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Ausgabe 5 – November 2005 Zum Mitnehmen! Zeitschrift für FREIE GEISTIGE PRODUKTION auf anthroposophischer Grundlage Das Kommunikationsmedium der Denkschule in Hamburg Beiträge zum Weltverständnis GEIST DENKEN MATERIE MENSCH WELT WAHRNEHMUNG S C H Ö P F U N G E R K E N N T N I S Zehn Jahre Denkschule und kein Ende Kursprogramm 2006

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Ausgabe 5 – November 2005 Zum Mitnehmen!

Zeitschrift für FREIE GEISTIGE PRODUKTION auf anthroposophischer Grundlage

Das Kommunikationsmedium derDenkschule in Hamburg

Beiträge zum Weltverständnis

GEIST

DENKEN

MATERIE

MENSCHWELT

WAHRNEHMUNG

SCHÖPFUNG

ERKENNTNIS

Zehn Jahre Denkschuleund kein Ende

Kursprogramm 2006

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gewiß sind zehn Jahre keine Ganzheit imanthroposophischen Sinne. Ein echtes esoteri-sches Jubiläum hätte daher entweder schon nachsieben oder dann erst wieder nach zwölf Jahrenstattfinden müssen. Dennoch fühlt es sich nachzehn Jahren schon so an, als wäre eine ganzbestimmte Periode abgelaufen und als begänneetwas wieder von neuem. Daß diese Empfindungihre Berechtigung hat, führt Lars Grünewald inseinem Artikel „Zeitgeist und Gedächtnis“ aus, inwelchem neben einem 70-Jahres-Rhythmus auchrecht überzeugend ein Zehn-Jahres-Rhythmusbeschrieben wird.

Als vor zehn Jahren der Unterricht der Denk-schule begann, gab es keine Anzeichen dafür,daß meine Initiative ein ganzes Jahrzehnt über-dauern würde. Um so schöner ist es, jetzt auf dasErreichte zurückzuschauen. Eine große Dank-barkeit erfüllt mich, Dankbarkeit gegenüberallen, die durch ihre Teilnahme die Denkschuleimmer wieder möglich gemacht haben. Niemalsje wäre ich so tief in das Werk Rudolf Steinerseingedrungen, wenn nicht immer wieder interes-sierte Teilnehmer da gewesen wären, die michdurch ihr Interesse zum vertieften Studium veran-

laßten. Dankbarkeit empfinde ich auch vor allemgegenüber jenen, die durch ihre aktive Mithilfeoder ihre finanzielle Unterstützung das Unter-nehmen mitgetragen haben und noch tragen. Dergrößte Dank aber, der denkbar ist, gilt dem gro-ßen Menschheitslehrer Rudolf Steiner und allen,die in seinem Sinne wirksam waren und sind, umuns das Ergreifen der Wissenschaft vom Geist zuermöglichen.

Wenn ich zurückschaue, so steht mir nochimmer recht deutlich vor Augen, in welcherschwierigen Seelenlage ich mich vor elf Jahrenbefand angesichts unüberbrückbarer Gegensätzezwischen mir und den anthroposophischenMenschen, die ich damals kannte. Diese Men-schen – mit nur wenigen Ausnahmen – wolltendie Anthroposophie mit dem normalen Gelehr-samkeits-Denken erfassen und waren nichtgewillt, eigene Gedanken zu entwickeln. Siewollten nicht dasjenige Denken sich erarbeiten,welches meiner Auffassung nach Rudolf Steinervoraussetzte für den fruchtbaren Umgang mit derAnthroposophie. Dieses Denken, welches fähigist, das hinter der physischen Welt als derenUrsachen webende Geistige im Menschen erleb-

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Ausgabe 5 – November 2005

➜ In eigener Sache Seite 2

➜ Neue Museen braucht das Land Seite 5

➜ Gentechnik - ein Eingriff in den Logos? Seite 9

➜ Seminarbericht: Ernährung, Landwirtschaft und Anthroposophie Seite 19

➜ Zeitgeist und Gedächtnis - von Lars Grünewald Seite 26

➜ Was die Seele bewegt - Leserbeiträge Seite 36

➜ Veranstaltungen Seite 42

➜ Kursprogramm 2006 Seite 44

➜ Weltenhumor Seite 45

➜ Werbung in der ProSophia Seite 47

➜ Impressum Seite 48

In dieser Ausgabe:

Liebe Freunde,

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bar zu machen, wurde nicht gesucht. Statt dessenwollte man nur lernen, was in den Büchern steht,und da nun aber darin stand, daß man dieWeltgedanken in sich erlebbar machen soll,sagte man mir gewissermaßen: Es genügt uns,dies zu wissen, aber anwenden wollen wir esnicht. Das bedeutet: Wir wollen nur unser Wis-sen vergrößern, aber nicht selber Ideen schöpfen.Denn wenn wir selbst denken, kommt dochnichts Gutes dabei heraus. Da blamieren wir unsnur. So in etwa – zugespitzt formuliert – fand ichdie Haltung der anthroposophischen Menschenseinerzeit vor und war zutiefst erschüttert.Damals hatte ich noch nicht den Band Nr. 222der Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe gelesen, inwelchem dieses Problem genauestens beschrie-ben ist. Jedenfalls hatte dieser schwierige Um-stand zur Folge, daß mir plötzlich klar wurde: Esmuß unbedingt eine Denkschule geben und dumußt sie gründen und betreiben. Kaum hatte ichdiesen Gedanken so recht begriffen, da setztesich alles, was zur Verwirklichung dieser Ideenotwendig war, in Gang und ließ sich ohne grö-ßere Schwierigkeiten verwirklichen. Die Wer-bung erschien im Hinweis, einem anthroposo-phischen Veranstaltungskalender in Hamburg.Ich rechnete insgeheim mal mit zehn, mal mitfünfzehn Teilnehmern, an kühnen Tagen sogarmit zwanzig. Rechtzeitig am ersten Abend hatteich den Raum hergerichtet mit Stühlen an Tischenzum Arbeiten für maximal zwanzig Teilnehmer.Ein halbe Stunde vor Beginn erschienen schoneinige und setzten sich. Fünfzehn Minuten vorBeginn waren es schon über zehn Teilnehmer.Fünf Minuten später waren alle Plätze besetzt.Was nun? Es kamen weitere. Wir mußten dieTische wieder abbauen. Nach und nach wurdenalle Tische abgebaut und immer mehr Stühle auf-gestellt. Fünf Minuten nach dem offiziellenBeginn waren es mehr als fünfzig Teilnehmer.Unglaublich! Ich begann mit dem Vortrag undkonnte ihn ohne große innere Unruhe durchfüh-ren. Eine schöne Getragenheit ergab sich zu mei-ner eigenen Überraschung. Die Aufmerksamkeitwar immens und ebenso die Sympathie, mit dermein Anliegen aufgenommen wurde. Das in ein-jähriger Arbeit entstandene Konzept einer neuenUnterrichtsform schien zu funktionieren. AmEnde gab es viel freundlichen Zuspruch undAbsichtserklärungen, dabei bleiben zu wollen.Ein Wunder war geschehen. Aus dem (anthropo-sophischen) Nichts heraus einen Kurs mit fünfzigTeilnehmern zu haben, das hatte ich mir nicht

träumen lassen. Und so lief der Kurs das ganzeJahr über mit einer nur sehr langsam abbröckeln-den Teilnehmerzahl. Am Jahresende waren nochmehr als fünfundzwanzig hoch motivierteTeilnehmer da, die begannen, mich zu fragen,was denn nun im nächsten Jahr folgen würde.Schon während der Sommerpause ging mir dieseFrage durch den Kopf und ich begann nachMöglichkeiten für einen zweiten, einen Aufbau-kurs zu suchen. Dabei mußte ich allerdingsschmerzlich bemerken, daß mein wirklicherAuftrag, wenn man es so nennen will, sich nurauf den Grundkurs erstreckte, für weiteres warzwar die Möglichkeit vorhanden, aber kein sol-cher innerer Auftrag, wie bezüglich des Denkensfür den Grundkurs. Um die schöne, gewachseneGemeinschaft der Teilnehmer nicht abrupt aufzu-lösen, wurde dann im zweiten Jahr der Aufbau-kurs eingerichtet mit dem Titel „Vom Denkenzum Tun – Wie kann Anthroposophie Leben wer-den?“. Doch das Fehlen eines wirklichen Kon-zeptes, das Fehlen von anthroposophischenThemen, die in mir so stark lebten, daß sie unbe-dingt gerade von mir an die Menschen weiterge-geben werden mußten, machte sich mit der Zeitim negativen Sinne bemerkbar. Der Kurs erreich-te nicht die Frische und inhaltliche Dichte desGrundkurses. Ich konnte dies so genau beobach-ten, weil ja inzwischen der neue Grundkurs deszweiten Jahres mit ähnlichem Erfolg wie der ersteangelaufen war. Der Aufbaukurs begann zwar mitviel Enthusiasmus der Teilnehmer, mußte abernach zwei Jahren eingestellt werden, weil dasKonzept nicht trug. Erst zum Jahr 1999 gelang esmir, einen echten Aufbaukurs zu entwickeln.Und zwar handelte es sich um das Thema meinesersten Buches, welches damals noch nicht fertig-gestellt war, sondern in einem ersten, etwa drei-ßig-Seiten-langen Manuskript herumgereichtwurde. Es handelte von der Frage, was es mit denUFO-Erscheinungen auf sich hätte, und ob daeine Verbindung zu den Angaben Rudolf Steinersüber Engel und andere Geistwesen bestündeoder nicht. Dieses Thema konnte über mehrereJahre im Aufbaukurs verfolgt werden und trugwesentlich zur Fertigstellung meines Buches bei,welches dann unter dem Titel Die Offenbarungder Engel und die achte Sphäre – Erleben wirUFOs oder Christus und Angelos? im Jahre 2002im Verlag Ch. Möllmann erschien.

Schon im zweiten Jahr wurde das erste Natur-betrachtungs-Seminar durchgeführt. „Naturbe-trachtung und Erlösung“ fand 1997 erstmalig im

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Spöktal in der Lüneburger Heide statt. Die Ideewar, das ganze Thema der Natur und der in die-ser wirkenden Elementarwesen sozusagen vorOrt mit Übungen versehen zu bewegen. Es zeig-te sich sofort, daß dieser Gedanke zutreffend war,so daß dieses Seminar inzwischen acht Maldurchgeführt werden konnte. Als zweites wurdedas Ernährungs-Seminar „Essen & Denken“ ver-anstaltet, mit der Absicht, die Teilnehmer inErnährungs-Zusammenhänge vor allem auchpraktisch einzuführen, denn Rudolf Steiner hatteimmer wieder auf die Wichtigkeit der richtigenErnährung hingewiesen, was aber im allgemei-nen nur wenig beachtet wird. Als drittes Seminarfolgte „Schöpferisches Denken“, welches nocheinmal konzentriert die produktiv-schöpferischeDenkweise übt. Allmählich reifte dann auch dieIdee zu einem dritten wöchentlichen Abendkurs.Und zwar erschien es mir dringend erforderlich,etwas im zwischenmenschlichen, im sozialenBereich zu veranstalten, denn die Not derVereinsamung inmitten der Menschenmassenstand mir deutlich vor Augen. Dazu kam derHinweis Rudolf Steiners darauf, daß der im Äthe-rischen erscheinende Christus vor allem imSozialen wirken würde. Der sozial-ethische Kursmit dem Titel „Anthroposophische Menschen-begegnung“, den ich zunächst mit Peter Kunert,später mit Peter Drescher zusammen durchführte,sollte Erfahrungen sammeln bei der Umsetzungder Angaben Steiners zum Sozialzusammenhang.Es war dies eine wichtige Übung, deren Fruchtnun Bestandteil der Lebensschule bzw. des fort-laufenden Studienkurses geworden ist. In derMitte eines jeden Kursabends wird stets einZweier-Gespräch zwischen je zwei Teilnehmernzu einem vorgegebenen Thema durchgeführt.Dies hat wesentlich zur Gemeinschaftsbildunginnerhalb der Denkschule beigetragen. Im Jahr2002 erreichte das Kursangebot einen erstenHöhepunkt. Insgesamt vier Abendkurse wurdendurchgeführt, als zu Grundkurs, Aufbaukurs,sozial-ethischem Kurs als weiterer der For-schungskreis „Leben mit den Toten“ hinzukam.Es war dies ein Studienkurs zum Thema desTodes, des Nachtodlichen und Vorgeburtlichen.In diesem Jahr sandte mir Lars Grünewald einsehr interessantes Manuskript zu, in welchemAussagen Rudolf Steiners zur Bedeutung derPhilosophie Hegels enthalten waren, die mir sehrbedeutsam erschienen und so lud ich ihn spon-tan ein, einen eigenen Kurs innerhalb der Denk-schule zum Thema der Hegelschen Logik anzu-

bieten. Lars willigte freudig ein, so daß zu mei-nen vier Kursen nun auch noch der Hegel-Kursvon Lars Grünewald hinzukam. Mit fünfAbendkursen erreichte das Angebot der Denk-schule im Jahre 2003 seinen bisherigen Höhe-punkt. Lars Grünewald begann seinen ersten Kurs„Hegels Wissenschaft der Logik – Welterkenntnis,Machtmißbrauch und Globalisierung“ mit etwafünfzig Interessenten. Es wurde ein sehr schönerErfolg, so daß im Jahr darauf ein zweiter Kurs mitähnlich starkem Zuspruch folgte. 2004 war auchdas Jahr der ersten Ausgabe der ProSophia. DieIdee war, zum einen den Kontakt zu den ehema-ligen Teilnehmern nicht zu verlieren und zumanderen, das einmal für die Kurse Erarbeitete zudokumentieren und für weitere Kreise zugänglichzu machen. Als die Idee erschien, wies ich siezurück mit dem Argument, dafür nun wirklichkeine Zeit zu haben. Doch die Idee blieb hartnä-ckig, sie wollte sich unbedingt umsetzen. Und sotrat dann zunächst Ulrike Nadler an mich heranund bot an, mir bei Textarbeiten als Lektorin zuhelfen. Wenig später bot Archibald Kleinau miran, mich in allen Druck-Fragen zu unterstützen.Das war gewiß kein Zufall und so machten wiruns an die erste Ausgabe. Das weitere kennen dieLeser. Das Jahr 2005 brachte für alle Kurse vonvornherein einen gewissen Rückgang derTeilnehmerzahlen. Einen solchen Rückgangkonnte ich schon einmal beobachten und zwarnach der Sprengung des World-Trade-Centers.Kurz vor Beginn dieses Jahres riß die Tsunami-Katastrophe Tausende von Menschen in den Tod,was ja gewiß ein tief beeindruckendes Ereigniswar. Aber irgendwie scheinen solche tief erschüt-ternden Ereignisse die Menschen weniger geneigtzu machen, Abendkurse zu besuchen. Jedenfallswaren die Teilnehmer-Rückgänge nicht nur in derDenkschule zu bemerken, sondern ganz allge-mein. Trotz rückläufiger Teilnehmerzahlen gehenwir nun mit guter Hoffnung in das Jahr 2006.Unsere neuen Kurse sind unter „Veranstaltungen“am Ende der ProSophia zu finden und zusätzlichin Form eines Leporello unserer Zeitschrift beige-legt. Ja, liebe Freunde, ich möchte noch einmalmeinen allerherzlichsten Dank an alle Teilneh-mer und Helfer der Denkschule aussprechen. Eswar wirklich eine großartige Zeit. Durch Euchhabe ich so unendlich viel gelernt. Ihr habt michdiszipliniert, jede Woche für jeden Kurs einZwei-Stunden-Programm parat zu haben und dieAnthroposophie immer besser und tiefer zu ver-stehen. Auf eine gute Zukunft, Hans Bonneval

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Schaut man sich in unserem Lande die vorhan-denen Museen an, so kommt man zu demSchluß, daß sie hoffnungslos veraltet sind. Imwahrsten Sinne museumsreif sind die Museenselbst. Viele von ihnen verdienten, ausgestellt zuwerden nach dem Motto: Kommt und seht, wieman früher ins Museum ging, um alte Sachen zubestaunen. Bei näherer Betrachtung der gängigenAusstellungsformen kam ich zu der Überzeu-gung, daß die gewaltigen Veränderungen, diesich sowohl im Seelisch-Geistigen der Menschenals auch in unserer physischen Umgebung in denletzten hundert Jahren eingestellt haben, eineganz andere Art der musealen Betrachtungsmög-lichkeit verlangen. Viel wichtiger als das bloßäußere Betrachten von Altem, Edlem, Seltenem,Kuriosem oder Wertvollem sollte das Wecken desBewußtseins für die wahren Weltzusammen-hänge sein. Das wird gewiß schon mancherortsgeleistet, doch die Bewußtseins-weckende Wir-kung – so meine ich – müßte mehr im Vorder-grund stehen bei der Planung von Museen. Daseigentlich Erstaunliche, das Frappierende, dasAusstellungswürdige ist immer der innere Welt-zusammenhang, der Sinn, die Bedeutung einerjeden Welterscheinung. Statt im herkömmlichenSinne bloß die äußerlichen Aspekte zu beleuch-ten, sollten neue Museen geschaffen werden,welche die inneren, geistigen Aspekte der Weltausstellen, wie sie beispielsweise aus der Anthro-posophie Rudolf Steiners zu gewinnen sind. ImZeitalter der Medien ist das „höher, schneller,weiter“ ausgereizt. Die allgegenwärtigen „Hitlis-ten“ zeigen stets die aktuellen Rekorde. Die per-manente Vorführung der Weltmeister, Stars undExperten vergrößert nur die Leere in den Herzen,aber sie gibt nicht, was die Seele sehnlichstsucht: den Sinn. So ist es vergleichsweise lang-weilig, bloß alte Trachten und Werkzeuge ihreräußerlichen Erscheinung nach anzuschauen.Wird aber der Sinn der einzelnen Kleidungs-stücke und Geräte erläutert, zeigt man die Ferti-gungs- und Anwendungsweisen, dann ist dasInteresse groß. Ich bin daher der Auffassung, daßein zeitgemäßes Museum vor allem Sinn-stiftendauf die Besucher wirken sollte.

Und so schwebt mir schon seit Jahren vor, eingroßes Museum ins Leben zu rufen, welches alles

das ausstellt, was ein Mensch in seinem Lebenverbraucht und erzeugt. Mir scheint nichts bessergeeignet zu sein, ein Verantwortungsbewußtseinzu entwickeln für den Umgang mit der Erde undihren Wesen, als eine solche Ausstellung, die indrastischer Weise die Lebensspuren eines einzi-gen Menschen sichtbar macht. Man stelle sichnur die riesigen Berge von Kartoffeln vor, die eindeutscher Mensch in seinem Leben ißt, oder dieMenge der verschiedenen Getränke, die er trinkt,die vielen Gemüsesorten und Früchte, das ganzeBrot, die Nudeln, den Reis oder die vielen Süßig-keiten, und auch all das, was er davon wiederausscheidet – dazu das, was aufgewendet wird,um diese Lebensmittel herzustellen, zu transpor-tieren, zu lagern usw. Oder auch die Luftmenge,die er atmet, die Haare, die ihm im Leben wach-sen und wieder ausfallen oder abgeschnittenwerden, die Nägel, die Hautschuppen, derSchweiß, die Tränen, der Schnupfen, der Husten,die Nieser usw., all das soll das Museum zeigen.Dazu kommt der Verbrauch an Kleindungsstük-ken, Schuhen, Fahrrädern, Autos, Schreibpapier,Häusern, Tapeten, Kochtöpfen, Zahnpasta, Seife,Vogelfutter, Waschpulver, Waschwasser, Kau-gummi, Zeitungen, Kosmetika, Zeitschriften,Heftklammern, Nägeln und Schrauben, Papier-taschentücher und Toilettenpapier, Möbel, Tassenund Gläser, Kunstdünger für die Nahrungsmittelund die Zier-Pflanzen, Elektrogeräte, Werkzeuge,Telefone, Blumensträuße, Benzin, Schallplatten,CDs, Medikamente, Fernseher, Telefone, Regen-schirme, Kalender, und, und, und ... Wenn dieseDinge in der richtigen, d. h. zusammengehörigenWeise installiert und erlebbar gemacht würden,wäre das ein kolossales Erlebnis für die Men-schen aller Altersgruppen. Freilich braucht manfür eine wirklich wirksame Installation schonsehr gute Ideen. Doch diese zu entwickelnscheint mir nicht das eigentliche Problem zusein. Vielmehr scheint es mir die Frage zu sein,ob unsere Kulturträger eine solche Bewußtseins-verstärkung überhaupt wünschen.

So müßten z. B. auch die Zigaretten einesdurchschnittlichen Rauchers, die sich auf etwa500.000 Stück belaufen, nicht einfach nur ver-packt aufeinandergelegt werden, sondern esmüßten auch die übrigbleibenden Reste der ein-

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Neue Museen braucht das LandDas Mensch-Museum und andere Notwendigkeiten

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zelnen Zigaretten, die Kippen, die Asche und dieSchachteln und all der sonstige Abfall, der bei-spielsweise bei der Produktion entsteht, sichtbargemacht werden. Auch z. B. der Teer, der sich inder Lunge absetzt, soll gezeigt werden und eben-so eine vorstellbare Vergleichsgröße für die Men-ge des erzeugten Rauches. Dazu könnte manauch das Geld zeigen, welches für die Zigarettenim Leben ausgegeben wurde, die Steuern, diedavon bezahlt wurden, die Gehälter usw. Erstwenn der Lebens-Verbrauch eines Menschen indieser Weise sichtbar gemacht wird, kann dasrichtige Bewußtsein entstehen. Ähnlich ist es beider Nahrung. Man stelle sich nur die Herden derSchafe, Rinder und Schweine vor, die zur Ernäh-rung eines Menschen geschlachtet werden müs-sen – auch die Hühner, Puten, Enten und Fische.Dazu gehört dann wieder das ganze Futter, dasGras, welches von den Tieren gefressen wurde,das Wasser, welches sie tranken, die Luft, die sieatmeten. Außerdem sollte man beispielsweise dievielen Fliegen, Mücken und sonstigen Tiere, dieein Mensch in seinem Leben erschlägt, vergiftetoder durch das Auto- und Bahnfahren tötet, zei-gen. Durch solche Darstellungen kann entstehen,was man in neuerer Zeit ein Umweltbewußtseingenannt hat. Auch müßte zur Ausstellung kom-men der ganze Strom, das Heizöl, die Wärme,das Flugbenzin, die Kühlenergie, die für einenMenschen in seinem Leben aufgewendet wird.

Desweiteren zur Darstellung kommen sollendie vielen Taten und Tätigkeiten, die ein Menschetwa durch sein Berufsleben vollführt – so z. B.auch die Schritte, die er geht im Leben und dieAtemzüge, die er macht. Zu dem wäre noch dasganze seelische Leben auszustellen, die vielenFilme, die ein Mensch sieht, die Bücher undZeitschriften, die er ließt, die Musik, die er hört,die Gebete, die er spricht, die sämtlichen Ge-fühle und Gedanken, die ein Mensch zeitlebenshegt.

