Geschäftsbericht 2013-2015

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892 Gemeindetag Baden-Württemberg BWGZ 19 | 2015 Geschäftsbericht Geschäftsbericht des Gemeindetags Baden-Württemberg für die Jahre 2014 bis 2015 Den Geschäftsbericht für den Zeitraum 2014 bis 2015 legt der Gemeindetag Baden-Württemberg den Mitgliedsstädten und -gemeinden zur Mitgliederversammlung am 15.10.2015 in Ditzingen vor. Aus dem Geschäftsbericht werden die laufenden Schwerpunkte der Arbeit des Gemeindetags ersichtlich. Sie ergeben sich aus den jeweils zu Jahresbeginn veröffentlichten „Bilanzen und Perspektiven“ (BWGZ 1/2014 und BWGZ 1/2015). Bestandteile des vorliegenden Geschäftsberichts sind auch die Berichte der Verwaltungsschule des Gemeindetags Baden-Württemberg, der Gt-service Dienstleistungsgesellschaft mbH des Gemeindetags sowie des Europabüros der baden-württembergischen Kommunen mit Sitz in Brüssel. mutter oder einem Tagespflegevater nach wie vor noch eine deutlich geringe- re Rolle. Im März 2015 gab es bundesweit 54.422 Einrichtungen (+1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr) sowie 44.098 Tagespflegeeltern (-1,7 Prozent gegen- über dem Vorjahr). In Baden-Württemberg werden 87 Pro- zent der Kleinkinder in Kindertagesein- richtungen und 13 Prozent durch eine Tagespflegeperson betreut. Die landes- weite Betreuungsquote erhöhte sich von 27,7 Prozent auf 28,8 Prozent bzw. insgesamt 79.185 unter Dreijährige. Die jüngsten Zahlen zeigen deutlich, dass der Ausbau in den Städten und Gemein- den voranschreitet, aber bei weitem noch nicht abgeschlossen ist. Betriebskostenförderung Entwicklungen der Förderbeträge von 2009 bis 2014 Pakt für Familien mit Kindern Gemäß dem zwischen der Landesregie- rung und den kommunalen Landesver- bänden am 01.12.2011 unterzeichneten „Pakt für Familien mit Kindern“ beteiligt sich das Land seit 2014 mit 68 Prozent der kommunalen Brutto-Betriebsaus- gaben an der Kleinkindbetreuung auf der Grundlage der Ergebnisse der Jahresrech- nungsstatistik des Vorvorjahres und der Zahl der betreuten Kinder unter drei Jah- ren auf der Basis der Kinder- und Jugend- hilfestatistik zum 01.03. des Vorjahres. Der verbleibende Anteil von 32 Prozent wird durch die Kommunen bzw. ergän- zend durch Elternbeiträge und Trägeran- teile finanziert. Dadurch soll sicherge- stellt werden, dass auch bei einem weite- ren Anstieg der Betreuungsquote und/ oder der Steigerung der Betreuungskos- ten für die Kleinkindbetreuung (U3) sich die Förderung des Landes in gleicher Weise zeitnah erhöht. 2012 und 2013 Übergangsweise hatte das Land in den Jahren 2012 und 2013 im Wege von Fest- beträgen bei der Betriebskostenförderung in Höhe 315 Mio. Euro und 325 Mio. Euro zusätzlich zu der bisher vereinbarten Mit- finanzierung von 129 Mio. Euro bzw. 152 Mio. Euro seiner Verpflichtung zur Mit- finanzierung des Ausbaus der Kleinkind- Frühkindliche Bildung und Betreuung Betreuungsquote Nach Angaben des Statistischen Bundes- amts (Destatis) wurden zum Stichtag 01.03.2015 bundesweit 694.500 Kinder unter 3 Jahren in einer Kindertagesein- richtung oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege betreut. Nach den vor- läufigen Ergebnissen waren dies 31.800 Kinder beziehungsweise 4,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Mehrzahl der Eltern von Kindern unter 3 Jahren nutzt die Tagesbetreuung in Einrichtungen (85,4 Prozent). Mit einem Anteil von bundesweiten 14,6 Prozent spielte die Kindertagespflege bei einer Tagespflege- Foto: Gemeindetag Baden-Wüttemberg

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Geschäftsbericht des Gemeindetags Baden-Württemberg für die Jahre 2014 bis 2015

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BWGZ 19 | 2015Geschäftsbericht

Geschäftsbericht des Gemeindetags Baden-Württemberg für die Jahre 2014 bis 2015

Den Geschäftsbericht für den Zeitraum 2014 bis 2015 legt der Gemeindetag Baden-Württemberg den Mitgliedsstädten und -gemeinden zur Mitgliederversammlung am 15.10.2015 in Ditzingen vor. Aus dem Geschäftsbericht werden die laufenden Schwerpunkte der Arbeit des Gemeindetags ersichtlich. Sie ergeben sich aus den jeweils zu Jahresbeginn veröffentlichten „Bilanzen und Perspektiven“ (BWGZ 1/2014 und BWGZ 1/2015). Bestandteile des vorliegenden Geschäftsberichts sind auch die Berichte der Verwaltungsschule des Gemeindetags Baden-Württemberg, der Gt-service Dienstleistungsgesellschaft mbH des Gemeindetags sowie des Europabüros der baden-württembergischen Kommunen mit Sitz in Brüssel.

mutter oder einem Tagespflegevater nach wie vor noch eine deutlich geringe-re Rolle. Im März 2015 gab es bundesweit 54.422 Einrichtungen (+1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr) sowie 44.098 Tagespflegeeltern (-1,7 Prozent gegen-über dem Vorjahr).

In Baden-Württemberg werden 87 Pro-zent der Kleinkinder in Kindertagesein-richtungen und 13 Prozent durch eine Tagespflegeperson betreut. Die landes-weite Betreuungsquote erhöhte sich von 27,7 Prozent auf 28,8 Prozent bzw. insgesamt 79.185 unter Dreijährige. Die jüngsten Zahlen zeigen deutlich, dass der Ausbau in den Städten und Gemein-den voranschreitet, aber bei weitem noch nicht abgeschlossen ist.

Betriebskostenförderung

Entwicklungen der Förderbeträge von 2009 bis 2014

Pakt für Familien mit KindernGemäß dem zwischen der Landesregie-rung und den kommunalen Landesver-bänden am 01.12.2011 unterzeichneten „Pakt für Familien mit Kindern“ beteiligt sich das Land seit 2014 mit 68 Prozent der kommunalen Brutto-Betriebsaus-gaben an der Kleinkindbetreuung auf der Grundlage der Ergebnisse der Jahresrech-nungsstatistik des Vorvorjahres und der Zahl der betreuten Kinder unter drei Jah-ren auf der Basis der Kinder- und Jugend-hilfestatistik zum 01.03. des Vorjahres. Der verbleibende Anteil von 32 Prozent wird durch die Kommunen bzw. ergän-zend durch Elternbeiträge und Trägeran-teile finanziert. Dadurch soll sicherge-stellt werden, dass auch bei einem weite-ren Anstieg der Betreuungsquote und/oder der Steigerung der Betreuungskos-ten für die Kleinkindbetreuung (U3) sich die Förderung des Landes in gleicher Weise zeitnah erhöht.

2012 und 2013

Übergangsweise hatte das Land in den Jahren 2012 und 2013 im Wege von Fest-beträgen bei der Betriebskostenförderung in Höhe 315 Mio. Euro und 325 Mio. Euro zusätzlich zu der bisher vereinbarten Mit-finanzierung von 129 Mio. Euro bzw. 152 Mio. Euro seiner Verpflichtung zur Mit-finanzierung des Ausbaus der Kleinkind-

Frühkindliche Bildung und Betreuung

Betreuungsquote

Nach Angaben des Statistischen Bundes-amts (Destatis) wurden zum Stichtag 01.03.2015 bundesweit 694.500 Kinder unter 3 Jahren in einer Kindertagesein-richtung oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege betreut. Nach den vor-läufigen Ergebnissen waren dies 31.800 Kinder beziehungsweise 4,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Mehrzahl der Eltern von Kindern unter 3 Jahren nutzt die Tagesbetreuung in Einrichtungen (85,4 Prozent). Mit einem Anteil von bundesweiten 14,6 Prozent spielte die Kindertagespflege bei einer Tagespflege-

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betreuung Rechnung getragen. Bereits für das Jahr 2012 erhöhte sich dadurch die Betriebskostenförderung nach § 29c FAG für die Kleinkindbetreuung auf 444 Mio. Euro und für das Jahr 2013 auf 477 Mio. Euro. Unter Berücksichtigung der Bun-desmittel für die Betriebskostenförderung von 65 Mio. Euro und 90 Mio. Euro in den beiden Jahren standen 2012 der Betrag von 509 Mio. Euro und 2013 der Betrag von 568 Mio. Euro insgesamt an Förder-mittel zur Verfügung.

2014

Mit der prozentualen Beteiligung des Landes von 68 Prozent an den Betriebs-kosten ab 2014 ist eine Dynamisierung des Landesanteils verbunden, so dass sich der Landesanteil sowohl in Bezug auf einen weiteren Anstieg der Betreu-ungsquote über die für 2013 angestreb-ten 34 Prozent der unter 3-Jährigen hi-naus und in Bezug auf zukünftige Kosten-steigerungen in gleicher Weise zeitnah fortentwickelt.

Im Hinblick auf den für 2014 mit dem Land vereinbarten Paradigmenwechsel bei der Betriebskostenförderung bei der Kleinkindbetreuung wurde seitens der Geschäftsstellen des Gemeindetags Ba-den-Württemberg und des Städtetags Baden-Württemberg im Jahr 2013 auch hinsichtlich der Haushaltsplanungen für das Haushaltsjahr 2014 stets darauf hingewiesen, dass mit einem Rückgang der bisherigen Förderbeträge gerechnet werden muss, ohne dessen Umfang konkret einschätzen zu können.

Begründet war dies durch den Umstand, dass sich die Erhöhung der Festbetragsför-derung seitens des Landes um 315 Mio. Euro für das Jahr 2012 und um 325 Mio. Euro an den Ausbauzielen zur Erreichung einer Betreuungsquote von 34 Prozent für die unter 3-Jährigen orientierte, denen zum damaligen Zeitpunkt eine noch deutlich geringere Betreuungsquote und somit auch ein deutlich geringeres Platz-angebot gegenüber standen.

Die deutliche Erhöhung der Betriebskos-tenförderung für die Kleinkindbetreu-ung beinhaltete somit auch die politi-sche Zielsetzung seitens des Landes, den

Ausbau der Kleinkindbetreuung im Lan-de zu forcieren und die Gewährleistung des am 01.08.2013 in Kraft getretenen Rechtsanspruches sicherzustellen. Dies ist, wie heute feststellbar, auch gelungen.

Auf der Grundlage der Bruttobetriebs-kosten des Jahres 2012 und der Zahl der nach der Kinder- und Jugendhilfestatis-tik zum 01.03.2013 betreuten unter 3-Jährigen hatte dies zur Folge, dass sich für das Haushaltsjahr 2014 der Betrag für die Betriebskostenförderung in der Kleinkindbetreuung nach § 29c FAG (U3) auf 9.421 Euro je Kind (Gewich-

tung 1,0) gegenüber 12.852 Euro je Kind (Gewichtung 1,0) im Jahr 2013 belief und somit drastisch zurückging.

Der durch den 2014 eingetretene Wechsel in der Fördersystematik kalkulierte Rück-gang der Förderbeträge überstieg jedoch mit minus 25 Prozent bzw. 3.431 Euro je Ganztagesplatz bei weitem die Erwartun-gen und führte 2014 gegenüber dem Vor-jahr wie auch den Haushaltsplanungen zu eklatanten Finanzierungsdefiziten in der Kleinkindbetreuung. In Abhängigkeit von der Gemeindegröße erreichten die Einnahmeausfälle für die Städte bis zu

Geschäftsbericht des Gemeindetags Baden-Württemberg 2013 bis 2015 Inhaltsverzeichnis

• FrühkindlicheBildungundBetreuung• BildungundSchule• Schulsozialarbeit• ZukunftsplanJugend• Bildungskongressaufderdidacta• MenschenmitBehinderung–Inklusion• Bundesteilhabegesetz• Bund-Länder-Arbeitsgruppe:StärkungderRolle

der Kommunen in der Pflege• WeiterentwicklungderPflegestützpunkte

in Baden-Württemberg• Wohn-/Teilhabe-undPflegegesetz–WTPG• HausärztlicheVersorgunginBaden-Württemberg• GesetzzurStärkungdersektorenübergreifenden

Zusammenarbeit und Vernetzung aller Beteiligten des Gesundheitswesens in Baden-Württemberg – Landesgesundheitsgesetz (LGG)

• GesetzzurVerbesserungvonChancengleichheitundTeilhabe–Partizipations-undIntegrations-gesetz (PartIntG)

• AktuelleSituationderFlüchtlingshilfe in Baden-Württemberg

• UnterbringungvonObdachlosen und Flüchtlingen in kommunalen Unterkünften

• BürgerschaftlichesEngagement• ÄnderungdesFeuerwehrgesetzes(FwG)• KostenersatzFeuerwehr• Feuerwehrbeschaffungskartell:Eckpunktedes

DStGB-Abschlussberichts• ÄnderungdesBauplanungsrechts–

Anlagen zur Unterbringung von Asylbewerbern

• NovellierungderLandesbauordnungvomLandtagbeschlossen

• NovellierungderGutachterausschussverordnung–Die Reform ist da

• EntwurfeinesGesetzeszurÄnderungdes Denkmalschutzgesetzes

• ÄnderungdesBestattungsgesetzes–VGH: Kein Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit in kommunalen Friedhofssatzungen

• ZuverlässigkeitvonHochwassergefahrenkarten–Bauen in Überschwemmungs gebieten – Hochwasserschutzregister

• NeueFörderrichtlinienWasserwirtschaft– ÄnderungswünschedesGemeindetagswurden berücksichtigt

• IntegriertesEnergie-undKlimaschutzkonzept(IEKK), Strategie zur Anpassung an den Klima-wandel in Baden-Württemberg und Klimaschutz-pakt mit den Kommunen

• NovelledesLandesnaturschutzgesetzes beschlossen und in Kraft getreten

• NeuesJagdrechtinzwischenkomplett– Ab jetzt gilt das Motto „Und ewig grüßt die Jagdgenossenschaftsversammlung“

• Erschließungsbeitragsrecht• Erschließungsverträgeundstädtebauliche

Verträge nach dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung

• NovelledesLandesgemeindeverkehrs-finanzierungsgesetzes (LGVFG)

• Landestarif• Rad-undFußgängerverkehraufwerten• Regiobusse• ErneuerbareEnergie–aberwie?• Energieaudit• BreitbandförderungimRahmenderBreitband-

initiative Baden-Württemberg II – VwV Breitband-förderung

• NeueSchlüsselzahlenfürdenGemeindeanteil an der Einkommensteuer und den Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer

• Gewerbesteuer• DieReformderGrundsteuer–immernoch

unerledigt• Insolvenzanfechtung;Entgegenkommen

der Gemeinde kann „bestraft“ werden• Kassenwesen,Zahlungsverkehr• NeuesKommunalesHaushalts-undRechnungswe-sen(NKHR)–StandderUmstellungundSachstandder Evaluierung

• BesteuerungderöffentlichenHand• NovelledesEigenbetriebsrechts• NovelledesGemeindewirtschaftsrechts

und des GKZ• FreihandelsabkommenTTIP,CETAundplurilatera-lesDienstleistungsabkommenTiSA

• KommunaleWirtschaftsförderung– NeuerArbeitskreisimGemeindetag

• KartellverfahrenRundholzvermarktung• UnterhaltungspflichtderStädteundGemeinden

für Kirchtürme • Alkoholkonsum-undAlkoholmitführungsverboteanBrennpunkten–derRundeTisch„Lebenswerteröffentlicher Raum“ kreißt und gebiert eine Maus

• nitiativedesGemeindetagsBaden-Württemberggegen Wohnungseinbrüche

• KommunalesundWahlen• InterfraktionelleEinigungzurdirektenDemokratie

in der Landesverfassung• BundesmeldegesetzundAusführungsvorschriften

dazu lassen erhöhten Aufwand bei den Melde behörden befürchten

• Zensus2011–StandderZensusverfahren• EDVinderVerwaltung• Personal• Deutsch-griechischekommunaleZusammenarbeit• DasEuropabüroderbaden-württembergischen

Kommunen 2014/2015• ÜberarbeitungdeskommunalenAktenplans–

„Kommunaler Aktenplan ‘21“

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BWGZ 19 | 2015Geschäftsbericht

Neuausrichtung der Kindergarten­förderung (U3) nach § 29c FAG

Um den Kommunen eine möglichst kostenbezogene Förderung der Betriebs-ausgaben für die U3-Betreuung in Höhe der Landesförderung von 68 Prozent dem Grunde nach sicherzustellen, be-darf es auch einer weitergehenden Dif-ferenzierung der in § 29c FAG veranker-ten bisherigen Parameter in der Förder-systematik für die Kommunen. Dies sind die Zeit- und Betreuungskorridore sowie die Gewichtungsfaktoren. Die Änderung des § 29c FAG erfolgte ein-schließlich einer analogen Anpassung der Fördersystematik in der Kinder-tagespflege.

Neuausrichtung der Kindergarten­förderung nach § 29b (Ü3) FAG

Im Gegensatz zur Förderung der Klein-kindbetreuung (U3) nach § 29c FAG be-teiligt sich das Land an der Kindergarten-förderung (Ü3) nach § 29b FAG mit Aus-nahme in Bezug auf den Orientierungs-plan nicht mit originären Landesmitteln bzw. anteilig an den dafür entstehenden Kosten. Der verstärkte Elternwunsch nach verlängerten Öffnungszeiten und die damit einhergehende Erweiterung des Betreuungsumfangs sowie die damit verbundenen unterschiedlich hohen Kosten sprachen auch bei der Kindergar-tenförderung für eine Fortentwicklung der bestehenden Parameter der FAG-För-dersystematik in Anlehnung an die nach § 29c FAG vorgesehene Änderung.

