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Zweijahresbericht GeoForschungsZentrum Potsdam in der Helmholtz-Gemeinschaft 2002/2003

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Zweijahresbericht

GeoForschungsZentrum Potsdamin der Helmholtz-Gemeinschaft

2002/2003

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I

Inhaltsverzeichnis

Vorwort III

Das System Erde – Forschungsgegenstand des GFZ Potsdam V

Aus der wissenschaftlichen Arbeit

DESERT - Struktur und Dynamik der Dead Sea Transform 1

Ein Ozean taucht ab: Ergebnisse zur Dynamik des aktiven Kontinentalrandes in Südchile 19

Lithium-, Bor-, Strontium-, Neodym- und Blei-Isotope als Monitore fluid-induzierter Mineralreaktionen in kontaktmetamorphen Marmoren 35

Dimensionen und Dynamik des Kohlenstoffkreislaufs in Sedimentbecken 45

MALLIK - Gashydrate unter Permafrost 59

Trizonia Island – simultanes Deformations- und Temperaturmonitoring mit faseroptischen Sensoren in einer Rift-Bohrung 77

Kleine Proben – große Aussagen: Experimente als „Fenster in das Innere der Erde“ 85

Focused Ion Beam-Technik FIB: eine Nanotechnologie ermöglicht neue Erkenntnisse in den Geowissenschaften 99

GRACE - Eine Schwerefeld- und Klimamission 109

Signaturen des Erdmantels im Schwerefeld der Erde 119

Die Departments

Department 1 „Geodäsie und Fernerkundung“ 126

Department 2 „Physik der Erde“ 166

Department 3 „Geodynamik“ 238

Department 4 „Chemie der Erde“ 280

Department 5 „Geoengineering“ 332

Gremien des GFZ Potsdam 361

Organisation, Verwaltung und zentrale Dienste 362

Personal- und SozialwesenHaushalt und FinanzenBibliothek des Wissenschaftsparks Albert EinsteinICDP Operational Support GroupDaten- und RechenzentrumDas Jahr der Geowissenschaften 2002

Auszeichnungen und Ehrungen 394

Habilitationen, Promotionen 394

Ausgewählte Publikationen 2002/2003 396

Glossar 406

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Hochleistungspumpen für den massiven Wasserfrac in der Geothermie-Forschungsbohrung Groß Schönebeck beiBerlin, November 2003 (Foto: E. Huenges, GFZ)

High capacity pumps for the massive water frac in the geothermal research well Groß Schönebeck near Berlin,November 2003

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Die Infrastruktur- und Technologieentwicklung zur Er-schließung des unterirdischen Raums gewinnt zuneh-mend an Bedeutung. Seine Nutzung als Verkehrs- undWirtschaftsraum, als Speicher für Öl und Gas, alsRessource für Energieträger wie Geothermie und Gas-hydrate oder als Deponie für Abfallstoffe und neuer-dings auch für CO2 stehen dabei im Mittelpunkt. Fürdiese Anwendungen werden robuste, hochauflösendeAufschluss- und Beobachtungsmethoden und innovativeMesstechnologien benötigt.

Am GFZ Potsdam wurde eine neue Generation faseropti-scher Sensoren auf der Basis von dehnungsempfindlichenLichtleitfasern (Faser-Bragg-Gitter FBG) entwickelt, mitdenen sich Daten zur geotechnischen Sicherheit undStabilität von über- und untertägigen Bauwerken in allenNutzungs-Phasen erfassen lassen. Diese strukturintegri-erten Sensoren können insbesondere für das direkte in-situ-Monitoring des Verformungs-, Festigkeits- undDurchlässigkeitsverhaltens der Gesteine vor, während undnach einer technischen Einwirkung eingesetzt werden. Indas Feld der Technologieentwicklung gehören auch neue,hochfrequente unterirdische seismische Ortungssystemezur Online-Vorauserkundung von geologischen Gefah-renzonen. Ein wichtiges Einsatzfeld sind die Hoch-geschwindigkeitsstrecken der neuen transeuropäischenVerkehrsnetze, die größte Herausforderungen an dasGeoengineering stellen, wie in den Alpen beim Bau desGotthardt-Basistunnels unter zum Teil kilometermächti-gen Gebirgsüberdeckungen mit komplizierter Geologie,hohen Spannungen und gewaltigen Wasserdrücken.

Für den Energiebereich müssen die Erkundungsmetho-den zur Charakterisierung und quantitativen Einschät-zung der Ressourcen bei unterirdischen Speichergesteinenfür Öl, Erdgas und CO2 weiterentwickelt werden. Zurwirtschaftlichen Gewinnung von geothermischer Ener-gie müssen die hydraulischen Stimulationsverfahren zurSteigerung der Produktivität heißer Tiefenwässerwesentlich verbessert und Techniken zur langfristigenNutzbarkeit und Sicherheit dieser Lagerstätten entwick-elt werden. Ein bedeutendes Anwendungsgebiet ist hier-bei die standortunabhängige Erzeugung von Energie ausGeothermie durch Umwandlung in Strom. Ein weiteresFeld ist die Verpressung von CO2 in dafür geeignetegeologische Schichten im Untergrund.

Die Erarbeitung praxisrelevanter Gefährdungsaussagenfür das Erdbebeningenieurwesen ist ein weiteres Ziel derForschungsarbeiten. Im Rahmen des „Deutschen For-schungsnetzes Naturkatastrophen“ (DFNK) wurdenneue Methoden der Erdbebengefährdungseinschätzungentwickelt und auf das Testgebiet des DFNK, dieNiederrheinische Bucht, angewandt. Basis dieser neuenErdbebengefährdungsanalysen ist die konsequente pro-babilistische Behandlung der seismologischen, paläoseis-

mologischen, geodätischen und geologischen Eingangs-daten mittels der Technik des „Logischen Baumes“.

Die verheerenden Schäden des August-Hochwassers2002 an Elbe, Donau und ihren Nebenflüssen habengezeigt, in welch hohem Maße unsere hochtechnisierteund hochorganisierte Gesellschaft anfällig gegenextreme Naturgefahren ist. Ein wesentliches Elementeiner besseren Vorsorge gegen solche Schadenereignissesind verlässlichere und umfassendere Gefährdungs- undRisikoanalysen, als sie heute im Hochwasserschutzdurchgeführt werden. Dies erfordert u.a. die Analysevon sehr seltenen Hochwasserereignissen und dieBestimmung von Versagenswahrscheinlichkeiten vonHochwasserschutzsystemen (z.B. Deichen) durch dieAnwendung probabilistischer Methoden. Ein weiterernotwendiger Schritt ist die Umsetzung von Gefähr-dungs- in Risikoaussagen, also Aussagen darüber, beiwelchen Hochwasserabflüssen welche Schäden auftre-ten. Bis heute sind Prognosen über die Auswirkung vonLandnutzungsänderungen oder veränderten klimatis-chen Randbedingungen auf den Wasserhaushalt mitgroßen Unsicherheiten behaftet. In kleinen Versuchs-gebieten werden die dominanten Abflussprozesse iden-tifiziert und die Zusammenhänge zwischen dem Auf-treten dominanter Prozesse und den Gebietseigen-schaften und meteorologischen Randbedingungen quan-tifiziert. Diese Befunde werden danach in hydrologischeModellansätze umgesetzt.

Seismische Tomografie zur Tunnelumfeld-erkundung im Gotthard Basistunnel Süd

Am GeoForschungsZentrum Potsdam wurde in Zusam-menarbeit mit der Amberg Messtechnik AG, Schweiz,das Integrierte Seismische Imaging System ISIS (Bormet al. 2003) entwickelt, ein seismisches Abbildungsver-fahren mit nicht-explosiven Quellen für die Untertage-seismik im Festgestein. Es ermöglicht die Vorhersageder geologischen Eigenschaften des Gebirges im Vorfeldund Umfeld einer Tunnelauffahrung, ohne den Baube-trieb dabei nennenswert zu behindern. Es liefert eineAbbildung des Gebirges bis zu 200 m seitlich der Ulmenund vor der Tunnelbrust.

Mit ISIS werden die Möglichkeiten der seismischenVorauserkundung beim Tunnelbau im Festgesteingegenüber früheren Verfahren wesentlich verbessert.Die neue Idee besteht darin, die Tunnel-Ankerung zuverwenden, um damit ein Array von seismischen 3-Komponenten-Empfängern antennenartig so zu instal-lieren, dass ein hochauflösendes seismisches Abbild desGebirges während der Auffahrung möglich wird. AlsEmpfänger dienen miniaturisierte Geophone, die in dieSpitzen der Felsanker in Form eines orthogonalen Drei-beins eingesetzt werden (Abb. 5.1).

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Department 5Geoengineering

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Damit können neben den Kompressionswellenge-schwindigkeiten (vp) auch die Scherwellengeschwindig-keiten (vs) erfasst werden, die empfindlicher auf litholo-gische Wechsel und Wasserführung reagieren.

Die Wellen werden mit einem Schlaghammer odereinem magnetostriktiven Sonar-Vibrator erzeugt. DerSchlaghammer wird gegen die Felswand vorgespanntund elektronisch gesteuert. Er ist an einen kleinenBagger montiert und schnell positionierbar (Abb. 5.2).

Die Impulse lassen sich in vorgegebene Richtungenabstrahlen und in Sekundenabständen wiederholen. Sta-pelt man die aufgezeichneten Signale übereinander,wird das Hintergrundrauschen der Baustelle wesentlichverringert und das Nutzsignal verstärkt. Während einerMessserie werden 30 bis 50 Schlagpunkte in Meter-Abständen entlang der Tunnelwand angeregt.

Im März 2003 wurden seismische Tomographiemes-sungen vom Seitenstollen West der MultifunktionsstelleFaido (MFS Faido) des Gotthard-Basistunnels durchge-führt (Abb. 5.3).