Allem übergeordnet, aber durchaus auchdezent, sollte dann versucht werden, das eigent-lich gesunde, der Mensch-Idee entsprechendeLeben gegenüber dem tatsächlich durchschnitt-lich gelebten Leben darzustellen. Die AngabenRudolf Steiners, dessen Wissenschaft vom Geistja nichts anderes ist, als eine genaue Beschrei-bung der Welt- und Mensch-Idee, soll dabei dieGrundlage sein. So könnte man beispielsweiseneben dem ausgestellten durchschnittlichenNahrungsmittelverbrauch die nach Steiners An-gaben wirklich gesunde Ernährungsweise schrift-

lich oder auch graphisch darstellen. Bei einemVegetarier beispielsweise würden ja ganzeRinderherden, Schweinerotten und Geflügel-schwärme fehlen gegenüber dem Fleischesser.Dafür wären die Frucht- und Pflanzenberge we-sentlich höher. Auch lohnte sich das Geistig-Seelische Leben des Menschen darzustellen – ichdenke da beispielsweise an den Unterschied zwi-schen einem gewöhnlichen Fernsehkonsumentenund einem Menschen, der in seiner Freizeit An-throposophie studiert. Der Fernsehkonsumentfüllt seine Seele mit immer neuen Illusionen undUnwahrheiten aus der Unterhaltung an, der gei-steswissenschaftlich Interessierte dagegen mitimmer mehr Weltwahrheit. Auch erzeugt dersporttreibende Fitneßmensch eine ganz andereGeistigkeit als der Eurythmist oder Sprachgestal-ter. Überhaupt wäre es denkbar, auch all diedurch den Menschen erzeugten, veränderten undvernichteten Elementar- und sonstigen Wesendarzustellen. Hier muß genau geschaut werden,wie weit eine solche Darstellung dem unbedarf-ten Betrachter noch etwas bedeuten kann undwann sie anfängt, ihn zu verunsichern oder abzu-stoßen. Am Ende des Rundganges durch dasmenschliche Leben, durch das Museum, sollteman einen besonderen Ort schaffen, der das„Resümee“ genannt werden kann. Ein Grabsteinsymbolisiert das Ende des Erdenlebens und dieFrage entsteht: Was ist von all dem geblieben?Und: Wie geht es weiter? Geht es weiter? Unddann wäre darzustellen, wie aus all den Lebens-mitteln Taten und Erfahrungen wurden, die ihreSpuren hinterlassen haben, die aber insgesamtalle wiederum zu Geist geworden sind. Dennwas bleibt von einem Haus, das der Menschbaute? Die Mauern sind es doch nicht, wegenwelcher man es gebaut hat, sondern die schüt-zende Wirkung, welche die Mauern auf die darinwohnenden Menschen haben, ist es, weshalbman das Haus baute. Der Schutz ist aber nichtnur materiell, sondern auch ideell. Ich schützemich und andere durch das gebaute Haus, damitdie solchermaßen geschützten Menschen besserleben können, das bedeutet aber, besser erken-nen und besser aus dem Erkennen wiederumschaffen können. Und wer nicht allzu materialis-tisch eingestellt ist, erkennt schon an diesemBeispiel: Des Menschen vorgeburtlicher Ur-sprung ist Geist, ist Idee – des Menschen Erden-leben aber ist verwirklichte Idee, umgestülpterGeist, Materie – des Menschen nachtodliche Exi-stenz ist wiederum Geist, ist durch das Erden-

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leben bereicherte Idee – und der Sinn menschli-chen Daseins ist die Bereicherung seines Geistes,seiner Idee, seines Ich, bis er zu höheren Exi-stenzformen aufsteigen kann. Dies sollte amEnde des Lebensweges, am Ende des Rundgangesdurch das Museum dargestellt werden.

Die Ermittlung des Lebens-Gesamt-Verbrau-ches und der entsprechenden Lebens-Gesamt-Er-zeugung eines einzelnen Menschen wäre einlohnendes Thema für die Examensarbeit einesoder mehrerer Soziologie-Studenten und ergäbegleichzeitig ein spannendes Buch.

Für eine solche Ausstellung braucht man einensehr großen Gebäude-Komplex. Wollte man neubauen, so sollte man die Form des Menschenselbst wählen, ein Gebäude in der Form einenliegenden Menschen, der beide Geschlechter insich vereinigt. Als Namen schlage ich vor: DasMensch-Museum – Anthropos Sophia. Letzteressteht für „Mensch-Weisheit“ oder „Weisheit vomMenschen“.

Das Baum-MuseumEin Museum ganz anderer Art wäre das Baum-

Museum. Gemeint ist nicht bloß eine Art Arbore-tum oder botanischer Garten, sondern vor allemeine Ausstellung ganzer, aber toter Bäume. Denngewöhnlich sieht man nur einen Teil des Baumes,eben jenen Teil, der sich über dem Erdboden alsder Baum erhebt. Verborgen bleibt das gesamteWurzelwerk, welches oftmals von erheblichemUmfang und sehr interessanter Gestalt ist. Manmüßte große Bäume, die beispielsweise zugun-sten irgendwelcher Baumaßnahmen gefällt wer-den sollen, vollständig ausgraben und versuchen,die sämtlichen feinen Wurzeln zu bewahren. DieBäume müßten dann in bestimme Gestelle geho-ben werden, so daß ihr Wurzelwerk voll zurGeltung kommt ohne abzubrechen. Benötigtwird ein weites Gelände, damit die Gestalten derBäume auch aus der nötigen Distanz betrachtetwerden können. Anzuraten wäre dann auch einerhöhter Gang, von dem aus die Kronen derBäume näher betrachtet werden können. Alleindie Ausstellung der heimischen Bäume würdeeine riesige Ausstellungsfläche füllen. Umsäumtwerden könnte dann das Gelände von lebendenExemplaren der toten Exponate. Auch die Ver-anschaulichung des Baumlebens wäre hochinteressant. Man könnte beispielsweise das ge-samte Laub, welches der ausgestellte Baum inseinem Leben getragen hat, in getrockneter Formanhäufen. Ebenso die sämtlichen Früchte, die er

trug, den Sauerstoff, den er abgab, die Millionenvon Insekten und sonstigen Tieren, die durch die-sen einen Baum leben konnten, wären interes-sante Ausstellungsobjekte. Auch die Wassermen-ge, die er aus dem Boden sog während seinesmehrere hundert Jahre dauernden Lebens, könn-te in einem Teich oder Bassin dargestellt werden.Selbst die Holzverwertung könnte anschaulichgemacht werden, damit ein Bewußtsein von derBedeutung der Bäume entsteht. So könnte man z. B. neben einem großen Baum all die Möbelzeigen, die sich aus dem Holz eines solchen Bau-mes bauen ließen, oder auch das Papier, zu wel-chem er verarbeitet werden könnte, oder dieHeizleistung im Falle der Verbrennung des Hol-zes usw.

Zu überlegen wäre, ob eine gewisse Konser-vierung der toten Bäume den natürlichen Verfallzu verlangsamen oder aufzuhalten vermag. DerPhantasie sind ja keine Grenzen gesetzt bei derVerwirklichung einer solchen Idee, die ich nichtnur für interessant, sondern für notwendig halte.

Museum der MusikAußerdem plädiere ich für ein Museum der

Musik. Nicht nur, daß es da schon eine langegeschichtliche Entwicklung gibt, deren Musikenund Instrumente ausgestellt werden müßten, undnicht nur, daß es sehr große regionale kulturelleUnterschiede gab und gibt, die sich auszustellenlohnten - was mir ein besonderes Problem zusein scheint, ist, daß den meisten Menschen dieUnterschiede und die Spielweisen der verschie-denen Instrumente völlig fremd sind. Es müßteein Haus geben, in welchem die einzelnen In-strumente und die verschiedenen Musikartensehr genau studiert werden können. Ein Haus,welches durchaus mit der Universität in Verbin-dung zu denken wäre, welches den Musikstu-denten zum Studium diente und gleichzeitig ei-nem interessierten Publikum. Dazugehörig seheich den Instrumentenbau und alle mit Musik ver-bundenen Einrichtungen, wie Tonstudios, Ton-trägertechnik, Musikelektronik, Funk und Fernse-hen, Tournee- und Bühnentechnik. Alleine eineSammlung alter Musikboxen wäre schon einenBesuch wert. Man könnte beispielsweise den ver-schiedenen Komponisten und Stars ganze Räumeoder Hallen widmen. Zum Musikalischen hinzu-gehörig empfinde ich den Tanz, das Ballett, aberauchMusiktherapie. Ebeneinfachalles,was mit Mu-sik im Zusammenhang steht, müßte unter einemDach versammelt sein. Angegliedert sein soll-

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te auch eine oder mehrere Bühnen auf denen his-torisch-museale Aufführungen stattfinden können.

Garten der Tempel im Museum der Spiritualität

Eine große Kirche mit all ihren Nebengebäudenwäre möglicherweise sehr gut geeignet, nicht nurBaudenkmal zu sein, sondern ein Museum, einMuseum all dessen, was die Kirche einst war: einOrt des Kultes und der Spiritualität. Man könntebei entsprechendem Platz eine ganze Landschaftder Tempel und Altäre, der Kirchen, Moscheen,Dolmen und sonstigen Sakralbauten einrichten.Das wäre auch eine Idee für den Platz um dieExternsteine. Es sollte dieses Museum ein Ortsein, an welchem tatsächlich Einblick in die Weltdes Spirituellen gewährt wird.

„Von gestern“ – Museum der Moden und Trends

Gerade die Übergänge der Moden und Trendsin das jeweils Neue und die Rhythmen derWechsel zu beobachten, ist eine hochinteressan-te Sache. Dies gegenständlich auszustellen undfür Besucher erlebbar zu machen, ist meinerMeinung nach notwendig, weil darin Spuren derZeitengeister erkennbar werden. Denn die Erin-nerungen an die Trends sich heute sehr ver-schwommen. Vergangene Trends können heutemeist nicht mehr verstanden werden. Man sollte

sich für ein solches Museum viel Platz nehmenund tatsächlich alles, was eine Epoche an Zeit-gemäßem vorzuweisen hat, in einem Raum odereiner Halle ausstellen. Immer anschließend soll-te dann die nächste Epoche zu sehen sein und soder Fluß der Trendentwicklung sichtbar gemachtwerden. Dieses Vorhaben wäre ebenfalls ein gu-tes Thema für eine Examensarbeit und auch derStoff für ein sehr interessantes Buch – etwa „Lexi-kon der Trends und Moden“.

Internationales Kinder-MuseumKinder in der ganzen Welt wachsen unter-

schiedlich auf. Je nach Kultur wurden spezielleKinder-Einrichtungen geschaffen, wie Kleidung,Spielzeug, Lieder bzw. Musik, Möbel, Spiele,Schulen. In diesem Museum sollte die Welt derKinder international dargestellt werden. DieAnthroposophie kann helfen, einzelne Erschei-nungen zu erläutern und das Konzept einer men-schengemäßen Erziehung darzustellen.

Da dieser Artikel durchaus ernst gemeint ist,sollte jeder Leser, der in irgendeiner Form Ver-bindung hat zum Kultusministerium oder zueiner städtischen Kulturbehörde, oder wer auchnur weiß, wem man sonst noch diese Vorschlägeunterbreiten könnte, nicht zögern, in dieserSache tätig zu werden. Wer dagegen weitereIdeen für neue Museen hat, der möge uns diesschreiben. HB

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Fragt man nach der Gen-Technik, so reagierendie meisten der kritischen Menschen zunächstaus einer gewissen Antipathie heraus gegen dieseVerfahrensweise. Das ist nur allzu verständlich,denn schließlich ist durch nichts gesichert, daßder Verzehr gentechnisch veränderter Pflanzenund Tiere keinerlei verändernde bzw. schädigen-de Wirkungen auf den Menschen haben wird.Macht man sich außerdem noch klar, daß durchdie einmalige Einführung gentechnisch veränder-ter Organismen auf lange Sicht sämtliche Or-ganismen eine Veränderung erfahren könnten, soist die Antipathie geradezu geboten. Pollenflugund Nahrungskette werden die Veränderungeneiner Spezies vermutlich auf sämtliche übrigenOrganismen übertragen – und zwar unkontrol-liert und unberechenbar. Niemand kann dieFolgen solcher Eingriffe abschätzen. Wer will die-ses Risiko eingehen und warum? Wollen wir es?

Eingeführt in die Landwirtschaft wurde dieGentechnik von einer Art Industrie aus Chemie-konzernen und Saatgutproduzenten, derenHauptinteresse in der Eroberung von Absatz-märkten und dem Erwerb von Patentrechten amSaatgut liegt. Die Motivation, die Pflanzen gen-technisch zu verändern, ist also eine rein wirt-schaftliche, rein finanzielle und in keiner Weisean der Gesundheit der Menschen orientiert. DieGier der Finanzmärkte darf aber nicht die Zu-sammensetzung und die Wirkungsweise unsererNahrungsmittel bestimmen. Das ist allerdingsbereits der Fall bei den Hybridzüchtungen, densogenannten F1-Sorten. Man züchtet vorwiegendaus finanziellen Interessen Sorten, die nur nochwenig eigene Vermehrungsfähigkeit aufweisen.Man will auf diese Art verhindern, daß dieAnbaubetriebe von ihrer Aussaat wiederum Saatgewinnen können. Das gewöhnliche Gemüsebesteht also aus mehr oder weniger unfruchtba-ren Pflanzen. Sie enthalten nur wenig Vermeh-rungskräfte. Es sind gewissermaßen verstümmel-te, verkümmerte Pflanzen. Man muß daherdringend befürchten, daß die fehlenden Vermeh-rungskräfte in der Nahrung auf längere Sicht

dann auch dem Menschen fehlen. Auf denZigarettenpackungen muß heute zu lesen stehen:„Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit“. Müßte esdann nicht auch Warnhinweise geben wie etwa„Hybrid-Pflanzen gefährden ihre Fruchtbarkeit“oder „Gentechnik gefährdet ihr Erbgut“? Undmüßten wir nicht mit aller Kraft zu erforschensuchen, ob diese Befürchtungen sich begründenlassen?

Zu dem zeigt sich eine beispiellose Brutalität inder Vorgehensweise der Gen-Technik-Anwender.Sie weist eine starke Ähnlichkeit zur anglo-ame-rikanischen Unterjochung der Kulturen der Weltdurch kriegerische und wirtschaftliche Zwangs-maßnahmen auf (Beispiel Irak). Man bringt gen-technisch veränderte Saaten aus, obwohl manweiß, daß deren Erbanlagen durch Pollenflugund Einkreuzung auf alle übrigen Saaten dersel-ben Art übergehen werden. Das braucht zwareine gewisse Zeit, aber auf diese Weise verändertman gewaltsam beispielsweise allen Mais derErde und beansprucht obendrein noch Patent-gebühren von allen Anbaubetrieben, weil nunaller Mais unfreiwillig die patentierte gentechni-sche Veränderung in sich trägt. Ist dies dieFührung eines Krieges mit anderen Mitteln? Manfragt sich verzweifelt: Wie kann ein Gesetzgeber,wie kann unser Gesetzgeber solchen Vorhabenzustimmen? Was ist das für ein Rechtsempfin-den? Man mache sich nur klar, daß ja der Mais– als eines der sieben Getreide – dem Menschenein ganz spezielles und hochwertiges Eiweiß lie-fert, welches durch die besondere Kraft desSaturn gebildet wird. In diesen speziellen Kraft-und Stoffzusammenhang greift nun ein Gentech-niker ein, der von der Saturnkraft noch nie gehörthat und der vermutlich auch kein Interesse daranhätte, dem es genügt, ein lukratives Patent zuerwerben.

Für die Anbaubetriebe, die keine gentechni-schen Veränderungen wünschen, stehen dieZeichen auf Sturm. Kann sich beispielsweise derDemeter-Landbau vor diesen gewaltsamen Maß-nahmen schützen? Bei gewissen Freiland-Sorten

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Gentechnik – ein Eingriff in den Logos?Bedeutet die weltweite Durchsetzung gentechnisch veränderterPflanzen das Ende des biologisch-dynamischen Landbaus?

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wird das kaum möglich sein. Ist also die syste-matische Anwendung der Gen-Technik das Endeder biologisch-dynamischen Anbauweise unddamit auch des biologisch-dynamisch ernährtenMenschen?

Um in dieser Sache Klarheit zu schaffen, seizunächst versucht, das ganze Ansinnen um diemoderne Form der Landwirtschaft zu analysie-ren. Was will die Gen-Technik wirklich? Undkann das auf eine solche Weise überhaupterreicht werden? Die Verfechter der Agrotechnikgeben zunächst recht glaubhaft vor, daß manverbesserte Pflanzengattungen auf die Felderbringen müsse, weil sich so die Erträge steigernließen. Da darf der Hinweis auf die Beseitigungdes Welthungers nicht fehlen. Ein edles Ansin-nen, dessen Gelingen jedoch nicht wirklich vonhöheren Ernteerträgen abhängt, denn der Welt-hunger ist nicht Resultat zu geringer Ernteerträge,sondern Ergebnis einer ungerechten Verteilungder Mittel und Erträge. Eigentlich ist genug füralle vorhanden, aber man führt vielfach eine der-art verschwenderische Vorratshaltung, daß sehrviele Nahrungsmittel unverwertet entsorgt wer-den müssen. Ganze Ernten werden vernichtet ausgeschäftspolitischen Gründen. Jeder Laden, jedesRestaurant, jeder Haushalt hortet überschüssigeReserven, die immer wieder ungenutzt entsorgtwerden. Wenn wir aber von diesen Irreführungenabsehen, so ist das Ansinnen der Gen-Techniker,ertragreichere Pflanzen und Tiere zu erzeugen,durchaus nachvollziehbar bis unterstützungswür-dig. Es bleibt aber zu klären, ob denn solcheZiele durch die eingesetzten Mittel, in diesemFalle also durch die Gen-Technik, wirklicherreicht werden.

So hat man beispielsweise eine Maissorte durchGenmanipulation erzeugt, die ein bestimmtesGift gegen einen Schädling enthält. Oder andereSorten wurden geschaffen, welche die Anwen-dung bestimmter Pestizide besser vertragen kön-nen. Wenn wir nur diese beiden Beispiele neh-men und die Frage zu klären versuchen, ob einsolches Vorgehen überhaupt sinnvoll und hilf-reich sein kann, dann will ich zur Beantwortungdieser Frage zunächst ein Beispiel aus dem Be-reich der Medizin wählen, weil uns zu diesemGebiet detaillierte Angaben Rudolf Steiners vor-liegen, die dann – nach meiner Auffassung auchauf die Landwirtschaft angewendet werden kön-nen.

Und zwar macht Steiner in diesem medizini-schen Zusammenhang deutlich, daß die Kleinst-

lebewesen der Viren und Bakterien nicht, wievon der Naturwissenschaft angenommen, Krank-heitserreger seien, sondern er nennt sie Parasiten,die sich dort einnisten, wo die Krankheit bereitswirksam sei. Das Grippe-Virus ist also nicht derErreger der Grippe, sondern vermehrt sich plötz-lich im Blut, wenn bestimmte Voraussetzungenim Blut gegeben sind.

GA 313/Vortrag 3/Absatz 15„Man braucht deshalb nicht ein Anhänger derBazillentheorie zu sein, sondern man mußsich nur klar sein darüber, daß in dem Vor-handensein der Parasiten sich zeigt, daß derBetreffende tieferliegende Ursachen hat,damit sich die Bazillen ansammeln können,damit sie sich aufhalten können. Sie sind janiemals eigentlich die wirklichen Krankheits-erreger, sondern sie sind immer nur dieAnzeiger, daß der Patient die Krankheits-«Erreger» in sich hat. Deshalb ist die Bazil-lenforschung schon wichtig, aber nur als eineErkenntnisgrundlage. Die eigentlichen orga-nischen Ursachen liegen im Menschen sel-ber.“

GA 312, Seite 328„Wenn im Verlaufe einer Krankheit in irgend-einem Körperteile Bakterien in größererMenge auftreten, ist es ja natürlich, daß dadiese Bakterien Erscheinungen hervorrufen,wie jeder Fremdkörper im Organismus Er-scheinungen hervorruft. Schreibt man nunalles der Wirksamkeit dieser Bakterien zu, solenkt man die Aufmerksamkeit tatsächlich nurauf dasjenige, was eigentlich die Bakterienmachen. Aber man lenkt dabei diese Auf-merksamkeit ab von dem eigentlichenUrsprung der Erkrankung. Denn jedesmal,wenn im Organismus niedere Organismeneinen geeigneten Boden für ihre Entwicke-lung finden, so ist eben dieser geeigneteBoden durch die eigentlichen primärenUrsachen schon geschaffen.“

Nach Steiner soll die Grippe eine Gehirn-krankheit sein. Offenbar haben die Parasiten dieAufgabe, das Blut von gewissen Stoffen zu reini-gen. Sie vermehren sich und tilgen durch ihreErnährung bestimmte für das Blut ungünstigeStoffe oder sie produzieren auch durch ihreAusscheidungen bestimmte hilfreiche Stoffe.Jedenfalls wird durch ihr Dasein im mensch-

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lichen Blut nicht die Krankheit erzeugt, sonderneher beseitigt. Das muß zwar nicht bei jederParasitenart der Fall sein, ich vermute aber, daßes in den meisten Fällen so ist, weil dies nachmeiner Auffassung ein Naturprinzip darstellt. DasVerständnisproblem liegt also darin, daß manbisher nicht erkannt hat, worin die eigentlicheGrippe z. B. besteht. Man denkt, es handele sichum eine virale Infektion. Laut Steiner soll aberdie Grippe eine Gehirnkrankheit sein. Wie ichvon Dr. Gotthard Stielow erfahren konnte, hat eingewisser Gert Hamer aus diesem Ansatz konse-quent seine neue Medizin entwickelt.

Ähnliches stellt sich bei dem nächsten Beispielheraus. Rudolf Steiner spricht über die wahrenHintergründe der Krankheiten und weist dabeiauf den furchtbaren Kampf verschiedenster geisti-ger Wesen um den Menschen hin, der im Geisti-gen zu beobachten sei. Durch diesen Kampf wirderst die komplizierte Wesenheit des Menschenmöglich, der mit der schwierigen Aufgabe, einaus Erkenntnis frei wollendes und handelndesWesen zu werden, konfrontiert ist. In jedem Mo-ment des Lebens geht es für den Menschendarum, durch das erkennende Ich das Gleich-gewicht zwischen den gegensätzlichen KräftenLuzifers und Ahrimans zu finden. Luzifer, derLichtträger, ist Repräsentant einer bestimmten Artvon Wesen, welche die gesunde Aufwärtsent-wicklung des Menschen stören wollen, welcheden Menschen von seinem Menschen-Wegabbringen wollen, um ihn in ihre Reihen aufzu-nehmen. Ebenso ist es im Falle des Materie-Geistes Ahriman. Auch er will den Menschen vonseinem durch die aufstrebenden guten Mächtegetragenen Menschenweg abbringen. Luzifer willden Menschen völlig vergeistigen und aus derMaterie herauslösen. Ahriman möchte den Men-schen ganz materiell machen und vom Geistabbringen. Des Menschen Weg ist aber wederdas eine noch das andere, sondern die Zusam-menführung beider zu einem Dritten: zum freiwollenden Menschen.

