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Gerhard Papke Auf dem Weg zu einer gesamtdeutschen liberalen Partei? Die Zusammenarbeit nordrhein-westfälischer Liberaler mit der Liberal- Demokratischen Partei Deutschlands der sowjetischen Besatzungszone 1945-1948 Die enorme politische Resonanz der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDP) 1 in der sowjetischen Besatzungszone gehört nach wie vor zu den von der Parteienforschung nur wenig beachteten Phänomenen . Die LDP stand zeitweilig an der Spitze der politischen Oppositionsbewegung gegen die kommunistische Machtergreifung . Erst nachdem ihr Wider- stand durch Verhaftungen , Einschüchterungen und andere Maßnahmen der sowjetzonalen Machthaber. gebrochen war, konnte die LDP im Zuge der Transformation des Parteien- systems zum Bestandteil des SED-geführten Herrschaftsapparates der DDR umgewandelt werden. 2 Die Einheit Deutschlands besaß für die LDP existentielle Bedeutung. Denn das Ziel politi- scher und wirtschaftlicher Freiheit war in einer separierten östlichen Besatzungszone unter sowjetischer Kontrolle nicht zu realisieren. Eine gesamtdeutsche liberale Partei konnte aus Sicht der LDP als Klammer und zugleich als gemeinsame Plattform der Liberalen dienen , um die Wiedervereinigung der Besatzungsgebiete zu fördern. Deshalb schaltete sie sich bereits in den Entstehungsprozeß liberaler Parteien auch in ande- ren Besatzungszonen ein. Der Einfluß der LDP auf die Gründung der späteren FDP in Nord - rhein- Westfalen ist ein bisher weithin unbekanntes Kapitel der Landesgeschichte . Dies gilt ebenso für die Übereinstimmung ihrer deutschlandpolitischen Konzeptionen und die darauf basierenden kooperativen Anstrengungen, eine gesamtdeutsche liberale Partei auf den Weg zu bringen . Im folgenden Beitrag soll diese Zusammenarbeit aus landesgeschichtlicher Per- spektive betrachtet werden . J Bis Oktober 1951 verwendete die Partei die Kurzform "LDP". Dann entschied sich der Parteivorstand für " LDPD", um die gesamtdeutsche Zielsetzung der eigenen Arbeit stärker heraus z ustellen . z Gerhard Papke , Rolle, Bedeutung und Wirkungsmöglichkeiten der Blockparteien - Die LDPD, in: Materialien der Enquete -Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland" (12 . Wahlperiode des Deutschen Bundestages) , hg . vom Deutschen Bundestag, Frank- furt-M. 1995 , Bd. ll.4 , S. 2399- 2463. G eschi chte im Westen (GiW) Jahrgang 12 ( 1997), S. 40- 60 . © Rheinland-Vcrlag GmbH , Köln . ISSN 0930-3 2 86 40

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Gerhard Papke

Auf dem Weg zu einer gesamtdeutschen liberalen Partei? Die Zusammenarbeit nordrhein-westfälischer Liberaler mit der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands der sowjetischen Besatzungszone 1945-1948

Die enorme politische Resonanz der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDP)1

in der sowjetischen Besatzungszone gehört nach wie vor zu den von der Parteienforschung nur wenig beachteten Phänomenen. Die LDP stand zeitweilig an der Spitze der politischen Oppositionsbewegung gegen die kommunistische Machtergreifung. Erst nachdem ihr Wider­stand durch Verhaftungen, Einschüchterungen und andere Maßnahmen der sowjetzonalen Machthaber. gebrochen war, konnte die LDP im Zuge der Transformation des Parteien­systems zum Bestandteil des SED-geführten Herrschaftsapparates der DDR umgewandelt werden.2

Die Einheit Deutschlands besaß für die LDP existentielle Bedeutung. Denn das Ziel politi­scher und wirtschaftlicher Freiheit war in einer separierten östlichen Besatzungszone unter sowjetischer Kontrolle nicht zu realisieren. Eine gesamtdeutsche liberale Partei konnte aus Sicht der LDP als Klammer und zugleich als gemeinsame Plattform der Liberalen dienen, um die Wiedervereinigung der Besatzungsgebiete zu fördern. Deshalb schaltete sie sich bereits in den Entstehungsprozeß liberaler Parteien auch in ande­ren Besatzungszonen ein. Der Einfluß der LDP auf die Gründung der späteren FDP in Nord­rhein-Westfalen ist ein bisher weithin unbekanntes Kapitel der Landesgeschichte. Dies gilt ebenso für die Übereinstimmung ihrer deutschlandpolitischen Konzeptionen und die darauf basierenden kooperativen Anstrengungen, eine gesamtdeutsche liberale Partei auf den Weg zu bringen. Im folgenden Beitrag soll diese Zusammenarbeit aus landesgeschichtlicher Per­spektive betrachtet werden.

J Bis Oktober 1951 verwendete die Partei die Kurzform "LDP". Dann entschied sich der Parteivorstand für "LDPD", um die gesamtdeutsche Zielsetzung der eigenen Arbeit stärker herauszustellen.

z Gerhard Papke, Rolle, Bedeutung und Wirkungsmöglichkeiten der Blockparteien - Die LDPD, in: Materialien der Enquete-Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland" (12. Wahlperiode des Deutschen Bundestages), hg. vom Deutschen Bundestag, Frank­furt-M. 1995, Bd. ll.4, S. 2399- 2463.

Geschichte im Westen (GiW) Jahrgang 12 ( 1997), S. 40-60. © Rheinland-Vcrlag GmbH , Köln. ISSN 0930-3286

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Auf dem Weg zu einer gesamtdeutschen liberalen Partei

Die LDP in der sowjetischen Besatzungszone und ihre gesamtdeutsche Orientierung

Mit dem Befehl Nr. 2 gestattete die sowjetische Besatzungsmacht schon am I 0. Juni 1945 die Bildung politischer Parteien. Somit war auch die Voraussetzung für die Wiederbegründung einer liberalen Partei in Berlin und der östlichen Besatzungszone gegeben. Ihr Konstituie­rungsprozeß nahm seinen Ausgang von zahlreichen lokalen GründungsinitiativeiL In Berlin wurde am 16. Juni eine "Deutsche Demokratische Partei" ins Leben gerufen, allerdings we­nig später in "Liberal-Demokratische Partei Deutschlands" umbenannt, um die Abgrenzung zur CDU stärker zu betonen. Da die Besatzungsmacht die Parteien nach dem Vorbild derBer­liner Gründungen lizensierte, war der Parteiname damit praktisch zonenweit festgelegt. Die Gründungskreise der LDP standen personell wie politisch in einer signifikanten Tradi­tion der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) der Weimarer Republik. Die linksliberale DDP hatte das Spmmungsfeld zwischen liberalen und wohlfahrtsstaatliehen Orientierungs­mustern nie auflösen können und war in den frühen dreißiger Jahren in der politischen Be­deutungslosigkeit verschwunden. In den ersten programmatischen Äußerungen nach 1945 dominierten als Ziele die Wiedererrichtung einer pluralistisch-parlamentarischen Demokra­tie, freie Persönlichkeitsentfaltung, eine rechtsstaatliche und marktwirtschaftliche Ordnung mit dem Privateigentum an Produktionsmitteln sowie die Trennung von Staat und Kirche. Trotz ihrer bürgerlichen Funktionseliten entwickelte sich die LDP zu einer schichtenüber­greifenden Partei, die Ende September 1948, auf dem Höhepunkt ihrer Opposition gegen die Machtergreifung der SED, nahezu 200 000 Mitglieder um faßte . Über 23 Prozent dieser Par­teimitglieder waren jünger als 25 Jahre.3

Die dominierende Persönlichkeit der LDP blieb bis zu seinem Tod im April 1948 Wilhelm Külz. Külz, Jahrgang 1875, hatte noch der Nationalliberalen Partei des Kaiserreiches an­gehört und in der Weimarer Republik als Reichsinnenminister amtiert. Er übernahm die Führung der LDP im November 1945, nachdem der Gründungsvorsitzende Waldemar Koch von der sowjetischen Besatzungsmacht zum Rücktritt gezwungen worden war. Koch hatte sich nachdrücklich gegen die entschädigungslose Enteignung des Großgrundbesitzes gewandt und die Wiedereröffnung der Privatbanken gefordert. Sein Rückzug war eine der ersten Maß­nahmen der Besatzungsmacht, um die akzentuiert liberalen Kräfte in der LDP zu schwächen. Wenngleich Külz einen Kurs taktischer Zurückhaltung verfolgte, um Konfrontationen mit der Besatzungsmacht zu vermeiden, versuchte die Partei, die systematische ökonomische und politische Machtokkupation der Kommunisten einzudämmen. In den Wahlkämpfen des Spätsommers 1946 stellte sie sich mit Erfolg als "einzige nicht-sozialistische Partei" dar. Bei den Landtagswahlen vom 20. Oktober erhielt sie zonenweit 24,6 Prozent der abgegebenen Stimmen, trotz massiver Behinderungen seitens Besatzungsmacht und SED.4

Ein eindeutig marktwirtschaftliches Programmprofil entwickelte die LDP dennoch nicht. Etatistische Traditionsresiduen der alten DDP, der europaweit spürbare sozialistische Zeit­geist der Nachkriegsjahre, die gezielte Einflußnahme der sowjetischen Besatzungsmacht auf

3 Ebd., S. 2402. 4 Günter Braun, Wahlen und Abstimmungen, in: Martin Broszat/Hermann Weber (Hg.), SBZ-Hand­

buch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945-1949, München 1990, S. 397.

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Programmdebatten und Personalauswahl spielten dabei eine Rolle. Külz verstand die ord­nungspolitische Unverbindlichkeit seiner Partei aber auch als Medium, um der LDP in einer zunächst kaum überschaubaren und dann fortdauernd ungewissen Situation ein Höchstmaß an Flexibilität zu sichern. Er setzte allein auf die schnellstmögliche Wiedergewinnung der Einheit Deutschlands.5

Die Berliner LDP-Führung verstand sich von Beginn an als "Reichsparteileitung", und Külz wurde bei seinen öffentlichen Auftritten wie selbstverständlich als "Reichsvorsitzender" an­gekündigt. Dieses Selbstbewußtsein basierte auf der Hauptstadtstellung Berlins und dem er­heblichen organisatorischen Vorsprung der LDP vor liberalen Parteien in den anderen Besat­zungszonen. Die LDP konnte unmittelbar nach ihrer Zulassung eine zonenweite Werbetätig­keit entfalten. Ihre Zeitungen sicherten ihr erhebliche Finanzmittel und stellten einen kontinuierlichen Informationsfluß innerhalb der Partei sowie in die Öffentlichkeit hinein si­cher. Ihr gelang der bis dahin für liberale Parteien in Deutschland atypische Schritt zu einer Mitgliederpartei. In den Westzonen unerreicht blieben auch ihre Erfolge bei den Kommunal­und Landtagswahlen 1946. Führende LDP-Politiker äußerten sich enttäuscht über die ver­gleichsweise geringe Intensität des politischen Lebens in den westlichen Besatzungszonen, wenn sie von Wahlkampfreisen zurückkehrten.6 Auch auf diese Weise verfestigte sich der Eindruck des eigenen Entwicklungsvorsprungs. Mit Ausnahme der württemberg-badischen Demokratischen Volkspartei (DVP), die ein Hilfs­angebot frühzeitig abgelehnt hatte, erhielten alle liberalen Parteien der amerikanischen und der britischen Zone finanzielle Unterstützung durch die Berliner LDP-Zentrale. 7 Allein in die Kasse des britischen Zonenverbandes flossen bis Mai 1947 40 000 RM. Ohne diese Zuwen­dungen hätte er seinen Geschäftsbetrieb gar nicht aufrechterhalten können.8 Von den Geldern aus Berlin profitierten weniger die nordrhein-westfälischen Liberalen als vielmehr die kleinen und finanzschwächeren norddeutschen Verbände. An bestimmte Bedingungen geknüpft wa­ren die Zahlungen nicht. Dennoch boten sie grundsätzlich die Möglichkeit zur Einflußnahme. Konkrete Hinweise auf ein tatsächliches politisches Wohlverhalten im Verlauf der Verhand­lungen über die Bildung einer gesamtdeutschen liberalen Partei finden sich indessen nicht.