Interkommunaler Kostenausgleich

Die gemeinsamen Empfehlungen von Gemeindetag und Städtetag zum inter-kommunalen Kostenausgleich werden auf die neuen Stufen und die Entwick-lung der Förderbeträge nach §§ 29b und c FAG für die Kleinkind- und Kindergar-tenbetreuung für das Jahr 2015 nach § 8a Abs. 6 KiTaG ab dem 01.01.2015 entsprechend angepasst.

Flexibilisierungspaket

Land, Kommunen und Träger brachten zum Inkrafttreten des Rechtsanspruchs am 01.08.2013 das befristete Flexibili-

im Rahmen der Gemeinsamen Finanz-kommission unter der Leitung von Fi-nanzminister Dr. Nils Schmid, ab 2015 folgende Korrektur der Berechnung des Kleinkindlastenausgleichs nach § 29c FAG zu vereinbaren:„Um die vereinbarungsgemäße Beteili-gung des Landes von 68 Prozent an den Brutto-Betriebsausgaben der Kleinkind-betreuung auf Basis der Jahresrech-nungsstatistik des zweitvorangegange-nen Jahres zu gewährleisten, ist die Ver-einbarung im Pakt für Familien mit Kindern vom 1. Dezember 2011 an die gegenwärtige Entwicklung anzupassen. Zu diesem Zweck sind die der Vereinba-rung zugrunde gelegten Elternanteile mit Wirkung ab dem Jahr 2015 von bis-her 8 Prozent auf 20 Prozent zu erhöhen sowie die künftig zu berücksichtigenden Elternanteile von 20 Prozent und die Berechnungssystematik einschließlich der Kosten für interne Leistungsverrech-nungen (innere Verrechnungen), auf Basis der Jahresrechnungsstatistik 2015, im Jahr 2017 auf Änderungsbedarf zu überprüfen und ggf. anzupassen.“

Konkret führt dies auf der Basis der Kleinkindförderung nach § 29c FAG im Jahr 2015 zu einer Anhebung des För-dervolumens um insgesamt zirka 204 Mio. Euro auf 659 Mio. Euro gegenüber 455 Mio. Euro im Jahr 2014. Bezogen auf das Jahr 2014 hat dies 2015 eine Er-höhung des Förderbetrags je voll ge-wichtetem Ganztagsplatz von 9.421 Euro um zirka 2.210 Euro auf zirka 12.330 Euro zur Folge.

Weiter ist für 2015 die Erweiterung von bisher 3 auf künftig 5 bzw. 6 Förder-stufen zu beachten.

siebenstellige Größenordnungen. Ent-sprechend kamen Zweifel auf, ob die Er-mittlung der Gesamthöhe der Landesbe-teiligung systematisch wie auch in Bezug auf die statistischen Zahlen im Vergleich zur Kostensituation in der Kleinkindbe-treuung ihre Richtigkeit hatte.

Der Gemeindetag hat die Ergebnisse der Jahresrechnungsstatistik in Bezug auf die gesamten Einnahmen und Ausgaben für die Kinderbetreuung (0 bis 6 Jahre) und insbesondere für die Kleinkindbetreu-ung (0 bis 3 Jahre) nochmals auf den Prüfstand gestellt und ergänzend dazu die in § 29c Abs. 2 FAG festgeschriebene Methodik der Ermittlung des Landesan-teils von 68 Prozent hinterfragt.

Entwicklungen der Förderbeträgefür das Jahr 2015

Neben einer zweifellos geringeren Be-treuungsquote und durchschnittlich geringeren Platzkosten wurde in diesem Papier als eine maßgebliche weitere Ur-sache für den eklatanten Rückgang der Fördersumme und des Förderbetrags je betreutem Ganztagsplatz ein zu niedri-ger sich aus der Jahresrechnungsstatis-tik ergebender prozentualer Ansatz der Elternbeiträge von lediglich 8 Prozent bei der Ermittlung der vereinbarten Landesbeteiligung von 68 Prozent fest-gestellt und nachgewiesen und dessen Anpassung auf 20 Prozent gegenüber dem Land gefordert (vgl. Gemeinde-finanzbericht 2014, BWGZ 15-16/2014, Seite 873 ff).

Erst auf dieser Grundlage war es den kommunalen Landesverbänden gelun-gen, in Verhandlungen mit dem Land

ÄnderungderbisherigenParameterinderFAG-FördersystematikimU3-Bereich

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Förderfähig sind jeweils nur neugeschaf-fene Plätze für Kinder unter 3 Jahren.Die Festbeträge je zusätzlich geschaffe-nem Betreuungsplatz betragen für Kindertageseinrichtungen− bei Neubau 12 000 Euro− bei Umbau 7 000 Euro− bei Umwandlung 2 000 Euro, höchstens jedoch 70 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben.

Insbesondere begrüßen wir die Fristver-längerung zur Vorlage der Betriebser-laubnis und der Bestätigung der Inbe-triebnahme um weitere 2 Jahre.Neue Fristen:Investitionsprogramm2008 – 2013: 31.August 2017Investitionsprogramm2013 – 2014: 31. Juli 2018Investitionsprogramm2015 – 2018: 30. November 2019.Mit dem Investitionsprogramm2015 – 2018 sind nun auch erstmalig Zuschüsse für Küchen möglich.

Ein entscheidendes Problem ergibt sich daraus, dass beim dritten Förderpro-gramm des Bundes lediglich Maßnah-men ab dem 01.04.2014 förderfähig sind. Damit sind Anträge, die nach Überzeichnung oder Auslaufen zum 31.12.2013 des zweiten Förderpro-gramms begonnen wurde, nicht förder-fähig sind, wohingegen Maßnahmen, die nach dem 01.04.2014 begonnen wurden, wieder eine Förderung durch das Bundesprogramm erhalten.

Investitionsprogramm Land

Die kommunale Seite konnte in den Ver-handlungen mit dem Land im Rahmen der gemeinsamen Finanzkommission ferner erreichen, dass das Land statt einer Korrektur der Zuweisungsbeträge bereits ab dem Jahr 2014 ein einmaliges Förder-programm aus Landesmitteln von 50 Mio. Euro für investive Maßnahmen in der Kleinkindbetreuung ab 2015 auflegt. In dieses wurden Maßnahmen, die zwischen dem 01.07.2012 und dem 01.04.2014 bereits begonnen wurden und soweit diese beim Investitionsförde-rungsprogramm des Bundes 2. Tranche 2013 – 2014 nicht berücksichtigt werden konnten, mit einbezogen.

„Kinderbetreuungsfinanzierung“ 2008 – 2013 (1. Tranche)Ausbau von Betreuungsplätzen im U3 BereichJanuar 20082,15 Milliarden Euro für Investitions-kosten, davon entfallen auf Baden-Württemberg 296.769.496 EuroMaßnahmenbeginn: 18. Oktober 2007Nachweis Betriebserlaubnis bis spätestens: 31. August 2015.

„Kinderbetreuungsfinanzierung“ 2013 – 2014 (2. Tranche)Weitere 580,5 Millionen Euro für Investitionen, davon entfallen auf Baden-Württemberg 78.158.734 EuroMaßnahmenbeginn: 1. Juli 2012Nachweis Betriebserlaubnis bis spätestens: 31. Dezember 2016.

„Kinderbetreuungsfinanzierung“ 2015 – 2018 (3. Tranche)Weitere 550 Millionen Euro, davon entfallen auf Baden-Württemberg 73.762.468 EuroMaßnahmenbeginn: 1. April 2014Nachweis Betriebserlaubnis bis spätestens: 30. November 2019 Ziel: Schaffung/Förderung weiterer 30.000 Plätze (bisher 780.000)„Gesetz zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen ab 2015 und zum qualitativen und quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung“2016: 230,0 Mio. Euro2017: 220,0 Mio. Euro2018: 100,0 Mio. Eurodavon Baden-Württemberg 73,8 Mio. Euro.Bisherige Förderbestimmungen sollen bestehen bleiben.

sierungspaket auf den Weg, um kurzfris-tig genug Plätze in Kindertageseinrich-tungen vorhalten zu können. Dies er-möglichte es den Trägern, bei kurzfristig auftretenden Handlungsbedarf durch eine Selbstverpflichtungserklärung schnelle pragmatische Lösungen zu fin-den. Dieses Flexibilisierungspaket lief zum Bedauern des Gemeindetags Ba-den-Württemberg nach mehrheitlicher Entscheidung auf Landesebene fristge-recht zum 31.07.2015 aus. Die geringe Inanspruchnahme der Maßnahmen zeigt den verantwortungsbewussten Umgang der Träger mit den flexiblen Lösungsansätzen, aber auch die Not-wendigkeit der zur Verfügung gestande-nen Handlungsoptionen. Bei einzelnen Maßnahmen gelang es jedoch, sie dau-erhaft in das Betriebserlaubnisverfahren des KVJS zu integrieren. Dies betrifft vor allem die Lösungen zu Vertretungskräf-ten. Weitere Maßnahmen des Flexibili-sierungspakets werden künftig wieder nur durch eine Antragstellung beim KVJS möglich sein. Gerade auch in Be-zug auf kurzfristig zu realisierende Plät-ze für Flüchtlingskinder ist das Auslau-fen des Flexibilisierungspakets zu be-dauern, bedarf es doch aus Sicht des Gemeindetags auch künftig eines schnellen Lösungswegs.

Umsetzung Krippeninvestitionsprogramme

Mittlerweile läuft das 3. Bundespro-gramm zur Förderung der Investitions-maßnahmen zum Ausbau der Kleinkind-betreuung.

Die Eckpunkte der Bundesprogramme zusammengefasst:

ÄnderungderbisherigenParameterinderFAG-FördersystematikimÜ3-Bereich

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BWGZ 19 | 2015Geschäftsbericht

Ein wichtiges landespolitisches Signal konnte nach den klaren und überein-stimmenden Stellungnahmen der kom-munalen Landeverbände wie auch des Landesverbands der Tagemüttervereine dergestalt gesetzt werden, dass die Lan-desförderung in der bisherigen Höhe (2,3 Mio. Euro) beibehalten wurde. Mit der vorgesehenen Verteilung der Mittel an die Stadt- und Landkreise sowie an die kreisangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt nach der Gewich-tung je nach Qualifizierung der Tages-pflegeperson sowie der Grundförderung einer so genannten „stillen Reserve“ hat sich der Gemeindetag Baden-Württem-berg im Rahmen des Anhörungsverfah-rens und nach Befassung im Präsidium einverstanden gezeigt.

Die neu gefasste VwV Kindertagespflege wurde erneut zeitlich befristet und tritt am 31.12.2016 außer Kraft.

Inklusion von Kindern mit Behinde­rung in der Kinderbetreuung

Grundsätzlich gilt der am 01.08.2013 in Kraft getretene Rechtsanspruch auf (frühkindliche) Bildung und Betreuung auch für Kinder mit besonderem Förder-bedarf. Sowohl das SGB VIII als auch das baden-württembergische Kindertages-betreuungsgesetz sehen vor, dass Kin-der, die aufgrund ihrer Behinderung ei-ner zusätzlichen Betreuung bedürfen, zusammen mit Kindern ohne Behinde-rung in Gruppen gemeinsam gefördert werden sollen, sofern der Hilfebedarf dies zulässt.

Das Land hat im Zuge der Verhandlun-gen zur schulischen Inklusion den Be-reich der frühkindlichen Bildung und Betreuung klar und unmissverständlich zunächst hintangestellt. Voraussicht-lich wird die Inklusion von Kindern mit Behinderungen aber ein zu bearbeiten-des Thema im Bereich der frühkind-lichen Bildung und Betreuung der nächs-ten Jahre werden.

Die Inklusion von Kindern mit Behin-derungen in den Alltag sowie deren Teil-habe am gesellschaftlichen und sozialen Leben ist dem Gemeindetag Baden-Württemberg ein besonderes Anliegen.

Dies bedeutet konkret, dass Städte und Gemeinden, deren Förderanträge für in-vestive Maßnahmen in der Kleinkindbe-treuung im Zusammenhang mit der 2. Tranche des Investitionsförderungspro-gramms des Bundes unter Vorbehalt zur Verfügung stehender Fördermittel nach dem 01.07.2012 positiv beschieden wur-den und diese vor dem 01.04.2014 be-gonnen haben, nunmehr dafür noch Fördermittel erwarten können.

Weiterer Förderschwerpunkt ist der qua-litative Ausbau der Kleinkindbetreuung. Hier stehen für bauliche Maßnahmen, die der Erweiterung von Betreuungszei-ten oder der Inklusion von Kindern mit Behinderung dienen, Fördermittel zur Verfügung.

Kindertagespflege

Ende Juli 2013 hat das Kultusministeri-um erstmals eingeladen zu einem „Runden Tisch Kindertagespflege“ mit dem Ziel, einen verlässlichen Rahmen für Qualitätsentwicklung und Quali-tätssicherung von Kindertagespflege zu definieren.

Schwerpunktmäßig wurden folgende Themen erörtert und einer gemeinsa-men Haltung zugeführt:1. Harmonisierung der Elternbeiträge

(Ziel Wahlfreiheit zwischen Kinderta-geseinrichtung und Kindertagespflege),

2. Entbürokratisierung der Abrechungs-modalitäten für die laufende Geld-leistung an die Tagespflegepersonen durch die Jugendämter,

3. Entbürokratisierung durch generell pauschale und pauschalierte Finanz-regelungen,

4. Rahmenbedingungen für Fachliche Begleitung, Beratung und Vermitt-lung für Tagesmütter,

5. Rahmenbedingungen für Tagespflege in anderen geeigneten Räumen,

6. Änderung der VwV Kindertagespflege.

Im Sinne einer hohen Akzeptanz der Kindertagespflege ist es unabdingbar, dass die Elternbeiträge in der Kinder-tagespflege vergleichbar sind mit den Elternbeiträgen in den Kinderkrippen/Kindertageseinrichtungen; außerdem ist es zielführend, die bisher sehr ver-

waltungsaufwendige und spitz abge-rechnete Betreuungsleistung der Tages-pflegepersonen (Tagesmütter) entbüro-kratisierend und in pauschalierter Weise vorzunehmen. Zudem wesentlich ist die Frage der Ausgestaltung der fachlichen Begleitung für Tagespflegepersonen, die nach der gesetzlichen Vorgabe (§ 23 SGB VIII und § 8b KiTaG für Baden-Württemberg) zu erbringen ist und da-für 15 Prozent der zugewiesenen FAG-Mittel zu verwenden sind.

„Der Runde Tisch empfiehlt als wichtige Weichenstellung (zur Weiterentwicklung der fachlichen Begleitung in der Kinderta-gespflege) eine Bandbreite beim Personal-schlüssel von 1 zu 90 bis 1 zu 130. Zur Weiterentwicklung des Personalschlüs-sels soll im 4. Quartal 2016 neu beraten werden.“

Weiter konnte auch erreicht werden, dass das bereits von den kommunalen Landesverbänden und dem KVJS – Lan-desjugendamt – erarbeitete Papier für die Praxis zu dem immer wichtiger wer-denden Thema Kindertagespflege in an-deren geeigneten Räumen ebenfalls die Zustimmung des Runden Tisches findet und somit mit den Empfehlungen des Runden Tisches veröffentlicht wird. Ge-meindetag, Städtetag und Landkreistag versprechen sich von dem Papier eine unterstützende Handreichung für die Praxis, die zum weiteren Aus- und Auf-bau der Kindertagespflege in anderen geeigneten Räumen hilfreich ist.

Weiterentwicklung der Verwaltungs­vorschrift zur Kindertagespflege

Die bisherige VwV Kindertagespflege aus dem Jahr 2006 war von Anfang an zeitlich befristet bis zum 31.12.2013 und wurde überarbeitet und neugefasst. Die neu gefasste VwV Kindertagepflege vom 12.12.2013 ist am 01.01.2014 in Kraft getreten.

Im Kern geht es um die Fortsetzung der finanziellen Förderung durch das Land, insbesondere im Bereich der Vorberei-tung, Qualifizierung und Fortbildung von Tagespflegepersonen wie auch um deren Gewinnung und fachliche Be-gleitung.

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Geschäftsbericht | ImpressumgBWGZ 19 | 2015

Hierbei sollte das Wohl der Kinder und deren individuelle Hilfe- und Lebens-situation im Fokus stehen, wobei mög-lichst optimale Fördermöglichkeiten der betroffenen Kinder und deren Fami-lien, unter Berücksichtigung der ent-sprechenden Ausstattung der Einrich-tungen und des Personals sowie insbe-sondere der notwendigen Klärung der Finanzierung geeigneter Maßnahmen, eine entscheidende Rolle spielen müs-sen. Eine auch gesellschaftlich aner-kannte vollständige Inklusion kann eben nur gelingen, wenn auch die not-wendigen Rahmenbedingungen und insbesondere deren Finanzierung ge-währleistet sind.

Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen

Landesprogramme

Das Landesprogramm zur „Sprachförde-rung in allen Tageseinrichtungen für Kinder mit Zusatzbedarf“ (SPATZ) wird für die Kindergartenjahre 2014/2015 und 2015/2016 erweitert.

Eckpunkte der Weiterentwicklung der SPATZ-Richtlinie zum Kindergartenjahr 2014/2015:• Einheitliche Gruppengröße 3 bis 7

(bei SBS-Gruppen kann die Gruppe mit nicht förderbedürftigen Kindern aufgefüllt werden; maximal bis 20).

• Einheitlicher Zuschuss: 2.200 Euro(statt 2.000 und 2.400).

• SenkungderGruppengrößebeiKitasmit mindestens 80 Prozent Kindern mit Migrationshintergrund auf 5.

• EinbeziehungvonFamilien-,Mütter-und Kinderzentren.

• Stärkere Einbeziehung der Erziehe-rinnen und Erzieher im 3. Kindergar-tenjahr (ESU) analog zum 1. und 2. Kindergartenjahr.