In dem Maße, in welchem es dem Menschengelingt, das Gleichgewicht zu finden zwischenentgegengesetzt wirkenden Widersacherwesen,verwirklicht sich der christliche Plan vom freienMenschen. Luzifer aber, und Ahriman ebenso,haben jeder ihren eigenen Plan mit den Men-schen. Ahriman ist eigentlich nur interessiert ander Trieb- und Instinktnatur des Menschen undmöchte daraus eine ganz neue Gattung von We-sen machen. Dazu versucht er, durch bestimmte

seiner Helfer den Menschen ganz und gar Trieb-und Instinkt-besessen zu machen. Wenn dasgelingt, dann kann er nach dem Tode einem sol-chen, dem Niederen verfallenen Menschen, dieTrieb- und Instinktnatur entreißen und eine Artneuen Wesens daraus gestalten. Das Ich einessolchen Menschen versucht er dann zu überre-den, sich mit diesem neuen Wesen aus der Trieb-und Instinktnatur zu vereinigen und ein ahrima-nischer Mensch, eine Art untermenschlichenWesens zu werden. Um dies zu erreichen, versu-chen die ahrimanischen Wesen, den Menschenwährend des Lebens schon zu ergreifen, dochsobald ihnen das gelingt, geht von den regulärenführenden Wesen des Kosmos eine Wirkung aufden Menschen aus, die verhindert, daß die ahri-manischen Wesen nach dem Tode des Menschenihm die Triebnatur herausreißen können. Sie ver-derben einen solchen Leib, der beginnt, demAhriman in die Hände zu fallen, durch Krankheit.Sie veranlassen nun bestimmte luziferischeGeister, in solchen Leibern die Symptome vonKrebs, von Geschwulstbildungen und Diabeteszu erzeugen. Dadurch wird der Leib, wird vorallem auch das Geistige des physischen Leibesfür Ahriman unbrauchbar und bleibt demMenschen erhalten. Würde der Krebs nicht auf-treten, so fiele der Leib an Ahriman und derMensch wäre in seiner gesamten Existenz gefähr-det, d. h. er könnte wahrscheinlich nicht reinkar-nieren. Er würde aus dem Menschsein ausschei-den. Wir sehen daraus, daß Krankheiten wieKrebs und Diabetes Wirkungen der guten Mächtesind, die den Menschen vor Schlimmerem be-wahren. Offenbar sind das Leid einer solchen Er-krankung und der eventuelle vorzeitige Tod desbetroffenen Menschen das geringere Übel.Wenngleich er möglicherweise unter Qualenvorzeitig stirbt, bleibt er immerhin überhaupterhalten und kann durch Karma alle Schwächenim nächsten Leben wiederum ausgleichen. Ähn-liches gilt auch für den Luzifer, der ebenfallsseine Pläne mit den Menschen hat, indem er sievom physischen Leib zu trennen versucht und siezu moralischen Automaten machen möchte. So-bald es seinen Helfern gelingt, sich der mensch-lichen Seele zu bemächtigen, setzen wiederumdie guten Mächte nun ahrimanische Kräfte dage-gen, durch welche der Mensch dem Wahnsinnoder anderen geistig-seelischen Erkrankungenanheimfällt. Dadurch wird die Seele für Luziferunbrauchbar und kann nach dem Tode nicht zueinem luziferischen Wesen umgestaltet werden.

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GA 218/8/11 „Während also die luziferischen Geister ihreFestungen in der Luft bauen, um gegen dasIrdische für das Moralische zu kämpfen,kämpfen diese [ahrimanischen] Wesenheitendarum, den Menschen zu verhärten, ihn sichähnlich zu machen. Er würde dadurch imMateriellen unendlich klug werden; unend-lich gescheit, unglaublich intelligent würde erwerden. Diese Wesenheiten ..., sie ... machendas so, daß sie sich der Instinktnatur derMenschen bemächtigen, wenn diese Instinkt-natur besonders wüst und stark ist; sie reißengewissermaßen diese Instinktnatur an sich.Der Mensch ist dann während seines Lebensverfallen diesen ahrimanischen Mächten.“

GA 218/8/13 „Und wenn wir fragen, was die ahrimani-schen Wesenheiten mit dieser untermensch-lichen Bevölkerung vorhaben, so ist es das,daß sie denken: Jetzt werde ich aus einemMenschen herausziehen diese Instinktnatur;daraus mache ich ein irdisch-wässerigesWesen. – Diese irdisch-wässerigen Wesenbevölkern tatsächlich die Schicht, die un-mittelbar unter der Erdoberfläche liegt. Dasind sie drinnen. Diejenigen Menschen, diein Bergwerken schauen können, die kennendiese Wesenheiten sehr gut. Es sind Wesen-heiten, die dadurch vorhanden sind, daß siedem Menschen im Momente des Todes ent-rissen worden sind. Und da wartet Ahriman,da warten die ahrimanischen Mächte darauf,daß die Menschen einmal in einer solchenInkarnation herunterkommen durch ein Kar-ma, das durch die Instinkte, Triebe, Leiden-schaften bewirkt wird, daß sie herunterkom-men, daß ihnen nun ein solches Wesenbesonders gut gefällt, daß Menschen in ei-nem bestimmten Erdenleben sagen: Ich willnicht wieder zurück in die geistige Welt, ichwill, nachdem ich meinen physischen Körperverlassen habe, aus dem man ja doch wiede-rum herausgeht zu einem übersinnlichenLeben, mich verkörpern in einem solchenuntersinnlichen Wesen. Dafür bleibe ichdann mit der Erde vereint. Ich sterbe nichtmehr, ich bleibe mit der Erde vereint. Ichwähle, ein untersinnliches Wesen zu sein.“

Das ist also der Plan der ahrimanischen Wesen,der – wie wir noch sehen werden – von bestimm-

ten Menschenkreisen unterstützt wird und als einIdeal übernommen worden ist. Der Mensch sollganz mit dem irdischen, mit dem Toten, mit demMateriellen verbunden werden und als Verstor-bener eine Art ewiges Leben im Umkreis der Erdeverbringen mit einem gewissen dirigierendenEinfluß auf die auf der Erde lebenden Menschen.Ein ewig auf der Erde lebendes gespenstartigesWesen zu werden, das ist die große Gefahr, derheute jeder ausgesetzt ist. Und so bezeichnetRudolf Steiner das Ausbrechen des Krebses oderdes Diabetes als eine Wirkung der guten Mächte,was gewiß für viele Betroffene ein Schock seinmuß. Die guten Mächte – also vermutlich der dasGleichgewicht zwischen Luzifer und Ahrimanbewirkende Christus selbst – wirken mit töd-lichen Krankheiten gegen die Siege des Ahrimanbei dem Versuch, den Menschen in sein Reichumzulenken. Dasselbe gilt auch im Falle Lu-zifers.

GA 218/8/35„Denn nehmen Sie einmal an, es gelingt denahrimanischen Mächten, im menschlichenphysischen Körper einen Sieg zu erringen ...dann verfällt der Mensch durch diesen Siegder ahrimanischen Mächte in solche Erkran-kungen, wie Geschwulstbildungen, Karzi-nombildungen oder Stoffwechselkrankhei-ten, wie Diabetes, Zuckerkrankheit.“

GA 218/8/36 „Wenn irgendwo in einer physischen Men-schennatur diese Krankheiten auftreten, dannhat Ahriman gegen Luzifer einen Sieg errun-gen, der aber damit verknüpft ist, daß diephysische Natur des Menschen zeitweilig rui-niert ist. Dann taugt diese physische Naturdem Ahriman nicht dazu, die Instinkte, Triebeherauszureißen und sein eigenes Geschlechtdaraus zu bilden. Daraus bekommen Sie einevielleicht paradoxe, aber richtige Ansicht vonder Krankheit. Sie ist in vielen Fällen das ein-zige Mittel der guten Mächte, den Menschenvor den Fängen von Ahriman zu retten.“

Versuchen wir nun das kosmische Prinzip, wel-ches an den geschilderten Beispielen zu beob-achten ist, auf die Anwendung der Gen-Technikzu übertragen:

Würde man jetzt, wie dies heute immer wiedervon der wissenschaftsgetragenen Geschäftsweltin Aussicht gestellt wird, einen Menschenleib

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durch Gen-Manipulation schaffen, der nichtmehr fähig ist, an Krebs zu erkranken, so würdeman dies als einen großen Sieg über eine Geißelder Menschheit ansehen. Unzählige Menschenwären einverstanden, bei ihren geplanten Kin-dern eine solche Gen-Manipulation durchführenzu lassen. Begeistert würden die zukünftigenEltern sich sagen: Wir haben dafür gesorgt, daßunser Kind nicht an Krebs erkranken kann. DieseReaktion ist verständlich und dennoch fatal.Denn wenn ein Menschenleib nicht mehr dieFähigkeit besitzt, durch die Krebserkrankung fürdie ahrimanischen Mächte unbrauchbar zu wer-den, dann kann dieser Leib dem Menschen nachdem Tode entrissen werden. Seine Trieb- undInstinktnatur wird herausgerissen, wie Steinersich ausdrückt und es wird eine Art unter-menschliches Leibeswesen daraus gestaltet. Ineinem solchen untermenschlichen Leib wiede-rum kann der verstorbene Mensch weiterlebenund bleibt dann mit der Erde verbunden. DerMensch verliert dann sein Menschsein für immerund lebt als ein ahrimanisches Wesen weiter.Das zu verhindern ist der tiefere Sinn desKrebses und des Diabetes. Und wiederum – wieschon beim Beispiel der Grippe – ist bis heute dieeigentliche Krankheit überhaupt nicht erkannt.Die Zellentartung beim Krebs ist also schon dieGegenmaßnahme der „guten Mächte“. Geradeerscheinen allerlei Artikel in der Presse, diedavon sprechen, daß es endlich gelungen sei, dieUrsache des Krebses in den Genen aufzufinden.Man forsche jetzt daran, den Krebs gentechnisch„auszuknipsen“. Wenn aber das gelänge, wäredies der absolute Sieg Ahrimans. Denn wenn derKrebs nicht mehr ausbrechen kann, fehlt dienachträgliche Möglichkeit, die während desErdenlebens von Ahriman bereits zum Teil ergrif-fenen Leiber durch Krebs für den Satan un-brauchbar zu machen. Jetzt bekommt er alleLeiber, die er, während die Menschen auf derErde leben, ergreifen kann. Die Weisheit derNatur, die Weisheit der guten Mächte wäre damitausgeschaltet. Statt dessen regierte menschlicherUnverstand und die Betroffenen wären vielfachunrettbar verloren.

Die von Rudolf Steiner entwickelte bzw. geför-derte Misteltherapie zur Behandlung des Krebseszeugt dagegen von unendlicher Weisheit. Denndas Wuchern der vom Krebs befallenen Zellenüber das gesunde Zellmaß hinaus ist ein Über-wiegen der luziferischen Wachstumskräfte. Dieformgebenden Todeskräfte Ahrimans sind zu

schwach. Die Mistel ist aber unter diesemGesichtspunkt eine ahrimanische Pflanze. Ihr Saftkann den Krebs am Weiterwachsen hindern undihn einkapseln oder auf ein erträgliches Maßzurückdrängen. So können viele Kranke mitihrem Karzinom weiterleben, ohne Beschwerdenzu haben. Der Krebs bleibt, das Leben kannweitergehen, der Leib aber bleibt für Ahrimanunbrauchbar. So unendlich viel weiser als allemoderne Medizin und Gentechnik ist dieseMisteltherapie. Warum nur wollen die Menschenvon diesen Dingen nichts wissen? Seit fast hun-dert Jahren sind diese Dinge der Menschheit mit-geteilt. Nun, zumindest einige der Gründe erge-ben sich aus den am Ende dieses Artikelsdargestellten Zusammenhängen aus dem Vortrag181/17.

Wählen wir nun noch ein anderes Beispiel, umdieses Argument gegen die Anwendung der Gen-Technik zu verstärken. Es ist wohl heute unbe-stritten, daß die gewöhnlichen Fliegen imNaturzusammenhang eine wichtige Aufgabe zuerfüllen haben. Ihre Aufgabe besteht darin, allesfrische, der Fäulnisbildung ausgesetzte Eiweißaus der Natur zu tilgen. Das tun zwar die Fäul-nisbakterien auch, aber ihr Auftreten ist für vieleOrganismen problematisch, denn faulendesEiweiß ist giftig. Daher legen die Fliegen ihre Eierimmer dort ab, wo Eiweiß offen zugänglich ist,das heißt, wo es dem Verfaulen ausgesetzt ist.Das ist besonders im Kot der Nutztiere der Fall,und zwar deshalb, weil das Tierfutter meist reinnach landwirtschaftlichem Nutzen zusammenge-setzt ist und in der Regel zuviel Eiweiß enthält,welches aber dann in größeren Mengen unver-daut wieder ausgeschieden wird. Ähnliches trifftauch auf den Menschen zu, insofern er sich vor-wiegend von Fleisch, Eiern und Milchproduktenernährt. Nun sind die oft massenweise auftreten-den Fliegen für Mensch und Tier eine äußerst läs-tige, verunreinigende und sogar indirekt auchkrankmachende Erscheinung, obwohl ihr Auftragein guter ist: Sie verhindern, daß das Eiweiß faultund vergiftend wirkt. Die recht schnell aus denFliegeneiern schlüpfenden Maden zehren zielsi-cher das unverdaute Eiweiß auf, bevor sie zurFliege werden. Weil aber die oft massenhaft auf-tretenden Fliegen lästig sind, geht man mit Giftengegen sie vor. Dadurch aber kommt es zu den gif-tigen Fäulnisprozessen des Eiweißes. Das Tötender Fliegen ist zwar verständlich, aber letztlichunklug, die richtige Maßnahme wäre eine ande-re Ernährung der Tiere. Dann hätten die Fliegen

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wenig Anlaß und Gelegenheit sich zu vermeh-ren. Wieder erweist sich die Natur als äußerstweise, der Mensch aber als kurzsichtig und un-verständig. Das massenweise Auftreten derFliegen ist also nicht eine Unzulänglichkeit derNatur, die es zu korrigieren gilt, sondern eineweise Reparatur- oder Ausgleichsmaßnahme.Selbst solche lästigen Parasiten wie Ratten undMäuse sind nach demselben Muster zu bewer-ten. Sie treten nur dort in übermäßiger Zahl auf,wo Nahrungsmittel oder Reste davon frei zugäng-lich sind. Wenn z. B. eine Stadt wie Hamburgunter einer Rattenplage leidet, dann liegt dasnicht an den Ratten, sondern an den Menschen,die zu viele Lebensmittelreste herumliegen las-sen. So sehr man die Lebensmittelvorräte auchgewaltsam gegen Ratten schützen muß, so wenigsinnvoll ist es, die Ratten grundsätzlich vergiftenzu wollen. Sondern da müßte man über einesorgsamere, d. h. abfallärmere Verwertung seinerNahrungsmittel und über mehr Sauberkeit nach-denken.

Und noch ein Beispiel: Jene Pilze, die den kon-ventionellen Getreidebauern so viel Sorgen ma-chen, sind wie alle Pilze Erdbewohner, die ledig-lich ihre Blüten und Samen aus dem Bodenheraustreiben. Das ist das, was wir gewöhnlichden Pilz nennen. Der eigentliche Pilz lebt aberunter der Erde. Seine Aufgabe besteht darin,gewisse schädliche Stoffe aus dem Boden aufzu-nehmen und umzuwandeln. Durch die chemi-sche Düngung des konventionellen Landbausund durch Pflanzenschutzmaßnahmen geschiehtes nun, daß jene Stoffe, die der Pilz seinerAufgabe innerhalb der Schöpfung nach austilgensoll, in großen Mengen dem Ackerboden zuge-setzt werden. Das Getreide nimmt diese Stoffe insich auf, bis die Halme völlig durchsetzt sind vonjenen pilzernährenden Schadstoffen, was diePilze dazu bringt, nun nicht mehr bloß unter derErde zu wachsen, sondern jetzt auch über derErde, und zwar an den Halmen selbst. Daswiederum gefährdet den Getreideertrag und des-halb setzt man im konventionellen AnbauPestizide gegen den Pilzbefall der Getreidehalmeein. Das ist aber nach unserer bisherigen Be-trachtung vollkommen unweise. Die richtigeMaßnahme wäre, den Boden durch andereDüngung und Schädlingsbekämpfung so herzu-richten, daß die Pilze in der Erde bleiben undnicht an den Halmen über der Erde wachsen.Denn das Vergiften der Pilze hat zur Folge, daßjene Stoffe, welche durch die Pilze aus dem

Boden und aus den Halmen genommen werdensollen, weil sie offenbar ungut für den Gesamt-zusammenhang sind, daß diese Stoffe nun inBoden und Halmen erhalten bleiben und daßzusätzlich auch noch das Gift gegen die Pilzedem Getreide und dem Boden zugesetzt wird.Würde man nun durch Genmanipulation Getrei-desorten herstellen, die ein Pilzgift enthaltenoder die auf andere Weise Pilz-resistent sind, sowürden auf ewig die von den Pilzen auszutilgen-den Stoffe im Boden und in den Halmen verblei-ben. Dadurch hätte auf ewig das Getreide eineandere Zusammensetzung, deren Folgen wohlerst nach Generationen von Menschen endgültigabzusehen wäre. Das bedeutet, wie schon er-wähnt: Durch Gen-Technik zerstören wir dieweisen Reparatur- bzw. Ausgleichsmaßnahmender Natur zugunsten eines kurzsichtigen finan-ziellen Nutzens mit unabsehbaren Folgen für dieGesamt-Natur inklusive des Menschen selbst –welch ein Wahnsinn! Man muß begreifen, daßwenn Pflanzen einen Schädlingsbefall aufwei-sen, die Pflanzen für die weise Natur einenMangel oder Überschuß aufweisen, der durchdie Schädlinge beseitigt werden soll. Ebenso istes bei der Krankheit von Mensch und Tier. Manist nicht von Parasiten wie z. B. Viren befallen,weil die Natur unzulänglich ist, sondern weilman ein Ungleichgewicht, ein Zuviel oder Zu-wenig im Organismus aufweist, was wiederumauf gewisse Unregelmäßigkeiten im gesamtenWesensgliederzusammenhang des Menschendeutet. Die Parasiten im Blut sind schon dieweise Gegenmaßnahme gegen die in der Regelunerkannte wahre Krankheit. Warum also sollenwir die Parasiten vernichten? Stattdessen solltenwir mit diesen Wesen in eine meditative Verbin-dung zu treten versuchen. Wir sollten innerlichund äußerlich versuchen zu verstehen, weshalbsie massenhaft auftreten und was ihre Aufgabeist. Dazu müßten wir zunächst die Natur, denMenschen, die Welt, ja, die Welt-Idee kennen.Die Weltidee ist aber das, was man von alters herden Logos nennt. Und außerdem müßten wir unsklar machen, daß der gentechnische Eingriffeinen Eingriff in den Logos bedeutet. Denn dieNatur will von sich aus anders sein als derMensch sie werden läßt. Damit ist nicht gesagt,daß ein solcher Eingriff nicht erlaubt oder sogarerwünscht sei. Aber wenn wir in göttlich-geistigeBereiche eingreifen, dann sollten wir auch dieWeisheit, aus der heraus geschaffen wurde,nachvollziehen können, ja, selbst über sie verfü-

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gen. Denn sonst greifen unweise, törichteMenschen in ein weisheitsvolles Ganzes ein undzerstören die weisen Einrichtungen aufgrundihrer irrtümlichen Annahmen. Und genau dasscheint gegenwärtig stattzufinden: Die Gentech-niker wollen weiser als die Schöpfung sein.(Goethe: Es gibt nichts Schlimmeres als tätigeUnwissenheit!) Aber wieso protestiert niemandmit derartigen Argumenten gegen dieses Vor-haben. Gewiß, es gibt Protest, aber die Begrün-dungen sind relativ schwach. Die hier geäußer-ten Gedanken sind verhältnismäßig leichtnachzuvollziehen, wieso will sie niemand den-ken? Wieso kommt die Naturwissenschaft nichtauf solche doch offensichtlichen Zusammen-hänge wie die von den Parasiten im Blut oder denFliegen im Kot? Steht hinter der öffentlichenMeinung eine gewisse okkulte Machenschaft, dieversucht, die Menschheit vom guten Weg abzu-bringen? Es sieht ganz danach aus.

Im folgenden spricht Rudolf Steiner von derzukünftigen Entwicklung der Menschheit undweist auf gewisse ahrimanische Ideale hin, dievon jenen Geistern vertreten und verfolgt wer-den, die dem Menschen im obigen Beispiel dieTrieb- und Instinktnatur entreißen wollen. Dassind jene Geister, die Auslöser der Krebskrankheitsind und die daher ein hohes Interesse daranhaben, daß diese Krankheit nicht mehr auftretenkann, damit sie den Menschen erobern können.Mit diesen ahrimanischen Geistern und derenFührer haben wiederum bestimmte Geheim-gesellschaften, Logen und Orden eine okkulteVerbindung. Durch kultische Handlungen versu-chen diese Gruppen, die Kräfte dieser Wesen fürsich, für ihren eigenen Vorteil innerhalb derMenschheit zu nutzen. Zumindest die Führer sol-cher Gruppen wissen ganz genau, worum esgeht. Laut Rudolf Steiner haben diese Menschenbeschlossen, aus der Menschheitsentwicklung

auszuscheren und ein ahrimanisches Wesen zuwerden. Dadurch können sie die ihnen und ihrerGruppe in besonderem Maße zufließenden ahri-manischen Kräfte zur einseitigen Vorteilsnahmenutzen. Ihr Vorteil liegt aber gerade im stetigenZuwachs an Macht über andere Menschen.Machtwille und Machtgier sind deutliche Zei-chen ahrimanischer Besessenheit. Eine hoheIntelligenz bzw. Schlauheit, die keine Skrupelkennt, durch Lüge, Betrug und Gewalt ihre Zielezu erzwingen, läßt den führenden Geist hinterdem Geschehen erkennen.

