Geistiges Leben 2008-6

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    Weihnachten oder die geweihte NachtWeihnachten oder die geweihte Nacht Das ganze Wesen des MenschenDas ganze Wesen des Menschen

    Von der Liebe und Erkenntnis GottesVon der Liebe und Erkenntnis Gottes Der Mystiker Martin LutherDer Mystiker Martin Luther

    Alles in uns schweigeAlles in uns schweige Die Liebe ist das Gesetz GottesDie Liebe ist das Gesetz Gottes

    GebeteGebete -- Leitern zu GottLeitern zu Gott Ein Meister der Kunst und seine JngerEin Meister der Kunst und seine Jnger

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    SPENDENKONTENBaden-Wrttemb. Bank AG Bietigheim-Bissingen

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    IMPRESSUMHerausgeber: Lorber-Gesellschaft e.V.Verwaltungsanschrift: Postfach 114

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    E-Mail-Anschrift: [email protected]: www.Lorber-Gesellschaft.de

    www.andritzquelle.deSchriftleitung: Klaus W. KardelkeRedaktion: Angelika Penkin, Michael Nolten

    INHALT

    Jochen Klepper Die Nacht ist vorgedrungen S. 2Klaus W. Kardelke Editorial S. 3Gottfried Mayerhofer Weihnachten oder die geweihte Nacht S. 5Gerd Kujoth Das ganze Wesen des Menschen (Schluss) S. 10

    Jakob Lorber Von der Liebe und der Erkenntnis Gottes S. 23Jakob Lorber Der Vater als Brutigam S. 24Gerhard Wehr Der Mystiker Martin Luther S. 25Rdiger Maschwitz Alles in uns schweige S. 30Joseph Zapf Meditation als Wandlung S. 36Jakob Lorber Und htte der Liebe nicht S. 37Mikhail Naimy Die Liebe ist das Gesetz Gottes S. 38Marianne Williamson Gebete - Leitern zu Gott S. 42Jakob Lorber Das Gebet des Terhad S. 48

    Weisheitsgeschichten Weihnachten im Himmel S. 50Vati weiss es S. 52Ablenkung S. 52Deine Aufgabe S. 52Verstndnis S. 53Weihnachtlicher Erpresser S. 53

    Jakob Lorber Ein Meister der Kunst und seine Jnger S. 54Verschiedenes S. 56

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    Jahrgang 28 2008 Heft 6

    - Zeitschrift im Geiste christlicher Mystik -

    Da machte sich auch auf Joseph aus Galila, aus derStadt Nazareth, in das jdische Land zur Stadt Davids,

    die da heit Bethlehem, darum dass er von dem Hauseund Geschlechte Davids war, auf dass er sich schtzen

    liee mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die ward schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, da sie gebren sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und

    wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe;

    denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. (Luk 2,4-7)

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    2 GL 6/2008 Die Nacht ist vorgedrungen

    Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern.So sei nun Lob gesungen

    dem hellen Morgenstern. Auch wer zur Nacht geweinet,

    der stimme froh mit ein. Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein.

    Dem alle Engel dienen,wird nun ein Kind und Knecht.Gott selber ist erschienen

    zur Shne fr sein Recht.Wer schuldig ist auf Erden,verhll nicht mehr sein Haupt.

    Er soll errettet werden,wenn er dem Kinde glaubt.

    Die Nacht ist schon im Schwinden, macht euch zum Stalle auf! Ihr sollt das Heil dort finden, das aller Zeiten Lauf von Anfang an verkndet,

    seit eure Schuld geschah. Nun hat sich euch verbndet, den Gott selbst ausersah.

    Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld. Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld. Beglnzt von seinem Lichte, hlt euch kein Dunkel mehr.Von Gottes Angesichte

    kam euch die Rettung her.

    Die Nacht ist vorgedrungen

    Jochen Klepper (1903-1942)

    Gott will im Dunkel wohnenund hat es doch erhellt.

    Als wollte er belohnen, so richtet er die Welt. Der sich den Erdkreis baute, der lsst den Snder nicht.Wer hier dem Sohn vertraute,

    kommt dort aus dem Gericht.

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    EditorialZu keiner Zeit des Jahres werden unsere Gefhle so sehr

    angesprochen wie gerade zur Weihnachtszeit.Wer sich aus dem weltlichen Weihnachtsrubel

    herauszuhalten vermag und auf den eigentlichen wahrenGrund dieses Festes besinnt, wird die Gefhle seinesHerzens neu entdecken.

    In diesen Gefhlen sind uns die Ereignisse und dieBedeutung der Geburt Christi persnlich nahe, dennimGefhle ist's gelegen, was das Leben mag begreifen. - Darum lebe imGefhle. (HiG.2 S.123)

    Durch unsere Gefhle erfahren wir unsere Lebendigkeit und Lebens-energie, unser eigentliches geistiges Wesen, denn die Gefhle sind einAusdruck unserer inneren Natur. Wir Menschen sind vom Schpfer miteinem groen Gefhlsreichtume ausgestattet, den es zu erforschen und zubeherrschen gilt.

    Klein zwar ist das Herz des Menschen, aber desto grer der Horizont seiner Gefhle, so jemand ist in der Kraft des Glaubens aus der reinen Liebe zu Mir,spricht der Herr(HiG.3 S.65,1).

    Im Gefhle unseres Herzens erfahren wir Liebe, die Liebe zu und vonunseren Mitmenschen, die Liebe Gottes zu uns und unsere Liebe zu Ihm.Unsere Gefhle weisen uns den Weg, sie sagen uns, wo wir gerade

    stehen, wohin wir den Fluss unserer Gedanken und unserer Lebensenergiegerade flieen lassen,darum sollen wir aber hauptschlich bei allem auf unsere Gefhle die grte Achtsamkeit verwenden.(HiG.1 S.148,5)

    Unsere Gefhle richten sich nach unseren Gedanken und diesewiederum nach unseren Gefhlen, beide sind eng miteinander verbunden.

    Wenn wir negative Gefhle empfinden, hegen wir auch negative, unor-dentliche Gedanken und beschftigen uns mit Problemen und ngsten,wodurch unsere Lebensenergie sinkt. Andererseits verursachen negativeGefhle auch wiederum negative Gedanken. Kontrollieren wir hingegendie Gedanken und Gefhle und richten sie voll Vertrauen und Dankbarkeitauf das Gute und Schne, auf die Verheiungen Gottes fr unser Leben, sowerden wir auch in unseren Gefhlen wieder Glaube, Hoffnung, Vertrau-en, Freude und Liebe empfinden und so unsere Lebensenergien strken.

    Das Gefhl der Liebe, dem wir in der Weihnachtszeit vermehrtnachspren knnen, ist ein sanftes, zartes und warmes Gefhl in unserenHerzen. Diese Liebesgefhl ist letztendlich die uerung des gttlichenGeistes in uns.

    Editorial

    Klaus W. KardelkeGeschftsfhrender

    Vorsitzender derLorber-Gesellschaft

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    4 GL 6/2008 Editorial

    Geist, der allein lebendige im Menschen, ist pur Liebe und ihr zartestes und ewig wohlwollendstes Gefhl. Wer demnach solche seine Liebe und deren zartestes und ewig wohlwollendstes Gefhl in seine

    eigenliebige Seele stets mehr und mehr aufzunehmen bemht ist und inselben auch stets strker, krftiger, mutiger und gefgiger wird, der befrdert dadurch die volle Einung des Geistes mit der Seele; und wird dann die Seele zu purer Liebe und Weisheit ihrem zartesten und wohl-wollendsten Gefhle nach, so ist solch eine Seele denn auch schonvollends eins mit ihrem Geiste und ist dadurch denn auch im lebendigsten Besitze aller der wunderbaren Lebens- und Seinsfhigkeiten ihresGeistes. (GEJ 8; 150,15)

    Nur in der Liebe und ihrem eigenen Gefhle knnen wir Gott erlebenund uns mit Ihm einen, denn Gott ist die Liebe und wenn dein Herz je voneiner mchtigen Liebe ergriffen wird, so denke: Gott ist in dieser Liebe! (RBl 1;57,11)

    Weiter spricht der Herr: Wer also die Liebe zu Mir erweckt, der erweckt seinen von Mir ihm gegebenen Geist, und da dieser Geist IchSelbst bin und sein muss, weil es auer Mir ewig keinen andern Lebens-geist gibt, so erweckt er dadurch eben Mich Selbst in sich. (GEJ.2.41,05)

    Es gilt also unsere Gefhle der Liebe in unseren Herzen zu erwecken,damit unser kaltes und eigenliebiges Herz durch den Strom der Gefhleaufweicht und aufnahmefhig wird fr den Einstrom des gttlichenGeistes, fr die Eingeburt Christi in unserer Seele.

    Suchet vor allem euer Lebensgefhl nach Meiner Lehre zu bilden und zu strken (GEJ 8;150,14)und erwecket in euch recht lebendig das Gefhlder Liebe, des Mitleids, der Erbarmung und des Wohltuns.(GEJ.10 172,12)

    Mit den Bedrftigen liebend mitfhlen, ihnen helfend beistehen in ihrerNot und ihnen die Frohe Botschaft verkndigen, dies wird unser Gefhl imHerzen in den Himmel erheben und unseren Geist erwecken, der sichsodann mehr und mehr mit der Seele vereinen kann.

    Entdecken wir gerade zum Fest der Liebe unsere Gefhle der Liebewieder, nur diese werden uns ein Zeugnis geben von dem wahren Lebenim Geiste und in der Nachfolge Christi.

    Die Lorber-Gesellschaft dankt allen Freunden und Frderern fr diefreundliche Untersttzung durch Spenden und Gebete in diesem Jahr.

    Wir wnschen euch ein frohes, besinnliches und gefhlvollesWeihnachtsfest und ein gesegnetes und gesundes Neues Jahr.Eure Geschwister der Lorber-Gesellschaft

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    Weihnachten oder die geweihte NachtGottfried Mayerhofer

    Ihr feiert in Kurzem das Geburts- oder Erinnerungs-Fest, an dem Ich begonnen habe, auf eurer Erde fr euchund fr die ganze Geisterwelt den letzten Stein demWeltgebude einzufgen, und so seinen materiellen undgeistigen Fortbestand auf ewig zu sichern; denn vor MeinerDarniederkunft auf diese Erde war noch immer ein groeunbersteigliche Kluft in der Geisterwelt geblieben, welche jedes Weiterschreiten und die Annherung an Michverhinderte.

    Schon bei Erschaffung des ersten Menschen der Erde wurde dieseMeine Annherung ersichtlich, denn dort ward schon beschlossen, dasseben ihr Bewohner dieses kleinen Planeten zu den grten Missionenaufgespart werden solltet.

    Dort und auch in der Folge, so oft Ich auf Erden erschien, war MeinKommen immer nur ein Bedingtes; denn die Menschen, wollten sie sichMir nahen, um Meine Kinder zu werden, mussten selbst das Meiste tun,und auch den andern lebenden Wesen in allen Erden und Sonnen war derWeg zu Mir, wenn nicht abgeschnitten, so doch sehr erschwert. Schon zuAdams Zeiten kam Ich zur Erde, lehrte und fhrte die Menschen; alleinnach dem Sndenfalle des Ersten blieb ihnen und ihren Nachkommen stetseine Lcke, sie konnten sich Mir zwar nhern, sich hher schwingen; aberzu dem, zu was Ich Meine einstigen Kinder erziehen wollte, zu demkonnten sie sich nicht erheben; sie konnten alle groe Geister, aber nieMeine Kinder werden.__ Als nun die Zeit herankam, zu welcher auch

    schon ein Volk bestand, welches einen Glauben und eine Religion besa,die am meisten Meiner fr alle Geister und alle Welten bestimmten Lehreentsprach, da ward auch der letzte und grte Schritt von Meiner Seitegetan; Ich, der Schpfer aller Welt, erniedrigte Mich, so weit es einemGeiste und, was noch mehr, Meinem Geiste mglich war, um das Beispielallen Geistern zu geben, und ihnen auch nebenbei die Grenze zu zeigen,wie weit auch sie gehen mssen, wollen sie Meine Kinder werden.

    Ich erniedrigte Mich, zog das irdische Kleid eines Erdenmenschen an,und machte, als Kind anfangend, das ganze irdische Leben durch, mit allseinen Schickungen, und krnte mit Meinem Tode Mein eigenes Werk derDemtigung und der Darstellung der eigentlichen moralischen Wahrheit,indem Ich allen Geistern in dem ganzen Schpfungsraum zurief:

    Weihnachten oder die geweihte Nacht

    Gottfried Mayerhofer(1807-1877)

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    Wer Mein Kind werden will, muss sich so erniedrigen knnen, wieIch es Selbst getan habe, muss sich selbst so verleugnen und seineLeidenschaften und Begierden so beherrschen knnen, wie Ich es als

    Beispiel nun allen zeigte!Diese letzte Periode, also des ganzen Schpfungsbaues, begann IchSelbst mit Meiner sichtbaren Geburt, und vollendete oder beschlo selbemit Meiner Auferstehung und Rckkehr in Mein Reich.