• Vorverlegung des Auszahlungszeit-punkts vom 1. Februar auf 1. Januar.

Eckpunkte der Weiterentwicklung der SPATZ-Richtlinie zum Kindergartenjahr 2015/2016:• KindermitintensivemSprachförder-

bedarf können ab 2 Jahren und 7 Monaten in Sprachfördergruppen der Kindergärten gefördert werden.

• Der Fördersatz für aktive Elternein-bindung wird auf 500 Euro erhöht.

• KinderausFlüchtlingsfamilienkön-nen in eigenen Gruppen (ab 3 Kin-dern) gefördert werden, bei mehr als 4 Kindern können diese Gruppen geteilt werden. Der Wechsel von Kin-dern dieser Fördergruppe während des Kindergartenjahrs ist möglich.

• EineneueGruppefürFlüchtlingskin-der kann im laufenden Kindergarten-jahr bis zum 15. Februar beantragt werden.

Bundesprogramme

„Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integra-tion“ (2011 – 2015)Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat das Bundesprogramm „Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ unter dem Stichwort „Frühe Chancen” bis zum 31. Dezember 2015 verlängert. Mit die-sem Projekt werden in Baden-Würt-temberg bis Dezember 2015 zirka 250 halbe Stellen zur Sprachförderung in-stalliert.

„Sprach-Kitas“ (2016 – 2019)„Sprach-Kitas“ ist eine sich aus dem Vor-gängerprogramm „Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ („Frühe Chance“) weiterentwickelte Förderlinie. Mit dem Konzept der alltagsintegrierten sprach-lichen Bildung wird ebenfalls der Alltag in einer Kindertageseinrichtung in seiner Gesamtheit darauf ausgerichtet, den Spracherwerb anzuregen und zu fördern. Der Themenschwerpunkt der sprach-lichen Bildung wird um zwei Vertiefungs-themen, „Inklusive Bildung“ und „Zu-sammenarbeit mit Familien“, erweitert.

Derzeit läuft zunächst das Interessens-bekundungsverfahren.

Die Gemeinde (BWGZ):Zeitschrift für die Städte und Gemeinden, Stadträte,GemeinderäteundOrtschaftsräte; Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg (Herausgeber – Eigenverlag)

Verantwortlich für den Herausgeber:Roger Kehle, Präsident (V.i.S.d.P.)

Verlags- und Schriftleitung/Redaktion:Silke Gerboth-Sahm E-Mail: [email protected]

Anschrift:Gemeindetag Baden-Württemberg Panoramastraße 31, 70174 Stuttgart Tel.071122572-0,Fax071122572-47 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.gemeindetag-bw.de

Die Gemeinde (BWGZ)erscheint zweimal monatlich.

Bezugspreise (zzgl. MWSt.):– für Mitgliedsstädte und Mitgliedsgemeinden: Jahresabonnement 150 Euro– für sonstige Bezieher: Jahresabonnement 170 Euro– für Stadt-, Gemeinde- und Ortschaftsräte, Studenten und öffentliche Bibliotheken: Jahresabonnement 105 Euro Bei Mehrfachabnahme Sonderrabatte möglich.Alle Preise einschl. Versand- und Zustellgebühren.

Einzelhefte: 9,35 Euro zzgl. MWSt. Bestellungen: Schriftlich an den Gemeindetag. MargotTschentscher E-Mail: [email protected]

Abbestellungen: Schriftlich an die Geschäfts-stelle des Gemeindetags vier Wochen vor Halb- jahresende, Abbestellungen werden nur zum 30. Juni und zum 31. Dezember wirksam.

Nachdrucke und Kopien:Nurmitausdrück- licher Genehmigung des Gemeindetags (dies gilt nicht für Mitgliedsstädte und Mit-gliedsgemeinden);Quellenangabeerforderlich.NamentlichgekennzeichneteArtikelgebennichtinjedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder. Für die inhaltliche Richtigkeit von Fremdbeiträgen ist der jeweilige Verfasser verantwortlich.Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bildmaterial übernimmt der Herausgeber keine Verantwortung. Die Redaktion behält sich Kürzungen und Überarbeitung vor.

Anzeigenverwaltung:Martin Fettig MedienserviceGretelweg 3, 76199 KarlsruheTel.0721/14508042,Fax0711/2573556 E-Mail: [email protected] Anzeigenverwaltung ist für Anzeigen und Hinweise im Anzeigenteil verantwortlich.

Druck: Wahl-DruckGmbH,Carl-Zeiss-Straße2673431 Aalen/Württ.

Impressum

Silke Gerboth-Sahm Redaktion

MargotTschentscherVertrieb

Page 7: Geschäftsbericht 2013-2015

898 Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015Geschäftsbericht

Der Gemeindetag plädiert auch bei der Genehmigung von Ganztags-Grund-schulen für eine flexiblere Handhabung der Vorgaben zur Schülerzahl. Die neue Form der Ganztags-Grundschule kann erst ab einer Mindestschülerzahl von 25 eingerichtet werden. Gerade für ländli-che Grundschulstandorte, die in aller Regel – zumindest zunächst – die Wahl-form wählen werden, ist diese Mindest-zahl eine hohe Hürde. Deshalb führen solche Vorgaben für kleinere und/oder ländliche Schulstandorte zu einer Be-nachteiligung. Denn schließlich ist ge-rade in solchen Schulen oft keine einem Grundschulkind zumutbare ÖPNV-Ver-bindung zu einer anderen Ganztags-grundschule vorhanden.

Zudem machen die Erfahrungen an den bisher bereits etablierten Ganztages-schulen deutlich, dass auch unterhalb der Grenze von 25 Schülern pro Gruppe sinnvolle pädagogische Angebote durchgeführt werden können.

Für den Gemeindetag steht fest, eine ausschließliche schulgesetzliche Len-kung der Schülerströme hin zu größeren Standorten kann nicht die Lösung sein. Gewachsene und über Jahrzehnte funk-tionierende Strukturen würden damit zerstört. Es steht außer Frage, dass auch kleinere Standorte eine Perspektive zur Weiterentwicklung brauchen, um eine zukunftsfähige Ausrichtung des Bil-dungslandes Baden-Württemberg etab-lieren zu können.

Schlag auf Schlag – zahlreiche Schulgesetznovellen

Die Summe der bildungspolitischen Reformen der vergangenen Jahre zeigt auf, welche fundamentalen Verände-rungen die Schulen und mit diesen die Schüler, die Lehrer, die Eltern und auch die Schulträger zu vollziehen hatten. Sowohl die Schularten als auch die Unterrichtsformen wurden neu definiert.

Genannt seien nur folgende Schlagworte:− Einführung der Gemeinschafts-

schule,− Abschaffung der verbindlichen

Grundschulempfehlung,

Bildung und Schule

Schulentwicklung und Mindestschülerzahlen

Die demografisch bedingte rückläufige Schülerzahl, politische Entscheidungen wie die Aufhebung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlungen, die Ein-führung der Gemeinschaftsschule oder verstärkte inklusive Bildungsangebote sind für die Entwicklung der allgemein bildenden Schulen wesentliche Faktoren. Im Juni 2014 verabschiedete der Landtag ein Gesetz zur Änderung des Schulgeset-zes, mit dem ein Verfahren der regionalen Schulentwicklung in Baden-Württem-berg eingeführt wurde (GBl. 2014 Seite 265 ff., §§ 30a – 30e). Damit wird das Ziel verfolgt, eine geregelte, transparente und für alle Beteiligten nachvollziehbare Pla-nung der Schulstandorte in einer Raum-schaft zu erreichen, um so langfristig eine zukunftsfähige Schullandschaft entste-hen zu lassen, die den Kindern und Ju-gendlichen bestmögliche Bildungschan-cen eröffnet. Allerdings wird dies nicht immer einfach sein, zumal nicht auszu-schließen ist, dass Standorte aufgegeben werden müssen. Auf jeden Fall wird dieses Verfahren nur dann zur Befriedung bei-tragen können, wenn die Beteiligten aktiv und frühzeitig in den Prozess einbezogen werden und das Verfahren gemeinsam gestaltet und verantwortet wird (mehr In-formation zur Regionalen Schulentwick-lung vgl. BWGZ 1/2015 Seite 25).

Zugleich wurden gesetzliche Vorgaben von Mindestschülerzahlen sowohl für die Einrichtung als auch für die Aufhe-bung einer weiterführenden Schule ver-ankert, mit denen die Schulentwick-lungsprozesse gesteuert werden sollen. Voraussetzung für die Einrichtung wei-terführender allgemein bildender Schu-len ist danach, dass die Schule in der langfristigen Prognose in den Eingangs-klassen voraussichtlich mindestens 40 Schülerinnen und Schüler oder mehr aufweist und diese Zahl aufgrund der Prognosen auch langfristig erwartet werden kann. Für die Neueinrichtung allgemein bildender Gymnasien liegt diese Mindestschülerzahl bei 60 Schüle-rinnen und Schülern in der Eingangs-stufe. Für die Sekundarstufe II an Ge-

meinschaftsschulen müssen in Klassen-stufe 9 mindestens 60 Schülerinnen und Schüler für die Klassenstufe 11 langfristig prognostiziert werden.

Eine weiterführende Schule ist nach den schulgesetzlichen Regelungen dann auf-zuheben, wenn sie in zwei aufeinander folgenden Jahren weniger als 16 Schüle-rinnen und Schüler in der Eingangsklas-se aufweist (vgl. § 30b Abs. 2 SchG). Von einer Aufhebung wird ausnahmsweise dann abgesehen, wenn kein entspre-chender Bildungsabschluss in zumut-barer Erreichbarkeit angeboten wird.

Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat sich im Zusammenhang mit den ge-nannten Mindestschülerzahlen für Aus-nahmetatbestände ausgesprochen, da-mit auch besonderen Verhältnissen vor Ort Rechnung getragen werden kann. Diese Auffassung hat sich der Landtag jedoch nicht zu eigen gemacht.

Die aktuelle schulpolitische Entwick-lung in Baden-Württemberg lässt ange-sichts der seitens der Landesregierung unsachgemäß definierten Mindestschü-lerzahlen kurzfristig ein Schulsterben insbesondere in kleineren Städten und Gemeinden befürchten.

Während diese Mindestschülerzahl bei der Realschulstruktur kaum Auswir-kungen auf bestehende Standorte ha-ben wird, führt sie im Bereich der Ge-meinschaftsschulen, die sich zum weit überwiegenden Teil aus den Werkreal-schulen weiterentwickeln, zu einer grundlegenden Veränderung der Bil-dungslandschaft. Es ist zu befürchten, dass mehr als die Hälfte der seitherigen Werkrealschulstandorte ersatzlos weg-fallen werden. Schulen sind jedoch ein zentraler Bestandteil gemeindlicher In-frastruktur. Schulschließungen im grö-ßeren Umfang können daher nicht die Antwort auf demografische Entwick-lungen sein. Auch in Anbetracht des-sen, dass sich nach den neuesten Vo-rausberechnungen des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg der Schülerrückgang weniger dramatisch entwickeln wird, müssen die Vorgaben für die Mindestschülerzahlen ange-passt werden.

Page 8: Geschäftsbericht 2013-2015

899Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015 Geschäftsbericht

− Hauptschulabschluss an der Realschule,

− gesetzliche Einführung der Ganztagsgrundschule,

− Bildungsplanreform,− Einführung der schulischen

Inklusion.

Die hohe Schlagzahl an Veränderungen hat alle Beteiligte sehr stark gefordert. Zudem haben all diese Veränderungen noch nicht ihre abschließende Wirkung entfaltet, die meisten stehen vielmehr sogar noch am Anfang. Was nach wie vor fehlt, sind stabile Strukturen für un-sere Bildungslandschaft.

Wegen Einzelheiten zu weiteren schuli-schen Themen, die der Gemeindetag schwerpunktmäßig im Berichtszeit-raum begleitet hat, z.B. Einführung der Ganztags-Grundschule, Schulbauförde-rung, wird auf BWGZ 1/2015 Seite 25 ff. hingewiesen.

Schulische Inklusion im Schulgesetz geregelt

Zum Schuljahresbeginn 2015/2016 ist die Inklusion behinderter Kinder in der allgemeinen Schule auch rechtlich ver-ankert worden. Mit der Schulgesetzän-derung wurde nun die Voraussetzung geschaffen, dass Schülerinnen und Schüler mit einem festgestellten An-spruch auf ein sonderpädagogisches Bil-dungsangebot künftig eine allgemeine Schule besuchen können. Gleichzeitig wird für diese Schülergruppe auch künf-tig die Möglichkeit bestehen, ein Ange-bot auf ein sonderpädagogisches Bil-dungsangebot an einer Sonderschule, künftig „Sonderpädagogisches Bil-dungs- und Beratungszentrum“, zu nut-zen. Die Einführung der schulischen Inklusion stellt eine der grundlegends-ten Veränderungen in unserem Bil-dungssystem überhaupt dar. Eine ganz wesentliche Bedeutung bekommt in diesem Zusammenhang auch die im Schulgesetz vorgenommene Stärkung des Elternwahlrechts im Hinblick auf den schulischen Lernort ihrer behinder-ten Kinder.

Angesichts der Dimension dieser Re-form war es oberstes Ziel, die Anerken-

nung der Konnexität bei den Schulträ-gerkosten durch das Land zu erreichen. Grundlage dieser Forderung ist Artikel 71 Absatz 3 Landesverfassung Baden-Württemberg, wonach das Land den Kommunen in solchen Fällen entste-hende Mehrkosten zu erstatten hat, wenn diese nicht nur unwesentlich sind. In zahlreichen Gesprächsrunden und Verhandlungen mit dem Land ist es gelungen, die grundsätzliche Anerken­nung der Konnexität durch das Land zu erreichen. Der Ausgleich der Kosten der kommunalen Seite wird nicht im Schulgesetz, sondern in einem speziel-len Finanzierungsgesetz geregelt (vgl. Gesetz zum Ausgleich kommunaler Auf-wendungen für die schulische Inklusi-on, zur Änderung des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich u.a., GBl. 2015, Seite 654 ff. Begründung LT-Drucksache 15/6962).

Die neue schulgesetzliche Regelung zur Inklusion und das Finanzierungsgesetz sind ausführlich in BWGZ 17/2015 darge-stellt und erläutert worden. Es wird wegen Einzelheiten deshalb darauf verwiesen.

Weiterentwicklung der Realschulen

Dem Landtag liegt ein weiterer Gesetz-entwurf vor, der die Weiterentwicklung der Realschulen zum Inhalt hat. Es soll die Hauptschulprüfung an allen Real-

schulen eingeführt werden. Kein Zwei-fel: Mit der vorgesehenen Änderung wird den Realschulen eine zusätzliche Perspektive eröffnet. Dies kann aus Sicht der betroffenen Schulen und Schulträger grundsätzlich ein bedeutsa-mer Schritt sein. Auf der anderen Seite gibt dieses Reformpaket keine Antwort auf die Frage, welche Entwicklungen sich das Land insbesondere für Schul-standorte in ländlichen Regionen vor-stellen kann. Schließlich könnte das neue Konzept für die Realschule mitun-ter gravierende Auswirkungen auf vor-handene Schulstandorte, insbesondere von Haupt- und Werkrealschulen, brin-gen. Auf der anderen Seite sind die Kri-terien für Gemeinschaftsschulen oder Realschulen so ausnahmslos geregelt und die Mindestschülerzahlen unsach-gemäß definiert, dass es gerade im länd-lichen Umfeld oftmals nicht möglich sein wird, Genehmigungen für eine sol-che Schulart zu erhalten.

Es besteht somit aus Sicht des Gemein-detags Baden-Württemberg die große Sorge, dass mit dem vorliegenden Kon-zept nun endgültig die „schullosen Zo-nen“ in großen Teilen unseres Landes besiegelt werden. Der Gemeindetag hat das Land daher aufgefordert, sich auch mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Besonders kritisiert der Gemeindetag, dass schon wieder eine neue Reform auf den Weg gebracht wird, ohne dass die vorhergehenden ihre tatsächlichen Wirkungen bereits hätten entfalten können. Eine prozesshafte und fundier-te Anpassung der kommunalen Schul-entwicklung, orientiert an den Erforder-lichkeiten in der Region, wird damit erneut belastet und erschwert. Gerade vor diesem Hintergrund wäre seitens des Landes auch klarzustellen, welche Rolle der Regionalen Schulentwick-lungsplanung angesichts der stets ab-schließend getroffenen Schulgesetz-regelungen überhaupt noch zukommt.

Zudem muss mit der geplanten Reform eine gewisse Angleichung der Realschule an die Gemeinschaftsschule festgestellt werden, auch wenn nach wie vor Unter-schiede bestehen. Die Realschule gehört wie die Gemeinschaftsschule zur zweiten Säule im Schulsystem. Die Marke „Real-

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900 Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015Geschäftsbericht

daher im Schulterschluss mit den kom-munalen Landesverbänden eine geziel-te Weiterentwicklung der Sachkosten-beiträge erreichen, mit der dem ent-standenen Ungleichgewicht ein Stück weit begegnet wird. Haltung des Ge-meindetags ist dabei, dass eine eventu-elle Angleichung nicht zu Kürzungen bei einzelnen Schulformen führen darf. Ebenfalls sollte eine zusätzliche Vorweg-entnahme aus dem FAG auf das zur Zielerreichung allernötigste Maß be-grenzt bleiben. Ein Ansatz könnte eine besondere finanzielle Würdigung der künftig an den Realschulen ebenfalls zu unterrichtenden Hauptschüler sein. Zudem scheint das vorübergehende Einfrieren der Sachkostenbeiträge für die Schularten GMS/HS/WRS auf den aktuellen (hohen) Stand ein eventuell gangbarer Weg zu sein. Damit könnte – ohne Verlierer zu erzeugen – ein wei-teres Auseinanderklaffen der Sachkos-tenbeiträge zwischen den Schularten vermieden werden.

