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    Die Verhaltensvariante der frontotemporalen Demenz

    Eine komplexe, wenig bekannte neurodegenerative KrankheitDer Begriff der frontotemporalen Demenz (FTD) bezeichnet ver-schiedene dementielle Syndrome neurodegenerativer Genese mit bevorzugter Affektion der vorderen Frontal- und Temporal-lappen. Diese Syndrome sind typischerweise bedingt durch Pa-thologien aus dem Formenkreis der frontotemporalen Lobrdegenerationen. Neben der frhen Form der Alzheimer-Demenz, ist die FTD die am hufi gsten auftretende Demenz vor dem 65. Lebensjahr.

    Die FTD ist klinisch und neuropathologisch heterogen. Dersel-be klinische Subtyp kann durch unterschiedliche Neuropatho-logien bedingt sein, respektive kann der eine klinische Subtyp im zeitlichen Verlauf in einen anderen Subtyp bergehen. Auf der Ba-sis klinischer Charakteristika wird die FTD in zwei Hauptgruppen unterteilt: Zum einen in die Verhaltensvariante der FTD (behaviou-ral variant FTD, bvFTD), welche durch progrediente Strungen des Verhaltens und der Persnlichkeit charakterisiert ist; und zum an-deren in die primr progressive Aphasie, bei welcher unterschiedli-che progrediente Sprachstrungen im Vordergrund stehen.

    Die erwhnten FTD-Subtypen berlappen klinisch und neuro-pathologisch mit Motoneuronenkrankheiten (meist die amyotrophe Lateralsklerose) und mit zwei Formen extrapyramidal-motorischer Krankheiten: dem kortikobasalen Syndrom und der progressiven supra-nukleren Paralyse. Diese mit FTD berlappenden Krankheiten werden entsprechend auch als FTD-assoziierte Krankheiten bezeichnet.

    Der Fokus dieses Artikels liegt in der Diagnostik und Th erapie der bvFTD, dem hufi gsten FTD-Subtyp mit einer Prvalenz um 15/100 000 in der Altersgruppe der 45 bis 65-Jhrigen.

    Klinische Symptome der bvFTDbvFTD wird oft verzgert diagnostiziert, unter anderem weil die betroff enen Personen die Vernderungen ihrer Persnlichkeit und ihres Verhaltens nicht wahrnehmen (fehlende Krankheitseinsicht). Daneben ist es im Frhstadium der Krankheit angesichts der Band-breite von Persnlichkeitszgen in der Bevlkerung oft schwierig abzuschtzen, ob auff llige Persnlichkeitszge noch im Normbe-reich liegen oder bereits als pathologisch zu werten sind. So knnen bestimmte Verhaltensweisen noch im oberen Normbereich einer stark extravertierten Persnlichkeit liegen, wogegen dieselben Ver-haltensweisen bei einer prmorbid introvertierten Persnlichkeit als pathologisch zu werten sind.Zu Beginn der Krankheit wird vielfach von unspezifi schen Symp-tomen wie Apathie, Verlust von Interessen sowie sozialer Rckzug berichtet. Diese Vernderungen werden oft begleitet von Aff ekt-verfl achung und Verlust von Empathie. In Abhngigkeit usserer Einfl sse wechseln sich Apathie oft mit Enthemmung und Dis-tanzlosigkeit ab, respektive Aff ektverfl achung mit Euphorie bis zu Manie. Enthemmung ist charakterisiert durch sozial inadquates

    Verhalten wie verletzende Kommentare oder unangemessenes An-sprechen oder Berhren fremder Personen. Enthemmung kann in soziopathischem Verhalten wie berschreiten von Verkehrsregeln oder Delinquenz mnden. Als Ausdruck der Impulskontrollst-rung entwickeln die Betroff enen oft mals einen bermssigen Kon-sum bestimmter Nahrungsmittel, vielfach von Sssigkeiten, sowie orale Abhngigkeitssyndrome, beispielsweise von Alkohol, Nikotin oder Medikamenten. Ebenfalls wird stereotypes, zwanghaft impo-nierendes Verhalten beobachtet, welches von einfach-motorischen bis zu komplex-motorischen, ritualistischen Handlungen reichen kann. Auff allend sind auch mentale Rigiditt, verminderte Impuls-kontrolle sowie erhhte Ablenkbarkeit. Diese kognitiven Strungen, im Speziellen mentale Rigiditt sowie erhhte Ablenkbarkeit, hin-dern die Betroff enen sich wechselnden Situationen anzupassen mit entsprechend deutlicher Beeintrchtigung ihrer Alltagsaktivitten.

    Psychotische Symptome wie Wahnvorstellungen oder Hallu-zinationen treten kaum auf, ausser bei Patienten, welche zustz-lich an einer amyotrophen Lateralsklerose leiden. ber 15% der bvFTD Patienten entwickeln Symptome einer amyotrophen Late-ralsklerose.

    Die krzlich revidierten Diagnosekriterien refl ektieren die Be-deutung der Verhaltensstrungen in der Diagnostik von bvFTD (Tab. 1). Entsprechend sind die im Demenzbereich blicherweise verwendeten Messinstrumente zur Erfassung der kognitiven Leis-tungsfhigkeit wie der Mini-Mental Status oder die Clinical De-mentia Rating Skala ungeeignet zur Erfassung des Schweregrades der bvFTD. Die neu entwickelte Frontotemporal Dementia Rating Skala (deutsche Version wird aktuell validiert) scheint hierfr ge-eigneter zu sein.

