Geruchswahrnehmungsstörungen

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Geruchswahrnehmungsstörungen • Überblick Vorübergehende Riechstörungen • Tumore Endokrine Erkrankungen Neurologische Störungen – Parkinson Alzheimer Demenz Psychiatrische Störungen – Depression – Schizophrenie Multiple Chemikalienüberempfindlichkeit (MCS)

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•Überblick•Vorübergehende Riechstörungen•Tumore•Endokrine Erkrankungen•Neurologische Störungen–Parkinson–Alzheimer Demenz•Psychiatrische Störungen–Depression–Schizophrenie•Multiple Chemikalienüberempfindlichkeit (MCS)

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Geruchswahrnehmungsstörungen

• Überblick• Vorübergehende Riechstörungen• Tumore• Endokrine Erkrankungen• Neurologische Störungen

– Parkinson– Alzheimer Demenz

• Psychiatrische Störungen– Depression– Schizophrenie

• Multiple Chemikalienüberempfindlichkeit (MCS)

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Klassifikation• Anosmie

– Komplettes Ausbleiben von Geruchswahrnehmung

• Spezifische Anosmie– Keine Geruchswahrnehmung für bestimmte Duftstoffe

• Hyposmie– Verminderte geruchliche Sensitivität

• Hyperosmie– Erhöhte geruchliche Sensitivität

• Dysosmie– Parosmie: Veränderte Qualitätswahrnehmung bei vorhandener

Duftquelle • Bei negativer Valenz: Cacosmie

– Phantosmie: olfaktorische Halluzination

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Vorübergehende Riechstörungen

• Akute Rhinitis– Entzündung der Nasenschleimhaut– Erkältung, Grippe

• Sinusitis– Nasennebenhöhlenentzündung

• Ventilationsstörung durch Anschwellen der Nasenschleimhaut– Erhöhte Schleimsekretion– Vermindertes Volumen der vorderen Nasenhöhle

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Vorübergehende Riechstörungen

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Tumore• Nasen- und Nebenhöhlentumore• Tumore im ZNS

– Rechtsseitige (fronto-temporale Tumore) führen zu umfassenderen Geruchswahrnehmungsstörungen als linksseitige

– Daniels et al. (2001)

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• Patienten mit rechtsseitigen Tumoren zeigen reduzierte olfaktorisch ereigniskorrelierte Potentiale (OERP) nach beidseitiger Stimulation

• Patienten mit linksseitigen Tumoren zeigen reduzierte Potentiale nur nach linksseitiger Stimulation

– Daniels et al. (2001)

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Endokrine Erkrankungen I• Cushing-Syndrom

– Erhöhter Kortisol-Spiegel aufgrund eines Geschwulstes des Nebennierenrinde bzw. des HVL

– Hyposmie (Modalitäts-unspezifisch?)

• Nebennierenrinden-Insuffizienz (AddisonKrankheit)– Verminderung aller Hormone der

Nebennierenrinde (insbesondere Glukokortikoide und Mineralokortikoide)

– Hyperosmie (Modalitäts-unspezifisch?)

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Endokrine Erkrankungen II• Kallmann-Syndrom (olfaktogenitales Syndrom)

– Hypogonadismus– Keine Sekretion von GnRh im Hypothalamus– Überwiegend bei Männern– Oligophrenie– Schädeldysplasie

– Deutliche Hyposmie oder Anosmie– Vermindertes Volumen des Bulbus olfaktorius– Verminderte Anzahl olfaktorischer Rezeptorzellen,

Verminderung der Zilien-Anzahl

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• Hummel et al. (1991)

CSEKPs bei Kallmann-Patienten

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Neurologische Störungen, die evtl. mit Geruchswahrnehmungsstörungen einher gehen

• Alzheimer Demenz• Down Syndrom• Chorea Huntigton• Korsakoff Syndrom• Multiple Sklerose• Parkinson• Epilepsie

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Parkinson I

• Diagnostik– Tremor– Rigor (Bewegungssteifheit, Zahnradphänomen)– Bradykinese (Bewegungsverlangsamung)

• Biologische Korrelate– Degeneration dopaminerger Nervenzellen

• Nach 7 Jahren sind nur noch etwa 10% vorhanden

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Parkinson II

• Neuropathologie des Geruchs-Kortex– Zell-Untergang im anterioren olfaktorischen

Nukleus

– Zell-Untergang im Bulbus olfaktorius• Bereits in frühen Krankheits-Stadien

– Funktionsverlust im Tuberkulum olfaktorium? (hohe Dichte dopaminerger Neurone)

• Pearce et al. (1995)

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Bulbusolfaktorius

Anteriorerolfakt. N.

