“ mit-machen zu dürfen, ein dem Klavierspielen ebenbürtiges Vergnügen!

CONNEX: Es gibt von Seiten Außenste-hender immer wieder das Missverständnis, dass Normen eine Schikane sind, die man widerwillig zu erdulden hat. Es ist aber doch viel eher so, dass sie das Resultat eines Abstimmungsprozesses sind, das einen reibungslosen Ablauf in Produktion, Handel, Logistik, Verkauf und Verbrauch erst ermöglichen, eines Abstimmungspro-zesses, in den man sich nach Möglichkeit einbringen sollte.Barfuß: Genau so ist es: Jeder, der ein bisschen Lebenserfahrung hat und darüber nachdenkt, der weiß, dass man überall dort, wo man nicht mitspielt, bestenfalls „be spielt“ wird. Ganz einfach: Wenn ich mich nicht selbst einbringe, wenn ich nicht mittue – egal ob das im Bereich Politik, Wissenschaft, Wirtschaft oder Gesellschaft ist – dann bestimmen die anderen, was ich zu tun habe. Wer also nicht mitnormt, der wird genormt!Es ist also so, wie wenn man im politischen Bereich nicht an demokratischen Wahlen teilnimmt; das wäre nicht gerade geistreich. Und ebenso wenig geistreich wäre es, wenn sich ein bestimmter Wirtschafts- oder Industriezweig, ein Gewerbetreibender oder eine Wirtschaftsorganisation nicht für Nor-men interessiert, sich in deren Entstehung nicht einbringt.

CONNEX: Zur Zeit merkt man in Europa sehr schmerzhaft, dass es – speziell im Fi-nanzbereich – offensichtlich kaum verbindli-che Regelwerke gibt, die dazu geeignet wä-ren, einen wirksamen Schutz vor Proble-men, wie einer Kredit-, Finanz- oder Wäh-rungskrise, zu garantieren.Barfuß: Ich halte den europäischen Weg für einen absolut richtigen und für nicht wi-derrufbar. Aber auch hier manifestiert sich eine allgemein menschliche Eigenschaft, nämlich das Bestreben einzelner, nur das zu tun, was ihnen vordergründig zu nützen scheint. Das führt bis hin zum Ignorieren der europäischen Idee, und das zeigt sich natürlich auch überall dort, wo es massive Vorbehalte gegenüber sinnvollen und kom-fortablen Vereinheitlichungen gibt. Übrigens etwas, was auch in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen geführt hat.

CONNEX: Welchen Einfluss, welche Mög-lichkeiten besitzt der Präsident von Austrian Standards, welche Möglichkeiten beispiels-weise, um die europäische Idee zu unter-stützen?Barfuß: Formell sehr wenig. Stellen Sie sich das so vor wie die Funktion des Dogen in der alten venezianischen Republik: Er

CONNEX: Sie, als begeisterter Jazz-Pia-nist, sehen möglicherweise eine Überein-stimmung zwischen Normen und improvi-sierter Musik: auf der einen Seite sind es vereinbarte Regelwerke, auf die sich Indust-rie, Handel und Konsumenten verlassen können, im anderen Fall sind es Harmonie-folgen, über die man sich einig ist und über die man improvisiert. Barfuß: Ja, das ist bei Normen ähnlich. Ich habe einmal gesagt, „ohne Regeln gibt´s Brösel“. Und auch, wenn es in der Musik keine Regeln gäbe, dann wäre das Resultat fürchterlich. Letzten Endes würde man sich sehr bald auf Normen, auf Regeln einigen. Das ist aber in allen Lebensberei-chen so. Ansonsten hoffe ich, dass ich als Präsident von Austrian Standards besser bin denn als Klavierspieler (denn das habe ich nie gelernt) – da bin ich absoluter Auto-didakt. Notenlesen habe ich erst im Musik-unterricht gelernt, wobei meine Professorin darauf bestanden hat, dass alle ihre 19 Schüler an der Tafel einfache Lieder trans-ponieren konnten, dass alle über den Quin-tenzirkel Bescheid wussten. So hat sie bei-spielsweise Opern als eine Mischung von schlechter Musik und schlechtem Theater, Jazz als „Sexualmusik“ bezeichnet – ein guter Grund, weshalb ich mich ans Klavier gesetzt und zu Beginn der Musikstunden gerne einen Boogie angestimmt habe. Das hat sie wohl nicht sehr gefreut; es ist ihr aber definitiv nicht gelungen, diesen „Un-fug“ abzustellen. So bin ich dabei geblieben und habe mich informiert, bei spiels weise die Musik von George Shearing gehört, mit den Fingern „erlebt“, wie die spezifischen Jazz-Akkorde zustande kommen. Eine ganz wichtige und schöne Erfahrung. Ähnlich ist es mir später auch mit den Normen ergan-gen.