Ziel dieser Messkampagne war, die Bereiche derTunnelverzweigung Weströhre Süd und Verbindungs-tunnel Süd der MFS Faido geologisch im Hinblick aufmögliche Störzonen kakiritischer Art und relevanterFormationswechsel zu charakterisieren. Fünf Monatenach dieser Messkampagne wurden die geologischenKartierungen der bis dahin aufgefahrenen Vortriebs-strecken aus dem Seitenstollen West und den Einspur-tunneln West und Ost zur weiteren Analyse herangezo-gen, um sie mit den Ergebnissen der seismischen Tomo-grafie-Messungen zu überprüfen. Durch Vergleich dergeologischen Ortsbrustkartierungen im SeitenstollenWest, im Einspurtunnel West und im Einspurtunnel Ostmit den Ergebnisse der seismischen Tomographien kon-nte die Geschwindigkeitsverteilung der Kompression-und Scherwellengeschwindigkeiten für noch nichtaufgefahrene Bereiche der Einspurtunnel West und Ostinterpretiert werden. Zum Vergleich mit den seismis-chen Geschwindigkeiten wurden die Schieferung, derKluftabstand, die Wasserführung, die räumliche Vertei-lung der Kakirite, Klüfte, Quarz- und Biotitlinsen desLeventina-Gneises herangezogen.

Die Analyse ergab, dass eine gute Übereinstimmung derKompressionswellengeschwindigkeit mit der Klüftig-keit besteht. Die Geschwindigkeitsanomalie in derScherwellentomographie des Einspurtunnels Weststimmt gut mit der in den geologischen Aufnahmen fest-gestellten Kakirit-Zone überein (Abb. 5.4). Diese Zonestreicht von der rechten zur linken Tunnelwand aus.

Die Verteilung der Scherwellengeschwindigkeit zeigthier ein lokales Minimum von 2,9 km/s gegenüber 3,3 km/s bis 3,5 km/s im umgebenden Gestein. Aus demVergleich der geologischen Kartierungen mit den seis-mischen Geschwindigkeiten konnten wichtige Rück-schlüsse zur Prognose des Gesteinsverhalten beim weit-eren Vortrieb im Bereich der Einspurtunnel West undOst gezogen werden.

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Abb. 5.1: Felsanker

Rock ancor

Abb. 5.2: Kleinbagger mit Schlaghammer (Foto: S.Mielitz, GFZ)

Dredger with seismic impact hammer.

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335Abb. 5.4: Verteilung der Scherwellen-geschwindigkeit und der Darstellung derkartierten Kakirite (rot) im EinspurtunnelWest (mitte) und Einspurtunnel Ost (links).Lokales Minimum der Scherwellengeschwin-digkeiten (blau) in den Kakiritzonen

Distribution of the shear wave velocity andan illustration of the mapped Kakirite (red)in the one track gallery west (middle) andone track gallery east (left). Local minimumof the shear wave velocity (blue) in theKakirite zones.

Abb. 5.3: (a) Hoch-geschwindigkeits-Ei-senbahn-Alpentrans-versalen (b) Tunnel-bau-Multifunktions-stelle Faido (c) Ge-schwindigkeitstomo-grafie der Kompres-sionswelle und seis-mische Reflektorenin Aufsicht am Seiten-stollen West (unten),Einspurtunnel West(mitte) und Ost (oben).

(a) High-speed trans-alpine train conec-tions, (b) tunnel cons-truction – multi-functional area Fai-do, (c) velocity tomo-graphy of compres-sion waves and seis-mic reflectors from abird’s eye view at theside gallery west(below), one trackgallery west (centre)and east (above)

a

c

b

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Entwicklung und Einsatz faseroptischer Senso-rik für geotechnische Messaufgaben

Am GFZ Potsdam wurde eine neue Generation faserop-tischer Sensoren auf der Basis von dehnungsempfind-lichen Lichtleitfasern (Faser-Bragg-Gitter FBG) ent-wickelt, mit denen sich Daten zur geotechnischenSicherheit und Stabilität von über- und untertägigenBauwerken in allen Nutzungs-Phasen erfassen lassen.Mit Hilfe dieser strukturintegrierten Sensoren könnenMaterialcharakterisierung, Langzeit-Monitoring undFrühwarnung effizient unterstützt werden.

Im Rahmen des EU-Projektes „3F-Corinth: Faults,Fractures, Fluids“ wurde eine faseroptische Strain-Monitor-Station in einer ca. 360 m tiefen Forschungs-bohrung installiert (Abb.5.5). Dabei wurde das faserop-tische Strain-Kabel zusammen mit einem faseroptischenTemperatur-Logging-Kabel und einem Elektroden-Array zur Messungen von Fluid-Veränderungen in derForschungsbohrung Tri5 auf Trizonia Island (Griechen-land) eingebaut. Ziel der Untersuchungen ist das Ver-ständnis der geomechanisch-thermisch-hydraulischenSituation der durchteuften Störzonen-Schichten in einerder seismisch aktivsten Regionen Europas.

Ein weiteres Anwendungsfeld für faseroptische Senso-rik ist das Bauwerksmonitoring im Spezialtiefbau. Hierbesteht großer Bedarf an strukturintegrierten Monitor-Systemen, um die mechanischen Boden-/Bauwerks-Wechselwirkungen zu messen und zu analysieren. Aufeiner Baustelle in Berlin wurde die Stauchung einesBohrpfahls aus Stahlbeton mit speziellen Faser-Bragg-Gitter-Sensoren (FBG) im Vergleich zu konventionellenMessaufnehmern (Betonverformungsgeber, BVG) invorbestimmten Messquerschnitten (MQ) überwacht(Abb. 5.6). Das Experiment lieferte eine Widerstands-Setzungslinie und eine lastabhängige Zeitsetzungsliniesowie die Mantelreibung zwischen Pfahl und Baugrund(Abb. 5.7). Die faseroptischen Sensoren erfüllten dieErwartungen an ein robustes, schnell installierbares undgegenüber elektromagnetischen und korrosiven Störein-flüssen unempfindliches Messsystem.

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Abb. 5.5: Faseroptische Deformations-Sensoren für das Multi-Parameter-Monitor-Programm in der Forschungs-bohrung Tri5, Trizonia Island, Golf von Corinth, Griechenland.

Fiber optic deformation sensors for the multi-parameter monitoring program in the research well Tri5, TrizoniaIsland, Gulf of Corinth, Greece

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Laserextensometer zur Erfassung lokalisierterGesteinsdeformationen

In Laborversuchen zur Materialforschung an Gesteinenin der triaxialen Hochdruckpresse des GeoForschungs-Zentrums wurden Experimente zur Bestimmung des lo-kal aufgelösten Deformationsfeldes an Metamorphitendurchgeführt. Hierbei wurde erstmals ein neuartigerLaser-Kreuzscanner eingesetzt, mit dem die Bestim-mung des Dehnungsfeldes an Gesteinsproben über zweiorthogonale Richtungen in Echtzeit möglich ist. In ein-achsigen Kompressionsversuchen wurde die Entwick-lung der ortsaufgelösten axialen Dehnung erfasst. Dabei

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Abb. 5.6: Faseroptische Instrumentierung einer Probepfahlbelastung auf einer Baustelle in Berlin.

Fiber optic instrumentation of a test pillar strain at a construction site in Berlin

Abb. 5.7: Verformungs-Verhalten eines Bohrpfahls unterquasi-statischer Belastung. (a) Vergleich der faseroptis-chen Sensoren (FBG) mit den konventionellen Mess-aufnehmern (BVG) in drei untersuchten Pfahlabschnitten(MQ1-MQ3), (b) Mantelreibung als Funktion der Pfahl-setzung (Last-Setzungs-Linie).

Deformation behaviour of a drilling pillar under quasistatic strain (a) comparison of the fiber optic sensors(FBG) with the conventional measuring sensors (BVG)at three investigated pillar intervals (MQ1-MQ3), (b)mantle friction as a function of pillar strain.

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konnte die zeitliche Entwicklung typischer Scherbrüchedurch lokal stark erhöhte Deformationen beobachtet wer-den (Abb. 5.8). Hiermit bieten sich neue Möglichkeitenzur Analyse von Dehnungs-Lokalisierungen, die das Ver-sagensverhalten von Gesteinen wesentlich mitbestimmen.

Einfluss von CO2-Injektionen auf die physikali-schen Eigenschaften von Gesteinen

Im Rahmen des CO2 Capture Project des US Depart-ment of Energy (DoE) wurden am GFZ Potsdam Me-thoden zur sicheren und umweltverträglichen Langzeit-speicherung von CO2 in porösen Gesteinen (z.B. Sand-steinen) entwickelt. Dazu gehören auch Methoden zurÜberwachung und Risikoabschätzung. Die Arbeiten desGFZ Potsdam konzentrieren sich auf die experimentelleUntersuchung von Gesteins-/Fluid-Wechselwirkungen.Mit Hilfe einer triaxialen Hochdruckzelle werden geo-physikalische und geochemische Vorgänge untersucht,die in Sandsteinen ablaufen, wenn diese im Kontakt mitSalzlösungen und mit CO2 stehen (Abb. 5.9). Die Unter-suchungen laufen bei Druck- und Temperaturbeding-ungen ab, die repräsentativ für tiefe Aquifere sind, dieals Zielhorizont in Frage kommen (1000 m und tiefer).Dabei werden kontinuierlich geophysikalische und geo-mechanische Daten aufgenommen, wie z.B. seismischeGeschwindigkeiten, spezifischer elektrischen Wider-stand und Strain. Außerdem ermöglicht die Anlage dieGewinnung von Fluidproben, die mit dem Gestein inWechselwirkung standen. Die Proben werden chemischanalysiert und ergeben quantitative Daten zur Mobili-

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Abb. 5.8: Ortsaufgelöstes Spannungs-Dehnungs-Diagramm eines kontaktmetamorphen Schiefers: Entwicklung vonScherbrüchen durch vertikale Kompression mit deutlich erhöhter lokaler Deformation im Bereich derVersagensflächen vor Erreichen der maximalen Festigkeit der Probe

High-resolution stress-expansion diagram of contact metamorphic schist: development of shear faults through ver-tical compression with considerably increased local deformation in the instable zone before reaching the maximumstability of the sample

Abb. 5.9: Sandsteinprobe mit geophysikalischen Sen-soren bestückt; unten ist die Bodenplatte der Hoch-druckapparatur zu sehen. Durch Absenken des über derProbe befindlichen zylindrischen Mantels wird dieProbe komplett umschlossen, und der Druck kann mittelsHydrauliköl aufgebaut werden. (Foto: S. Raab, GFZ)

Sandstone sample fitted with geophysical sensors, thebase of the high-pressure apparatus can be seen below.Through sinking of the cylindrical cover located abovethe sample, the sample is completely enclosed and pres-sure can be built up using hydraulic oil.