Die Erörterungen und Abstimmungen mit dem Land und den anderen kom-munalen Landesverbänden zur endgül-tigen Festlegung der Sachkostenbeiträge 2016 sind noch nicht abgeschlossen. Dabei geht es auch um die Modalitäten einer sachgerechten, schrittweisen An-passung der Sachkostenbeiträge für Re-alschulen an die der Hauptschule/Werk-realschule/Gemeinschaftsschule. Die Beträge für die zuletzt genannten Schul-arten aus 2015 sollen jedoch keinesfalls unterschritten werden. Die Bemühun-gen, auf Landesebene sachlich begrün-dete Lösungen zu erreichen und das weitere Auseinanderdriften einzudäm-men, werden vom Gemeindetag Baden-Württemberg konstruktiv begleitet.

Bildungsplanreform 2016

Die neuen Bildungspläne werden ab dem Schuljahr 2016/2017 in den Grundschulen und den weiterführen-den allgemein bildenden Schulen so-wie denjenigen Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren, die die Bildungsgänge der allgemeinen Schulen führen, nach einem aufwach-senden Prinzip eingeführt. Die Bil-dungspläne sind in einem systemati-

schule“ als seit langem erfolgreich arbei-tende Schulart muss ihren Platz dort be-halten. Dies ist eine Forderung, die gera-de auch aus Wirtschaftskreisen in jüngs-ter Vergangenheit wiederholt deutlich artikuliert wurde und die auch der Ge-meindetag bekräftigen möchte.

Wenn jedoch eine solche Angleichung der Realschule an die Gemeinschafts-schule erfolgen soll, dann muss dies so geschehen, dass ein fairer Wettbewerb der Schularten möglich ist. Gewährleis-tet sein sollte daher, dass das Lernen (und die Leistungsbewertung) auf dem gymnasialen Niveau (e-Niveau) in der Realschule auch möglich ist. Die Real-schule muss auch für leistungsstärkere Schüler ein Angebot haben. Genauso muss den Realschulen wie den Gemein-schaftsschulen zugestanden werden, ab Klassenstufe 8 Profilfächer anzubieten. Andernfalls wäre dies ein weiterer Bau-stein für eine ungerechtfertigte Benach-teiligung von Realschulen.

Zudem sollte – angesichts der beschrie-benen Angleichung der Realschulen an die Gemeinschaftsschule – auch der Klas-senteiler auf 28 angeglichen werden.

Von Seiten der Realschulen wird im Zu-sammenhang mit der Neuausrichtung auch auf die Frage der auskömmlichen Ressourcenzuteilung hingewiesen. Vor allem mit Blick auf kleinere Realschulen müssen die Ressourcen so gestaltet sein, dass die neuen Aufgaben ohne Ein-schränkung erfüllt werden können und keine Benachteiligungen entstehen.

Entwicklung der Sachkostenbeiträge

Die Entwicklung der Sachkostenbeiträ-ge führte durch die Koppelung der Ge-meinschaftsschule (GMS) an die Sach-kostenbeiträge der Haupt- und Werkre-alschulen in den vergangenen Jahren zu einem zusehends wachsenden Un-gleichgewicht zwischen der Gemein-schaftsschule auf der einen und den Realschulen und Gymnasien auf der anderen Seite. Dieses Ungleichgewicht hat zwischenzeitlich auch zu einem in-tensiven landespolitischen Diskurs zwischen Regierung und Opposition geführt. Das Kultusministerium will

schen Erarbeitungsprozess entstanden. Mit einer öffentlichen Anhörung im September 2015 soll dieser Prozess ab-geschlossen sein.

Die Aufgabe des Gemeindetags Baden-Württemberg in diesem Prozess ist, die kostenrelevanten Faktoren, einschließ-lich Raumbedarf und Medienausstat-tung zu identifizieren und die Finan-zierung zu klären. Es wird nicht aus-bleiben, dass die neuen Bildungspläne auch neue Bücher, Lernmaterialien, digitale Schulbücher usw. bedingen und damit auch zu Kosten bei den kommunalen Schulträgern führen. Der Gemeindetag hat dies sehr frühzeitig in den Entstehungsprozess eingebracht und gebeten, diesen Aspekt in Blick zu nehmen. Die Überarbeitung und An-passung der Lernmittelverordnung und der Lernmittelverzeichnisse steht an und dabei wird der Gemeindetag er-neut eine Kostenfolgenschätzung ein-fordern und soweit wie möglich auf eine kostenneutrale Umsetzung der Bildungspläne achten.

Die neuen Bildungspläne haben als Leit-perspektive die Medienbildung. Diese soll insbesondere in Grundschulen be-tont werden. Das hat Konsequenzen für die künftige Ausstattung der Grund-schulen und Klassenräume. Eine vom Kultusministerium im Oktober 2013 durchgeführte Umfrage bei den Grund-schulen hat ergeben, dass diese zum Teil bereits über eine zufriedenstellende bis sehr gute Ausstattung verfügen. Aller-dings fehlt es häufig an der strukturier-ten Verkabelung. Der weitere Ausbau muss sorgfältig geplant und kann nur stufenweise und unter Berücksichti-gung der Finanzierbarkeit erfolgen. Das Konzept zur Umsetzung der Medienbil-dung in den Grundschulen wird im Rahmen von Multimedia-Empfehlun-gen erstellt. Hierzu werden die Multime-dia-Empfehlungen, die im Jahr 2002 zur Orientierung für die weiterbildenden Schulen entstanden sind, überarbeitet werden. Das Kultusministerium hat hierfür bereits verschiedene Arbeits-gruppen installiert, in denen auch der Gemeindetag mit Praktikern vertreten ist (weitere Einzelheiten zu diesem Thema vgl. BWGZ 1/2015 Seite 27).

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Page 10: Geschäftsbericht 2013-2015

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Page 11: Geschäftsbericht 2013-2015

902 Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015Geschäftsbericht

Die Veranstaltung der kommunalen Lan-desverbände hat bereits Tradition; die Veranstaltungen in 2008 und 2011 wa-ren wichtige Treffpunkte für den Aus-tausch unter Bildungsverantwortlichen der Kommunen, Schulen und des Lan-des. Auch 2014 konnten zirka 1.000 Bil-dungsakteure begrüßt werden und der Kongress war damit auch ein Spitzentref-fen der Kommunal- und Landespolitik.

Der Bildungskongress 2014 stand ganz im Zeichen der vielschichtigen Verän-derungen der baden-württembergi-schen Schul- und Bildungslandschaft. Es war zu verspüren, dass der Bedarf nach Orientierung und Information der Städte, Gemeinden und Landkreise und ihrer Bildungspartner enorm ist. Die Großveranstaltung war hierfür sowie auch für den Austausch der Bildungs-verantwortlichen untereinander ein gu-tes Angebot.

Ministerpräsident Winfried Kretsch-mann hob in seiner Rede auf die ge-samtgesellschaftliche Bedeutung der Bildung und die von der Politik angesto-ßenen Bildungsreformen ab. Die aktuel-le Situation sowie die Positionen, Forde-rungen und Vorschläge der kommuna-len Seite und des Gemeindetags hatte Präsident Roger Kehle im Rahmen der Veranstaltung und als Auftakt für diese Podiumsdiskussion deutlich gemacht. Die anschließende Diskussionsrunde der Präsidenten der kommunalen Lan-desverbände mit den Vorsitzenden der Landtagsfraktionen rundete das Kon-gressprogramm erkenntnisreich ab.

Dass die Kommunen im wörtlichen Sinne „Schule vor Ort“ machen, zeigte eine eindrucksvolle Ausstellung von rund 60 Kommunen und Bildungspart-nern, die innovative Schulprojekte und Schulangebote vorstellten. Einzelhei-ten finden sich dazu auch in BWGZ 18/2014 Seite 1007 ff.

Schulsozialarbeit

Nachdrücklich hatte der Gemeindetag Baden-Württemberg die Wiedereinfüh-rung einer Landesförderung für Schul-sozialarbeit eingefordert, nachdem sich das Land mit dem Schuljahr 2005/06 zunächst aus der Förderung zurückgezo-gen hatte.

In der Rahmenvereinbarung zwischen der Landesregierung und den kommu-nalen Landesverbänden, dem Pakt für Familie und Kindern vom 10. Novem-ber 2011, ist es gelungen: Es wurde ver-einbart, dass sich das Land ab dem Jahr 2012 zu einem Drittel an den Kosten der Schulsozialarbeit beteiligt. Die Förde-rung des Landes wird schuljahresbezo-gen und als Festbetrag gewährt; sie be-trägt 16.700 Euro pro Jahr und Vollzeit-stelle. Bei Teilzeitkräften wird die Pau-schale entsprechend reduziert.

Die Pauschalförderung hat den Ausbau von Schulsozialarbeit in den Kommu-nen unterstützt. Am 31. Juli 2014 waren zirka 1.990 Schulsozialarbeiter auf zirka 1.305 Vollzeitstellen tätig. Auch für den neuen Förderzeitraum ab 1. August 2015 bis 31. Juli 2016 werden für neue Stellen Fördermittel beantragt. Der Auf-wuchs wird wohl nicht mehr so stark sein wie in den Anfangsjahren der För-derung, aber tendenziell wird der Bedarf für Schulsozialarbeit weiterhin steigen.

Zukunftsplan Jugend

Die Landesregierung hat mit den Part-nern der Kinder- und Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit am 12. März 2013 gemeinsam die Vereinbarung „Zu-kunftsplan Jugend“ unterzeichnet, der vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2016 gilt.

Der „Zukunftsplan Jugend“ setzt fünf Schwerpunkte der Kinder- und Jugend-arbeit:− Entwicklung und Umsetzung

eines mit der Schule abgestimmten Bildungskonzeptes,

− Einrichtung von Bildungsnetz-werken,

− Förderung neuer Zielgruppen,

− Inklusionsarbeit, Aktionspläne zur Prävention gegen menschenfeind-liche und rechtsextremistische Tendenzen, für Toleranz und Gleich-berechtigung der Geschlechter,

− Ausbau der Beteiligungsformen und Verantwortungsübernahme als Bildungsziel.

Zur Erarbeitung und Weiterentwicklung des „Zukunftsplans Jugend“ wurde hier-zu eine Lenkungsgruppe mit entspre-chenden Arbeitsgruppen gebildet. Für die Umsetzung des „Zukunftsplans Jugend“ stellt das Land 1 Mio. Euro für 2013 und von 2014 an 3 Mio. Euro jähr-lich bereit. Gefördert werden neue und innovative Projekte in der Kinder- und Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit.

Bildungskongress auf der didacta

„Kommune macht Schule“ – Unter die-ser Überschrift hatten Gemeindetag, Städtetag und Landkreistag am 28. März 2014 zu einem Bildungskongress einge-laden. Es war die dritte Veranstaltung dieser Art, die im Rahmen der weltgröß-ten Bildungsmesse didacta in der Messe Stuttgart stattfand. Der Didacta Verband der Bildungswirtschaft und die Messe Stuttgart waren zuverlässige Kooperati-onspartner der kommunalen Landes-verbände bei der Durchführung des Kongresses.

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Page 12: Geschäftsbericht 2013-2015

903Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015 Geschäftsbericht

Menschen mit Behinderung – Inklusion

Landesbehinderten­ gleichstellungsgesetz – L­BGG

Zum 01.01.2015 trat das neue Landes-behindertengleichstellungsgesetz in Kraft. Sowohl in der öffentlichen Land-tagsanhörung als auch schriftlich hat der Gemeindetag Baden-Württemberg zum Gesetzentwurf Stellung genom-men und Änderungen gefordert. Der erweiterte Anwendungsbereich führt zu neuen Aufgaben für Städte und Ge-meinden. Außerdem bewirkt die neue Definition von Menschen mit Behinde-rung entsprechend der UN-Behinder-tenrechtskonvention die Ausweitung des Berechtigtenkreises.

Die seitens der Landesregierung verfolg-te Zielsetzung der Novellierung des L-BGG beruht auf dem Grundgedanken der UN-Behindertenrechtskonvention mit dem Ziel, behinderten Menschen eine möglichst vollständige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermög-lichen. Dieses Ziel wird vom Gemeinde-tag ausdrücklich unterstützt, was sich auch daran zeigt, dass die Belange von Menschen mit Behinderungen bei der kommunalen Weiterentwicklung regel-mäßig mit einbezogen werden. Zahlrei-che Vorgaben im L-BGG hat der Ge-meindetag vor diesem Hintergrund als unverhältnismäßig und nicht erforder-lich abgelehnt. Besonders im Hinblick auf die enthaltenen Ansprüche ist zu befürchten, dass es in Einzelfällen zu keinen konstruktiven und pragmati-schen Lösungsansätzen mehr kommen wird, sondern lediglich die individuel-len Ansprüche reklamiert werden.

Bedenken hat der Gemeindetag Baden-Württemberg zu folgenden Inhalten geäußert und entsprechende Änderun-gen gefordert:

• Der Begriff der Barrierefreiheit lässtsich nicht abschließend definieren. Für die Kommunen besteht folglich keine Rechtssicherheit, ab wann sie ihrer Pflicht zur Gewährleistung ei-ner barrierefreien Umgebung Genü-ge getan haben.

• BeiderHerstellungvonBarrierefrei-heit in den Bereichen Bau und Ver-kehr knüpft die Vorschrift die Pflicht der barrierefreien Herstel-lung an entsprechende Kriterien. So muss eine Neubau- oder eine Um-baumaßnahme vorliegen, wobei der Begriff Neubau aus sich heraus zu verstehen ist. Fraglich bleibt, ob der Anbau an ein vorhandenes Ge-bäude ein Neubau im Sinne dieser Vorschrift ist. Außerdem ist der Be-griff des Umbaus auslegungsfähig und damit nicht rechtssicher. Ein Umbau kann sowohl kleinere Bau-maßnahmen als auch umfassendere Maßnahmen bedeuten. Liegt eine Neubau- oder Umbaumaßnahme vor, beurteilt sich die technische Anforderung an die Barrierefreiheit nach den „einschlägigen Rechtsvor-schriften“. Hinsichtlich der Landes-bauordnung geht es dann nicht um die Pflicht zur Barrierefreiheit selbst, sondern um deren techni-sche Umsetzung, also insbesondere die Geltung der entsprechenden DIN-Vorschriften.

• Problematisch istdieBeweislastum-kehr. Die kommunale Ebene gewähr-leistet eine gebührende Achtung aller Bürger und eine Sorgfalt im Umgang mit diesen. Bürger, die sich in ihren Rechten missverstanden fühlten, hatten auch auf Grundlage der seit-herigen Gesetzeslage die Möglichkeit einer rechtlichen Überprüfung.

• DieBeweislastumkehr istvorallemin Verbindung mit dem Verbands-klagerecht eine besorgniserregende Entwicklung für die Städte und Ge-meinden. Das Verbandsklagerecht erstreckt sich künftig auch gegen Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts. Seither be-stand das Klagerecht lediglich bei Verstößen gegen die Verwendung der Gebärdensprache; zukünftig gilt dies zudem auch bei Verstößen ge-gen das Benachteiligungsverbot, die Barrierefreiheit von Bauvorhaben und im Personenverkehr sowie die Barrierefreiheit des Schriftverkehrs und medialer Angebote.

• Das Land verpflichtet die Stadt- undLandkreise, Behindertenbeauftragte zu beschäftigen und erstattet diesen die entstehenden Kosten. Die übrigen Städte und Gemeinden können frei-willig ebenfalls Behindertenbeauftrag-te installieren, jedoch ohne finanzielle Entschädigung seitens des Landes. Die Einwohnerzahl oder die Zahl der Be-hinderten der jeweiligen Städte und Gemeinden werden hierbei nicht be-rücksichtigt. Zudem soll zukünftig ein Landesbehindertenbeirat gegründet werden, der im Gesetzgebungsverfah-ren frühzeitig zu beteiligen sein wird.

Beratungsstelle Inklusion für Städte und Gemeinden

Um seine Mitglieder bei der Umsetzung der Inklusion zu unterstützen, hat der Gemeindetag Baden-Württemberg ei-nen Antrag beim Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien, Frauen und Senioren auf die Bewilligung einer „Beratungsstelle Inklusion für Städte und Gemeinden“ gestellt. Nachdem das Ministerium seine Zusage erteilt hat, konnte die Beratungsstelle Inklusion beim Gemeindetag zum 01.12.2014 neu geschaffen werden.

Die Beratungsstelle wurde im Sozial- und Gesundheitsausschuss, bei den landes-weiten Haupt- und Personalamtsleiter-tagungen sowie in einigen Kreisverbän-den vorgestellt. In einem Erfahrungsaus-tausch der Sozialreferenten der Kommu-nalverbände aller Bundesländer im Früh-jahr 2015 wurde die Arbeit der Bera-tungsstelle beim Gemeindetag ebenfalls dargestellt. Hierbei zeigte sich, dass Ba-den-Württemberg bundesweit eine Vor-reiterrolle einnimmt, was die Unterstüt-zung der Städte und Gemeinden durch die kommunalen Landesverbände bei der Umsetzung von Inklusion anbetrifft.

Die Beratungsstelle wirkt in der Arbeits-gruppe „Barrierefreier Zugang zu Kultur-denkmalen“ des Wirtschaftsministe-riums Baden-Württemberg mit. Dies dient dazu, an einer Broschüre mit nachahmenswerten Beispielen derge-stalt mitzuarbeiten, dass darin nicht Maximallösungen, sondern pragmati-sche und finanzierbare Zugangsmög-

Page 13: Geschäftsbericht 2013-2015

904 Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015Geschäftsbericht

Folgende Bausteine sind bis jetzt abrufbar:− Inklusion – Versuch einer prag-

matischen Definition,− Auflistung kommunaler Aktionen

im Bemühen um Inklusion,− Das Zwei-Sinne-Prinzip,− Leichte Sprache.