GA 181/17/7„Wer dies nicht in Betracht zieht, versteht dieEntwickelung des Westens und den ganzenEinfluß des Westens auf die Geschichte derMenschheit sehr schlecht. Gerade die wich-tigsten Dinge, die im Westen geschehen, dienamentlich von der anglo-amerikanischenMenschenrasse ausgehen, geschehen unterdem Einfluß von geheimeren, intimerenKenntnissen des Menschheitsgeschehens alssolchen.“

GA 181/17/8„Im Westen namentlich macht sich ausgewissen geheimnisvollen Untergründen her-aus die Tendenz geltend, die wiederholtenErdenleben zu bekämpfen. Ein Kampf gegendie wiederholten Erdenleben der Zukunftmacht sich in gewissen sehr eingeweihtenKreisen der anglo-amerikanischen Rasse gel-tend. Das ist das Paradoxe, das man dabei zusagen hat. Man will es in einer gewissenWeise von gewissen geistigen Zentren aus imWesten dahin bringen, daß solche wieder-holten Erdenleben – also solches regelmäßi-ges Leben zwischen Geburt und Tod, dannwieder zwischen dem Tode bis zur nächstenGeburt und dann wieder zwischen Geburtund Tod – allmählich aufhören. Man willletzten Endes eine ganz andere Einrichtungdes Menschenlebens bewirken, und es gibtMittel, durch welche eine solche andereEinrichtung bewirkt werden kann. Was manwill, ist nämlich das Folgende: Man will dieMenschenseele durch eine gewisse Schulung,durch eine gewisse Verleihung von diesenoder jenen Kräften in einen solchen Zustandversetzen, daß sie sich nach dem Tode immerverwandter und verwandter fühlt mit den irdi-schen Verhältnissen, mit den irdischen

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Kräften, daß sie einen gewissen starken Hangzu den irdischen Kräften – natürlich zu dengeistig-irdischen Kräften – bekommt, und daßsie dann nach dem Tode von den irdischenRegionen möglichst wenig weggeht, sehrnahe den irdischen Regionen bleibt, dadurchnach dem Tode einen gewissen Einfluß aufdie irdischen Regionen behält und dadurchaber, daß sie den irdischen Regionen nahebleibt, daß sie gewissermaßen als gestorbeneSeele mit den irdischen Regionen fortlebt,auch der Notwendigkeit enthoben ist, wiede-rum wirklich in einen physischen Körper hin-einzukommen. Nach einem merkwürdigenIdeal strebt die anglo-amerikanische Rasse:nicht mehr in irdische Körper zurückzukeh-ren, aber mit den Seelen einen immer größe-ren und größeren Einfluß auf die Erde zuhaben, mit den Seelen immer irdischer zuwerden. – Auf diese Weise also strebt sie nacheinem Ideal, daß sie das Leben hier auf derErde und das Leben post mortem, das Lebennach dem Tode, ähnlich macht. Dies wirderreicht – jetzt nur bei denjenigen, die nachdieser Richtung geschult werden, aber eswird immer mehr und mehr allgemein üblichwerden, solche Schulung anzugeben –, eswird dadurch erreicht, daß man ein viel grö-ßeres, stärkeres Erdegefühl im Menschenerweckt, als das sogenannte normale ist ...“

GA 181/17/9„Dies machen gewisse Kreise des Anglo-Amerikanismus zu einer praktischen Weis-heit. ... Durch besondere Übungen sollen dieMenschen dieser anglo-amerikanischen Ras-se allmählich ein starkes Gefühl davon be-kommen, daß ihr Leib zur Erde dazugehört.Sie sollen nicht nur fühlen: Ich bin mein Arm,ich bin mein Bein –, sondern sie sollen auchfühlen: Ich bin auch die Schwerkraft, diedurch meine Beine geht; ich bin auch dasGewicht, das meine Hand, meinen Armbelastet. – Es soll ein starkes physischesVerwandtschaftsgefühl zwischen demmenschlichen Leib und den irdischen Ele-menten anerzogen werden. ... man kanndadurch eine Art praktischen Darwinismustreiben, daß man den Menschen verwandtermacht mit dem, was ihn mit der Erde verbin-det. Man kann den Menschen in einer gewis-sen Beziehung «veraffen». Das ist die prakti-sche Gegenseite. Sie wird scheinbar in-

stinktiv, aber doch wohlgeleitet in der beson-deren Form des Sportwesens und ähnlicherDinge, im hohen Grade kultiviert. DieseKultivierung aber bindet gerade die Seeledadurch, daß sie eingegossen wird in diephysischen Verwandtschaftsgefühle mit demIrdischen, an die Erde, und dadurch wird dasbewirkt, was ich vorhin als ein spirituellesIdeal hingestellt habe. Dadurch werdengewissermaßen diese fortwährenden Wech-selzustände zwischen geistigem Leben undphysischem Leben überwunden, und nachund nach wird das Ideal verwirklicht werden:in den zukünftigen Perioden der Erdenentwi-ckelung als eine Art Gespenster zu leben, dieErde als eine Art Gespenster zu bewohnen.“

Wenn wir uns also fragen, wer und warum mitder zu beobachtenden Brutalität die Gen-Techniküber die Menschheit ausgießt, dann haben wir –so denke ich – hier eine Art Antwort gefunden.Gewisse anglo-amerikanische Kreise, die nachaußen hin rein wirtschaftlich, militärisch oderauch politisch erscheinen, gehen aus von sol-chen okkult wirksamen Geheimgesellschaften.Was man als äußere Organisationen vorfindet, istdann schon die konkrete Manifestation der Wirk-samkeit ahrimanischer Geister. Und so ist ver-mutlich die Gen-Technik ein ahrimanisches Mittel, das zunächst als eine rein wirtschaftlicheAngelegenheit im medizinischen, pharmazeuti-schen und landwirtschaftlichen Bereich er-scheint. Schon allein die Brutalität, mit der siedurchgesetzt wird, zeigt, wer hinter ihr steht.Man hat diese Technik mit dem Patentrecht ver-knüpft, wodurch eine völlig unhaltbare undkontraproduktive Situation entsteht. Jetzt verdie-nen Aktionäre, die keinerlei Zusammenhanghaben mit der Landwirtschaft, an dem Verkaufgenmanipulierter Saaten. Nun kann ich an dieserStelle nicht auch noch eine Abhandlung überRecht einschalten, denn dann würde dieserArtikel zu einem Buch anwachsen. Aber dasuneingeschränkte Weiterwirken des alten römi-schen Eigentumsrechtes in seiner Modifizierungals Patentrecht ist als eine ahrimanische Gei-ßelung der heutigen Menschheit anzusehen.Ähnlich wie der römische Eroberer das uneinge-schränkte Besitzrecht am Eroberten erwarb, seinvermeintliches Recht also ohne jede Gerechtig-keit dogmatisch festsetzte, so setzt der Patent-inhaber das Besitzrecht an seiner Eroberung einfür allemal fest und kassiert, ohne selbst noch

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etwas leisten zu müssen, bis ans Lebensende undnoch weiter darüber hinaus, wenn andere seineEroberungen nutzen. Das ist rechtlicher undvolkswirtschaftlicher Unsinn und führt – wie hierbei der Gen-Technik – zu völlig absurden Er-scheinungen. Was angebaut wird und was dieMenschen zur Nahrung bekommen, das darf nurder bestimmen, welcher auch der Pfleger desLandes ist und sich als Ernährer seiner “Gemein-de”, seiner Kunden versteht. Die Kunden selbstund ihr Landwirt müssen es bestimmen. Deutlichsieht man, wie Ahriman über sein Machtmittel,das Geld, diese Bereiche korrumpiert – weil wir

ihn lassen! Wir sehen also, daß der Geist, der diegegenwärtig christliche Menschheitsentwicklungabbrechen möchte, um aus den Menschen ahri-manische Trieb- und Instinktwesen zu machen,hinter der Gen-Manipulation steht. Denn dieGen-Technik ist zu recht schon als Eingriff in denLogos oder in das Uratom bezeichnet worden.Wir greifen durch Gen-Manipulation in dieWeisheit der Natur ein und erzeugen vermutlicheine Irrtumsnatur, eine chaotische Natur, die unsaber auf die Dauer den ahrimanischen Zielennäher bringt.

Fassen wir es noch einmal zusammen: DieParasiten im Blut, der Krebs und der Wahnsinn,die Fliegen im Kot und die Pilze im Boden, siewaren uns Beispiel für das weisheitsvolle Wirkender Natur. Die sämtlichen Schädlinge, Parasitenund Unkräuter, sie alle deuten in ihrem konzen-trierten, massenhaften Auftreten auf einen einsei-

tigen, ungesunden Umgang mit der Natur durchden Menschen hin. Und es wäre gewiß möglich,die mit ihrem Auftreten verbundenen Problemeim Einvernehmen mit ihnen, mit diesen unge-liebten Wesen zu regeln. Nicht immer wird maneine Tötung vermeiden können, besonders nicht,wenn ganze Ernten betroffen sind, doch das kannund sollte niemals eine dauerhafte Lösung sein.Die Gentechnik ist aber doch nur ein Versuch,noch wirksamer als die bisherigen Tötungsmaß-nahmen wie Pflanzenschutz oder Antibiotika zusein. Durch die momentane Anwendung derGentechnik werfen wir das Göttliche aus der

Weltordnung heraus, die göttliche Weisheit.Wollen wir das wirklich?

Nun, lieber Leser, ich sage nicht, daß dies allesdie reine, naturwissenschaftlich bewieseneWahrheit ist, aber so erscheint es mir, wenn ichmeditierend in das Gebiet der Gentechnik ein-dringe. All die dargestellten Beispiele begegnetenmir auf der Suche nach einer Einschätzung derLage. Wer anderer Auffassung ist oder weitereBeispiele zu benennen weiß, oder wer vertiefen-de, korrigierende Hinweise geben kann, der istherzlich eingeladen, uns dies schriftlich mitzutei-len.

Zum Schluß der Betrachtung bleibt uns nochdie Frage zu stellen: Was könnte man jetzt, nachBerücksichtigung des bisher Ausgeführten, gegendie zu erwartenden Probleme der gewaltsamenAusbreitung gentechnisch veränderter Organis-men tun? Ich glaube nicht, daß irgendwer die

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Gen-Technik noch aufhalten kann. Deshalb müs-sen wir mit ihr rechnen. Und wenn wir uns nichtin ganz luziferischer Weise einfach aus allemheraushalten wollen, wenn wir nicht einfach vonder Erde verschwinden wollen und die materiel-len Dinge übersehen oder verdrängen wollen,dann müssen wir uns ihnen zuwenden. Ein ersterSchritt, und zwar ein ganz wichtiger ist es, dieDinge möglichst weitgehend zu durchschauen,wie es durch diesen Artikel beispielsweise ver-sucht wird. Sobald wir wahre Argumente undIdeale innerlich-meditativ aufzurufen verstehen,beginnt eine Zusammenarbeit zwischen uns undder geistigen Welt. Rudolf Steiner hat immer wie-der darauf hingewiesen, daß man zur Gesundungder Welt erst einmal vollkommen durchschauenmüßte, was ist, um dann danebenzustellen dasIdeal, das, was sein sollte. Das Falsche in derWelt richtig zu denken, ist eine hygienischeMaßnahme gegenüber der Gedankenwelt, ausder alle Menschen schöpfen. Der zweite Schrittergibt sich aus der Tatsache, daß Rudolf Steinerstets die neueste Technik selber mit verwendethat und immer davon abriet, diesen Dingen aus-zuweichen. Daher glaube ich, daß die Bio-Bauern, daß der biologisch-dynamische Landbausich selbst um Gen-Technik bemühen müßte.Man sollte selbst diese Technik beherrschen, umwenigstens die Schäden, die durch die konven-tionelle Anwendung der Gen-Technik entstehenwerden, wieder reparieren zu können bzw. umdann anderes zu erzeugen, was eine ArtGegenmaßnahme sein kann. Nicht um Demeter-Gen-Patente zu erwerben, sondern um virtuosmit der üblich werdenden Technik umgehen zukönnen, wären eigene Anstrengungen in dieserRichtung erforderlich. Ein dritter Schritt könntedarin bestehen, Alternativen zu suchen undbereits gefundene auszubauen. Ich denke, manmuß nicht nur Saatarchive anlegen, um alteSorten zu bewahren, sondern man muß sie not-falls auch zu Patenten anmelden, weil es sonstandere tun, andere, die von anderen Geisterngetrieben werden als der biologisch-dynamischeLandwirt. Die Patentlizenzen kann man ja dannweise und segensvoll verwenden oder nur in sehrgeringer Höhe erheben. Wir dürfen uns nichtalles nehmen lassen, was die Natur uns bisherschenken konnte. Die Gen-Techniker sind ange-treten, die gesamte Natur inklusive des mensch-lichen Leibes zu erobern und zu besitzen. DieSchöpfung hat es geschenkt. Jetzt ist Ahrimandabei, sie zu rauben. Wer zukünftig einen gen-

manipulierten Leib haben wird, muß möglicher-weise lebenslang Patentlizenzen an die Gen-Manipulatoren zahlen müssen dafür, daß er kei-nen Krebs bekommt. Und am Ende wird manseinen ganzen physischen Leib nur noch mietenoder leasen können, weil irgendwer ein Patentdarauf erworben hat. Nun, gewiß, ich übertreibeein wenig – aber wirklich nur ein ganz kleinwenig.

Wenn wir aber die Situation schonungslos auf-decken bzw. erkennen und aus der dadurchoffenbar werdenden Not heraus meditativ unsereFragen erarbeiten, die Fragen offen lassen und,statt nach einer Antwort zu suchen, die Fragennur immer wieder intensiv pflegen, neu formulie-ren und stellen, dann werden wir über diese goe-theanische Vorgehensweise auch neue Wege fin-den können. Dann werden wir Ideen haben,Einfälle bekommen, dann werden wir intuitivwissen können, was angemessen ist. Denn nurauf diese Weise arbeiten wir mit der geistigenWelt zusammen. Dort aber wird es immerAuswege geben, wir müssen sie nur mit aller unszur Verfügung stehenden Denkkraft suchen.Rudolf Steiner sagt uns, der Christus als derSchöpfer der Erde habe die Weisheit mit Luziferund die Macht mit Ahriman geteilt und selber dieLiebe in die Welt gesetzt, um Weisheit undMacht durch Liebe zu vereinen. Alle drei,Weisheit, Liebe und Macht liegen der mensch-lichen Wesenheit zugrunde, auf daß wir durchdie Gleichgewichtsfähigkeit der Liebe als eindrittes den freien Menschen schaffen. Wir schaf-fen uns selber neu als den freien Menschen,indem wir Luzifer und Ahriman gegeneinanderausgleichen, indem wir durch Luzifers Weisheitund Erkenntnislicht die dunklen Machenschaftendes Geistes der Finsternis und der Materie, desAhriman, beleuchten und erkennen. Es istAhrimans Aufgabe, uns hinter das Licht zu füh-ren, damit wir aufwachen und aufpassen, damitwir uns bemühen zu erkennen und nur das vonihm annehmen, was wir als zuträglich für dieMenschheitsentwicklung erkennen. Und sokönnte sogar in der Gen-Technik Gutes undHilfreiches enthalten sein. Aber das werden wirnur herausfinden, wenn wir dem Thema nichtausweichen und es auch nicht bloß bekämpfen,sondern indem wir Interesse für diese Sache ent-wickeln. Wenden wir uns aber irritiert, erbostoder verunsichert ab oder ignorieren wir dasGeschehen, dann kann es gewiß sehr ungemüt-lich noch werden. HB

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Am 22. Oktober fand unter obigem Motto einSeminar statt, welches sich gleichermaßen anden Bauch wie auch an den Kopf der Teilnehmerrichtete. Eingeladen waren neben den Freundender Denkschule vor allem auch die Kunden derSannmannschen Gemüse-Abos, des Bio-Ladensund der Marktstände. Etwa achtzig Gäste hattensich vorher angemeldet, und so begann um 14Uhr die Veranstaltung mit einer Führung durchdie Felder und Treibhäuser der Demeter-Gärtnerei mit Markus Walkusch-Eylandt, demGärtner-Meister, und Thomas Sannmann. Ins-gesamt umfaßt der Betrieb ca. 40 ha Bodenflä-che. Davon werden 30 ha als Futterfläche für dieRinderherde genutzt. Die Rinder werden in ersterLinie zur Erzeugung des Düngers gebraucht. DerFleischverkauf ist dann eine notwendige Folge.10 ha dienen als Anbaufläche für Gemüse, davonbefinden sich etwa 1,5 ha unter Glas in Form vonTreibhäusern. Die Gärtnerei wurde um 1750 ge-

gründet, nachdem der Neubau des Deiches fer-tiggestellt war. In alter Zeit überließen die Bauernihren „Leibeigenen“ Land und Häuser zur priva-ten Nutzung in der Freizeit. Wenn auf dem Hofkeine Arbeit zu verrichten war, konnten dieKätner sich dem eigenen Garten widmen. Späterwurden die Kätner frei und begannen, eigeneHöfe zu bewirtschaften. Auf diese Weise ist auchdas Familienunternehmen Sannmann entstan-den. Ab 1986 wurde der Betrieb auf die biolo-gisch-dynamische Anbauweise umgestellt.

Nach der Darstellung dieser Betriebs-Biogra-phie ging die Führung durch die Tomatenhallen,wo noch die Reste des diesjährigen Anbaus anzu-sehen waren – weiter in den Außenbereich, wozunächst der Boden und seine Humus-Qualitätbetrachtet wurden. Zwischendurch gab es einigeKostproben direkt vom Feld. Das Mais-Feld desNachbarn war Anlaß, über Gentechnik zu spre-chen. Danach wurden die Folientunnel angese-

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Ernährung, Landwirtschaft undAnthroposophieSchauen - Essen - Denken in der Demeter-Gärtnerei Sannmann

Ernährungsseminar im Gewächshaus Alle folgenden nicht weiter ausgewiesenen Fotos: Susanne Feyll

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hen, wo gerade Jungpflanzen gesetzt wurden.Weitere Freilandflächen waren mit Gründüngungbewachsen, z. B. mit Klee, Gras oder Roggen.Etwa ein Viertel der Fläche befindet sich stets imZustand der Gründüngung. Dabei handelt es sichum Grünpflanzen, die nur gesät werden, um denBoden nach intensiver Nutzung wieder innerlichzu erholen und zu stärken. Sie werden nach eini-ger Zeit untergepflügt.

Der Rundgang führte dann zur Kompostieran-lage, welche das „schwarze Gold“ der Gärtnererzeugt, das wichtigste Gut des biologisch-dyna-mischen Anbaus.

Nach anderthalb Stunden trafen die Gäste imschön dekorierten Gewächshaus ein, wo dreiKöche schon seit den Morgenstunden hochaktivim Zubereiten des vegetarischen Speiseangebo-tes tätig waren. Linda Socias, Dirk Rathke und ichhüllten das erdige Gewächshaus in ein Gewandaus appetitanregenden Gerüchen. Doch bevorwir das Buffet eröffneten, wurde der Blick derTeilnehmer auf die bildschaffenden Methodenzur Qualitätsprüfung von Nahrungsmitteln ge-lenkt, welche durch Ulrike Nadler ausgestelltund erläutert wurden. (Siehe nachfolgender Bei-trag.) Das dargebotene Menü umfaßte:

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Thomas Sannmann erklärt den Möhrenanbau Markus Walkusch-Eylandt und Th. Sannmann

Menü mit zwölf Gängen Salat

- Gemischter Blattsalat und Tomaten mit einem Balsamico-Kürbiskernöl-DressingVorspeise

- Vorspeise aus Cous-Cous, Tomaten und Pflaumen-ChutneySuppen

- Asiatische Spitzkohl-Shiitake-Suppe- Kürbissuppe- Spinatsuppe mit Petersilienwurzeln und Kürbiskernen

Hauptgerichte- Penne mit Erbsen, Kräuterseitlingen und Rosenpfeffer, dazu eine Sauce aus

geschmorten Tomaten und Paprikaschoten- gebratener Blumenkohl mit Röstkartoffeln- geschmorter Grünkohl mit Haferflocken und Parmesan- geschmorter Mangold

Nachspeisen- Zimt-Joghurt-Creme mit Bananen, Weintrauben und Walnüssen- Milchreis mit Kardamon und Fliederbeer-Orangen-Sauce

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Beschäftigt man sich mit den verschiedenenlandwirtschaftlichen Anbaumethoden und mitden verschiedenen Bearbeitungsmethoden fürunsere Nahrungsmittel, dann taucht bald dieFrage auf: Kann die höhere Qualität der Demeter-Nahrungspflanzen für die Sinne auch unmittelbarerlebbar werden? Kann man überhaupt Qualitätvon Pflanzen irgendwie mit den eigenen Sinnenerfahren? Mancher kann sie bereits erleben imGeruch, im Geschmack, ja, auch manches Malim Aussehen der Pflanzen. Solches Prüfen undSuchen führt aber letztlich zu der dahinter lie-genden Frage: Wie kann man die Bildekräfte der(verschieden angebauten) Pflanzen für das Augesichtbar machen?Rudolf Steiner sagte 1923 zu Lili Kolisko, die amBiologischen Institut in Stuttgart für das Goethe-anum arbeitete, „Studieren Sie die »Gestaltungs-kräfte« an verschiedenen Pflanzen ...!“ Sieschrieb darüber später: „Er nannte mir eine Reihevon Pflanzen, deren Säfte ich extrahieren sollteund dann auftropfen lassen auf Filtrierpapier. Diedaraus sich ergebenden Formen sollte ich studie-ren.“ „Die ursprüngliche Angabe Dr. Steinersführte zu keinem [ausreichend deutlichen]Resultat, und so erweiterte er sie später dazu, daßman eventuell auch noch Salze zu Hilfe nehmen

müßte. Was für Salze, gab er nicht an.“ Von 1924an arbeitete Lili Kolisko dann mit Metallsalzen anderartigen Versuchen, auch ließ sie die Lösungenbald nicht nur auf Filterpapier auftropfen, son-dern in Filterpapierzylindern aufsteigen.

Die Steigbild-Methode (Kapillar-Dynamolyse)

Vielleicht haben Sie irgendwann schon einmal– vielleicht im Schulunterricht – mit einemschwarzen Filzstift einen Fleck in die Mitte eines(Kaffee-)Filterpapiers gemalt und dann zuge-schaut, wie er sich beim Ausbreiten zum Randhin in mehreren Ringen in seine verschiedenenFarbpigmente zerlegt hat, wie aus der schwarzenFarbe die verschiedenen Farben des Regen-bogens sozusagen herauskamen?

Das ist – grob vereinfacht – das Vorgehen beidem chemisch-physikalischen Trennverfahrender Kapillar-Analyse. Dabei hat man es mit denStoffen zu tun, sie werden in diesem Verfahrendurch ihre verschieden starken Adhäsionskräftevon einander getrennt und lagern sich am unver-leimten Filterpapier einzeln ab. Diese Methodeder sog. Papierchromatographie haben LiliKolisko und andere ausgebaut zur Kapillar-

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Linda Socias und H. Bonneval beim „Bananen“ Die Kartoffelschälerinnen Foto: Ulrike Nadler

Zur Untermalung zupfte Leo Belka auf seinerGitarre eine wunderbar passende Musik. Um 17Uhr ließ der Appetit spürbar nach und es begannder Vortrag zum Thema Ernährung mit der zen-tralen Frage: Warum sollte man Demeter-Pro-dukte anderen vorziehen (s. nachfolgender Arti-kel)? Gegen 18.15 Uhr war das Seminar beendet.

Einige Unentwegte aßen noch von den Resten.Viele standen zusammen und sprachen miteinan-der. Es konnten allerlei Kontakte geknüpft undErfahrungen ausgetauscht werden, und zurückblieb der Eindruck, daß dies nicht die letzteVeranstaltung dieser Art war.

Dem Leben zugeschaut – Über die bildschaffenden Methoden zur Ermittlung der Nahrungsmittelqualität

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Dynamolyse. Diese untersucht nun jene ätheri-schen Kräftewirkungen, die in den Stoffen ver-borgen ruhen und von der gewöhnlichen, chemi-schen Stoffanalyse nicht erfaßt werden können.

Es wird also ein bestimmter Teil einer Pflanze,z. B. die Frucht, zu Saft verarbeitet oder in Wassergelöst bzw. extrahiert, und dieser Saft wird vomFilterpapier aufgesogen. Nach dem Trocknenwird eine Metallsalz-Lösung, z. B. Silbernitratoder Eisensulfat oder auch Goldchlorid o. a.nachsteigen gelassen. Unter Einwirkung desTageslichts entstehen dann während des

Steigvorgangs der Flüssigkeit und beim Trocknencharakteristische Formzeichnungen, die sich inmehrere Zonen unterteilen lassen. Sie unter-scheiden sich deutlich je nach Pflanzenart,Pflanzenteil, Pflückzeit und Qualität der Pflanzeusw. Soviel ich weiß, kann man physikalischzwar erklären, warum die Flüssigkeit aufsteigt,nämlich durch die Kapillarkräfte, bzw. chemischerklären, daß dabei Formzeichnungen entstehenmüssen, jedoch nicht, warum bei jeder Pflanzespezifische Formen entstehen. Dies deutet daraufhin, daß wir es dabei tatsächlich mit Kräftewir-kungen zu tun haben, die über den Rahmen derrein physischen Naturgesetze hinaus weisen,nämlich mit den Bildekräften, den Gestaltungs-kräften, die die (Nahrungs-)Pflanzen und alleanderen lebendigen Organismen wachsen undsich ausformen lassen.

Es wurden damals noch weitere solcher sog.„bildschaffender Methoden“ entwickelt, undzwar von Ehrenfried Pfeiffer. Im wesentlichensind dies: die Rundfilter-Chromatographie (wievon Steiner zuerst angeregt s. o.) und dieKupferchlorid-Kristallisation. Sie wurden vonRudolf Hauschka u. a. angewandt und weiterent-wickelt. Heute verwenden z. B. die Heilmittel-

firmen Weleda und Wala solche Methoden. Eswird aber auch noch immer weiter daran ge-forscht, wie z. B. von Frau Ursula Graf im For-schungsinstitut für Vitalqualität in Wetzikon inder Schweiz. Für die Gärtnerei Sannmann planenwir, mit Hilfe der Steigbildmethode eineQualitätsbestimmung der hier angebautenGemüsesorten zu erarbeiten.