    Den ersten Teil oder Anfang feiert ihr nchstens wieder, und zwar unterdem Namen Weihnachten. Ja, es war nicht allein fr euch auf dieserkleinen Erde, sondern auch fr alle Geister bis zum grten Seraf undCherub diese Nacht eine geweihte Nacht; denn alle hatten die Augen

    dieser finstern Erde zugewendet, erwartend die Ereignisse, die sich dortabwickeln wrden; denn eine klare Voraussicht des Knftigen hatten sienicht, sie wuten nur, dass Ich, ihr Herr und Schpfer, dort den grtenAkt Meiner Liebe und Gnade vollziehen werde, um ihnen die letztenHindernisse aus dem Wege zu rumen, damit sie sich Mir stets mehr undmehr nhern knnten; denn bis dorthin waren sie eben geblieben, zu wasIch sie zuerst erschaffen hatte.

    Mit Meiner Eingeburt in die menschliche Form war allen andernGeistern der Weg des Fortschrittes gezeigt: Nehmlich nur durch eine ebensolche Eingeburt und durch die Wanderung durch eine menschlicheLebensbahn auf der Erde war und ist es allen mglich, Mir als Kind nherzu kommen. In allen andern Verhltnissen bin Ich den Geistern gegenbernur ihr, obwohl berguter, groer Geist, aber sonst nichts.

    Eine namenlose Ehrfurcht hielt sie alle von Mir fern, und eben geradediejenigen, welche Mir am nchsten standen und Meine Allmacht vonAngesicht zu Angesicht schauen konnten; eben diese begriffen mehr alsalle andern die groe Kluft, die sie von Mir trennte. Cherubim und Serafimwaren wohl um Meinen Thron versammelt, erfllten stumm und ehr-furchtsvoll Meine Befehle; es war berall die grte Verehrung; aber keineLiebe, kein Zutrauen, sondern nur ein Staunen vor Meiner Weisheit undMacht, im Gegensatze zu ihrer vernichtenden Ohnmacht und ihremgebundenen Willen.

    Da trat also der letzte Schritt ein; Ich wollte kein Despot sein, Ichwollte nicht unbedingten Gehorsam, Ich wollte, dass Meine Geschpfeihrem Urheber klar und ohne Scheu ins Angesicht schauen sollten, Ich

    wollte keine Minister und stumme Diener, oder blinde Vollfhrer MeinerWnsche und Gesetze; Ich wollte als ewig liebender Vater nur Kinder!Kinder, die ohne hindernde Furcht und Scheu sich an Meine Brust zuwerfen getrauen, Mir liebend ins Auge blicken lernen, und keine Scheu

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    vor Mir, als unendlichem Wesen, sondern nur Liebe fr Mich als Vaterhaben sollten!__

    Um ihnen diesen Weg zu zeigen, wie man solches erreichen kann, so

    wies Ich ihnen den kleinen finstern Erdball und sagte zu ihnen:Meine lieben Geschpfe! Um euch zu erlsen von dem Zwange, deneuch Meine unendliche Schpfermacht auflegt, sehet, dort auf jenemwinzigen Staubkrnlein, das eine kleine Sonne umkreist, dort will Ich, derGrte in der Schpfung, euch ein Beispiel der Demtigung geben; unter jenen kleinen Geschpfen der kleinen Erde will Ich Mich gebren lassen,will dort alle die Mngel eines unmndigen Kindes, wie Ich selbe dorteingefhrt habe, ertragen; will alle Meine Macht verleugnen durch das

    Knaben- und Jnglingsalter, diese fr euch winzige, jedoch fr Mich dannlange Zeit der Demtigung durchmachen; will als reifer Mann dort MeineLehre fr alle Geschpfe dieser kleinen Erde, sowie fr alle Weltenverknden, und sogar, hret und erstaunet, will Mich wegen eben dieserLehre von einem Volke dieser Erde schmhlich tten lassen, und das alles,damit ihr sehet und begreifet, dass, um wirklich Mein Kind zu werden, ein jeder eben diese Schule durchmachen muss.

    Ein jeder Geist, der auf Meine Kindschaft Anspruch haben will, musssich seiner Macht, seiner Gre, und selbst alles dessen, was er lieb hatund von Mir als eine Gnade empfing, alles dessen muss er im Stande sein,sich zu entuern; er muss, wie Ich, der Herr der Unendlichkeit, es euchSelbst zeigen werde, bis auf das letzte Atom seines geistigen Ichs sich zudemtigen wissen, und nur derjenige, welcher Mir auf diese Art alleszurckgibt, nur der wird Mein Kind werden, und in Meinem Reiche allessein! Dieses ist die Stufenreihe, welche ihr alle gehen msset, ohne sie istkein weiteres Fortschreiten mglich!

    Eben deswegen, wie euch Meine Geschichte erzhlt, der groenBedeutung wegen war bei Meiner Geburt alles stillstehend; Millionen vonEngeln standen dort staunend ber das ihnen nicht denkbare Beispiel, wieIch als unmndiges Knblein, und zwar unter solch armen, ja erbrmlichenVerhltnissen zur Welt kam; selbst die ganze tierische Natur euresErdballs stand still und wute nicht was hier geschah; sie ahnten nur einEreignis von groer Wichtigkeit, ohne begreifen zu knnen, was eswirklich wre.

    Also jene Nacht, wo Ich herunterstieg von Meinem fr alle Wesen

    unerreichbaren Throne, Mich einkleidend in eine winzige geschpflicheForm und den Mitmenschen sichtbar in die Welt trat; diese Nacht war einegeweihte; denn sie war die Nacht, wo Ich Meine Schpfung (durchEinfgung des Schlusteines) einweihte, und ihr die Fesseln lste, welche

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    8 GL 6/2008 Weihnachten oder die geweihte Nacht

    selbe bis dahin gebunden hielt.Feiert sie, Meine Kinder, als eine Nacht, wo soeben der grte Tag die

    Welt erblickte, wo Ich, das Licht des Universums, als Kindlein zu euch

    unmndigen Wesen kam, wo Ich aus Millionen von Welten diesenfinsteren Winkel Meiner groen Schpfung auserkor, um gerade dort, woniemand es je ahnen konnte, den grten Triumph Meiner Macht an MirSelbst vollfhren zu lassen.

    Ihr feiert diese Nacht mit dem Weihnachtsbaume, der mit kleinenLichtern und Geschenken fr die Kinder, d. h. fr die minderschuldigenWesen, behangen ist. Auch als Ich geboren wurde, funkelten Millionenvon Sonnen als Lichter am groen Schpfungsbaume der Unendlichkeit,

    und auch Ich hngte dort fr die unschuldigen, sich noch nicht bewutenGeister des ganzen Universums das Geschenk der geistigen Freiheit auf,welches gem der Individualitt eines jeden Geistes millionenfachverschieden sein konnte.

    Ich lie Mich als Menschenkind in jener Nacht ausgebren, und habedadurch in jener Nacht auch die nahe bevorstehende Geburt oderWiedergeburt eines unermelichen Geisterreiches besiegelt. Ich gab Michin irdische Fesseln gefangen, um alle Meine geistigen Schpfungen vomgeistigen Zwange zu befreien.

    Bedenket also, Meine lieben Kinder, in jener Nacht ward auch Ich einKind, ein unmndiges Kind dem Anscheine nach, und gab Mich ganz denliebenden Sorgen Meiner Leibesmutter hin.

    Mit diesem ersten Akte habe Ich auch euch, die ihr diesen Tag nichtmehr als unmndige Kinder feiert, von den geistigen Fesseln befreit, dieeuch seit dem Falle des ersten Menschen gefangen hielten, und habe euchdie Bahn geffnet, Meine Kinder ganz werden zu knnen; jedoch aber nurunter den nehmlichen Bedingnissen, als Ich Selbst Kind geworden bin, dasheit mit Hintansetzung aller weltlichen Vorteile und Verleugnung allerBegierden und Leidenschaften. Was den Geistern der andern Welten alsErsatz gegeben wurde, als glckliche Zustnde, deren Verzicht mussteauch Hauptbedingung fr euch selbst sein.__

    Bildlich pflanzet ihr eine junge Tanne als Baum in euer Zimmer undbehnget ihn mit Lichtern und Geschenken; auch Ich pflanzte euch einenBaum auf, den Lebensbaum Meiner gttlichen Wahrheiten.

    Das Tannenreis hat statt der Bltter lauter Nadeln oder Spitzen,

    vermittelst deren es das Elektrische im Lichte und in der Luft aufsaugt,und es dann zu seinem Ich verwandelt.Auch Mein Lebensbaum hat lauter saugende Werkzeuge, womit er das

    ganze Geisterreich in sich ziehen und alle lebenden Wesen, ja selbst das

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    materielle Grobe in Geistiges, in sein eigenes Edle verwandeln will.Am Weihnachtsbaume glnzen Hunderte von vielfarbigen Lichtlein

    und hngen Geschenke daran fr die unschuldigen Kinderseelen, die noch

    nicht das Gift der Welt eingesogen, und ihre Wnsche noch nicht berdiesen frommen Gebrauch erhoben haben.Auch an Meinem Lebensbaume, der zugleich auch die ganze

    Schpfung geistig durchdringt und umfat, glnzen Millionen von Sonnen;und vielerlei sind die geistigen Geschenke, die Ich denen vorbehaltenhabe, die auch, wie die Kinder, Meine Freuden den Weltfreuden vorziehenwerden; denn eben hier klingt der Spruch wieder am rechten Platze:

    Wenn ihr nicht werdet, wie die Kinder, so werdet ihr nicht in Mein

    Reich eingehen!Ja, wie die Kinder, welche sich am beleuchteten Baume oder Tannen-reise und seinen Geschenken erfreuen, wie die Kinder, denen an jenemAbend das beleuchtete Zimmer eine Welt, ja ihre ganze Welt ist, so solletauch ihr werden, mit einfltigem, kindlichem Gemte Meine Lehreaufnehmen, an Meinen Geschenken und an Meinen Gaben Ersatz fr allesWeltliche finden; dann wird auch Meine einstmalige Geburt in dergeweihten Nacht den eigentlichen Wert fr euch haben; ihr werdet, alsKindlein erlst, selbst wieder Kinder werden, und zwar Kinder eureshimmlischen Vaters, Der als Menschensohn den Erlsungsakt einstvollbracht, und euch und allen Geistern der ganzen Schpfung den Weg zuSeinem Herzen angebahnt hat!

    Nehmet diese Worte wohl zu Herzen! Der einst an diesem Erinnerungs-Tage, wo ihr es leset, unmndig als Kindlein in der Krippe lag, derNehmliche wird als Mann in Blde wiederkommen, und von euch einehnliche Geburt wie die Seinige, eine Eingeburt ins Geisterreichverlangen! Dort lag Er einst als Kindlein da, und jetzt redet Er als euerVater zu euch, nachdem Er, gerade durch jene Weih-Nacht euch zu SeinenKindern weihte! Amen, Amen, Amen! (aus: Festgarten - Weihnachten)

    Lasst uns nun gehen gen Bethlehemund die Geschichte sehen, die da geschehen ist,

    die uns der HERR kundgetan hat.Und sie kamen eilend und fanden beide,

    Maria und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegen. (Luk 2,15-16)

    Weihnachten oder die geweihte Nacht

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    Das ganze Wesen des Menschen, Geist, Seele und Leib

    Gerd Kujoth

    (Fortsetzung und Schluss)13. Jeder Mensch hat einen Geist aus Gott

    Das eigentliche Gottwesen, sagt Jesus, kannniemand sehen und leben, denn Es ist unendlich und somit auch allgegenwrtig und ist sonach als Reinstgeistigesauch das Innerste eines jeden Dinges und Wesens.(6.GEJ88,3) Somit ist auch in den Steinen, den Pflanzen und denTieren das Reingeistige vorhanden, und deshalb hat auchein jeder Mensch, wenn er geboren wird, einen reinenGeist aus Gott in sich.