Liberale Parteibildung in Westfalen, der nördlichen Rheinprovinz und Lippe

Wie auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone entstanden auch im britisch besetzten Teil Deutschlands schon in der unmittelbaren Nachkriegsphase lokale Initiativen zur

s Zur politischen Konzeption von Külz: Gerhard Papke, Die Nachkriegspolitik von Wilhelm Külz -Aspekte einer Neubewertung, in: Tilman Mayer (Hg.), "Macht das Tor auf' . Jakob-Kaiser-Studien, Berlin 1996, S. 67-94.

6 Vgl. die Aufzeichnung von Wilhelm Külz, 17. 3. 1947, abgedr. in: Wilhehn Külz. Ein Liberaler zwi­schen Ost und West. Aufzeichnungen 1947-1948. Hg. von Hergard Robe! , München 1989, S. 60; ebd., Aufzeichnung vom I. 4. 1947, S. 66 f.

7 Dieter Hein, Zwischen liberaler Milieupartei und nationaler Sammlungsbewegung. Gründung, Ent­wicklung und Struktur der Freien Demokratischen Partei 1945-1949, Düsseldorf 1985, S. 287.

s Karsten Schröder, Die FDP in der britischen Besatzungszone 1946- 1948. Ein Beitrag zur Organisa­tionsstruktur der Liberalen im Nachkriegsdeutschland, Düsseldorf 1985, S. 239.

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Auf dem Weg zu einer gesamtdeutschen liberalen Partei

Gründung einer liberalen Partei. Die Rahmenbedingungen fiir ihre weitere Entwicklung wa­ren jedoch völlig anders gelagert als in der sowjetischen Zone: Es gab kein unangefochtenes Zentrum wie Berlin, dessen Vorbildfunktion fiir die Parteibildung zudem durch die einheit­liche Lizensierungsstrategie der sowjetischen Besatzungsmacht gestützt wurde. Keine Partei in der britischen Besatzungszone verfügte über derartige finanzielle, organisatorische und publizistische Mittel wie die LDP, am wenigsten die Liberalen. Deren Neubeginn wurde zusätzlich dadurch erschwert, daß die Briten längere Zeit die Bildung einer einzigen bürger­lichen Partei favorisierten und dabei ihr Hauptaugenmerk auf die CDU richteten. Und sie konnten auch nicht - wie in Südwestdeutschland und den Hansestädten - auf stabile bürgerlich-liberale Milieus bauen. Die sozialökonomische Struktur des Rheinlands und West­falens hatte traditionell das Zentrum einerseits und die Arbeiterparteien andererseits begün­stigt. Die Wahlergebnisse der Deutschen Demokratischen Partei in diesen Regionen waren in der Weimarer Zeit immer deutlich unter ihrem Reichsdurchschnitt geblieben. Ob es gelingen würde, an die in einzelnen Reichstagswahlkreisen vergleichsweise starke Position der Deut­schen Volkspartei (DVP) anzuknüpfen, schien zumindest fraglich. Denn die DVP war nach dem Tod Gustav Stresemanns endgültig in das republikfeindliche Lager abgeglitten und hatte schließlich jede parteibildende Eigenständigkeil eingebüßt. Zahlreiche ihrer Mitglieder wechselten zur NSDAP. Tatsächlich zeigte sich bei der Herausbildung liberaler Gründungs­initiativen auch auf dem Gebiet des späteren Nordrhein-Westfalens, daß die programmatische und personelle Tradition der DDP ungebrochen war, frühere Mitglieder der DVP aber nur noch vereinzelt eine Rolle spielten. Der prominenteste noch lebende westfälische DDP-Politiker war der langjährige preußische Finanzminister und spätere Reichstagsabgeordnete Hermann Höpker-Aschoff. Er wurde von den Besatzungsbehörden im Herbst 1945 in die Provinzialregierung nach Münster berufen. Deshalb vermied es Höpker-Aschoff, sich bei den Bemühungen um die Neugründung einer liberalen Partei persönlich zu exponieren, aktivierte aber seine zahlreichen Kontakte zu ehe­maligen DDP-Mitgliedern und Funktionären.9

So zu Gustav Altenhain, dem früheren Vorsitzenden der DDP-Wahlkreisorganisation Westfalen­Süd und Abgeordneten im Provinziallandtag. Altenhain amtierte jetzt als Bürgermeister in Haß­linghausen bei Gevelsberg. Er initiierte im Ennepe-Ruhr-Kreis und im Gebiet Hagen-Schwelm mehrere Parteigruppen. In Hagen selbst organisierte Wilhelm Weyer- ebenfalls früheres DDP­Mitglied und Vater des späteren FDP-Landesministers- schon im Mai 1945 einen kleinen Kreis Gleichgesinnter. Ilm1 schloß sich schließlich auch der Unternehmer Oscar Funcke an, der zuvor vergeblich versucht hatte, die Deutsche Volkspartei in Hagen wiederzubeleben. 1° Funckes Initi­ative ist die einzig bekannte dieser Art im Prozeß der nordrhein-westfalischen Parteigründung.

9 Hein (wie Anm. 7), S. 136. IO Friedrich Henning, 25 Jahre FDP in Nordrhein-Westfalen. Die Entstehung der Partei - Ein Rückblick

auf 1945/46, in: Das Rathaus. Zeitschrift für Kommunalpolitik 24 (1971 ), Nr. 5, S. 115 (Das identi­sche Manuskript von Henning, allerdings mit detaillierten Belegstellen, in: Archiv des Deutschen Liberalismus [ADL ], Nr. 28). Funcke hatte zwischen 1919 und 1930 dem Vorstand des Reichsver­bandes der Deutschen Industrie angehört und zeitweilig als dessen Präsident amtiert. Von 1921 bis 1930 gehörte er für die DVP dem westfälischen Provinziallandtag an. Er rückte im September 1951 für die FDP in den Deutschen Bundestag nach. Seine Tochter Liselotte wurde 1950 in den Düssel­dorfer Landtag gewählt.

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Dortmund und Münster entwickelten sich zu weiteren maßgeblichen Gründungszentren in Westfalen. Auch in diesen Städten war die Entwicklung in erheblichem Maße von der Initia­tive einzelner Personen abhängig. In Dortmund war Mitte Juli eine "Demokratische Partei" gebildet worden, die sich als Fortsetzung der Weimarer DDP bezeichnete.'' Unter den Grün­dungsmitgliedernbefand sich der Syndikus Erich Unshelm, 1929/30 Mitglied im Reichspar­teiausschuß der DDP. 12 Zur dominierenden Figur avancierte aber schon bald der 38jährige Kaufmann Clemens Bender.13

Er hatte aus der Presse von der LDP in Berlin erfahren und mit einem Schreiben vom 17. September 1945 Kontakt zu Waldemar Koch aufgenommen. 14 Unter Hinweis auf die Ber­liner LDP-Gründung setzte Bender die Umbenennung des Dortmunder Kreises in "Liberal­Demokratische Partei" durch.15 Er knüpfte Verbindungen zu Altenhain und der Hagener Gruppe und regte vor allem den Gründungsprozeß im Ruhrgebiet an. So ging etwa der am 20. Oktober gegründete Bochumer Kreisverband der LDP auf seine Initiative zurück. 16 Auch im Prozeß der Landes- und Zonenverbandsgründung sollte sich Bender als Verfechter einer unmittelbaren organisatorischen und politischen Anhindung an die Berliner "Reichsparteilei­tung" erweisen. 17 Schon Ende Januar 1946 hielt sich Wilhelm Külz auf Einladung der west­fälischen Liberalen mehrere Tage im Ruhrgebiet auf. Seine Rede auf einer öffentlichen Ver­sammlung in Wattenscheid war einer der ersten Auftritte des LDP-Vorsitzenden in den West­zonen überhaupt. 18

In der LDP-Führung war in Zusammenhang mit der gesamtdeutschen Stoßrichtung der Partei frühzeitig über die Entsendung von "Emissären" in die westlichen Besatzungszonen nachge­dacht worden, die die Gründung von LDP-Gruppen anregen und unterstützen sollten. In der Praxis handelte es sich dabei um Parteimitglieder, die ohnehin in die Westzonen wechsel­ten.19 So legte ein Parteigründer in Witten der Militärregierung eine Mitgliedsbescheinigung

II Hartmut Pietsch, Militärregierung, Bürokratie und Sozialisierung. Zur Ent\vicklung des politischen Systems in den Städten des Ruhrgebietes 1945 bis 1948, Duisburg 1978, S. 184 f.

12 Unshelm gehörte später dem nordrhein-westf::ilischen Landtag von der ersten Ernennungsperiode bis 1958 an.

13 Nach Peter Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen und die Entstehung seiner parlamentarischen Demo­kratie, Siegburg 1973, war Bender vor 1933 SPD-Mitglied. Gegen diese in der Literatur häufig über­nommene Zuordnung aber: Hans Graf, Die Entwicklung der Wahlen und politischen Parteien in Groß-Dortmund, Hannover 1958, S. 73.

14 Graf (wie Anm. 13), S. 80. 1s Pietsch (wie Anm. II ), S. 185. 16 Henning (wie Anm. 10), S. 115. 17 "Wir haben uns hier von Dortmund aus gewaltig angestrengt, um eine reichseinheitliche Ausrichtung

unserer Partei durchzuführen." Schreiben Bender-Külz, 27. 12. 1945, Hauptstaatsarchiv Diisseldorf (HStAD), NL Altenhain, RWN 203-1 , pag. 73.

18 Pietsch (wie Anm. II ), S. 186; Aufzeichnung von Wilhelm Külz, 30. I. 1946, ADL, Bestand LDPD, Nr. 903. Ursprünglich waren offenbar weitere öffentliche Veranstaltungen in Dortmund, Münster und Hagen geplant, die aber aus organisatorischen Gründen nicht zustande kamen. Dafür nahm Külz am 26. Januar an der konstituierenden Delegiertenversammlung des Bezirksverbandes Südwestfalen in Hagen teil. Das Protokoll der Versammlung in: HStAD, NL Altenhain, RWN 203-1 , pag. 7- 11.