Es muß oft erst ein optimales Steigbild für jedePflanze und jeden Pflanzenteil herausgearbeitetwerden. Dazu müssen Saftmenge, Saftkonzen-tration sowie Menge und Konzentration der

Salzlösung individuell aufeinander abgestimmtwerden. Es gibt bei den bildschaffenden Metho-den aber auch bei äußerster Genauigkeit keineabsolute Reproduzierbarkeit wie bei naturwis-senschaftlichen Methoden. Die kann es nichtgeben, wann immer es sich um lebendige Bil-dekräfte handelt. Das geht schon daraus hervor,daß der gesamte Kosmos auf den lebendigenOrganismus der Pflanze wirkt und keine derkomplexen Sternenkonstellationen sich genauso, wie sie beim 1. Versuch war, so schnell wie-derholt. Sonnenfinsternisse und selbst schon dieNeumondphase machen sich z. B. unübersehbarin chaotisierender Weise im Steigbild bemerkbar.Jedoch kann man mit etwas Geduld auch bei denbildschaffenden Methoden Regelmäßigkeitenentdecken. Dazu ist es nötig, die gleichen Ver-suche mehrmals zu wiederholen oder auch zuvariieren und vorallem, den eigenen Blick fürdiese ganz eigene Formensprache zu schulen. Eskristallisieren sich allmählich „ideale“ Formver-läufe für jeden Pflanzenteil, für jede Erntezeitusw. heraus. Dafür ist eine bestimmte, uns heutenicht sehr geläufige Betrachtungshaltung erfor-derlich: Man kann einmal versuchen, für dieDauer des Beobachtens (also nicht etwa grund-

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Ulrike Nadler erläutert Steigbilder Qualitätsermittlung von Nahrungsmitteln

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sätzlich bei dieser Forschungsrichtung) von allemetwaigen Vorwissen über das betrachteteGeschehen oder fertige Bild ganz abzusehen,sich selbst ganz zurückzunehmen, um stattdes-sen in dieser Zeit nur einfach ganz unbefangendie Phänomene – hier also die Formen undFarben – auf das eigene Wesen, auf die eigeneSeele wirken zu lassen. So hat sich Goethe dasbei seinen naturwissenschaftlichen Studien mehrund mehr zur Gesinnung gemacht und istdadurch zum Bild der Urpflanze gelangt. Das ist,was mit dem Finden der „idealen Form“ einerErscheinung gemeint ist: Keine der vor mir ste-henden Pflanzen oder ihrer vor mir liegendenSteigbilder gleicht der anderen vollständig. Unddoch kann vor meinem inneren Auge nach undnach ein solches Bild entstehen, das alleSteigbilder der gleichen Apfelsorte zuverlässigrepräsentieren kann. Es wird niemals äußereRealität werden, aber in mir zeigt es sich unmiß-verständlich als ein Bild, als eine Idee von denFormkräften dieser Apfelsorte. Ich kann also etwawissen, daß das Silbernitrat, das durch diePapierzylinder nach oben steigt, auf seinem Wegvon bestimmten Stoffen des Pflanzensaftes unterEinwirkung des Tageslichts zu metallischemSilber reduziert wird. Und dennoch nützt mir daszum Verstehen der Sprache des Bildes erstmalnicht viel. Das Entscheidende liegt in derunmittelbaren Betrachtung. Wirklich „fertig ent-wickelt“ wird das „Bild“ dann im Betrachterselbst.

Die Formen auf den Bildern ähneln oft auffälligsolchen, die auch bei den Pflanzen selbst vor-kommen, es sind Metamorphosen der Formender Ursprungspflanze. Dr. Rudolf Hauschkanannte sie in seiner Ernährungslehre „Urformendes Pflanzenwesens“. Er sagt dort: „Wir haben imSteigbild gleichsam eine neuwachsende Pflanzevor uns, die sich in wenigen Stunden vor uns ent-faltet.“

Zentrifugale (kosmische) Kräfte lassen Pflanzeund Bildformen anschwellen, aufwärtsstreben,zentripetale durchbrechen diese von außen bzw.oben. Wirken die zentripetalen (Erden-) Kräfteallein, bilden sich waagerechte, horizontaleFormungen, wirken sie im Gleichmaß mit denzentrifugalen, so verleihen sie ihnen Struktur. Erstdurch beide zusammen entsteht Form. Beidezusammen sind die Bildekräfte des Lebendigen.

Man kann also ein Kräftegefüge beobachten,das sich nicht nur auf dem Stück Papier, sondernsozusagen unsichtbar ausgespannt zwischen

Himmel und Erde erstreckt und durch jedesPflanzenwesen individuell zum Ausdruckkommt. Dabei ist das flüssige Element – derlebendige Saft der Pflanze und das das Salzlösende Wasser – das geeignete Medium, durchdas diese Vorgänge sichtbar werden können.Denn der Pflanzensaft, das Flüssige der Pflanze,ist der physische Träger der Bildekräfte. DieBildekräfte, die bis zum Moment des Abschnei-dens des Blattes in diesem Blatt formend gewirkthaben, sie wirken nun für einige Zeit noch ingleicher Weise formend weiter in dem „Blatt“Papier. Ist alles getrocknet, ist der Zauber vorbei.Die zurückbleibenden Bilder sind nur tote Spu-ren der Dynamik des Lebendigen.

Wer also Interesse hat, die Formensprache derSteigbilder einmal in Ruhe „live“ zu studierenoder wer Fragen zu diesen Themen hat oderLesestoff darüber sucht, der melde sich jederzeitgerne bei mir (unter der Adresse im Impressumam Ende des Heftes). Ulrike Nadler

Ernährung und Bewußtsein – wie die Kräfte der Nahrungsmittel auf denMenschen wirken

Der Vortrag begann mit der Frage: „Warumsollte man Demeter-Nahrungsmittel anderen vor-ziehen?“ und konzentrierte sich vor allem auf dasThema der Düngung von Nahrungspflanzen.Diesist auch schon in der letzten Ausgabe sehr aus-führlich behandelt worden unter dem Titel„Christus im Kompost“. Schon in der Ausgabe 3innerhalb des Seminarberichts zur „Natur-betrachtung 2004“ über den Besuch auf demBauckhof war von der entscheidenden Wirkungder Rinderhörner auf den im Demeter-Landbauso wichtigen Rinderdung berichtet worden. Diein dieser Sache dargestellten Zusammenhängebetreffen allerdings nicht nur das Thema derErnährung, sondern stellen gleichzeitig das Herzder Anthroposophie dar. Denn was die Ernährungbetrifft, so stellt man gewöhnlich vor, daß esdabei vor allem auf die Stoffe, die man zu sichnimmt, ankäme. Man sagt beispielsweise: Oran-gen enthalten viel Vitamin C, und meint damit,daß es gut sei, viel davon zu essen. Dem liegtaber ein fundamentaler Irrtum zugrunde, derallerdings nur schwer zu erläutern ist. Wenn manRudolf Steiners Ausführungen zur Ernährung stu-diert, findet man, daß er den Ernährungsstoffenvor allem insofern Bedeutung beimißt, als sieTräger von Kräften sind, welche durch den ge-

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samten Ernährungsvorgang sich auf den Men-schen übertragen. Sehr viel weniger als mangewöhnlich annimmt, bilden die Stoffe selbst denLeib des Menschen. Die Kräfte aber, die aus denNahrungsmitteln gewonnen werden können, die-nen vor allem zur Bildung eigener Körpersub-stanz. Dies läßt sich sehr gut an dem komplizier-ten Beispiel der Rinderhörner beschreiben.

Stier vom Bauckhof Foto: Archibald Kleinau

Und zwar spielen die innen hohlen Hörner derRinder in deren Atmung eine besondere Rolle.Der Atem fließt im Innern der Kuh bis in dieHörner hinauf und wird in spezieller Weisezurückgestoßen in den komplizierten Verdau-ungstrakt des Tieres. Auf diese Weise entstehenKräfte, welche dem Rind die exakte Körperformgeben. Diese, beim Rind besonders starken form-gebenden Kräfte bleiben aber im Dung erhaltenund gehen über die Düngung auf die Nah-rungspflanzen über. Durch die Ernährung gehensie dann in den Menschen über, welcher sie imDenken verwendet. Gestaltende, formgebende

Kräfte im Denken, Kräfte, die den Menschenunterstützen bei der Bildung eigener Gedanken,gehen über den Dung von den Rinderhörnernaus auf den Menschen über. Und diese Selbst-gestaltung von Gedanken ist wiederum das Herzder Anthroposophie, insofern dieses Denken not-wendige Voraussetzung zur Umsetzung derAnthroposophie ins Leben ist. Das übliche Den-ken besteht in übernommenen Gedankeninhal-ten, die man erinnert und für alle Erscheinungendes Lebens verwendet. Das selbstgestalteteschöpferische Denken bildet selbst den Gedan-keninhalt, indem es den Geist, d. h. die ursächli-che Idee der Sache aufsucht und intuitiv erfaßt.Deshalb empfiehlt Rudolf Steiner den Landwirtenzur Düngung einen Kompost aus Rinderdungund Pflanzenresten, die der Sonne ausgesetztwaren, denn auch die Sonnenkräfte der Pflan-zenteile wirken wiederum förderlich gerade aufjenes spezielle Denken, welches den Menschenvollkommen verändert und erneuert. Wenn mandies als Beispiel für das Kräftewirken in derNahrung nimmt, kommt man wie von selbst aufallerlei Fragen, wie z. B. auf die Frage nach densklerotisierenden Kräften, die beim Einfrieren vonNahrungmitteln auftreten. Auch nach eventuel-len Nachwirkungen der Kräfte, die beim Ultra-Hoch-Erhitzen verwendet werden oder bei che-mischer Düngung, der Schädlingsbekämpfung,der Konservierung usw. müßte man fragen. In alldiesen Fällen muß befürchtet werden, daß gera-de das Weiterwirken der Kräfte, die einmal aufdie Nahrungspflanzen eingewirkt haben, Gründesein können für allerlei unerklärliche Krank-heitserscheinungen, wie z. B. Allergien und diesonstigen Zivilisationskrankheiten. Niemalskönnte ein Chemiker jene Kräfte in den Nah-rungspflanzen finden, welche von den Rin-derhörnern ausgehen, und doch wirken sie.Ebensowenig wird man die Kräfte finden, welchemöglicherweise hinter vielen der Zivilisations-krankheiten stehen, weil sie eben nicht auf mate-rielle Weise festgestellt werden können. Hierhaben wir einen ganz mächtigen Grund für diebiologisch-dynamisch erzeugten Nahrungsmittel.Und ich glaube, daß noch viel zu wenigeMenschen diese Gedanken kennen, denn wäredies der Fall, so würden ganz gewiß mehr Men-schen nur noch Demeter-Produkte für ihreErnährung verwenden wollen, und dann ließendiese sich auch zu niedrigeren Preisen erzeugenals bisher.

Hans Bonneval

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Was bewirkt die Prägung der Zeiten? Was ver-anlaßt die Menschen, über gewisse Periodenbestimmte Aspekte des Daseins in den Vorder-grund zu stellen und andere wenig oder unbe-achtet zu lassen? Was bewirkt den wechselndenCharakter der Zeitalter? Gibt es gesetzmäßigeWirkungen hinter Moden und Trends? Gewöhn-lich schreibt man solche charakteristischen Zeit-erscheinungen den Launen der Menschen zu undspricht von Massensuggestion oder fingiertenTrends. Doch Lars Grünewald hat in dieser Sachedie bedeutsame Entdeckung gemacht, daß offen-bar im großen Weltgeschehen sowohl einRhythmus von sieben Perioden à siebzig Jahre alsauch ein solcher von sieben Perioden à zehnJahre wirksam ist. Beide Rhythmen, die siebenSiebzigjahres-Perioden und die sieben Zehnjah-res-Perioden wirken ineinander, so daß beispiels-weise die siebzig Jahre des Sonnen-Jahrsiebzigsdurch sieben verschiedene Phasen à zehn Jahrehindurchgehen. Die gegenwärtige Zeitentwick-lung steht unter der Vorherrschaft des Saturn. Wirleben also in einem Saturn-Jahrsiebzig. Und zwarbegann die Saturnherrschaft über den Zeitenver-lauf im Jahr 1970. Die Siebziger Jahre standenaber innerhalb der Saturnkraft unter der Färbungdurch den Mond. Es handelte sich um die mond-gefärbte Saturnregentschaft. Das zweite Jahr-zehnt des Siebzigjahreszyklus war durch denMerkur geprägt – eine merkurial gefärbte Saturn-wirkung. Das dritte Jahrzehnt, die NeunzigerJahre, waren venusgestimmte Saturnkraft. Diegegenwärtige Zehnjahresperiode ist dementspre-chend „sonniger Saturn“, ist eine Zeit, in welcherder Saturn sonnengestimmt wirksam ist. Im Jahre2010 beginnt dann die Saturnkraft, durch denMars eingefärbt zu werden. 2020 wird derJupiteraspekt führend innerhalb der Saturnwir-kung und 2030 wird der Saturn ganz er selbstsein, weil dann der Saturnaspekt des Saturnjahr-siebzigs die Zeitereignisse prägt. Im Jahre 2040beginnt dann das Jahrsiebzig des Mondes. Nachneunundvierzig Jahrzehnten ist ein Zeitenzykluserfüllt und beginnt von neuem.

Die Geschehnisse der genannten Zeiten-Peri-oden scheinen tatsächlich aus den Planetenkräf-ten impulsiert zu werden, denn Rudolf Steinerbezeichnet die zwölf, die Fixsternwelten reprä-sentierenden Tierkreiszeichen und die siebenklassischen Planeten als die Quellen der Grund-

kräfte des Kosmos, aus denen letztlich allesbesteht. Wenn aber alles Vorhandene aus diesenKräften besteht, dann müßte das auch für denZeitenlauf, für die Entwicklungsphasen gelten.Wenn hier von Planetenkräften die Rede ist,dann sind damit nicht nur die materiellen Pla-neten gemeint, sondern vielmehr die hierarchi-schen Wesen, die in den Sphären der Planetenleben. Die Mars-Sphäre ist jene Kugelschale, diesich ergibt, wenn man von der Erde nach obenschaut, bis man den Mars findet, und dort – indessen Höhe über der Erdoberfläche eine Kreis-linie um die Erde zieht. Das ist beim Mars einziemlich großer Kreis. Aber der ist dreidimensio-nal zu denken, also nicht nur ein Kreis, sonderneine Kugelschale von der Größe des Abstandeszwischen Mars und Erde, das ist die Marssphäre,und in ihr leben vor allem die Wesen derDynamis. Der Mars selber ist der Repräsentantder Wesen dieser Sphäre. Auch die Tierkreiszei-chen sind Wohngebiete oder Kolonien der höch-sten kosmischen Hierarchien-Wesen der Throne,Cherubim und Seraphim. Aus den Kräften dieserzwölf Tierkreis- und sieben Planeten-Regionenaber ist alles, was wir um uns vorfinden, gewo-ben. Aller Stoff ist letztlich nur ein rhythmischpulsierendes Geflecht von Kräften, die aus demWirken bestimmter Wesen hervorgehen. Dabeiwirken die sieben Planetensphären nicht nur fürsich, sondern auch als Modifikatoren der Tier-kreiskräfte. Eine Tierkreiskraft kann daher in sie-ben Modifiktionen auftreten. In zahlreichenVorträgen erläutert Rudolf Steiner die verschie-densten Wirkensweisen dieser kosmischen Kraft-quellen. So findet der okkulte Forscher, daß dieMetalle vorwiegend aus Planetekräften gebildetsind. Demnach steht beispielsweise die Kraft derMondensphäre hinter dem Silber, die der Son-nensphäre hinter dem Gold. Das Blei ist geron-nene Saturnkraft. In den Leibern von Mensch undTier wirkt die Saturnkraft aber als die Milz, dieSonnenkraft als Herz, die Planetenbahnen alsBlutgefäße und die Mondenkraft wirkt als Repro-duktionsfähigkeit im Stoffwechsel und in derZeugung.

Auch in der Sprache des Menschen sind dieTierkreis- und Planetenkräfte wirksam. Aus derMondenkraft bildet der menschliche Sprachsinnden Laut „Ei“, durch die Sonnenkraft ein „Au“,und aus der des Jupiter das „U“. Aus den Plane-

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Von der planetarischen Impulsierung der Zeitalter

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tenkräften bildet der Mensch die Vokale, ausjenen des Tierkreises die Konsonanten. Tatsäch-lich universell wirken die Kräfte der sieben klas-sischen Planeten ebenso wie die der zwölfTierkreisregionen in allen Erscheinungen derWelt. Je tiefer man in diese Zusammenhänge ein-taucht, desto berechtigter erscheint die Annah-me, daß auch das Zeitgeschehen in rhythmischenPerioden von den Planetenkräften impulsiert undregiert wird. Im folgenden Artikel aus dem Jahre2001 weist Lars Grünewald auch auf die Gefah-ren hin, die damit einhergehen, daß Menschendiese Rhythmen kennen und sie für ihre Zweckein egoistischer Weise auszunutzen suchen. Demzu begegnen wäre nur möglich, indem man dieseDinge zur Kenntnis nimmt und mit dem entspre-chenden Bewußtsein das Zeitgeschehen verfolgt.

Dazu hat Rudolf Steiner immer wieder aufgeru-fen, beispielsweise in dem Vortrag "Was tut derEngel in unserem Astralleib" sagt er:

GA 182/6/2„In der Erkenntnis dieser Lebensnotwendig-keit liegt schon die Aufforderung, daß derAnthroposoph in einer gewissen Weise sichbeteiligen müsse an dem Wachen über dieZeichen der Zeit. Es geschieht in der Welt-entwickelung gar manches; dem Menschen,insbesondere dem Menschen unseres Zeit-alters obliegt es, sich wirkliches Verständniszu verschaffen von dem, was in der Weltent-wickelung, in die er selbst hineingestellt wor-den ist, geschieht.“

1) Erinnerung und Gedächtnis in unserergegenwärtigen Kultur

In einer einführenden Darstellung zu denArbeitsgebieten und Methoden der Kulturwissen-schaft – erschienen im Februar 2000 – konstatie-ren die Verfasser:

„Wie kein anderes Thema hat der KomplexGedächtnis und Erinnerung zur gegenwärti-gen Renaissance der Kulturwissenschaftenbeigetragen ... Warum hat das Interesse andiesem Thema in jüngster Zeit so stark zuge-nommen? Wieso kann die Beschäftigung da-mit paradigmatische Konsequenzen für dieKulturwissenschaft haben? Und inwieweitkönnte unser Verständnis von Wissenschaftüberhaupt von der Ausrichtung auf Erinne-rung und kulturelles Gedächtnis reformiertwerden? Eine verstärkte Tendenz zur Rück-schau und damit zu verschiedenen Formendes Bilanzierens und Speicherns, des Archi-vierens und Memorierens können wir gene-rell am Ende des zweiten Jahrtausends unse-rer Zeitrechnung feststellen.“1)

Nach dem Hinweis auf eine allgemeine „fin demillenium-Atmosphäre“, die sich an diffusemSammeleifer, an der Häufung von Dokumenta-tionen und Retrospektiven, am stetig wachsen-den Bedürfnis nach technischem und natürli-chem Speichern ablesen lässt“2), gehen dieAutoren in ihrer Analyse naheliegender Weise

insbesondere auf die Computertechnik ein. Mitihr zusammen „setzt sich ein ganz bestimmtes,universalisiertes Gedächtnismodell ... durch: dasModell von storage und retrieval (Speicherungund Wiedereinschaltung). Texte, Bilder, Tönewerden gleichförmig binär codiert und vorrätiggehalten. Und das uniformiert zugleich auchunsere Art des Umgangs mit den Memorabilia.Zwar ist es eine Illusion, dass die verschiedenensinnes- und funktionsspezifischen Erinnerungs-formen sich alle jenem Universalmodell subsum-mieren ließen, aber es ist eine Illusion, an die wiraus Gewohnheit zunehmend glauben und diedadurch realitätsbestimmend wird. Die Um-gangssprache signalisiert, wie weit dieser Prozessder Angleichung unserer Vorstellungswelt an dieBegrifflichkeit der elektronischen Datenverarbei-tung schon fortgeschritten ist – wenn etwa vom‚Reinziehen’ einer CD die Rede ist, Wissens-erwerb als ‚Input’ oder ‚Upload’ umschriebenwird und das Erinnern entsprechend als „Abruf“oder ,Download’.“3)

Suchen wir nach den kosmologischen Hinter-gründen dieser von den Autoren beschriebenenZeitströmung, so finden wir bei Rudolf Steinereinen eindeutigen Hinweis darauf, in welcherRichtung eine Erklärung dieser Phänomene zusuchen sein dürfte. Im Zuge einiger Ausführun-gen über „schicksalsbestimmende und schick-salsbefreiende Planeten“ charakterisiert Steinerden Planeten Saturn folgendermaßen:

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Zeitgeist und Gedächtnis

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„Der Saturn kommt einem vor wie derjenigeWeltenkörper, der alles getreulich mitge-macht hat in unserem Planetensystem, abersich auch alles in der Erinnerung, in dieserkosmischen Erinnerung, die er hat, treulichbewahrt hat. ... Die ganze Summe der We-senheiten, die im Saturn wohnen, gibt sichzwar der Außenwelt hin, aber nimmt schwei-gend, stumm die Ereignisse der Welt in dasSeelenhafte auf und erzählt nur von den ver-gangenen Ereignissen des Kosmos. Daher istder Saturn, wenn er zunächst kosmisch be-trachtet wird, etwas wie das wandelndeGedächtnis unseres Planetensystems.“4)

Folgen wir diesem Hinweis, dann hätten wir esalso beim Thema „Erinnerung und Gedächtnis“mit einem saturnalen Phänomen zu tun, das inunserer derzeitigen Kultur derartig dominiert,dass wir geradezu von einer Saturn-Epoche spre-chen können. Endlose Zeitlupen-Wiederholun-gen entscheidender (und weniger entscheiden-der) Szenen bei Sport-Übertragungen im Fern-sehen, die beständige Einblendung gefilmter undstets abrufbereiter Katastrophen-Szenarien inNachrichten-Sendungen, permanente Wiederho-lungen von Serien und Spielfilmen (ganzeFernsehsender können überhaupt nur durch denRückgriff auf kostengünstig zur Verfügung stehen-des Archivmaterial wirtschaftlich überleben),„Best of“-Anthologien von Popstars, die ihrenkreativen Höhepunkt längst überschritten haben(meistverkaufte CD in den Jahren 2000/2001 wareine Kollektion der bekanntesten Beatles-Songs),das Abrufen digital gespeicherter Bilder,Graphiken und Klangfragmente (sogenannterSamples) in Musik sowie der neu aufgetretenenKunst des Web-Designs, ein generelles intensivesInteresse an Erlebnis- und Augenzeugenberich-ten, die zahlreichen einander ablösenden Revi-val-Wellen in der Unterhaltungskultur, dieKodierung der im menschlichen Erbgut gespei-cherten Informationen, die Registrierung indivi-dueller körperlicher Eigentümlichkeiten im sog.,genetischen Fingerabdruck’, die Beurteilung desjeweils aktuellen Standes bezüglich schwerwie-gender Themen wie Arbeitslosigkeit, Wirtschafts-wachstum, Verkehrsicherheit usw. ausschließlichanhand von Statistiken und Bilanzen (also durchden Bezug auf vergangene, in der Statistik festge-haltene Ereignisse), der mittlerweile in denNachrichten stündlich und öfter erfolgende Abrufvon Wertpapierständen5) und Wechselkursen, derin immer weiterem Umfang auftretende Versuch,

die eigene Jugendlichkeit mittels medizinischerund anderer Maßnahmen so lange als irgendmöglich zu konservieren (d. h. einen vergange-nen Zustand zu bewahren), die kulturgeschicht-lich durchaus neuartige Idee des biologischenArtenschutzes (dessen Ziel die möglichst unbe-grenzte Konservierung der Art ist), das seit densiebziger Jahren verstärkt auftretende Interesseder Deutschen an ihrer politischen Vergangen-heit, Lebensläufe als Basis betrieblicher Einstel-lungsgespräche („Was haben Sie denn bisher soalles gemacht?“), die oftmals rückwärts gewandteKonzentration der Anthroposophie auf die Personihres Gründers, der mittlerweile ebenfalls in diezeitliche Distanz einer geschichtlichen Persongerückt ist: All diese Phänomene und noch vieleandere mehr weisen darauf hin, dass die Ge-dächtnis- und Erinnerungsfunktion – die RudolfSteiner mit dem Planeten Saturn verbindet – inder Tat zur beherrschenden Strömung unsererZeit geworden ist.