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sierung von Ionen durch die Einwirkung von Salzlö-sungen und superkritischem CO2. Diese gekoppeltengeophysikalischen und geochemischen Experimenteunter simulierten in-situ-Bedingungen werden weltweitnur am GFZ Potsdam durchgeführt und sind erforder-lich, um realistische Parameter für Planungen undnumerische Modellierungen zu liefern.

Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass Salzlösung undCO2 die seismischen Geschwindigkeiten, die Dämpfungseismischer Wellen und den spezifischen elektrischenWiderstand beeinflussen. Diese Größen sind damitpotentielle Kandidaten für ein geophysikalischesMonitoring. Die gleichzeitige Verwendung von Kom-pressions- und Scherwellengeschwindigkeiten ermög-licht eine Trennung von Saturations- und Druckeffekten(Abb. 5.10). Die Dämpfung der Kompressionswellenreagiert besonders empfindlich auf den CO2-Sättigungs-grad. Die geochemischen Analysen der Gesteinsprobenvor und nach den Experimenten sowie die Analysen derFluidproben zeigen, dass durch die Salzlösungen Kat-ionen mobilisiert werden, die vom Fluid transportiertwerden können. CO2 erhöht die Reaktionsraten teilweiseerheblich. Diese Vorgänge können die hydraulische Per-meabilität verringern oder erhöhen sowie die Festigkeitdes Gesteins verändern.

Reservoir Productivity Engineering – Geother-mische Technologieentwicklung im in-situ-Geo-thermielabor Groß Schönebeck

Die Erde birgt ein nach menschlichen Maßstäben uner-schöpfliches Potenzial an Wärme, nicht nur in vulkanis-chen Gebieten. Die unterhalb der festen Oberfläche derErde gespeicherte Energie stammt aus dem ständigen

Zerfall radioaktiver Elemente und aus dem kontinuier-lichen Wärmestrom, der täglich ungenutzt vom Erdinne-ren an die Oberfläche dringt.

Erdwärme steht, anders als Wind und Sonne, jederzeitunabhängig von Klima und Jahreszeit zur Verfügung.Auch Deutschland verfügt über große Vorkommen, diejedoch noch wenig erschlossen sind, wenn auch dieNutzung zur Wärmeversorgung in den letzten Jahrenstark zugenommen hat. Oberflächennahe Erdwärmewird heute bereits in einer Vielzahl von Heizanlagen miterdgekoppelten Wärmequellen und Wärmepumpengenutzt und ist Stand der Technik.

Auch als alternative Grundlastenergie rückt Erdwärmeimmer mehr in den Mittelpunkt des Interesses. Ländermit geothermischen Anomalien wie Italien, Island, USAund Japan betreiben Energiegewinnung aus Erdwärmeund deren wirtschaftliche Wandlung in elektrischenStrom bereits seit vielen Jahren erfolgreich.

In Deutschland könnte der energetische Grundlastbedarfzumindest teilweise mit Strom aus Erdwärme versorgtwerden, wenn es gelingt, die Kosten und Risiken der Er-schließung nachhaltig zu senken. Die Herausforderungliegt daher in der Entwicklung von Technologien, mitdenen die Ergiebigkeit geothermischer Lagerstätten un-abhängig vom Standort und den geologischen Beding-ungen gezielt beeinflusst werden kann. Deutschland um-fasst geologisch das sogenannte Nordostdeutsche Becken,ein Teil eines großen Sedimentbeckensystems, das sichvon Holland bis zu den baltischen Staaten erstreckt.Derartige Sedimentbecken, die meist recht einfach ausunterschiedlichen, übereinander lagernden Sediment-gesteinsschichten aufgebaut sind, enthalten großeRessourcen an heißen Tiefenwässern und sind weltweit

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Abb. 5.10: Effekt von Salzlösung (dunkelblau), CO2 (violett) und Frischwasser (hellblau) auf die seismischen Ge-

schwindigkeiten von Kompressionswellen (Rauten) und Scherwellen (Dreiecke) in Abhängigkeit von der Differenzzwischen Umschließungs- und Porendruck.

Effect of brine (dark blue), CO2 (violet) and fresh water (bright blue) on the seismic velocity of compressional waves

(diamonds) and shear waves (triangles) as a function of the difference between the confining and pore pressure.

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verbreitet. Da sie auch die Hauptträger von Kohlen-wasserstoff-Vorkommen darstellen, sind sie in der Regeldurch geophysikalische Tiefensondierungen und Explo-rationsbohrungen gut erkundet, so dass das geothermi-sche Fündigkeitsrisiko relativ niedrig ist. Die hier ent-wickelten Techniken und Verfahren sind deshalb inhohem Maße exportfähig.

In-situ-Geothermielabor Groß Schönebeck

Die Entwicklung geeigneter Erschließungstechnologienzur Nutzung der Untergrundwärme bildet seit einigenJahren einen der Forschungsschwerpunkte am GeoFor-schungsZentrum Potsdam.

Im Rahmen mehrerer von Bund und Land geförderterForschungsprojekte werden neue Verfahren zur Nutzungvon Heißwasservorkommen für die Stromerzeugungentwickelt und getestet. Die im brandenburgischen GroßSchönebeck, einem Standort im Norddeutschen Sedi-mentbecken, gelegene Forschungsbohrung E GroßSchönebeck 3/90 mit dem in-situ-Geothermielabor dientder Durchführung geowissenschaftlicher Messungenund Experimente.

Der Standort der Bohrung im Nordosten Brandenburgswurde auf der Basis geologischer und bohrtechnischerDatenanalysen ausgewählt (2000). Mehr als 50 Altboh-rungen, die für die Durchführung von Stimulationsexpe-rimenten und die angestrebte Nachnutzung geeignetschienen, wurden anhand der Bohrakten (lithologischeProfile, Gesteinsparameter, Zementationsprotokolle,Bohrberichte u.a.) recherchiert. Die Wahl fiel auf die1990 abgeteufte Erdgasexplorationsbohrung E GrSk3/90. Die mit Zement verfüllte Bohrung wurde imWinter 2001 aufgewältigt und um 54 Meter auf 4.294Meter vertieft. In der Bohrung wurde ein in-situ-Versuchs- und Messlabor eingerichtet, das Bohrloch-messungen und Experimente in der Tiefe ermöglicht.

Die Bohrung erschließt geothermisch interessanteHorizonte des Norddeutschen Beckens in Tiefen zwis-chen 3.900 und 4.300 Metern bei Temperaturverhältnis-sen um 150 °C. Sie hat im unteren Teil einen Durch-messer von 15 Zentimetern und ist bis zu einer Tiefe von3.873 Metern teleskopartig verrohrt. Im Oktober 2003wurde die Bohrung nochmals auf eine Endteufe von4.309 Metern bis in das Karbon vertieft.

Zur Bestimmung des Ausgangszustandes der Bohrungfanden 2001 ein hydraulischer Test und umfangreicheBohrlochmessungen statt. Gesteinsproben wurden ge-nommen und anhand von Laborstudien und Bohrloch-messungen charakterisiert.

Reservoirstimulationen in der Bohrung Groß Schöne-beck

Bereits vorliegende Erkenntnisse zur Erschließung undCharakterisierung dieses in weiten Regionen des Nord-deutschen Sedimentbeckens in Tiefen von ca. 4.000 bis

5.000 Metern verbreiteten Speichertyps basieren größ-tenteils auf Erfahrungen der Erdöl- und Erdgasindustrie,für die hier untersuchten Warmwasservorkommen unterdem Aspekt ihrer geothermischen Nutzung jedoch nurbegrenzt anwendbar.

Neben den genannten Mindesttemperaturen ist die sta-bile Förderung großer Mengen von Thermalwasser eineweitere Grundvoraussetzung für die Energiegewinnung,denn die Wärme wird durch Wasser zur Bohrung trans-portiert. Hochporöse und gut durchlässige Gesteinskör-per mit einem hohen Anteil hydraulisch verbundenerPoren gewährleisten eine gute Durchströmung und einenhohen Wasserzufluss zur Bohrung. In Tiefen mit Min-desttemperaturen um 150 °C ist die natürliche Permea-bilität (Durchlässigkeit) der Gesteine jedoch nicht aus-reichend. Die Gesteine müssen stimuliert - künstlichaufgebrochen - werden, damit das Wasser ungehindertzirkulieren kann. In der Entwicklung effektiver Stimu-lationstechnologien zur gezielten Produktivitätssteige-rung geothermischer Reservoire liegt daher der Schlüs-sel zum Durchbruch der Geothermie.

Was versteht man unter Stimulation? Stimulationsexpe-rimente haben die künstliche Erzeugung eines weitre-ichenden Risssystems im Gestein und den Anschluss annatürlich vorhandene wasserführende Klüfte zum Ziel.Dabei werden große Mengen Wasser oder anderehochviskose Flüssigkeiten unter hohem Druck in denUntergrund verpresst. Durch die Druckverhältnisse unddie im Gebirge vorherrschenden Spannungen werdenRisse und Klüfte im Gestein erzeugt (hydraulic fractur-ing). Später im Betrieb der geothermischen Anlage kannnun das im Untergrund vorhandene Wasser das Gesteindurchströmen und die mitgenommene Wärme zur För-derbohrung transportieren. Das Riss- und Kluftsystemfunktioniert dabei primär als Transportweg sowie zusätz-lich als untertägiger Wärmetauscher.