CONNEX: Nämlich genau wie?Barfuß: Ende der 90er Jahre wurde mir angeboten, dem Vorstand des Normungsin-stituts beizutreten. Für mich zunächst schwer vorstellbar, denn, wie ich damals irrtümlich glaubte, gehe es dabei um Ma-thematik, Darstellende Geometrie und Technik. Das waren für mich als Jurist nicht gerade jene Themen, die ganz oben auf der Skala meiner Interessen gestanden hätten. Ich habe mich also gefragt, was ich in einem Normungsinstitut soll, wenn ich von den Inhalten, die dort behandelt werden, definitiv nichts verstehe. Ich habe es dann trotzdem gemacht und sehr bald erfahren, dass auch ich (wie fast alle Außenstehen-den) ein völlig falsches Bild von Normen hatte: Für mich waren die damit Befassten so etwas wie „Sektierer“, die sich vorrangig mit technischen Details, also beispielsweise der Geometrie von Schrauben, beschäfti-gen.Nach kurzer Zeit habe ich allerdings be-merkt, dass im Normenbereich wirtschaftli-che, technische und politische Interessen zusammenfließen, und dass es bei der Funktion, die ich hier übernommen habe, darauf ankommt, ähnlich wie ein Coach da-für zu sorgen, dass die übergeordneten Re-geln eingehalten werden, dass nicht jeder machen kann, was er will. Dass also Nor-men tatsächlich so zustande kommen, wie sie zustande kommen sollen, nämlich nach vereinbarten Zielen, nach einer weitgehen-den und allgemeinen Aussprache, im Kon-sens, weiters natürlich auch im Hinblick auf Erfordernisse des Exports.

CONNEX: Was aber in der täglichen Praxis nicht immer so ideal abläuft.Barfuß: Richtig. Die Interessen prallen häufig aufeinander, unter anderem deshalb,

Wer nicht

mitnormt, der

wird genormt.

In einem solchen

Prozess tauschen

sich Fachleute

aus, schildern

selbst oder hören

von anderen neue

Gesichtspunkte,

ändern oder ver­

bessern eigene

Standpunkte,

lernen dabei.

Ich habe sehr

bald erfahren,

dass auch ich

(wie fast alle

Außenstehenden)

ein völlig

falsches Bild von

Normen hatte.

Wer sich nicht

interessiert bzw.

nicht engagiert,

hat von vorn­

herein einen

nicht wettzuma­

chenden Nach­

teil.

Ich halte den

europäischen

Weg für einen

absolut richtigen

und für nicht

widerrufbar.

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Immer den richtigen Ton treffen.Nie eindimensional sein!

Univ.Prof. DDr. Walter Barfuß wurde am 1. Februar 1937 in

hatte kaum reale Machtbefugnisse, konnte aber durch geschicktes Einsetzen seiner Autorität seinen Ideen zum Durchbruch ver-helfen. Ähnlich ist es hier: Das richtige Wort an der richtigen Stelle gesagt, die Zustim-mung zum richtigen Zeitpunkt verweigert – das vermag viel zu bewirken. Vor allem dann, wenn man sein Gegenüber nicht überfordert. Sicher braucht man im realen Leben fallweise auch Zwangsbefugnisse, in einem Großteil aller Fälle erreicht man aber mit Klugheit und Diplomatie das gewünschte Ziel. Und letztlich kann jemand, der eine Funktion verantwortungsvoll ausübt, damit rechnen, dass ihm die Öffentlichkeit Res-pekt zollt. Ähnlich wie ein anerkannter Diri-gent von seinem Orchester respektiert und geachtet wird.