PiriformerKortex

EntorhinalerKortex Amygdala

Hippokampus

primärer

sekundärerolfakt. Kortex

Tuberkulumolfaktorium

Orbitofrontaler Kortex, Insel, Thalamus

Orbitofrontaler Kortex, Hypothalamus

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Parkinson III• Geruchswahrnehmungsstörung

– Kardinalsymptom (bei ca. 90% der Patienten)– Anosmie (bei 30-50% der Patienten)– Reduzierte Fähigkeit zur Geruchsidentifikation– Reduzierte geruchliche Sensitivität– Verlängerte Latenzen der Komponenten im olfaktorisch

ereigniskorrelierten Potential (Barz et al., 1997)

– Keine Progression der Wahrnehmungsstörung im Erkrankungsverlauf

– Keine Veränderung der Wahrnehmungsstörung unter dopaminergerMedikation

• Suboptimale Einatmungstechnik (Sobel et al., 2001)• Verminderte Flussstärke• Geringeres nasales Luftvolumen

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Parkinson IV• Riechverlust = Frühsymptom (Erstsymptom?)

– Angehörige von Parkinson-Patienten mit reduzierter Geruchswahrnehmung entwickeln mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Parkinson-Erkrankung als Angehörige mit normalem Riechvermögen (Berendse et al., 2001)

– Die olfaktorische Wahrnehmungsstörung geht wahrscheinlich der motorischen Störung voraus

– Hohe differentialdiagnostische Relevanz

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Alzheimer Demenz I

• Diagnostik– Gedächtnisbeeinträchtigungen (anterograde/ retrograde

Amnesie)– Aphasie (Störungen der Sprache)– Apraxie (Störungen bei motorischen Aktivitäten)– Agnosie (Unfähigkeit Gegenstände wiederzuerkennen)– Störungen der Exekutivfunktion

• Prävalenz– 1% aller 60-jährigen– 50% aller 85-jährigen

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Alzheimer Demenz II

• Histopathologie– Deutliche Reduktion des Gehirnvolumens– Neurofibrilläre Tangels

• Haarlockenförmige Proteinfasern in Nervenzellen• Beeinträchtigung des intrazellulären Transportes

– Senile Plaques• Amyloidablagerungen (Proteinspeicher) zwischen Nervenzellen• Bewirken eine verminderte Zell-Zell-Kommunikation und Zelltod

• Biochemie– Verminderter Acetylcholin-Spiegel– Erhöhte Zink- und Aluminium-Spiegel

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Alzheimer Demenz II• Ist AD eine Typ III Diabetes?

– Insulinresistenz im ZNS– Reduzierte Insulin-Rezeptor (IR)-Expression– Intranasale Insulinapplikation bei AD-Patienten:

Gedächtnisverbesserung

• Eigenschaften von Insulin im ZNS– Regulation der neuronalen Differenzierung– Dendriten-Wachstum, neuronale Plastizität– IR-Expression

• Bulbus olfaktorius (höchste IR-Dichte), Hippokampus, Hypothalamus, Amygdala

– Li und Hölscher (2007)

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Alzheimer Demenz III• Allgemeine Neuropathologie (Nordin & Murphy, 2002)

– Erkrankungsbeginn:• Entorhinaler Kortex• Amygdala• Piriformer Kortex• Anteriorer olfaktorischer Nukleus

– Forschreitende Erkrankung, zusätzlich:• Bulbus olfaktorius• Hippokampus

– Zelluntergang in der Amygdala, dem Entorhinalen Kortex und dem Piriformen Kortex ist deutlicher als im Hippokampus

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Bulbusolfaktorius

Anteriorerolfakt. N.