Stimulationsexperimente in den Sandsteinhorizonten(2002)

Die ersten Stimulationsexperimente fanden in denSandsteinhorizonten in 4.200 Metern Tiefe statt (2002).Sie wurden noch weitgehend konventionell, d.h. auf derBasis der aus der Kohlenwasserstoff-Exploration vor-liegenden Erfahrungen durchgeführt. Mehrere HundertKubikmeter einer hochviskosen Flüssigkeit wurden beieinem Überdruck von 17 MPa über die Bohrung in dasGebirge injiziert, um das Gestein hydraulisch aufzu-brechen, neue Risse zu erzeugen und vorhandene zuerweitern. Stützmittel in Form kleiner Sandkügelchenwurden eingebracht, um die Risse offen zu halten. Nachder Stimulation vorgenommene Messungen zeigen, dassnun mehr Wasser durch das Gestein zur Förderbohrungströmen kann. Ein anschließend durchgeführter Produk-tionstest weist entsprechend höhere Fließ- und Förder-raten nach. Das Experiment ist demnach erfolgreich ver-laufen. Es hat gezeigt, dass schon geringe Druckan-

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regungen eine Antwort vom Gebirge erzeugen, d.h. Rissekönnen schon bei moderatem Druck initiiert werden.

Die Testserie war zudem ein operationeller Erfolg. Sowurden z.B. erstmals in der Tiefe im unverrohrten Bohr-loch mechanische Packer problemlos mehrmals gesetztund entfernt, ein Vorgang, der generell ein hohes Risikobirgt.

Langzeitpumptest Sommer 2002

Zur Abschätzung der hydraulischen Parameter, welchein Folge der Stimulation verändert wurden, fand im Au-gust/September 2002 ein Langzeitpumptest mit einemFördervolumen von 700 m3 statt. Über einen Zeitraumvon 46 Tagen wurden unter moderaten Druckbeding-ungen die Durchlässigkeit der unterschiedlichen Ge-birgshorizonte, die Ausdehnung des Reservoirs und diechemische Zusammensetzung des Tiefenwassers be-stimmt. Im Vergleich mit den Daten vor der Testseriewurden die Auswirkungen der Sandsteinstimulationabgeschätzt, deren Berücksichtigung für weiterführendeExperimente von Bedeutung ist.

Die Bohrung war nach Abschluss des Langzeitpump-tests frei zugänglich und in der kompletten Länge be-fahrbar.

Massive Stimulationsexperimente (2003)

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten Projek-tes „Erschließung potenzieller geothermischer Speicherim Norddeutschen Becken – Wissenschaftliche Grund-lagen und Experimente zur Stimulation von Vulkanitenin der Geothermiebohrung Groß Schönebeck“ begannim Januar 2003 die zweite Phase der Stimulations-experimente.

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Abb. 5.11: Hydraulisch erzeugter vertikaler Riss in einer Bohrung

Hydraulically produced fracture in a borehole

Abb. 5.12: Installation der Pumpe (Foto: M. Poser,GFZ)

Installation of the injection pumps

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Im Verlauf der Experimente wurden insgesamt 14.000 m3

Wasser sukzessive unter hohem Druck in den Unter-grund injiziert. Drei ca. 80 Meter tiefe Wasserbrunnenstellen die Wassermengen bereit. In speziellen Behälternmit einer Kapazität von 1500 m3 wurde das Wasser zwis-chengespeichert, um hohe Fließraten bis 80 l/s reali-sieren zu können. Das Wasser wird chemisch aufbereitet,damit die Verträglichkeit mit dem Gestein und denTiefenwässern gewährleistet ist.

Stufeninjektionstest

Im ersten Abschnitt des Experimentes fand im Januar/Februar 2003 ein Stufentest, bestehend aus Vor- undHaupttest, statt. Bereits im Vortest waren mit steigenderInjektionsrate erhöhte Druckverhältnisse zu verzeichnen.Ab Ende Februar 2003 lief der Haupttest. Sukzessivewurde dabei die Injektionsrate zunächst bis 24 l/s er-

höht. Innerhalb dieser Steigerung stellte sich eine deut-liche Wirkung ein. Die Daten zeigen, dass sich bereitsab einer Injektionsrate von 8 l/s mit ansteigender Injek-tionsrate der Druckanstieg verringert. Entsprechenderhöht sich die Injektivität, das heißt, es wurde mehrFlüssigkeit je Druckeinheit verpresst.

In einem anschließenden Test wurde untersucht, ob dieInjektivitätssteigerung auch mit einer Produktivitäts-steigerung verbunden ist. Während eines fünfstündigenTests wurden 250 m3 Wasser aus der Tiefe gefördert. ImVergleich zu den im Sommer 2002 durchgeführtenPumptests lag die Produktivität damit um mehr als das6-fache höher. Das weist einen vermehrten Zufluss zurBohrung nach, was dafür spricht, dass durch dieStimulation zusätzliche Risse in den Speichergesteinenerzeugt wurden. Die Stimulation ist demnach erfolgreichverlaufen.

342

Abb. 5.13: In Anwesenheit von Vertretern des BMU, MWFK und des Ministeriums für Wirtschaft des LandesBrandenburg fiel am 27.2.2003 der Startschuss zu den Stimulationsexperimenten in der Bohrung Groß Schönebeck.Am Rednerpult: Dr. Helm, MWFK, v.r.n.l.: U. Schoknecht, Bürgermeister Gemeinde Finowfurt; Prof. Dr. Dr.h.c.Emmermann, Vorstandsvorsitzender GFZ Potsdam; Prof. Dr. Vahrenholt, Vorstandsvorsitzender Repower SystemsAG; S. Stahl, BMU; R. Schulz-Roloff, Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg; Dr. Huenges,Projektleiter Geothermieprojekt GFZ Potsdam (Foto: C. Thänert, GFZ)

In the presence of representatives of Federal Ministries and Ministries of State of Brandenburg the stimulationexperiment was started on 27th February, 2003.

Abb. 5.14: Ergebnisse der Stimula-tionstests November 2003

First results of the stimulation testNovember 2003

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Aufwältigung und Sicherung der Bohrung (2003)

Die massiven Injektionstests und daraus resultierendeWechselbelastungen im Gestein haben Bohrlochrand-ausbrüche hervorgerufen, die bei der Fortführung derExperimente zu einer Verstopfung der Bohrung hätteführen könnten. Um dieses Risiko auszuschalten, wur-den die Experimente unterbrochen und ein Konzept zurAufwältigung, Räumung und Sicherung der Bohrungerstellt (Abb. 5.15). Die Weiterführung der massivenStimulationen und die geplante Nachnutzung sollten nurin einer gesicherten Bohrung durchgeführt werden.

Im Oktober 2003 wurde eine Bohranlage aufgebaut, dasBohrloch geräumt und eine zusätzliche Verrohrungeingebracht. Vor Einbringen der zusätzlichen Verroh-rung wurden im offenen Bohrlochabschnitt struktur-sowie lithologiebestimmende Messungen durchgeführt.Der spätestens im Experiment zu Jahresbeginn erzeugtevertikale Riss von ca. 150 m Länge wird durch dieFormationMicroImaging-Messung deutlich abgebildet.Weitere Messungen belegen, dass im Bereich derEndteufe das Rotliegend durchteuft ist (Abb. 5.16)

Ein Schutzstrang mit gelochten Rohren im Speicherbe-reich, die die Anbindung an das Reservoir gewährleisten,wurde im Tiefenbereich von 3.985 bis 4.300 m einge-bracht. In der gesicherten Bohrung wurden die massivenStimulationsexperimente im November/Dezember 2003fortgesetzt.

343

Abb. 5.15: Bohranlage zur Aufwältigung und Sicherungder Bohrung, Groß Schönebeck, Oktober 2003 (Foto: A.Saadat, GFZ)

Drilling rig for the opening and clearance of the bore-hole, Groß Schönebeck, October 2003

Abb. 5.16: FormationMicroImaging-Messungen in der Bohrung Groß Schönebeck 3/90 nach der ersten massivenWasserfracbehandlung im November/Dezember 2003

Measurements of FormationMicroImager in the well Groß Schönebeck 3/90 after the first massive waterfrac treat-ment in November/December 2003

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Ergebnisse

Die Stimulationsexperimente wurden mit einer ununter-brochenen Injektion von leicht angesäuertem Wasservon 30 l/s und zeitweise 40 l/s über mehrere Tage durch-geführt. Kurzzeitig wurde die Injektionsrate auf 80 l/sgesteigert. Ein kontrolliertes Produktionsexperimentzeigte, dass die Stimulation eine Steigerung der Produk-tivität auf mindestens 14 m3/(h MPa) - hier bestimmtbeim Riss-Schließungsdruck – erreicht hat. Eine Abstüt-zung mit Stützmitteln würde diese Produktivität gewähr-leisten. Damit wurden die Arbeitsziele der Herbstexperi-mente erreicht. Die Bohrung ist frei zugänglich bis4.268,5 m. Die Bohrung wurde verschlossen und nachAbbau der Bohranlage wird eine permanente Druck-und Temperaturbeobachtung in der Bohrung durchge-führt. Die bestehende Bohrung soll nicht als Förder-,sondern als Schluckbohrung verwendet werden. Dienotwendigen Injektivitätswerte wurden im Verlauf derExperimente verschiedentlich gezeigt. Aus geometri-schen Gründen ist es besser, die neue, zweite Bohrungzur Förderung zu verwenden. Sie soll im Speicherbereich

abgelenkt werden und damit mit größeren Zuflußflächenausgestattet werden.

Im Kontext mit den anderen durchgeführten Stimula-tionsexperimenten ist im Verlauf der Jahre eine stetigsteigende Lernkurve bzgl. der erzielten Produktivitätverzeichnet worden. Die Methode des massiven Wasser-fracs ergänzt durch eine abschließende Stützmittelbe-handlung zur Sicherung der Rissöffnung erweist sichdamit als Schlüsselverfahren für eine zukünftige Tech-nologie der geothermischen Stromerzeugung aus sedi-mentären geothermischen Reservoiren.

Ausblick

Nach den erfolgreichen Tests liegt nun ein Verfahrenvor, mit dem die Produktivität aus einer niedrigther-malen sedimentären Lagerstätte so gesteigert werdenkann, dass geothermische Stromerzeugung realisiertwerden kann. Der Erfolg rechtfertigt die Abteufungeiner zweiten Bohrung am Standort. Das nächste Zielmit der zweiten Bohrung ist die Durchführung einesKommunikationsexperimentes. Die Langzeitzirkulationzwischen den zwei Bohrungen soll zeigen, ob daserzeugte Risssystem dauerhaft als Transportweg und alsWärmetauscher genutzt werden kann.

