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Enquete-Kommission “Globalisierung der Weltwirtschaft” - AU Stud 14/04 - Geistiges Eigentum und Urheberrecht im Zeichen der Globalisierung Sachstandsbericht aus der Sicht der Industriestaaten und Deutschlands im Auftrag der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags “Globalisierung der Weltwirtschaft - Herausforderungen und Antworten” verfaßt von Dr. Paul Katzenberger, Abteilungsleiter am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht, München

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  • Enquete-Kommission “Globalisierung der Weltwirtschaft”

    - AU Stud 14/04 -

    Geistiges Eigentum und Urheberrecht

    im Zeichen der Globalisierung

    Sachstandsbericht aus der Sicht der Industriestaaten

    und Deutschlands

    im Auftrag der

    Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags “Globalisierung der Weltwirtschaft - Herausforderungen und Antworten”

    verfaßt von

    Dr. Paul Katzenberger,

    Abteilungsleiter am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales

    Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht, München

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    Zusammenfassung Die Begriffe des geistigen Eigentums und des Urheberrechts sind in einem weiten Sinne zu verstehen und umfassen insbesondere alle Schutzrechte, die im Rahmen des Vertragswerks der Welthandelsorganisation (WTO) von 1994 durch das sog. TRIPS-Übereinkommen geregelt sind: das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte, Rechte an Marken, geographischen Angaben, gewerblichen Mustern und Modellen, Patente sowie den Schutz von Topographien integrierter Schaltkreise und von nicht offenbarten Informationen. Die Globalisierung ist primär durch die vom WTO-Übereinkommen geförderte intensive Ausweitung und Liberalisierung des Welthandels auf marktorientierter Grundlage gekennzeichnet. Im Rahmen dieses Prozesses spielt der internationale Schutz des geistigen Eigentums auf hohem Niveau eine besondere Rolle, weil er als Grundbedingung eines funktionierenden freien Welthandels verstanden wird. Das TRIPS-Übereinkommen gewährleistet diesen Schutz mit einer früher unerreichten Intensität und globalen Reichweite. Es erweist sich als Erfolg für die Industriestaaten einschließlich Deutschlands und als ein Dokument dafür, welcher Schutz von diesen Staaten im globalen Kontext als adäquat angesehen wird. Die Regelungen des Übereinkommens über die einzelnen Schutzrechte lassen denn auch die Interessenlage der Industriestaaten unschwer erkennen. Durch das TRIPS-Übereinkommen nicht gelöst wurde das Problem der sog. Erschöpfung der Rechte des geistigen Eigentums. Es betrifft die vor allem für den grenzüberschreitenden Warenhandel bedeutsame Frage, ob und inwieweit ein Rechtsinhaber den weiteren Vertrieb von Erzeugnissen kontrollieren kann, die mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind. In dieser Frage gibt es Auffassungsunterschiede nicht nur zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern, sondern auch innerhalb dieser Staatengruppen. Ein abschließender Überblick über neueste Entwicklungen läßt zukünftige Fragestellungen und Perspektiven erahnen: die Online-Nutzung von Schutzgegenständen, der Schutz biotechnologischer Erfindungen sowie der Schutz genetischer Ressourcen, von traditionellem Wissen und der Folklore.

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    Inhaltsverzeichnis

    I. Klärung von Begriffen und Gegenstände des Sachstandsberichts 4

    1. Geistiges Eigentum und Urheberrecht 4 2. Globalisierung 7

    II. Das geistige Eigentum als Menschenrecht und unter verfassungsrechtlichem Schutz 9

    1. Das geistige Eigentum als Menschenrecht 9 2. Verfassungsrechtlicher Schutz des geistigen Eigentums 10

    III. Funktionsweise des internationalen Schutzes des geistigen Eigentums 11

    1. Territorialitätsprinzip und staatliches Recht als Schutzgrundlage; kein universelles Einheitsrecht 11 2. Funktion internationaler Abkommen 12

    IV. Der internationale Schutz des geistigen Eigentums im Zeichen der Globalisierung aus der Sicht der Industriestaaten: das TRIPS-Übereinkommen als adäquates Schutzinstrument 15

    1. Traditionelle und neue Grundprinzipien des TRIPS-Übereinkommens 15 2. Konformität der Ziele des TRIPS-Übereinkommens mit den Zielen des WTO-Übereinkommens 15 3. Das TRIPS-Übereinkommen als Verhandlungsziel und -erfolg der Industriestaaten einschließlich Deutschlands 16 4. Aktualität des TRIPS-Schutzstandards im globalen Kontext 18

    V. Der materiellrechtliche Mindestschutz des geistigen Eigentums durch das TRIPS-Übereinkommen 19

    1. Urheberrecht und verwandte Schutzrechte 19 2. Marken 20 3. Geographische Angaben 21 4. Gewerbliche Muster und Modelle 21 5. Patente 21 6. Layout-Designs (Topographien) integrierter Schaltkreise 22 7. Schutz nicht offenbarter Informationen 23

    VI. Die offene Frage der Erschöpfung der Rechte des geistigen Eigentums 24 VII. Neueste Entwicklungen und Zukunftsperspektiven 26

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    I. Klärung von Begriffen und Gegenstände des Sachstandsberichts 1. Geistiges Eigentum und Urheberrecht a) Nimmt man das deutsche Recht als Ausgangspunkt, so ist nur der Begriff des Urheberrechts als Rechtsbegriff seit langem allgemein gebräuchlich und inhaltlich eindeutig bestimmt. Er bezeichnet das (subjektive) Recht, das “die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft1 und Kunst” schützt2. Zu diesen Werken als “persönlichen geistigen Schöpfungen”3 zählen insbesondere Sprachwerke einschließlich Computerprogrammen, Werke der Musik und der bildenden Künste, Lichtbildwerke und Filmwerke4 sowie Datenbankwerke5. Dem Urheberrecht zur Seite stehen die mit ihm “verwandten Schutzrechte”6, darunter vor allem die Rechte der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern, der Sendeunternehmen, der Datenbankhersteller und der Filmhersteller7. Art. 73 Nr. 9 des deutschen Grundgesetzes (GG), der dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz u.a. über das “Urheberrecht” (als objektives Recht) zuweist, verwendet diesen Begriff in einem weiten, auch die verwandten Schutzrechte umfassenden Sinne8. Der Begriff des geistigen Eigentums begegnet in der Terminologie der deutschen Gesetzgebung nach Vorläufern im 19. Jahrhundert9 erst in neuerer Zeit wieder: erstmals im 1 Geschützt sind z.B. wissenschaftliche Sprachwerke, nicht aber wissenschaftliche Entdeckungen, Erkenntnisse, Ideen, Lehren als solche; siehe Loewenheim, in: Schricker (Hrsg.), Urheberrecht Kommentar, 2. Auflage, Verlag Beck, München 1999, § 2 UrhG Rdnr. 60 ff. (im folgenden: Schricker/Loewenheim oder sonstiger Bearbeiter).

    2 So § 1 des geltenden deutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG) vom 9.9.1965, Bundesgesetzblatt (BGBl.) I S. 1273.

    3 So die gesetzliche Definition des Urheberrechtsbegriffs “Werk” in § 2 Abs. 2 UrhG.

    4 § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 5 und 6 UrhG.

    5 § 4 Abs. 2 UrhG.

    6 Siehe den vollen Gesetzestitel “Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte” sowie die Überschrift des Zweiten Teils des Gesetzes “Verwandte Schutzrechte”.

    7 §§ 73-84, §§ 85, 86, § 87, §§ 87a-87e, § 94 UrhG.

    8 Siehe dazu Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Verlag Beck, München, Loseblatt (Stand Oktober 1999), Band IV, Art. 73, Rdnr. 149, 152.

    9 So in der Reichsverfassung von 1871 und das preußische Gesetz von 1837 zum Schutz des Eigentums an Werken der Literatur und Kunst; siehe dazu Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Auflage, Springer-Verlag, Berlin usw. 1980, S. 58, 108.