2) „Siebzigjahres-Gesetz“ und „Zehn-jahres-Gesetz“

Für den anthroposophisch orientierten Geistes-und Kulturwissenschaftler wirft die Erkenntnis dersaturnalen Bestimmtheit unserer gegenwärtigenZeit die Frage nach einer hinter diesemPhänomen stehenden planetarisch-rhythmischenGesetzmäßigkeit auf. Und in der Tat ergibt dienähere Betrachtung eine präzise rhythmischeFolge von klar gegeneinander abgegrenzten kul-turellen Zeitabschnitten, deren Aufeinanderfolgeder von Rudolf Steiner des öfteren – z. B. zurErklärung des menschlichen Lebenslaufes – her-angezogenen Planetenfolge von Mond bis Saturngemäß dem Prinzip der ansteigenden Umlauf-zeiten entspricht. Wenn wir uns heute in einerSaturnperiode befinden, dann handelt es sichhierbei bereits um die letzte Phase eines Zyklus,um eine „Endzeit“ also. Während nun beimmenschlichen Lebenslauf ein planetarischerAbschnitt die Dauer von sieben Jahren umfasst,müssen wir auf kulturgeschichtlicher Ebene miteiner Periodendauer von siebzig Jahren rechnen.Um den Anfang des gegenwärtigen planetari-schen Zyklus’ aufzufinden, müssten wir denBeginn der entsprechenden Mondenperiodeangeben können und zu diesem Zweck inSiebzigjahres-Schritten zurückrechnen, um zueinem Zeitpunkt zu gelangen, den wir zwischen420 (= 6 x 70) und 490 (= 7 x 70) Jahre vor unse-

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rer Zeit anzusiedeln hätten. Gehen wir von derJahreszahl 1550 aus, dann würde sich das fol-gende Schema kulturgeschichtlicher Periodenergeben:

1550 – 1620 Mond1620 – 1690 Merkur1690 – 1760 Venus1760 – 1830 Sonne1830 – 1900 Mars1900 – 1970 Jupiter1970 – 2040 Saturn

Wenn wir uns nun fragen, was das Grundthemadieser vierhundertneunzigjährigen Zeitspanneist, das in den einzelnen Siebzigjahres-Periodenin unterschiedlichen Variationen auftritt unddurch dessen kontinuierliche Entfaltung sich derfragliche Zeitraum als ein in sich zusammenhän-gender kulturgeschichtlicher Abschnitt erweist,so finden wir eine präzise und unmittelbar plau-sible Antwort auf diese Frage in den folgendenAusführungen des bekannten Philosophie-Histo-rikers Wolfgang Röd. Das Jahr 1550 – so müssenwir vorausschicken - fällt bekanntlich in das Zeit-alter des Humanismus und der Renaissance. Rödschreibt:

„Obwohl das Denken der Humanisten undRenaissance-Philosophen an antike und teil-weise auch an mittelalterliche Ideen anknüpf-te, schlug es doch neue Wege ein. Fragen inbezug auf die Natur, einschließlich der Naturdes Menschen, traten in den Vordergrund;jenseitsbezogene Probleme wurden dagegenimmer konsequenter ausgeklammert. ... Nachund nach kam es zu einer Verlagerung desInteressenschwerpunktes vom geistes- aufden naturwissenschaftlichen Bereich. Hattenim 14. und 15. Jahrhundert philologisch-his-torische Interessen im Mittelpunkt ... gestan-den, so wendete sich im 16. Jahrhundert dieAufmerksamkeit verstärkt Fragen der Naturer-kenntnis und Naturbeherrschung zu.“6) (Röd397f).„Hatten in der scholastischen Philosophie derGottesbegriff und das Problem des Verhält-nisses von Gott und Schöpfung im Mittel-punkt des philosophischen Interesses gestan-den, so fiel in der Renaissance die Rolle desSchlüsselbegriffs der Idee der Natur zu. DieNatur galt zwar vielfach noch als göttlichoder als Offenbarung Gottes, aber nach undnach kam immer stärker die Auffassung zurGeltung, dass die Natur unabhängig von ihrermöglichen Beziehung zu Gott zu betrachten

sei. Für die Vertreter der modernen Naturwis-senschaft ist die Natur ein Wirklichkeits-bereich, der als solcher – und nicht wegenseiner Abhängigkeit von Gott – zu erforschenist. Entsprechend der Idee einer autonomenNatur tritt auch die Naturwissenschaft mitden Anspruch auf, autonom zu sein.“7)

Hiermit ist das Rahmenthema der Neuzeit prä-zise gekennzeichnet: Es ist der Umgang desMenschen mit der Natur. In dieser Verlagerungdes Interessenschwerpunktes vom „Jenseits“ zum„Diesseits“ liegt in der Tat die kulturgeschichtli-che Abgrenzung zum Mittelalter, in welchemsich der Mensch als ein primär geistiges Wesenmit jenseitigem („himmlischem“) Ursprung be-griff. Das sich entwickelnde Selbstverständnis desMenschen als ein Naturwesen verleiht dem inRede stehenden Zeitabschnitt seine besondereund übergreifende Charakteristik. Dieser Be-hauptung als solcher wird sich schwerlich wider-sprechen lassen; es ist der Zusammenhang zwi-schen der Behauptung eines leicht belegbarenkulturgeschichtlichen Tatbestandes und einerkosmologisch-astrologischen Gesetzmäßigkeit,um den es hier geht. Halten wir also fest, dass essich beim saturnischen Thema „Erinnerung undGedächtnis“ um die Speicherung der Resultatedes menschlichen Umganges mit der Natur undmit sich selber als einem Naturwesen handelt.8)

Um nun allerdings eine wirklich differenzierteBetrachtung auch und gerade der gegenwärtigenZeitphänomene zu ermöglichen, ist es erforder-lich, zusätzlich zum soeben erläuterten „Siebzig-jahres-Gesetz“ noch eine weitere planetarischeGesetzmäßigkeit zu berücksichtigen. Der Astro-loge Thomas Ring schreibt über die innere Struk-tur der siebenjährigen Perioden des mensch-lichen Lebens: „Die einzelnen Jahre ... habenvon der Geburt an eine hintereinanderfolgendeBetontheit in der Reihe Mond, Merkur, Venus,Sonne, Mars, Jupiter, Saturn. Mit Abschluss dieserPhase beginnt die Zählung der einzelnen Jahrevon vorn“ (Ring 86).9) Eine analoge Gesetz-mäßigkeit finden wir nun auch sehr präzise imFortgang der kulturellen Entwicklung wieder, nurdass wir hier wiederum (mathematisch ausge-drückt) gegenüber dem individuellen mensch-lichen Lebenslauf mit dem Faktor Zehn multipli-zieren müssen. Die siebzig Jahre einer kultur-geschichtlichen Periode gliedern sich demnachin sieben Zehnjahres-Abschnitte, die wir im fol-genden im Gegensatz zu den siebzigjährigenPerioden als Phasen bezeichnen. Dieses „Zehn-

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jahres-Gesetz“ liefert uns den Schlüssel zu einerkosmologischen Erklärung, warum „die Sieb-ziger“, „die Achtziger“ oder „die Neunziger“abgesehen von ihrer quantitativen Bestimmtheitals Summe von zehn Jahren außerdem eine qua-litative Einheit darstellen, insofern nämlich, alsdass in ihnen ein ganz bestimmter Zeitgeist zurAusprägung gelangt, der sich mittels des entspre-chenden Planetenprinzips eindeutig kennzeich-nen und anhand der unterschiedlichsten Zeit-phänomene in konkreter Form aufweisen lässt.

3) Gedächtnis und Individualität

Innerhalb der aktuellen, mit dem Jahr 1970beginnenden Saturn-Periode können wir auf-grund der vorangegangenen Darlegungen diesiebziger Jahre (des 20. Jahrhunderts) alsMonden-, die achtziger als Merkur- und dieneunziger Jahre als Venusphase kennzeichnen.Mit dem Jahr 2000 hat eine Sonnenphase begon-nen, in deren erstem Drittel wir uns momentanbefinden. Was heißt das? In seinem Vortrag vom5. Mai 1921 erläutert Rudolf Steiner:

„... der Grieche empfand noch richtig, wenner das, was ihm von der Sonne zustrahlte, alsdasjenige empfand, was in Zusammenhanggebracht werden muss mit seiner Ich-Ent-wickelung, insofern diese Ich-Entwickelunggebunden ist an das Vorstellungswesen desVerstandes. In dem Sonnenstrahl sah derGrieche dasjenige, was in ihm entzündet dasIch.“„So finden wir, wie ... der Mensch in seinerganzen Ich-Entwicklung abhängt von derWirkung der Sonne, wie er ein fest auf derErde lebendes Ich nicht sein könnte ohne dieSonne ... Man kann sagen: die Sonne ist das-jenige, was den Menschen als eine Persön-lichkeit, als einzelnes Individuum fest auf dieErde stellt.“10)

Wenn wir also heute mitten in einer Saturn-Hauptströmung und innerhalb dieser am Beginneiner Sonnen-Unterströmung stehen, so heißtdies ins Phänomenologische übersetzt: DasSaturn-Oberthema (Gedächtnis, Erinnerung,Speichern, Distanz zum Gewordenen, Rück-schau, Abruf von Vorhandenem, Bilanzierung derabgelaufenen Phase, allgemeine „Retro-Haltung“etc.) wird jetzt projiziert auf das Sonnen-Thema„Ich-Entwicklung und Individualität“. Aus dieserKonstellation resultiert die Kardinalfrage desmomentan noch weitgehend vor uns liegenden

Jahrzehnts: Was am menschlichen Individuumlässt sich speichern, dem Verfall, dem Vergessenund der Vergangenheit entreißen, in abrufbereiteFormen fassen und memorieren? Und: Wie ver-mag sich das autonome menschliche Ich gegen-über diesem ,Sog der Vergangenheit’ zu behaup-ten? Erfassen wir von diesem Gesichtspunkt auseinige aktuelle Zeitsymptome:

In einer im Dezember 2001 angeregtenAbstimmung fragt der Radiosender N4 seineHörer: „Wer ist der Mensch des Jahres2001?“: Mittels eines Rückblicks auf das ver-gangene Jahr soll ein einzelnes menschlichesIndividuum mit diesem Titel ausgezeichnetwerden.Am 1. Dezember 2001 wurde in Heidelbergdie „Forschungsstelle zum Werk Rudolf Stei-ners“ eröffnet. Aus dem Werk einer einzelnen„historischen Person“, deren Werk nun voll-ständig ediert vorliegt, sollen Impulse für dieBewältigung der Gegenwart herausgearbeitetwerden. In einem Kurzportrait der neu einge-richteten Forschungsstelle lesen wir: „RudolfSteiners Werk bedarf wie jede geschichtlichgewordene Äußerung einer fortlaufend er-neuerten Aneignung.“ Ebenfalls am 1. Dezember 2001 starb in denUSA einer von bisher fünf Patienten, deneneinige Monate zuvor ein künstliches Herzeingepflanzt worden war. Das Herz ist dasSonnenorgan und im menschlichen Organis-mus der Träger der Individualität. Innerhalbeiner Saturnperiode wird es nun erstmals alskünstliches Abbild hergestellt (reproduziert)und anstelle des Originals verwendet.In der gegenwärtigen Diskussion um dieinnere Sicherheit wird die Verwendung desgenetischen Fingerabdrucks erwogen. In ihmsind unverwechselbare physische Merkmaleder Individualität eindeutig gespeichert.Ebenfalls in der Diskussion ist die sog.Rasterfahndung. Sie konstruiert mittels äuße-rer Merkmale einen menschlichen Typus,unter welchen die einzelnen real existieren-den Individuen entweder fallen oder nichtfallen. Abrufbereite Merkmale entscheidenhier über die Zuordnung einer Individualitätzur Gruppe der durch das Raster erfasstenPersonen.In den USA entstand das Konzept des erstenweltweit vermarkteten fiktiven Popstars: Die„Kunstfrau“ Lara Croft „macht“ Comics, CDsund Kinofilme, ohne real zu existieren; sie

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wurde im Computer als altersloser und daherewig junger, digital abrufbarer Medienstarkonzipiert.In den Fernseh-Privatsendern werden diepopulären Talkshow-Formate und Serien demsolaren Trend zur Individualisierung ange-passt, indem jede Show bereits im Titel ein-deutig mit dem Namen einer Einzelpersön-lichkeit verknüpft ist. Eine kleine Auswahl(ausgestrahlt alle am 05.12.01): „Volle Kan-ne, Susanne“, „Oliver Geissen Show“,„Bärbel Schäfer“, „Die Nanny“, „Vera amMittag“, „Britt – Der Talk um Eins“ „RichterinBarbara Salesch“, „Richter Alexander Hold“,„Harald Schmidt Show“, „Raymond“, „Rose-anne“, „Sam“, „Arabella“, „Andreas Türck“,„Nicole – Entscheidung am Nachmittag“,„Sabrina“, „Galileo“ (ein Wissensmagazin!),„Franklin – Deine Chance um 11“, „Zwei beiKallwass“, „Das Quiz mit Jörg Pilawa“. Der Fernsehsender „Super RTL“ bietet seinemPublikum nahezu ausschließlich computer-animierte Individuen an, indem er mindes-tens dreizehn unterschiedliche Zeichentrick-Sendungen pro Tag ausstrahlt. Eines der gesellschaftlichen Hauptthemen istzur Zeit bekanntlich das Klonen vonEmbryonen und die rechtliche Lizenz zurNutzung menschlicher Stammzellen, d. h. derim Erbgut gespeicherten Informationen. (Vgl.Rudolf Steiner, GA 204, Vortrag vom05.05.21: „Alles was im Menschen ... vonaußen seine Gestalt bestimmt, was schonwährend seiner Embryonalzeit seine Gestaltbestimmt, das ist Sonnenwirkung. ... dermenschliche Embryo ruht nur im mütter-lichen Leibe. Dasjenige, was ihm da die Formgibt, das sind die Sonnenkräfte.“)Ein neuer, im abgelaufenen Jahr zur Geltunggekommener Trend besteht darin, Popstarsvor den Augen des Publikums entstehen zulassen, indem auf ausgewählte „Normalbür-ger“, welche gewissen Kriterien der Medien-wirksamkeit genügen, die gesamten Produk-tions- und Vermarktungsmechanismen derUnterhaltungsindustrie angewendet werden.Die ausgewählten Personen sind „Stars“bereits im Moment ihrer Auswahl, denn dieAnwendung der entsprechenden Mechanis-men allein garantiert bereits – wie der Erfolgder Mädchenband „No Angels“ beweist – denPublikumserfolg. Die nach festgelegtenKriterien ermittelte Einzelpersönlichkeit ist

hierbei nichts weiter als eine zwar erforderli-che, aber beliebig austauschbare Variable ineiner feststehenden, mechanisch in Ganggesetzten Erfolgsformel. Eine ebenfalls vergleichsweise neuartige TV-Erscheinung sind die sog. „Reality-Shows“,in denen die Einzelperson vor der Kamera bisan ihre Grenzen, oder noch besser: bis weitüber ihre Grenzen hinaus „gefordert“ bzw.überfordert wird. Paradebeispiel und Vorreiterdieser Spezies war „Big Brother“. „Small Bro-ther“ ist dieser Metaphorik gemäß das einzel-ne menschliche Individuum; „Big Brother“demgegenüber das sämtliche Regungen desGefilmten aufzeichnende, allgegenwärtigeSpeichermedium der Fernsehkamera. DieserTrend, der sich bereits zu so liebevoll betitel-ten Sendungen wie „Die Schwächste fliegt“(RTL) vorgearbeitet hat, wird an Brutalitätzweifellos noch wesentlich zunehmen. Daslegitime kulturelle Dekaden-Thema: „Wiebehauptet sich die Individualität innerhalbwidriger äußerer Umstände?“ erscheint hierin pervertierter Form, findet aber wegen derplanetarisch bedingten Aktualität des Themasgroßes Interesse. Der zur Zeit erfolgreichste männliche So-lokünstler der Pop-Branche, Robbie Williams,hat zu Weihnachten 2001 ein Album mitneuen Versionen bekannter Titel von FrankSinatra vorgelegt. Im Song „It was a very goodyear“ ertönt von der dritten Strophe an diemedial gespeicherte Stimme des verstorbenenFrank Sinatra höchstpersönlich ...

Fragen wir uns abschließend: Was ist mit derErkenntnis des hier dargestellten kulturgesetz-lichen Zusammenhanges praktisch gewonnen?Nehmen wir an, der Zeitgeist einer Dekade brau-che eine Spanne von etwa drei Jahren, um sichals ein allgemeiner kultureller Trend im öffent-lichen Bewusstsein durchgesetzt zu haben unddamit in gewisser Weise als selbstverständlichakzeptiert zu sein. Danach setzt unausweichlicheine Phase der Gewöhnung ein; das vormalsNeue wird als etablierter kultureller Standardvorausgesetzt und damit zur Basis der Beurtei-lung neuer Trends gemacht. Je konservativer dieGrundhaltung des jeweiligen Betrachters, destoeher wird ein Dekadenwechsel als unerwarteteAbweichung von (positiv oder negativ) bewähr-ten Zuständen erscheinen. Zunächst ist eine sol-che Haltung natürlich die Privatsache desEinzelnen. Welches Gefahrenpotential aber dies-

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bezüglich von tendenziell rückständigen Päda-gogen, Politikern und anderen Personen desöffentlichen Lebens ausgeht, die den Zug der Zeitregelrecht verschlafen, lässt sich möglicherweiseausmalen. Und welche Chancen der kulturellenMassenmanipulation eröffnen sich umgekehrtdenjenigen, die um die dargestellten Zusam-menhänge wissen?

Was für Möglichkeiten der Unternehmenspla-nung hätte – um ein harmloses und vielleichtetwas verschrobenes Beispiel zu bemühen – einBekleidungsproduzent, der sich der einsetzenden„Femininisierung“ der Männermode zu Beginnvon solchen Jahrzehnten bewusst wäre, die unterder Vorherrschaft des Venus-Prinzips (anthropo-sophisch gesprochen: unter der Dominanz desAstralleibes) stehen, wie dies etwa von denunlängst abgelaufenen neunziger Jahren galt?Weniger harmlos: Wenn bekannt ist, dass zu

Beginn einer jeden Sonnen-Dekade ein verstärk-ter Individualismus, verbunden mit einem eben-so verstärkten intensiven Interesse an anderenIndividualitäten einsetzt; wie werden diejenigenPersonen mit kulturellem Steuerungspotentialreagieren, die ein Interesse daran haben, eingeistgemäßes Ausleben dieses Impulses zu ver-hindern? Nun, sie werden sicherlich (etwa durchdie entsprechende Gestaltung von Fernsehpro-grammen) dafür sorgen, dass die aktuellen Im-pulse rechtzeitig aufgefangen, umgelenkt undmanipuliert werden. Mit der „Faszination Indi-viduum“ ist in einem Sonnen-Jahrzehnt unbe-dingt zu rechnen; die Frage ist nur: Auf welcheWeise findet der Impuls seinen Ausdruck? Wer istan der Ausprägung kultureller Trends aktiv betei-ligt; und wer findet sich nach verschlafener Ein-gangsphase in der Rolle des Betrachters, Regi-strators und Konsumenten wieder?11)

Böhme, Hartmut / Matussek, Peter / Müller, Lothar: OrientierungKulturwissenschaft. Was sie kann, was sie will. Reinbek bei Hamburg2000, S. 147f.

Ebd., S. 148.

Ebd., S. 148f.

Steiner, Rudolf: Initiationswissenschaft und Sternenerkenntnis (= GA40), Vortrag vom 27.07.1923. Dornach 1964.

Die Psychologie des Börsenwesens in seiner heutigen Ausprägungwürde sich als ein besonders interessantes und gewichtigesUntersuchungsthema für die Wirksamkeit des Saturnprinzips anbie-ten: In dem Umfang, in welchem „der Anleger“ auf die soeben erfolg-te Bekanntgabe vorliegender Bilanzen reagiert, macht er vergangeneEreignisse zum alleinigen Maßstab seines Handelns. Für ihn kommtnicht in Betracht, dass er durch sein Handeln neue Tatsachen schafft,auf die er in dem Moment, wo ihm die Resultate seines Handelns inForm einer neuen „Kursdurchgabe“ bekannt gemacht werden, erneutreagiert und dadurch erneut Tatsachen schafft, die wiederum in hand-lungsbestimmenden Kursmeldungen ihren Niederschlag finden. Dasgesamte Börsenwesen steht durch die Art, wie es mittlerweile medialorganisiert ist, unter dem „Fluch der Vergangenheit“, dass noch denproduktivsten Impuls dazu verdammt, nach kurzer Zeit sterilisiert undzum Objekt instinktiv motivierter und daher vorhersehbarer Kurz-schluss-Reaktionen seitens orientierungsloser, auf Tatsachen undGerüchte reagierender Anleger zu werden. Die trügerische Illusionder Aktualität wird dadurch erweckt, dass die „Kursbarometer“ stünd-lich, viertelstündlich und öfter aktualisiert werden und hierdurch die´lebendige´ Gegenwart wiederzuspiegeln scheinen, wohingegen sichdoch Bilanzen immer nur auf die Vergangenheit beziehen können.Der hysterisch anmutende Versuch, den aktuellen Ereignissen mittelspermanenter Bilanzierung direkt ´auf den Fersen´ zu bleiben, bleibtgerade deswegen zwangläufig immer hinter ihnen zurück. Diese ver-meintliche Aktualität ist die „Lebenslüge“ des modernen Börsen-wesens; in Wirklichkeit lässt sich keine sterilere, vergangenheitsver-götterndere Aktivität denken als den durch Reaktion auf Bilanzenmotivierten Aktienhandel.

Röd, Wolfgang: Der Weg der Philosophie von den Anfängen bis ins20. Jahrhundert, Bd. 1. München 1994, S. 397f.

Ebd., S. 402.