CONNEX: Was hat sich während der Zeit Ihrer Präsidentschaft verändert?Barfuß: Es hat sich das Umfeld geändert, es hat sich die Internationalität der Normen maßgeblich weiterentwickelt. Das ergab im Ablauf zahlreiche neue Notwendigkeiten, die es früher nicht gegeben hat. Neue Erfordernisse führen bei verschiede-nen Beteiligten natürlich zu verschiedenen Reaktionen: Konfusion bei den einen, eine Chance zur Verwirklichung langgehegter Pläne oder zur Veränderung der Hackord-nung in ihrem Sinn bei manchen anderen. Alles Erscheinungen, die wir von Austrian Standards jetzt gut im Griff haben. Perso-nalfragen, auch im Hinblick auf die rechtli-che Konstruktion, eine Reihe von Raumbe-darfsproblemen, die Verbesserung der Funktionalität und der Optik konnten gut gelöst werden. Hier konnte gemeinsam viel Positives bewirkt werden. Es war und ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess.

CONNEX: Ist es nicht so, dass Kontinuität gerade bei der Arbeit mit Standards beson-ders wichtig ist, weil ja auf Bestehendes aufgebaut werden muss?Barfuß: Schon richtig; Man muss nur vor-sichtig sein. Es ist ja nicht so, dass ein Nor-mungsinstitut die Normen schafft. Austrian Standards generiert ja nicht die Normen, sondern unsere Aufgabe liegt darin, die In-frastruktur dafür zu bieten, dass Normen nach anerkannten Verfahren geschaffen werden können, und darüber zu wachen, dass diese Verfahren auch tatsächlich ein-gehalten werden. Dass sich also nicht – etwas übertrieben formuliert – eine be-stimmte Gruppe den Inhalt einer bestimm-ten Norm „kaufen“ könnte. Dass also nach den Grundsätzen der Transparenz und des Konsenses gehandelt wird. Wir schaffen also die Infrastruktur dafür, dass Normen so zustande kommen kön-nen, dass sie nationalen und internationa- len Regeln entsprechen. Das ist das Ent-scheidende! Dabei muss ich das Inhaltliche, worum es in der einen oder anderen Norm geht, ja gar nicht notwendigerweise im Detail verstehen, und das ist ja auch nicht meine Aufgabe.

CONNEX: Inwieweit spielt die derzeitige Finanz-, Banken- oder Wirtschaftskrise in die Tätigkeit von Austrian Standards hin- ein?Barfuß: Wir spüren natürlich die Krise, denn eines ist klar: Wenn sich Innovation und Wirtschaftswachstum nicht positiv ent-wickeln, dann geht auch das Bedürfnis nach neuen Regelwerken und Normen, nach der Lösung neuer Fragen zurück. Denn der Markt und die Marktteilnehmer sind es, die Normen verlangen. Der Ur-sprung einer neuen Norm ist ja sehr oft eine Innovation, wenn man etwas Neues ma-chen möchte, etwas anders machen möch-te als bisher. Und genau dieses Bedürfnis und damit das Bedürfnis nach neuen Rege-lungen lassen in Krisenzeiten nach.Diese Krise spüren wir natürlich; aufgrund des bei Austrian Standards stark entwickel-ten Dranges nach wirtschaftlicher Unab-hängigkeit geraten wir selbst allerdings nicht so schnell in die Krise, und wir verfü-gen über bewährte Verfahren und Möglich-keiten, die uns davor bewahren. Wir wer- den uns also gegebenenfalls anpassen und definitiv nicht untergehen.Noch einmal: Unsere Aufgaben sind es ein-zig und allein, die Infrastruktur für eine ge-ordnete, den internationalen Verfahren ent-sprechende Normung zu schaffen, auf-rechtzuerhalten und vor allem darauf zu achten, dass diese Regeln in der täglichen Normungsarbeit eingehalten werden.

CONNEX: Welche Wünsche haben Sie – als Präsident von Austrian Standards – an die Politik?Barfuß: Ich habe eine große Bitte an die österreichische Politik, weil ich den Ein-druck gewonnen habe, dass die betreffen-den Instanzen in anderen europäischen Ländern, etwa in Deutschland, da oft schon einen Schritt weiter sind: nämlich zu beden-ken, welche Bedeutung die Normen für das betreffende Land haben. Hier besteht in Österreich ein gewisser Nachholbedarf. Vielleicht hat es aber bei uns ohnehin so gut funktioniert, dass die Politik bisher nicht weiter nachdenken musste (lacht). Als wichtiges Exportland müssen wir heute allerdings daran interessiert sein, uns auf den internationalen Märkten wie beispiels-weise in Indien oder China einzubringen. Es ist ja durchaus von Bedeutung, welche Normen, gerade im ostasiatischen Raum, akzeptiert werden: die amerikanischen oder die europäischen. In Deutschland oder in Frankreich hat man das bereits erkannt; bei uns besteht in diesem Bereich noch Bedarf nach Überzeugungsarbeit.