19 Schreiben Waldemar Kochs an den Landesverband Berlin der LDP über die Gründung der LDP 1945,5. 7. 1948, abgedr. in: Berlin. Quellen und Dokumente 1945-1951. Hg. im Auftrag des Senats von Berlin, Berlin 1964, I. Halbbd., S. 999.

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der Berliner LDP sowie deren programmatischen Gründungsaufruf vom 5. Juli 1945 vor, um die Zulassung einer LDP-Ortsgruppe zu beantragen.20

Die Entwicklung in Münster weist zu der in Dortmund einige Parallelen auf: Auch in Münster entstand sehr früh eine "Demokratische Partei", die sich in "LDP" umbenannte und an deren Spitze sich ebenfalls ein relativ junger Politiker setzte: der 36jährige Kaufmann Helmut Friedrich, der vor 1933 parteilos gewesen war. Friedrich stand wie Bender in persön­lichem Kontakt mit der Berliner LDP.21

Die drei genannten Gründungsinitiativen nahmen aufgrundihres frühen Entstehungszeitpunk­tes und ihrer systematischen Aktivitäten zur Initiierung weiterer Ortsgruppen eine Schlüssel­position bei der liberalen Parteigründung in Westfalen ein. Das erste Treffen zur Vorbereitung einer Landesverbandsgründung fand auf Einladung Altenhains am 13. Oktober 1945 in Ha­gen statt. Altenhain wurde an die Spitze eines vorläufigen Provinzialpräsidiums gewählt, Bender und Friedrich zu seinen Stellvertretern. Insgesamt neun Beisitzer repräsentierten wei­tere liberale Parteizirkel, die zu diesem Zeitpunkt unter anderem in Siegen, Iserlohn22 und Bielefeld existierten. Zum gemeinsamen Geschäftsfiihrer wurde Clemens Bender bestimmt.23

Zur zweiten Tagung der westfälischen Parteigruppen, am 20. Oktober in Dortmund, reisten erstmals Vertreter der LDP aus Berlin und der sowjetischen Besatzungszone an. Am 9. No­vember - wiederum in Dortmund - wurde dann offiziell der Landesverband Westfalen der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands gegründet. Der Verband wurde in vier Landes­gruppen gegliedert, zu denen bald noch eine fiinfte kam: die Landesgruppe Lippe.24 Ihr pro­minentester Repräsentant war der Detrnolder Verleger Max Staercke, der bereits vor 1918 Landtagsabgeordneter gewesen war, dann zu den Mitbegründern der DDP gehört hatte und schließlich bei der DVP gelandet war. Den größten Einfluß unter den Lipper Liberalen ge­wann indessen schon bald der junge Chemiker Heinz Krekeler, der 1947 in den Düsseldorfer Landtag einzog.25

Widerstand gegen die enge Bindung des Landesverbandes an die Berliner LDP rührte sich offenbar nur in Bielefeld. Der Bielefelder Gründerkreis, dem der frühere DDP-Abgeordnete im preußischen Landtag Adam Barteid angehörte, hielt nach der Landesverbandsgründung zunächst an seinem Namen "Demokratische Partei" fest. "Wir warnen davor", so hieß es in einem Schreiben an die Münsteraner LDP, "sich allzusehr auf Berlin einzustellen. In Berlin hat man schon früher oft die Dinge falsch angesehen. Man kennt dort vielfach die Stimmung im Lande nicht. Dazu kommt, daß Berlin jetzt unter dem Druck der russischen Besatzung steht. Es wird daher oft notwendig sein, sich bewußt von Berlin abzuwenden."26

2o Pietsch (wie Anm. II ), S. 185. Die Gründung kam aber zunächst nicht zustande. 21 Henning (wie Anm. I 0), S. 115. Aufnahmezeitpunkt und Form dieses Kontaktes lassen sich nicht

mehr rekonstruieren. 22 Hans-Jürgen Burgard, Die Frühgeschichte der F.D.P. in Iserlohn 1945- 1948, in: Der Märker 36

(1987), S. 134-144. 23 Henning (wie Anm. 10), S. 116. 24 Gisela Schwarze, Eine Region im demokratischen Aufbau. Der Regierungsbezirk Münster 1945/46,

Düsseldorf 1984, S. 156. 25 Hein (wie Anm. 7), S. 138 f. 26 Schreiben Demokratische Partei Bielefeld-LDP Münster, 7. 12. 1945, HStAD, NL Altenhain, RWN

203-1, pag. 61.

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Doch mit ihrem Bekenntnis zum Deutschen Reich als einem dezentralisierten Einheitsstaat griffen die westfälischen Liberal-Demokraten eine alte Position des Weimarer Parteiliberalis­mus auf, die mittelbar auch dem Führungsanspruch der Berliner LDP-"Reichsparteileitung" zugrunde lag. Kennzeichnend war darüber hinaus die Ablehnung des Marxismus und einer konfessionellen Gesellschaftspolitik. Diese Erkennungsmerkmale finden sich in den meisten programmatischen Aussagen liberaler Gründungsinitiativen der unmittelbaren Nachkriegs­zeit. Sie waren allerdings häufig eingebunden in tagespolitische Zielsetzungen zur Linderung der akuten Not und in zeittypische Gemeinschaftsappelle, so daß zunächst nur selten ein scharf konturiertes liberales Profil sichtbar wurde. Olmehin muß bei der Bewertung der frühen programmatischen Äußerungen berücksichtigt wer­den, daß sie in der Regel aus der Feder einzelner Initiatoren stammten und keinesfalls bereits einen überregionalen Diskussions- und Willensbildungsprozeß widerspiegelten. Das Programm der LDP-Westfalen vom 20. November 1945 war einfach aus melu-eren Vorlagen zusammen­gefügt worden.27 Der dezentrale Gtündungsprozeß der nordrhein-westfälischen FDP verdichte­te sich erst im Frühjahr 1947 zu repräsentativen programmatischen Resultaten. Dabei rückten die Zielsetzung einer marktwitischaftlichen Wettbewerbsordnung auf der Basis des Privateigen­tums an Produktionsmitteln und die Forderung nach einer christlichen Gemeinschaftsschule in den Vordergrund. Schon die Zurückhaltung gegenüber dem Attribut "liberal" im Parteinamen, die den Gründungsprozeß der späteren FDP in allen Besatzungszonen begleitete - Westfalen bildete insofern eine Ausnahme-, wirft im übrigen ein bezeichnendes Licht auf die Schwierigkeiten der deutschen Liberalen, sich aus einer tendenziell defensiven Haltung zu lösen, frühere eta­tistische Verformungen zu überwinden und sich zu einem konsequenten Selbstverständnis auf der Basis des politischen Liberalismus durchzuringen. Verglichen mit der Parteibildung in Westfalen verlief der Gründungsprozeß der Liberalen im Rheinland heterogener. Eine erste Gruppe von Gründungsinitiativen- Düsseldorf-Mettmann, Krefeld, Moers, Neuss und Wuppertal - konstituierte sich in expliziter Tradition der DDP. Um den früher parteilosen Mönchengladbacher Unternehmer Wilhehn Hermes entstand eine "Sozialliberale Partei", die Ableger im Aachener Raum sowie in Rheydt und Viersen bil­dete.28 Die programmatische Abgrenzung zu der ersten Gruppe resultierte in erster Linie aus der Betonung des Europagedankens und einem stärker föderalistischen Ansatz.29

Wie der aus der Zentrumspartei kommende Journalist Otto Schumacher-Hellmold in Gum­mersbach30 setzte sich auch der Opladener Verleger Friedrich Middelhauve zunächst für die Gründung einer einzigen bürgerlichen Partei ein. Middelhauve, früheres DDP-Mitglied und Vorsitzender der DDP-Nachfolgeorganisation "Deutsche Staatspartei" im Rhein-Wupper­Kreis, betonte dabei den antimarxistischen Charakter einer derartigen Sammlungspartei. Middelhauves Zusammenarbeit mit dem Zentrumspolitiker Josef Bollig führte zu einem er-

27 Schwarze (wie Anm. 24), S. 164 f. Das Programm ist abgedr. in: Ebd., S. 343- 350. 2s "Programm der Sozialliberalen Partei Deutschlands", abgedr. in: Politischer Liberalismus in der briti­

schen Besatzungszone 1946- 1948. Führungsorgane und Politik der FDP. Eingeleitet von Lothar Al­bertin, bearbeitet von Hans F. W. Gringmuth, Düsseldorf 1995, S. 15-19.

29 Vgl. Hein (wie Anm. 7), S. 141 ff. 30 "Aufruf der Deutschen Demokratischen Bewegung", abgedr. in: Albertin/Gringmuth (wie Anm. 28),

S. 3 f.

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sten Zehn-Punkte-Programm, das den entscheidenden kulturpolitischen Konfliktbereich, die Schulfrage, allerdings offenließ. Middelhauve nahm zwar Anfang September an der Gründungsversammlung der Kölner CDU teil, schloß sich ihr aber im Gegensatz zu Bollig nicht an, sondern rief am 6. Oktober 1945 eine "Deutsche Aufbaupartei" ins Leben. 31

Der Gründungsaufrufvon Middelhauves "Aufbaupartei" beinhaltete die Ziele einer privatwirt­schaftliehen Wettbewerbsordnung, der christlichen Gemeinschaftsschule und des deutschen Einheitsstaates. Aber Middelhauve schwebte eher eine national-konservative Sammlungsbewe­gung vor, keine prononciert liberale Partei. Aus diesem Grund lehnte er die Bezeichnung "Li­beral-Demokratische Partei" ebenso ab wie den früheren linksliberalen Parteinamen "DDP". Der Name "LDP" fand sich im Rheinland indessen bei einer vierten Gruppe von Gründungs­zirkeln, in Essen, Mülheim und Remscheid.32 Franz Blücher in Essen, Wilhelm Dörnhaus in Mülheim und Max Dominicus in Remscheid, die diese Gruppen führten , hatten zuvor keiner Partei angehört. Die bei vielen früheren DDP-Mitgliedern ausgeprägten Ressentiments gegen "liberal" als Synonym weitgehender Wirtschaftsfreiheit spielten bei ihnen keine vergleichba­re Rolle. Dominicus war Unternehmer, Blücher und Dörnhaus bekleideten ebenfalls leitende Positionen in der Wirtschaft. Wenngleich in Blüchers Äußerungen - ganz im Gegensatz zu Dominicus - korporatistische und staatswirtschaftliche Elemente sichtbar wurden, die durch­aus in die frühere DDP hätten passen können, so wurde auch sein politisches Weltbild durch ökonomische Praxiserfahrungen geprägt, die an der überragenden Bedeutung freier Markt­wirtschaft keine Zweifel ließen. In der politischen Auseinandersetzung mit einer Allpartei­enkoalition in Nordrhein-Westfalen, die weitreichende Verstaatlichungspläne verfolgte, setzte sich dieses Element bei den nordrhein-westfälischen Liberalen später immer stärker durch.