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    Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie (PrPG) vom 7.3.199010. Dieses Gesetz sieht neben verfahrensrechtlichen Regelungen Änderungen des seinerzeit geltenden Warenzeichengesetzes (Art. 1), des Urheberrechtsgesetzes (Art. 2), des Geschmacksmustergesetzes (Art. 3), des Patentgesetzes (Art. 4), des Gebrauchsmustergesetzes (Art. 5), des Halbleiterschutzgesetzes (Art. 6), des Sortenschutzgesetzes (Art. 7) und des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (Art. 8) vor und dokumentiert bereits dadurch ein umfassendes Verständnis des Begriffs des geistigen Eigentums. Auch ideengeschichtlich liegt die naturrechtliche Lehre vom geistigen Eigentum insbesondere sowohl dem Urheberrecht11 als auch dem Patentrecht12 zugrunde. Die in Deutschland herkömmliche Sammelbezeichnung für diejenigen Regelungsmaterien, die im Produktpirateriegesetz von 1990 neben dem Urheberrecht angesprochen sind, ist diejenige des gewerblichen Rechtsschutzes13. Demgemäß spricht auch die bereits erwähnte Kompetenzregelung des Art. 73 Nr. 9 GG von der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für den gewerblichen Rechtsschutz14 und das Urheberrecht. b) Der internationale Sprachgebrauch wird heute insbesondere durch zwei multilaterale internationale Übereinkommen geprägt: das Übereinkommen zur Errichtung der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) vom 14.7.196715 und das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen) als Bestandteil des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) vom 15.4.199416. In beiden wird der Begriff des geistigen Eigentums grundsätzlich im gleichen weiten, das Urheberrecht und den gewerblichen Rechtsschutz umfassenden Sinne wie im deutschen Produktpirateriegesetz verstanden. So bedeutet der Begriff “geistiges Eigentum” nach Art. 2 Nr. viii des erstgenannten Übereinkommens “die Rechte betreffend:

    10 BGBl. I S. 422.

    11 Siehe Ulmer, a.a.O., S. 54 ff., 105 ff.

    12 Siehe Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, 4. Auflage, Verlag Beck, München 1986, S. 24, 61; Hubmann/Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, 6. Auflage, Verlag Beck, München 1998, S. 20 ff., 27.

    13 Siehe Ulmer, a.a.O., S. 20; Bernhardt/Kraßer, a.a.O., S. 8, 16; Hubmann/Götting, a.a.O., S. 1.

    14 Zu dessen Bestandteilen aus der Sicht dieser Bestimmung und mit dem hier dargestellten Ergebnis siehe Maunz/Dürig, a.a.O., Art. 73, Rdnr. 146.

    15 BGBl. 1970 II S. 295.

    16 BGBl. II S. 1730.

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    �� die Werke der Literatur, Kunst und Wissenschaft, �� die Leistungen der ausübenden Künstler, die Tonträger und Funksendungen, �� die Erfindungen auf allen Gebieten der menschlichen Tätigkeit, �� die wissenschaftlichen Entdeckungen, �� die gewerblichen Muster und Modelle, �� die Fabrik-, Handels- und Dienstleistungsmarken sowie die Handelsnamen

    und Geschäftsbezeichnungen, �� den Schutz gegen unlauteren Wettbewerb und alle anderen Rechte, die sich aus der geistigen Tätigkeit auf gewerblichem, wissenschaftlichem, literarischem oder künstlerischem Gebiet ergeben”.

    Ähnlich, wenn auch nicht ganz so umfassend wird der Begriff des geistigen Eigentums im TRIPS-Übereinkommen verwendet. Nach Art. 1 Abs. 2 dieses Übereinkommens umfaßt er “alle Arten des geistigen Eigentums, die Gegenstand der Abschnitte 1 bis 7 des Teils II sind”. Teil II des Übereinkommens enthält in diesem Sinne die folgenden Abschnitte:

    �� Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Abschnitt 1), �� Marken (Abschnitt 2), �� Geographische Angaben (Abschnitt 3), �� Gewerbliche Muster und Modelle (Abschnitt 4), �� Patente (Abschnitt 5), �� Layout-Designs (Topographien) integrierter Schaltkreise (Abschnitt 6) und �� Schutz nicht offenbarter Informationen (Abschnitt 7).

    Der moderne, umfassend zu verstehende Begriff des geistigen Eigentums hat somit in gewissem Maße die international früher gebräuchliche Unterscheidung zwischen gewerblichem Eigentum (industrial property) einerseits und literarischem und künstlerischem Eigentum (literary and artistic property) bzw. Urheberrecht und verwandten Schutzrechten (copyright and related rights) andererseits verdrängt. Diese Unterscheidung entspricht derjenigen zwischen gewerblichem Rechtsschutz und Urheberrecht im deutschen Recht. Der Begriff des gewerblichen Eigentums ist aber nicht überholt, erscheint er doch als Titelbestandteil des auch heute noch neben dem TRIPS-Übereinkommen wichtigsten internationalen Abkommens auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes, nämlich der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20.3.18831. c) Dem wechselnden, aber letztlich umfassenden internationalen Sprachgebrauch folgt im übrigen auch die europäische Terminologie. So bestimmt Art. 30 Satz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.3.1957 in der Fassung des Amsterdamer Vertrags vom 2.10.1997 (EG)2 Vorbehalte zugunsten “des gewerblichen und kommerziellen 1 In der zuletzt in Stockholm am 14.7.1967 revidierten Fassung veröffentlicht in BGBl. 1970 II S. 391.

    2 BGBl. 1998 II S. 387, berichtigt in BGBl. 1999 II S. 416.

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    Eigentums” und zählt dazu anerkanntermaßen auch das Urheberrecht3. Die am 8.12.2000 zur feierlichen Proklamation anstehende Charta der Grundrechte der Europäischen Union4 schützt in ihrem Art. 17 Abs. 2 das “geistige Eigentum” und versteht darunter “neben dem literarischen und künstlerischen Eigentum das Patent- und Markenrecht sowie die verwandten Schutzrechte”5. d) Dem somit allgemeinen Sprachgebrauch folgend ist auch im Rahmen dieses Gutachtens von einem umfassenden Begriff des geistigen Eigentums auszugehen. Daran soll der Umstand nichts ändern, daß damit formal betrachtet der Titel “Geistiges Eigentum und Urheberrecht” das Urheberrecht zweifach anspricht. Er mag es aber rechtfertigen, in der Reihenfolge der zu behandelnden speziellen Rechtsmaterien mit dem Urheberrecht zu beginnen, zumal dies auch der Gliederung des besonderen Teils II des TRIPS-Übereinkommens entspricht6. Der vereinbarte zeitliche und umfangmäßige Rahmen des Gutachtens macht gleichwohl eine Beschränkung der Darstellung im Hinblick auf diese Materien erforderlich: Es soll jedenfalls bei der Darstellung der aktuellen internationalen Rechtslage der Kreis der Regelungsgegenstände des TRIPS-Übereinkommens7 nicht überschritten werden. Dies ist auch deshalb gerechtfertigt, weil dieses Übereinkommen als Bestandteil des WTO-Übereinkommens auch unter dem Aspekt der Globalisierung im Vordergrund des Interesses steht8. 2. Globalisierung Der Begriff der Globalisierung steht in einem engen Zusammenhang mit der Ausweitung und Liberalisierung des Welthandels auf marktorientierter Grundlage, wie sie bereits durch das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen vom 30.10.1947 (GATT 1947)9 eingeleitet wurden und durch das Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO)

    3 So z.B. Europäischer Gerichtshof (EuGH), 20.1.1981, Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Slg.) 1981, 147, 161, Rdnr. 9 - Musik-Vertrieb membran.