Im Zuge eines solchen saturnal geprägten Kulturverständnisses kön-nen wir in der eingangs zitierten Einführung in kulturwissenschaftli-

che Themen und Methoden lesen: „Die Natur ist die Geschichte des-sen, was die Menschen aufgrund kognitiver, technischer, ästhetischer,religiöser u.a. Modelle eben als Natur entworfen haben. Kurz: AlsNatur gilt das, was von ihr gedacht und gewusst wird ... Es gibt kei-nen anderen Zugang zur Natur als in den historischen Formen desWissens von ihr und des Umgangs mit ihr“ (S. Anmerkung 1; ebd. S.119f).Um den Charakter der unterschiedlichen Perioden des menschlichenUmgangs mit der Natur durch Schlagworte zu kennzeichnen, könnenwir uns der Charakterisierung der Siebenjahres-Abschnitte desmenschlichen Lebenslaufes durch Thomas Ring bedienen, der dieseAbschnitte ebenfalls mit den einzelnen Planeten in Verbindung bringt(vgl. Ring, Thomas: Astrologische Menschenkunde. Bd.1: Kräfte undKräftebeziehungen. Freiburg 1985, S. 73). Wir hätten dann von 1550 bis 1620 eine Phase des „naiven Weltkontaktes“ (Mond),von 1620 bis 1690 eine Phase der „begrifflichen Orientierung undnutzenden Umschau“ (Merkur),von 1690 bis 1760 eine Phase der „harmonischen Einordnung in dieMitwelt“ (Venus),von 1760 bis 1830 eine Phase der „eigenverantwortlichen Plan- undZielsetzung“ (Sonne),von 1830 bis 1900 eine Phase der „tätigen Selbstdurchsetzung“(Mars),von 1900 bis 1970 eine Phase der „Sinnverwirklichung im Schaffen“(Jupiter) und von 1970 bis 2040 eine Phase der „abschließenden Prüfung durchWirklichkeitskontrolle“ (Saturn).Dieses Schema eignet sich vorzüglich als Ausgangspunkt umfassenderkulturgeschichtlicher Betrachtungen.

Ring, Thomas: Astrologische Menschenkunde. Bd.1: Kräfte undKräftebeziehungen. Freiburg 1985, S. 84.

Steiner, Rudolf: Perspektiven der Menschheitsentwickelung. Dermaterialistische Erkenntnisimpuls und die Aufgabe der Anthroposo-phie (= GA 204), Vortrag vom 05.05.1921. Dornach 1979.

Die Konsequenzen, die sich aus den hier dargestellten Gesichtspunk-ten für einen dem jetzigen Zeitgeist angemessenen Umgang mit demEthischen Individualismus und für eine Pädagogik ergeben, welchedie „saturnale Mentalität“ der jetzigen Schülergeneration bewusstberücksichtigt, bedürften einer eigenen Untersuchung.

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„Ein gestaffelter Weg drückt sich in dieser Folge aus: vom naiven Weltkontakt in Vermengungmit Vorgespiegeltem (Mond) über begriffliche Orientierung und nutzende Umschau (Merkur)zur harmonischen Einordnung in die Mitwelt (Venus); dies bildet die Voraussetzung für eigen-verantwortliche Plan- und Zielsetzung (Sonne), hinführend durch tätige Selbstdurchsetzung(Mars) zur Sinnverwirklichung im Schaffen (Jupiter); endlich abschließende Prüfung durchWirklichkeitskontrolle (Saturn)“ (Thomas Ring: Astrologische Menschenkunde Bd. 1, S. 73).

Literatur: – Rudolf Steiner: Anthroposophie, Psychosophie, Pneumatosophie (GA 115)– Thomas Ring: Astrologische Menschenkunde, Bd. 1– Egon Friedell: Kulturgeschichte der Neuzeit (Bd. 1 u. 2)

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Graphik: Thomas Ring, Astrologie der Menschenkunde, Band 1

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Charakter der Jahrzehnte:

Mondenjahrzehnte beinhalten grundlegendeUmorientierungen und Neuanfänge, im Prakti-schen oftmals in tastender und – vor allem imRückblick – naiv anmutender Form, im Theore-tischen mit der Tendenz zu Verallgemeinerungenund Vereinfachungen, zu prägnanten Schlag-worten und Leitformeln. Neue Vorstellungen tre-ten häufig auf begrifflich unscharfe, aber intensivempfundene Weise in Form von spontan sichzusammenfindenden Massenbewegungen her-vor. Aufgrund der vergleichsweise leichtenManipulierbarkeit solcher zunächst unorganisier-ter Erneuerungsbewegungen besteht eine latenteTendenz zu blinder Gefolgschaft, die u. U. zur Er-richtung autoritärer Strukturen mit straff regulie-render Zentralgewalt führt. Die lunare Prägungbegünstigt allgemein das Gefühl der Natur- undWeltverbundenheit des Menschen, d. h. die Ten-denz, sich als ein im Physischen verwurzeltesNaturwesen zu empfinden. Das Maskuline inden Äußerungsformen tritt zurück mit einer deut-lichen Tendenz zur Gleichbewertung der Ge-schlechter, d. h. zur Verwischung der Geschlech-tergegensätze. (Alle diese Eigentümlichkeitensind als Unterströmung aufzufassen, durch derenCharakter die Dominanz des übergeordnetenSaturnprinzips in den siebziger Jahren modifiziertund variiert wurde.)

In Merkurjahrzehnten dominiert das Prinzipder Dekonstruktion und des Partikularismus. Ge-mäß diesem Prinzip begreift sich der Menschnicht als Glied eines Ganzen, sondern als einzunächst isoliertes Einzelwesen innerhalb einerihn umgebenden Vielfalt unterschiedlicher Ein-zelinteressen. Zusammenschlüsse entstehen zu-meist als rational organisierte Zweckbündnissezur gemeinsamen Vertretung der eigenen gegenkonträr gerichtete fremde Interessen; insofernbegünstigen Merkur-Jahrzehnte Block- und Frak-tionsbildungen. Die Umsetzung eigener Zielewird nach Möglichkeit planvoll, organisiert undauf möglichst ökonomische Weise angestrebt.Konsens kommt durch zähes Verhandeln Zug umZug zustande; jedes Zugeständnis muss durcheinen errungenen Eigenvorteil aufgewogen wer-den. Interessen sind allgemein konkret und parti-kular, orientiert am faktisch Erreichbaren undmotiviert durch das fundamentale Interesse ander eigenen Selbstbehauptung und Vorteils-

nahme. Das allseits und insofern gemeinsamgeforderte Recht zur Verwirklichung partikularerInteressen, zur freien Kommunikation und Be-tätigung bildet die stärkste soziale Klammer undbegünstigt die Förderung demokratischer Bestre-bungen. Auch künstlerisch macht sich eine Ten-denz zur Auflösung des Materials in Einzelbe-standteile mit nachfolgender gezielter Neuzu-sammensetzung geltend, die vielfach den Eindruck des Zusammengestückelten, Konstruier-ten und Sterilen hinterlässt. Wirtschaftlich domi-niert ebenso wie in anderen Lebensbereichen dasPrinzip der Rationalisierung.

Viele Symptome des Charakters von Venus-jahrzehnten verstehen wir aus dem Venusprinzipder Harmonie: Allgemein treffen wir auf dieTendenz zum konstruktiven Dialog, zu Vertrags-abschlüssen und partnerschaftlicher Kooperation,zur Vereinigung von zuvor Getrenntem oder zu-mindest zum Abbau von Grenzen. In Konfliktenwerden die Standpunkte entgegengesetzter Par-teien ausdrücklich berücksichtigt und in ein Stre-ben nach Kompromiss und friedlicher Regelungeingebunden; an Stelle der ausschließlichenOrientierung am eigenen Vorteil tritt oftmalsnachbarschaftliche Hilfeleistung und kulturellerAustausch mit der ausdrücklichen Toleranz ge-genüber Andersartigem und einem verstärktenInteresse an fremden Werten und Kulturen.Wirtschaftliche Gesichtspunkte haben einen ho-hen Stellenwert und streben vor allem das eigenematerielle Wohlergehen an; wirtschaftliche Be-tätigung wird insofern primär als Privatsache zurSteigerung der eigenen Lebensqualität unter vor-wiegend ,diesseitigen’ – sinnlichen und materiel-len – Aspekten aufgefasst, mit der Tendenz zurPrivatisierung, Kommerzialisierung, Konsumori-entierung, der Forcierung des Vergnügungsstre-bens als Wirtschaftsfaktor (,Spaßkultur’), verbun-den mit dem verbreiteten Verlangen nachGeselligkeit, der Ästhetisierung sämtlicher Le-bensbereiche sowie einer auffälligen Betonungdes Körperlichen, insbesondere des Geschlecht-lichen. Das herrschende Männlichkeitsbild trägtausgeprägt feminine Züge.

Sonnenjahrzehnte werfen das Problem derIdentität des Menschen und damit die Frage nachden zentralen individuellen Werten auf, die demeigenen Weltbild und dem eigenen Handelnzugrunde liegen. Die Festsetzung solcher Wertegründet sich auf einen elementaren Akt der

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Selbstbestimmung und führt zu der Frage, mitwelcher Intensität sich das Subjekt dieserSelbstbestimmung mit dem eigenen Weltbildidentifiziert. Nach außen hin gilt hierbei in jedemFalle die Forderung nach strikter Autonomie, ver-bunden mit der unbeugsamen, ggf. radikalen Ent-schlossenheit zur Selbstverteidigung gegen jedeForm von Bedrohung der eigenen Souveränität.Wird hingegen die eigene Orientierung alsgrundlegend verfehlt erkannt, besteht die prinzi-pielle Bereitschaft zu radikaler Reform, d. h. zurNeubestimmung und Neustrukturierung der eige-nen Identität. Der Zusammenschluss von Men-schen erfolgt in Sonnenjahrzehnten vorwiegendmit der Perspektive der Begründung fundamenta-ler Wertegemeinschaften, welche – bisweilen

nicht ohne Selbstherrlichkeit – zu einer Selbst-auffassung als alleinige Zentralgewalt (gewisser-maßen als Mittelpunkt der Welt) tendieren.Konflikte werden meist als Grundsatzfragen aus-getragen, mit der Gefahr mangelnder Differen-zierung bei vermeintlichen Detailfragen. Diemenschliche Individualität mit ihrem Potenzialzur Selbstverwirklichung steht im Mittelpunkt desInteresses; Eigeninitiative und -verantwortungsind dementsprechend zentrale Werte und ver-binden sich mit dem pädagogischen Interesse aneiner Förderung der Entwicklung andererPersonen, die unter dem Sonnenprinzip primärals ,Hilfe zur Selbsthilfe’ verstanden wird.

Lars Grünewald, Dezember 2001

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Von Barbara Vetter haben wir wieder einensehr schönen Brief bekommen, in welchem sieauf unseren Beitrag aus unserer Nr. 3 vomFebruar diesen Jahres eingeht. In diesem Berichthatte ich meine Eindrücke gegenüber derPflanzenwelt und den Elementargeistern, die wirdurch die Verwendung von Maschinen erzeugen,gesprochen. Darin stand beispielsweise zu lesen:

Was geschieht z. B. mit einem Garten oderPark, wenn man ihn in der beschriebenen Weisebearbeitet? Ich weiß noch ganz genau, wie sichfrüher gewisse Natur- oder auch Kulturstellenangefühlt haben. Die Parks mit ihren altenBäumen hatten früher etwas Bedächtiges,Schützendes, Kraftendes. Es strömte von ihneneine Art ruhiger Ordnung aus, die meiner kind-lichen Seele freundlich und weisheitsvoll vor-kam. Manche Naturstellen hatten etwas immensBelebendes. Man setzte sich gern an gewissePlätze oder ging immer wieder an bestimmtenOrten zum Wasser. An bestimmten Stellen fühl-te man eine Art Balsam vom Boden aufsteigenoder über das Wasser wehen. Wie ein heilenderTrank durchfloß die damals noch wirklich frischeLuft die Lunge. Und es raunten einem dieGebüsche etwas Stärkendes, Heilendes zu. DerBauer kam und mähte das hohe Gras mit einerSense - nicht grundsätzlich, aber das kam so um 1955 noch vor. Da war nichts von demMaschinenhaften. Es war auch nicht dieserAbgas-Geruch des Todes, der vom gemähtenGras aufsteigt, es war ein wundervoller Duft, denman heute nicht mehr in dieser Form findet.Oder wenn die kräftigen Männer die Heckenschnitten mit starken Armen und großen Scheren,so war das gewiß auch ein Kampf des Menschengegen die Natur zur Kultivierung derselben.Doch es hatte eine ganz andere Qualität oderAtmosphäre als das heute übliche Gesäge. DieGewässer hatten noch eine ganz andereFruchtbarkeit. Jeder kleine Graben trug unzähli-ges Leben in Form von Schnecken, Molchen undkleinen Fischen. Gehe ich heute an solche Orte,die ich als Kind schon in der beschriebenenWeise erlebt habe, so spüre ich seit vielen Jah-ren schon eine deutliche, stärker werdendeVeränderung. Kaum gibt es noch Plätze, dieBesonderes ausstrahlen. Viele Stellen wirkenheute sogar belastend. Der weite Blick über den

Fluß z. B. geht heute vielfach einher mit einer ArtEingehülltsein in einen ätzenden Überzug, alshätte man sich mit Desinfektionsmittel abgerie-ben. Irgendetwas prasselt da auf unsere Haut,was es früher so nicht gab oder zumindest nichtin dem heutigen Maß. Die einst geheimnisvollenOrte sehen verwahrlost aus – irgendwie ausge-franst, verschlissen – nicht nur wegen des Zivili-sationsmülls, sondern die ganze Atmosphäre hatsich verändert. Woran liegt das?

Zu diesen Ausführungen schreibt uns BarbaraVetter:

„Sehr berührt hat mich ihr Text ,Herbstimpres-sionen’. Ich habe vor vielen Jahren den Beruf derGärtnerin erlernt, mußte jedoch sehr schnell fest-stellen, daß dies nichts mit meinen Vorstellungenvon Pflanzen hegen und pflegen zu tun hatte. Ichschnitt wohl keine Bäume und Hecken mitMaschinen, mußte aber viel Chemie versprühenund Blumen entgegennehmen, die zusammenge-preßt den weiten Weg von Holland in die Schweizerdulden mußten. Ich habe Pflanzen immer alsWesenheiten erkannt und ,sah’ wie sie oft litten.

Auch ich spüre seit vielen Jahren eine deutlichstärker werdende Veränderung in der Umgebung.Das Grün der Wälder ist dumpfer und mattergeworden. Wie Sie es beschreiben – ausgefranstund verschlissen. Es ist als würden sich Schleieraus fahlem Licht über Wiesen, Wälder und Bergelegen. Auch kann ich ein eigenartiges Summenoder Brummen wahrnehmen, das früher so nichtda war. (Wahrnehmen, nicht hören!) In den letz-ten zwei-drei Jahren ist es schlimmer geworden.“

Ich bin sehr froh, daß die Barbara Vetter dieshat schreiben mögen, denn, liebe Freunde, esgeht ja gerade um diese feinen Dinge in der Welt.Wenn aber niemand darüber spricht, dann den-ken alle, sie seien die einzigen, die so etwasbemerken und halten es für irrelevant. Nur wennwir uns über solche Dinge verständigen – unddazu ist ja die ProSophia geschaffen worden –werden wir zu einem Verständnis dessen, was ist,kommen. Wer also ähnliche Beobachtungengemacht hat, der möge sich doch nicht scheuen,uns formlos zu schreiben.

Im weiteren ihres Briefes geht Barbara Vetterauf die Tsunami-Katastrophe ein und schildert,was sie ohne Kenntnis von diesen Vorgängeninnerlich erlebt hat.

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Was die Seele bewegt – LeserbeiträgeTsunami und die Elementarwesen der Technik in der Natur

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würdigt und sich bedankt, sagt er gewisserma-ßen: Ich freue mich, daß ich es dir wert bin, daßdu für mich deine schönen Blumen opferst. Kannaber der Nachbar dieses Opfer – vorausgesetzt,es ist wirklich eines – nicht schätzen, dann mißter meiner Überwindung nicht denselben Wertbei wie ich.

Wir könnten noch allerlei Varianten diesesFalles besprechen. Ich möchte das aber an denLeser weitergeben, dies zu tun, um den Rahmendieses Artikels nicht zu sprengen. Wichtig ist mir,solche Denkprozesse anzustoßen, damit dieseDinge endlich aus dem instinktiven Bereich indas bewußte Vorgehen hinaufgehoben werden.Denn der gegenwärtige Zustand unserer Gesell-schaft zeigt überdeutlich, daß die sozialen In-stinkte im Verfall sind und durch bewußtesHandeln ersetzt werden müssen.

Es kann also, wie schon gesagt, zu ganz unter-schiedlicher Bewertung einer Tat bzw. einesSachverhaltes kommen. Damit ist nicht gesagt,daß es keinen objektiven Wert gibt. Und ichglaube, daß man diesen auch findet und zu ach-ten lernt, wenn man sich übt, in der hier ange-strebten Weise bewußt vorzugehen. Darin be-steht doch gerade das Recht, daß man dieWürde, den Wert der beteiligten Menschen undden ihrer Taten festzustellen und miteinander inEinklang zu bringen versucht. Das Problem istnur, daß heute kaum jemand weiß, was Rechteigentlich ist. Was man heute studiert, ist dasGesetz. Den Rechtsbegriff setzt man gewöhnlichmit dem Recht gleich und meint, wenn jemanddie Gesetze studiert, dann lernt er, was Recht ist.Und im Zuge dessen muß wiederum aufmerksamgemacht werden auf die bedeutsame Tatsache,daß es ja die Aufgabe Mitteleuropas gewesenwäre und vielleicht immer noch ist, der Welt einneues Rechtsleben zu schenken. Denn wir lebennoch immer mit römischem Recht und griechi-schem Bildungssystem. Das aber kann – so Ru-dolf Steiner – niemals zu guten Resultaten füh-ren. Warum fangen wir nicht gleich damit an, einneues Rechtsleben zu begründen?

Die Befürchtung, ausgenutzt zu werden, hatalso gewiß eine Berechtigung, aber ich bin derMeinung, daß sie sich als unzutreffend erweisenwird innerhalb einer solchen Bewegung, wie siehier geplant ist. Die Bewegung Neue Isis ver-spricht nicht das Paradies, sondern einen leben-digen Prozeß, einen Lernprozeß mit offenemAusgang. Was meint Ihr dazu?

HB

Das Gespräch

Maria Fritz schreibt in ihrem Brief ebenfallsüber dieses Thema. Sie erwähnt dabei das soge-nannte Zweiergespräch, welches in dem Kurs derDenkschule „Anthroposophie als Lebensschule“regelmäßig gepflegt wird, indem sich die Teil-nehmer paarweise zusammensetzen und überein vorgegebenes Thema sprechen. Das vorge-schlagene Gesprächsthema lautete in diesemFalle: Was wünsche ich mir von anderen Men-schen? Dazu Maria Fritz:

Mein Anliegen betrifft die gegenseitige Hilfe,gegenseitig Bedürfnisse erkennen und sichäußern zu können.

Zu helfen, wo Bedürfnis besteht, war für michkeine Hürde bis jetzt. Wobei es wirklich notwen-dig ist, innerhalb dieser Aktion in gesunder Weisewachsam zu bleiben nach allen Richtungen.

Die andere Position ist: Wo brauche ich selberHilfe, bzw. kann ich mich äußern, wenn ich Hilfebrauche? Sehr fruchtbar war das letzte Zwei-ergespräch in sofern, als meine Partnerin sehrdirekt diese Frage stellte. Bis dahin hatte ich dieseFrage nicht sehr bewegt in meinem Innern. Aberim Zweiergespräch ging mir das Licht auf. Genaudiese Aktivität – das Gespräch – haben zu kön-nen, ist mein Bedürfnis. Prompt kam Ähnliches ineinem Aufsatz (Info3). Es wird bei uns Anthropo-sophen wohl vieles angeschaut, aber zu wenigdarüber gesprochen. Gemeint war Gelebtes undErlebtes in der Geisteswissenschaft der Anthropo-sophie. In diesem Sinne ... MF

Ja, liebe Freunde, hier äußert jemand ein kon-kretes Bedürfnis. Wer bereit ist, der Maria denWunsch nach Austausch im Gespräch zu erfül-len, der wende sich doch bitte an die Redaktion.Wir geben auf Anfrage gern die Adresse bekannt.

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Gedanken zu der ins Leben zu rufenden Bewegung Neue Isis

Wir machen mit!

Anderen in kleinen Dingen des Alltags unei-gennützig helfen zu können, war für uns in unse-rem bisherigen Leben schon immer ein innerlich befriedigendes, beglückendes Gefühl. Man half, wenn man angesprochen wurde bzw. wenn man erkannte, dass ein anderer Hilfe benötigte. Es waren mehr oder weniger spontane Hilfeleistun-gen.

Nun steht die Frage vor uns, über welche Fähigkeiten verfügen wir eigentlich, die man „anbieten“ kann? Wir sind gern bereit, bei anfal-lenden Gartenarbeiten zu helfen, verfügen aber selbst über keine speziellen Kenntnisse auf die-sem Gebiet. Auch bei anfallenden Umzügen und anderen, kleineren Transportarbeiten könnten wir mit Hand anlegen.

Ich (Uta) würde mich auch gern für eine zeitweise Betreuung von Kindern zur Verfügung stellen.

Sollten wir beim Bedürfnismarkt noch weitere Einsatzmöglichkeiten für uns entdecken, würden wir uns freuen.

Beim Anmelden der eigenen Bedürfnisse ist schon ein bestimmtes Umdenken erforderlich. Wir neigen beide dazu, andere nicht mit eigenen Anliegen belasten zu wollen. Der Gedanke, dass dem Alles-alleine-regeln-wollen eine unsoziale Haltung zugrunde liegt, ist für uns neu und muss verarbeitet werden. Wir wollen uns aber auch dieser Aufgabe stellen und melden zunächst unsere Bedürfnisse auf technischem Gebiet an. So wären wir ausgesprochen dankbar, wenn uns jemand helfen könnte, den Computer besser zu verstehen und umfassender handhaben zu kön-nen.

Wir wünschen dem Versuch, die Bewegung Neue Isis ins Leben zu rufen, viel Erfolg!

Eine Fügung ergab, dass wir bei unserem mor-gendlichen Lesen von Texten und Sprüchen von

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Christian Morgenstern unter dem 14. August folgendes lasen:

"O helfen, helfen können – es gibt nichts Größeres für menschliche Art!Und nicht helfen können, nicht helfen d ü r f e n, es hat gewiß nicht minder bittere Tränen erpreßt als: wo man’s vermocht und sollte, nicht geholfen haben."

Reinbek, den 14. August 2005 Uta und Franz Kremser

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Liebe Freunde,

zum Zeitpunkt des Naturbetrachtungsseminars 2005 verbrachte ich einige Tage Urlaub im Salzburger Land. Als Teilnehmerin des Naturbe-trachtungsseminars 2003 erinnere ich mich u. a. noch heute gern an das abendliche Auswerten der gemachten Erfahrungen in der Waldoper. Ich empfand es für mich als sehr wertvoll, Einblick in Überlegungen, Gedankengänge und bestimmte Erlebnisse der anderen Seminarteilnehmer erhal-ten zu dürfen.