Regionale Zusammenschlüsse

Am 9. November 1945 - demselben Tag, an dem sich in Dortmund der westfälische Landes­verband der LDP konstituierte - versammelten sich in Düsseldorf die rheinischen Gruppen, um erstmals über die Gründung eines Landesverbandes "Nord-Rheinprovinz" zu beraten. Unter Vorsitz von Middelhauve wurde ein fünfköpfiger Arbeitsausschuß eingesetzt, der die weiteren Schritte koordinieren sollte. Schon tags darauf trafen sich Vertreter beider Verbände auf Einladung der Essener LDP. Blücher und Bender versuchten vergeblich, den noch zu konstituierenden Landesverband Nordrhein auf den Namen "LDP" festzulegen. 33

Ohne daß die also im Rheinland existierenden Vorbehalte gegen den Parteinamen "LDP" ausgeräumt worden wären, proklamierten die westfälischen Liberalen anläßtich einer weite­ren Versammlung am 20. November in Dortmund die Gründung der "Liberal-Demokrati­schen Partei Deutschlands für die gesamte britische Zone", nach Darstellung der wichtigsten LDP-Zeitung "Der Morgen" in Anwesenheit von "den Delegierten aus allen Provinzen und

3 1 Hüttenherger (wie Anm. 13), S. 120 ff.; "Aufruf der Deutschen Aufbaupartei", abgedr. in: Albertin/ Gringmuth (wie Anm. 28), S. 6- 9.

32 Zu den Gründungen in Essen und Mülheim vgl. Pietsch (wie Anm. ll ), S. 183 f. , sowie "Aufruf und Programm der Liberaldemokratischen Partei Essen", abgedr. in: Albertin/Gringmuth (wie Anm. 28), S. 9- 14.

33 "Bericht über die Sitzung in Essen-Kettwig am 10. II. 1945", ADL, Nr. 28 .

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Gerhard Papke

Regierungsbezirken der britischen Zone".34 Bei den anwesenden Parteienvertretern handelte es sich jedoch überwiegend nicht um politisch autorisierte Delegierte. 35 Offenbar hatte Ben­der geglaubt, mit Rückendeckung der "Reichsparteileitung" vollendete Tatsachen schaffen zu können.36 Dies sollte sich für beide Seiten als gravierende Fehleinschätzung erweisen: Bender hatte seinen Ruf als politisch ernstzunehmender Verhandlungspartner irreparabel be­schädigt, die rheinischen Liberalen fühlten sich auch von der Berliner LDP überrollt. Der rheinische Landesverband setzte sich deshalb bei seiner Konstituierung am 4. Dezember in Düsseldorf mit dem Namen "Demokratische Partei Deutschlands" demonstrativ von der westfalischen LDP ab. Zudem wurde beschlossen, Kontakt mit der Hamburger "Partei Freier Demokraten" (PFD) und niedersächsischen Parteigruppen aufzunehmen, um die Möglichkeit eines zonalen Zusammenschlusses zu erörtern.37 Auch diese Entscheidung sollte mit Blick auf den Pro-Berlin-Kurs der westfälischen Liberalen die Bedeutung und Gleichberechtigung des rheinischen Landesverbandes betonen. Eine politische Distanzierung von der "Reichspar­teileitung" war damit nicht verbunden. Die neue Orientierung auf den zonalen Rahmen kam aber auch unter dem Druck der Besat­zungspolitik zustande. Denn die Briten hatten für Mitte Dezember Gespräche anberaumt, um die ihrer Ansicht nach wichtigsten deutschen Parteien zum Aufbau arbeitsfähiger Zonenorga­nisationen anzuhalten. Als "Hauptparteien" betrachteten sie SPD, KPD und CDU - nur in Harnburg wurden Liberale miteinbezogen.38 Unter diesen Umständen mußten sich die nord­rhein-westfälischen Parteigruppen auf einen zonalen Zusammenschluß konzentrieren, wenn sie sich nicht mit dem Schicksal politischer Zweitklassigkeil abfinden wollten. Die Hamburger PFD war in der Hansestadt politisch fest etabliert und auch organisatorisch weiter fortgeschritten als die Liberalen in Nordrhein-Westfalen. Die PFD erklärte sich in Ver­handlungen mit Wilhelm Hermes, der als Vertreter des rheinischen Landesverbandes nach Norddeutschland gereist war, zur Zusammenarbeit bereit, machte aber deutlich, daß sie auf ihrem Namen beharren werde. Dafür wurde dem Landesverband Nordrhein das Recht zuge­standen, das Generalsekretariat des Zonenverbandes zu besetzen.39

Auch der westfälische Landesverband hatte zwischenzeitlich seine Bemühungen um die

34 "Der Morgen", I. 12. 45; Schwarze (wie Anm. 24), S. 157. 35 Die LDP selbst hatte zwar jeweils einen Vertreter der Berliner Parteiführung und des Parteiverbandes

in der Besatzungszone nach Dortmund entsandt; sie bekleideten aber keine hochrangigen politischen Positionen.

36 Die in der bisherigen Forschung zum überregionalen Zusammenschluß der Liberalen gängige, vor allem mit Blick auf die Gründung des amerikanischen Zonenverbandes formulierte These, die LDP habe der Gründung von Zonenverbänden strikt ablehnend gegenübergestanden, ist mit Blick auf die­sen Vorgang zu relativieren. Entscheidend war wohl vielmehr die Frage, welchen Charakter die je­weilige Gründung besaß, ob sie als Ergänzung zu den Bemühungen der "Reichsparteileitung" um einen gesamtdeutschen Zusammenschluß oder als Abwehrmaßnahme gegen den Berliner Führungs­anspruch interpretiert wurde. Vgl. die Bemerkung von Külz zur Gründung des britischen Zonenver­bandes auf der Weimarer Delegiertentagung der LDP, "Der Morgen", 7. 2. 1946.

37 Hein (wie Anm. 7), S. 255. 38 Ebd., S. 256. 39 "Protokoll über die Besprechung der Kreisgruppen des ,Landesverbandes Nordrheinprovinz der De­

mokratischen Partei Deutschlands"', 18. 12. 1945, abgedr. in: Albertin/Gringmuth (wie Anm. 28), S. 23 f.

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Auf dem Weg zu einer gesamtdeutschen liberalen Partei

Gründung eines Zonenverbandes erneuert und war seinerseits in Gespräche mit norddeut­schen Parteiverbänden eingetreten.40 Die Gefahr konkurrierender Zonenverbandsgründungen konnte erst am 28. Dezember bei Verhandlungen zwischen Nordrhein und Westfalen in Dort­mund und Haßlinghausen gebannt werden. Altenhain erklärte die Bereitschaft seines Landes­verbandes, an der vom Landesverband Nordrhein vorbereiteten Gründungsveranstaltung teil­zunehmen, die am 7. und 8. Januar 1946 in Opladen stattfinden sollte. Er hatte erkannt, daß der kompromißlose Kurs Benders nicht durchzusetzen war, und wollte die drohende Distan­zierung der Landesverbände Westfalen und Nordrhein vermeiden.41

"Wir bedauern es außerordentlich", hatte Bender noch am Tag zuvor an Külz geschrieben, "daß wir Ihre wertvolle Hilfe hier nicht zur Verfügung haben, würde es doch bedeuten, daß maßgebende Stellen und bekannte Namen hier den engstirnigen Demokraten einmal anstän­dig ins Gewissen reden könnten".42 Senders wohl nicht zuletzt aus politischer Unerfahrenheit resultierende Einschätzung, im Sog der Autorität der "Reichsparteileitung" nach Belieben agieren zu können, hatte sich endgültig als irrig erwiesen. Die Bildung eines nordrhein-westfälischen Landesverbandes trat im Zuge dieser Entwicklun­gen zunächst hinter die Bedeutung des Zonenverbandes zurück. Die Verhandlungen über den Zusammenschluß setzten im Oktober 1946 ein und fanden am 27. Mai 1947 auf dem ersten gemeinsamen Landesparteitag ihren Abschluß.43

Als Repräsentant der sowjetzonalen LDP nahm Artbur Lieutenant an der Gründung des briti­schen Zonenverbandes in Opladen teil.44 In seinem Grußwort betonte er das Ziel, zu einem Zusammenschluß der Liberalen in ganz Deutschland zu kommen. Abgesehen von dem Zwi­schenruf eines niedersächsischen Vertreters gegen den Berliner Führungsanspruch, der von den anderen Delegierten scharf mißbilligt wurde, fand Lieutenant in Opladen eine sehr wohl­wollende Aufnahme. Die Frage einer gesamtdeutschen liberalen Partei spielte bei den Bera­tungen allerdings keine besondere Rolle.45

Die Diskussion über den Namen des Zonenverbandes machte grundsätzliche Vorbehalte ge­gen "liberal" deutlich: Dieses Etikett könne von der konfessionell gebundenen Bevölkerung als kirchenfeindlich interpretiert und überdies als Absage an die soziale Fürsorgeverpflich-

40 Hein (wie Anm. 7), S. 255. 41 Protokolle über die Besprechungen am 28. 12. 1945 in Dortmund und Haßlinghausen, HStAD, NL

Altenhain, RWN 203-4, pag. 34 f. Nach der von Hermes angefertigten Protokollnotiz über die Be­sprechung in Haßlinghausen war es Altenhains Feststellung, daß "Bender als Generalsekretär nicht in Frage komme". Sehröder (wie Anm. 8), S. 20, gibt deshalb den Inhalt dieser Quelle nicht korrekt wieder, wenn er sie als Beleg dafiir anfuhrt, daß Bender vom l:andesverband Westfalen fiir diese Position ins Gespräch gebracht worden, dies aber an den Personah~orstellungen des Landesverbandes Nordrhein gescheitert sei. Richtig ist, daß angesichts der Ambitionen von Hermes und der Absprache mit der Hamburger PFD Bender wohl ohnehin nicht durchsetzbar gewesen wäre. Aber nicht nur im Rheinland, sondern auch in Westfalen hatten sich die Zweifel an der politischen Kompetenz Benders inzwischen erhärtet. Nach Kritik an seiner Amtsfiihrung in der Dortmunder LDP legte Bender im Januar 1946 den dortigen Vorsitz nieder. Im Februar 1947 trat er aus der FDP aus.

42 Schreiben Bender-Külz, 27. 12. 1945, HStAD, NL Altenhain, RWN 203-1 , pag. 73. 43 Vgl. Hüttenherger (wie Anm. 13), S. 133. 44 Lieutenant war geschäftsführendes Vorstandsmitglied der LDP und Külz politisch eng verbunden. Im

Februar 1946 wurde er stellvertretender Parteivorsitzender. 45 "Aktennotiz über die Tagung der Demokraten (1. Tag)", abgedr. in: Albertin/Gringmuth (wie

Anm. 28), S. 26-40; ebd., (2. Tag), S. 40- 50; vgl. Sehröder (wie Anm. 8), S. 24 ff.