    Whrend der drei Tage im Tempel sagte der zwlfjhrige Jesus zueinem unwissenden und dazu noch hochmtigen Oberpriester, der meinte,Geist und Seele seien ein und dasselbe:Zudem aber bist du noch in einer groen Irre, so du meinst, dass Geist und Seele ein und dasselbe sind! DieSeele bei den Menschen ist ein geistiges Produkt aus der Materie, weil inder Materie eben nur ein gerichtetes Geistiges fr die Lse rastet, der reine Geist aber ist niemals gerichtet gewesen, und es hat ein jeder Mensch seinen von Gott ihm zugeteilten Geist, der alles beim werdenden Menschen besorgt, tut und leitet, aber mit der eigentlichen Seele sich erst dann in eins verbindet, so diese aus ihrem eigenen Wollen vollkommen indie erkannte Ordnung Gottes bergegangen und somit vollends reingeistig geworden ist. (DTT 21,19) Der reine Geist, welcher der ewigeLebensgeist im Menschen ist, ist nicht ein Menschengeist, sondern einGottesgeist, ansonst der Mensch kein Ebenma Gottes wre. Er ist das

    Vierte im Menschen.Jesus spricht in diesem und in manchen anderen Texten derOffenbarung durch Lorber von der Seele und vom Geist, hier vom reinenGeist, aber nicht vom gefallenen Menschengeist, der zwischen den beidensteht. Gegenber dem reinen Geist werden in solchen Texten derMenschengeist und die substantielle Seele als Seele zusammengefasst.(5.GEJ 184,4)Es ist also in manchen Texten mit dem Wort Seele nur diesubstantielle Seele und in anderen Texten die substantielle Seele

    zusammen mit dem Menschengeist gemeint. Es muss jeweils aus demZusammenhang heraus erkannt werden, was gemeint ist.Der Menschengeist, welcher eigentlich der dritte Mensch ist, wird von

    Jesus hierbei nicht speziell erwhnt, weil er in der Seele mit

    Das ganze Wesen des Menschen

    Gerd KujothSchweizer Kenner desLorberwerks

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    eingeschlossen ist, denn beide sind ein geistiges Produkt aus der Materie.(DTT 21,19)Der reine, jenseitige Geist, welcher eigentlich der vierte ist, rcktdann in diesem Zusammenhang an die dritte Stelle.

    14. Was ist der reine, jenseitige Lichtgeist?Was ist denn der Geist?, fragt Johannes in der geistigen Sonne und

    gibt als Antwort: Der Geist ist das eigentliche Lebensprinzip der Seele. (2.GS 79,12)Der reine Geist ist das Innerste eines jeden Dinges oderGeschpfes. Er ist der essentielle Geist, weil er die innewohnende Kraftund das Grundwesen eines jeden wie immer gearteten Daseins ist. Derreine, jenseitige Geist heit reiner Geist, weil er nicht fallen kann und rein

    bleibt im Menschen,(4.GEJ 35,4)

    auch wenn Seele und Menschengeist erneutfallen. Der reine Geist kann nicht fallen, weil er kein Menschengeist ist,der frei wollen kann, sondern ein Gottesgeist, der nur innerhalb dergttlichen Ordnung handeln kann. Er heit auch jenseitiger Geist, weil erals ein reiner Geist unabhngig von Zeit und Raum ist.(2.GEJ 141,8) Derreine Geist ist der Erwecker, Fortfhrer, Bildner und Erhalter der Seelen inder Naturseelenentwicklung bis zur Menschenseele,(10.GEJ 184,5) womitauch der Menschengeist gemeint ist und bewirkt den Bau und diezeitweilige Erhaltung des Fleischleibes.(7.GEJ 69,5)

    Jesus erklrt im Groen Evangelium was der reine Geist ist und sagt:Der reine Geist ist ein Gedanke Gottes, hervorgehend aus Seiner Liebeund Weisheit, und wird zum wahren Sein durch den Willen Gottes. Daaber Gott in Sich ist ein Feuer aus Seiner Liebe und Weisheit, so ist dasgleiche auch der in ein eigenes Sein realisierte und gewisserart aus Gott getretene Gedanke. Wie aber das Feuer eine Kraft ist, so ist dann solch einGedanke aus Gott auch eine Kraft in sich, ist seiner selbst bewusst und kann fr sich wirken in eben jener Klarheit, aus der er hervorgegangenist. (7.GEJ 66,6)Der reine Geist oder der ewige Lebensgeist in der Seele istganz identisch mit dem Lebensther und ist ein kondensierter Brennpunktdieses allgemeinen Lebensthers(4.GEJ 256,2)oder des Geistfeuers, das dieganze Unendlichkeit erfllt.(7.GEJ 72,9) Jeder einzelne reine Geist besitztseine eigene Individualitt,(4.GEJ 256,4)ist sich seiner selbst bewusst und istdas jenseitige Alter Ego,(5.GEJ 232,11) welches das zweite Ich oder dashhere Selbst im Menschen ist.

    Jesus sagt: Der Geist ist in sich zwar keine Form, aber er ist eben

    dasjenige Wesen, das die Formen schafft; und erst, wenn die Formengeschaffen sind, kann er in eben diesen geschaffenen Formen selbst alsForm wirkend auftreten, was ebensoviel sagen will als: Jede Kraft, wennsie sich als solche beurkunden soll, muss sich eine Gegenkraft stellen; erst

    Das ganze Wesen des Menschen

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    zufolge dieses geschaffenen Sttzpunktes kann die Kraft ihre Wirkungenuern und zur Erscheinlichkeit bringen. Der Geist ist demnach gleichdem Lichte, welches in sich selbst zwar ewig Licht bleibt, aber als Licht so

    lange nicht bemerkbar auftreten kann, solange es keine Gegenstnde gibt,die es erleuchtete. (Er. 52,9-11)Das Licht hat keine Form und ist unsichtbar.Erst wenn es auf die Form eines Gegenstandes trifft, wird es sichtbar underleuchtet die Form. So hat auch der reine Geist keine Form und istunsichtbar. Aber er hat die Form des Fleisches und der Seele als eineGegenkraft zu seinem Sein geschaffen und tritt in dieser Form als eineLichtgestalt in gleicher Form auf.

    Jesus erweckt im Zorel durch die magnetische Behandlung des Zinka

    den reinen, jenseitigen Geist. Dieser hatte zuvor in seiner Seele noch nieeine wie immer geartete Strkung erhalten. Er lag so im Herzen der Seelewie das Ei im Weibe ohne eine mnnliche Erweckung. Doch nun fngt erals ein innerster Lichtmensch aus dem Herzen der Seele an aufzukeimen.(4.GEJ 54,8)Zorel spricht:In mir wird es nun sonderbar helle, und ich fangean wahrzunehmen, als finge in meinem Herzen etwas an, sich zu regen;und das, was sich regt, ist ein Licht, und das Licht hat eine Form im Herzen wie die eines Embryos im Mutterleibe. Es ist ganz rein, ich sehees. Es wird aber stets grer und mchtiger nun! Ah, was das doch fr einherrliches und vllig reinstes Licht ist! Das ist sicher die eigentliche Lebensflamme aus Gott im wahren Herzen des Menschen! Ja, ja, das ist es! Es wchst nun in einem fort, und ach, wie wohl tut mir das! (4GEJ 52,12)

    Ah, mein inneres Lebenslicht wird nun aber schon ungeheuer stark; esdurchdringt nun schon alle meine Eingeweide! Oh, wie wohl doch tut dieses Licht meinem ganzen Wesen! Aber ich sehe es nun in der Gestalt eines vierjhrigen Kindes von ungemein freundlichem Aussehen! Und sehr weise muss es sein; denn es sieht aus wie ein reinst gedachter kleiner Gott,aber nicht wie ein Phantasiegott der gypter, Griechen und Rmer,sondern wie ein wundersames Abbild des wahren Gottes der Juden! Es ist ein Abbild der wahren Gottheit! (4.GEJ 52,12)Zorel sieht, wie sein reiner, jenseitiger Geist oder Lichtgeist in ihm wchst, bis zu seiner vollenMannesgre. (4.GEJ 53,10) Er beschreibt ihn als ein Abbild der wahrenGottheit, und er ist ja auch der reine Lichtgeist aus Gott. Zorel sagt abernicht, dass er Jesu Antlitz htte, denn der reine Geist besitzt dasselbeAntlitz wie die Seele und der Fleischleib.(4.GEJ 256,4)

    15. Wo kommt der reine, jenseitige Lichtgeist her?Das Reingeistige ist das Innerste eines jeden Dinges und Wesens(6.GEJ

    88,3), also auch eines jeden einzelnen Spezifikums.(Er. 44,13)Der reine Geist

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    ist nie gerichtet gewesen, aber er ist es eben, der den gefallenen Geist undalle seine zerstreuten materiellen Intelligenzpartikel gefangen hlt, dennalle Materie ist ein geistig-materieller und materiell-geistiger Konflikt,(Fl.10,3) der innerhalb der Atome stattfindet (PH 53,16) und wodurch dasmaterielle Atom erst entstanden ist. Mit gttlicher Beharrlichkeit hlt dasReingeistige das gefallene Geistige und Seelische gefangen,(Er. 41,10) unddiese Gefangenschaft ist das materielle Atom.

    Jeder eigentliche (materielle)Urstoff ist gebundenes Geistiges,sagtder himmlische Vater,und wie es irgend frei wird, wird es in seiner Art auch ttig und bildet sich seine Form und seine Beschaffenheit mit steter Ein- und Beiwirkung eines entsprechenden jenseitigen Geistes.(3.Hi.S.386,24)

    Alles Materielle ist nichts anderes als der beharrliche Wille desreinen Geistes, die gefallenen Naturgeister gefangen zu halten, gibt sieaber nach und nach frei und gestaltet sie in einen ihm hnlichensubstantiell-seelischen Leib um. Das geschieht in einer krzeren oderlngeren Zeit, denn wenn in einer Seelensubstanz der freie Wille erwachtist, kann sie sich der lebendigen Ordnung des Geistes fgen oder ihrwiderstreben.(7.GEJ 74,4)

    In jedes Samenkorn, z. B. eines Baumes, wird in das Keimhlschen ausGottes Barmliebe durch die Gnadenwrme und das Licht der Sonne einauerordentlich kleines Lebensfnkchen eingehaucht.(1.Hi.S.64,12) DasReingeistige ruht verborgen im Samenkorn und ist ein wirkliches Etwas.(7.GEJ 73,9) Das Sonnenlicht ist nichts anderes als zahllose belebendeLiebeteilchen, aus Gott strmend, um den toten Geistern auf jene Artwieder Leben zu bringen.(1.Hi. S. 110,7)In einer Pflanze vereinigen sich mehrund mehr die negativen oder gefallenen mit den positiven oder reinenGeistern. Die Naturgeister, die sich mit dem Lebensfnkchen vereinigthaben, werden nach der Vollreife der Frucht therisch frei und in einehhere, intelligentere Wesenheit einer Tierseele gefhrt. Viele solcherVereinigungen bilden dann zunchst eine niedere Tierseele und so geht dasfort bis zur Menschenseele.(1.Hi. S. 65,17-19) Die vollstndige Einung derspezial-seelischen Intelligenzen mit ihrem jenseitigen Lichtgeiste geht abererst im Menschen vor sich.(3.Hi. S. 387,27-28)

    Siehe, da taucht Reingeistiges sogar in der organischen Materie auf,sagt Raphael, denndieses in dem angezeigten Hlschen eingeschlossene Reingeistige ist ein mit Liebe, Licht und Willenskraft erfllter Gedanke

    Gottes. (7.GEJ 73,9)Anders gesagt ist der Geist das Licht, welches sich ausseiner eigenen Wrme von Ewigkeiten zu Ewigkeiten erzeugt, und istgleich der Wrme die Liebe und gleich dem Lichte die Weisheit.(Er. 52,14)Formen knnen getrennt und zahllosartig zu neuen Formen wieder

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    zusammengesetzt werden, das Licht oder der reine Geist aber kann nichtgetrennt werden er ist nicht teilbar.(Er. 52,19)

    Hier stellt sich die Frage: Wenn das Licht und damit der reine Geist

    nicht getrennt werden kann, wieso taucht der reine Geist als kleinsteLichtfnkchen in zahllosen Samenkrnern auf und vereinigt sich dann mitden ebenso zahllosen Seelenintelligenzen zu einem immer hherenWesen? Weil alles Reingeistige auer Zeit und Raum enthalten ist.(6.GEJ30,9)

    Jesus sagte, als Er die Vereinigung dreier Tierseelen zu einerNaturseele erklrte: Hinter dieser Seelenerscheinung siehst du eine Lichtgestalt; das ist schon dieser Seele jenseitiger Geist, der dafr Sorgetragen wird, dass diese gegenwrtig noch Naturseele bei der aller-nchsten Gelegenheit in einem Mutterleibe versorgt wird.(10.GEJ 185,4)