Das Konzept einer späteren geothermischen Nutzungsieht vor, dass die aus der zweiten Bohrung (Förder-bohrung) geförderten Tiefenwässer nach ihrer thermis-chen Nutzung über die erste Bohrung (Injektions-bohrung) wieder in den Speicher eingeleitet werden.

Kann eine entsprechende Produktivität nachgewiesenwerden, ist in Kooperation mit Partnern aus der Indus-trie die Errichtung einer Demonstrationsanlage amStandort vorgesehen, die vor allem verfahrenstechnischeFragen klären soll. Die Wirtschaftlichkeit geothermisch-er Stromerzeugung steht dabei im Vordergrund.

Dass Stromerzeugung aus Erdwärme unter hiesigengeologischen Bedingungen prinzipiell realisierbar ist,zeigt die kürzlich in Neustadt-Glewe in Betrieb

344

Abb. 5.17: Gelochte Liner, eingesetzt im Teufenbereich4.135 bis 4,300 m (Foto: G. Zimmermann, GFZ)

Slotted Liner, installed in depth 4135 to 4300 m

Abb. 5.18: Aus kurzzeitigenTests ermittelte Produktivi-tätsindizes nach Abschlußder jeweiligen Behandlung.Der Wert vom Februar 2003ist von nicht quantifizier-baren Reibungswerten ge-prägt, so dass er höher liegt.Der Wert vom Dezemberwurde beim Riss-Schlie-ßungsdruck bestimmt.

Experience in enhancingproductivity in Groß Schö-nebeck 3/90. The table be-neath the figure reflects se-veral treatments since 2000.

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genommene Kraft-Wärmekopplungsanlage. Die Pilot-anlage ermöglicht erstmals, auch in Deutschland geo-thermische Stromerzeugung zu demonstrieren und theo-retische Berechnungen und Modelle praktisch mitKraftwerksdaten zu untermauern.

Konzeption, Bau und Betrieb der Anlage werden vomGFZ Potsdam wissenschaftlich begleitet. Daten zumThermalwasser- , Kraftwerks- und Kühlkreislauf werdenunter verfahrenstechnischen und energiewirtschaft-lichen Aspekten analysiert, um Optimierungspotenzialeim System zu erschließen.

Bereits in der Planungsphase des Kraftwerkes entwick-elte das GFZ ein angepasstes Messkonzept. Diesesermöglicht nicht nur eine vollständige Energiebilanz derGesamtanlage, sondern auch die Analyse einzelnerKomponenten, insbesondere der ORC-Turbine (OrganicRankine Cycle), dem Herzstück der Anlage.

Neue Generation von Erdbebengefährdungsein-schätzungen und numerische Modellierungkrustaler Deformations- und Bruchprozesse

Die Erarbeitung praxisrelevanter Gefährdungsaussagenfür das Erdbebeningenieurwesen ist ein wesentlichesZiel der Forschungsarbeiten in der Sektion 5.3. ImRahmen des „Deutschen Forschungsnetzes Naturkatas-trophen“ (DFNK) wurden Methoden für eine neueGeneration von Erdbebengefährdungseinschätzungenentwickelt und auf das Testgebiet des DFNK, die Nie-

derrheinische Bucht, angewandt. Basis dieser neuenErdbebengefährdungsanalysen ist die konsequente prob-abilistische Behandlung der seismologischen, paläoseis-mologischen, geodätischen und geologischen Eingangs-daten mittels der Technik des „Logischen Baumes“.Dies ermöglicht neben der Berechnung der Gefähr-dungsgrößen (Spitzenbeschleunigung, makroseismischeIntensität) in Form von Mittel- oder Medianwerten auchdie Angabe entsprechender Fraktile ihrer Standardab-weichung.

Die seismologischen Eingangsdaten für das Untersu-chungsgebiet wurden der in der Sektion 5.3 erarbeitetenhomogenen, Mw-basierten Seismizitätsdatenbank fürZentral-, Nord- und Nordwesteuropa entnommen.Dieser Katalog enthält die tektonischen Beben ab derMagnitude Mw = 3,5 im Gebiet 44°N bis 72°N und25°W bis 32°O für den Zeitraum 1300 bis 1993 aus 25lokalen Katalogen und 30 Spezialstudien. Jeder der ca.5.000 Einträge besteht aus Herdzeit, Herdort, Moment-magnitude Mw, einer Referenz und, falls im Originalangegeben, I0. Dazu waren alle Daten nach dem Ereig-nistyp zu unterscheiden, Scheinbeben und Doublettenzu eliminieren und die unterschiedlichen Magnitudenund Intensitäten I0 nach der Momentmagnituden Mw zukonvertieren, wenn dieser Wert in der Originalquellenicht vorlag. Diese Konversion erforderte z.T. dieErstellung lokaler Regressionsbeziehungen zwischenden unterschiedlichen Magnituden bzw. Intensitäten dieauch die Fehler in den Ausgangsdaten berücksichtigen.

345

Abb. 5.19: Erste deutsche Organic Rankine Cycle-Turbine (ORC) zur geothermischen Stromerzeugung am StandortNeustadt-Glewe, Mecklenburg Vorpommern (300 PS) (Foto: K. Erbas, GFZ)

First German Organic Rankine Cycle-Turbine (ORC) for geothermal electricity production at Neustadt-Glewe,Mecklenburg Vorpommern (300 PS)

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Waren die Beben in mehreren Katalogen oder Spezial-untersuchungen aufgeführt, wurden sie entsprechendeiner Prioritätsliste selektiert. Die Berechnung der Mag-nitude Mw aus anderen Magnituden oder Intensitätenerfolgte nach einem weiteren Prioritätsschema.

Für die Niederrheinische Bucht wurden seismischeQuellregionenmodelle aus neuen fernerkundungs-basierten Neotektonikdaten sowie unter Einbeziehungder Bruchtektonik für den Raum von Niederrhein undArdennen anhand neuester Arbeiten in Belgien, derNiederlande und des Geologischen Dienstes von NRWerarbeitet. Verschiedene Varianten solcher Quellregio-nen-Modelldefinitionen finden mit unterschiedlicherseismotektonisch begründeter Wichtung Eingang in dieGefährdungsberechnungen. Diese Modelle erweiternbzw. ersetzen frühere Modelle für Deutschland, Österre-ich und die Schweiz (D-A-CH). Die Modelle in Abb.5.20 zeigen verschiedene Kombinationen dieser neuenZonen zusammen mit den D-A-CH- Zonen, die eineRelevanz für die Gefährdungsberechnungen der RegionKöln/Aachen besitzen.

Mit der Entscheidungsbaum-Methodik („LogischerBaum“) werden bei der Berechnung der seismischenGefährdung die Unsicherheiten bzw. Wichtungen derverschiedenen Eingangsparameter, Modelle undFunktionen so berücksichtigt, dass die Unsicherheitenim Ergebnis mit Hilfe von Fraktilen quantifizierbar wer-den. Der Einfluss der unterschiedlichen Eingangspa-rameter auf eine seismische Gefährdungsanalyse wurdefür das DFNK-Testgebiet eingehend studiert (Abb.5.21). Folgende Sensitivitätsaussagen konnten verifi-ziert werden: (1) Die Einteilung eines Untersuchungs-gebietes in seismische Quellregionen hat einen signifi-kanten Einfluss auf das Ergebnis von Gefährdungs-berechnungen. Die Einbeziehung verschiedener, mög-lichst unabhängig voneinander abgeleiteter Quellregio-nenmodelle ermöglicht die Berücksichtigung der epis-temischen Unsicherheiten in der Modellwahl. (2) DieWahl unterschiedlicher Dämpfungsrelationen kann u.U.zu beträchtlichen Unterschieden in den Gefährdungs-aussagen führen, da die Gefährdungsrechnungen sehrsensitiv auf diesen Parameter reagieren. (3) Die maxi-mal zu erwartende Magnitude Mmax hat für große Ein-treffenswahrscheinlichkeiten nur einen geringeren Ein-fluss auf die Gefährdung, der jedoch mit kleiner werden-

der Eintreffenswahrschein-lichkeit ansteigt. Die im Rah-men von DFNK gefordertenEintreffenswahrscheinlichkei-ten von 2% in 50 Jahrenliegen bereits in dem Bereicheiner erhöhten Relevanz desParameters Mmax. (4) DieWahl eines unteren Magnitu-denniveaus Mmin, ab demBeben Schäden verursachenkönnen, beeinflusst die Ge-fährdung für kurze Wieder-holungsraten merklich undwächst mit fallendem Mmin.(5) Herdtiefe und Gefähr-dung korrelieren klar mitein-ander (steigende Gefährdungbei geringer werdenden Tie-fen), insbesondere für grö-ßere mittlere Wiederholungs-raten. Die generell großeFehlerbreite bei der Tiefen-angabe von Beben sowie dieteilweise spärlichen Tiefen-werte in einigen Quellregio-nen tragen zur Unsicherheitin den Gefährdungsabschät-zungen bei.

346

Abb. 5.20: Verwendete Quellregionenmodelle der Gefährdungsberechnung. Die Modelle a, b, c und d sind unter-schiedliche Kombinationen der neuen, detaillierten Zonierung der Niederrheinischen Bucht mit dem D-A-CHModell.

Applied model of source regions for risk calculation. The models a, b, c, and d are different combinations of the new,detailed zoning of the Lower Rhine inlet with the D-A-CH model.

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Die konkreten Gefährdungsrechnungen für die RegionKöln/Aachen beruhen auf den folgenden Eingangspara-metern: (1) Mw- und I0-Werte aus der oben erläutertenSeismizitätsdatenbank; (2) makroseismische EMS-98-Intensitäten, die eine direkte Umsetzung in Schadens-grade und damit Verlustgrößen gestatten, womit ein un-mittelbarer Zugang zur Risikobewertung gegeben ist;(3) Regionalisierungsmodelle der seismischen Quell-zonen für die Niederrheinische Bucht (vgl. Abb. 5.20);(4) Spitzenbodenbeschleunigungen und Pseudobe-schleunigungen von Antwortspektren bei Perioden vonT = 0,4s und T = 1,0s für Festgesteinsoberflächen undSpitzenbodenbeschleunigungen für Sande; (5) Mag-nituden- und Intensitätsdämpfungsrelationen; (6) a- undb-Werte der Magnitudenhäufigkeitsbeziehungen fürjede Quellregion sowie ihre entsprechende Streuung; (7)„a posteriori“ Verteilungsfunktionen für die maximalerwartete Magnituden- und Intensitätsverteilung; (8)Herdtiefenverteilung von Beben im Rheingebiet undseiner Umgebung.