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tung von Staat und Wirtschaft aufgefaßt werden. Benders neuerlicher Versuch, unter Hinweis auf die Einheit der "Reichspartei" die Übernahme des Parteinamens "LDP" zu erreichen, stieß vor diesem Hintergrund auf nur mäßige Resonanz. Als entscheidender Faktor erwies sich schließlich die Absprache zwischen den rheinischen Liberalen und der Hamburger PFD: Nach langwierigen Beratungen gelang es der geschickten Regie Middelhauves als Parteitags­präsident, dem Namen "Freie Demokratische Partei" zu einer Mehrheit zu verhelfen.46

Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht abzusehen, daß mit dieser Entscheidung - über die Etappen der gleichnamigen Fraktionen der Liberalen im Frankfurter Wirtschaftsrat und im Parlamentarischen Rat in Bonn- bereits die Weichen für den Parteinamen der westdeutschen Liberalen gestellt waren. Die Vorbehalte gegen "liberal" waren insgesamt zu ausgeprägt, und die spätere Distanzierung von der LDP der sowjetischen Besatzungszone mußte sich gerade­zu zwangsläufig auch in der Namensfrage niederschlagen. Dennoch bleibt es mehr als eine interessante Fußnote des liberalen Parteigründungsprozesses, daß das Vorpreschen der west­fälischen und der Berliner LDP die rheinischen Liberalen in eine Koalition drängte, als deren Ergebnis der Name "Freie Demokratische Partei" entstand. Die Haltung der Berliner LDP-Führung blieb auch im weiteren Verlauf der Vereinigungs­bemühungen nicht frei von Unklarheiten und Widersprüchen. So mahnte Külz nach der Opladener Konferenz im LDP-Parteivorstand zur Vorsicht: Man müsse "sehr taktvoll vorge­hen", um die Kreise nicht vor den Kopf zu stoßen, die nach wie vor eine starke Abneigung gegen Berlin hätten.47 Andererseits verkündete der von Külz herausgegebene "Morgen", "daß von einer organisatorischen Parteieinheit in der russischen und englischen Besatzungs­zone gesprochen werden kann".48 Diese Aussage basierte auf der positiven Aufnahme des LDP-Vorsitzenden bei den westfälischen Liberalen während seiner Reise in die britische Besatzungszone Ende Januar 1946. Dabei war der Wille zum Zusammenschluß mit der LDP in der sowjetischen Besatzungszone noch einmal bekräftigt worden.49 Dennoch sugge­rierten nicht nur das politische Handeln der LDP, sondern auch die begleitenden Stellung­nahmen der LDP-Presse regelmäßig einen Integrationsstatus, der nicht der Realität ent­sprach.50 Nach der Weimarer Delegiertenkonferenz Anfang Februar 1946, mit der die erste Aufbau­etappe der Parteiorganisation in der sowjetischen Besatzungszone abgeschlossen wurde, verstärkte die LDP ihre Aktivitäten in den westlichen Besatzungszonen. Im März sprachen Külz und Lieutenant auf Großkundgebungen der hessischen LDP, deren Vorsitzender Georg

46 Ebd.; vgl. Hein (wie Anm. 7), S. 257 ff. 47 Sitzung des Parteivorstands der LDP, 16. I. 1946, Protokoll, ADL, Bestand LDPD, Nr. 938. 48 "Der Morgen", I 0. 2. 1946. 49 Külz hatte am 26. I. 1946 eine Rede vor der konstituierenden Delegiertenversammlung des Bezirksver­

bandes Südwestfalen in Hagen gehalten. Seine Ausführungen fanden laut Protokoll "begeisterte Aufhah­me". Es wurde eine Resolution verabschiedet, die als Grußwort an die bevorstehende Weimarer Delegier­tenkonferenz der LDP gedacht war. Darin erklärte die Versammlung, "daß sie sich in der politischen Zielsetzung völlig mit der Liberal-Demokratischen Partei eins fühlt und gewillt ist, auch in engster Ge­meinschaft mit ihr zusammenzuarbeiten". Protokoll der Versammlung, HStAD, NL Altenhain, RWN 203-1 , pag. 10 f. ; Aufzeichnung von Wilhelm Külz, 30. I. 1946, ADL, Bestand LDPD, Nr. 903.

so Nach einer noch weitgehend unverbindlichen Einheitsbekundung auf dem Parteitag der FDP in der britischen Zone titelte "Der Morgen" mit der Schlagzeile "Zusammenschluß aller Demokraten": "Der Morgen", 21. 5. 1946.

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Auf dem Weg zu einer gesamtdeutschen liberalen Partei

Ludwig Fertsch zu den stärksten Befürwortern einer engen Anhindung an Berlin gehörte.51

Aber auch Wilhelm Hermes war als frischgekürter Generalsekretär des britischen Zonenver­bandes nach Süddeutschland aufgebrochen, um ftir die Vereinjgung liberaler Gründungsini­tiativen im gesamtdeutschen Rahmen zu werben.52

Der erste Koordinierungsausschuß

Vom 18. bis 20. Mai 1946 fand in Bad Pyrmont der erste Parteitag des britischen Zonenver­bandes statt. Neben Külz und Lieutenant nahmen Vertreter aller ostdeutschen Landesverbän­de daran teil. Mit Ausnahme Württemberg-Badens und der französischen Besatzungszone waren darüber hinaus liberale Parteien aus ganz Deutschland in Pyrmont präsent. Ihre Ver­treter stimmten einer Resolution zu, mit der sie ihren Willen bekundeten, sich zu einer ge­samtdeutschen Partei zusammenzuschließen. Hierzu sollte die Genelunigung der zuständigen Besatzungsbehörde erbeten werden.53 Zudem wurde vereinbart, einen Koordinierungs­ausschuß zur Vorbereitung des Zusammenschlusses einzurichten. Mit Blücher, Hermes und Middelhauve kamen drei der vier Vertreter, die der britische Zonenverband am 30. Mai in dieses Gremium entsandte, aus Nordrhein-Westfalen.54

Die Kritik, die in Pyrmont an der politischen Situation in der sowjetischen Besatzungszone und insbesondere dem Machtanspruch der SED geübt wurde, kam der LDP gar nicht unge­legen. Zwar nahm Külz die Politik der sowjetischen Besatzungsmacht in Schutz - etwas an­deres blieb ihm unter den gegebenen Umständen auch kaum übrig. Aber die LDP stand nach der Vereinigung von KPD imd SPD und mit Blick auf die ftir den Herbst angekündigten Kommunal- und Landtagswahlen in einer zusehends konfrontativen Auseinandersetzung mit der SED. Wenn die SED auf einer gesamtdeutschen Parteiversammlung als "Totalitätspartei nach marxistischem Muster" angeprangert wurde, dann konnte dies aus Sicht der LDP­Führung als Hinweis an die Adresse der sowjetischen Besatzungsmacht dienen, die SED zu bremsen, wollte sie ihre eigenen gesamtdeutschen Absichten nicht gefährden.55

Külz erklärte in Pyrmont vor diesem Hintergrund, die sowjetische Besatzungsmacht habe ihn ermächtigt, ilu·en Wunsch nach einer gesamtdeutschen nicht-marxistischen Partei zum Ausdruck zu bringen. 56 Tatsächlich fehlt es nicht an Zeugnissen für derartige Aussagen der SMADY Und

51 Ekkehart Krippendorff, Die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands in der Sowjetischen Besat­zungszone 1945/48. Entstehung, Struktur, Politik, Düsseldorf o. J. (1961 ), S. 140.

52 Sitzung des Vorstands der FDP in der britischen Zone, 23. 4. 1946, Protokoll, abgedr. in: Albertin/ Gringmuth (wie Anm. 28), S. 60.

53 Parteitag der FDP in der britischen Zone in Bad Pynnont, 18.- 20. 5. 1946, Protokoll, S. 134 a, ADL, Nr. 1.

54 Sitzung des Vorstands der FDP in der britischen Zone, 30. 5. 46, Protokoll, abgedr. in: Albertin/ Gringmuth (wie Anm. 28), S. 68.

55 Dementsprechend wurde dieser aus den Reihen der bayerischen FDP erhobene Vorwurf im "Morgen" wiedergegeben: "Der Morgen", 21. 5. 1946.

56 Ebd. 57 Aufzeichnung von Wilhelm Külz, 14. 7. 1946, ADL, Bestand LDPD, Nr. 903. SMAD: Sowjetische

Militäradministration in Deutschland, die Führung der sowjetischen Besatzungstruppen mit Sitz in Berlin-Karlshorst.

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die sowjetische Seite hatte im März 1946 den Alliierten Kontrollrat aufgefordert, gesamtdeut­schen Parteizusammenschlüssen keine Hindernisse in den Weg zu legen. Die Sowjetunion war nach wie vor darauf bedacht, sich alle Optionen für die Ausdehnung des konununistischen Machtbereiches nach Westen vorzubehalten. Aus diesem Grund stellte sie sich ebenso als Sach­walter der deutschen Einheit dar wie sie so lange wie möglich die Fiktion aufrechterhalten wollte, ein pluralistisches Parteiensystem in Deutschland zu tolerieren. Hartnäckiger Widerstand gegen die Fusionsbestrebungen der Liberalen kündigte sich bei den württemberg-badischen Liberalen an. Die dortige Demokratische Volkspartei konnte, fest verwurzelt im protestantisch-bürgerlichen Milieu, nahtlos an ihre Vorkriegswahlerfolge anknüpfen; sie war organisatorisch gefestigt und finanziell unabhängig. An ihrer Spitze stan­den Politiker wie Reinhold Maier und Theodor Heuss, die ebenso wie Wilhelm Külz überre­gionalen Bekanntheitsgrad genossen. Als traditionelle Regionalpartei bestanden bei der DVP ausgeprägte Vorbehalte gegen den dezentralisierten Einheitsstaat, den Külz als Modell für die künftige staatsrechtliche Gestaltung Deutschlands propagierte. Den Führungsanspruch der Berliner "Reichsparteileitung" lehnten die württembergischen Liberalen entschieden ab. In einem Schreiben an die in Pyrmont vertretenen liberalen Parteiorganisationen kritisierte der DVP-Generalsekretär Ernst Mayer- der unmittelbar nach dem Krieg als Geschäftsführer der sächsischen LDP in Dresden tätig gewesen war - die Fusionsgespräche auf dem Zonen­parteitag schärfstens.58 Die DVP schaltete sich nun aber verstärkt in die Bemühungen um Gründung eines amerikanischen Zonenverbandes ein. Damit sollte ein Gegengewicht zur Zu­sammenarbeit der Berliner LDP mit den nordrhein-westfälischen Liberalen geschaffen wer­den. Diese Zusammenarbeit im Rahmen des Koordinierungsausschusses entwickelte schon bald eine beträchtliche Dynamik: Bei einer Besprechung am 16. Juni 1946 in Mönchengladbach verständigten sich Lieutenant, Hermes und der aus Niedersachsen stammende FDP-Zonen­präsident Wilhelm Heile auf die baldige Konstituierung einer "Reichspartei" mit vier gleich­berechtigten Vorsitzenden. Die Gründung sollte unmittelbar nach dem für Anfang Juli vorge­sehenen ersten LDP-Parteitag in Erfurt stattfinden. 59 Im LDP-Vorstand war dieser Plan schon im März 1946 erörtert und Erfurt als Tagungsort gewählt worden, weil er für die Liberalen der westlichen Besatzungszonen recht gut zu erreichen war.60 Den eigentlichen Gründungs­akt wollte man allerdings im Anschluß an den Parteitag in Berlin vollziehen. Obwohl im britischen Zonenvorstand am 18. Juni mit Blick auf die politische Entwicklung in der sowjetischen Zone "ernste Bedenken über ein allzu enges Zusammengehen mit der

58 "Wir haben mit Befremden von den alarmierenden Pressemeldungen über beabsichtigte Fusionen in Bad Pyrmont Kenntnis genommen. Wir bestreiten den Delegierten in Bad Pyrmont das Recht [ . . . ] solche Fusionsbeschlüsse zu fassen [ .. . ]. Wenn das Reichsgefiige durch papierene Entschließungen einzelner Zonen zusammengehalten werden soll, dann ist es heute schon verloren. Und wenn unsere Parteigruppen in den einzelnen Ländern schlecht abgeschnitten haben, dann nicht deswegen, weil sie das Relief einer Reichspartei entbehrten, sondern weil sie nicht oder falsch gearbeitet haben." Schreiben der DVP-Nordwürttemberg!Nordbaden, 27. 5. 1946, HStAD, NL Altenhain, RWN 203-5, pag. 18.