    Bei der Ausgeburt des Leibes aus dem Mutterleibe wird der ewige Lebenskeim als ein Fnklein des reinsten Gottesgeistes in das Herz der Seele gelegt. (2.GEJ 217,5)Der reine Lichtgeist wird fast zur selben Zeit, nurwenig spter als der Menschengeist, ungefhr zwischen drei Tagen vor undbis zur Geburt in ein Blschen in das Herz des Menschengeistes und damitauch in das Herz der Seele eingelegt.(Er. 51,7) Whrend der Menschengeistdurch den reinen Lichtgeist eingelegt wird, wird dieser durch einenEngelsgeist eingelegt. Das Blschen, in das der Menschengeist eingelegtwird, besteht aus der allerfeinsten, aber dennoch solidesten Substanz derSeele, der reine Lichtgeist aber wird in ein Blschen gelegt, das aus einersiebenfachen geistigen Umhlsung gebildet ist.(Er. 51,5) Alles aber wird davon abhngen, sagt Jesus,dass die Seele sich durch die Demut ber die Befreiung ihres Geistes hergemacht hat. Hat sie diesen frei gemacht,dann wird auch sie frei von allem durch ihn; hat sie aber das nicht, sowird sie selbst gefangen bleiben so lange, bis der Geist seine siebenfache

    Umhllung verloren hat und darnach eins geworden ist mit der Seele.(Er.51,16)Das Licht des Geistes durchdringt alles ohne Unterbrechung, was frsLicht aufnahmefhig ist; was aber frs Licht nicht aufnahmefhig ist, dasbleibt in sich finster und tot, denn ein lichtloser Zustand der Seele ist ihrTod. (Er. 52,19)

    16. Der reine, jenseitige Lichtgeist bleibt reinJede Seele aber, sagt Jesus, ob in sich noch so schwach,

    ohnmchtig, zertragen und verdorben, hat in sich den Urlebenskeim, der nimmerdar verdorben werden kann. (4.GEJ 35,4) Das heit: Wenn diesubstantielle Seele und der Menschengeist, die hier zusammen als Seelebezeichnet werden, sich mehr und mehr dem Wesen des Satans nhern

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    knnen und so zu einem Teufel werden, so bleibt der jenseitige Lichtgeistrein, da er eins mit dem Allgeist ist, der die Unendlichkeit erfllt. (4.GEJ256,2-4)Dieser Geist ist das Entgegengesetzte des Satansgeistes.(Er. 58,10)

    Jesus sagt: Will sich so eine Seele dem Satan nhern, dann tritt einsolcher Geist in ihr selbst als Richter, Rcher und Strafer auf und peinigt die Seele als ein unerlschliches Feuer von innen aus.(Er. 58,11) Der reineLichtgeist ist das Gewissen im Menschen.(9.GEJ 80,5) Folgt ein Menschseinem Gewissen, so gelangt er zur Seligkeit, folgt er ihm nicht, so peinigtihn sein reiner Geist und diese Pein (die sich zunchst als Gewissensbissebemerkbar machen und sich dann bis zur hchsten Qual steigern knnen)wird um so strker, je mehr er sich von der Ordnung Gottes entfernt.

    Denn das ist der Unterschied zwischen der Seligkeit und zwischen der Verdammnis, sagt Jesus, In der Seligkeit geht die Seele (Seele undMenschengeist)ganz in den (reinen)Geist ber, und der Geist ist dann daseigentliche Wesen; in der Verdammnis will die Seele den Geist ausstoenund einen anderen, nmlich den des Satans, annehmen. In diesem Fallewird sie das Unhnlichste dem Geiste, daher der Geist in ihr dievollkommen entgegengesetzteste Polaritt ist. Als solche bt er dann jeneGegenkraft aus, welche von dem Satan fortwhrend allergewaltigst abstt; je nher eine Seele dem Wesen des Satans kommt, desto heftiger ist die Reaktion des Geistes in ihr gegen den Satansgeist. Diese Reaktionaber ist fr die Seele die allerschmerzlichste Empfindung, und daher datiert sich auch das Leiden und die Pein der Hlle, wie sich auch ebendiese Reaktion als das unerlschliche Feuer in der Erscheinlichkeit kundgibt. Und das ist eben auch der Wurm in der Seele, der nicht stirbt,und dessen Feuer nicht erlischt; und es ist dann ein und dasselbe Feuer,welches im Engel die hchste Seligkeit und im Teufel die hchsteUnglckseligkeit gebiert.(Er. 58,12)

    Ein gewordener Teufel kann seinen reinen Lichtgeist solange nichtloswerden, bis die substantielle Seele und der Menschengeist wieder ineinzelne Partikel aufgelst worden sind. Das tritt dann ein, wenn solch einTeufel auf den Grund der dritten Hlle angekommen ist. Das hat er sichselbst zuzuschreiben, denn dann ist sein Zorn und damit sein Hochmut undseine Herrschsucht so gro geworden, dass sie sein eigenes Wesenauflsen, denn der Hochmut zerstreut, aber die Demut sammelt. Dannmuss er nochmals die Naturseelenentwicklung durch das Mineral-,

    Pflanzen- und Tierreich durchlaufen.(2.Hi S. 445,6-8)Jesus sagt:Wohl ist die Materie (Mit Materie ist hier die substantielle Seele und derMenschengeist gemeint, die aus der Materie stammen.) ja bestimmt,erweckt zu werden durch die Kraft eines jenseitigen, reinen Geistes zur

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    Auferstehung aus den langen Gerichten; aber dann muss die Materie nachder ihr wohl eingeprgten freien Intelligenz bergehen in die rechte Formund Wesenheit ihres jenseitigen Geistes, der ein Licht ist aus Gott.

    Geschieht das von der Materie nicht, so kehrt der jenseitige Geist in seinenUrquell zurck, und die fr immer belebt werden sollende Materie fllt abermals in ihr altes Gericht und wird im selben lange zu harren haben,bis etwa einmal abermals ein jenseitiger Geist sie erwecken wird zu einer neuen Lebensprobe. (5.GEJ 171,8)

    Die Urindividualitt einer Seele, d.h. die individuelle Zusammen-setzung ihrer Eigenschaften, bleibt ihr auf ewig erhalten. Nur wenn eineSeele ganz homogen mit dem Satansgeist geworden ist, geht sie ihrer

    Urindividualitt verlustig. Dann lst sich die Seele, die mit groer Mhewieder zusammengefgt worden war, auf und der reine Lichtgeist kehrtdann in seinen Urquell zurck. Daraus folgt: Wenn die Seele nach derNaturseelenentwicklung die gleiche Zusammensetzung hat wie vor demGeisterfall, und sie der reine Lichtgeist in der Naturseelenentwicklungnach seinen Eigenschaften gestaltet, mit seiner Gestalt und seinem Antlitz,so war der reine Geist schon seit der ersten Erschaffung in ihr und hat siedurch den Fall begleitet, hat sie gefangen gehalten, zu rechter Zeit wiederfreigelassen und ihr wieder die ursprngliche Gestaltung gegeben.

    Wenn eine Seele ganz materiell geworden ist, lst sie sich auf und musserneut die Naturseelenentwicklung durchlaufen. Der reine, jenseitigeLichtgeist kehrt dann, nach der Auflsung der Seele, in seinen Urquellzurck und ein anderer, neuer Lichtgeist formt aus einem Teil dieserSeelenatome zusammen mit anderen eine neue Seele nach seinem Wesen.Die ursprngliche Seele hat damit ihre Urindividualitt und damit ihreGotteskindschaft verloren, kann aber noch die geschpfliche Seligkeiterreichen. (2.RB 294,4-7) Sie erinnert sich dann nicht mehr an ihrursprngliches Wesen, weil sie ein anderes Geschpf geworden ist.

    17. Der reine Funke der VaterliebeWas wir bisher betrachtet haben, war die Struktur eines Menschen bis

    zu Jesu Menschwerdung und ist auch heute noch die Struktur einesNichtchristen. Seit Jesu Erdenleben bekommen alle echten Christen, die andie Gttlichkeit Jesu und an Seine Lehre glauben, einen neuen Geist. Jesussagt: Damit eine jede Seele ein vollkommenes gttliches Ebenma

    bekomme, wird einer jeden Seele ein neuer Geist aus Gott eingepflanzt,und sie dadurch eine neue Kreatur werden. (Er. 54,9) Die Einlegung diesesneuen Geistes ist die Eingeburt, wobei ein reiner Funke der Liebe in dasHerz des Geistes und damit auch in die Seele gelegt wird. Jesus sagt:

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    Wird nun aber gegeben dem Geiste eine gute Kost, welche ist Meingeoffenbarter Wille und die Vermittlung durch die Werke der Erlsung oder Meine Liebe im Vollbestande durch den lebendigen Glauben, so wird

    in dem Herzen des Geistes ein neues geistiges Blschen gestaltet, inwelchem ein reiner Funke Meiner Liebe eingeschlossen wird. Und wie es frher ging bei der Zeugung der Seele und aus derselben der des Geistes,ebenso geht es auch mit dieser neuen Zeugung des Heiligtums. Wird es nunvollends reif, dann zerreit diese heilige Liebe die lockeren Bande desGefes und strmt dann wie das Blut des Leibes oder wie die feinstenSubstanzen der Seele oder wie die Liebe des Geistes in alle Organe desGeistes ber, welcher Zustand dann die Neugeburt genannt wird, so wie

    der der Einlegung dieses Lebensblschens genannt wird dieEingeburt. (3.Hi. S.13,12)Was ist nun der Unterschied zwischen dem reinen Lichtgeist und dem

    reinen Liebegeist? Der reine Lichtgeist ist nur ein kondensierterBrennpunkt des Allgeistes,(4.GEJ 256,2)aber der reine Funke der Liebe ist einGeist aus dem Gotteszentrum und ist, wenn er in die Seele bergegangenist, der Gott im Menschen,(3.Hi. S. 14,14)demzufolge wir erst volle Gottes-kinder werden knnen.

    Aus welchem Grund bekommen wir Christen einen neuen Geist, obwohlalle Erdenmenschen bereits seit der Geburt einen reinen, ungefallenen Geistaus Gott haben? Jesus sagt:Darum bin Ich gekommen in die Welt, umeuch zu zeigen die rechte Umkehr zu Meiner Ordnung zurck und denrechten Weg, fortzuwandeln in derselben bis zur Erreichung der wahrenWiedergeburt des Geistes in die Seele, nach der kein bser Rckfall mehr denkbar und mglich ist.

    Dieses muss bei euch nun angebahnt werden, da denen, die einmalverkehrt worden sind, mit der alleinigen geflickten Umkehr der Seele weniggeholfen wre. Die Seele muss zwar vorher ganz umkehren, bevor dieWiedergeburt des Geistes in die Seele zu erlangen ist; aber der ausgestopfte und ausgeflickte, also auf den rechten Weg gebrachte bessereSeelenzustand ist nicht haltbar, weil durch die Macht der Welt und ihre zeitlichen Vorteile eine pur ausgeflickte Seele nur zu leicht bei der nchsten, etwas strker lockenden Gelegenheit wieder in ihre alt angewohnte Verkehrtheit verfllt. (4.GEJ 220,6-7)Wenn sich die Seele undder Menschengeist bessern und zur Gottesordnung zurckkehren, so ist

    dieser bessere Seelenzustand bei so manchen Menschen und Geistern dochnicht auf Dauer haltbar. Nur zu leicht hlt der Stopfen nicht und das schonangesammelte Lebenswasser fliet wieder aus der Seele heraus. Erst mitder vollen Wiedergeburt des neuen Liebegeistes in die Seele ist kein

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    Rckfall mehr mglich.Jesus sagt: Um das (den Rckfall)aber mglichst zu verhten, habe

    Ich nun den neuen Weg also angebahnt, dass Mein Geist, den Ich nun als

    einen Funken Meiner Vaterliebe in das Herz einer jeden Seele lege und gelegt habe, durch eure Liebe zu Mir, und daraus wahrhaft und ttig zum Nchsten, genhrt werde, in eurer Seele wachse und nach Erreichung der rechten Gre und Kraft sich vllig mit der gebesserten Seele vereine und eins werde mit ihr, welcher Akt dann die Wiedergeburt des Geistesheien soll und auch heien wird.