Diese Beratungsmodule können nie-mals vollständig oder abschließend sein. Das ganze Konzept gewinnt da-durch, dass es stetig ausgebaut wird und dass langjährige Erfahrungen darin Ein-gang finden. Ziel ist es, den Kommunen ein Gerüst zu bieten, entlang dessen sie ihre eigenen, den örtlichen Gegeben-heiten angepassten Lösungen entwi-ckeln können.

Folgeantrag

Die Geschäftsstelle beabsichtigt, im Herbst einen Folgeantrag zur weiteren Förderung der Beratungsstelle beim Mi-nisterium für Arbeit und Sozialordnung, Familien, Frauen und Senioren zu stel-len. Dieser soll die Etablierung und den Ausbau des bereits begonnen Beratungs-angebotes sowie die Unterstützung von 4 bis zu 5 Modellgemeinden auf ihrem beispielhaften Weg zur gleichberechtig-ten Teilhabe ihrer Bürgerinnen und Bür-ger beinhalten. Idealerweise handelt es sich dabei um Gemeinden verschiede-ner Größenordnungen, die außerdem von unterschiedlichen Ausgangsvoraus-setzungen heraus agieren. Die Gemein-den Leutenbach und Dusslingen sowie die Stadt Holzgerlingen haben sich dazu schon bereit erklärt.

Konversion von Komplex­einrichtungen der Behindertenhilfe

Bereits im Jahr 2012 wurde im so ge-nannten „Gültsteinprozess“ die Kon-version von Komplexeinrichtungen der Behindertenhilfe beschlossen. Ziel ist die Umsetzung des Artikels 19 UN-Be-hindertenrechtskonvention, nämlich die selbstbestimmte Entscheidung von Menschen mit Behinderung, wo und wie sie wohnen wollen.

Auf Einladung des Ministeriums für Ar-beit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren und der Landesarbeitsge-

lichkeiten aufzeigt werden. Außerdem soll der Stellenwert von Inklusion in-nerhalb der Gesamtheit der kommuna-len Aufgaben vermittelt werden.

Schließlich wurde in der Ausgabe vom 15. September 2015 der Mitgliederzeit-schrift „Die Gemeinde“ (BWGZ) das Thema „Inklusion in Kommunen“ grundsätzlich aufgearbeitet und mit zahlreichen Praxisbeispielen aus den Mitgliedsstädten und -gemeinden ange-reichert. Solche guten und pragmati-schen Ansätze sollen andere Kommu-nen anspornen, selbst nachhaltig inklu-siv tätig zu werden, ohne die Gesamt-heit der kommunalen Aufgabenpalette aus den Augen zu verlieren.

Best Practice

Um einen ersten Überblick über inklusi-ve Projekte zu gewinnen, die zum Teil seit Jahren in den Kommunen laufen, wurde eine entsprechende Umfrage un-ter den Mitgliedern gestartet. Der bishe-rige Rücklauf vermittelt folgenden Ein-druck: Keine Aktion gleicht der anderen, aber besonders erfolgversprechend im Bemühen, Menschen mit Schwierigkei-ten aller Art teilhaben zu lassen, scheint die Vereinsarbeit und dort die Bereiche Musik und Sport zu sein. Die Umfrageer-gebnisse werden stetig erweitert und ste-hen den Mitgliedern des Gemeindetags zur Verfügung. Dies ist einerseits gedacht

als Erstinformation darüber, was eine Kommune vor Ort selbst initiieren und wo und wie sie geeignete Anreize für an-dere Akteure geben kann. Andererseits soll das den Kontakt und Informations-austausch interessierter Städte und Ge-meinden untereinander ermöglichen.

Beratung

Erste Beratungen haben bereits stattge-funden. Die durchweg positiven Rück-meldungen bezogen sich vor allem da-rauf, dass wir konkrete Anregungen zum Einstieg in aktive Inklusionsarbeit und Ideen für Maßnahmen, die zum Teil oh-ne großen finanziellen Aufwand mög-lich sind, geben konnten. Hierbei ist es wichtig, dass sich die Städte und Ge-meinden nicht überfordert fühlen. Viel-mehr sollen sie durch konkrete Hilfestel-lungen zu pragmatischen und zielgerich-teten Lösungen ermutigt werden, die sich an den örtlichen Gegebenheiten und konkret an den Bedürfnissen der Be-troffenen in der Gemeinde orientieren.

Die Beratungsstelle Inklusion beim Ge-meindetag steht im Austausch mit Betrof-fenenverbänden, dem Landesbehinter-tenbeauftragten und dem KVJS. Dadurch kann sie aus erster Hand erfahren, welche konkreten Maßnahmen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben tatsächlich spürbar verbessern oder zu mehr Selbstbe-stimmung führen. Andererseits kann ein gemeinsames Gespräch ausloten, wie die-se Verbesserungen gemeinsam, unkom-pliziert und wirtschaftlich umgesetzt wer-den können. Besichtigungen von einzel-nen Einrichtungen und besonders akti-ven Städten und Gemeinden runden die Informationsgewinnung ab.

Beratungsmodule

Ein weiterer Schwerpunkt der Bera-tungsstelle liegt in der Ausarbeitung von Beratungsmodulen. Kommunen sollen diese individuell abrufen kön-nen, je nach Stand der Inklusionsbemü-hungen und den örtlichen Wünschen und Erfordernissen. Beginnend von ers-ten Überlegungen in einer Kommune bis hin zur Durchführung einzelner Pro-jekte sollen einzelne Bausteine als Un-terstützung angeboten werden.

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138. Jahrgang

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Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg

D I E G E M E I N D ED I E G E M E I N D EZeitschrift für die Städte und Gemeinden

Inklusion

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905Gemeindetag Baden-Württemberg

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meinschaft der öffentlichen und der freien Wohlfahrtspflege (LAGÖFW) fand eine Arbeitstagung mit dem Titel „Gestaltung inklusiver Wohn- und Be-schäftigungsangebote – Umbau der Strukturen in der Behindertenhilfe un-ter Berücksichtigung der Konversion von Komplexträgern“ statt. Als Ergebnis wurde das „Impulspapier Inklusion“ veröffentlicht. Dieses kann u.a. auf der Seite des KVJS eingesehen werden(www.kvjs.de/fileadmin/dateien/soziales/Impulspapier-Inklusion.pdf).

Das Sozialministerium begleitet und moderiert diesen Prozess durch ein Zwei-Säulen-Modell. Aktuell sollen nun regionale Entwicklungskonferenzen zur Dezentralisierung (REDs) stattfin-den. Im Juli 2015 nahm die Geschäfts-stelle zusammen mit Vertretern von Standortgemeinden an einem „Fach-forum Dezentralisierung“ teil, bei dem die Vorgehensweise vorgestellt wurde. In einem ersten, bereits anlaufenden Schritt wird durch reine Datenerhe-bung der Ist-Zustand der momentanen Wohnsituation in allen Land- und Stadtkreisen erhoben. Anschließend wird der Bedarf an Wohnstandorten er-mittelt und dem Bestand gegenüberge-stellt. Die besondere Herausforderung hierbei besteht darin, alle Betroffenen in die Lage zu versetzen, ihren eigenen Bedarf selbst zu beurteilen und zu arti-kulieren. In einem dritten Schritt schließlich soll die Sozialplanung auf den ermittelten Bedarf abgestimmt werden. Im gesamten Prozess sollen kommunal besetzte Planungsforen flankierend mitwirken und gemeinsam soll darüber entschieden werden, wo erste REDs stattfinden werden.

Der Gemeindetag Baden-Württemberg begleitet in diesem Prozess intensiv die Standortgemeinden von großen Ein-richtungen der Behindertenhilfe ebenso wie die Kommunen, in denen künftig dezentrale Wohn- und Betreuungsmög-lichkeiten eingerichtet werden sollen. Es geht insbesondere darum, den jewei-ligen Strukturen vor Ort gebührend Rechnung zu tragen und die Gemein-den, bei denen sich aus der Dezentra-lisierung Veränderungen ergeben, zu unterstützen.

Bundesteilhabegesetz

Entlastung bei der Eingliederungshilfe

Der Gemeindetag begrüßt den Beschluss des Bundeskabinetts, die Kommunen ab 2015 durch eine Soforthilfe um jährlich 1 Mrd. Euro und ab 2018 in Rahmen einer Reform der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen um weitere 5 Mrd. Euro jährlich zu entlasten.

Im Zusammenhang mit den Verhandlun-gen zur Umsetzung des mit der EU verein-barten Fiskalpakts haben sich Bund und Länder Ende Juni 2013 u.a. darauf ver-ständigt, dass der Bund in der nächsten Legislaturperiode anteilig die Finan-zierung der Kosten für die Eingliederungs-hilfe für Behinderte durch ein Bundes-leistungsgesetz übernimmt. Für diese Sozialleistungen wenden die Kommunen und in Teilen die Länder entsprechend inzwischen jährlich etwa 15 Mrd. Euro auf. Tendenz weiter massiv steigend.

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD verpflichten sich die Re-gierungsparteien darauf, innerhalb der

laufenden Legislaturperiode durch das Inkrafttreten eines Bundesteilhabege-setzes zu einer Kostenentlastung der Kommunen bei der Eingliederungshilfe in Höhe von 5 Mrd. Euro pro Jahr zu kommen sowie zuvor bereits eine jähr-liche Entlastung in Höhe von 1 Mrd. Euro vorzunehmen.

Der Koalitionsvertrag lautet dazu wie folgt:„Die Kommunen sind ein zentraler Be-standteil unseres Gemeinwesens. [...] Um die grundgesetzlich garantierte kommunale Selbstverwaltung zu sichern, müssen die Kommunen handlungsfähig sein. Voraus-setzung dafür sind auch gesunde Finanzen. [...] Wir werden ein Bundesleistungsgesetz für Menschen mit Behinderung (Bundesteil-habegesetz) erarbeiten. Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes wird der Bund zu einer Ent-lastung der Kommunen bei der Eingliede-rungshilfe beitragen. Darüber hinaus sollen die Kommunen im Rahmen der Verabschie-dung des Bundesteilhabegesetzes im Um-fang von 5 Mrd. Euro jährlich von der Ein-gliederungshilfe entlastet werden. Bereits vor der Verabschiedung des Bundesteil-habegesetzes beginnen wir mit einer jähr-lichen Entlastung der Kommunen in Höhe von 1 Mrd. Euro pro Jahr.“

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906 Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015Geschäftsbericht

Arbeitsleben als zentraler Baustein der Reform der Eingliederungshilfe einen wichtigen Stellenwert.

Die Einführung eines neuen Bundesteil-habegesetztes und insbesondere die Re-form der Eingliederungshilfe schaffen große Erwartungen bei allen Beteiligten.

Betroffene hoffen auf eine Verbesserung der Leistungen und damit auch auf po-sitive Auswirkungen auf ihre jeweilige Lebenssituation. Ein solcher Prozess der Erarbeitung vieler Verbesserungspoten-ziale wird sicherlich enttäuschen, wenn diese nicht realisierbar sind. Mit einer finanziellen Ausweitung der Sozialleis-tungen kann jedoch nicht gerechnet werden. Die begrenzten Ressourcen wa-ren bereits im Vorfeld auch offen und klar kommuniziert worden. Die Kom-munen erwarten hingegen zu recht, dass die vom Bund zugesicherte Entlas-tung auch vollumfänglich auf der kom-munalen Ebene ankommt. Um eine erste Einschätzung des geplanten Bun-desteilhabegesetztes zu bilden, bleibt zunächst der Referentenentwurf abzu-warten, mit dem im Herbst 2015 gerech-net werden kann.

Das Bundesministerium der Finanzen hat dennoch darauf hingewiesen, dass der Koalitionsvertrag Mehrausgaben des Bundes für Leistungsverbesserun-gen und strukturelle Veränderungen nicht vorsieht („keine neue Ausgaben-dynamik“) und solche in der Finanz-planung nicht bereitgestellt wurden. Das Thema solle aber auf der Tagesord-nung bleiben. Die klare Maßgabe, dass der Bund keine zusätzlichen Haus-haltsmittel zur Verfügung stellen kann und mit der Neuorganisation der Aus-gestaltung des Teilhaberechts keine neue Ausgabendynamik entstehen soll, wurde immer wieder betont. Das bedeutet, dass die sich ergebenden Leistungsverbesserungen einzelner Handlungsoptionen und die damit verbundenen Mehrausgaben aus dem Teilhaberecht selbst gegenfinanziert werden müssen. Das Problem und das haushaltspolitische Verständnis der Gegenfinanzierung werden seitens der Mitglieder der Arbeitsgruppe unter-schiedlich gesehen.

In den meisten Flächenländern sind wie in Baden-Württemberg die Land-kreise und Kreisfreien Städte oder aber höhere kommunale Sozialverbände Aufgabenträger der Eingliederungshil-fe, die sich wiederum über die Land-kreise und Kreisfreien Städte finanzie-ren (Sozial umlage). Im Saarland sowie in Brandenburg und Sachsen-Anhalt sind die Länder für die Eingliederungs-hilfe zuständig.

Keine Festlegungen haben die Koalitio-näre im Koalitionsvertrag darüber ge-troffen, zu welchen Zeitpunkten und auf welchen Wegen die jährliche Entlas-tung der Kommunen in Höhe von 1 Mrd. Euro bzw. 5 Mrd. Euro erfolgen und erreicht werden soll.

Als mögliche Entlastungswege zugunsten der Kommunen schlägt der DStGB vor:− Einführung eines Bundesteilhabe-

geldes, − zusätzliche Umsatzsteuerpunkte,− Erhöhung der Bundesbeteiligung

an den Kosten der Unterkunft,− Entlastung der Kommunen durch

Bund/Länder-Staatsverträge.

Am 12.03.2014 hat das Bundeskabinett beschlossen, die Kommunen ab 2015 im Rahmen einer Soforthilfe ab dem Jahr 2015 um 1 Mrd. Euro und ab 2018 im Rahmen einer Reform der Eingliederungs-hilfe für behinderte Menschen um weite-re 5 Mrd. Euro jährlich zu entlasten. Die Soforthilfe soll dabei zunächst über eine

Erhöhung des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer wirksam werden.

Der Landkreistag Baden-Württemberg wirbt in diesem Zusammenhang bereits für eine Lösung, die die baden-württem-bergischen Landkreise in Baden-Würt-temberg unmittelbar entlasten würde. Dazu soll die Verteilung des Anteils von Baden-Württemberg an der Soforthilfe von 1 Mrd. Euro im Rahmen des kom-munalen Finanzausgleichs durch das Land auf die Kreise unmittelbar erfolgen.

Zwischenstand

Wie das Bundesministerium für Finan-zen zwischenzeitlich mitgeteilt hat, ver-ständigten sich die Spitzen der Koalition am 2. März 2015 im Vorgriff auf diese Entlastung darauf, im Jahr 2017 die vor-gesehene kommunale Entlastung von 1 Mrd. Euro um zusätzliche 1,5 Mrd. auf-zustocken. Zusätzlich soll es einen Fonds in Höhe von 3,5 Mrd. Euro geben, mit dem Investitionen im kommunalen Be-reich gefördert werden könnten.

Die aktuellen Überlegungen zur Entlas-tung der Kommunen ab 2018 gehen al-lerdings nicht mehr in Richtung Ein-gliederungshilfe, da eine zielgenaue Entlastung der Kommunen im System der Eingliederungshilfe nicht möglich ist. Um dieses Versprechen aus dem Ko-alitionsvertrag zu realisieren, wird nach einem anderen Transferweg gesucht.

Unabhängig von der Frage des Zusam-menhangs zwischen der Reform der Eingliederungshilfe und der kommuna-len Entlastung hat der Auftrag des Ko-alitionsvertrags Bestand, die Einglie-derungshilfe zu reformieren und ein modernes Teilhaberecht zu entwickeln.

Bundesteilhabegesetz

Um den zentralen Gedanken der UN-Behindertenrechtskonvention, das Verständnis der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinde-rung am gesellschaftlichen, politi-schen, kulturellen und sozialen Leben, umzusetzen, wird ein neues Bundes-teilhabegesetz erarbeitet. Dabei be-kommt insbesondere die Teilhabe am

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Stadt.Neu.Denken.

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Stadt.Neu.Denken.

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908 Gemeindetag Baden-Württemberg

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ist. So gab es schon ursprünglich eine Planung, in Baden-Württemberg deut-lich mehr als nur 50 Pflegestützpunkte einzurichten.

Auch die Evaluation der Pflegestütz-punkte in Baden-Württemberg durch das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) zeigte, dass es noch nicht gelun-gen ist, eine Beratungsinfrastruktur zu schaffen, die flächendeckend eine wohnortnahe und neutrale Beratung sicherstellt. Zur Anzahl der Pflege-stützpunkte innerhalb der Stadt- und Landkreise ist jedoch keine bestimmte Zielgröße vorgegeben. Maßgebend für den Ausbau sollen nach den „Anforde-rungen für die Weiterentwicklung der Pflegestützpunkte in Baden-Württem-berg“ insbesondere der Bedarf und die Nachfrage nach Beratungsleistungen sein.

Zwischenzeitlich haben zwölf Vorge-spräche mit Stadt- und Landkreisen stattgefunden, die einen Antrag auf ei-nen oder mehrere zusätzliche Pflege-stützpunkte gestellt haben. Bei den Vor-gesprächen zeigte sich allerdings, dass der in den „Anforderungen“ beschriebe-ne bedarfsorientierte Ansatz bei der Weiterentwicklung der Pflegestütz-punkte im Fachausschuss der LAG un-terschiedlich interpretiert wird. Die Ver-treter der Kranken- und Pflegekassen sehen die Beratungsleistung der Pflege-stützpunkte im Vordergrund, die Auf-gabenfelder Koordination und Ver-netzung spielen keine Rolle. Sie fließen nicht in die Berechnung der Auslastung ein. Die kommunale Seite betrachtet al-le drei in § 92c SGB XI genannten Berei-che als gleich wichtig und will dies bei der Beurteilung der Anträge entspre-chend berücksichtigt wissen.