CONNEX: Zum Abschluss ein „Blick in die Kristallkugel“: Wo sehen Sie Austrian Stan-dards in fünf, in zehn Jahren?Barfuß: Ich glaube, dass wir nicht bloß überleben werden, sondern sehr gut weiter-leben werden, als Dienstleister den Erfor-dernissen der Wirtschaft, der Gesellschaft, des Staates entsprechend. Es wird alles davon abhängen, wie sich die Staaten der

Die Internationa­

lität der Normen

hat sich maß­

geblich weiter­

entwickelt.

Austrian Stan­

dards generiert ja

nicht die Normen,

sondern unsere

Aufgabe liegt

darin, die Infra­

struktur dafür zu

bieten, dass Nor­

men nach aner­

kannten Verfah­

ren geschaffen

werden können.

Der Markt und

die Marktteil­

nehmer sind es,

die Normen

verlangen.

Als Exportland

müssen wir

daran interessiert

sein, uns auf den

internationalen

Märkten einzu­

bringen.

Ich glaube, dass

wir sehr gut

weiterleben

werden, als

Dienstleister für

Wirtschaft,

Gesellschaft

und Staat.

Europäischen Union weiterentwickeln. Ent-wickeln sie sich positiv, werden wir auch unsere eigene Entwicklung in noch größere Dimensionen bringen, damit wir auf der europäischen Ebene mithalten können. Tun sie das nicht – was ich nicht hoffe –, dann werden wir uns dem weiterhin anpassen müssen. Das bedeutet: kleiner, aber nicht anders werden.

CONNEX: Ihr persönliches Lebensmotto?Barfuß: Ich sehe mich als „liberalen Reak-tionär“, und das ist bloß scheinbar ein Wi-derspruch. Tatsächlich kann ich sehr altmo-disch sein und dabei gleichzeitig sehr fort-schrittlich. Um es auf den Punkt zu bringen: Nie eindimensional sein!

Wien geboren und ist seit 2002 Präsident von Austrian Standards Institute (1997 bis 2002 Vizepräsident). Er ist Aufsichtsrats-vorsitzender der Wien Holding und der E-Con trol Austria, Präsident der Wiener Juristischen Gesellschaft und war von 2002 bis 2007 Generaldirektor für Wett-bewerb der Republik Österreich; zuvor Seniorpartner der Sozietät „Schönherr Rechtsanwälte“, einer der führenden österreichischen Anwaltskanzleien. Seine praktischen und wissenschaftlichen Tätig-keitsschwerpunkte als Rechtswissen-schafter sind Verfassungsrecht, insbe-sondere Organisations- und Verfahrens-recht sowie Grundrechte, und Verwal-

tungsrecht; außerdem Grenzgebiete des Wirt-schaftsrechts zwischen Privatrecht und Öffentli-chem Recht, speziell Kartell- und Wettbewerbs-recht. Er ist Mitherausgeber verschiedener juristi-scher Fachzeitschriften sowie Autor zahlreicher verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Studien und Aufsätze zum Öffentlichen Recht und zum Wirtschaftsrecht. Linktipp: http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Barfuß

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Nie eindimensional sein!

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21Dinge, die Sie vielleicht bisher über Austrian Standards und über Normung noch nicht gewusst haben.

Für Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft

Austrian Standards ist das österreichische Dienstleistungs-zentrum rund um Standards. Als gemeinnütziger Verein – kein Amt, keine Behörde – bietet Austrian Standards Insti-tute Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Verbrau-chern die neutrale und unabhängige Plattform für die Ent-wicklung von Normen und die Möglichkeit, an der Europäi-schen und Internationalen Normung (CEN bzw. ISO) mitzu-wirken.

Sein Tochterunternehmen Austrian Standards plus er-möglicht den Zugang zu ÖNORMEN (inkl. Europäischer Normen), zu Internationen Normen und zu Normen aus aller Welt, bietet Weiterbildung rund um Standards sowie Zertifi-zierungen als Nachweis der Konformität von Produkten, Dienstleistungen und Personen mit Normen.