    Wer diese erreicht hat, der steht dann freilich ums unvergleichbarehher als eine fr sich allein noch so vollkommene Seele, die zwar auch

    vieles vermag, aber dessen ungeachtet dennoch ewig nicht alles, was demvllig Wiedergeborenen vorbehalten ist. Dieser Funke Meiner Liebe aber wird in das Herz einer Menschenseele

    erst dann gelegt in der Flle, wenn ein Mensch Mein Wort vernommen und es in seinem Gemte glubig und mit aller Liebe zur Wahrheit angenommen hat; solange dies nicht der Fall ist, kann kein noch so seelen-vollkommener Mensch zur Wiedergeburt des Geistes gelangen. Denn ohne Mein Wort, das Ich nun zu euch rede, kommt der Funke Meiner Liebe nicht in das Herz eurer Seele, und wo er nicht ist, kann er auch nicht wachsenund gedeihen in einer Seele und somit in derselben auch nicht wiedergeboren werden. (4.GEJ 220,8-10) Jesus sagte, dass auf dieser Erdeeiner jeden Seele ein neuer Geist aus Gott, der Funke der Vaterliebe,eingepflanzt wird, aber eine jede Seele bekommt ihn erst dann, wenn siean Jesus und Sein Wort glaubt. Das kann auch erst im Jenseits der Fallsein. (11.GEJ 52,8-13) Durch den Glauben an Jesus wird der Funke derVaterliebe eingelegt, aber erst durch die Liebe zu Jesus und zum Nchstenfngt dieser Funke an zu wachsen.

    In der Folge aber werden auch die Kindlein, so sie auf Mein Wort und auf Meinen Namen gezeichnet und getauft werden, den Geistesfunken Meiner Liebe ins Herz ihrer Seele gelegt bekommen; aber dieser wird dennoch nicht wachsen bei einer verkehrten Erziehung, wohl aber beieiner Erziehung nach Meiner euch allen nun berklar gezeigten Ordnung,nach der vor allem das Gemt, und von dem aus erst entsprechend der Verstand, gebildet werden soll. Das Gemt aber wird gebildet durch diewahre Liebe und durch Sanftmut und Geduld.(4.GEJ 220,11) Bereits die

    Kindlein, wenn sie durch einen lebendig glaubenden Christen getauftwerden, bekommen den neuen Geistfunken der Vaterliebe ins Herz gelegt.Er fngt aber erst dann an zu wachsen, wenn sie in spteren Jahren JesuWort in die Tat umsetzen.

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    Den Geist aber, sagt Raphael, und noch mehr die eigenste Liebesflamme aus dem Gottesherzen, der zufolge ihr erst so eigentlich zuwahren Gotteskindern werdet, bekommet ihr Menschen dieser Erde eben

    jetzt erst und seid demzufolge unaussprechbar ber uns hinaus bevorzugt,und wir werden euren Weg zu wandeln haben, um euch gleich zuwerden. (3.GEJ 180,4)Das heit: Durch die Einlegung des Geistfunkens derLiebe und noch mehr durch die eigenste Liebesflamme aus demGottesherzen, welche Flamme die Taufe aus den Himmeln ist, werden wirMenschen erst zu wahren und vollen Gotteskindern. Die Eingeburt desGeistfunkens der Vaterliebe ist erst seit Jesu Erdenleben mglich. Allen,die damals Sein Wort gehrt und an Ihn geglaubt hatten und Ihm ernsthaft

    gefolgt sind, bekamen durch ihre Liebe zu Jesus bereits den neuen Funkender Vaterliebe in ihre Herzen gelegt.(4.GEJ 220,8)Cyrenius war ein Erstlingder Liebe Jesu, der diesen Funken bereits schon eingelegt bekam, als Jesusnoch ein kleines Kind war.(JJ 189,17-22) An Pfingsten wurden die Jngerdann mit dem Geist der Wahrheit erfllt, welcher die Taufe aus denHimmeln ist. Diese Taufe aus den Himmeln ist nicht die Einlegung desLiebefunkens, sondern die Vereinigung des Liebegeistes mit der Seele unddamit die volle Wiedergeburt. (6.GEJ 142,8)

    18. Der Brennpunkt des gttlichen WesensOalim, der zur Zeit der Urvter der Erde lebte, schaute in einer Vision

    wie sein Leib durchsichtig wurde und in ihm drei Herzen ineinandersteckten, genauso wie innerhalb einer stacheligen Kastanienschale dreiKerne ineinander stecken, und zwar zuerst der braune Schalenkern, indiesem der Fleischkern und darin erst der kleine Keimkern. Bald darauf zersprang das uere Herz, welches sein Fleischherz war, lste sich ab undfiel in eine endlose Tiefe, wo es vernichtet wurde. Das inwendigere,substantielle Seelenherz, aber blieb und erweiterte sich bestndig, darumes das innerste, berstark leuchtende Keimherz also ntigte, dieweil diesesselbst fort und fort wuchs und also auch stets grer wurde.

    Anfangs sah das Keimherz nur so aus, als wre es ein Herz. Als es dannaber stets grer und grer wurde, da nahm das Keimherz immer mehreine menschliche Gestalt an und Oalim erkannte sich bald selbst in demneuen Menschen. Das war der reine, jenseitige Lichtgeist, der Oalimseigene Gestalt hatte. Bald entdeckte er, dass dieser neue Mensch auch noch

    ein Herz hatte, und dieses leuchtete noch strker als die tausendfacheLeuchtkraft der Sonne. In der Mitte dieses Sonnenherzens ersah er einkleines, lebendiges Abbild des heiligen Vaters. Das ffnete alsbald denMund und sprach zu Oalim:Richte empor nun deine Augen, und du wirst

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    bald gewahr werden, woher und wie Ich in dir nun lebendig wohne! Oalim richtete alsbald seine Augen aufwrts und erschaute in einerendlosen Tiefe der Tiefen der Unendlichkeit ebenfalls eine unermelich

    groe Sonne und in der Mitte dieser Sonne aber dann den heiligen Vater.Das war das Gotteszentrum. Vom heiligen Vater aus aber gingen endlosviele berlichte Strahlen, und einer dieser Strahlen fiel in das Sonnenherzdes neuen Menschen und bildete dort das Abbild des Vaters.(2.HG 72,11-25)

    Wir sehen hier die dreifache Struktur des Menschen vor JesuErdenleben. Ab Jesu Erdenleben kam noch wie wir schon gesehen haben der Liebegeist hinzu. Der braune Schalenkern entsprach dem Fleisch-herzen, der Fleischkern dem Seelenherzen und der Keimkern dem reinen

    Lichtgeist mit dem Sonnenherzen. Oalim sprach von drei Herzen, aber inWirklichkeit waren es vier, denn das Menschengeistherz zhlte er nichtmit, weil auch er dieses mit zur Seele zhlte. Das Keimherz sah wohl wieein Herz aus, aber in Wirklichkeit war es kein Herz, sondern ein Keim, ausdem der reine Lichtgeist wuchs, in dem sich dann das Sonnenherz befand.Nun sah er aber in dem Sonnenherzen noch etwas, und das besa nichtmehr seine Gestalt, sondern die Gestalt des heiligen Vaters. Hier sehen wirden Unterschied zwischen dem menschlichen und dem gttlichen Wesen.Alle vier Krper, vom Fleischkrper bis zum Lichtgeist, hatten die Gestaltund das Antlitz des Menschen, hier des Oalim, aber das gttliche Wesenim Brennpunkt war das Abbild des himmlischen Vaters. Diesesvollkommene Ebenbild des Gotteszentrums ist Sein Odem oder daseigentliche Leben in einem jeglichen Menschen.(1.HG 185,19)

    Wie kommt nun das Abbild des himmlischen Vaters zustande? DerGeist im Menschen, der aus Gott ist, bildet einen Hohlspiegel. Dieser fngtdie Strahlen der geistigen Sonne auf und konzentriert sie im Brennpunktim Sonnenherzen. Da in der geistigen Sonne der himmlische Vater wohnt,so konzentriert sich im Brennpunkt Seine Gestalt mit Seinem Antlitz.Johannes spricht: Ihr wisset, dass der Geist des Menschen ein voll-kommenes lebendiges Abbild des Herrn ist und hat in sich den Funkenoder Brennpunkt des gttlichen Wesens.(2.GS 10,14)

    So gleicht auch des Menschen Seele und Geist Hohlspiegeln, derenSpiegelflche um so feiner poliert ist, je mehr er in der geistigenWiedergeburt fortgeschritten ist. Damit sich das Leben, das vomGotteszentrum wie die Strahlen der Sonne ausgestrahlt wird, nicht in der

    Unendlichkeit verliert, sind die geschaffenen Geister als Lebens-sammelpunkte in den Raum gestellt, damit sie das Gottesleben imHohlspiegel ihres Herzens auffangen,(Fl. 7,7)im Brennpunkt konzentrierenund dem Gotteszentrum verstrkt zurckgeben.(Fl. 7,23)

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    19. Die LebensvollendungWenn ein Mensch geboren wird, so hat er zwei Geistfunken in sich, die

    in Blschen eingeschlossen sind. Der eine ist der noch geistig tote

    Menschengeist im Herzen der substantiellen Seele und der andere derreine, jenseitige Lichtgeist im Herzen des Menschengeistes. Glaubt einMensch ernsthaft an Jesus als Gott und an Seine Lehre, so wird in demHerzen des reinen Lichtgeistes ein weiteres Blschen gebildet, in welchesein reiner Funke der Vaterliebe eingelegt wird.

    Wenn nicht inzwischen der Menschengeist sein Blschen zersprengthat, so sind in dem Menschen drei unterschiedliche Geistfunken in dreiverschiedenen Blschen eingeschlossen, die es aus ihren Gefngnissen zu

    befreien gilt. Sie mssen zu wachsen anfangen, indem sie mit geistigerKost genhrt werden, welche das Wort Gottes und das Handeln danach ist,damit sie bis zur vollen Gre des Leibes wachsen, ineinander bergehenund eins werden knnen.

    Jesus sagt: Obschon aber ein im Geiste vollends wiedergeborener Mensch ganz nur ein vollkommener Mensch ist, so besteht seine Wesenheit aber dennoch ewigfort in einer in sich wohl unterscheidbaren Dreiheit. (8.GEJ 24) Die Dreiheit unseres Wesens bleibt ewig bestehen.Auch wenn die Seele vergeistigt und in den Menschengeist bergegangenist, so unterscheidet sie sich aber dennoch von diesem, denn dievergeistigte Seele bleibt fr ewig der Leib des Geistes. Auch derMenschengeist, wenn er in den vollstndigen jenseitigen Geist aus Gottbergegangen ist, unterscheidet sich weiterhin von ihm, denn er istderjenige, welcher nach auen hin spricht und handelt, whrend der reineLicht- und Liebegeist uns innerlich sagt, was Gottes Wille ist.

    So besteht ein vollkommener Geist aus der vergeistigten Seele als derAuenform, dem Menschengeist als dem Inhalt und dem vollstndigen jenseitigen Geist aus Gott (Licht- und Liebegeist) als der Kraft. Das Vierteist dann der Brennpunkt im Geiste, der das gttliche Wesen Jesu ist unddeshalb nicht mehr zum eigenen Wesen des vollkommenen Geistes gehrt,sondern das ist der Gott im geschaffenen Wesen. So sind wir in Gott undGott in uns und dann beginnt eigentlich erst das wahre Leben in derSeligkeit, das ewig kein Ende nehmen wird.

    Bleibet in mir und ich in euch.

    Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viele Frucht, denn ohne mich knnt ihr nichts tun.

    (Joh. 15,4-5)

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    Von der Liebe und Erkenntnis Gottes Die Liebe zum Herrn aber ist das Grte. Solange dein Herz mit der

    Liebe zu Gott erfllt sein wird, so lange auch wirst du und deineNachkommen vllig unfhig sein, in irgendeine Snde zu verfallen.

    Wirst du aber oder irgendeiner deiner Nachkommen in der Liebenachlassen, so werdet ihr in dem alleinigen Glauben einen gar schwachenSchutz gegen die Macht der Snde in euch haben!

    Denn es gengt zum Leben bei weitem nicht, dass da jemand nur wisse,glaube und dann sage: ,Es ist ein Gott! Wahrlich, solches ist nicht schwer!

    Aber um vieles schwerer und um vieles mehr sagend ist es, einen Gottber alles zu lieben, da man Ihn nicht sieht.

    Wer somit Gott lieben will, der muss nicht nur wissen und glauben,dass Er sei, sondern er muss Gott wahrhaftig erkennen in sich; und wenner Gott stets mehr und mehr erkennen wird durch sein emsiges Forschennach Ihm in den Werken, so wird er Ihn ja auch stets mehr und mehrlieben mssen, indem er stets heller erkennen wird, dass Gott in Sich dieallerhchst reinste, das heit, die alleruneigenntzigste Liebe und dieallerhchste und allerheiligste Weisheit Selbst ist!