    4 Abgedruckt in einer Sonderbeilage zur Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) Nr. 49 vom 4.12.2000.

    5 So die amtlichen Erläuterungen zu Art. 17 der Charta, a.a.O., S. 10.

    6 Siehe oben I.1.b).

    7 Siehe ebenfalls oben I.1.b).

    8 Siehe sogleich unten I.2.

    9 BGBl. 1951 II S. 173.

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    vom 15.4.199410 einen deutlichen Entwicklungsschub erfahren haben. Dieser wird zum einen dokumentiert durch die große Zahl von derzeit11 140 Mitgliedern, darunter praktisch allen Industriestaaten, und 32 Beobachterstaaten, die mit Ausnahme des Heiligen Stuhls (Vatikan) jeweils innerhalb von fünf Jahren Beitrittsverhandlungen aufnehmen mußten bzw. noch müssen; unter diesen Kandidaten finden sich so große Staaten wie die Russische Föderation und die Volksrepublik China. Zum anderen sind es die angestrebten und erreichten Ziele des WTO-Übereinkommens, die zu diesem Entwicklungsschub beigetragen haben: weiterer Abbau von Zöllen und quantitativen und nichttarifären Handelshemmnissen, Eindämmung des seinerzeit drohenden weltweiten Protektionismus, Erstreckung der Handelsliberalisierung auf Dienstleistungen sowie den Agrar- und Textilsektor und Verbesserung des institutionellen Rahmens, um nur die wichtigsten Maßnahmen zu nennen12. Einen weiteren Beitrag zur Globalisierung leistet daneben auch die moderne technische Entwicklung, namentlich im Bereich der Telekommunikation, die etwa in Form des Internet heutigentags in Sekundenschnelle den weltweiten Austausch von Informationen, die Abwicklung von Geschäften und die Lenkung von Zahlungsströmen ermöglicht. Problemfelder mit möglichen globalen Auswirkungen z.B. auf die Umwelt ergeben sich daneben etwa aus den rasanten Fortschritten der Biotechnologie. Die Globalisierung findet seit Abschluß des WTO-Übereinkommens im Jahre 1994 im übrigen auch auf dem Gebiet des internationalen Schutzes des geistigen Eigentums und damit dem eigentlichen Untersuchungsgegenstand des vorliegenden Gutachtens statt. Ihre Grundlage findet sie in dem bereits eingangs13 erwähnten TRIPS-Übereinkommen als einem der Bestandteile des WTO-Übereinkommens. Es bindet alle derzeit 140 WTO-Mitglieder und beeinflußt bereits jetzt die Gesetzgebung auf diesem Gebiet der weiteren 32 Beitrittskandidaten, weil diese nur dann mit erfolgreichen WTO-Beitrittsverhandlungen rechnen können, wenn sie die vom TRIPS-Übereinkommen vorgegebenen Schutzanforderungen erfüllen oder sich ihnen zumindest nähern14. Auf globale Geltung waren 10 Siehe zu diesem bereits oben I.1.b).

    11 Am 30.11.2000 gemäß www.wto.org.

    12 Siehe dazu des Näheren die Denkschrift der deutschen Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zum WTO-Übereinkommen, Deutscher Bundestag, Drucksache (BT-Drucks.) 12/7655 (neu), S. 335 ff.

    13 Siehe oben I.1.b).

    14 Als ursprüngliche WTO-Mitglieder und damit auch Mitglieder des TRIPS-Übereinkommens kamen neben den Europäischen Gemeinschaften nur diejenigen Staaten in Betracht, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des WTO-Übereinkommens (am 1.1.1995) Vertragsstaaten des GATT 1947 waren (Art. XI Abs. 1 WTO-Übereinkommen). Ein anderer Staat kann nach Art. XII Abs. 1 WTO-Übereinkommen nur “unter Bedingungen beitreten, die zwischen ihm und der WTO vereinbart werden”.

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    zwar auch die traditionellen mehrseitigen internationalen Abkommen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums angelegt, jedoch hatten sie diese niemals erreicht. Das erweist sich beispielhaft und anschaulich am Mitgliederstand der drei wichtigsten, auch vom TRIPS-Übereinkommen in Bezug genommenen Abkommen dieser Art zu dem Zeitpunkt, zu dem die Verhandlungen der GATT-Uruguay-Runde über das WTO-Übereinkommen soeben begonnen hatten15, d.h. am 1.1.1987: 97 Verbandsländer der sog. Pariser Union, welche im Jahre 1883 durch die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) ins Leben gerufen worden war, 76 Verbandsländer der durch die (Revidierte) Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (RBÜ) im Jahre 1886 begründeten sog. Berner Union und nur 30 Vertragsstaaten des in Rom im Jahre 1961 geschlossenen Internationalen Abkommens über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträger und der Sendeunternehmen (Rom-Abkommen)16. II. Das geistige Eigentum1 als Menschenrecht und unter verfassungsrechtlichem

    Schutz 1. Das geistige Eigentum als Menschenrecht Auf der Ebene des Völkerrechts kommt dem geistigen Eigentum seit nunmehr schon über 50 Jahren der Status eines universellen Menschenrechts zu. Primäre Grundlage dafür ist die am 10.12.1948 als Resolution 217 (III) der Generalversammlung der Vereinten Nationen von 45 Staaten ohne Gegenstimmen, wenn auch unter Stimmenthaltung der kommunistischen Staaten gebilligte Allgemeine Erklärung der Menschenrechte18. Sie bestimmt in ihrem Art. 27 Nr. 2:

    “Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz der moralischen und materiellen Interessen, die sich aus jeder wissenschaftlichen, literarischen oder

    15 Nämlich im September 1986 in Punta del Este (Uruguay). Beitritte in den Folgejahren waren möglicherweise bereits durch die Aussicht auf das zukünftige WTO-TRIPS-Regelwerk mit seinen Bezugnahmen auf die genannten älteren Abkommen beeinflußt. Mitgliederstand dieser Abkommen unter Einfluß des TRIPS-Übereinkommens am 15.10.2000: PVÜ 160, RBÜ 147, Rom-Abkommen 67; Zahlen nach www.wipo.int.

    16 Zahlen nach Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen (BlPMZ) 1987, 110 f., 122 f., 125.

    17 Hier und im folgenden auch ohne besondere Erwähnung als das Urheberrecht mit umfassend zu verstehen; siehe auch oben I.1.

    18 In deutscher Übersetzung abgedruckt in Menschenrechte. Ihr Internationaler Schutz, Textausgabe, 4. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1998, S. 5 ff. (Beck-Texte im dtv Band 5531).

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    künstlerischen Produktion ergeben, deren Urheber er ist.” Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde anläßlich der Weltkonferenz der Vereinten Nationen über Menschenrechte in Wien am 25.6.1993 als Wiener Erklärung und Aktionsprogramm von den Delegierten von über 170 Staaten noch einmal feierlich bekräftigt19. Daneben ist es der ebenfalls im Rahmen der Vereinten Nationen abgeschlossene Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.12.196620 mit nunmehr über 140 Vertragsstaaten21, der das geistige Eigentum ebenfalls als ein allen Menschen zustehendes unveräußerliches Recht garantiert. Gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. c) dieses Paktes anerkennen die Vertragsstaaten “das Recht eines jeden”,

    “den Schutz der geistigen und materiellen Interessen zu genießen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur und Kunst erwachsen”.

    Die Geltung dieser Regeln für das Urheberrecht ist nicht zweifelhaft, sie wird aber beispielsweise auch für das Erfinderrecht bejaht22. 2. Verfassungsrechtlicher Schutz des geistigen Eigentums Unzweifelhaft ist der verfassungsrechtliche Schutz zumindest aller ausschließlichen Rechte des geistigen Eigentums. Dies ist in bezug auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 17 Abs. 2) bereits gezeigt worden23. Es gilt aber gleichermaßen auch für die verfassungsrechtliche Garantie des Eigentums in Deutschland durch Art. 14 GG, die sich auf die vermögensrechtlichen Aspekte sämtlicher Gegenstände des geistigen Eigentums erstreckt24, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts z.B. auf das Urheberrecht25, die verwandten Schutzrechte der Hersteller von Tonträgern26 und der 19 In deutscher Übersetzung abgedruckt in Europäische Grundrechte Zeitschrift (EuGRZ) 1993, 520 ff. (521).

    20 BGBl. 1973 II S. 1570.

    21 Liste der Vertragsstaaten in BGBl. 2000 II, Fundstellennachweis B, S. 475 f.

    22 So Hubmann/Götting, a.a.O., S. 81.

    23 Siehe oben I.1.c).

    24 Siehe Maunz/Dürig, a.a.O., Band II, Art. 14, Rdnr. 195-198.

    25 Siehe z.B. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 31, 229, 239 - Kirchen- und Schulgebrauch; zuletzt Entscheidung vom 29.6.2000, Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM) 2000, 867, 869 - Germania.