    Bildgebende und labormedizinische UntersuchungsverfahrenFrhe Zeichen einer kortikalen Atrophie fi nden sich in frontalen paralimbischen Strukturen, sprich mesiofrontal, orbitofrontal und frontoinsulr (Abb. 1A). Im Frhstadium der Krankheit fehlen je-doch oft mals diese strukturellen Vernderungen. In diesem Falle, respektive bei im Raum stehenden Diff erentialdiagnosen wie bei-spielsweise eine schwere depressive Episode, ist eine weiterfhrende funktionelle Bildgebung, idealerweise mittels FDG (Fluor-18-De-

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  • oxyglucose) PET, sinnvoll. Vergleichbar zur strukturellen Bild-gebung zeigt die funktionelle Bildgebung typischerweise einen mesiofrontalen und antero-temporalen Hypometabolismus (FDG-PET), respektive Hypoperfusion (Perfusion-SPECT) (Abb. 1B).

    Die Liquoranalyse erlaubt nicht die Detektion frontotempora-ler Lobrdegenerationen, hilft jedoch in der Abgrenzung zu ande-ren Neuropathologien. Neben dem Ausschluss von zentral-nervs entzndlichen und infektisen Krankheiten, ermglicht die Li-quoranalyse die Abgrenzung zur Alzheimer-Krankheit mittels Be-stimmung der Proteine Amyloid-beta1-42 und Phospho-Tau. Bei der Alzheimer Krankheit sollte Amyloid-beta1-42 erniedrigt und Phospho-Tau erhht sein, wogegen bei frontotemporalen Lobrde-

    generationen die Spiegel beider Proteine denjenigen von gesunden Personen entsprechen.

    Eine genetische Testung [im Speziellen Mutationen von Ge-nen kodierend fr das Mikrotubuli-assoziierte Protein-Tau und fr Progranulin] sollte nur erwogen werden, wenn mindestens ein Ver-wandter 1. Grades an einer FTD oder FTD-assoziierten Krankheit leidet.

    DifferentialdiagnoseIm Frhstadium der bvFTD sind psychiatrische Krankheiten die wahrscheinlich hufi gsten Fehldiagnosen. Diese reichen von der therapierefraktren schweren Depression ber die bipolare St-

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    TAB. 1 Internationale Konsensuskriterien fr die Verhaltensvariante der frontotemporalen Demenz

    Revidierte Diagnosekriterien der bvFTD

    I. Voraussetzung:

    neurodegenerative Erkrankung mit progredienter Verschlechterung von Verhalten und/oder Kognition, die durch den Untersucher z. B. im Rahmen von mehreren Untersuchungen beobachtet werden kann oder anamnestisch (von einem verlsslichen Informanten) berichtet wird

    II. Mgliche bvFTD:

    3 der folgenden Symptome (AF) sind erforderlich (anhaltend oder wiederkehrend, nicht vereinzelt oder selten auftretend):A: frhzeitig1) Enthemmung (obligat ist mindestens 1 der Symptome A.1A.3):

    A.1: sozial unangemessenes VerhaltenA.2: Verlust von Umgangsformen oder AnstandA.3: impulsive, unberlegte oder achtlose Handlungen

    B: frhzeitig Apathie oder Passivitt (mindestens 1 der Symptome von B.1B.2):B.1: Apathie (fehlender Antrieb)B.2: Passivitt (Trgheit, Schwerbeweglichkeit)

    C: frhzeitig Verlust von Mitgefhl oder Einfhlungsvermgen (mindestens 1 der Symptome von C.1C.2):C.1: vermindertes Eingehen auf Bedrfnisse und Gefhle andererC.2: vermindertes Interesse an sozialen Kontakten und Beziehungen, Abnahme persnlicher Wrme

    D: frhzeitig perseveratives, stereotypes oder zwanghaftes/ritualisiertes Verhalten (mindestens 1 der Symptome von D.1D.3):D.1: einfache repetitive BewegungenD.2: zwanghaftes oder ritualisiertes komplexes VerhaltenD.3: sprachliche Stereotypien

    E: Hyperoralitt und Vernderungen der Ernhrung (mindestens 1 der Symptome von E.1E.3):E.1: vernderte Vorlieben fr SpeisenE.2: Essanflle, vermehrter Konsum von Alkohol oder ZigarettenE.3: In-den-Mund-Nehmen oder Verzehren von nicht essbarem Material

    F: neuropsychologisches Profi l: Defi zit von Exekutive/Produktion bei relativ unvernderten Gedchtnis- und visuell-rumlichen Leistungen (obligat sind alle Symptome von F.1F.3):F.1: Defi zit bei Aufgaben mit exekutiver KomponenteF.2: relativ erhaltenes episodisches GedchtnisF.3: relativ erhaltene visuell-rumliche Leistungen

    III.Wahrscheinliche bvFTD:

    alle folgenden Kriterien (AC) mssen vorliegen:A: die Kriterien fr die mgliche bvFTD werden erflltB: der P