    Also ist die wahre Erkenntnis Gottes der Grund der Liebe zu Ihm;

    daher sei auch jedermanns vorzglichstes Geschft, Gott zu erkennen,damit er Ihn dann ber alles wird zu lieben vermgen!Das aber ist dann auch das ewige Leben, dass wir Gott erkennen und

    Ihn dann ber alles lieben; denn aus der Liebe des allgtigen,allerheiligsten Vaters sind wir aus Ihm hervorgegangen und knnen dahernur wieder durch die Liebe zu Ihm gelangen.

    Solches aber merke dir wohl noch hinzu zu diesem Worte Gottes ausmeinem Munde an dein Herz, dass da zwei Wege sind, die zum Vater

    fhren: der eine heit die wahre, eifrige Erkenntnis Gottes; der andere aberheit die Liebe!Du sagst: ,Nach der vorangegangenen Beleuchtung scheint es ja, dass

    solches vllig einerlei ist, indem der Liebe die Erkenntnis Gottes ja dochnotwendig vorangehen muss!

    Ja, also erscheint die Sache wohl auf den ersten Anblick; wenn wir aberdiese Sache nher ans Licht des Geistes stellen, so stellt sich da aber danndennoch ein gewaltiger Unterschied hervor.

    Damit du aber einen solchen bedeutungsvollsten Unterschied destokrftiger merkest, so will ich dir solchen durch ein gutes gleich lautendesBeispiel so recht knapp und helle vor die Augen stellen.

    Stelle dir sonach vor, es wre in irgendeinem verborgenen Teile deines

    Von der Liebe und Erkenntnis Gottes

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    groen Landes eine beraus herrliche schnste Tochter, die da reif wre,dass sie jemand nhme zum Weibe! Damit aber solches die Menschenerfahren mchten, da sendet sie Boten aus und lsst durch dieselben im

    Lande bekannt geben, dass solches der Fall ist.Nachdem aber solches verkndigt war, sagten einige: ,Wenn an derSache etwas wre, so wre sie wohl selbst gekommen und htte sich unsgezeigt, auf dass wir sie erkenneten und erwhleten fr unser Herz!

    Da sie aber nur durch Boten von sich aussagen lt, wie herrlich sie sei,so knnen wir solches wohl glauben, aber auch ebenso gut bleiben lassen.

    Dazu lsst sie noch bedeuten, dass sie niemandem ihre Hand reichenwerde, der nicht zuvor vllig erkennen wird, dass sie also ist, wie es die

    Herolde von ihr aussagten!Wer wird wohl der Tor sein und wird sich da eine solche Mhenehmen?!

    Unter den vielen solche Kunde Missachtenden und Verlachenden aberfinden sich dennoch zwei vor. Der eine spricht bei sich: ,Ich will denndoch hinziehen und will sie mit scharfen Augen besehen; ist sie also, wiees die Boten von ihr aussagten, da will ich sie auch ohne Bedenken whlenfr mein Herz!

    Der andere aber spricht aus der vollen Liebesglut zum Boten: ,Fhretmich zu ihr! Ich will sie nicht erforschen und langzeitlich erkennen,sondern ich habe sie schon in meinem Herzen auf das glhendste umarmt;ich liebe sie schon mehr als alles in der Welt!

    Wenn nun beide bei dieser Tochter anlangen werden, da wird der erstealsbald hoch erstaunen, wird sie erkennen und wird sie erwhlen; derzweite aber wird zu ihr sagen: ,O du endlos herrliche Tochter der Himmel,vergib mir armem Tropfe; denn ich habe mich unterfangen, dich eher zulieben, als dich zu erkennen, und sehe erst jetzt ein, wie unwrdig meineLiebe deiner himmlischen Wesenheit war! Daher la mich wieder vondannen ziehen, damit ich dich im Verborgenen aus allen Krften meinesHerzens lieben kann!

    Was meinst du wohl, welchem diese Braut ihre Hand reichen wird? - Jawohl ganz sicher dem, der sie schon zuvor liebte, ehe er sie noch erkannthatte.

    Der erste aber wird sich begngen mssen - um nicht aus ihrerhimmlischen Nhe zu kommen - allein mit der Anschauung als einer ihrer

    Knechte, whrend der zweite die Flle der Seligkeit in ihren Armenallezeit schmecken wird.Siehe, das ist der bedeutende Unterschied: Wer Gott liebt schon vor der

    Erkenntnis, der wird des Lebens Flle berkommen; wer aber Gott liebt

    Von der Liebe und Erkenntnis Gottes

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    nach der Erkenntnis, der wird auch leben, - aber nicht im Herzen, sondernim Reiche der Gnade als ein wohlbelohnter Diener.

    Solches beachte gar wohl, denn es ist frs Leben von grter

    Wichtigkeit! Amen. (HGt. Bd.2; Kap. 215,6-28)

    Der Vater als BrutigamSiehe, Ich mache es wie ein Brutigam, der da das Herz derjenigen

    erforscht, die er gesonnen ist zum Weibe zu nehmen! Dieser geht zurNachtzeit, ja in strmischer Nacht um die Htte, darin da seines HerzensGewhlte haust. Da horcht er dann beklommenen Herzens und spitztgewaltig seine Ohren, da er vernehmen mchte geheime Seufzer der Liebeaus dem Munde seiner Gewhlten. Wohl ihr, so ihr Herz voll ist ihresBrutigams; denn wovon das Herz voll ist, davon geht der Mund ber! Siewird ihn rufen und ihn nennen beim Namen. Ich sage dir, ihr Seufzen undihr Rufen wird des Brutigams Herz brechen, und er wird eintreten in ihrGemach und wird sie bei der Nacht noch fhren in seine Htte undmachen, dass sie werde sein Weib!

    Glaubst du aber, so der Brutigam also seine Gewhlte zur Nachtzeitbelauschen wird, sie aber treffen wird entweder schlafend oder im Seufzeneines anderen Namen nennend, er werde auch dann in ihr Gemach tretenund sie fhren in sein Haus?!

    O siehe, das wird er nimmer tun, sondern er wird von nun an fliehenihre Nhe und verachten ihr Angesicht!

    Siehe, also bin Ich jetzt in strmischer Nacht vor der Tre aller MeinerGewhlten! Wo Ich im Herzen nach Mir werde seufzen hren, da auch

    werde Ich alsbald eintreten und tun gleich dem erwhnten Brutigam; woIch aber die Gewhlten werde entweder schlafend antreffen oder seufzendnach fremden Namen, da werde Ich auch tun, was da tun wrde seinerGewhlten der Mir hnliche erwhnte Brutigam.

    Doch aber ist ein Unterschied zwischen Mir und dem Brutigam: Ichkomme mit Liebe, bringe Liebe, gebe Liebe, suche Liebe und verlangeLiebe, und wen Ich schlafend antreffe, der wird erweckt zum siebenund-siebenzigmal siebenundsiebenzigtausendsten Male! Erst wenn er nichterwacht, dann erst ziehe Ich Mich zurck! Wehe aber dem, von dem IchMich zurckgezogen habe! Wahrlich, der wird frder lange, lange, langevergeblich seufzen und rufen Meinen Namen; aber Ich werde ihm nichtantworten! (HGt. Bd. 1; Kap. 156,13-17)

    Der Vater als Bratigam

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    Der Mystiker Martin LutherGerhard Wehr

    Protestantische Mystik beginnt bereits bei Luther selbst,und zwar in jenen Jahren, in denen er als jungerAugustinermnch um die Gerechtigkeit Gottesgerungen hat. Die Predigten des Eckhart-SchlersJohannes Tauler (14. Jahrhundert) waren ihm so wichtiggeworden, dass er auch in seinen Vorlesungen auf die vonTauler realisierte Spiritualitt aufmerksam machte. Derreformatorische Durchbruch Luthers und seine

    Bereitschaft, die Zeugnisse der mittelalterlichen Mystik zu befragen,gehren zeitlich wie substantiell eng zusammen. Es war kein Zufall, dassder Wittenberger Ordensmann und Hochschullehrer von einer kleinendeutschsprachigen Schrift stark beeindruckt wurde - der TheologiaDeutsch, nach ihrem Fundort auch: Der Frankfurter genannt. Deraus 54 Kapiteln bestehende Text ist vom Ansatz her bereits einereformatorische Schrift, insofern er auf die Umformung und diereligise Erneuerung des Menschen hinzielt. Luther betrachtete dasanonym gehaltene Bchlein als eine Verffentlichung nach Art desDoktor Tauler und gab selbst die Schrift zweimal heraus.Bezeichnenderweise war dies im Jahr 1516 und 1518, also ein Jahr vorbeziehungsweise nach dem so genannten Thesenanschlag von 1517. So istdie protestantische Spiritualitt durch die Theologia Deutsch alseiner Grundschrift der deutschen Mystik ebenso mit der Tradition deralten Kirche verknpft wie mit Luthers Durchbruch zu derreformatorischen Erkenntnis von der Rechtfertigung des Gottlosenallem aus Gnaden. Luthers Urteil lautet hierzu:

    Mir ist nchst der Bibel und Sankt Augustinus nicht vorkommen ein Buch, daraus ich mehr erlernt habe und erlernt haben will von dem,was Gott, Christus, Mensch und alle Dinge sind. Also lese dies Bchlein, wer da will, und sage dann, ob die Theologie bei uns (inWittenberg) neu oder alt sei, denn neu ist das Buch ja nicht. Werden sieaber wie vormals sagen, wir seien (hier in Wittenberg) deutscheTheologen, so lassen wir das gut sein - Ich danke Gott, dass ich indeutscher Zunge meinen Gott also hre und begegne, wie ich und sie

    mit mir bisher nicht gefunden haben, weder in lateinischer, griechischer noch hebrischer Zungen. Gott gebe, dass noch mehr von solchen Bchlein an den Tag kommen.

    Der Mystiker Martin Luther

    Dr. Martin Luther(1483-1546)

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    Luthers hohe, ja viel zu hohe Einschtzung einer solchen mystischgetonten Schrift ist wohl nicht auf die Goldwaage zu legen. In seinerVorrede kommt jedoch zum Ausdruck, wie wichtig es dem werdenden

    Reformator ist, dass religise Erfahrung nicht in einer abgehobenenGelehrtensprache wiedergegeben wird, sondern in der von ihm sogerhmten und geliebten Muttersprache. - Die Theologia Deutschbeginnt, indem sie sich an Menschen wendet, die als wahrhafteGottesfreunde genannt zu werden verdienen.

    Hier hebt an der Frankfurter und sagt gar hohe und gar schne Dinge von einem vollkommenen Leben: Dies Bchlein hat der allmchtige, ewige Gott ausgesprochen durch

    einen weisen, verstndigen, wahrhaftigen gerechten Menschen seinemFreund, der da vor Zeiten gewesen ist ein Deutschherr, ein Priester und ein Kustos in der Deutschherren Haus zu Frankfurt, und lehret gar manchen lieblichen Unterschied gttlicher Wahrheit und besonders, wieund woran man erkennen mag die wahrhaftigen gerechtenGottesfreunde und auch die ungerechten, falschen freien Geister, die der heiligen Kirche gar schdlich sind. Das erste Kapitel: Was das Vollkommene seiSankt Paulus spricht also: Wenn das Vollkommene kommt, sovernichtet man das Unvollkommene und das Geteilte. Nun merke: Was ist das Vollkommene und das Geteilte? Das Vollkommene ist ein Wesen, das in sich und in seinem Wesen alleWesen begriffen und beschlossen hat, und ohne das und auer dem keinwahres Wesen ist und in dem alle Dinge ihr Wesen haben, denn es ist aller Dinge Wesen und ist in sich selber unwandelbar und unbeweglich, und verwandelt und bewegt alle anderen Dinge. Aber das Geteilte oder das Unvollkommene ist das, was aus diesemVollkommenen entsprungen ist oder wird, recht wie ein Glanz oder Schein, der da ausfliet aus der Sonne oder aus einem Lichte und bescheint etwas, dies oder das. Und das heit Kreatur, und von allendiesen Geteilten ist keines das Vollkommene. Und gleichwie die Sonneihren klaren Schein nicht verbergen kann, sondern die Welt erleuchtenmuss, also will sich auch Gott, der das hchste Gut ist, vor niemandenverbergen, auer wo er eine andchtige Seele findet, die gnzlichgereinigt ist von allen Kreaturen. Denn soviel wir uns frei machen

    von dem Kreatrlichen, soviel werden wir empfnglich fr denSchpfer. Denn soll mein Auge etwas sehen, so muss es gereinigt werdenoder frei sein von allen andern Dingen.