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    ausübenden Künstler27, für zum Patent angemeldete Erfindungen28, für eingetragene Warenzeichen (Marken)29 und für den Schutz nicht eingetragener Ausstattungen30. Darüber hinaus schützen die Grundrechte der Art. 1 Abs. 1 GG (Würde des Menschen) und Art. 2 Abs. 1 GG (freie Entfaltung der Persönlichkeit) die durch die Rechte des geistigen Eigentums geschützten persönlichkeitsrechtlichen bzw. ideellen Interessen31. III. Funktionsweise des internationalen Schutzes des geistigen Eigentums 1. Territorialitätsprinzip und staatliches Recht als Schutzgrundlage; kein

    universelles Einheitsrecht Im Rahmen des Problemkreises der Globalisierung steht der Schutz der Güter, die dem geistigen Eigentum unterfallen, nicht nur in jeweils einem einzigen Staat in Frage, sondern in mehreren, vielen oder gar allen Staaten, die für eine Nutzung dieser Güter in Betracht kommen. Bei allen diesen Gütern, wie Werken der Literatur und Kunst, Erfindungen, Marken etc., handelt es sich um immaterielle Güter32, die anders als körperliche Sachen gleichzeitig überall auf der Welt genutzt werden können. Im Rahmen eines liberalisierten Welthandels und freier Produktions- und Absatzmärkte haben die Schöpfer, Produzenten und berechtigten Vermarkter solcher Güter im Prinzip ein Interesse an ihrem Schutz überall. Diesem Interesse trägt der internationale Schutz des geistigen Eigentums Rechnung. Ungeachtet seiner Grundlegung durch die naturrechtliche Idee des geistigen Eigentums33 und durch universelle Menschenrechte34, wird dieser Schutz jedoch im positiven Recht nicht

    26 Siehe BVerfGE 81, 12, 16 - Vermietungsvorbehalt.

    27 Siehe BVerfGE 81, 208, 219 f. - Bob Dylan.

    28 Siehe BVerfGE 36, 281, 290 f. - Offenlegung von Patent-Altanmeldungen.

    29 Siehe BVerfGE 51, 193, 217 ff. - Weinbergsrolle.

    30 Siehe BVerfGE 78, 58, 71 ff. - Esslinger Neckarhalde II.

    31 Siehe zum Urheberrecht Schricker/Schricker, a.a.O., Einleitung, Rdnr. 12.

    32 Man pflegt die Rechte des geistigen Eigentums daher auch als Immaterialgüterrechte zu bezeichnen; siehe dazu Hubmann/Götting, a.a.O., S. 63; Schricker/Schricker, a.a.O., Einleitung, Rdnr. 21.

    33 Siehe dazu oben I.1.a).

    34 Siehe oben II.1.

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    durch ein universell geltendes Einheitsrecht, sondern durch Rechtsnormen der verschiedenen Staaten gewährleistet. Diese Rechtsnormen entfalten nach dem weltweit anerkannten sog. Territorialitätsprinzip ihre Wirkungen nur innerhalb der territorialen Grenzen des jeweiligen Staates.35 Auf diese Weise kann in einzelnen Staaten der Schutz einzelner oder auch aller Rechte des geistigen Eigentums gänzlich fehlen, oder er kann in den verschiedenen Staaten unterschiedlich ausgestaltet sein und ein unterschiedliches Niveau erreichen. Auch entspricht es einer herkömmlichen, verbreitet üblichen Staatenpraxis, in Form eines besonderen Fremdenrechts ausländische Schutzinteressenten schlechter zu stellen als inländische, ihren Schutz beispielsweise von der Gewährleistung der Gegenseitigkeit, d.h. davon abhängig zu machen, daß der betreffende ausländische Staat den Angehörigen desjenigen Staates, dessen Schutz in Frage steht, einen entsprechenden Schutz gewährt36. 2. Funktion internationaler Abkommen Auch die inzwischen zahlreichen internationalen Abkommen auf den verschiedenen Gebieten des geistigen Eigentums begründen für die ihnen jeweils angehörenden Vertragsstaaten kein Einheitsrecht. Die Funktion der wichtigsten dieser Abkommen besteht vielmehr traditionell darin, zum einen in den Beziehungen der jeweiligen Vertragsstaaten untereinander die fremdenrechtliche Diskriminierung zu beseitigen oder nur noch in Ausnahmefällen zuzulassen und zum anderen für die durch die Abkommen geschützten Rechtsinhaber bzw. Schutzgegenstände in allen Vertragsstaaten ein gewisses Mindestniveau des Schutzes sicherzustellen. Dem erstgenannten Ziel dient der in diesen Abkommen normierte Grundsatz der sog. Inländerbehandlung, d.h. der Gleichstellung der konventionsgeschützten Schutzinteressenten mit den Inländern des jeweiligen Schutzlandes, das zweitgenannte Ziel wird über in den Abkommen geregelte sog. Mindestrechte erreicht, die in jedem Vertragsstaat für konventionsgeschützte Gegenstände in Anspruch genommen werden können, auch wenn die nationale Gesetzgebung sie für inländische Berechtigte nicht vorsehen sollte. Faktisch führen diese Mindestrechte zu einer gewissen allgemeinen Rechtsharmonisierung, weil die Staaten Inländer gegenüber Ausländern nicht zu benachteiligen pflegen.37 Die Abkommen begründen für die Vertragsstaaten eine

    35 Siehe zum Vorstehenden die Denkschrift der deutschen Bundesregierung zum WTO-Übereinkommen, BT-Drucks. 12/7655 (neu), S. 335, 344; aus der Sicht des Urheberrechts siehe Schricker/Katzenberger, a.a.O., Vor §§ 120 ff. UrhG, Rdnr. 120 ff.

    36 Siehe dazu wiederum aus der Sicht des Urheberrechts Schricker/Katzenberger, a.a.O., Vor §§ 120 ff. UrhG, Rdnr. 2 ff.

    37 Siehe zum Vorstehenden insgesamt aus der Sicht des Urheberrechts Ulmer, a.a.O., S. 87 ff. (zur RBÜ), 97 f. (zum WUA) und 518 ff. (zum Rom-Abkommen); Schricker/Katzenberger, a.a.O., Vor §§ 120 ff. UrhG, Rdnr. 47 f. (RBÜ), 64 f. (WUA) und 79 ff. (Rom-Abkommen).

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    völkerrechtliche Verpflichtung zur Umsetzung der genannten Regeln in ihr nationales Recht. Wie diese Umsetzung erfolgt, richtet sich nach dem (Verfassungs-)Recht jedes Staates38. In der Zeit vor Unterzeichnung und Inkrafttreten des TRIPS-Übereinkommens39 in den Jahren 1994/1995 waren die wichtigsten traditionellen internationalen Abkommen dieser Art40 die folgenden: Auf dem Gebiet des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte:

    �� die (Revidierte) Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (RBÜ) vom 9.9.1886, zuletzt revidiert in Paris am 24.7.197141 mit derzeit 147 sog. Verbandsländern42 und

    38 Siehe zum deutschen Recht insoweit Schricker/Katzenberger, a.a.O., Vor §§ 120 ff. UrhG, Rdnr. 114 ff.

    39 Siehe zu diesem bereits oben I.1.b).

    40 Unberücksichtigt bleiben müssen hier die zahlreichen Abkommen über die internationale Registrierung von Patenten, Mustern und Modellen, Marken, Ursprungsbezeichnungen usw., ebenso die sog. Klassifikationsabkommen.

    41 BGBl. 1973 II S. 1071.

    42 Siehe dazu bereits oben Fn. 31.

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    �� das am 26.10.1961 in Rom unterzeichnete Internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen (Rom-Abkommen)1 mit nunmehr 67 Vertragsstaaten2.3

    Auf den übrigen, den gewerblichen Rechtsschutz bzw. das gewerbliche Eigentum4 betreffenden Gebieten des

    geistigen Eigentums:

    �� die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums

    vom 20.3.1883, zuletzt revidiert in Stockholm am 14.7.19675 mit nunmehr 160 Verbandsländern6 und

    �� der am 26.5.1989 in Washington unterzeichnete, bisher aber noch nicht in

    Kraft getretene internationale Vertrag über den Schutz des geistigen Eigentums im Hinblick auf integrierte Schaltkreise7, der hier deshalb zu erwähnen ist, weil das TRIPS-Übereinkommen auch auf ihn Bezug nimmt.

    1 BGBl. 1965 II S. 1245.

    2 Siehe dazu bereits oben Fn. 31.

    3 Das vor allem wegen seiner Einbindung auch der USA in den multilateralen Abkommensschutz früher ebenfalls besonders bedeutsame Welturheberrechtsabkommen (WUA) vom 6.9.1952 (BGBl. 1955 II S. 102), revidiert in Paris am 24.7.1971 (BGBl. 1973 II S. 1111) mit derzeit 97 Vertragsstaaten (am 1.1.2000 lt. BlPMZ 2000, 150) hat bereits in der Zeit vor dem TRIPS-Übereinkommen dadurch erheblich an Bedeutung verloren, daß die USA mit Wirkung vom 1.3.1989 (siehe BlPMZ 2000, 155) der RBÜ beigetreten sind.

    4 Zu diesen Begriffen siehe oben I.1.a), b).

    5 BGBl. 1970 II S. 391.

    6 Siehe dazu bereits oben Fn. 31.

    7 In englischer Originalsprache als Treaty on Intellectual Property in Respect of Integrated Circuits (IPIC) abgedruckt in Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil (GRUR Int.) 1989, 772 ff.