Eine wesentliche Entscheidung im Hinblick auf prakti-sche Anwendungen der Gefährdungskarten betrifft dasGefährdungsniveau der zu berechnenden bzw. darzustel

lenden seismischen Gefährdung. Wegen der Zielstel-lung, die Gefährdungsdaten in Risikoaussagen zu über-führen, wurde für die hier dargestellten Ergebnisse dasGefährdungsniveau für die Eintreffens- oder Überschre-itenswahrscheinlichkeit von 2% in 50 Jahren gewählt,welches international zunehmend die Basis für Risiko-abschätzungen bildet. Karten für den Median derGefährdung der Niederrheinischen Bucht für diesesWahrscheinlichkeitsniveau (Wiederholungsperiode von2.475 Jahren) werden in den Abb. 5.22(a-c) für dieSpitzenbeschleunigung bzw. die Pseudobeschleunigungbei T = 0,4s und T = 1,0s gezeigt. Abb. 5.22(d-f) stelltdie 84% -Fraktile der Spitzenbeschleunigung bzw. diePseudobeschleunigung bei T = 0,4s und T = 1,0s für diegleiche Wiederholungsperiode dar. Die Medianwertesind zu verstehen als die „besten“ Schätzungen unterden gegebenen Voraussetzungen. Die 84% -Fraktilerepräsentieren eine konservative Schätzung. DieseErgebnisse beruhen auf Bodenparametern für Fest-gestein. Im Vergleich dazu zeigt Abb. 5.22g die ent-sprechende Gefährdungskarte der Spitzenbeschleuni-gung für weichen Untergrund. Diese berechneten Ge-fährdungskarten finden direkte Anwendung in derPraxis des Erdbebeningenieurwesens.

347

Abb. 5.21: Entscheidungsbaumstruktur der Eingangsdaten für die Gefährdungsanalyse auf der Grundlage vonBeschleunigungen. Die Herdzonenmodelle werden in Abb. 5.20 gezeigt. Die Dämpfungsfunktion von Spudrich et al.(1999) gilt für Abschiebungstektonik, diejenige von Boore et al. (1997) für einen angenommenen „Strike-Slip“-Mechanismus und für einen nicht spezifizierten Herdvorgang.

Logic tree structure of the input data for the risk analysis on the basis of acceleration. The focal zone models areshown in Fig 5.20. The attenuation function of Spudrich et al. (1999) is valid for deportation tectonics, of Boore etal. (1997) for an assumed Strike-Slip mechanism and for a non-specific focal event.

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Der Erft-Sprung westlich von Kölnist die Hauptverwerfung, die dieStadt seismotektonisch beeinflusst.Für Szenarienbetrachtungen wurdendie erwarteten maximalen Magnitu-den und Intensitäten möglicherBeben an dieser Störung, die fürKöln relevant sind ermittelt (Tabelle5.1). Für die unterschiedlichenGefährdungsniveaus (Wiederho-lungsraten) werden die Mittelwerteund die 84% -Fraktile angegeben.

Im engen Zusammenhang mit denArbeiten zur Erdbebengefährdungs-einschätzung stehen die durchge-führten numerischen Simulations-rechnungen. Diese Simulationen, dieim wesentlichen mit der Distinct-Element-Methodik durchgeführtworden sind, liefern wichtige Bei-träge zu verschiedenen Aspekten derErdbebengefährdungseinschätzung,wie u.a. zur Magnituden-Häufig-keitsverteilung, zu maximal mögli-cher Bebenmagnituden, zur Interak-tion verschiedener Bebenherdgebie-te und zur krustalen Spannungs-akkumulation als wichtigsten Pro-zess in der Bebengenerierung.

Die Simulationen mit der Dinstinct-Element-Methodik konzentrierensich auf reine Strike-Slip-Verschie-bungen an ebenen Störungsstruk-turen, wobei für die Störung selbstunterschiedliche Modelle aus ver-schiedenen Störungssegmenten, d.h.mit einer oder mehreren potentiellenHerdflächen sowie Segmenten mitreinem „Gleitverhalten“, verwendetwurden. Speziell die Untersuchungender Wechselwirkung verschiedenerpotentieller Herdflächen sind ins

348

Abb. 5.22: Erdbebengefährdungskarten der Region Köln/Aachen für eineÜberschreitenswahrscheinlichkeit von 2% in 50 Jahren: (a) Spitzenbeschleu-nigung, Median, Festgestein; (b) 0,4s -Pseudobeschleunigung, Median, Fest-gestein; (c) 1,0s-Pseudobeschleunigung, Median, Festgestein; (d) Spitzen-beschleunigung, 84% -Fraktile, Festgestein; (e) 0,4s -Pseudobeschleunigung,84% -Fraktile, Festgestein; (f) 1,0s-Pseudobeschleunigung, 84% -Fraktile,Festgestein; (g) Spitzenbeschleunigung, Median, Sand.

Earthquake risk map for the Köln/Aachen region for a probability of 2% in 50years. (a) top-speed acceleration, median, hard rock; (b) 0.4s pseudo-accel-eration, median, hard rock, (c) 1.0s pseudo-acceleration, median, hard rock,(d) top-speed acceleration, 84% fractile, hard rock, 0.4s pseudo-acceleration,84% fractile, hard rock, (f) 1.0s pseudo-acceleration, 84% fractal, hard rock;(g) Top-speed acceleration, median, sand

Tab. 5.1.: Bebenszenarien für Köln

Earthquake scenarios for Cologne

T [Jahre]

475

2.475

10.000

Beben-Magnitude Mw

am Erft-Sprung mitdirekter Relevanz fürKöln

4,5

5,4

6,2

Erwartete berechnete Intensitäten für Köln (W)

Mittel 84% -Fraktile

VII

VII-VIII

VIII

(7,1)

(7,7)

(8,1)

VII-Viii

VIII

VIII-IX

(7,3)

(7,9)

(8,4)

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besondere für die Analyse realer Bebenszenarien vonBedeutung, u.a. bei der Ost-West-Migration der Stark-beben an der Nordanatolischen Störung. Auch inDeutschland zeigt die Erdbebentätigkeit entlang derAlbstadt-Scherzone im 20. Jahrhundert eine Migrationder größeren Beben (Magnitude > 5) von Süd nach Nord.

Zunächst wurden die prinzipiellen Eigenschaften desnumerischen Modells am Grenzfall einer singulärenHerdfläche analysiert, deren Versagen durch das Mohr-Coulomb-Gesetz beschrieben wird. Die potentielleHerdfläche selbst wird im Modell als Segment durchmehr als 1000 Subkontakte beschrieben und istumgeben von Segmenten, die selbst Spannungen akku-mulieren können, diese aber nicht durch einenSpannungsabfall bei Erreichen eines Grenzwertesabbauen können, sondern in diesem Falle eine reineGleitverschiebung aufweisen.

Zur Analyse der Simulationen für die ebene Störung miteiner singulären potentiellen Herdfläche wurde mitunterschiedlichen Modellparametern verschiedeneBruchserien berechnet und nach Gutenberg-Richter aus-gewertet, um Aussagen aus der Bebenverteilung zurmöglichen Korrelation zwischen Herdfläche und Maxi-malmagnitude treffen zu können und den Einfluss wei-terer Parameter auf die Maximalmagnitude zu unter-suchen. Die Ergebnisse zeigen, dass neben der in denModellen verwendeten Größe der potentiellen Herd-fläche (500 km2) auch die in den Simulationen verwen-dete viskose Dämpfung einen entscheidenden Einflussauf die generierte Bebenverteilung hat. Dabei führt eineniedrige Dämpfung zu einer Bebenverteilung mit einergrößeren Maximal-Magnitude (MW ∼ 6,8) und gleich-zeitig relativ weniger Schwachbeben im Vergleich zu

den Starkbeben (b-Wert nach Gutenberg-Richter ca.0,5). Eine starke Dämpfung führt zu einer stärkerenWichtung von Beben mit geringeren Magnituden (b-Wert ca. 1) und die Maximal-Magnitude wird deutlichreduziert(MW ∼ 6,2).

Die Wechselwirkung benachbarter Herdflächen, wie siebei den großen Türkeibeben im 2. Halbjahr 1999 auftrat,wurde durch Modellrechnungen an einer nicht-ebenenTransformstörung analysiert, um für die unter-schiedlichen Regimes, Transpression (Strike-Slip undKompression) und Transtension (Strike-Slip und Exten-sion), mögliche Unterschiede im Bruchprozess zu unter-suchen. Die Simulationen zeigen bei ansonsten gleichenParametern keine wesentlichen Unterschiede in der zeit-lichen Bebenverteilung für den Kompressions-, bzw.Extensionsbereich. Wie auch bei den Modellierungen aneiner singulären Bruchfläche zeigen aber auch dieseSimulationen die charakteristische Verteilung von Vor-und Nachbeben mit einer ausgeprägten seismischenRuhephase vor dem Hauptbeben („seismic quies-cence“). Diese Ruhephase ist aber lokal auf dieHerdfläche des Hauptbebens beschränkt. Im benach-barten Segment ist im gesamten Zeitabschnitt eineerhöhte seismische Aktivität zu beobachten. Ein typis-ches Beispiel für die unterschiedlichen Aktivitäten zeigtAbb. 5.23.

Die Untersuchung der Wechselwirkung mehrerer Herd-flächen einer Strike-Slip-Störung ergibt keine statistischsignifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine unila-terale Migration von Starkbeben in den verwendeten reinmechanischen Modellen. Diese Aussage hat für die zeit-lich aufgelöste Gefährdungseinschätzung an großenStrike-Slip-Störungen eine wesentliche Bedeutung.

349

Abb. 5.23: Modellierung der typischen Verteilung der Bebenaktivität und deren Korrelation für zwei benachbarteBruchsegmente einer Strike-Slip Störung H: Hauptbeben, Q: Zeitraum seismischer Ruhe.