Globales Netzwerk

Normen sind Voraussetzung, um in einer hochentwickelten, arbeitsteiligen Wirtschaft erfolgreich bestehen zu können. Rund 15 000 Europäische Normen sorgen dafür, dass der Europäische Binnenmarkt funktioniert, mehr als 19 000 In-ternationale Normen erleichtern den weltweiten Austausch von Waren und Dienstleistungen.

Nationale Normungssysteme, wie es sie heute in jedem entwickelten Staat gibt – in Österreich seit mehr als 90 Jahren –, sind die Grundlage, um am europäischen bzw. weltweiten Normungsgeschehen teilzunehmen, um so Er-fahrungen einzubringen und Interessen wirkungsvoll zu ver-treten – mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen wirtschaftli-chen Handelns aktiv (mit)zugestalten.

3 Empfehlungen, nicht Gesetze

Normen definieren, was in einem Fachgebiet Stand der Technik / „State of the art“ ist. Was in Normen steht, ist an-erkanntes Wissen aus der Praxis für die Praxis. Denn in der Entwicklung von Normen engagieren sich jene, die Regeln benötigen und anwenden. Normen sind keine Gesetze oder Verordnungen, sondern qualifizierte Empfehlungen. Aufga-be einer Normungsorganisation ist es, die Normungsarbeit zu managen und als neutrale Plattform für „Fair Play“ ent-sprechend den international festgelegten Verfahrensweisen zu sorgen. Dies stellt Qualität und Akzeptanz der Normen sicher.

Wachstumsmotor

Von Normen profitieren nicht nur Unternehmen, Hersteller und Verbraucher. Normen leisten auch einen wichtigen Bei-trag zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Laut einer in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführten Studie trägt Normung rund 25 Prozent zum Wirtschafts-wachstum bei. Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt liegt für das Jahr 2010 bei rund 2 Milliarden Euro – das sind 250 Euro pro Kopf der Bevölkerung. Jeder Euro, der in die Nor-mung investiert wird, bringt den 40fachen Ertrag. Normung ist damit ein wichtiger Wirtschafts- und Wachstumsmotor.

4Sprungbrett für Innovation

Normen liefern anerkanntes Wissen, von dem aus Weiter-entwicklungen und Neuerungen möglich sind. Bei der Ent-wicklung neuer Methoden und Verfahren schon frühzeitig den Weg in die Normung einzuschlagen, sichert Marktnähe und Marktreife von Innovationen und beschleunigt den Re-turn on Investment. Normung hilft, Innovationen in marktfä-hige Produkte und Dienstleistungen umzusetzen.

Sprache der Wirtschaft

Normen schaffen Klarheit in Geschäftsbeziehungen. Was einmal in Normen festgelegt ist – ob Anforderungen an Pro-dukte und Dienstleistungen, ob Prüfmethoden, Begriffe oder Verfahren –, muss nicht jedes Mal neu verhandelt und vereinbart werden. Normen sind damit die Handelssprache einer globalisierten Welt und vereinfachen den grenzüber-schreitenden Austausch von Waren und Dienstleistungen.

5 67Wer die Norm hat, hat den Markt

Wer an der Normung mitwirkt, gestaltet die Rahmenbedin-gungen seines wirtschaftlichen Handelns. Unternehmen, Organisationen und Interessensvertretungen planen daher genau, an welchen Themen sie mitarbeiten, wo und wie sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen einbringen. Denn Mitarbei-ten bedeutet, die Inhalte künftiger Normen – österreichi-scher, Europäischer und Internationaler – mitzugestalten und ist somit Teil der Unternehmensstrategie. Oder, wie es die deutsche Kanzlerin Angela Merkel formulierte: „Wer die Norm hat, hat den Markt.“

Sie möchten mehr wissen? Weitere Informationen finden Sie auf www.austrian-standards.at E-Mail: [email protected]

„Immer den richtigen Ton treffen. Nie eindimensional sein!“ Zum 75. Geburtstag von Univ.Prof. DDr. Walter Barfuß, Präsident von Austrian Standards Institute. Erweiterter Sonderdruck aus CONNEX – Österreichische Fachzeitschrift für Standards, Heft 180 Fotos: Peter Tuma, Thomas M. Laimgruber | Redaktion und Layout: Dr. Johannes Stern, Director Public Relations & Media | E-Mail: [email protected] © 2012-02 | Austrian StandardsIm

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Prominent besetztes Geburtstagsfest

„Walter Barfuß steht für Fair-ness und Anstand“, so Austrian Standards Vizepräsident Dr. Bernd Vogl, der die Fest-gäste begrüßte.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer bezeichnete Prof. Barfuß als strengen und kritischen Prüfer der Politik und der Gesellschaft. Er sei allgemein dafür bekannt, auch „kniffeligste Fragen“ souverän zu lösen.