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    IV. Der internationale Schutz des geistigen Eigentums im Zeichen der Globalisierung aus der Sicht der Industriestaaten: das TRIPS-Übereinkommen als adäquates Schutzinstrument

    1. Traditionelle und neue Grundprinzipien des TRIPS-Übereinkommens Das TRIPS-Übereinkommen1 nimmt nicht nur in mehrfacher Weise auf die vorstehend erwähnten vier älteren internationalen Abkommen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums Bezug2, es übernimmt mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung (Art. 3) und der Regelung von Mindestrechten (Art. 1 Abs. 1 Satz 2, Art. 9-39, 62) auch die klassischen Schutzprinzipien dieser Abkommen, dies im Fall der Mindestrechte jedoch auf einem wesentlich höheren und detaillierter geregelten Schutzniveau als bisher vorgesehen. Darüber hinaus normiert das TRIPS-Übereinkommen aber auch Grundprinzipien, wie das der Meistbegünstigung (Art. 4), und zusätzliche Schutzinstrumente, die den älteren Abkommen unbekannt sind: nämlich Regeln über die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (Art. 41-61) sowie über die Streitbeilegung und -vermeidung (Art. 63, 64). Ebenfalls neu ist die Berücksichtigung von Rechtsmißbräuchen (Art. 8 Abs. 2, Art. 40) sowie die Ermächtigung der Vertragsstaaten zu begrenzten normativen Maßnahmen zum Schutz wichtiger öffentlicher Interessen (Art. 8 Abs. 1). 2. Konformität der Ziele des TRIPS-Übereinkommens mit den Zielen des WTO-

    Übereinkommens Nach seiner Präambel verfolgt das TRIPS-Übereinkommen primär das Ziel, Verzerrungen und Behinderungen des internationalen Handels zu verringern, und stimmt darin mit dem in der Präambel des WTO-Übereinkommens3 zum Ausdruck gebrachten Ziel überein,

    1 Siehe zu diesem bereits oben I.1.b).

    2 Im allgemeinen Teil I des TRIPS-Übereinkommens die (geniale) Übernahme der Anknüpfungspunkte der vier älteren Abkommen zur Bestimmung seines eigenen Anwendungsbereichs (Art. 1 Abs. 3), die Vorschrift über die Verpflichtung zur Befolgung von Bestimmungen der PVÜ (Art. 2 Abs. 1) und der Vorbehalt zugunsten der Weitergeltung der vier älteren Abkommen (Art. 2 Abs. 2) sowie Modifikationen der Inländerbehandlung nach Maßgabe der oder in Abweichung von den älteren Abkommen (Art. 3 Abs. 1). Daneben finden sich Bezugnahmen auch in den besonderen Teilen des TRIPS-Übereinkommens, wie z.B. in Art. 9 Abs. 1 über die Anwendung bzw. Nichtanwendung von Bestimmungen der RBÜ.

    3 Siehe zu diesem bereits oben I.1.b).

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    Handelsschranken abzubauen und Diskriminierungen in den internationalen Handelsbeziehungen zu beseitigen. Ebenfalls nach seiner Präambel verbindet das TRIPS-Übereinkommen dieses Ziel mit der Einsicht, daß zu dessen Erreichung auch ein wirksamer und angemessener Schutz des geistigen Eigentums erforderlich ist und ihm nur in Mißbrauchsfällen entgegensteht. In diesem Sinne heißt es in der Denkschrift der deutschen Bundesregierung zum WTO-Übereinkommen wörtlich:

    “Ohne einen angemessenen und auch in der Praxis wirksamen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums werden Investitionen fehlgeleitet, Handelsströme verfälscht und individuelle und unternehmerische Leistungen mißbraucht.”4

    Insbesondere in den international verbreiteten Fällen der Marken- und Produktpiraterie, deren Bekämpfung zu den Zielen des TRIPS-Übereinkommens zählt, besteht bei einem nicht ausreichenden Schutz der Rechte des geistigen Eigentums die wesentliche Verzerrung und Behinderung des internationalen Handels darin, daß Originalerzeugnisse aufgrund ihrer Belastung mit Urheber- und Erfindervergütungen sowie mit Entwicklungs- und Marketingkosten im Preis nicht mit Piraterieware konkurrieren kann5. Dies gilt sowohl für den Inlandsmarkt der Piraterieware als auch für deren Exportmärkte. Auch zur Erreichung der Ziele des WTO-Übereinkommens ist es daher der Hauptzweck des TRIPS-Übereinkommens, “den Schutz des geistigen Eigentums weltweit zu verstärken und zu harmonisieren”6. Die damit verfolgten Ziele werden in Art. 7 des TRIPS-Übereinkommens wie folgt umschrieben:

    “Der Schutz und die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums sollen zur Förderung der technischen Innovation sowie zur Weitergabe und Verbreitung von Technologie beitragen, dem beiderseitigen Vorteil der Erzeuger und Nutzer technischen Wissens dienen, in einer dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wohl zuträglichen Weise erfolgen und einen Ausgleich zwischen Rechten und Pflichten herstellen.”

    3. Das TRIPS-Übereinkommen als Verhandlungsziel und -erfolg der

    Industriestaaten einschließlich Deutschlands Die Unterzeichnung des WTO-Übereinkommens und seiner Bestandteile einschließlich des TRIPS-Übereinkommens am 15.4.1994 bildete den Abschluß der sog. Uruguay-Runde des 4 BT-Drucks. 12/7655 (neu), S. 335, 344.

    5 Siehe dazu mit weiteren Nachweisen Katzenberger, GRUR Int. 1995, 447, 449.

    6 So EuGH, 15.11.1994, Slg. 1994 I - 5276, 5405, Rdnr. 58 - TRIPS-Kompetenz.

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    GATT, die im September 1986 begonnen hatte und sich somit über mehr als sieben Jahre hinzog. Die Aufnahme des Schutzes des geistigen Eigentums als generelles Thema in diese Verhandlungsrunde und dann in das WTO-Vertragswerk stellte für das GATT ein Novum dar. Es hatte mehrere Ursachen, die aber vorrangig, wenn nicht ausschließlich mit den Interessen der Industriestaaten zu tun hatten7: Da gab es zunächst das vor allem die Belange der Industriestaaten und deren Wirtschaft tangierende und insbesondere das Marken- und Urheberrecht berührende Phänomen der ständig zunehmenden grenzüberschreitenden Produktpiraterie als ein Thema, das bereits die vorangegangene sog. Tokio-Runde des GATT beschäftigt hatte, dort aber unerledigt geblieben war. Sodann wurde man sich in den Industriestaaten, allen voran in den USA, dann aber z.B. auch in der Europäischen Gemeinschaft des ständig zunehmenden Wertes aller Rechte des geistigen Eigentums bewußt. Die US-Administration erhoffte sich von einer weltweiten Stärkung des Schutzes dieser Rechte eine Entlastung in bezug auf das chronische Handelsbilanzdefizit der USA und begann zunächst, gefolgt auch von der Europäischen Gemeinschaft mit bilateralen Abhilfemaßnahmen, denen gegenüber dann aber ein multilateraler Lösungsansatz vorteilhafter erschien. Und schließlich erwiesen sich die herkömmlichen mehrseitigen internationalen Schutzinstrumente, nämlich die bereits erwähnten8 multilateralen, von der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO)9 betreuten Abkommen, angesichts des dort geleisteten Widerstands der Entwicklungsländer als nicht mehr entwicklungsfähig im Sinne einer Anhebung des Schutzniveaus. In den Verhandlungen der Uruguay-Runde über das TRIPS-Übereinkommen waren sich die Industriestaaten, allen voran die USA und die Europäische Gemeinschaft, im Prinzip einig über das Verhandlungsziel. Die Mitgliedstaaten der letzteren, unter ihnen auch Deutschland, überließen die Verhandlungsführung allein der Kommission der Europäischen Gemeinschaft10, so daß sie sich auch deren Ergebnisse zurechnen lassen müssen. Hiervon abgesehen stellte sich Deutschland auch ausdrücklich hinter die erreichten Resultate11.

    7 Siehe zum folgenden Faupel, GRUR Int. 1990, 255 ff.; Katzenberger, GRUR Int. 1995, 447, 450 ff.

    8 Siehe oben III.2.

    9 Siehe zu dieser bereits oben I.1.b).

    10 Siehe dazu das TRIPS-Kompetenz-Gutachten des EuGH, Slg.1994 I - 5276, 5282; Denkschrift der deutschen Bundesregierung zum WTO-Übereinkommen, BT-Drucks. 12/7655 (neu), S. 335, 336.