PiriformerKortex

EntorhinalerKortex Amygdala

Hippokampus

primärer

sekundärerolfakt. Kortex

Tuberkulumolfaktorium

Orbitofrontaler Kortex, Insel, Thalamus

Orbitofrontaler Kortex, Hypothalamus

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Alzheimer Demenz IV• Geruchswahrnehmungsstörung

– Erkrankungsbeginn:• Geruchliche Identifikation

– Modalitätsspezifisch

– Forschreitende Erkrankung, zusätzlich:• Wahrnehmungsschwelle

– Assoziation mit dem Ausmaß der Erkrankung• Bekanntheit

– Modalitätsspezifisch

– Geruchswahrnehmungstests eignen sich wahrscheinlich besser zur Früherkennung der Alzheimer Demenz als andere sensorische oder kognitive Tests!

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Murphy et al. (1990)

Geruchliche Sensitivität bei Alzheimer Demenz

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Depression I

• Diagnostik– Depressive Verstimmung– Vermindertes Interesse oder Freude an fast allen

Aktivitäten

– Gewichtsverlust oder Gewichtszunahme– Schlaflosigkeit oder vermehrter Schlaf– Psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung– Müdigkeit oder Energieverlust– Gefühle von Wertlosigkeit– Verminderte Fähigkeit sich zu konzentrieren– Suizidgefahr

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Depression II• Neurobiologie

– Amygdala• Verstärkte Aktivität unter Ruhebedingung• Vergrößertes Volumen• Verstärkte Aktivität nach Vorgabe negativer Wörter und

subliminal präsentierter Angst-Reize

– Ventromedialer orbitofrontaler Kortex• Reduzierter Glukose-Metabolismus• Reduziertes Volumen

• Biochemie– Verminderte Noradrenalin- und Serotonin-Verfügbarkeit– Erhöhter Kortisol-Spiegel

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Depression III• Bulbektomie-Modell

– Entfernung des Bulbus olfaktorius– Pharmakologisches Depressions-Modell– Verlust der tonisch inhibierenden Kontrolle des Bulbus

olfaktorius auf die Amygdala

– Effekte• Erhöhte Aktivität der Amygdala• Verminderte Aktivität im Frontalkortex• Verminderte Noradrenalin- und Serotonin-Verfügbarkeit• Erhöhter Kortisol-Spiegel

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BO

PfK

ErK

KoMe

BaLa

OFK

Zentr

TubOlf

Thalamus

Hypothalamus

Hipp

N. retikularis

N. accumbens

ACK

Endokrine undvegetativeAdaptationen

ReflexivemotorischeAdaptationen

InstrumentellmotiviertesVerhalten(implizit)

Amygdala

Olfaktorisch-amygdaloide Interkonnektionen

Flexibles instrumentellesVerhaltens(explizit)

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Depression und Geruchswahrnehmung

Lombion-Pouthier et al. (2006)Pause et al. (2001, 2005)Pollatos et al. (2007)Serby et al. (1990, 1992)

Reduzierte olfaktorische Sensitivität

Unauffällige Leistungen bei überschwelligerGeruchsdarbietung:

GeruchsidentifikationGeruchsdiskriminationIntensitätseinschätzungenValenzeinschätzungen

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Zentralnervöse Geruchsverarbeitung

Pause et al. (2003)

Verminderte geruchlicheEnkodierungsleistung

Major Depression

0

5µV

-

+500 1000 1500

[ms]

___Hilflosigkeit

---- Kontrolle

PEA & Menthol

Induzierte Hilflosigkeit

Verminderte geruchlicheEnkodierungsleistung

Laudien et al. (2006)

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Schizophrenie• Diagnostik

– Positive Symptome (Typ I)• Wahnvorstellungen• Halluzinationen• Desorganisiertes Denken und Sprechen

– Negative Symptome (Typ II)• Alogie (Spracharmut)• Anhedonie (abgestumpfter, flacher Affekt)• Antriebsschwäche (Willenslosigkeit)