Daher konnten sich die Landesverbän-de der Pflege- und Krankenkassen und die kommunalen Landesverbände bis-her nicht über einen weiteren Ausbau der Pflegestützpunkte im Land ver-ständigen. Der Gemeindetag Baden-Württemberg wird sich auch weiterhin mit Nachdruck für einen bedarfsge-rechten, flächendeckenden und wohn-ortnahen Ausbau der Pflegestützpunk-te einsetzen.

Bund-Länder-Arbeitsgruppe: Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege

Am 29. September 2014 wurde die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Stär-kung der Rolle der Kommunen in der Pflege eingerichtet. Sie setzte sich aus Vertretern der Bundesministerien für Gesundheit, Arbeit und Soziales sowie Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zehn Länderministerien und den drei kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene zusammen.

Schwerpunkt des Arbeitsauftrags war die Klärung, wie • diekommunaleSteuerungs-undPla-

nungskompetenz für die regionale Pflegestruktur gestärkt werden kann,

• wieKommunenstärkerindieStruk-turen der Pflege verantwortlich ein-gebunden werden können und wie

• Sozialräume so entwickelt werdenkönnen, dass pflegebedürftige Men-schen so lange wie möglich in ih-rem gewohnten Umfeld verbleiben können.

Vor diesem Hintergrund hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter anderem folgende Empfehlungen beschlossen, die vom Gemeindetag als besonders wichtig für Baden-Württemberg einge-stuft werden:

• Erprobungneuer Beratungsstrukturen

Unterschiedliche Modelle zu Verbesse-rung von Koordination und Kooperation bei der Beratung von Bürgerinnen und Bürgern bezüglich Pflegebedürftigkeit und anderen Fragen im Umfeld von Pflegebe-dürftigkeit sollen erprobt werden. Dazu gehört auch das Modellprojekt „Pflegebe-ratung“. Dieses sieht vor, dass bundesweit in 60 Stadt- und Landkreisen neue Bera-tungsstrukturen erprobt werden. Um eine umfassende Pflegeberatung vor Ort zu er-möglichen, werden beim Modellprojekt neben der Pflege auch flankierende The-men wie zum Beispiel präventive Angebo-te, familienunterstützende Hilfen, Maß-nahmen zum Wohnumfeld, die recht-liche Betreuung oder die Nutzbarkeit des öffentlichen Personennahverkehrs mit in die Beratung einbezogen.

• InitiativrechtzurEinrichtung von Pflegestützpunkten

Ein Initiativrecht für Kommunen bei deren finanzieller Beteiligung zur Ein-richtung von Pflegestützpunkten soll erprobt werden. Bund und Länder wol-len den Kommunen das Recht übertra-gen, künftig mitzuentscheiden, ob und wo neue Pflegestützpunkte eingerichtet werden. Dafür sollen nun die entspre-chenden gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Derzeit können le-diglich die Pflegekassen die Einrichtung neuer Pflegestützpunkte vorschlagen. Finanziert werden Pflegestützpunkte zu je einem Drittel durch Pflegekassen, Krankenkassen und Kommunen.

Zwar wurde von Seiten des Bundesge-sundheitsministeriums und der Regie-rungsfraktionen zugesagt, die Ergebnis-se der Bund-Länder Arbeitsgruppe im Rahmen des 2. Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) ins SGB XI zu integrieren, aller-dings sieht der Referentenentwurf des PSG II dies angesichts der ansonsten eintretenden Zustimmungsnotwendig-keit des Bundesrates nicht vor. Der Ge-meindetag Baden-Württemberg wird sich deshalb nochmals dafür einsetzen, dass die Ergebnisse in das PSG II Ein-fluss finden.

Weiterentwicklung der Pflegestützpunkte in Baden-Württemberg

Mit dem Aufbau von 48 Pflegestütz-punkten ist es in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren gelungen, ein funktionsfähiges Angebot zur Auskunft und Beratung, Koordinierung und Ver-netzung nach § 92c SGB XI einzurich-ten. Im nächsten Schritt geht es nun darum, die Pflegestützpunkte zu konso-lidieren und weiterzuentwickeln sowie die noch vorhandenen Lücken zu schlie-ßen. Zunächst sollte in jedem Stadt- und Landkreis mindestens ein Pflegestütz-punkt bestehen und finanziert werden. Dies ist in 42 von 44 Stadt- und Land-kreisen bereits geschehen. Es zeigt sich jedoch, dass gerade in Landkreisen mit großer Fläche die Wege zu den Bera-tungsangeboten der Pflegestützpunkte für eine Vielzahl der Einwohner zu weit

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Gemeindetag Baden-Württemberg

Geschäftsbericht

Wohn-/Teilhabe- und Pflegegesetz – WTPG

Am 31. Mai 2014 ist das neue „Gesetz für unterstützende Wohnformen, Teil-habe und Pflege“ (WTPG) in Kraft ge-treten. Es löst das alte Landesheimge-setz ab und gibt neue Antworten auf die gesellschaftlichen Herausforderun-gen sowie die gewandelten Erwartun-gen und Bedürfnisse von Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf. Während das alte Heimgesetz nur die Alternative „Pflegeheim“ oder „Häus-lichkeit“ kannte, fördert und ermög-licht das neue Gesetz eine Vielfalt von Wohn- und Versorgungsformen zwi-schen der Pflege zu Hause und stationä-ren Einrichtungen.

Mit dieser Neuausrichtung des Anwen-dungsbereichs wird einerseits dem Wunsch der Menschen mit Unterstüt-zungsbedarf Rechnung getragen, so lan-ge und so selbstbestimmt wie möglich in einer vertrauten, an der Normalität ausgerichteten und möglichst wenig fremdgesteuerten Umgebung leben zu können. Andererseits sollen der not-wendige Schutz sichergestellt und Mög-lichkeiten geschaffen werden, neue Be-treuungs- und Wohnformen konzeptio-nell zu fördern.

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens hat sich der Gemeindetag Baden-Würt-temberg mehrfach für die Anregungen aus den Mitgliedsstädten und -gemein-den eingesetzt. Besonders die Festle-gung der Obergrenze auf 12 Bewohner in ambulant betreuten Wohngemein-schaften war ein Anliegen vieler Mit-gliedskommunen, die der Gemeinde-tag im Verlauf des Gesetzgebungsver-fahrens wiederholt eingebracht hat.

So konnten wir erreichen, dass die Lan-desregierung von ihrem ursprüngli-chen Vorhaben, die Obergrenze auf 8 Bewohner festzulegen, abgerückt ist. Zwar ist die Zahl 12 nun gesetzlich ver-ankert, allerdings sind damit hohe Hürden verbunden. Vor allem die Vor-aussetzung, dass jeder Bewohnerin und jedem Bewohner ein Einzelzimmer mit zugeordnetem Sanitärbereich zur Ver-fügung stehen soll, erschwert einen

wirtschaftlichen Betrieb einer ambu-lant betreuten Wohngemeinschaft. Nach intensivem Einsatz konnte zu-mindest erreicht werden, dass der fina-le Gesetzestext die Formulierung „in der Regel“ enthält. Es bleibt somit zu hoffen, dass die Heimaufsichten den ihnen nun eingeräumten Spielraum praxisgerecht auslegen, um flexible Einzelfalllösungen zu ermöglichen und damit ambulant betreute Wohnge-meinschaften zu fördern und zu unter-stützen.

Nach Inkrafttreten des Gesetzes muss nun eine breit angelegte Öffentlich-keitsarbeit und Angebotsberatung be-trieben werden. Viele Initiativen und Interessenten stehen mit der Gründung ambulant betreuter Wohnformen be-reits in den Startlöchern.

Der Gemeindetag hatte deshalb gegen-über dem Sozialministerium Baden-Württemberg mehrfach darauf hinge-wiesen, dass die geplante Fachstelle für ambulant unterstützte Wohnformen schnellstmöglich etabliert werden muss. Ende Oktober 2014 verkündete die Sozi-alministerin, dass die Fachstelle ihre Ar-beit zum 1. November 2014 aufnehmen wird. Seitdem werden bei dieser Stelle Erfahrungen aus der täglichen kommu-nalen Praxis gebündelt und im Rahmen eines Wissenstransfers an andere Interes-senten weitergegeben. Sie ist beim Kom-munalverband für Jugend und Soziales (KVJS) angesiedelt und zunächst auf zwei Jahre befristet. Neben Beratung von inte-ressierten Städten und Gemeinden stellt die Fachstelle auch Informationsmateri-alien zur Verfügung und entwickelt ein Schulungskonzept für Multiplikatoren.

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liche Diskussion gegeben. Es wurde schnell klar, dass der Gemeindetag Ba-den-Württemberg damit eine über die Landesgrenzen hinausreichende Wahr-nehmung erreichen konnte.

Die weit überwiegende Zahl der Presse-reaktionen wie auch zahlreiche Rück-meldungen aus der Mitgliederschaft machten deutlich, dass der Gemeinde-tag mit einer solch klaren Positionie-rung bei diesem zentralen Thema den Finger in eine zunehmend klaffende Wunde gelegt hat.

An dieser Stelle sei deshalb nochmals darauf hingewiesen, dass auf Grundlage der geltenden Bemessungssystematik sich allein schon durch die gemeinde-scharfe Ausweisung der Versorgungsge-biete im hausärztlichen Bereich und damit im Kernbereich der medizini-schen Daseinsvorsorge eine Garantie auf einen Hausarztsitz je 1.671 Einwoh-ner ergäbe (= Rechtsanspruch). Diese Änderung der Planungsbereiche liegt in der Entscheidungskompetenz der KV Baden-Württemberg.

Vor diesem Hintergrund hat zwischen-zeitlich auch der DStGB die Forderung aufgegriffen und in sein Positionspapier „Ärztliche Versorgung flächendeckend sicherstellen“ aufgenommen.

Es ist daher festzustellen, dass es dem Gemeindetag durch den pointierten Aufschlag mit der Forderung nach ei-nem Rechtsanspruch auf einen Haus-arztsitz gelungen ist, die angestrebte gesamtpolitische Diskussion anzusto-ßen und damit das Thema Gesundheits-versorgung wieder in den Blickpunkt zu rücken.

Entwicklung der Gespräche mit der kassenärztlichen Vereinigung Baden­Württemberg

Der Gemeindetag hat seitdem weitere Gespräche vor allem mit der kassenärzt-lichen Vereinigung geführt, um auf eine schnelle Lösung des Hausärztemangels hinzuwirken. Ziel dieser Gespräche war es, die Raumschaften in Baden-Würt-temberg zu identifizieren, die den größ-ten Handlungsbedarf bei der Ansiede-

Hausärztliche Versorgung in Baden-Württemberg

Die Sicherung der Grundversorgung stellt im niedergelassenen hausärzt-lichen Bereich – gerade im ländlichen Raum – eine zunehmend anwachsende Problematik dar. Schon heute gibt es, trotz großer kommunaler Anstrengun-gen, in 172 Städten und Gemeinden in unserem Bundesland keinen niederge-lassenen Hausarzt mehr. In weiteren 198 Städten und Gemeinden beträgt der Versorgungsgrad unter Berücksichti-gung aller Hausärzte weniger als 75 Pro-zent. Auch in naher Zukunft ist mit ei-nem weiteren Rückgang zu rechnen. Perspektivisch geht das Land – gestützt auf eine Prognose der zuständigen Kas-senärztlichen Vereinigung Baden-Würt-temberg (KVBW) – in den nächsten Jah-ren von einem weiteren Rückgang der niedergelassenen Hausärzte in der Grö-ßenordnung von 500 bis 1.000 Arztpra-xen aus.

Die für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung zuständige KVBW sowie die Krankenkassen (gemäß § 72 SGB V), se-hen allerdings weniger sich selbst in der Pflicht, stattdessen sollen nach dortiger Ansicht die Kommunen als Lücken-büßer in die Bresche springen.

Der Landesvorstand des Gemeindetags Baden-Württemberg hat deshalb im Rahmen seiner Klausurtagung am 24. und 25. September 2014 in Bad Wildbad das Thema der Sicherstellung einer flä-chendeckenden, hausärztlichen Versor-gung in Baden-Württemberg sehr inten-siv beraten.

Am Ende dieser Beratungen wurde fol-gender Beschluss gefasst:

1. Der Gemeindetag misst der Sicher-stellung einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung höchste Be-deutung bei. Er fordert daher die Ein-führung eines Rechtsanspruchs für eigenständige Städte und Gemein-den in Baden-Württemberg auf min-destens einen niedergelassenen Hausarztsitz.

2. Auf dem Weg zur Realisierung dieses Anspruchs fordert der Gemeindetag zum Zwecke einer homogenen und stabilen medizinischen Versorgung die Festlegung einer abweichenden Raumgliederung nach § 99 Absatz 1 Satz 3 SGB V. So sollen auf dieser Grundlage die Planungsbereiche ge-meindescharf bemessen werden.

3. Der Mindestbedarf an Hausarztsitzen einer Gemeinde ergibt sich aus der Verhältniszahl nach der Bedarfspla-nungsrichtlinie zur hausärztlichen Versorgung. Nach dieser soll je 1.671 Einwohner eine Hausarztpraxis vor-gehalten werden.

4. Der Gemeindetag erachtet angesichts der hohen Priorität der Gesundheits-versorgung für die Bürgerinnen und Bürger eine gesamtpolitische Diskus-sion zu diesem wichtigsten Element der Daseinsvorsorge für dringend ge-boten.

5. Zur Eröffnung dieser politischen Dis-kussion wird das Positionspapier „Hausarztversorgung in Baden-Würt-temberg“ verabschiedet.

Im Rahmen einer Pressekonferenz und durch das Positionspapier wurde die Forderung nach dem Rechtsanspruch auf einen Hausarzt dann in die öffent-Fo

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lung eines Hausarztes haben. Die bei-den Gesprächspartner einigten sich über die Durchführung einer landes-weiten, gemeindescharfen Situations-analyse mit folgenden Prüfungsschritten:

1. Liegt eine vermutete Versorgungslü-cke im hausärztlichen Bereich vor? (Verhältniszahl ist in Kommune nicht erreicht, d.h. der Versorgungsgrad un-ter Berücksichtigung aller Hausärzte beträgt weniger als 75 Prozent).

2. Ist eine Zulassungsmöglichkeit ge-geben?

3. Algorithmus der Kassenärztliche Ver-einigung: Verhältnis der Ärzte über 63 Jahre in der Raumschaft zu den Ärzten insgesamt bezogen auf die Einwohnerzahl in der Raumschaft.

4. Bestätigt die raumschaftsbezogene

Situation die vermutete Versorgungs-lücke?

5. Prüfung der Förderungswürdigkeit anhand einer Ergebnisliste.

Zwischen den Gesprächsteilnehmern bestand Einigkeit, dass es nach Durch-führung der Situationsanalyse einer gemeinsamen Anstrengung bedarf, um in den Raumschaften mit dem größten Handlungsbedarf auch erfolgreich die Ansiedlung von Hausärzten realisieren zu können. Die Kommunen erkennen dabei ihre Aufgabe insbesondere darin, die örtlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, um die Attraktivität für interessierte Mediziner passgenau zu optimieren. Hier können das Angebot von bedarfsgerechten Kinderbetreu-ungsplätzen, die Unterstützung des Ehepartners des Mediziners bei der Stellensuche oder aber die Bereitstel-lung moderner Praxisräumlichkeiten zu angemessenen Mietpreisen beispiel-hafte Maßnahmen sein.

Zudem finden – auch motiviert durch den Vorstoß des Gemeindetags – in drei Landkreisen aktuell Vor-Ort-Dialoge statt, in denen konkret die Umsetzung kleinerer Versorgungsgebiete erörtert wird. Die Moderation wird seitens des Sozialministeriums übernommen.

Das Ergebnis dieser Vor-Ort-Gespräche, in deren Rahmen insbesondere die ört-lichen kommunalen Vertreter eine be-deutende Rolle spielen, soll dann Ein-gang in den Sektorenübergreifenden Landesbeirat finden. Es zeichnet sich ab, dass in allen Regionen ein klarer Bedarf für eine kleinteiligere Bedarfs-planung gesehen wird.

Modelle für zukunftsfähige Hausarztstrukturen

Um möglichst zukunftsfähige Versor-gungsstrukturen zu etablieren, müssen bei der Vergabe gegebenenfalls zum Einsatz kommende Fördermittel die Vorstellungen der kommenden Gene-ration der Hausärzte zu deren Berufs-bild und den angestrebten Niederlas-sungsformen berücksichtigt werden. Dabei ist festzustellen, dass es künftig neben der sicher weiterhin stark ver-breiteten Einzelpraxis vermehrt auch Gemeinschaftspraxen geben wird. Ge-rade in ländlicheren Regionen können Gemeinschaftspraxen, die über Haus-besuche, Außensprechtage und Zweig-praxen die Flächendeckung sichern, die Chancen einer Arztansiedlung er-höhen. Sollte es zum Einsatz finanziel-ler Anreize kommen, so sollten bewusst verschiedene Niederlassungsformen gefördert werden.

Beispielhaft werden den unterversorg-ten Kommunen hierzu verschiedene

Niederlassungsformen als Handlungs-option vorgeschlagen (vgl. Tabelle). Ge-rade bei den Gemeinschaftspraxen ist ausdrücklich auch eine interkommuna-le Kooperation denkbar und unterstüt-zenswert.

Kommunale Landesverbände kooperieren mit der Perspektive Hausarzt BW und gründen gemein­sames Aktionsforum zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung

Die kommunalen Landesverbände in Baden-Württemberg, Gemeindetag, Städtetag und Landkreistag, haben am 7. Mai 2015 gemeinsam mit der Initiative Perspektive Hausarzt BW ein Aktionsfo-rum zur gezielten Unterstützung der hausärztlichen Versorgung gegründet. Neben dem regelmäßigen Austausch un-ter den Partnern sollen gemeinsame Ak-tionen entwickelt werden, die Baden-Württemberg bei dem hausärztlichen Nachwuchs attraktiv machen. Das Ziel des neuen Bündnisses ist es, alle Akteure an einen Tisch zu bringen.