    11 Siehe dazu die Denkschrift der deutschen Bundesregierung zum WTO-Übereinkommen, BT-Drucks. 12/7655 (neu), S. 335, 338, 344.

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    4. Aktualität des TRIPS-Schutzstandards im globalen Kontext Es kann im übrigen wohl davon ausgegangen werden, daß auch heute (Jahresende 2000), sechs Jahre nach Inkrafttreten des WTO- und des TRIPS-Übereinkommens (am 1.1.1995) der TRIPS-Standard des internationalen und globalen Schutzes des geistigen Eigentums den Vorstellungen der Industriestaaten einschließlich Deutschlands von einem adäquaten Schutzniveau jedenfalls grundsätzlich immer noch entspricht. Zwar gibt es im internationalen und europäischen Bereich bereits wieder neue Entwicklungen im Sinne eines weiteren Ausbaus dieses Schutzes12, es laufen derzeit jedoch sogar noch Übergangsfristen, die Entwicklungsländern für die Umsetzung des TRIPS-Schutzes in ihr nationales Recht eingeräumt wurden, nämlich die 10 Jahre und auf Antrag sogar noch länger ab dem Beginn der allgemeinen TRIPS-Anwendungsverpflichtung ein Jahr nach Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens13, die Art. 66 Abs. 1 des TRIPS-Übereinkommens den am wenigsten entwickelten Ländern einräumt; für alle Entwicklungsländer sieht darüber hinaus Art. 65 des TRIPS-Übereinkommens eine 10jährige Aufschubfrist ab Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens in bezug auf Stoffpatente vor. Vor Ablauf dieser Fristen wird man von den betreffenden Ländern kaum erwarten können, daß sie neue Verpflichtungen übernehmen. In diesem Sinne dürfte beispielsweise die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18.11.1999 zum Konzept der Europäischen Union für die WTO-Jahrtausendrunde14 zu verstehen sein. Sie beharrt auf der Notwendigkeit eines effektiven Schutzes des geistigen Eigentums als eines wesentlichen Elements eines fairen Handels (Abs. 51), spricht sich aber ausdrücklich gegen eine umfassende Neuaushandlung des TRIPS-Übereinkommens aus (Abs. 56). Auch sollten Zusatzabkommen zum TRIPS-Übereinkommen vorsichtig angegangen werden (Abs. 53 Satz 2). Im übrigen werden umfassende technische Hilfen für die Entwicklungsländer bei der Umsetzung der TRIPS-Standards (Abs. 52) und eine Weiterverfolgung der sog. “built-in agenda” des TRIPS-Übereinkommens bezüglich geographischer Angaben und der Patentanmeldung (Abs. 53 Satz 1) gefordert und zunächst nur eine Bewertung der Einwände gegen die Patentierung von Lebewesen verlangt (Abs. 54 Satz 1). Hinsichtlich der Frage, ob das TRIPS-Übereinkommen einen wirksamen Schutz der Marken im Internet bietet, wird lediglich eine Überprüfung gewünscht (Abs. 55 Satz 2). Aktuell für notwendig erachtet werden nur Schutzverbesserungen in bezug auf geographische Angaben zugunsten der europäischen Landwirtschaftserzeugnisse (Abs. 55 Satz 1); und erwogen wird eine Verlängerung der Übergangszeiträume für die am wenigsten entwickelten

    12 Siehe dazu unten VII.

    13 Gemäß Art. 65 Abs. 1 des TRIPS-Übereinkommens; also 10 Jahre ab dem 1.1.1996.

    14 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl.) C 189 vom 7.7.2000, S. 213, 219.

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    Länder (Abs. 56). Im übrigen solle das TRIPS-Übereinkommen zu einem verbesserten Technologie- und Know-how-Transfer an die Entwicklungsländer beitragen (Abs. 56). V. Der materiellrechtliche1 Mindestschutz des geistigen Eigentums durch das

    TRIPS-Übereinkommen Materiellrechtliche Mindestschutzregelungen für das geistige Eigentum enthält das TRIPS-Übereinkommen namentlich in seinem Teil II über Normen betreffend die Verfügbarkeit, den Umfang und die Ausübung von Rechten des geistigen Eigentums in insgesamt sieben Abschnitten16 sowie in seinem Teil IV über Erwerb und Aufrechterhaltung von Rechten des geistigen Eigentums (Art. 62). Im folgenden kann der Inhalt dieses umfangreichen Regelungswerkes unter Beschränkung auf den Teil II des TRIPS-Übereinkommens nur stichwortartig wiedergegeben werden17. 1. Urheberrecht und verwandte Schutzrechte In bezug auf diese Rechte schreibt das TRIPS-Übereinkommen seinen Mitgliedern zunächst die Befolgung der materiellrechtlichen Bestimmungen der Revidierten Berner Übereinkunft in deren Pariser Fassung von 197118 vor, mit Ausnahme allerdings des Art. 6bis RBÜ über den

    15 Auf die verfahrensrechtlichen Regelungen des TRIPS-Übereinkommens hinsichtlich Rechtsdurchsetzung sowie Streitvermeidung und -beilegung (siehe dazu die Hinweise oben IV.1.) sowie die institutionellen Regelungen und Schlußbestimmungen des TRIPS-Übereinkommens (Art. 68-73) kann im vorliegenden Zusammenhang nicht eingegangen werden.

    16 Siehe zu deren Gegenständen bereits oben I.1.b).

    17 Zur näheren Unterrichtung siehe insbesondere die im Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht, München, entstandene Artikelserie, in der Reihenfolge der ersten fünf Abschnitte des Teils II des TRIPS-Übereinkommens abgedruckt (Abschnittüberschrift und Name des Verfassers in Klammern) in: GRUR Int. 1995, 447-468 (Urheberrecht und verwandte Schutzrechte: Katzenberger), 1994, 987-997 (Marken: Kur), 1995, 642-652 (Geographische Angaben: Knaak), 1995, 185-193 (Gewerbliche Muster und Modelle: Kur) und 1996, 179-205 (Patente: Straus). Diese Artikel sind zusammen mit weiteren Beiträgen zum TRIPS-Problemkreis in englischer Sprache erschienen in: Beier/Schricker (eds.), From GATT to TRIPs - The Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights, VCH Verlag, Weinheim 1996 (IIC studies Vol. 18). Zusammenfassende Inhaltsangaben finden sich auch im TRIPS-Kompetenz-Gutachten des EuGH, Slg. 1994 I - 5276, 5297 ff.

    18 Siehe hierzu oben III.2.

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    Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts (Art. 9 Abs. 1). Ferner wird in Art. 9 Abs. 2 klargestellt19, daß der urheberrechtliche Schutz sich auf Ausdrucksformen, nicht aber auf Ideen, Verfahren, Arbeitsweisen oder mathematische Konzepte als solche erstreckt. Als neuartige Schutzgegenstände werden in Art. 10 Computerprogramme und Zusammenstellungen von Daten (Datenbankwerke) für urheberrechtlich schutzfähig erklärt; Computerprogramme sollen als literarische Werke geschützt sein, um sie an den üblicherweise geringen Schutzanforderungen bei solchen Werken teilhaben zu lassen20. Eine Bestimmung über Vermietrechte als neuartige Rechte zumindest in bezug auf Filmwerke und Computerprogramme findet sich in Art. 11, eine solche über die Schutzdauer in Art. 12. In bezug auf gesetzliche Schranken der urheberrechtlichen Verwertungsrechte verallgemeinert Art. 13 die bereits in Art. 9 Abs. 2 RBÜ nur für das Vervielfältigungsrecht vorgesehenen strengen Anforderungen. In Art. 14 ist der TRIPS-Mindestschutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen zusammengefaßt. 2. Marken Im Bereich der Marken regeln die besonderen Schutzbestimmungen des TRIPS-Übereinkommens, welchen Zeichen Markenschutz durch Eintragung zu gewähren ist oder versagt werden kann (Art. 15), wobei Markenschutz sowohl für Waren als auch für Dienstleistungen möglich sein muß (Art. 15 Abs. 1 Satz 1). Die TRIPS-Mitglieder dürfen die Eintragung einer Marke, nicht aber schon die Einreichung eines Eintragungsanstrags von der Benutzung abhängig machen (Art. 15 Abs. 3 Sätze 1, 2). Bei Vorliegen einer Benutzungsabsicht darf ein Antrag auf Eintragung einer Marke wegen Nichtbenutzung erst nach Ablauf von drei Jahren abgelehnt werden (Art. 15 Abs. 3 Satz 3), und im Fall des Bestehens eines Benutzungszwangs darf eine Marke ebenfalls erst nach Ablauf von mindestens drei Jahren der ununterbrochenen und nicht gerechtfertigten Nichtbenutzung gelöscht werden (Art. 19 Abs. 1); auch ist unter bestimmten Voraussetzungen die Benutzung durch einen Dritten dem Markeninhaber zuzurechnen (Art. 19 Abs. 2). Geregelt sind ferner die Rechte aus der Marke (Art. 16), wobei der Schutz notorisch bekannter Marken im Sinne von Art. 6bis PVÜ auch auf Dienstleistungen ausgedehnt und über den Kreis ähnlicher Waren und Dienstleistungen hinaus ausgeweitet wird (Art. 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3). Notorische Bekanntheit kann auch bereits durch Werbung erreicht werden (Art. 6bis Abs. 2 Satz 2). Weitere Vorschriften betreffen Ausnahmen vom Markenschutz (Art. 17), die Schutzdauer (Art. 18) sowie Lizenzen und Übertragungen, wobei die Zwangslizenzierung unzulässig ist (Art. 21). Des weiteren darf die Benutzung einer Marke im geschäftlichen Verkehr nicht ungerechtfertigt durch besondere Erfordernisse erschwert werden (Art. 20). 19 Siehe dazu auch oben Fn. 1.