– Typen• Desorganisierter Typus• Katatoner Typus (katatoner Stupor/ katatone Erregung)• Paranoider Typus

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Schizophrenie

• Neurobiologie• Hypoaktivität im Präfrontalkortex• Ventrikel-Erweiterungen

• Negativ-Symptomatik

• Dopamin-Hypothese• Positiv-Symptomatik

• Psychologie• Selektive Wahrnehmung bedrohungsrelevanter

Reize• Paranoide Schizophrenie

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Die olfaktorische Identifikations-Leistung ist bei Schizophrenie vermindert

Insbesondere • bei männlichen (und postmenopausalen weiblichen)

Schizophrenen – Kopala et al., 89, 95

• bei Patienten mit Negativ-Symptomatik– Brewer et al., 96

• bei unirhinaler linksseitiger Messung– Good et al., 98

Aber auch• bei Neuroleptika-naiven Patienten

– Kopala et al., 92• bei (nicht-erkrankten) monozygoten Zwillingen und

Familienangehörigen– Kopala et al., 98, 01

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Schizophrenie und olfaktorische Sensitivität ?

• Sensitivität ist erhöht– Neuroleptika-naive Schizophrene: Sirota et al. (99)

• Sensitivität ist unauffällig– Kopala et al. (89, 92); Park & Schoppe (97)

• Sensitivität ist erniedrigt– Negativ-Symptomatik: Geddes et al. (91)– Unirhinal linksseitig: Purdon & Flor-Henry (00)

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OEKP

Paranoide Schizophrenie

IBA = Isobutyraldehyd (verdorbene Butter)PEA = Phenylethyl-Alkohol (Rose)

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Affektive Verarbeitungsstörung bei paranoid Schizophrenen?

• Valente olfaktorische Information wird abweichend verarbeitet

• Reduzierte Latenz der frühen Komponenten, besonders auf den negativ valenten Geruch (störungsspezifisch)– EKP: Pause et al. (2008)-> Hypersensitivität für negative (bedrohungsrelevante) Reize?

• Verstärkte präfrontale und reduzierte limbische Aktivierung (Insula, N. accumbens und parahippokampalen Gyrus) nach Stimulation mit unangenehmen Geruch– PET: Crespo-Facorro et al. (2001)

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Multiple Chemikalienüberempfindlichkeit (MCS)

• Definition– A chronic condition– with symptoms that recur reproducibly– in response to low levels of exposure– to multiple unrelated chemicals.– Symptoms improve or resolve when incitants

are removed.– Symptoms can occur in multiple organ systems

• Bartha et al. (1999)

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Multiple Chemikalienüberempfindlichkeit (MCS)

• Prävalenz (USA)– 50-60%: besonders sensitiv für bestimmte chemische

Gerüche– 2-6%: MCS

• Phänomenolgie– Initiierendes Ereignis

• Lösungsmittel, Pestizide– Evtl. wiederholte Exposition

– Intoleranz entwickelt sich im Verlauf gegenüber vielen weiteren Substanzen (Exposition unterhalb der toxikologischen Schwelle)

– Auslösende Substanzen werden gemieden

Page 37: Geruchswahrnehmungsstörungen

Auslösende Gerüche

• Neue Teppiche• Parfum• Zeitungen• Auto-Abgase• Nagellack-Entferner• Haarspray• Insektizide• Hotelräume• Benzin

• Frischer Asphalt• Duschvorhänge• Ölgemälde• Wäscherei• Neue Reifen• Zigarrenrauch• Zigarettenrauch• Straßenverkehr• Wageninnenraum

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Symptome• Geruchswahrnehmung

– Hyperosmie– Dysosmie

• Kopfschmerzen• Müdigkeit• Gedächtnisschwierigkeiten• Angst/ Depression• Gastrointestinale Beschwerden• Schwindel• U.a.

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Störungsursache?

• Neuronale Sensitivierung?– Behandlung: Vermeidung aller potentiellen Auslöser

• Klassische Konditionierung?– Therapie: Löschung über wiederholte CS-Exposition