Modeling of the typical distribution of quake activity and their correlation for two neighboring fault segments of astrike-slip fault H: Main quake, Q: Period of seismic quiesence

H

Q

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Diffraktionsexperimente unter Verwendung vonNeutronen- und Synchrotronstrahlung zur in-trakristallinen Messung von Strain-/Texturzu-ständen an geologischen Proben

Wechselwirkungen zwischen Strain und Textur alsErgebnisse von Deformationsprozesse in der Erdkruste,können mit Diffraktometern untersucht werden. Mitdem Diffraktometer EPSILON-MDS für Strainmessungenund dem SKAT-Diffraktometer für Texturmessungensteht eine leistungsfähige Kombination von Experimen-tiermöglichkeiten für geologische Proben zur Verfü-gung. Die genannten Diffraktometer am Neutronen-flugzeitkanal 7A (Abb. 5.24) des Impulsreaktors IBR-2(VIK Dubna) ermöglichen damit das Studium vonAuswirkungen der gleichen Ursache in unterschied-lichen Merkmalen. Gleichzeitig ist mit Anwendung dergleichen hochpräzisen, intrakristallinen Methode dieVerbindung von Experiment und Theorie für beideKategorien gegeben. Mit EPSILON-MDS konnte noch2001 in einem ersten Testversuch eine Verdoppelung derNachweiseffektivität gestreuter Neutronen je Detektorbelegt werden. Erwartungsgemäß erwies sich jedoch inder anschließenden Vorbereitung für einen Routine-betrieb die Justierung der Detektor-Kollimatoreinheitenals aufwendig und, bezüglich einzelner Bauteile desdreiachsigen Systems, zusätzlich technologisch auch alsverbesserungswürdig.

Sowohl aus den Rahmenbedingungen von Experimentenmit mehrphasigen geologischen Materialien als auchaus der angestrebten Messgenauigkeit ergaben sich For-derungen an konstruktive Details, zu deren Erfüllung inZusammenarbeit mit Mitarbeitern der GFZ-Werkstättenwichtige Teile der Kollimatorjustierung überarbeitet,d.h. entwickelt, gefertigt und im Herbst 2003 ersetztwurden.

Um eine optimale Auswertung der durch hohe Dichteund gegenseitige Überlagerung der Reflexe gekenn-zeichneten Spektren mehrphasiger Gesteinsproben zuermöglichen, ist die Software „Spectra Adaptive Soft-ware (SAS)“ entwickelt worden. Einige wichtige Leis-tungsparameter des Programmpaketes sind: Bei gleich-zeitiger, wählbar halbautomatischer Verarbeitung meh-rerer Spektren und möglicher Peaktrennung bis zueinem Abstand von < 0,25 FWHM des breitesten Peakswerden stabile Peakpositionen mit einer Präzision vonbesser als 1/10 der Zeitkanalbreite bestimmt.

Auswirkungen überlagerter (Schock-)Deformation aufeine Kombination von Dunit und Quarzit mit deutlichverschieden scharfer Texturierung sind mittels Synchro-tron- und Neutronendiffraktion untersucht worden. Ander Gesteinsgrenzfläche stehen im Quarzit extrem bis zukompressiven Zuständen fallende Rest-Strainwerte imGegensatz zu leicht ansteigenden Dehnungswerten imDunit (Abb. 5.25). Die Rest-Strainwerte im Quarzit wer

den wesentlich bestimmt von der Orientierung derKristallite (Textur) bezüglich der Wellenfront der über-lagerten Deformation und bezüglich der Grenzflächezwischen beiden Texturtypen, weniger von der Intensitäteinzelner Texturkomponenten. Außerdem lässt sichableiten, dass Quarzprismenflächen auf Dehnungsbean-spruchung mit höheren (positiven) residuellen Strain-werten reagieren als Quarzbasisflächen.

Neben Strainmessungen ist die Peakformanalyse inBeugungsdiagrammen von Synchrotronstrahlung auchzur Bestimmung der Größenverteilung streuender Kris-tallite, die sich als Ergebnis überlagerter (Schock)defor-mation in unterschiedlich texturierten Gesteinen heraus-gebildet hat, angewendet worden: Verläuft die Wellen-front dieser Deformation parallel zur Grenzfläche zwi-schen untexturiertem Dunit und scharf texturiertemQuarzit (Foliation parallel Grenzfläche) wird nur imDunit eine (schwache) neue Strukturierung (Scherflächezur Grenzfläche) angelegt (Abb. 5.26), allerdings ist dieKornverkleinerung im Quarzit (in der Foliation) etwasechsmal intensiver als im untexturierten Dunit.

350

Abb. 5.24: Installierte Flugzeitdiffraktometer amNeutronenkanal 7A des Impulsreaktors IBR-2 des VIKDubna (Russische Föderation) und Blick in den Expe-rimentierpavillon. (EPSILON-MDS: Diffraktometer fürStrainmessungen, SKAT: Texturdiffraktometer, NSWR:älteres Texturdiffraktometer, Neutronenkanal 7B: Diffrak-tometer für ineleatische Neutronenstreuung, (Polen).

Diffractometers and spektrometers at beamlines 7 of thereactor IBR-2 (JINR Dubna) and view into the experi-mental pavillion

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Geomonitoring und Modellierung hydrologisch-er Prozesse

Bis heute sind Prognosen über die Auswirkung vonLandnutzungsänderungen oder veränderten klimati-schen Randbedingungen auf den Wasserhaushalt mitgroßen Unsicherheiten behaftet. Wesentliche Ursachensind Lücken im Prozessverständnis und die ungenü-gende Integration von vorhandenem Prozesswissen inhydrologische Modellsysteme. Im Antragsbündel „Ab-flussbildung und Einzugsgebietsmodellierung“, das vonder Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird,erarbeitet die Sektion 5.4 in Kooperation mit der Tech-nischen Universität Wien, der Universität Freiburg unddem Internationalen Hochschulinstitut Zittau prozess-basierte, hydrologische Modelle. Aufbauend auf Er-fahrungen und Feldexperimenten in kleinen Versuchs-gebieten werden die dominanten Abflussprozesse iden-tifiziert und die Zusammenhänge zwischen dem

Auftreten dominanter Prozesse und den Gebietseigen-schaften und meteorologischen Randbedingungen quan-tifiziert. Diese Zusammenhänge werden danach inhydrologische Modellansätze umgesetzt.

Am Beispiel des alpinen Löhnersbachgebiets (Abb. 5.27)wurde ein Modellkonzept zur prozessnahen Quantifi-zierung der Abflussbildung entwickelt (Abb. 5.28). Miteinem neuen Raumgliederungsverfahren werden durchVerknüpfung von Gebietsinformationen (Geologie,Topographie und Vegetation) und Einbindung vonExpertenwissen hydrologisch einheitliche Teilräume(Hydrotope) auswiesen. Für jedes dieser Hydrotope,dessen Abflussreaktion durch einen Abflussbildungs-prozess dominiert wird, wird ein hydrologisches Simu-lationsmodul entwickelt.

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Abb. 5.25: Rest-Strain in Abhängigkeit von Kristallitorientierungen in Gesteinen, unterschiedlich in Zusammenset-zung und Textur

Residual strain denpending on crystal orientations in rocks, different in composition and type of texture

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Abb. 5.26: Kristallitgrößen-Verteilung (in nm), berechnet für Profile senkrecht einer deformierten Gesteinsgrenz-fläche über Peakformanalyse aus Diffraktogrammen von Synchrotronstrahlung Grainsize distribution (nm), calculated from peakshape analysis of diffraction patterns detected using synchrotronradiation.

Abb. 5.27: Das Löhnersbachgebiet liegt im SalzburgerLand (Kitzbüheler Alpen) und ist geologisch derGrauwackenzone zuzuordnen. Der Löhnersbach mündetauf einer Seehöhe von 920 m rechtsseitig in die Saalachund hat an dieser Stelle ein Einzugsgebiet von 20,5 km2

mit Höhenlagen von 920 bis 2.200 m über Adria. (Foto:B. Zillgens, GFZ)

The Löhnersbach area is situated in the Salzburg region(Kitzbüheler Alps) and can be geologically assigned tothe grey wacky zone. The Löhnersbach river emptiesinto the Saalach at 920m above sea level and has acatchment area of 20.5 km2 with altitudes of 920 to 2200m above the Adria.

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Zur Identifikation und zum besserem Verständnis der Ab-flussprozesse wurden in einem ca. 7 ha großen Teil-ein-zugsgebiet Feldexperimente durchgeführt (Abb. 5.29). MitHilfe von Analysen der Abflussganglinien, Beregnungs-versuchen, Tracerinjektionen und der Analyse von geoge-nen Tracern konnten die wesentlichen Fließprozesse, Her-kunftsräume und Fließpfade nachgewiesen werden. DieseErgebnisse fließen direkt in die Modulentwicklung und–kalibrierung ein. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf denschnellen Abflusskomponenten, die sich entscheidend aufdie Hochwasserbildung auswirken.

Gefährdung und Risiko durch Hochwasser

Die verheerenden Schäden des August-Hochwassers2002 an Elbe, Donau und ihren Nebenflüssen habengezeigt, in welch hohem Maße unsere hochtechnisierteund hochorganisierte Gesellschaft anfällig gegenextreme Naturgefahren ist. Ein wesentliches Elementeiner besseren Vorsorge gegen solche Schadenereignissesind verlässlichere und umfassendere Gefährdungs- undRisikoanalysen, als sie heute im Hochwasserschutzdurchgeführt werden. Dies erfordert u.a. die Analyse

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Abb. 5.28: Konzept zur prozessnahen, hydrologis-chen Simulation der Abflussbil-dung

Concept for the hydrological simulation of thedrain-off formation

Abb. 5.29: Hydrotope und dominante Abfluss-prozesse in einem Teileinzugsgebiet. Es wurdendrei Hydrotope (Sättigungsflächen, Wall, Block-schutt) mit unterschiedlichen dominanten Ab-flussbildungsprozessen identifiziert: GesättigterOberflächenabfluss auf qD auf der Sättigungs-

fläche; episodisch auftretender schneller Zwi-schenabfluss qInterflow im Wall; permanente sowie

episodisch auftretende Grundwasserkomponentenqgw1 und qgw2 im Blockschutt. (Fotos: B. Zillgens,

GFZ)

Hydrotope and dominant flow-off processes in asection of the catchment area. Three hydrotopes(saturation area, embankment, and flush detritus)

with different dominant flow-off formation processes were identified: saturated surface flow-off on qD on the satu-

rated surface, episodically interim flow-off qInterflow in the embankment; permanent as well as episodically ground

water components qgw1 and qgw2 in flush detritus.