    Wie bekannt, ist Martin Luther nicht allein ein Leser und Herausgeber

    Der Mystiker Martin Luther

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    dieser mystischen Texte gewesen. Er wusste durchaus zu differenzieren.Ihm war sehr wohl bewusst, wie wichtig es ist, biblische Nchternheitwalten zu lassen. Doch mystisches Denken und Vorstellen blitzt immer

    wieder auch in seinen eigenen Schriften, in seinen Predigten undVorlesungen auf, so beispielsweise in seinen Betrachtungen ber dasLeiden Christi. Wie den Wegbereitern der mittelalterlichen Spiritualittgeht es ihm darum, dass der Mensch gleichfrmig werde. Es ist dieseHaltung (conformitas) des Menschen, die sich nicht damit begngt, nurdie Lehre der Kirche zu glauben oder den Kultus zu vollziehen und dieSakramente zu empfangen, weil eine uere Institution, eben die Kirche,dies von ihm verlangt. Vielmehr geht es einem Mystiker, einer

    Mystikerin in erster Linie darum, einen inneren Anschluss an Christuszu gewinnen, einen inneren, auf eigene Erfahrung gestutzten Zugangzum Wort der Schrift. Dieses Wort verbrgt Freiheit im Geist, und zwarbei gleichzeitiger Verantwortung gegenber dem Mitmenschen. So ist esunter anderem dargelegt in Luthers reformatorischer HauptschriftVon der Freiheit eines Christenmenschen (1520):

    Zum ersten, damit wir grndlich mgen erkennen, was einChristenmensch sei, und wie es stehe um die Freiheit, die ihm Christuserworben und gegeben hat, davon Sankt Paulus viel schreibt, will ichdiese beiden Stze aufstellen. Ein Christenmensch ist ein freier Herr ber alle Dinge und niemand Untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann Untertan. Zum andern: Diese zwei einander (scheinbar)widersprchlichen Reden von der Freiheit und Dienstbarkeit zubegreifen, sollen wir gedenken, dass ein jeglicher Christenmenschvon zweierlei Natur ist, nmlich von geistlicher und leiblicher. Nach der Seele wird er ein geistlicher, neuer, innerlicher Menschgenannt, nach dem Fleisch und Blut wird er ein leiblicher, alter und uerlicher Mensch genannt. Und um dieses Unterschiedes willen wird von ihm gesagt in der Schrift, die sich geradezu widerspricht, wie ich jetzt von der Freiheit, andererseits von der Dienstbarkeit gesagt habe.

    Am Beispiel des Sermons Von der Betrachtung des heiligen LeidensChristi (1519) zeigt Luther, was es heit, Christi Leiden zu bedenken,d.h. betrachtend, meditierend, erkennend in die eigene Mitte zunehmen:

    Die bedenken das Leiden Christi recht, die ihn so ansehen, dass sieherzlich davor erschrecken und ihr Gewissen gleich in ein Verzagenversinkt. Der ganze Nutzen des Leidens Christi ist ganz daran gelegen,dass der Mensch zu seiner selbst Erkenntnis kommt und vor sich selbst

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    erschrickt und zerschlagen wird. Und wo der Mensch nicht dahinkommt, ist ihm das Leiden Christi noch nicht richtig aufgegangen. Denn das eigene natrliche Werk des Leidens Christi ist, dass es ihm

    den Menschen gleichfrmig macht, dass wie Christus an Leib und Seele jmmerlich in unseren Snden gemartert wird, so mssen wir auch ihmnach so gemartert werden im Gewissen von unseren Snden. Es geht auchhier nicht mit vielen Worten ab, sondern mit tiefen Gedanken und Ernstnehmen der Snden. Dem Bild und Leiden Christi musst du gleichfrmig werden, es geschehein diesem Leben oder in der Hlle. Drum sollst du Gott bitten, dass er dein Herz erweiche und lasse dich fruchtbar Christi Leiden bedenken. Denn es

    ist auch nicht mglich, dass Christi Leiden von uns selber grndlichbedacht werden kann, es sei denn, Gott senke es in unser Herz. So befremdlich diese noch stark mittelalterlich anmutendeLeidensmystik ist, deutlich kann doch werden, dass der Schreibersolcher Gedanken als einer spricht, der die meditative Praxis kennt, etwadie, die er seinen Kollegen in dem Buch Ratio vivendisacerdotum (Wie ein Priester leben soll) ans Herz gelegt hat:

    Am Abend musst du auf jeden Fall eine Stelle aus der Heiligen Schrift im Gedchtnis mit dir zu Bette nehmen, womit du, wiederkauend wieein reines Tier, sanft einschlafen magst. Es soll aber nicht viel sein,eher ganz Weniges, aber gut durchdacht und verstanden. Und wenn duam Morgen aufstehst, sollst du es wie die Hinterlassenschaft vongestern vorfinden.

    Wichtig ist dem Reformator die jeweilige Geist-Unmittelbarkeit dessen,was die Heilige Schrift bezeugt. Als richtungweisend und fr jedeBibellesung kann gelten, was er am Eingang seiner Auslegung zumLobgesang der Maria(Magnificat) gesagt hat. In Lukas l beginnt dieserLobgesang so: Meine Seele erhebet den Herrn und mein Geist freuet sich Gottesmeines Heilandes, denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder. Denn erhat groe Dinge an mir getan, der da mchtig ist und des Name heiligist. Luther bemerkt hierzu, indem er auf das Moment der Innen-wahrnehmung und Erfahrung aufmerksam macht:

    Um diesen heiligen Lobgesang seiner Ordnung nach zu verstehen, ist zu

    beachten, dass die hochgelobte Jungfrau Maria aus der eigenenErfahrung heraus redet, in der sie durch den Heiligen Geist erleuchtet und gelehrt worden ist. Denn es kann niemand Gott oder Gottes Wort recht verstehen, wenn er es nicht unmittelbar vom Heiligen Geist hat.

    Der Mystiker Martin Luther

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    Niemand kanns aber von dem Heiligen Geist haben, wenn er es nicht erfahrt, versucht und empfindet. In dieser Erfahrung lehrt der HeiligeGeist als in seiner eigenen Schule. Auerhalb dieser wird nichts gelehrt

    als nur auf Schein bedachtes Wort und Geschwtz. So ist es bei der heiligen Jungfrau. Nachdem sie an sich selber erfahren hat, dass Gott anihr so groe Dinge wirkt, obwohl sie doch gering, unansehnlich, armund verachtet gewesen war, lehrt sie der Heilige Geist diese reicheErkenntnis und Weisheit dass ein solcher Herr sei, der nichts anderes zuschaffen habe, als nur zu erhhen, was niedrig ist, zu erniedrigen, wasda hoch ist, kurz zu zerbrechen, was da gemacht ist, und ganz zu machen,was zerbrochen ist. Aus dieser Grunderfahrung fliet nun die Liebe zu

    Gott und sein Lob.

    So macht es auch hier die feine Mutter Christi und lehrt uns durchdas Beispiel ihrer eigenen Erfahrung und durch ihre Worte, wie manGott erkennen, lieben und loben soll. Denn mit frhlichem, freudigspringendem Geist rhmt sie sich hier und lobt Gott, er habe sieangesehen, obwohl sie niedrig und nichts gewesen ist.

    Nun ist mystische Innerlichkeit sich nicht selbst genug! In demBewusstsein, dass nur das Wert hat, was zur Tat wird, hob Luther bereitsin seiner Heidelberger Disputation von 1518, bei der er seinenreformatorischen Ansatz erluterte, die Zusammengehrigkeit vonSpiritualitt und Ttigsein hervor.

    Sobald Christus in uns durch den Glauben Wohnung nimmt, bewegt er uns zu Werken durch jenen lebendigen Glauben an seine Werke. Die Wortenmlich, die er selbst tut, sind die Erfllung von Gottes Geboten, unsdurch den Glauben geschenkt. Schauen wir sie an, so werden wir zur Nachfolge bewegt. Darum sagt der Apostel: So seid nun Gottes Nachfolger als seine lieben Kinder. So entznden sich Werke der Barmherzigkeit an seinen Werken, durch die er uns erlste, wie der heilige Gregor sagt Jede Tat Christi ist uns eine Lehre, nein, ein Antrieb. Ist sie nun darum in uns wirksam, so ist sie in uns lebendigdurch den Glauben. Mit Ungestm lockt sie uns nach dem Worte Ziehemich dir nach. Wir laufen nach dem Geruch deiner Salben, das heit deiner Werke.

    (Quelle: Mystik im Protestantismus, Claudius-Verlag)

    Zieh mich dir nach, so laufen wir. Wir freuen uns und sind frhlichber dir; wir gedenken an deine Liebe mehr denn an den Wein. Die Frommen lieben dich.

    (Hohel. 1)

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    Alles in uns schweigeVom Innehalten zur Kontemplation

    Rdiger Maschwitz

    Verlasse von Zeit zu Zeit die Menschen, suche die Einsamkeit, umim Schweigen und anhaltenden Gebet deine Seele zu erneuern. Das istunentbehrlich. Eine Stunde am Tag, ein Tag im Monat, eine Woche imJahr, lnger wenn es ntig ist, musst du alles und alle verlassen, umdich alleine mit Gott zurckzuziehen. Wenn du das nicht suchst, wenndu das nicht liebst, mach dir keine Illusionen. Anders wirst du nie zu

    einer tiefen Gottesbeziehung finden. (nach Carlo Carretto)Eine Einladung

    Wer sich auf einen geistlichen Weg macht, wer seinen Glaubenintensivieren will, begegnet unweigerlich der Einladung in die Stille zugehen und einige Zeit zu schweigen.

    Manche nehmen die Einladung an, andere werden nachdenklich undberlegen, einige lehnen sofort ab, noch andere erschrecken.

    Schweigen? Nicht reden? ber eine lngere Zeit? Warum? Kann ichdas? Will ich das? Wie soll ich mich verstndigen? Da fllt mir ja dasDach auf den Kopf! Da werd ich ja verrckt! Da gibt es ja keineAblenkung mehr!? Endlich Ruhe!

    Dies sind nur einige Reaktionen von Menschen auf diese Einladungzum Schweigen.

    Wenn dann Carlo Carrettos Worte vorgelesen werden, tritt oftErstaunen oder radikale Ablehnung in den Vordergrund. Warum hatmir dies noch keiner gesagt?, ist die mehr nachdenkliche Reaktionund die andere, oft vehementer vorgetragen: Das ist Quatsch, Gott istnicht nur im Schweigen. Ich muss nicht Schweigen. Gott ist berall.

    Jeder reagiert auf Grund seiner Erfahrungen, Hoffnungen undBefrchtungen: Die einen lieben Stille, die anderen erschreckt Stille.

    Und Stille und mit ihr das Schweigen hat tatschlich beide Seiten:

    Stille Schweigende Stille / Laute Stille / Frderlich und erschreckend

    voller Ruhe und Spiegel aller Hektik / Sehnsucht und Ort derBegegnung / dunkel und hell / Licht und SchattenFlle und Nichts / strkend und entlarvend

    Alles in uns schweige

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    geschenkte bung. / Alles in uns schweige?ab und zu /immer fter

    man gnnt sich ja sonst nichts.

    Inneres und ueres Schweigens Wer viel um die Ohren hat, wird die Stille schon um ihrer selbst

    willen lieben. Und das ist gut so. Doch auf dem Weg nach innen istStille auch der Raum, in dem ich schweigen kann und darf. Dabei istSchweigen nicht einfach mit Nicht-Reden gleich zu setzen.

    Es gibt Menschen, die reden nicht viel. Sie schweigen. Manche sindtatschlich innerlich ruhig. Andere schweigen zwar uerlich, doch

    die Affenhorde tanzt in ihrem Kopf: Gefhle und Gedanken,Phantasien und Auseinandersetzungen laufen bei ihnen ununterbrochenab. Ihr Schweigen bleibt uerlich.

    hnliches erlebt eigentlich fast jeder, der sich zum ersten Mal auf eine Zeit des Schweigens einlsst. Whrend das uere Schweigen mehroder weniger gelingt, wird der Lrm im Inneren bewusster.

    Deshalb ist es so wichtig, auf dem Weg ins Schweigen eineAnleitung, eine Aufgabe, eine bung zu erhalten. Denn Schweigen auf dem geistlichen Weg meint vor allem das innere Schweigen.

    Schweigen in diesem Sinne ist eine innere Haltung und eine bung.Natrlich wird das innere Schweigen gefrdert und erleichtert durch

    das uere Schweigen und uere Stille. ueres und inneresSchweigen gehren zusammen.

    So verstanden ist Schweigen die Bereitschaft sich einzulassen auf sich selbst, auf Gott, auf andere.