Mit konzertierten Maßnahmen soll im Rahmen des Aktionsforums für die At-traktivität von Baden-Württemberg ge-arbeitet werden. Im Herbst 2015 werden die ersten Sitzungen des Aktionsforums stattfinden und auch die Planungen für eine mehrtätige Veranstaltung für Medi-zinstudierende und Ärzte in Weiterbil-dung erfolgen.

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4. Die Schulen werden zur Unterstüt-zung von Eltern, insbesondere auch solchen mit Migrationshintergrund, bei der Wahrnehmung ihrer Eltern-rechte verpflichtet. Die Hochschulen müssen künftig bei unterrepräsen-tierten Bevölkerungsgruppen für die Aufnahme eines Studiums werben und ebenso wie die Verfassten Studie-rendenschaften die Integration aus-ländischer Studierender fördern.

5. Beschäftigte muslimischen und ale-vitischen Glaubens können sich zur Begehung ihrer wichtigsten religiö-sen Feiertage für den Besuch des Got-tesdienstes vom Dienst oder von der Arbeit unter bestimmten Vorausset-zungen freistellen lassen.

Bewertung

Der Gemeindetag Baden-Württemberg steht hinter dem grundsätzlichen Anlie-gen des vorliegenden Gesetzentwurfs, die rund 27 Prozent der 10,6 Mio. Ein-wohner Baden-Württembergs mit Mig-rationshintergrund am gesellschaftli-chen Leben teilhaben zu lassen. Für die Einrichtung bestimmter Integrationsor-gane stellt das Gesetz den Städten und Gemeinden keine zwingenden Ver-pflichtungen vor. Es bleibt somit den Städten und Gemeinden selbst überlas-sen, ob sie entsprechende Einrichtun-gen für Menschen mit Migrationshin-tergrund schaffen. Dies begrüßen wir ausdrücklich.

Sollte eine Gemeinde jedoch die Ein-richtung eines Ausschusses, eines Bei-rats oder Ähnliches für erforderlich hal-ten, dann werden die Zusammenset-zung und das Verfahren der einzelnen Gremien sehr detailliert geregelt. Die Gemeinde wird damit sehr weitgehend in ihrer verfassungsrechtlich garantier-ten Kompetenz, ihre inneren Angele-genheiten passgenau nach den örtli-chen Gegebenheiten selbst zu bestim-men, eingeschränkt. Der Gemeindetag kann daher den Gesetzentwurf in dieser Tragweite nicht befürworten.

Gesetz zur Stärkung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit und Vernetzung aller Beteiligten des Gesundheitswesens in Baden-Württemberg – Landesgesundheitsgesetz (LGG)

Ziel des Gesetzentwurfes, dem das Ka-binett am 21. Juli 2015 zugestimmt hat, ist es, eine tragfähige gesetzliche Grundlage für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens in Baden-Württemberg zu schaffen. Als inhalt-licher Anhaltspunkt und Auftrag für die Ausgestaltung der Gesundheitspoli-tik in Baden-Württemberg soll das Ge-sundheitsleitbild dienen. Unter Beach-tung der bundes- und landesrecht-lichen Kompetenzordnung und der gesetzlichen Verantwortung der jewei-ligen Gewährleistungsträger für die verschiedenen Versorgungsbereiche werden neue und bewährte Dialog- und Arbeitsformen, nämlich die Ge-sundheitskonferenzen auf Landes- und Kreisebene sowie der Sektorenübergrei-fende Landesausschuss (nach § 90a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – SGB V) und ein Landesausschuss für Gesundheitsförderung und Prävention auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Gesetzlich geregelt werden die Arbeits-weise, Zuständigkeit, Interaktion und Vernetzung dieser Beteiligungsgremien. Hierdurch wird das Zusammenwirken von Landes- und kommunaler Ebene im Bereich des Gesundheitswesens ge-stärkt und die sektorenübergreifende Zusammenarbeit intensiviert. Bürge-rinnen und Bürger sollen in den gesam-ten Weiterentwicklungsprozess (Stich-wort „Gesundheitsdialog“) frühzeitig einbezogen werden.

Der Gemeindetag Baden-Württem-berg, der ebenfalls zum Gesetzentwurf Stellung genommen hat, begrüßt die mit dem Gesetz verbundene bessere Einbindung der Kommunen in das baden-württembergische Gesund-heitswesen. Bedauerlich ist allerdings, dass vor allem eine sektorenübergrei-fende Versorgung auch zwischen den Bereichen Gesundheit und Pflege durch den Entwurf unberücksichtigt bleibt. Ebenso hätte sich der Gemein-

detag gewünscht, dass das Land ge-setzlich verpflichtet wird, die kommu-nale Ebene einzubinden, bevor es am Landesausschuss der Krankenkassen und Vertragsärzte teilnimmt. Dadurch wäre eine weitere deutliche Stärkung der Kommunen im Gesundheitswesen einhergegangen. Darüber hinaus wer-den zwar die kommunalen Gesund-heitskonferenzen zu Pflichtaufgaben für die Stadt- und Landkreise erklärt, allerdings ohne dass eine entspre-chende Refinanzierung durch das Land Baden-Württemberg erfolgt.

Gesetz zur Verbesserung von Chancengleichheit und Teilhabe – Partizipations- und Integrationsgesetz (PartIntG)

Die wesentlichen Inhalte des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung von Chancengleichheit und Teilhabe – Partizipations- und Integrationsgesetz (PartIntG), der am 21. Juni 2015 vom Ministerrat beschlossen und danach zur Anhörung freigegeben wurde, sind:

1. Das Gesetz definiert die Ziele und Aufgaben des Landes hinsichtlich der interkulturellen Öffnung. Die Be-dürfnisse von Menschen mit Migrati-onshintergrund in besonders sensib-len Bereichen (Unterbringung, Jus-tizvollzug, Maßregelvollzug) müssen berücksichtigt werden.

2. Die Landesregierung stärkt die Inte-grationsstrukturen: Auf kommunaler Ebene stellt sie für kommunale Inte-grationsausschüsse und -räte sowie Integrationsbeauftragte gesetzliche Leitbilder dar. Auf Ebene des Landes wird ein Landesbeirat für Integration vorgesehen und die Zusammenarbeit mit dem Landesverband der kommu-nalen Migrantenvertretungen gere-gelt. Die Landesregierung wird ver-pflichtet, dem Landtag alle fünf Jahre über den Stand der Integration in Baden-Württemberg zu berichten.

3. Menschen mit Migrationshinter-grund sollen in Gremien, auf deren Besetzung das Land Einfluss nehmen kann, angemessen vertreten sein.

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läufigen Unterbringung auch mit Ertei-lung eines Aufnahmetitels oder 24 Mo-nate nach der Aufnahme durch die un-tere Aufnahmebehörde (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 FlüAG). Ist es den Asylbewer-bern nicht möglich, eigenständig eine Wohnung zu finden, sind die Städte und Gemeinden verpflichtet, die Asyl-bewerber unterzubringen.

Kommunale Betroffenheit

Soweit zur Rechtstheorie und den gesetzli-chen Rahmenvereinbarungen der Flücht-lingsunterbringung und -betreuung.

Denn in Ermangelung einer „eigenen“ Gemarkung liegt es auf der Hand, dass sowohl Land als auch Landkreise die in ihre Zuständigkeit fallenden Aufgaben nur in Städten und Gemeinden erfüllen können. Damit hat die Flüchtlingsver-sorgung und -betreuung bereits mit dem Ankunftstag der Menschen in Ba-den-Württemberg einen unmittelbaren kommunalen Bezug. Dies wird in viel-fältiger Weise – insbesondere bei nach-folgend genannten kommunalen Auf-gabenfeldern – deutlich:− Bauleitplanung,− Kinderbetreuung,− Schule,− Flüchtlingsbegleitung, − Integrations-/ Sozialarbeit,− Öffentliche Sicherheit,− Gemeinde als Lebenswelt der Bürger.

Die Kommunen sind damit der zentrale Anker in der Bewältigung dieser Auf-gaben. Umso wichtiger ist es, dass sie dabei auch als solcher von Bundes- und Landesebene anerkannt und unterstützt werden.

Aktuelle Situation erfordert ein Gesamtkonzept für Flüchtlinge

Aktuell sind die verfügbaren Kapazitä-ten in den LEAs in Karlsruhe, Meßstet-ten und Ellwangen hoffnungslos über-lastet. Es entstehen Zeltstädte und sons-tige Behelfsunterkünfte. Aufgrund die-ses Notstandes werden in großem Umfang asylbegehrende Menschen oh-ne Identitätsklärung, ohne gesundheit-liche Untersuchung und ohne Asyl-antragstellung in die Stadt- und Land-

Aktuelle Situation der Flüchtlingshilfe in Baden-Württemberg

Die Krisen im Nahen und Mittleren Os-ten und die Bürgerkriege im Norden Afrikas aber auch wirtschaftliche Be-weggründe führen weltweit zu einem erheblichen Anstieg der Zahl an Men-schen auf der Flucht. Auch in Deutsch-land hat sich die Zahl der ankommen-den Flüchtlinge und Asylbewerber gra-vierend erhöht. Für das Jahr 2015 muss nach der aktualisierten Prognose (Stand August 2015) des Bundesamtes für Mig-ration und Flüchtlinge (BAMF) von 800.000 Menschen ausgegangen wer-den, die asylsuchend in die Bundesrepu-blik kommen. Nach einem auf Bundes-ebene festgelegten Verteilungsschlüssel werden von diesen Menschen 12,97 Prozent auf Baden-Württemberg ver-teilt. Ging man Anfang des Jahres von etwa 52.000 Flüchtlingen aus, die 2015 im Südwesten ankommen, bewegt sich die aktuelle Erwartung bei rund 100.000 Menschen. Damit ist eine Dimension erreicht, deren Unterbringung, Beglei-tung und Versorgung alle Beteiligten vor außerordentliche Herausforderun-gen stellen wird.

Städte und Gemeinden stehen zu ihrer humanitären Verantwortung

Es ist den Städten und Gemeinden ein großes Anliegen, in einem gemeinsa-men Schulterschluss mit allen sonstigen Akteuren diese humanitäre Aufgabe im Sinne der bei uns ankommenden hilfe-bedürftigen Menschen zu bewältigen.

Um dies zu gewährleisten, werden auf kommunaler Ebene größte Anstrengun-gen unternommen. Nur auf diese Weise konnte es gelingen, in der breiten Mitte der Gesellschaft eine bemerkenswert positive und hilfsbereite Grundstim-mung zu schaffen und bisher auch zu erhalten.

Nicht zuletzt können wir daher zum heutigen Tage feststellen, dass es in Ba-den-Württemberg trotz zwischenzeit-lich zu überwindender Hürden mit gro-ßem Erfolg gelungen ist, die 26.000 Menschen, die im Jahr 2014 hilfe-

suchend bei uns angekommenen sind, gut unterzubringen und zu versorgen. Die Städte und Gemeinden haben maß-geblich dazu beigetragen, diesen Zu-strom von auf der Flucht befindlichen Menschen auf dem Niveau eines Zehn-jahreshochs zu bewältigen.

Dieser Erfolg darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass der weiter stei-gende Flüchtlingszustrom alle gesell-schaftlichen Akteure in Zukunft noch in viel größerem Maße fordern wird, als dies im Jahr 2014 der Fall war. Daher müssen auch die Fluchtursachen ver-stärkt in den Blick genommen und durch gezielte Unterstützung der (insbe-sondere sicheren) Herkunftsländer der Flüchtlinge behoben werden.

Die Arten der Unterbringung

Die Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen gliedert sich in drei verschiedene Phasen:

1. LandeserstaufnahmeIn dieser werden die ankommenden Menschen nach dem so genannten Kö-nigsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt, in denen sie in die Landeserstauf-nahmestellen (LEA) aufgenommen wer-den. In Baden-Württemberg gibt es sol-che Erstaufnahmestellen aktuell in Karls-ruhe, Meßstetten und Ellwangen.

2. Vorläufige UnterbringungAus den Erstaufnahmestellen werden die Asylbewerber und Asylfolgeantrag-steller dann nach einem an der Ein-wohnerzahl orientierten Schlüssel auf die Stadt- und Landkreise zur vorläufi-gen Unterbringung zugewiesen (§ 1 DVO FlüAG). Die Kreise haben die Asylbewerber in Gemeinschaftsunter-künften bzw. in Wohnungen unterzu-bringen (§ 8 FlüAG). Die Unterkünfte hat der Landkreis zu errichten, zu ver-walten und zu betreiben.

3. AnschlussunterbringungDie Asylbewerber und Asylfolgeantrag-steller verlassen die vorläufige Unter-bringung mit Unanfechtbarkeit der Ent-scheidung über den Asylantrag oder den Folgeantrag (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 FlüAG). Zudem endet der Aufenthalt in der vor-

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kreise verlegt. Dadurch fehlen den Flüchtlingen nicht nur die für sämtliche Behördengänge notwendigen Papiere (Aufenthaltsgestattung), es kann zudem auch kein Eintrag in das Ausländerzen-tralregister erfolgen. Dies bringt die Si-cherheitsbehörden wie auch die Kom-munen unverschuldet unter einen im-mensen Handlungsdruck. Die gegen-wärtige Situation, gründend auf den beschriebenen unkoordinierten Abläu-fen der Asylverfahren, wird angesichts des weiteren Anstieges der Flüchtlings-zahlen alle Beteiligten in absehbarer Zeit überfordern.

Es wird daher von entscheidender Be-deutung sein, dass die von staatlicher Seite bereits ergriffenen und noch zu ergreifenden Maßnahmen zielgerichte-ter aufeinander abgestimmt werden. Es braucht ein Gesamtkonzept für Baden-Württemberg und es braucht eine zen-trale Verantwortlichkeit auf Landes-ebene. Es muss sichergestellt werden, dass die ergriffenen Einzelmaßnahmen ineinandergreifen.

Gesamtkonzept

Ein solches Gesamtkonzept muss folgende Maßnahmen enthalten:

1. Beschleunigung der Verfahren

Asylverfahren müssen innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden und die asylbegehrenden Menschen wäh-rend dieser Zeit in den Landeserstauf-nahmeeinrichtungen verbleiben. Nach der Statistik des Bundesinnenministeri-ums lag die durchschnittliche Anerken-nungsquote bei den Asylanträgen bei etwas über 35 Prozent. Hinzu kommen 1,4 Prozent der Asylbewerber, bei denen sonstige Schutzgründe anerkannt wur-den. Rund 38 Prozent wurden abge-lehnt, gut 25 Prozent anderweitig er-ledigt (z.B. Antragsrücknahme, Dublin-Verfahren).

Diese Quoten und die neue BAMF-Prog-nose von 800.000 Flüchtlingen im Jahr 2015 unterstellt, würden damit – sollte tatsächlich nur eine Weiterverteilung der Personen mit Bleiberecht auf die Kommunen erfolgen – rund 37 Prozent

und damit knapp 300.000 Asylbewerber in der vorläufigen Unterbringung an-kommen. Herunter gerechnet auf Ba-den-Württemberg wären dies rund 39.000 Menschen. Aktuell werden je-doch nahezu 100 Prozent der ankom-menden Flüchtlinge auf die Kommunen weiterverteilt.

Bund und Länder müssen gewährleis-ten, dass nur die Menschen an die Stadt- und Landkreise weiterverteilt werden, die ein Anrecht auf Asyl in Deutschland haben. Sowohl unter hu-manitären als auch unter gesellschaft-lichen Gesichtspunkten ist dies eine unabdingbare Notwendigkeit, die von staatlicher Seite sicherzustellen ist. Ge-rade auch die vielen ehrenamtlichen Helferkreise vor Ort würden dadurch eine dringend benötigte Entlastung er-fahren. Für die Zeit bis zur Erreichung

dieses Zieles muss es zudem eine kurz-fristige und zielgerichtete Nachbearbei-tung der Asylanträge der bereits in die vorläufige Unterbringung verlegten Menschen geben.

Hierzu sind insbesondere folgende Maßnahmen konkret zu ergreifen:• Kurzfristige ErhöhungderMitarbei-

terzahl beim Bundesamt für Migrati-on und Flüchtlinge (BAMF). Es müs-sen auch Abordnungen im Wege der Amtshilfe erwogen werden.

• Vereinfachung/Pragmatisierung derAsyl-Verfahrensabläufe.

• KonsequenteRückführungvonPer-sonen mit unbegründetem Antrag. Hierzu muss auch das Personal an den Verwaltungsgerichten weiter aufgestockt werden.

• Verhinderung von Missbrauch desdeutschen Asylrechts. Bei Bedarf

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Sprachkurs scheitern. Zudem müssen Wege zum Arbeitsmarkt eröffnet wer-den, die es zulassen, die Interessenlage bereitwilliger Arbeitgeber zu berück-sichtigen. Die Verkürzung des Arbeits-verbots auf drei Monate war hierzu eine richtige und wichtige Weichenstellung.

Aber es sind weitere Maßnahmen erfor-derlich: • ZielgerichteteErfassungvonQualifi-

kationen und Fähigkeiten der Flücht-linge in der Erstaufnahme.

• Ausweitung der Integrations- undSprachkurse auf Menschen mit guter Bleiberechtsperspektive und Gedul-dete.

• Schneller und einfacherer Zugangzum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Gerade Praktika können hier eine wichtige Einstiegsfunktion überneh-men.

• GezielteAusbildungsprogrammefürSparten mit Fachkräftemangel.

4. Sicherstellung der Finanzierung

Durch eine angemessene Flüchtlings-versorgung und -betreuung dürfen kei-ne zusätzlichen Belastungen für kom-munale Haushalte entstehen. Die noch immer vorherrschende positive Stim-mung droht ansonsten sehr schnell zu kippen, wenn die Kommunen geplante Maßnahmen zum Beispiel für Kinder-gärten, Schulen oder Vereine aufgrund der notwendigen Flüchtlingsfinanzie-rung zurückstellen oder ganz absetzen müssen. Sowohl die Bundes- wie auch die Landesregierung stehen in der Ver-antwortung, diese große Aufgabe nicht am Geld scheitern zu lassen.

