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Gefeiert, verfolgt, ermordet und dann vergessen? Zur Geschichte des jüdischen Sports in der Zeit des Nationalsozialismus Lorenz Peiffer / Leibniz Universität Hannover

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Gefeiert, verfolgt, ermordet –

und dann vergessen?

Zur Geschichte des jüdischen Sports in der Zeit des Nationalsozialismus

• Lorenz Peiffer / Leibniz Universität Hannover

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Die Olympiariege von 1896. Stehend li: Gustav Felix Flatow; sitzend 2. v.re.: Alfred Flatow

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Gefeiert!

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Zum Zeitpunkt der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten gehörten nur ca. 3-4%

der ca. 540.000 Mitglieder der jüdischen Glaubensgemeinschaft in Deutschland

eigenständigen jüdischen Sportvereinen an

• Makkabi: ca. 30 Vereine mit ca. 8.000 Mitgliedern• Sportgruppen des Reichsbundes jüdischer

Frontsoldaten: ca. 7.000 Mitglieder• Verband Jüdisch-Neutraler Turn- und

Sportvereine Westdeutschlands: 18 Vereine mit ca. 5.000 Mitgliedern

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Vergleichszahlen (1930)

Deutsche Turnerschaft

12.863 Vereine 1.618.792 Mitglieder

Deutscher Fußball-Bund

7.117 Vereine 890.688 Mitglieder

Arbeiter- Turn- und Sportbund

6.886 Vereine 738.048 Mitglieder

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Verfolgt!

Der 30. Januar 1933 und die Folgen der nationalsozialistischen

Machtübernahme für die jüdischen Sportlerinnen und Sportler

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Ziele der nationalsozialistischen Politik

• Zerstörung der Grundlagen der Demokratie

• Zerschlagung der organisierten Arbeiterbewegung

• Militarisierung der deutschen Gesellschaft

• „Lösung der Judenfrage“

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„Negative“ Eugenik

„D.h. die Bevölkerungswissenschaft legte nun das Konzept einer ausgrenzenden, qualitative und quantitative Aspekte berücksichtigenden ‚praktischen Bevölkerungs-politik‘ vor. (...) Nicht mehr die positive Auslese allein stand nun im Mittelpunkt, sondern die Ausmerzung des Minderwertigen trat immer deutlicher hinzu (...). Die rassenhygienische Erneuerung konnte demnach nur durch eine Doppelstrategie erreicht werden: durch die Förderung positiver erbbiologischer Auslese und die Ausmerzung aller krankhaft und unerwünscht definierter Erbanlagen” (Reulecke 1988, 24f.).

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„Auf Grund unserer rein konfessionellen Einstellung (katholische Sportorganisation) war

und ist uns eine Aufnahme jüdischer Rassenangehöriger von jeher verboten. Sollte jedoch die Forderung einer Satzungsänderung

bzw. Hinzufügung auch für die konfessionellen Sportvereine bestehen bleiben, so sind wir gern bereit dieser Forderung Folge zu leisten, um so etwa zum Einheitsgedanken im deutschen Sport

mitzuhelfen“.

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Die Praxis der ‚Arisierung‘ in der deutschen Turn- und

Sportbewegung

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• Der Deutsche Schwimmverband bekannte sich im April 1933 zum ‚Arierparagraphen‘ und schloss die Juden aus den Vereinen aus

• Die beiden deutschen Boxverbände strichen im April sämtliche Juden, auch christlich getaufte, aus ihren Mitgliederlisten

• Der Verband Brandenburgischer Athletik-Vereine trennte sich im April 1933 von den kooperativ angeschlossenen jüdischen Vereinen. Die Punktspiele des jüdischen Vereins S.C. Hakoah Berlin wurden einfach abgesagt

• Der Deutsche Ruderverband beschloss im Mai 1933 die Aufnahme ausschließlich arischer Mitglieder

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Amtliche Bekanntmachung des Deutschen Fußballbundes am 19. April 1933

Der Vorstand des DFB und der Vorstand der Deutschen Sportbehörde halten Angehörige der jüdischen Rasse, ebenso auch Personen, die sich

als Mitglieder der marxistischen Bewegung herausgestellt haben, in führenden Stellungen der Landesverbände und Vereine nicht für tragbar. Die Landesverbände und Vereine werden aufgefordert,

die entsprechenden Maßnahmen, soweit diese nicht bereits getroffen wurden, zu veranlassen“

(vgl. Fischer/Lindner 1999, 192).