59 Notiz "betr. Zusammenschluß der Zonenverbände", 22. 6. 1946, ADL, Bestand LDPD, Nr. 2778; Hein (wie Anm. 7), S. 284.

60 Sitzung des Parteivorstands der LDP, 13. 3. 1946, Protokoll, ADL, Bestand LDPD, Nr. 938.

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LDP" laut wurden, war man sich doch einig, daß die geplante Fusion dem "Reichsein­heitsgedanken einen gewaltigen Auftrieb gebe".61 Das Ziel der Einheit Deutschlands, in Form eines dezentralisierten Einheitsstaates, erwies sich erneut als starkes programma­tisches Band. Sowohl in der LDP als auch bei den nordrhein-westfälischen Liberalen wur­de darin die Grundvoraussetzung für den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes gese­hen.62 Nachdem der Gründungsverlauf des britischen Zonenverbandes für die rheinischen Liberalen ein wichtiger Symbolakt ihrer politischen Gleichberechtigung gewesen war, schwenkten auch sie voll auf die Berliner Vorstellungen für den weiteren Verlauf des Vereinigungsprozesses ein. Die LDP hatte ihre frühere Linie modifizieren müssen, war von ihrem Selbstverständnis als legitime "Reichsparteileitung" allerdings keinen Deut abgerückt. Nachdem sich die hessi­sche LDP, deren Vorsitzender Fertsch im Juni 1946 von dem Berlin-kritischen August Mm1in Euler abgelöst wurde,63 langsam von den sowjetzonalen Liberalen distanzierte, fanden sie in Nordrhein-Westfalen ihren stärksten Rückhalt. Die beiden Landesvorsitzenden Altenhain und Middelhauve sowie Franz Blücher, der auf dem Pyrmonter Parteitag an die Spitze des Zonenvorstandes gewählt worden war,64 blieben die für die LDP wichtigsten Bündnispartner in Westdeutschland.

Das Scheitern des Berliner Gründungsversuches

Die Delegation des britischen Zonenverbandes für den vom 6. bis zum 8. Juli stattfindenden "Reichsparteitag" der LDP war hochkarätig besetzt. Neben anderen gehörten ihr Heile, Blücher, Hermes und wohl auch Middelhauve65 an. Aus der amerikanischen und der franzö­sischen Besatzungszone kamen keine führenden liberalen Repräsentanten nach Erfurt. Und die gesamtdeutsche Magnetwirkung, die sich die LDP von der Veranstaltung versprochen hatte, geriet vollends in Frage, als sich Heile mit seiner Parteitagsrede den Unwillen der so­wjetischen Besatzungsmacht zuzog. Sie erklärte kurzerhand, Heile käme für eine Position in der liberalen "Reichspartei" nicht mehr in Betracht.66

61 Sitzung des Vorstands der FDP in der britischen Zone, 18. 6. 1946, Protokoll, abgedr. in: Albertin/ Gringmuth (wie Anm. 28), S. 75.

62 Vgl. das Schreiben Blücher-Altenhain, 3. II. 1946, HStAD, NL Altenhain, RWN 203-3, pag. 108. 63 Euler, stellvertretender Landesvorsitzender, übernahm im Juni 1946 - Fertsch trat in diesem Monat

zurück - die hauptamtliche Geschäftsführung des Landesverbandes. Zum Landesvorsitzenden v.rurde er im Juni 1947 gewählt. Vgl. Wolfgang Staudt, Liberale in Hessen seit 1945. Materialien zum 50jährigen Bestehen der F.D.P. in Hessen, Wiesbaden 1996, S. 18.

64 Wilhelm Heile war in Pyrmont auf die satzungsrechtlich eigentlich gar nicht vorgesehene Position des "Zonenpräsidenten" abgeschoben worden; vgl. Anm. 66.

Gs Middelhauve war für den Erfurter Parteitag angemeldet, seine tatsächliche Anwesenheit kann aus den Berichten über den Parteitag und den anschließenden Berliner Gründungsvorgang oder anderen Quellen aber nicht belegt werden. Vgl. "Der Morgen", 5. 7. 1946; ebd., II. 7. 1946; ADL, Bestand LDPD, Nr. 2778.

66 Hein (wie Anm. 7), S. 285 f. Die SMAD hatte Heiles Eintreten für die Wiedererrichtung des "Heili­gen Römischen Reiches deutscher Nation" als imperialistische Absichtserklärung interpretiert. Tatsächlich vertrat Heile eine sehr eigene, antipreußisch geprägte, außenpolitisch orientierte Konzep-

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Trotz dieser negativen Konstellation, trotz der Widerstände gegen eine von Berlin geführte liberale Gesamtorganisation hielt die LDP-Führung an ihrem Gründungsplan fest. Offenbar betrachtete sie die Verbindung mit dem britischen Zonenverband als so dominant, daß es den anderen liberalen Regionalparteien nicht möglich sein werde, sich ihrem politischen Gewicht dauerhaft entgegenzustellen. Obwohl Heile von der SMAD zur persona non grata erklärt worden war und die Rückreise antreten mußte, fuhren die übrigen Delegationsmitglieder wie vereinbart unmittelbar nach Abschluß des Erfurter Parteitags mit nach Berlin, um die Gründung einer gesamtdeutschen liberalen Partei zu vollziehen. Zu einem derartigen Schritt waren allein die Vertreter des britischen Zonenverbandes politisch legitimiert. Am I 0. Juli wurde der Zusammenschluß aller Parteigruppen unter dem Namen "Liberal-De­mokratische Partei Deutschlands" beschlossen. Blücher gehörte dem fünfköpfigen Vorstand an, in dem Lieutenant als geschäftsführender Vorsitzender ftmgierte.67 Damit waren die Vor­behalte in den westlichen Zonen gegen den Parteinamen "LDP" und den Berliner Führungs­anspruch ausgeblendet worden. Sogar bei Külz wurden Zweifel spürbar, ob sich der "tiefe Eindruck", den der Gründungsvorgang bei den Teilnehmern hinterlassen habe, auch den an­deren Parteiverbänden mitteilen werde.68

Die Berliner Vorgänge sind sowohl von ihren zeitgenössischen Kritikern (Ernst Mayer: "Pos­senspiel") als auch in der späteren wissenschaftlichen Bewertung (Ekkehart Krippendorff: "Theatercoup") als politisch kaum ernstzunelunender, spontaner Vorgang dargestellt wor­den.69 In Wirklichkeit handelte es sich um eine abgestimmte Aktion mit dem britischen Zo­nenverband. Heile hatte den Zonenvorstand am 18. Juni eingehend über die Verhandlungen mit Lieutenant informiert.7° Aber es sollte sich erneut als Fehler der LDP-Führung erweisen, die Liberalen in den anderen Westzonen mit vollendeten Tatsachen zu konfrontieren. Somit bot sich der württembergischen DVP eine willkommene Gelegenheit, die Ablehnungsfront gegen die Vereinigungsstrategie der LDP zu stärken. Für eine offene Auseinandersetzung mit Berlin fand die DVP indessen noch keine Verbünde­ten. So schrieb der bayerische FDP-Vorsitzende Thomas Dehler an Mayer: "Die Nachrichten über die Erfurter und Berliner Vorgänge haben den von Anfang an vorhandenen bitteren Ge­sclunack noch verstärkt. Daß wir die dort gezimmerte Brücke nicht betreten, erscheint mir fraglos . Ich habe nur das eine Bedenken, daß unser mühsam begonnenes Werk vollends zer­schlagen wird, wenn der Zwiespalt an die Öffentlichkeit getragen wird."71

Bemerkenswert bleibt die Unterstützung, die Külz aus Nordrhein-Westfalen erhielt, doku­mentiert durch die exponierte Beteiligung Franz Blüchers an der "Reichsparteigründung" in

tion, die föderalistische und proeuropäische Ansätze miteinander verband. Vgl. ebd. , S. 119 ff. Heile geriet innerparteilich aber vor allem deshalb immer stärker in die Kritik, weil er sich, ohne ein derar­tiges Verhandlungsmandat erhalten zu haben, hartnäckig um einen Zusammenschluß der bürgerli­chen Parteien in der britischen Zone bemühte. Heile wurde im November 1946 seiner Funktion ent­hoben und verließ 1947 die FDP.

67 "Der Morgen", 11 . 7. 1946. 68 Aufzeichnung von Wilhelm Külz, II. 7. 1946, ADL, Bestand LDPD, Nr. 903. 69 Krippendorff(wie Anm. 51), S. 144f. 1o Sitzung des Vorstands der FDP in der britischen Zone, 18. 6. 1946, Protokoll, abgedr. in: Albertin/

Gringmuth (wie Anm. 28), S. 74. 71 Zitiert nach Hein (wie Anm. 7), S. 288.

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Auf dem Weg zu einer gesamtdeutschen liberalen Partei

Berlin. Blücher, der im September 1946 als Finanzminister in die nordrhein-westfälische Landesregierung berufen wurde, galt als nüchterner Taktiker. Aber auch er ließ sich auf die politisch nur unzulänglich vorbereitete Aktion ein, eine gesamtdeutsch organisierte liberale Partei vor Augen, als kleinen, aber demonstrativen Schritt zu einem wiedervereinigten Deutschland.72 Die Neigung, den Einheitswillen unter allen Umständen zu bekräftigen, dürfte bei den nordrhein-westfälischen Liberalen durch die französischen Pläne zur Los­lösung des Ruhrgebietes weiteren Auftrieb erhalten haben. Deutlicher als alle anderen Partei­en in Nordrhein-Westfalen bezogen sie dagegen Stellung.73

Nicht nur in ihrer strikten einheitsstaatliehen Orientierung waren sich die Liberalen in der sowjetischen Besatzungszone und in Nordrhein-Westfalen einig. Sie lehnten auch eine ein­seitige Westoption ab. "Wir müssen", schrieb Blücher im November 1946 an Altenhain, "un­sere politische Aufgabe als Land der Mitte, als Land des Herzens von Europa selbst in den schwärzesten Lagen sehen".74 Für die Nationalliberalen in Westdeutschland ging es dabei um ein Kernelement der eigenen politischen Tradition. Für die LDP in der sowjetischen Be­satzungszone ging es um mehr. Sie wußte, daß wirtschaftliche und politische Freiheit in Ost­deutschland ohne die Vereinigung Deutschlands nicht zu bewahren waren. Angesichts des Widerstandes gegen den Berliner Parteigründungsversuch beschloß der bri­tische Zonenvorstand am 23. Juli, die Gründung einer gesamtdeutschen liberalen Partei zurückzustellen. Die "reichsweite" LDP war damit ebenso schnell in der Versenkung ver­schwunden wie sie aufgetaucht war. Der Beschluß des Zonenvorstandes wurde aber nicht etwa ohne Abstimmung mit der LDP gefaßt, sondern in Anwesenheit von Külz.75 Aus den Tagebuchaufzeichnungen des LDP-Vorsitzenden geht hervor, daß ihm in diesen Wochen erst­mals Zweifel am Erfolg seiner bisherigen Vereinigungspolitik kamen. Sogar die Einsetzung des Koordinierungsausschusses auf dem Pyrmonter Zonenparteitag betrachtete er nun als übereilte Entscheidung.76