Abb. 5.30: Elbauen bei Magdeburg, eine Wochenach dem Hochwasser (Foto: F. Ossing, GFZ)

Flood plains of the Elbe river near Magdeburg,one week after the flood

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von sehr seltenen Hochwasserereignissen und dieBestimmung von Versagenswahrscheinlichkeiten vonHochwasserschutzsystemen (z.B. Deichen) durch dieAnwendung probabilistischer Methoden. Ein weiterernotwendiger Schritt ist die Umsetzung von Gefähr-dungs- in Risikoaussagen, also Aussagen darüber, beiwelchen Hochwasserabflüssen welche Schäden auf-treten. Aufgrund der vielfältigen Unsicherheiten werdenMethoden zur Angabe der Abschätzungssicherheit vonGefährdungs- und Risikoaussagen weiterentwickelt.

Risiko- und Unsicherheitsanalysen für Hochwasser

Die Sektion 5.4 beteiligt sich am BMBF-Forschungs-vorhaben „Deutsches Forschungsnetz Naturkatastro-phen (DFNK)“ im Cluster „Risikoanalyse Hochwasser“.Hochwasserrisiken können durch die folgende Prozess-kette beschrieben werden: „Starkniederschlag/Schnee-schmelze – Abflussbildung und Abflusskonzentration inden Teileinzugsgebieten – Wellenablauf im Gewässer-system – Verhalten von Schutzeinrichtungen – Überflu-tungen – Verluste und Schäden“. Jedes Element dieserWirkungskette wird im DFNK-Cluster „RisikoanalyseHochwasser“ für das Rheineinzugsgebiet mit Hilfe vondeterministischen, komplexen Modellen untersucht. Umdie Ergebnisse komplexer Modellstudien entlang dergesamten Prozesskette zu einer Risikoaussage zusam-menzuführen, und um darüber hinaus die Unsicherheitdieser Aussage abzuschätzen, wurde am GFZ Potsdamein probabilistisches Modell entwickelt. Darin wirdjedes Element der Kette durch einen einfachen funk-tionalen Zusammenhang abgebildet (Abb. 5.31). Einderart vereinfachter Modellansatz ermöglicht, mittelsMonte-Carlo-Simulationen das Hochwasserrisiko abzu-schätzen und eine Unsicherheitsanalyse durchzuführen.

Hochwasserschäden und schadensbestimmendeParameter

Für die Quantifizierung von Hochwasserrisiken sowiefür Kosten-Nutzen-Untersuchungen von Hochwasser-schutzmaßnahmen ist die Abschätzung potenziellerHochwasserschäden ein wesentlicher Bestandteil. InDeutschland beruhen diese Abschätzungen bisher aufSchadenfunktionen, in die neben der Nutzung derbetroffenen Gebäude lediglich der Wasserstand, d.h. dieÜberflutungshöhe eingeht (Abb. 5.32). Diese Schaden-funktionen sind außerordentlich unsicher.

Um verlässliche Angaben zu potenziellen Hochwasser-schäden zu machen, sind die Erfahrungen bei abgelau-fenen Hochwässern einzubeziehen. Durch die hohenSchäden beim August-Hochwasser 2002 besteht dieChance, die Kenntnisse über Art und Ausmaß vonHochwasserschäden sowie über die Wirksamkeit von schadensmindernden Maßnahmen erheblich zu erweit-ern. Darüber hinaus bietet sich die Gelegenheit, dieherkömmliche Abschätzung potenzieller Hochwasser-schäden mit Hilfe realer Schadendaten zu verifizierenund auf Grundlage einer umfangreichen Datenbasis zuverbessern. Daher wurden im Frühjahr 2003 compu-tergestützte Telefoninterviews mit 1697 vom Elbe- undDonauhochwasser 2002 betroffenen Privathaushalten imRahmen des DFNK und in Zusammenarbeit mit derDeutschen Rückversicherung AG durchgeführt. Nebender Ermittlung von Schäden und Überflutungstiefenwurden in den 30-minütigen Interviews auch Infor-mationen zur Überflutungsdauer, Fließgeschwindigkeit,Qualität und Zeitpunkt der Frühwarnung, zum Umfangvon Vorsorge- und Notmaßnahmen sowie zur Hoch-wassererfahrung und zum sozio-ökonomischen Statusdes Haushaltes erfasst.

Abb. 5.33 und 5.34 zeigen beispielsweise steigendeSchädigungsgrade je mehr und höhere Stockwerke derWohngebäude durch die Überflutung betroffen sind. DerWasserstand kann allerdings nur einen kleinen Teil derVariabilität der Schädigungsgrade erklären, bei linearerRegression ca. 10%. Darüber hinaus spielen andereFaktoren wie zum Beispiel durchgeführte Vorsorge-

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Abb. 5.31: Schematische Darstellung des probabilistis-chen Modellsystems zur Ableitung von Hochwasser-Risikokurven und ihren Unsicherheiten (AMS: annualmaximum series bzw. Serie der jährlichen Maximalab-flüsse, Q: Durchfluss, H: Wasserstand, V: Volumen).

Schematic illustration of the probabilistic model systemfor the deduction of flood-risk curves and their uncer-tainty (AMS: annual maximum series, e.g. series of theannual maximum flow-off, Q: flow-through, H: waterlevel, V: volume)

Abb. 5.32: Herkömmliche Abschätzung von Hoch-wasserschäden

Traditional estimation of flood damage

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maßnahmen eine entscheidende Rolle (Abb. 5.35). Beidieser einfaktoriellen Analyse sind die Maßnahmen,eine hochwasserangepasste Inneneinrichtung zu ver-wenden, bzw. die gefährdeten Stockwerke geringwertigzu nutzen, am effektivsten. Die geringste Schadens-reduktion kann durch die Beschaffung von Informationerzielt werden.

Im weiteren Verlauf des Projekts werden multivariateAnalysen zum Zusammenwirken der verschiedenenFaktoren zum Beispiel von Hochwasserparametern,Frühwarnsystemen, Notmaßnahmen etc. erstellt. Ziel istein regelbasiertes Modell zur Schadensabschätzung, indas neben dem Wasserstand auch andere schadensbes-timmende Faktoren Eingang finden.

Einsatz von Risikoanalysen zur Vorsorge

Die Methoden der Hochwasserrisikoanalyse sindGrundlagen für Entscheidungen im Hochwasserschutz.Beispielsweise wurde in einem von der EuropäischenUnion geförderten Projekt (IRMA, INTERREG Rhein-Maas Aktivitäten) gemeinsam mit dem IngenieurbüroWald & Corbe eine Risikoanalyse durchgeführt und ein

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Abb. 5.33: Mittlere Schädigungsgrade derunterschiedlichen Wasserstandsklassen(Mittelwert ± Standardabweichung). DerSchädigungsgrad gibt an, wann welcherAnteil des Gesamtwertes durch dasHochwasser zerstört wurde.

Average extent of damage for the differentwater level classes (average ± value stan-dard deviation), showing when and whatportion of the overall value was ruined byflooding

Abb. 5.34: Wasserstandsabhängige Schä-digungsgrade unterschiedlich hoch über-fluteter privater Wohngebäude in Sachsen,Sachsen-Anhalt und Bayern. Zusätzlich ein-gefügt sind lineare Regressionen für dieWasserstandsklassen „nur Keller“ und „nurErdgeschoss“ mit Bestimmtheitsmaß R2

Water level dependent extent of damage ofhighly flooded private residential build-ings in Saxonia, Saxonia-Anhalt andBavaria. Also included are linear regres-sions for the water level classes, basementonly and ground floor only with a determi-nation measure of R2

Abb. 5.35: Mittlere Schädigungsgrade für Wohngebäude(± Standardabweichung) aufgeteilt entsprechend derTatsache, ob vor dem Hochwasser 2002 Vorsorgemaß-nahmen durchgeführt worden waren. (V1: Informatio-nen beschaffen; V2: Wassersperren bereithalten; V3:hochwasserangepasste Inneneinrichtung verwenden;V4: geringwertige Nutzung gefährdeter Stockwerke; V5:Verlegung der Versorgungseinrichtungen in höhereStockwerke; V6: Hochwassersicherheit des Gebäudesverbessern) Alle Unterschiede sind statistisch sig-nifikant, außer bei V5.

Average damage for residential buildings (± standarddeviation) based on if precaution measures were execut-ed before the flooding in 2002. (V1: information pro-curement, V2 water barriers at the ready; V3 use offlood-adapted furnishing, V4: reduced use of flood-endangered floors; V5: transfer of household equipmentto higher floor levels; V6: Flood protection of the build-ing). All differences are significant for the statisticsexcept in the case of V5.

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Hochwasserschutzkonzept für das Einzugsgebiet vonSeckach und Kirnau im Odenwald entwickelt. Abb. 5.36zeigt ein Ergebnis dieser Risikoanalyse. Das Hoch-wasserrisiko der Gemeinden ist durch den jährlichenErwartungswert des ökonomischen Schadens durchÜberflutungsereignisse quantifiziert. Durch solche

Analysen wird z.B. deutlich, wie die augenblicklicheVerteilung des Risikos im Einzugsgebiet ist, wie dasRisiko durch Schutzmaßnahmen reduziert wird, wer vonden Schutzmaßnahmen besonders profitiert, und welch-es Restrisiko nach Umsetzen von Schutzmaßnahmenverbleibt.

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Abb. 5.36: Jährliche Schadenerwartung durch Hochwasserereignisse vor und nach Umsetzung vonHochwasserschutzmaßnahmen für das Seckach-Kirnau-Einzugsgebiet

Annual damage expectations due to flooding events before and after the implementation of flooding protection meas-ures for the Seckach-Kirnau catchment area

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