    20 Zum Schutz solcher Werke in Deutschland siehe oben I.1.a).

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    3. Geographische Angaben In bezug auf geographische Angaben als “Angaben, die eine Ware als aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedes oder aus einer Gegend oder aus einem Ort in diesem Gebiet stammend kennzeichnen, wenn eine bestimmte Qualität, der Ruf oder eine sonstige Eigenschaft der Ware im wesentlichen auf ihrer geographischen Herkunft beruht” (Art. 22 Abs. 1), sieht das TRIPS-Übereinkommen in detaillierter Regelung einen allgemeinen Schutz (Art. 22 Abs. 2-4) sowie einen zusätzlichen Schutz für geographische Angaben für Weine und Spirituosen (Art. 23) vor. Weitere Bestimmungen in Art. 24 sehen internationale Verhandlungen mit dem Ziel vor, den Schutz einzelner geographischer Angaben nach Art. 23 zu stärken, sowie Ausnahmen von den Schutzverpflichtungen. 4. Gewerbliche Muster und Modelle Im Hinblick auf gewerbliche Muster und Modelle regelt das TRIPS-Übereinkommen sowohl die Schutzvoraussetzungen (Neuheit oder Eigenart) (Art. 25 Abs. 1) als auch den Inhalt und die Dauer des Schutzes (Art. 26). Speziell im Hinblick auf Textilmuster ist bestimmt, daß die Schutzvoraussetzungen z.B. auch hinsichtlich Kosten und Prüfung die Schutzerlangung nicht unangemessen beeinträchtigen dürfen (Art. 25 Abs. 2). 5. Patente Besonders umfangreich ist der Abschnitt der TRIPS-Regelungen über Patente. Sie betreffen die patentfähigen Gegenstände (Art. 27), die Rechte aus dem Patent (Art. 28), Bedingungen für Patentanmelder (Art. 29), (begrenzte) Ausnahmen von den Rechten aus dem Patent (Art. 30), die sonstige Benutzung ohne Zustimmung des Rechtsinhabers (Art. 31), die Pflicht der Mitglieder, für Fälle des Widerrufs oder des Verfalls von Patenten die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung vorzusehen (Art. 32), die Schutzdauer von mindestens 20 Jahren, gerechnet ab dem Anmeldetag (Art. 33), sowie die Beweislast bei Verfahrenspatenten (Art. 34). Grundsätzlich gilt, daß Patente sowohl für Erzeugnisse als auch für Verfahren auf allen Gebieten der Technik erhältlich sein müssen (Art. 27 Abs. 1 Satz 1). Die Mitglieder können nach Art. 27 Abs. 2 jedoch Erfindungen von der Patentierbarkeit ausschließen,

    “wenn die Verhinderung ihrer gewerblichen Verwertung innerhalb des Hoheitsgebiets zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder der guten Sitten einschließlich des Schutzes des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder zur Vermeidung einer ernsten Schädigung der

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    Umwelt notwendig ist, vorausgesetzt, daß ein solcher Ausschluß nicht nur deshalb vorgenommen wird, weil die Verwertung durch ihr Recht verboten ist”.

    Sie können nach Art. 27 Abs. 3 von der Patentierbarkeit ferner ausschließen diagnostische, therapeutische und chirurgische Verfahren für die Behandlung von Menschen oder Tieren (Buchst. a)) sowie:

    “Pflanzen und Tiere, mit Ausnahme von Mikroorganismen, und im wesentlichen biologische Verfahren für die Züchtung von Pflanzen oder Tieren mit Ausnahme von nichtbiologischen und mikrobiologischen Verfahren” (Buchst. b) Satz 1)21.

    Des weiteren bestimmt Art. 27 Abs. 1 Satz 2 den Grundsatz, daß Patente erhältlich sein und Patentrechte ausgewertet werden können müssen,

    “ohne daß hinsichtlich des Ortes der Erfindung, des Gebiets der Technik oder danach, ob die Erzeugnisse eingeführt oder im Land hergestellt werden, diskriminiert werden darf”.

    Vorbehalten sind wiederum die Bestimmungen des Art. 27 Abs. 3 sowie außerdem der Art. 65 Abs. 4 und Art. 70 Abs. 8. Sie betreffen Stoffpatente in Entwicklungsländern sowie besondere Verpflichtungen von WTO/TRIPS-Mitgliedern, die in dem Zeitpunkt, zu dem das WTO-Übereinkommen für sie in Kraft tritt, keinen ihren Verpflichtungen nach Art. 27 entsprechenden Patentschutz für pharmazeutische und agrochemische Erzeugnisse vorsehen. Die Bestimmungen des Art. 31 über die sonstige Benutzung des Gegenstands eines Patents ohne Zustimmung des Rechtsinhabers normieren strenge Bedingungen für Zwangslizenzen. 6. Layout-Designs (Topographien) integrierter Schaltkreise Die TRIPS-Regeln zu diesen Schutzgegenständen des geistigen Eigentums betreffen das Verhältnis zum IPIC-Vertrag22 (Art. 35), den Schutz dieser Gegenstände (Art. 36) sowie mögliche Ausnahmen von diesem Schutz (Art. 37) und die Schutzdauer von 15 Jahren (Art. 38).

    21 Weitere Regelungen dieses Buchst. beziehen sich auf den Schutz von Pflanzensorten und sehen die Überprüfung der Bestimmungen dieses Buchst. vier Jahre nach Inkrafttreten des WTO-Übereinkommen (am 1.1.1995) vor.

    22 Siehe zu diesem oben III.2. mit Fn. 65.

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    7. Schutz nicht offenbarter Informationen Der letzte hier zu berücksichtigende Abschnitt 7 des besonderen Teils II des TRIPS-Übereinkommens besteht nur aus einem einzigen Artikel, nämlich Art. 39, und hat den wettbewerbsrechtlichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (Art. 39 Abs. 2) sowie von geheimen Test- und sonstigen Daten zum Gegenstand, welche Regierungen oder Regierungsstellen als Voraussetzung für die Marktzulassung von pharmazeutischen oder agrochemischen Erzeugnissen vorzulegen sind (Art. 39 Abs. 3). Im Fall der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geht bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen der Schutz der Betroffenen dahin, zu verhindern, daß die betreffenden Informationen ohne ihre Zustimmung und entgegen den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel Dritten offenbart, von diesen erworben oder benutzt werden. Im Fall der Marktzulassungsdaten richtet sich der Schutz gegen den unlauteren gewerblichen Gebrauch sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch gegen Offenbarung.