Der zweite Koordinierungsausschuß, Konstituierung und Scheitern der Demokratischen Par­tei Deutschlands

Anläßlich der Gründung des amerikanischen Zonenverbandes am 28. und 29. September 1946 in Stuttgart schien sich dennoch erstmals eine Verständigung zwischen LDP und DVP anzubahnen. Man konnte sich auf die Einberufung eines neuen Koordinierungsausschusses einigen, dem aus jeder Zone fünf Mitglieder angehören sollten. Aus dem britischen Zonen­verband wurden unter anderem Blücher, Altenhain und Middelhauve als Delegierte be-

n Zu Blüchers Haltung zur LDP und zu Külz persönlich: Theo Rütten, Der deutsche Liberalismus 1945 bis 1955. Deutschland- und Gesellschaftspolitik der ost- und westdeutschen Liberalen in der Entstehungsphase der beiden deutschen Staaten, Baden-Baden 1984, S. 49 ff.

73 Nordrhein-Westfalen. Deutsche Quellen zur Entstehungsgeschichte des Landes 1945/46. Eingeleitet und bearbeitet von Wolfgang Hölscher, Düsseldorf 1988, S. 74.

74 Schreiben Blücher-Altenhain, 3. II. 1946, HStAD, NL Altenhain, RWN 203-3 , pag. 107. 75 Sitzung des Vorstands der FDP in der britischen Zone, 23 . 7. 1946, Protokoll, abgedr. in: Albertin/

Gringmuth (wie Anm. 28), S. 79 f. 76 Aufzeichnung von Wilhelm Külz, 27. 7. 1946, ADL, Bestand LDPD, Nr. 903; ebd., 8. 9. 1946.

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nannt.77 Aber die strukturellen Differenzen zwischen Unitaristen und Föderalisten blieben unverändert bestehen. Während ostdeutsche und nordrhein-westfälische Liberale auf eine In­tensivierung des Parteigründungsprozesses drängten, ging die DVP davon aus, daß eine "Reichspartei" im Augenblick nicht auf der Tagesordnung stehe. Angesichts der südwestdeutschen Restriktionen teilte Hermes Lieutenant am I 0. Oktober mit, notfalls müsse der Zusammenschluß von den Kreisverbänden "dadurch erzwungen wer­den, daß sie sich einer Reichsorganisation unter gleichzeitigem Austritt aus den Landes- und Zonenverbänden unterordnen". Für den Generalsekretär eines Zonenverbandes war dies ein bemerkenswerter Vorschlag, der verdeutlicht, welchen Stellenwert Hermes dem Projekt der gesamtdeutschen Partei beimaß.78

Die DVP blieb der ersten Sitzung des zweiten Koordinierungsausschusses am 8. und 9. No­vember 1946 in Coburg fern und demonstrierte auf diese Weise ihr Desinteresse an einem raschen Fortgang der Verhandlungen. Trotz ihrer Abwesenheit verdichtete sich die Koopera­tion der liberalen Parteien während des Coburger Treffens zu einer "Arbeitsgemeinschaft", für die als Name "Demokratische Partei Deutschlands" vorgeschlagen wurde. Unter Vorsitz von Külz verabschiedete der Koordinierungsausschuß eine aus den Reihen des britischen Zo­nenverbandes vorgelegte erste Standortbestimmung, die erneut den einheitsstaatliehen An­satz untermauerte: "Die Partei steht rückhaltlos auf dem Boden der Reichseinheit Das neue Deutsche Reich soll alleiniger Träger der Souveränität sein. Die Länder sind Glieder des Reiches ohne Staatscharakter."79

Bei der nächsten Sitzung des Koordinierungsausschusses kehrte die DVP am 17. März 194 7 in Rotbenburg ob der Tauber an den Verhandlungstisch zurück. Die Tagung war erneut von tiefgreifenden Spannungen geprägt. Der LDP wurde vorgeworfen, die Blockpolitik der SED zu unterstützen; die DVP und ihr Generalsekretär Mayer mußten sich ihrerseits "partikulari­stische Gesinnung" vorhalten lassen. Aber Middelhauve hatte gleich zu Beginn der Tagung gedrängt, man müsse jetzt endlich zu einem Zusammenschluß kommen, und eine entspre­chende Modifikation der Tagesordnung durchgesetzt. Die DVP konnte sich dem Druck, mit einer gesamtdeutschen liberalen Partei ein politisches Zeichen zu setzen, nun nicht mehr länger entziehen: Die liberalen Parteien bestätigten in Rotbenburg "ihre Einheit in der Demokratischen Partei Deutschlands". Der Koordinierungs­ausschuß wurde in den vorläufigen Vorstand der neuen "Reichspartei" umgewandelt. Damit war der erste - und es blieb der einzige - gesamtdeutsche Parteienzusammenschluß entstan­den. Lediglich die Liberalen aus der französischen Besatzungszone mußten der DPD auf Be­fehl der französischen Besatzungsmacht zunächst fernbleiben und waren in Rotbenburg nur mit Beobachterstatus vertreten .S0

77 Sitzung des Vorstands der FDP in der britischen Zone, 19./20. I 0. 1946, Protokoll, abgedr. in: Alber­tin/Gringmuth (wie Anm. 28), S. 103 f.

1s Zit. nach dem Schreiben Middelhauve-Blücher, 19. 11. 1946, ADL, Nr. 28. 79 Zit. nach Sehröder (wie Anm. 8), S. 289; vgl. den fast identischen Beschluß des britischen Zonenvor­

stands: Sitzung des Vorstands der FDP in der britischen Zone, 19./20. 10. 1946, Protokoll, abgedr. in: Albertin/Gringmuth (wie Anm. 28), S. 104.

so "Niederschrift der Sitzung des Koordinierungsausschusses am 17. März 194 7 in Rothenburg o.T., Hotel Eisenhut", abgedr. in: Zwischen Verständigungsbereitschaft, Anpassung und Widerstand. Die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands in Berlin und der Sowjetischen Besatzungszone 1945-

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Auf dem Weg zu einer gesamtdeutschen liberalen Partei

Durch die fortdauernde französische Blockadehaltung hatte sich auch an der ablehnenden Haltung des Alliierten Kontrollrates zur Frage gesamtdeutscher Parteienzusammenschlüsse nichts geändert. Dies zwang die liberalen Parteiverbände dazu, die Strukturen ihrer neuen überzonalen Organisation möglichst vage zu lassen - und erleichterte wiederum den Württemberg-Badenern ihre Zustimmung. Theodor Heuss und Wilhelm Külz wurden zu gleichberechtigten Parteivorsitzenden der DPD gewählt. Auch der geteilte Vorsitz kennzeich­nete die fortdauernden internen Differenzen. Obwohl Middelhauve von einem "verheißungsvollen Auftakt" sprach,81 besaß die Gründung der Demokratischen Partei Deutschlands also eher den Charakter einer Manifestation des li­beralen Einheitswillens, als daß sie zur organisatorischen und politischen Plattform gesamt­deutscher Parteiarbeit hätte werden können. Der Zusammenschluß erfolgte zu einem Zeit­punkt, als sich die Verschärfung des Ost-West -Gegensatzes abzeichnete. Auf der parallel zur Rothenburger Tagung der Liberalen stattfindenden Moskauer Konferenz konnten die alliier­ten Außenminister keine Verständigung erzielen. Die Teilung Deutschlands rückte somit näher. Die politische Verbindung und praktische Zusammenarbeit der LDP mit den nordrhein-west­fälischen Liberalen blieb unvermindert intensiv: Die Geschäftsstellen unterrichteten sich über die jeweiligen Arbeitsschwerpunkte; der parteiinterne Informationsdienst der nord­rhein-westfälischen FDP räumte Meldungen der LDP über ihre Aktivitäten in der sowjeti­schen Besatzungszone teilweise breiten Raum ein.82 LDP-Mitglieder, die nach Nordrhein­Westfalen übersiedelten, wurden von ihren ostdeutschen Landesverbänden offiziell umge­meldet. Gelegentlich wurde sogar praktische Lebenshilfe geleistet, wenn es etwa darum ging, die Zuzugsgenehmigung oder auch eine Wohnung zu beschaffen.83

Nach wie vor stellte die LDP erhebliche finanzielle Mittel ftir die Parteiarbeit in der briti­schen Besatzungszone zur Verfügung. Anfang 1947 wurde mit Wilhelm Falk ein LDP-Politi­ker neuer Hauptgeschäftsführer des britischen Zonenverbandes.84 Im Frühjahr 1947 setzte die LDP ihre prominentesten Redner im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf ein: Külz sprach in Aachen, Bonn, Köln, Siegen und Bad Berleburg, Lieutenant in Gelsenkir­chen, Herford, Krefeld und Solingen; zusammen traten beide in Minden auf.85

Weder der Bielefelder Parteitag des britischen Zonenverbandes Anfang Juni 194 7, auf dem erneut eine starke Delegation der LDP vertreten war, noch die Teilnahme von Blücher und Heuss am Eisenacher Parteitag der LDP vier Wochen später konnten die überzonale Zusam-

1949. Zusammengestellt und kommentiert von Kar1-Heinz Grundmann unter Mitarbeit von Dieter Hein, Bonn 1978, S. 89-92. An der DPD-Vorstandssitzung am 3. November 1947 konnten Liberale aus der französischen Zone dann als Vollmitglieder teilnehmen.

81 Zit. nach Sehröder (wie Anm. 8), S. 290. 82 Vgl. "LDP-Berichte aus der Ostzone", FDP-Nachrichten, Nr. 9/10, Mai 1947, HStAD, NL Blücher,

RWN 96-13, pag. 51-53. 83 HStAD, RWV 49-1647; ebd., Nr. 1648. 84 Falk hatte zunächst als Jugendreferent des LDP-Zonenverbandes gearbeitet und war als Spitzenkan­

didat der brandenburgischen LDP für die Landtagswahlen nominiert worden. Die SMAD untersagte seine Kandidatur, nachdem er gegen die Enteignungspolitik der Kommunisten Stellung bezogen hatte.

85 Aufzeichnung von Wilhelm Kii1z, I. 4. 1947, abgedr. in: Robe! (wie Anm. 6), S. 65 ff.; "Der Mor­gen", 2. 5. 1947; Schreiben Middelhauve-Lieutenant, 13. 5. 1947, HStAD, RWV 49-1647, pag. 33.