Über die ProSophia möchte ich die Leser an etwas von mir im Urlaub Erlebtem teilhaben las-sen, was ich überschrieben habe mit:

Barfuß über die Alm

Die Jungrinder grasten auf einer Höhe von über1.800 Metern. Der Bauer begab sich auf denWeg, um den Tieren das für ihre Entwicklung not-wendige Salz zu bringen. Ich schloß mich ihman. Der weiß schäumende, reißende, eiskalteGebirgsbach mußte durchquert werden. Ich zogmeine Wanderschuhe aus und ließ sie amWegesrand zurück. Um die Tiere zu erreichen,mußten wir der Alm noch ein Stück ihrer Höheabtrotzen. Mit meinen Füßen betrat ich saftigesGras, würzig riechende Kräuter und hartes, felsi-ges Gestein. Wie erstaunt war ich, als ich etwasganz anderes spürte, als ich erwartet hatte. AnStelle eines harten, stacheligen Bodens wurdenmeine Fußsohlen samtig weich empfangen.Durch dieses mich sehr beeindruckende, uner-wartete Erlebnis kam mir zu Bewußtsein, daß ichden Leib des Christus betrete, berühre, ertaste.Meine Fußsohlen waren sensibilisiert, sie verban-den sich mit dem so angenehm zu erspürendenfesten Grund. Nachdem ich auf dem Rückwegden Gebirgsbach wieder durchquert hatte, trugich meine Wanderschuhe bis zur Almhütte, umjeden Fußtritt weiter bewußt wahrzunehmen.

Hollersbach, 25.06.200 Uta Kremser

Hallo Hans! 29.6.2005

Ich möchte mich nochmal ganz herzlich bedanken für das inspirierende Seminar im Haus Spöktal und deine mit Leidenschaft und Verve gehaltenen Vorträge, die mir einige neue Denk-und Fühl-Anstöße gegeben haben; vielleicht wer-den daraus sogar Willens-Anstöße ...?

Hier ist vielleicht ein Anfang: Während des Seminars sind bei mir zwei kleine Gedichte ent-standen (die "draft"-Versionen habe ich am 26.06. vorgelesen), die ich dir als Dank schicken möchte, zur Verwendung in der nächsten ProSophia als Begleitung eventueller anderer Beiträge über das Sommer-Seminar.

Auf der Heide

Vielleicht kann man die Sylphen sehen,wenn das Wehenwilder Windefeine Gräser,tief gebeugtwie kleine Wesen,hastig und in schnellen Wellenüber weite Flächen scheucht.

Sie gehen und sie kommen wieder:flüstern uns in süßen FlügenGrüße von dem Sommerflieder, -Lerchenlieder, die sich fügenin die Hüllen, die sie webenfür das Leben dieser Erde,das sie selbstlosund im Sterbenuns zu erbenübergeben.

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Leserbeiträge zum Naturbetrachtungs-Seminar 2005

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An einen BaumSchöne, schiefe Kiefer!Gestatte, dass ich deinen Stamm besteige ich sah dich kraftvoll stehn im Sand.An deinem Holze will sich zeigen,wie an des Windes Widerstanddas ehmals stolze Dasein lerntestill sich zu verneigen.

Nicht Schwäche war es! Nur das Lebenund der Geist sind die Gewalten,die dem Wachstum Richtung gebenund Materie gestalten.

Seit Erdenanfang leibverwandt,heut' kreuzen sich zwei Wege:Reich' du mir einen Ast entgegen -ich geb dir meine Hand.

Liebe Grüße und einen schönen Sommer!Eelco Glasl

Der Sinn des menschlichen Lebens ist nur zuerfassen, wenn jedes Wesen als unverzichtbarerTeil eines Welt-Ganzen verstanden wird. Einpartnerschaftlicher Umgang mit den Tieren,Pflanzen und Mineralen ergibt sich erst, wennman beginnt, die Idee der Schöpfung, wie RudolfSteiner sie beschrieb, zu begreifen. Dann aberbetritt man spirituelles Gebiet, denn auchMaterie erweist sich letztlich als wesenhaft undgeistig. Dies auf praktisch-übende Weise zuerfassen, kann eine schöne und heilsameBereicherung sein.

Anmeldeformulare bitte anfordern überdie Redaktionsadresse oder postalischunter Denkschule per Adresse

Forum InitiativeMittelweg 145a20148 Hamburgoder per E-mail [email protected]

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Veranstaltungen 2006Seminar in der Lüneburger Heide mit Hans Bonneval:

Natur & Mensch Grundzüge einer Partnerschaft

Vom Sinn unseres Zusammenlebens mit den Wesen der Natur

Termin: vom Mittwoch, den 21. Juni 19 Uhr bis Sonntag, den 25. Juni 19 UhrOrt: Haus Spöktal in Steinbeck bei BispingenPreis: zwischen 250 und 350 Euro je nach Zimmer, inkl. Vollpension und Seminargebühr

Foto: Rosemarie Kremer

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Seminar

Umstülpung als Schöpfungs- undBewußtseinsprinzip

Vorführung von Umstülpkörpern mit dem Mathematiker Robert Byrnes Vorträge zum Thema mit Hans Bonneval

Umstülpung erweist sich als universelles Prinzip bzw. als Prinzip des Universums überhaupt. Die spi-rituelle Wissenschaft Rudolf Steiners zeigt viele Beispiele, an denen dies deutlich wird. DieMathematik kann diesem Prinzip auf theoretische Weise nähertreten. Die Umstülpungsmodelle vonRobert Byrnes und anderen zeigen dies auf praktische Weise.

Ort: Rudolf Steiner Buchhandlung Rothenbaumchaussee 103Telefon 040-442411

Termin: Freitag, den 24.2.06, 19 Uhr & Samstag den 25.2.06, 14- 20 Uhr

Jetzt im Handel:

Folgen wir Rudolf Steiner, so ist diehöchste Art zu denken das Denken inUmstülpungen. Ein Denken, welches denMenschen befähigt, Teilnehmer der geisti-gen Welten zu werden. Außerdem schil-dert er den Schöpfungsvorgang der Weltals eine Umstülpung dessen, was vorherin dem gewaltigen Wesen des Schöpfersselbst enthalten war. Dieser stülpt seineInnenwelt hinopfernd nach außen als dieSchöpfung. Will nun der Mensch dieDinge der geschaffenen Welt denkenderkennen, so muß er den zugrundeliegen-den Schöpfungs-Umstülpungsprozeß vomwahrnehmlichen Physischen aus zurück-verfolgen hin zu dem verursachendenGeist. Er muß durch Denken jene Um-stülpung rückverfolgen, welche das Ob-jekt erschuf. So zeigt sich die Umstülpungals ein universelles Prinzip des kosmi-schen Seins.

Paperback, 203 Seiten mit Farbtafeln,erschienen im Verlag Ch. Möllmann

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Neue Schule desDenkens

- eine freie geistige Initiative auf anthroposophischer Grundlage -

Kursprogramm 20061. Grundkurs (nicht nur für Anfänger):

Das Denken als Weg zur Spiritualitätjeden Montag 18.30 Uhr ab 23.1.2006 Dauer: 12 MonateVorkenntnisse nicht erforderlich Konzept und Leitung: Hans Bonneval

2. Studienkurs:

Zur Vertiefung des Weltverständnisses –fortlaufende Arbeit am Vortragswerk Rudolf Steiners Jeden Donnerstag 19 Uhr ab 26.1.2006 Dauer: unbegrenztanthroposophische Grundkenntnisse erforderlich Konzept und Leitung: Hans Bonneval

3. Wahrheit des Erkennens – Freiheit des Handelns

Rudolf Steiners „Philosophie der Freiheit“ jeden Dienstag 18.30 ab 17.1.2006 Dauer: bis 27.6.06Vorkenntnisse nicht erforderlich Konzept und Leitung: Lars Grünewald

Ort: Forum-Initiative, Mittelweg 145a – 20148 HamburgEingang Nr. 145 - Die Räume befinden sich im Hinterhof. Bitte durch beide Türen hindurchgehen.

Zur Teilnahme an den Kursen ist eine Anmeldung nicht erforderlich – kommen Sie einfach zu uns,oder besuchen Sie die Einführungs-Vorträge „Das Denken als innerer Weg zur Welt“ mit HansBonneval am Freitag, den 9.12.05 um 19 Uhr und „Denken als Religion der Zukunft“ ebenfalls mitHans Bonneval am Freitag, den 13.1.2006 um 19 Uhr in der Forum-Initiative, Mittelweg 145a.

Für alle Kurse wird ein freiwilliger Kostenbeitrag erbeten.

Auskunft: Hans Bonneval E-mail: [email protected]

Lars Grünewald Tel.: 040 - 657 14 37E-mail: [email protected]

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WELTEN-HUMOR

Unsere liebe Freundin, Ingrid Wullenweber, hateinen Schwank aus ihrem langen Leben zu Papiergebracht und für die ProSophia zur Verfügunggestellt. Ich freue mich ganz besonders über die-sen Beitrag, der so schön die Atmosphäre der„guten alten“ 68-er-Zeit einfängt. Dazu muß ge-sagt werden, daß natürlich die Zustände jenerZeit alles andere als gut waren, weshalb ja auchdie ”Jugend” zum Protest gegen fast alles über-ging. Es war eben immer noch Nachkriegszeit,und deren Problem bestand vor allem auchdarin, daß man aus der Verzweiflung desZusammenbruches heraus viele alte Einrich-tungen und Strukturen wieder neu installierthatte, um überhaupt eine Form des Lebens undArbeitens wieder zu haben. Die Menschen ahn-ten nicht, was Steiner enthüllte, daß einer derGründe für den Ausbruch des „zweitenDreißigjährigen Krieges“ (damit sind erster undzweiter Weltkrieg gemeint) gerade die Tatsachegewesen war, daß zu viele abgelebte Einrich-tungen, wie z. B. das römische Recht, das alt-griechische Schulsystem oder die Monarchie,welche längst hätten überwunden sein sollen,immer noch galten und jede Möglichkeit dergesunden Weiterentwicklung erdrückten. Hätteman das gewußt, dann hätte man vielleicht nachdem Krieg mehr Neues begründet. Statt dessenkehrte man aus der Not zum Alten zurück und sogab es Mitte der Sechziger sehr viel Veraltetes,Umpassendes und Unzeitgemäßes, aber das ein-setzende Wirtschaftswunder zog die Menschenso sehr in seinen Bann, daß man weniger anReformen dachte als nur immer wieder anAufbau, Aufbau, Aufbau. Die anglo-amerikani-

sche Lebensweise, welche dem Kriegsverliereraufoktroyiert wurde, quälte die Seelen, aber dadie Verlierer vor allem auch seelisch verwundetworden waren, mochten sie nur ungern kritischsein und neigten daher zur Verdrängung. Dasalles führte zu jener unhaltbaren Atmosphäre, inwelcher wir Nachkriegskinder nicht leben moch-ten. Viele von uns haben deshalb keine eigenenKinder bekommen, weil sie die Zustände derartunhaltbar fanden, daß sie diese niemandemzumuten wollten. Und so flammte dann derProtest auf mitten im neuen Wohlstand. Wenigeraus dem Wohlstand als vielmehr aus der Notgeringer Rentenerwartungen beispielsweise undanderer Faktoren heraus, hatte die GraphikerinIngrid Wullenweber sich den Traum vom eigenenHäuschen erfüllt. Von ihrem mühsam Erspartenhatte sie für sich und ihre Mutter ein altes, starkrenovierungsbedürftiges Reetdach-Haus am Elb-deich in Brockdorf gekauft als Wochenendhausund Altersruhesitz. So dachte sie damals, aller-dings wer Ingrid Wullenweber kennt, weiß, daßes weder mit dem Altsein noch mit der Ruhe sorecht geklappt hat. Sie kämpft noch heute inBürgerinitiativen – teilweise mit Erfolg – z. B. ge-gen die geplante Wedeler Stadtumgehungs-Straße. Ihre heute noch wirksame Protest-Mentalität zeigte sich damals in Brockdorfbeispielsweise darin, daß die Atom-Kraft-Werks-Gegner, die mit ihren massiven Protest-Demon-strationen den Namen Brockdorf in die Ge-schichte haben eingehen lassen, im mühevollrestaurierten Elbkaten Ingrid WullenwebersUnterschlupf und Verpflegung fanden währendder Demonstrationswochen. Nicht nur als neuer

Käfer mit tausendBeinen in Brockdorf

gesichtet

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Grundbesitzer war „Wulli” gegen den Bau desKraftwerkes, sondern aus der tiefen Überzeu-gung, daß mit solchen Todeskräften keine Ge-schäfte gemacht werden dürfen.Was vielleicht noch gesagt werden muß zumVerständnis der folgenden Schilderung ist, daßman die Spät-68-er daran erkannte, daß sie denExistentialisten folgend nicht nach Reichtum,Erfolg und Statussymbolen strebten und daherihre Haare wachsen ließen, verwaschene Jeansund Parkas trugen und weder Schuhe noch Autosputzten. Alle waren gegen Krieg und Atomkraft,aber für Love & Peace und Sozialismus. Manrauchte Selbstgedrehtes und fuhr 2CV, R4 odereinen abgetakelten VW-Käfer. Unsere Elternnannten das „ungepflegt“, aber für uns warenKrawatten, blondierte Dauerwellen, Perlenkettenund blanke, neue Autos einfach der spießigeTriumph des Materialismus, gegen den wirkämpften. Tief in unserem Innersten fühlten wir,daß der neureiche Materialismus eine Lüge war,daß hier die Menschheits-Idee verraten wurde.Leider konnten wir es damals noch nicht in die-ser Weise analysieren und formulieren. Und soblieben uns nur der Protest und die Sprache derSymbole. Manche von uns versackten in Drogen,einige machten Karriere und wieder andere wur-den Terroristen. Die meisten aber waren feineMenschen, die ganz zu recht ihren Lebensplan,ihre Mission, ihr Karma bedroht fühlten. Auf die-sem Hintergrund spielt sich die nun folgendeAnekdote ab, in deren Mittelpunkt der alte, exis-tentialistisch-klapprig-rostige VW-Käfer einervielbeschäftigten Hamburger Graphikerin steht.Die damalige VW-Werbung lautete: Er läuft undläuft und läuft ..., was in echtem BrockdorferPlattdeutsch heißen würde: He löpt un löpt unlöpt. Und wenn der Norddeutsche sagen will,daß er mit der größeren oder kleineren hand-werklichen Fachkenntnis des Privatmenschenversucht, den professionellen, aber zu teurenHandwerker bei der Haus-Renovierung zu erset-zen, dann sagt er beispielsweise: Ich wurstel anmeinem Katen herum. Aber lassen wir jetzt IngridWullenweber erzählen.

Seit Jahren wurstel ich an meinem Traum, einemReetdach-Arme-Leute-Katen am Elbdeich hinterBrockdorf. Ein teurer Spaß! Zwar bräuchte ichdringend ein neues Auto. Doch ein Ersatz fürmeine jetzt zehn Jahre alte Rostlaube ist nichtdrin im Haushaltsplan. Was soll’s, er läuft undläuft und läuft. Zum Glück kann ich mein Geld

auch ohne Statussymbol verdienen. Eigentlichkönnte ich noch ein paar Jahre mit meinem VW-Käfer fahren, wenn nur der Fährmann mir nichtimmer ins Gewissen reden würde. Auf meinenFahrten zwischen Hamburg und Brockdorf mußich immer die Stör mit der Fähre überqueren. DieAKW-Demonstranten wurden von ihren Gegnerngern mit Terroristen gleichgesetzt. Und da derFährmann wie alle Bewohner der Wilster Marschvom Brockdorf-Fieber erfaßt war, und schon vieleProtestler in ihren Existentialisten-Rostlaubenüber die Stör gesetzt hatte, frotzelte er eines Tagesaugenzwinkernd: „Nun nehm’ ich Sie aber baldnicht mehr mit, mit Ihrem Terroristen-Auto.“Auch meine lieben Nachbarn schauten skeptischauf meinen Wagen. Dem bürgerlichen Schön-heitsideal entsprach er nicht mit dem „AKW-nein-danke“-Aufkleber an der Heckscheibe.

Eines Sonntags darauf bei schönstem Sommer-wetter fahr ich morgens zum Brockdorfer Bäcker.Dort wohnt der frisch berentete MalermeisterHaß, der sich gern noch ein paar Mark hinzuver-dient. Als ich ankomme, füttern er und seine Fraugerade die Kaninchen. Mit Trauermiene musterter meinen Käfer und sagt: „Ich mache Ihnen einAngebot. Einmal mit dem Pinsel drüber und Siehaben wieder ein anständiges Auto.” „Aber wassoll das kosten?” frage ich. „Hundert Mark – ‘s geht gleich los, trocknet ganz schnell, denn Siemüssen ja heute abend noch wieder nachHamburg”, so seine Antwort. Ich schlage ein:„Abgemacht!” Ich laß’ den Wagen stehen undgehe zu Fuß nach Hause.

Nach ein paar Stunden – Vertrauen ist gut,Kontrolle besser – fahre ich mit dem Rad wiederzum Bäcker, um nach dem Rechten zu sehen:Auf dem Hofplatz steht – fast fertig – mein bisdahin Sommer-Sonnen-himmelblauer Käfer jetztin Regen-Grau. „Mausgrau, Tarnfarbe, nicht mitmir, ich glaub’ ich bin bei der Bundeswehr”. (DieBundeswehr war für die 68-er etwas Furchtbares,man war selbstverständlich Kriegsdienstverwei-gerer.) Zu seiner Verteidigung sagt Maler Haß:„Ja, ich konnte so schnell den Farbton nichtmischen.” Aber da kannte er mich schlecht, alsGraphikerin weiß man, wie man Farben mischt.„Geht nicht, gibt’s nicht, alles von vorn, zusam-men kriegen wir den Farbton schon hin”. Für dierestliche graue Farbe wird er wohl noch einenanderen Abnehmer gefunden haben. Inzwischenverdunkelt sich der Himmel bedrohlich, dochdas Gewitter zog vorbei. Glück gehabt!

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Am Nachmittag dann – bewaffnet mit meinemHunderter – erscheine ich erneut, bereits vonmeinem Malerehepaar fröhlich erwartet. DasAuto: hellblau – nur: wie ein Honig-Fliegenfän-ger schwarz bedeckt mit den Fliegen sämtlicherKuhherden der Wilster Marsch! Teils noch zap-pelnd!Mein Malermeister, mich sofort beruhigend: „Dasmacht gar nichts! In ein bis zwei Stunden ist derLack trocken und Sie nehmen einen weichenLappen und wischen einfach alle Fliegen ab.” Naja, ich glaube ihm. Wir scheiden einig und zufrie-den.Da fällt mir ein: Ich sollte den nun endlich wie-der anständig gestrichenen Käfer meinen altenNachbarn vorführen. Gedacht, gemacht. Ich fahr‘zu Emma und Hans. Beide kommen staunend vordie Tür. Als Emma die Fliegen entdeckt, stemmtsie die Hände in die Hüften und sagt auf dieerwähnte VW-Werbung anspielend in ihremHolsteiner Platt: „Ja, Wulli, mit all de dusendBeen, nun löpt he noch schneller!” (Mit den vie-len tausend Beinen, nun läuft er noch schneller.)

Ingrid Wullenweber

Dem möchte ich noch hinzufügen: Der wahreSpät-68-er wäre bei dem Rost-Hellblau geblie-ben.Und wo wir nun schon bei Anekdoten überExistentialisten-Autos sind, will ich nicht versäu-men, zu erwähren, daß der etwas ältere

Nachbars-Sohn eines Freundes einen solchentypischen Citroën 2-CV fuhr. Er war ein echter68-er und legte großen Wert auf jede Beule unddie Straßenstaub-Farbe seiner „Kiste”, wie wirdamals sagten, von der es hieß: Ein 2-CV kannnicht umkippen. Er kann sich in der Kurve nichtüberschlagen. Der Wendekreis und die Höchst-geschwindigkeit dieses Roller-Reifen-Autos wa-ren so aufeinander abgestimmt, daß ein Umkip-pen unmöglich sein sollte. Mein Freund wohntein einer kleinen Stich-Straße, einer typischenEigenheim-Sackgasse, die damals noch nichtgeteert war. Ein ziemlich staubiger und holperi-ger Weg war das – aus lehmiger Erde undBauschutt, etwa fünfzig bis hundert Meter lang,mit Schlaglöchern übersät. Immer wenn der sonstsehr ruhige und freundliche 2-CV-Besitzer nachHause kam, stellte er sein Fahrzeug auf dieUmkipp-Probe. Er bog – wenn möglich – bei vol-lem Tempo von der Hauptstraße in den Stichwegein. Unter lautem Krachen folgen Steine, beiRegen spritzte das Wasser der Pfützen meter-hoch, der ganze Wagen klapperte in seiner oftbedenklichen Schräglage. Schwankend wie einKamel preschte er durch die Schlaglöcher. Eineriesige Staubwolke erhob sich über dem Weg,wenn er mit blockierten Reifen vor seinerHaustür zum Stehen kam. Beim Aussteigenlächelten wir ihm zu. Alle wußten, worum esging: Irgendwie mußte die Kiste doch umzukip-pen sein. HB

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Ausgabe 5 – November 2005

In unserer ersten Ausgabe hatten wir noch rechtkühn von einer werbefreien Zeitschrift gespro-chen, doch inzwischen ist klar geworden, daßdie Kosten für Druck und Versand bei weitemnicht durch die großen und kleinen Spendengedeckt werden können. Daher standen wir vorder Entscheidung, entweder das Blatt einzustel-len – aber das erschien uns als die schlechtere

Lösung – oder nun doch Werbung zuzulassen.Allerdings soll es nur Werbung sein, hinter wel-cher wir inhaltlich stehen können, soweit wir eseben beurteilen können. Also, liebe Freunde,seiet bitte so gut und helft uns, so Ihr könnt, wür-dige Werbekunden zu finden, damit unserKommunikationsmedium weiterexistieren kann.

Werbung in der ProSophia

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Impressum:Die „ProSophia – Beiträge zum Weltverständnis“ erscheint als Kommunikationsmedium der „Bewegung Neue Isis“, deren Herz die freie Assoziation „Neue Schule des Denkens“ in Hamburg ist – besser bekannt als „Denkschule“. Initiator der Bewegung und Herausgeber der ProSophia istHans Bonneval. Veranstaltungsort der Denkschule ist das Rudolf Steiner HausMittelweg 11-1220148 Hamburg, Tel. 040-413316-0www.denkschule-hamburg.de

Zuschriften bitte an:Hans Bonneval c/oRudolf Steiner HausMittelweg 11-1220148 Hamburg040-413316-0E-Mail: [email protected]

Gestaltung und Repro:Renate Wegener, [email protected] und Versand:Archibald Kleinau

Druck:digi-book, HollenstedtAuflage:700 Exemplare auf 100% Recyclingpapier

Copyright by Hans Bonneval

Zitierweise:Rudolf Steiner GA-Nr./Vortrag/Absatz (Auszüge); Hervorhebungen: fett von der Redaktion, kursiv im Original

Die ProSophia wird nicht verkauft, sondernzunächst kostenlos abgegeben, allerdings in derHoffnung, daß sich Menschen finden, welchediese Arbeit finanziell unterstützen wollen. AlleBeteiligten außer dem Drucker arbeiten ohneHonorar. Die dennoch entstehenden Kosten müs-sen von der Leserschaft getragen werden. DerSelbstkostenpreis bei einer Auflage von derzeit700 Exemplaren beträgt etwa 3,- Euro + evtl.Porto. Wer die Möglichkeit hat, mehrereExemplare der ProSophia zur Mitnahme auszule-gen, z. B. im Bio-Laden, in der anthroposophi-schen Arztpraxis, in der Waldorfschule oder

-Kindergarten, der bestelle die entsprechendeAnzahl bei uns. Wir liefern sie kostenlos, verbun-den mit der erwähnten Hoffnung, daß zufriedeneLeser bereit sind, die Finanzierung zu überneh-men. Wer also möchte, daß die ProSophiaweiterhin erscheint, der überweise einen Betragseiner Wahl auf unser Schenk-Geld-Konto beider Hamburger Sparkasse.

Begünstigter: Hans Bonneval Konto IBAN: DE76 20050550 1315466977 Text: Schenkung

Zur Finanzierung:

Der Dichter und sein Baum Foto: Rosemarie Kremer