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    VI. Die offene Frage der Erschöpfung der Rechte des geistigen Eigentums Das Rechtsinstitut der Erschöpfung der Rechte des geistigen Eigentums bezieht sich auf das Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die durch ein solches Recht geschützt sind, beispielsweise auf durch das Tonträgerherstellerrecht geschützte Tonträger mit urheberrechtlich geschützter Musik, auf patentrechtlich geschützte Gegenstände oder auf Waren, die mit einer geschützten Marke versehen sind. An sich erstreckt sich der durch ein solches Recht gewährte Schutz auch auf ein solches Inverkehrbringen. Der Erschöpfungsaspekt betrifft Erzeugnisse, die mit Zustimmung des Rechtsinhabers bereits einmal in Verkehr gebracht worden sind, und auf das weitere Inverkehrbringen dieser Erzeugnisse durch Dritte. Erschöpfung des Rechts zum Inverkehrbringen bedeutet in diesen Fällen, daß der Rechtsinhaber sich dem weiteren Inverkehrbringen durch Dritte nicht mehr widersetzen kann, weil sich sein Recht zum Inverkehrbringen durch das erste Inverkehrbringen mit seiner Zustimmung erschöpft hat. In bezug auf dieses Rechtsinstitut bestimmt Art. 6 des TRIPS-Übereinkommens, daß dieses Übereinkommen für die Zwecke der Streitbeilegung23 vorbehaltlich der Art. 3 und 4 des Übereinkommens24 nicht dazu verwendet werden darf, die Frage der Erschöpfung von Rechten des geistigen Eigentums zu behandeln. Insoweit bleibt diese Frage somit offen. Die offene Frage geht dahin, ob die Rechtserschöpfung nur dann eintritt, wenn das erste rechtmäßige Inverkehrbringen im Schutzland als dem Land stattgefunden hat, für das nunmehr der Schutz gegen das weitere Inverkehrbringen in Frage steht, oder ob die Erschöpfung auch durch ein erstes Inverkehrbringen im Ausland eintritt. Im zweiten Fall ist noch einmal danach zu differenzieren, ob der betreffende ausländische Staat wie das Schutzland einer Staatengemeinschaft, wie der Europäischen Gemeinschaft, der EFTA oder dem Europäischen Wirtschaftsraum, angehört oder einem Drittstaat. Man unterscheidet demgemäß auch zwischen nationaler, regionaler und internationaler Erschöpfung. Aus der Sicht des Rechtsinhabers berührt die nur nationale Erschöpfung seine Rechtsstellung am wenigsten. Er kann sich mit Hilfe seines ihm im Schutzland zustehenden 23 Nach Art. 64 des TRIPS-Übereinkommen; siehe dazu oben IV.1.

    24 Diese Bestimmungen normieren die Grundsätze der Inländerbehandlung und der Meistbegünstigung (siehe oben IV.1.). Der Vorbehalt der genannten Bestimmungen bedeutet, daß ein Staat bzw. TRIPS-Mitglied, das sich für die eine oder andere Variante der Erschöpfung entscheidet, diese nach diesen Grundsätzen auch auf die Rechte der Angehörigen der anderen TRIPS-Mitglieder anwenden muß; siehe zum Urheberrecht Katzenberger, GRUR Int. 1995, 447, 463.

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    Rechts auch gegen die Einfuhr von Produkten zur Wehr setzen, die er selbst, ein verbundenes Unternehmen oder ein Lizenznehmer im Ausland in Verkehr gebracht hat und die dort z.B. zu einem geringeren Preis als im Schutzland gehandelt werden; er genießt dann Schutz auch gegen den sog. Parallelimport. Bei der regionalen Erschöpfung besteht ein solcher Schutz nicht, wenn das erste rechtmäßige Inverkehrbringen in einem anderen Mitgliedstaat einer Staatengemeinschaft stattgefunden hat, wohl aber in bezug auf erstmals in einem Drittstaat rechtmäßig in Verkehr gebrachte Erzeugnisse. Der Rechtsinhaber wird durch die Erschöpfung seines Schutzrechts am stärksten im Fall der internationalen Erschöpfung betroffen, weil dieses Recht immer dann versagt, wenn das erste rechtmäßige Inverkehrbringen in irgendeinem anderen Staat sich ereignet hat; er kann sich gegen die Einfuhr und Weiterverbreitung der betreffenden Produkte in keinem Fall mehr wehren. Das natürliche Interesse der Industriestaaten scheint für die nur nationale und allenfalls für die regionale Erschöpfung in einem Binnenmarkt, in jedem Fall aber gegen die internationale Erschöpfung zu sprechen. Und in der Tat ist erst jüngst aus der Sicht der deutschen forschenden pharmazeutischen Industrie gegen die internationale Erschöpfung plädiert und auf negative Auswirkungen selbst der regionalen Erschöpfung im europäischen Binnenmarkt hingewiesen worden25. Ein Vergleich des geltenden Rechts und von Reformüberlegungen bezüglich verschiedener Industriestaaten zeigt aber ein differenziertes Bild bis hin zu unterschiedlichen Erschöpfungslösungen bei den verschiedenen Schutzrechten des geistigen Eigentums oder gar Produktgruppen26. Jedenfalls ist aber damit zu rechnen, daß Entwicklungsländer im allgemeinen die internationale Erschöpfung favorisieren27.

    25 Siehe Laudien, GRUR Int. 2000, 617 ff.

    26 Siehe dazu die Beiträge von Gaster, Baudenbacher, Bodewig, Sack und Hassemer in GRUR Int. 2000, 571 ff., 584 ff., 597 ff., 610 ff. und 624 ff.

    27 Siehe jedoch z.B. auch aus der Sicht der Volksrepublik China differenzierend Yu, GRUR Int. 2000, 619 ff., 623.

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    VII. Neueste Entwicklungen und Zukunftsperspektiven Der internationale Rechtsschutz des geistigen Eigentums hat sich auch in den letzten Jahren seit Inkrafttreten des WTO- und des TRIPS-Übereinkommens lebhaft weiterentwickelt. Hierbei sind insbesondere die folgenden Schutzinstrumente und Initiativen zu erwähnen, welche zugleich die zukünftigen Tendenzen des geistigen Eigentums im Rahmen der Globalisierung erahnen lassen:

    �� der am 20.12.1996 im Rahmen der Weltorganisation für geistiges Eigentum

    (WIPO) abgeschlossene WIPO-Urheberrechtsvertrag (WIPO Copyright Treaty,

    WCT) und

    �� der am selben Tag unterzeichnete WIPO-Vertrag über Darbietungen und

    Tonträger (WIPO Performances and Phongrams Treaty, WPPT), die beide erstmals

    in einem multilateralen Abkommen über Rechte des geistigen Eigentums das sog.

    Online-Recht normieren1 und die daher gelegentlich auch als Internet-Verträge

    tituliert werden;

    �� zur Ergänzung des WPPT findet derzeit (vom 7.-20.12.2000) in Genf eine

    Diplomatische Konferenz über den Schutz audiovisueller Darbietungen

    (Diplomatic Conference on the Protection of Audiovisual Performances) statt;

    �� unter anderem der Umsetzung von WCT und WPPT dient im Rahmen der

    Europäischen Union der Gemeinsame Standpunkt des Rates im Hinblick auf den

    Erlaß der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur

    Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten

    Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vom 14.9.20002;

    �� die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über

    den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen vom 6.7.19983.

    1 Siehe zu diesen Verträgen Schricker/Katzenberger, a.a.O., Vor §§ 120 ff., Rdnr. 50 ff., 84 ff.

    2 ABl. C 344 vom 1.12.2000, S. 1; siehe zu dieser Thematik auch den deutschen Diskussionsentwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 7.7.1998, Kunstrecht und Urheberrecht (KUR) 1999, 157 ff.

    3 ABl. L 213/13; siehe dazu auch den deutschen Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung dieser Richtlinie vom 20.10.2000, Bundesrat, Drucksache 655/00.

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    �� Bereits in Kraft getreten ist das Übereinkommen vom 5.6.1992 über die

    biologische Vielfalt4, das derzeit für 178 Staaten und die Europäische Gemeinschaft

    verbindlich ist5. Dieses Übereinkommen sieht in seinem Art. 15 Abs. 7 Maßnahmen

    dahingehend vor, “die Vorteile, die sich aus der kommerziellen und sonstigen

    Nutzung der genetischen Ressourcen ergeben, mit der Vertragspartei, die diese

    Ressourcen zur Verfügung gestellt hat, ausgewogen und gerecht zu teilen.

    �� Mit der Thematik der Nutzung genetischer Ressourcen verbinden sich

    ähnliche Überlegungen, die in der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO)

    neuestens zum Thema geistiges Eigentum und traditionelles Wissen,

    Innovationen und Kreativität einschließlich Folklore angestellt werden6 und die

    ähnlich wie der Vorteilsausgleich bei genetischen Ressourcen vor allem für die

    Entwicklungsländer neue Perspektiven eröffnen.

    München, 8.12.2000

    (Dr. Paul Katzenberger)

    4 BGBl. 1993 II S. 1742.

    5 Nach www.biodiv.org zum Stand vom 13.11.2000.

    6 Siehe dazu www.wipo.int. Auch im Rahmen des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht, München, befaßt sich zur Zeit eine Projektgruppe mit diesem Fragenkreis (Leitung: Dr. Silke von Lewinski).