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menarbeit der Liberalen in Form der DPD vertiefen. Auf der ersten Sitzung des DPD-Vor­standes am 9. Juli in Berlin wurden programmatische Grundsätze verabschiedet, die aber nicht auf die politische Arbeit in den Zonen- und Landesverbänden ausstrahlten. Statt dessen führte schon auf der Berliner Sitzung die gescheiterte Münchner Ministerpräsidentenkonfe­renz zur nächsten Kontroverse; der Spielraum gesamtdeutscher Parteienkooperation wurde enger.86

Dennoch stellte Blücher auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen FDP auf der Hohensyburg im August 1947 einen separaten wirtschaftlichen und politischen Ausbau der Westzonen in Frage: "Für uns ist Deutschland, sind die vier Zonen und die deutschen angren­zenden Gebiete eine politische und wirtschaftliche Einheit. Wir werden unsere Erstgeburt nicht für das Linsengemüse eines noch dazu fraglichen, sicherlich aber kurzfristigen mate­riellen Vorteils verkaufen."87 Wie bei der LDP wurde auch in der nordrhein-westfälischen FDP der Gedanke eines wiedervereinigten, militärisch neutralen Gesamtdeutschlands für durchaus realistisch gehalten. Mit Blick auf die bevorstehende Londoner Außenministerkonferenz der Alliierten verab­schiedete der DPD-Vorstand am 3. November eine Resolution, mit der die baldige Ausschrei­bung demokratischer Wahlen und die Bildung einer gesamtdeutschen Regierung "nach dem Willen des deutschen Volkes" gefordert wurde.88 Vor dem Hintergrund dieses Beschlusses löste die Entscheidung der LDP-Führung, sich am kommunistisch gelenkten "Volkskongreß für Einheit und gerechten Frieden" zu beteiligen, Unverständnis und Empörung bei den Li­beralen in den Westzonen aus. Für Külz lag auch der "Volkskongreß" auf der Linie einer nationalen Parteienrepräsentation, die die LDP seit langem als geeignete Vertretung deutscher Interessen propagierte, solange gesamtdeutsche Wahlen noch ausstanden. Trotz aller auch in seiner Partei zutage tretenden Bedenken glaubte er kein Forum vernachlässigen zu dürfen, um dem Einheitswillen der Deutschen Gehör zu verschaffen. In den Augen der westlichen LDP-Kritiker war dieses Ver­halten zumindest naiv, wenn nicht sogar fahrlässig und unverantwortlich. Von der hessischen LDP wurde Külz als "Steigbügelhalter der SED" abqualifiziert.89 Theodor Heuss vollzog den politischen Bruch mit Külz am 19. Dezember 1947 in Form eines Briefes, in dem er Külz aufforderte, am besten gar nicht mehr zur nächsten Vorstandssitzung der DPD zu er­scheinen: "[ . . . ] ich habe die Empfindung, daß Jakob Kaiser, den ich in meinem Leben noch nie gesehen habe, in der Niederlage eine deutsche Figur geworden ist, während Sie, so hart es ist, das auszusprechen, eine gewesen sind."90

Die nordrhein-westfälische FDP erkannte durchaus die Gefahr, in die sie zu geraten drohte, wenn sie sich angesichts der negativen Reaktion der westdeutschen Öffentlichkeit auf das

86 Hein (wie Anm. 7), S. 293 ff. 87 Zit. nach dem Redemanuskript Blüchers: Bundesarchiv (BA), NL Blücher, N80-155, pag. 170.

Blücher lehnte noch im Juli 1948 die Gründung eines westdeutschen Staates ab: Rütten (wie Anm. 72), S. 64 ff.

ss "Niederschrift der Sitzung des vorläufigen Reichsvorstandes der Demokratischen Partei Deutsch­lands in Frankfurt am Main am 3. November 1947, Hotel Monopol-Metropol", abgedr. in: Grund­mann/Hein (wie Anm. 80), S. 97.

89 Hein (wie Anm. 7), S. 306. 90 Abgedr. in: Robe! (wie Anm. 6), S. 179- 182.

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propagandistische Spektakel des "Volkskongresses" nicht stärker von der LDP distanzierte. 91

Aber Blücher, Middelhauve und Altenhain ließen sich am 14. Dezember zunächst durch Lieutenant über die Gründe informieren, die die LDP zur Teilnahme am "Volkskongreß" be­wogen hatten.92 Zufriedenstellend verlief das Gespräch aus ihrer Sicht nicht. Dennoch wiesen sie die scharfen Angriffe auf Külz zurück. Schon der persönliche Respekt vor Külz verbiete es, so Blücher, "in solcher Form und ohne intimste Kenntnis seiner Gedanken den Stab zu brechen".93

So war auch die offizielle Stellungnahme, die der britische Zonenvorstand Anfang Januar auf seiner Wangerooger Klausurtagung abgab, auffallend moderat gehalten. Zwar wurde kri­tisiert, daß die LDP dem Herrschaftsanspruch der SED einen "Schein von Rechtmäßigkeit" verliehen habe, und die Aufkündigung der Blockpolitik durch die Ostzonen-Liberalen ver­langt. Aber die FDP betonte zugleich "ihre enge Verbundenheit mit den dort lebenden Gesin­nungsfi·eunden" und würdigte deren "liberale Überzeugungstreue".94

Darüber hinaus wurde bei der Wangerooger Tagung eine weitere Initiative ft.ir eine gesamt­deutsche Parteienvertretung vorbereitet, in Anknüpfung an das bisher von der LDP vertretene und im "Volkskongreß" von den Kommunisten instrumentalisierte Modell der nationalen Parteienrepräsentation. Es handelte sich nicht zuletzt um den Versuch, eine neue Basis für künftige Kontakte mit der LDP zu schaffen. Auch den nordrhein-westfälischen Liberalen war bewußt, daß die Demokratische Partei Deutschlands gescheitert war. Am 18. Januar 1948 fand in Frankfurt am Main die letzte Sitzung des DPD-Vorstandes statt. Külz blieb ihr fern. Neben Lieutenant waren fuhrende liberale Politiker aus allen Ländern der sowjetischen Besatzungszone vertreten, um den Rückhalt zu demonstrieren, den die Parteifiihrung der LDP in ihren Landesverbänden besaß. Middelhauves nach vielstündiger Aussprache eingebrachter Vorschlag, die DPD in Form einer reformierten Ar­beitsgemeinschaft der liberalen Parteien zu erhalten, war ein letzter und vergeblicher Ver­such, doch noch eine Brücke zu bauen. Auch die nordrhein-westfälischen Vertreter stimm­ten schließlich ftir die von Heuss eingebrachte Beschlußvorlage, mit der Külz und Lieute­nant indirekt zum Rücktritt aufgefordert wurden. Die ostdeutschen Liberalen verließen daraufhin die Sitzung. Von diesem Zeitpunkt an waren die Weichen fiir die Gründung einer westdeutschen liberalen Partei gestellt, die im Dezember 1948 in Heppenheim vollzogen wurde.95

In dem Maße, wie die Beziehungen zwischen den liberalen Parteien in West- und Ost­deutschland schwieriger wurden, begannen sich die Kontakte auf die unteren Parteiebenen

91 "Setzen wir den Külz'schen Stuhl nicht vor die Türe, so würde ich mir als Propagandaleiter der CDU bei der nächsten Wahl keine Sorgen machen, wenn es sich um das Propagandamotiv gegen die FDP handeln würde." Schreiben Dominicus-Middelhauve, 18. 12. 1947, ADL, NL Blücher, A3- 6.

92 Aufzeichnung von Wilhelm Külz, 16. 12. 1947, abgedr. in: Robe! (wie Anm. 6), S. 130f. 93 Schreiben Blücher an Höpker-Aschoff, 2. I. 48, ADL, NL Blücher, A3-IO. 94 Tagung des Vorstands der FDP in der britischen Zone, 3.-6. I. 1948, Protokoll, abgedr. in: Albertin/

Gringmuth (wie Anm. 28), S. 25 I. 95 "Niederschrift der Sitzung des vorläufigen Reichsvorstandes der Demokratischen Partei Deutsch­

lands in Frankfurt am Main am 18. Januar 1948, Hotel Monopol-Metropol", abgedr. in : Grundmann/ Hein (wie Anm. 80), S. 103- 110.

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zu verlagern.96 Auch Blücher nahm unter Hinweis auf den Vorschlag einer gesamtdeutschen Parteienvertretung nach dem Scheitern der DPD noch einmal Verbindung mit der LDP­Führung auf.97 Aber nach weiteren internen Auseinandersetzungen, die zur Trennung des Berliner Landesverbandes von der LDP führten- er schloß sich später der FDP an-, rückte die gesamtdeutsche Handlungsebene für die LDP stärker in den Hintergrund. Angesichts der systematischen kommunistischen Machtokkupation gab sie im Frühjahr 1948 ihre bisherige Zurückhaltung auf und setzte sich für einige Monate an die Spitze der politischen Opposi­tionsbewegung gegen die SED. Die von den kommunistischen Machthabern erzwungene, schrittweise vollzogene Einfügung der LDP in das "sozialistische Mehrparteiensystem" der DDR veränderte Qualität und Intention der gesamtdeutschen liberalen Parteikontakte grund­legend. Aber sie dauerten fort, häufig unbemerkt von der westdeutschen Öffentlichkeit. Das änderte sich 1956, als junge nordrhein-westfalische Liberale auf Initiative von Wolfgang Döring ausloten wollten, welchen Spielraum für eigenständige Westkontakte die Liberal-De­mokratische Partei wirklich besaß.98 Zumindest aus ihrer Sicht war das Ergebnis äußerst er­nüchternd. Aber auch diese Initiative stand in der Kontinuität einer deutschlandpolitischen Motorenfunktion, die die nordrhein-westfalische FDP über Jahrzehnte in der Gesamtpartei ausübte, und die nicht ohne Iandes- wie bundespolitische lmplikationen blieb.

96 So bat der Bezirksverband Dessau den Landesverband Nordrhein-Westfalen im Mai 1948 um regel­mäßige Übersendung seines lnformationsdienstes: Es sei nun in besonderem Maße nötig, "das Gefühl der Zusammengehörigkeit [ .. . ] zu fördern und zu pflegen", nachdem der offizielle Zusam­menhalt "zerrissen" sei. Schreiben LDP-Bezirksverband Dessau-FDP-Landesverband NRW, 15. 5. 1948, HStAD, RWV 49-1648, pag. 99.

97 Schreiben Blücher-Zentralsekretariat der LDP, 13. I. 48, ADL, NL Schwennicke, N54-84, pag. 95. Gleichlautende Schreiben gingen auch an die anderen liberalen Zonenverbände sowie an CDU, SPD, Zentrum und Deutsche Partei. Im Gegensatz zu dem unpersönlichen Schreiben von Blücher antwor­tete Külz am 26. I. mit betontem Bezug zu seinem Adressaten und erklärte die grundsätzliche Be­reitschaft der LDP, auf die Initiative einzugehen: Schreiben Külz an Blücher, ebd., pag. 96.

98 Siegfried Suckut, Die Gespräche zwischen FDP und LDPD im Jahre 1956. Vorgeschichte, Verlauf, DDR-interne Erwartungen und Reaktionen, in: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung 4 (1992), S. 85-141.

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