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Schreiben von Julius Hirsch vom 10. April 1933 an den KFV

• „Ich lese heute im Sportbericht Stuttgart, dass die großen Vereine, darunter auch der KFV, einen Entschluss gefasst haben, dass die Juden aus den Sportvereinen zu entfernen seien. Ich gehöre dem KFV seit dem Jahre 1902 an und habe demselben treu und ehrlich meine schwache Kraft zur Verfügung gestellt. Leider muss ich nun bewegten Herzens meinem lieben KFV meinen Austritt anzeigen. Nicht unerwähnt möchte ich aber lassen, dass (es) in dem heute so gehassten Prügelkind der Nation auch anständige Menschen und vielleicht noch viel mehr national denkende und auch durch die ‚Tat bewiesene und durch das Herzblut vergossene‘ deutsche Juden gibt“.

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Daniel Prenn

• 25. August 1905 im litauischen Wilna geboren

• Mai 1928 erstes Davis-Cup-Spiel für Deutschland

• Emigrierte 1933 nach England

• 1991 in London verstorben

• „Die Tennislaufbahn des begeistert gefeierten Deutschen Meisters und Davis-Cup-Helden zerbrach nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten an der Verbannung jüdischer Athleten aus den deutschen Sportverbänden“ (Quelle:Tennis in Deutschland. Hundert Jahre Deutscher Tennis Bund. 2002, 146.)

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Gretel Bergmann

• „Ich war die große jüdische Hoffnung“

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Die Selbstorganisation des jüdischen Sports im

nationalsozialistischen Deutschland

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Neue Sportvereine und Sportgruppen entstehen

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Mitteilung des Reichssportführers von Tschammer und Osten an die

jüdischen Sportverbände:

„Betr. Sportbetätigung jüdischer Vereine

Gegen sportliche Betätigung selbständiger jüdischer Vereine, gegen die keine polizeilichen

Bedenken bestehen, habe ich nichts einzuwenden. Ich bin auch damit einverstanden,

dass sich diese Vereine zu Verbänden zusammenschließen.“ (November 1933)

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Entwicklung der Mitgliedszahlen im Sportbund des RjF

1934 17.000 Mitglieder 156 Sportgruppen

1935 20.000 Mitglieder 182 Sportgruppen

1936 (1. Halbjahr)

21.000 Mitglieder 216 Sportgruppen

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Hannover (2)Braunschweig (2)

Peine

Wolfenbüttel

Göttingen (3)

Hildesheim (2)Hameln

Stadt-oldendorf

Hann. Münden

OsnabrückBentheim

Fürstenau

Twistringen

Bremen (2)Oldenburg (2)

BremerhavenEsens

Leer

Emden (2)

Aurich

Uelzen

Jüdischer Sport in Niedersachsen

Überblick über alle Vereine, 1933-1938

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HannoverBraunschweig

Peine

Wolfenbüttel

Göttingen

HildesheimHameln

Stadt-oldendorf

Hann. Münden

OsnabrückBentheim

Fürstenau

Twistringen

BremenOldenburg

BremerhavenEsens

Leer

Emden

Aurich

Uelzen

Vereine nach Verbandszugehörigkeit

blau = Makkabi, rot = RjF, weiß = freie Klubs

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Ermordet!

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Vergessen?

Vergessen!

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Alt-Bundespräsident Roman Herzog anlässlich des Holocaust-Gedenktages

1999

„Ohne gründliches Wissen um seine Geschichte kann auf die Dauer kein Volk bestehen.. (...) Wenn ein Volk aber versucht, in und mit seiner Geschichte zu leben, dann ist es gut beraten, in und mit seiner ganzen Geschichte zu leben und nicht nur mit ihren guten und erfreulichen Teilen. (...) Für mich ist jeder Versuch, die Verbrechen des Nationalsozialismus aus der geschichtlichen Erinnerung auszublenden, letztlich nur eine besondere Form intellektueller Feigheit“.

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Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!