    Egal womit ich anfange - die anderen zwei Beziehungsebenengehren dazu.

    Warum berhaupt schweigen? Schweigen in der Stille (und nicht aus Trotz oder Frustration) ist eine

    eigene Dimension des Lebens. Fehlt sie, fehlt eine Seite des Lebens,fehlt innere Lebensqualitt, denn im Schweigen findet Begegnung undErkenntnis statt.

    Da wo der Mensch sich auf sich selbst einlsst, tritt er mit sich selbstin Beziehung und erkennt sich. Der Verzicht auf uere Ablenkung

    untersttzt die Wahrnehmung der eigenen Person und dieWahrnehmung Gottes, denn Gott ist da. Im Schweigen hre ich, wasGott spricht.

    Wahrnehmen ist die erste bung im Schweigen. Meist steht die

    Alles in uns schweige

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    Wahrnehmung Gottes nicht am Anfang, aber sie ist intendiert. Deshalbist Wahr-nehmen erst einmal die bung, sich und andere so wahr zunehmen, wie sie und - auch ich jetzt - sind. Dabei gilt es Wertungen zu

    unterlassen und erst recht Abwertungen. Viele Menschen beginnen sich,da wo sie sich intensiver wahrnehmen, ber sich zu rgern. Stze wie:Da war ich doch lngst drber weg oder ich msste das doch endlichloslassen oder ich komm keinen Schritt weiter hren wir immerwieder.

    Die Einladung der Wahrnehmung ist aber nicht Beurteilung, sondernAnnehmen. Ich be immer wieder neu ein - mich anzunehmen, michzu akzeptieren. Daraus erwachsen die Vernderungen.

    Mit der Wahrnehmung beginnen die ersten Klrungsprozesse. Klrungbedeutet nicht sich selbst nur zu bedenken (wir tragen oft viel zu vieleBe-Denken mit uns), sondern es ist die Wahrnehmung vom dem, wasmich im Leben frdert und von dem, was mich an einem gelingendemLeben hindert.

    Aus der Wahrnehmung und dieser Unterscheidung wachsenEntscheidungen ber das, was ich weiter mit mir trage und was ichzurcklasse. Im Schweigen wird dies oft klar und deutlich. Wie gesagt,Klrung ist weniger Bedenken, als ein Hineinspren in die unklarenDinge meines Lebens.

    Klrung bedeutet einspren und sich einlassen in die eigeneLebensgeschichte mit ihren gelungenen, verletzenden, strkenden undauch eintnigen Seiten. Im Hineinspren erwachsen neue Prioritten,entsteht oft langsam und allmhlich eine sich wandelndeLebensgestaltung.

    Fr die meisten von uns ist Klrung ein kontinuierlicher Prozess, deraus dem Schweigen erwchst und im Schweigen wchst. Dies schlietnicht aus, dass es schlagartige Erkenntnisse gibt, aber auch fr diesebraucht dann der Mensch Zeit zum Annehmen und Integrieren.

    Aus dem Wahrnehmen und dem Klren kann dann ein Vershungs-prozess eingeleitet werden.

    Oft wollen Menschen - gerade bei alten Wunden - denVershnungsprozess recht schnell. Aber Vershnung beginnt in jedemEinzelnen von uns. Da wo ich in mir und mit mir einen Teil derVershnung vollzogen habe, da kann ich mich auch mit dem anderen

    Menschen vershnen. Viel zu oft wird Vergebung gesucht, bevor dieZeit und die Situation dazu reif ist. Manchmal ist ein schlechtesGewissen kein guter Ratgeber.

    Aber auch hier helfen die Zeiten des inneren Schweigens. Wer sich

    Alles in uns schweige

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    Zeit nimmt, hat auch Zeit. Neben der Selbstbegegnung und Klrunggeschieht fast unbemerkt etwas anderes. Es ist fast so, als ob in demMae, in dem sich mein Inneres lichtet, etwas anderes durchstrahlen

    kann. Das Schweigen klrt auch da und hilft wahrzunehmen was ist. Jemehr das Reden in uns schweigt, desto mehr knnen wir hren, spren,empfangen was immer da ist - Gottes Gegenwart gewinnt Raum, wowir leer werden. Menschen spren - oft ganz erstaunt - immer wieder;da wo sie sich vershnt haben, war der Vershnungsprozess mit Gottund durch Gott gleichzeitig und oft auch unbewusst schon geschehen.

    So weit und so viel der Mensch entleert ist, so weit und so viel mehr ist er empfnglich. Will man ein Fass fllen, so muss zuvor heraus was

    drinnen ist. Johannes TaulerSchweigen wird so zu einer Chance

    Ich nehme mir Zeit innezuhalten. Ich merke, was mich beschftigt und laufe nicht mehr einfach

    funktionierend, wie der Hamster im Rad. Ich spre, was mir (und vielleicht auch anderen) wirklich wesentlich

    ist. Ich merke, wer ich wirklich bin. Ich spre (wieder), was mir gut tut und mich und andere frdert. Im Schweigen mach ich eigene Erfahrungen, statt ber Sehnschte

    und Theorien zu reden. Im Schweigen komme ich zur Besinnung und lebe weniger

    besinnungslos vor mich hin. Im Schweigen gewinnen die Worte neues Gewicht. Texte der Bibel,

    Lieder, Gebete erschlieen sich mir ganz neu. Im Schweigen hre ich sensibler, nach auen und nach innen. Im Schweigen nhere ich mich leichter der Wirklichkeit Gottes, daich achtsamer bin. Im Schweigen kann die Gegenwart Gottes mich leichter erreichen -

    ohne b(B)edenken ffne ich mich unmittelbar. Im Schweigen entdecke ich - alles in uns schweige, denn Gott ist da.

    Sieben Schritte ins Schweigen 1. Schritt: Tglich eine kleine Zeit innehalten - ich komme zurBesinnungIch halte inne und unterbreche meinen Alltag, meine Routine. Ich suchemir einen Ort, an dem ich nicht gestrt werde. Vor allem am Anfang ist

    Alles in uns schweige

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    es wichtig, auch krperlich innezuhalten: Eine gewisse Zeit (3 -10 min)still zu stehen, zu sitzen, zu knien auch zu liegen, wenn ich dabeinicht wegdse.

    Ich halte inne und nehme ganz bewusst mich und alles was michumgibt wahr.Diese bung kann mich lange Zeit erfllen und fruchtbar sein.Vielleicht entdecke ich aber schon bald:Stille ist paradox, gegenstzlich. Sie ist geschenkte Ruhe undlrmendes Getse im Kopf. uere Stille und innerer Lrm, innereStille und uerer Lrm. Dann taucht die Frage auf, wie kann ich damitumgehen, wie kann ich mich sammeln, damit die Stille nicht zerbricht.

    2. Schritt: Aus dem Innehalten wird bungszeit- nicht lnger sondernanders - Ich nehme mir Zeit fr Stille.Ich besinne mich auf das Wesentliche. Ich gebe meinem Verweilen eineRichtung. Ich nehme in die Stille eine bung hinein, um die Gedankenzu zhmen. Ich lese ein kurzes Wort (Tagestext) und lasse es in mirnachklingen. Ich singe ein Lied (kurze Liedrufe aus Taize eignen sichbesonders gut) und lausche der Stille danach. Auch ein Bild, eineIkone, ein Symbol kann meine Aufmerksamkeit in der Stille sammeln.Sammeln meint dabei mehr als sich gedanklich konzentrieren, sondernsich ganz und gar einsammeln, da sein, sich ffnen und mit dem Herzenhren. Ein Lied, ein Gebet kann die Stille Zeit einleiten undbeschlieen.3. Schritt: Einmal in der Woche, alle zwei Wochen, einmal im Monatsich mit anderen treffen, ich suche Halt im gemeinsamen ben undschweigen.Viele merken schon bald, wie schwer es ist, auch nur eine kurze stilleZeit tglich einzuhalten. Es ist gut, mit anderen zusammen in der Stillezu verweilen. Auch dies ist scheinbar paradox, aber es ist fr vieleleichter, in einer Gruppe (und nicht nur uerlich) zum Schweigen zufinden. Auch knnen sie hier bei Problemen und DrrephasenAnsprechpartner finden und erhalten Anregungen und Bestrkung frdie stille Zeit zu Hause.4. Schritt: Im Alltag fter innehalten - auch ohne bungszeitinnehalten.Dieser Schritt ist hnlich wie der erste Schritt. Nur die Motivation und

    die Qualitt verndern sich.Mitten im Alltag trgt die bung Frchte. Ich kann die bung derStille mit in den Alltag nehmen.

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    Ich lebe den Alltag, statt gelebt zu werden. Ich sehe die Welt klarer. Ichkomme kurzfristig zur Besinnung.5. Schritt: eine Schweigewoche - Einkehrtage - ich gnne mir mehr

    und mute mir mehr zu. Wenn die Stille meine Sehnsucht geweckt hatoder ich spre, dass ich das Leben aus einer neuen Perspektive ansehenwill und vielleicht auch innerlich muss, reicht die Zeit im Alltag nichtmehr aus. Dann ist es sinnvoll, sich fr eine lngere Zeit aus demAlltag auszuklinken. In Einkehr- und Meditationstagen kann ich michbegleitet von biblischen Texten mit meinem Leben auseinandersetzenund vershnen, von altem verabschieden und neue Hoffnung schpfen.6. Schritt: sich auf einen bungsweg festlegen - sich einlassen und

    niederlassen - Ich bin bei Gott Zuhause.Mit der Zeit gehren lngere regelmige bungstage / -wochen zumeinem Leben dazu. Wenn ich noch keine feste Form habe, in derStille zu verweilen, suche ich sptestens jetzt nach einem bungsweg,der mich weiter in der Stille auf meinem Weg zu mir und zu Gott leitet.Herzensgebet, Kontemplation, Zen-Meditation knnen solche bungs-wege sein. Jeder dieser Wege hat seine eigene bungspraxis, die ichmir aus Bchern, viel besser jedoch in der direkten Anleitung aneignenkann. Es ist sinnvoll Einfhrungen zu besuchen, da dort neben Zeitendes Schweigens auch Zeiten mit Information und Austausch vor-kommen. Dies kann auch der 4. oder 5. Schritt sein.7. Schritt: immer wieder von vorne anfangen - ohne sich zu rgern.Vergessen sie nicht: Jede Schweigezeit ist ein Neubeginn. In jedemVerweilen - spren wir wieder die ganze Schpfung und auch diegttliche Wirklichkeit neu. So fallen Anfang und Ende schon in derbung zusammen. (Quelle: http://www.wege-der-stille.de)

    Wenn ihr umkehret und stille bliebet, wrde euch geholfen; durch Stillesein und Hoffen wrdet ihr stark sein.

    (Jes. 30,15)

    Sei stille dem Herrn und warte auf ihn . (Ps. 37,7)

    Kommet her zu mir alle .So werdet ihr Ruhe finden.

    (Mt. 11,28)

    Alles in uns schweige

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2008-6

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    36 GL 6/2008

    Meditation als WandlungJoseph Zapf

    Das Ziel ernsthafter Meditation ist die Verwandlung. Meditation istmehr als eine Technik. Von ihr geht eine Wirkung aus. In der Stille desMeditierens klrt sich vieles in dir: Beglckendes und Bedrckendes.Immer tiefer erfhrst du die Wahrheit ber dich selbst, erkennst deineLeidenschaften und Schwchen.

    Im Laufe der Jahre klrt sich der Grund deiner Seele. Du erkennst dasgttliche Bild in dir. Und das beseligt dich. Erst wenn du das Beste in dirverkostest, das Gttliche, erhltst du die Kraft, alles dafr einzutauschen.Es ist die kostbare Perle deines Lebens, der verborgene Schatz im Ackerdeiner Seele. Dieser Schatz wird dir immer wichtiger. Er lockt dich, alleKrfte frei zu machen, um ihn zu heben. Zeitweilig bist du so intensivdamit beschftigt, dass du fr andere Dinge kaum Zeit findest.

    Manchmal merken es deine Freunde und Bekannten. Sie spren dieVernderung an dir. Du bist schweigsamer, konzentrierter, auf einegeheime Mitte ausgerichtet. Gleichzeitig bist du offener, gelster,freundlicher. Jeder Kampf, den du mit dir ausfichtst, strkt dich und prgtdein Wesen. Dein Bewusstsein weitet sich. Alles wird dir vertrauter,verwandter, zugnglicher.

    So wchst deine Spannkraft. Du bist belastbarer, weil du denSchmerzen nicht mehr ausweichst aus Empfindlichkeit oder Feigheit. Eswird dir z