Erstklassigen Jazz gab es im Anschluss an die Festreden. Jazz-Autodidakt Walter Barfuß musizierte in bester Laune mit Jazz-Legende Rudi Wilfer am Klavier, sehr zur Freude eines begeisterten Publikums.

Russlands Botschafter Dr. Sergej J. Netschajew (li.)verlas Grußworte von ISO-Präsident Dr. Boris Aleshin sowie des Leiters der Föderalen Agentur für Technische Regulierung und Metrologie Russlands, Prof. Dr. Grigory Elkin.

Wirtschaftsminister Dr. Reinhold Mitterlehner hob die hohe Kompetenz sowie den Sachverstand Prof. Barfuß‘ hervor. Wie kaum ein anderer verstehe er es, Theorie und Praxis zu verknüpfen.

Anlässlich des 75. Geburtstags seines Präsidenten, Univ.Prof. DDr. Walter Barfuß, lud Austrian Standards am 1. Februar zu einem Geburtstagsfest. Der Einladung folgten 120 prominente Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwal-tung – darunter Wirtschaftsminister Mitterlehner und Sozialminister Hundstorfer.

Zu den Gratulanten beim Geburtstagsfest für Austrian Standards Präsident Barfuß zählten neben Wirt-schaftsminister Mitterlehner und Sozialminister Hundstorfer u.a. Univ.Prof. Dr. Andreas Khol, Nationalratspräsident a.D., der ehemalige EU-Agrarkommissar Dr. Franz Fischler, Bun-desminister a.D. Dr. Martin Bartenstein, Univ.Prof. Dr. Ger-hart Holzinger, Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Univ.Prof. Dr. Clemens Jabloner, Präsident des Verwal-tungsgerichtshofs, die Botschafter Russlands und Ungarns, Dr. Sergej J. Netschajew und Vince Szalay-Bobrovniczky, Dr. Franz Fiedler, Präsident a.D. des Rechnungshofs, Dkfm. Elisabeth Gürtler, Hotel Sacher, die Direktoren der Wien-Holding, KommR Peter Hanke und Dipl.-Ing. Sigrid Oblak, der Dekan der Juristischen Fakultät der Universität Wien, Univ.Prof. DDr. Heinz Mayer, der Präsident der Schweizerischen Normen-Vereinigung SNV, Botschafter Dr. Oscar Zosso, der Direktor des Deutschen Instituts für Normung DIN, Ing.Dr. Thorsten Bahke, der Präsidialchef des Bundeskanzleramts, Dr. Manfred Matzka, der Vize-kabinettschef des Bundespräsidenten, Dr. Heinz Anton Hafner, Spitzenbeamte des Wirtschaftsministeriums mit Sektionschef Dr. Matthias Tschirf an der Spitze sowie des Wiener Rathauses mit dem Stv. Magistratsdirektor Mag. Wolfgang Müller an der Spitze.

Wirtschaftsminister Dr. Reinhold Mitterlehner, MinR Mag. Sylvia Paliege-Barfuß, Univ.Prof. DDr. Walter Barfuß, Sozialminister Rudolf Hundstorfer (v.li.n.re.)

Univ.Prof. Dr. Clemens Jabloner (li.), Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, und Univ.Prof. Dr. Gerhart Holzinger, Präsident des Verfassungsgerichtshofs

SNV-Präsident Dr. Oscar Zosso (li.), mit DIN-Direk-tor Ing.Dr. Thorsten Bahke (m.) und Dr. Gerhard Hartmann, Direktor Austrian Standards

Der frühere EU-Agrarkommissar Dr. Franz Fischler (li.) und Univ.Prof. Dr. Andreas Khol, Nationalratspräsident a.D.

Der Dekan der Juristischen Fakultät der Universität Wien, Univ.Prof. DDr. Heinz Mayer

Wirtschaftsminister a.D. Dr. Martin Bartenstein

Mario Zenhäu-sern, Chef-redakteur der Tiroler Tages -zeitung

Der ungarische Botschafter Vince Szalay-Bobrovniczky

Dr. Franz Fiedler, Präsi-dent a.D. des Rechnungs-hofs

WKÖ-General-sekreträrin Anna-Maria Hochhauser