Hierzu sind folgende Maßnahmen sicherzustellen:• Bereitstellung eines Sonderhaus-

haltstopfes auf Bundes-/Länderebene in zweistelliger Milliardenhöhe zur Finanzierung der kommunalen Auf-wendungen in der Flüchtlingsarbeit.

• Abwicklung der Gesundheitskostenfür bleibeberechtigte Asylbewerber über eine Gesundheitskarte. Den Ausgleich der Kosten gegenüber den Krankenkassen übernimmt der Bund direkt; es bedarf keiner Beteiligung der kommunalen Ebene.

müssen auch notwendige Rechtsän-derungen vorgenommen werden.

• Ausweitung der Kapazitäten in derLandeserstaufnahme auf das zur Zielerreichung notwendige Maß.

• Keine Weiterverteilung der asylbe-gehrenden Menschen ohne gesund-heitliche Untersuchung und not-wendige Impfungen.

• PrüfungeinernochmaligenErweite-rung der sicheren Drittstaaten und ggf. Einführung einer Visumspflicht für Balkanstaaten.

• Streichung/KürzungdesTaschengel-des für Asylbegehrende aus den si-cheren Herkunftsstaaten.

2. Unterstützung der Kommunen

Auch mit einer solchen Beschleuni-gung der Verfahren wird sich die Zahl der Menschen, die in den Kreisen und Gemeinden ankommen werden, auf absehbare Zeit noch deutlich erhöhen. Allein die Frage nach einer menschen-würdigen Unterbringung stellt die kommunalpolitischen Akteure bereits vor eine außerordentliche Aufgabe. Im-mense Investitionsmittel, die in der mittelfristigen Planung der kommuna-len Haushalte in aller Regel noch gar nicht vorgesehen waren, müssen auf-gewandt werden. Zugleich bedarf es einer sensiblen Einbindung der Bürge-rinnen und Bürger, um den sozialen Frieden vor Ort nicht zu gefährden. Doch selbst wenn die Kommunen da-mit bereits eine Herkulesaufgabe zu be-wältigen haben, so ist das allenfalls der erste Schritt hin zu einer erfolgreichen Integration der anerkannten Asylbe-werber. Denn letztlich kann Integrati-on nur gelingen, wenn die in den Städ-ten und Gemeinden ankommenden Menschen frühzeitig am gesellschaft-lichen und wirtschaftlichen Leben vor Ort teilnehmen.

Ein hohes Maß an öffentlicher Unter-stützung muss daher auf eine zielgerich-tete Hilfe zur Selbsthilfe ausgerichtet werden. Die Beteiligung der ehrenamt-lichen Kräfte vor Ort entfaltet dabei ei-ne zusätzliche Integrationswirkung, doch auch diese muss gut organisiert und begleitet sein. Maßgeblich für die ersten Wochen wird daher neben einer

ehrenamtlichen Unterstützung auch die professionelle soziale Begleitung der Asylbewerber sein. Hierzu könnte ein neues Berufsbild „Flüchtlingsmanager“ etabliert werden.

Folgende Maßnahmen sind daher zu er-greifen:• DauerhafteErhöhungdesLandesför-

derprogramms „Wohnraum für Flüchtlinge“ analog zur Entwicklung der Flüchtlingszahlen.

• Punktuelle Entbindung von bau-lichen Standards (Barrierefreiheit, Mindestfläche, Dachbegrünung u.Ä.).

• Keine Ausweitung der Bürgerent-scheide auf die Bauleitplanung. Der verfügte Erlass zur Nutzungsände-rung wird hier nicht ausreichen.

• Kostendeckende Erstattung der lau-fenden Kosten der Unterbringung (Mieten, Nebenkosten).

• KostendeckendeLandeserstattungenan die Stadt- und Landkreise.

• Staatliche Finanzierung der Flücht-lingssozialarbeit in der Anschlussun-terbringung.

• ZielgenauereAusrichtungdervielfäl-tigen Förderprogramme für ehren-amtliche Flüchtlingshilfe. Die Städte und Gemeinden müssen Adressat der Förderprogramme sein.

• Etablierung eines Berufsbildes„Flüchtlingsmanager“.

3. Sprachförderung und Arbeitsmarktzugang

Schlüssel für eine erfolgreiche Integrati-on sind neben der Schaffung einer ange-messenen Unterbringung auch das Er-lernen der deutschen Sprache, der früh-zeitige Zugang zum Arbeitsmarkt und die Vermittlung der in Deutschland vorherrschenden Werte. Die Schaffung des notwendigen Wohnraums kann, unterstützt durch staatliche Finanzie-rung, in kommunaler Hoheit vorange-trieben werden.

Die Rahmenbedingungen für den Sprach erwerb wie auch für den Zugang zum Arbeitsmarkt sind aber auf Landes- bzw. Bundesebene zu regeln. So braucht es einen möglichst niederschwelligen Zugang zu Sprachkursen; die Integrati-on darf nicht an der Zulassung zum

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Flüchtlingsgipfel

Durch die starke Zunahme der Zahl der Flüchtlinge in den letzten Monaten sind die Herausforderungen seit dem ersten Flüchtlingsgipfel im Herbst ver-gangenen Jahres nochmals in einem dramatischen Maße größer geworden. Die Landesregierung hat angesichts der zunehmenden Wortmeldungen, auch des Gemeindetags Baden-Württemberg, darüber, dass ein Kippen der Stimmung drohe, am 27. Juli 2015 zu einem zwei-ten Flüchtlingsgipfel eingeladen.

Als Ergebnis wurde seitens des Landes die Umsetzung eines Maßnahmenbün-dels verkündet. Darin wurden zwar eini-ge der oben genannten Forderungen des Gemeindetags von der Landesregierung aufgegriffen, andere hingegen fanden keine Erwähnung. Aus Sicht des Ge-meindetags sind vor allem der Ausbau der Kapazitäten der Landeserstaufnah-meeinrichtungen sowie die Einrichtung einer Lenkungsgruppe für Flüchtlings-fragen mit Vertretern der Ministerien sowie der kommunalen Landesverbän-de ausdrücklich zu begrüßen.

Allerdings blieben beim 2. Flüchtlings-gipfel auch zahlreiche Fragen aus kom-munaler Sicht offen. Zwar stellt das Land für das Landesförderprogramm „Wohnraum für Flüchtlinge“ im Jahr 2016 erneut 30 Mio. Euro zur Verfü-gung. Sowohl die stark gestiegenen Zu-gangszahlen an Flüchtlingen als auch die Tatsache, dass die dieses Jahr zur Verfügung stehenden 30 Mio. Euro be-reits zur Jahresmitte ausgeschöpft gewe-sen sind, lassen den Schluss zu, dass die zusätzlichen Mittel für 2016 keinesfalls ausreichen werden. Ebenso hat das Land keine weiteren Unterstützungs-leistungen an die Städte und Gemein-den für die Anschlussunterbringung zugesagt. Gerade im Bereich der Flücht-lingssozialarbeit als auch der ehrenamt-lichen Flüchtlingshilfe konnten keine Fortschritte erzielt werden. Hier wird der Gemeindetag Baden-Württemberg gegenüber der Landesregierung weiter-hin mit Nachdruck darauf drängen, dass die Städte und Gemeinden bei der Inte-gration der Flüchtlinge vor Ort ebenfalls verstärkt finanziell entlastet werden.

Erste Sitzungen der Lenkungsgruppe ha-ben bereits stattgefunden. Weitere Sit-zungen werden innerhalb von kurzen Zeitabständen folgen, um auf aktuelle Herausforderungen und Problemstel-lungen gemeinsam schneller reagieren zu können als bisher. Dennoch muss das Land die Flüchtlingshilfe noch in deutlich stärkerem Maße ganzheitlich und vom gewünschten Ergebnis her denken. Wie kann es gelingen, die Wei-terverteilung auf die Stadt- und Land-kreise auf die Flüchtlinge zu begrenzen, die mit einem Anrecht auf Asyl nach Baden-Württemberg kommen? Und welche Rahmenbedingungen braucht es, dass diese Menschen dann tatsäch-lich nach wenigen Jahren zu einem ak-tiven Bestandteil unserer Gesellschaft und Volkswirtschaft werden können. Der Gemeindetag wird im Rahmen der Lenkungsgruppe die Beantwortung ge-nau dieser Fragestellungen forcieren. Denn wenn seitens des Landes darauf keine schlüssigen Antworten gefunden werden, dann droht in den Städten und Gemeinden ein Stimmungswandel. Mit dieser dringenden Bitte hat sich der Ge-meindetag auch Ende August 2015 in einem Brief an den Bundesinnenminis-ter und auch an den Ministerpräsiden-ten Baden-Württembergs gewandt.

Unterbringung von Obdachlosen und Flüchtlingen in kommunalen Unterkünften

Aufgrund der hohen Zahl an Flüchtlin-gen, die im Rahmen der Anschlussun-terbringung auf kommunaler Ebene untergebracht werden müssen, kommt den damit einhergehenden organisati-onsrechtlichen, polizeirechtlichen und gebührenrechtlichen Problemen zu-nehmend Bedeutung zu. Da die Unter-bringung auf der (polizeirecht lichen) Grundlage des Obdachlosenrechts er-folgt, kommt den satzungs- und gebüh-renrechtlichen Grundlagen der Unter-künfte wieder besondere Bedeutung zu.

Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat deshalb das letztmals im Jahr 1998 veröffentlichte Muster für eine Satzung über die Benutzung von Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkünften überar-beitet und aktualisiert. Darüber hinaus wurde zur Kalkulation der Benutzungs-gebühren ein Kalkulationsbeispiel mit Erläuterungen erarbeitet. Diese Unter-lagen wurden zusammen mit einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen zu steuerrechtlichen Billig-keitsmaßnahmen bei vorübergehender Unterbringung von Bürgerkriegsflücht-lingen und Asylbewerbern in Gt-INFO 19/2015 veröffentlicht.

Nach wie vor unbefriedigend bei der Un-terbringung ist die Kostensituation. Weil nach der Rechtsprechung die festgesetz-ten Gebührensätze für die Unterkunft nicht wesentlich über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen, ist nicht auszuschließen, dass die Kommunen die ihnen entstehenden Kosten nicht in vol-lem Umfang weitergeben können.

Auch sonstige Leistungsträger wie Landratsämter bzw. die Arbeitsagentur orientieren sich an „angemessenen Un-terkunftskosten“, die in Anlehnung an die ortsüblichen Vergleichsmieten defi-niert werden. Kommen auf die Kom-munen vor dem Hintergrund des im-mer knapper werdenden Wohnungsan-gebots deutlich höhere Anmietungs-kosten zu, müssen sie damit rechnen, auf einem Teil der Kosten „sitzen zu bleiben“.Fo

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ECHT GUT – Ehrenamtspreis des LandesDie Landesregierung dankt Engagierten für ihre Arbeit. Gleichzeitig soll diese Anerkennung andere Menschen moti-vieren und auffordern, sich ebenfalls zu engagieren.

Die Landesregierung vergibt mit Unter-stützung der EnBW Energie Baden-Württemberg AG und den Sparkassen im Land den Ehrenamtspreis ECHT GUT! Die Gewinner erhalten Preisgelder von bis zu 4.000 Euro für sich und ihre Projekte. Der gesamte Wettbewerb steht unter der Schirmherrschaft von Minis-terpräsident Winfried Kretschmann und wird von prominenten Paten un-terstützt.

Förderprogramme der Allianz für BeteiligungDie Allianz für Beteiligung bietet drei Projektförderprogramme, mit denen Kommunen ihr Projekt im Bereich Ju-gendbeteiligung oder Beteiligung von Personen aus anderen Kulturen in der Gemeinde mit bis zu 6.000 Euro för-dern lassen können. Darüber hinaus gibt es ein Förderprogramm für Kom-

Bürgerschaftliches Engagement

Seit jeher engagieren sich Bürgerinnen und Bürger gemeinnützig in ihren Ge-meinden. Die verschiedensten kommu-nalpolitisch relevanten Themen füllen ehrenamtliche Helfer mit Leben. Die Bedeutung des Bürgerschaftlichen En-gagements für das Miteinander und den Zusammenhalt vor Ort spielen im All-tag eine zentrale Rolle und sind auch Grundlage für eine funktionierende Bürgerbeteiligung. Auch politisch rück-te die Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements in den vergangenen Jah-ren immer stärker in den Fokus.

Um die Städte und Gemeinden im Pro-zess des Bürgerschaftlichen Engage-ments vor Ort individuell beraten und unterstützen zu können, wurde vom Gemeindetag Baden-Württemberg am 6. September 2001 unter Mitwirkung und Förderung des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren das Gemeindenetzwerk Bürger-schaftliches Engagement gegründet.

Eine Mitgliedschaft im Gemeindenetz-werk BE steht allen Mitgliedern des Gemeindetags offen. Ziel des Gemein-denetzwerks BE ist es, die Netzwerk-mitglieder durch fachliche Beratung bei der Verankerung des Bürgerschaft-lichem Engagements innerhalb der kommu nalen Politik zu unterstützen und neue Impulse für bürgerschaftlich engagierte Projekte auf kommunaler Ebene zu geben.

In Abstimmung mit dem Gemeindetag Baden-Württemberg und dem Sozialmi-nisterium Baden-Württemberg finden regelmäßig Fachveranstaltungen und Informationsgespräche zu aktuellen Themen rund um das Bürgerschaftliche Engagement und die Beteiligung der Bürger statt. Zusätzlich erhalten die Netzwerkmitglieder fachliche Beratung zu ihrem örtlichen Entwicklungsprozess und den Fördermöglichkeiten.

Das Gemeindenetzwerk BE ist Teil des Landesnetzwerks Bürgerschaftliches En-gagement und entwickelt sich kontinu-ierlich weiter. Mittlerweile sind es über 165 Städte und Gemeinden, die ihre

Mitgliedschaft erklärt haben und aktive Netzwerkpartner geworden sind. Der gemeinsame Erfahrungsaustausch in-nerhalb des Netzwerks ist für die Netz-werkmitglieder ein wichtiger Informati-onsgewinn.

Das Gemeindenetzwerk BE berät die Ge-meinden bei der Antragstellung und Umsetzung von Projekten zum bürger-schaftlichen Engagement.

Derzeit laufen folgendeFörderprogramme:

Kommunale EntwicklungsbausteineFörderung Bürgerschaftlichen Engage-ments in Städten und Gemeinden Ba-den-Württembergs mit bis zu 1500 Euro zur Entwicklung Bürgerschaftlichen Engagements in der Gemeinde.

„MITTENDRIN – Willkommen im Engagement“Das Programm ermöglicht die Qualifi-zierung von Freiwilligen und deren an-leitenden Fachkräfte, Anerkennung, schriftliche Bescheinigung des Einsatzes und finanzielle Unterstützung zur Rea-lisierung neuer Ideen.

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munen im ländlichen Raum, das zivil-gesellschaftliche Organisationen für ihre Bürgerbeteiligungsprojekte nut-zen können.

Engagement Strategie

In Forschungs- und Entwicklungsteams haben Experten und Expertinnen, En-gagierte und Betroffene Empfehlungen zur Weiterentwicklung des bürger-schaftlichen Engagements und des Eh-renamts entwickelt. Die so entstandene „Engagementstrategie Baden-Württem-berg“ beinhaltet eine Vielzahl von Maß-nahmen zur Förderung des bürger-schaftlichen Engagements unter ande-rem in den Bereichen− Menschen mit Behinderung,− Menschen mit Migrations-

hintergrund,− Alter,− Pflege,− Jugend und Freiwilligendienste,− Corporate Social Responsibility

(Unternehmerisches gesellschaft-liches Engagement).

Im Rahmen der Umsetzung der Engage-mentstrategie wurden zu besonders wichtig erscheinenden Handlungsfel-dern Empfehlungen erarbeitet, die sich an verschiedene Adressaten richten. Die-se werden aus kommunaler Sicht zu prü-fen sein. Die Landesregierung wird einen Teil der an sie gerichteten Handlungs-empfehlungen unmittelbar umsetzen. Ein weiterer Teil der Empfehlungen soll in Entwicklungsprojekten modellhaft er-probt werden. Teil der Engagementstra-tegie ist auch das Förderprojekt „Ge-meinsam sind wir bunt“.

„Gemeinsam sind wir bunt“:Lebensräume zu Engagement­Räumen entwickelnZiel des Programms „Gemeinsam sind wir bunt“ ist, dass aus unterschiedli-chen Lebens- und Begegnungsräumen Bewerbungen eingehen, die zum Ziel haben, die Vielfalt der in ihnen leben-den Menschen für ein engagiertes Mit-einander und Füreinander zu nutzen. Sie entwickeln und fördern so ihren Le-bens- und Begegnungsraum und schaf-fen in ihm eine ganz besondere, sozial wirksame Gemeinschaft.

Gemeinsam in Vielfalt – Lokale Bündnisse für FlüchtlingshilfeFörderprogramm zur Unterstützung des Bürgerschaftlichen Engagement für und mit Flüchtlingen. Fördergegen-stand sind lokale Bündnisse für Flücht-lingshilfe, die dem Engagement von Flüchtlingen, der Gewinnung und der Koordinierung des Engagements für Flüchtlinge und insbesondere dem Zu-sammenwirken und der Vernetzung der im Sozialraum agierenden Akteure dienen. Netzwerke sollen auf- und aus-gebaut werden. Die geförderten Projek-te können eine fachliche Begleitung durch die bei den kommunalen Lan-

desverbänden angesiedelten Fachbera-tungen der kommunalen Netzwerke sowie Zuwendungen in Höhe von bis zu 15.000 Euro erhalten. In einem zweiten Schwerpunkt sind Qualifizie-rungsmaßnahmen für Engagierte vor Ort geplant. Fortführung des Pro-gramms ist nicht ausgeschlossen.

Die angeführten Angebote sind nicht abschließend, auf der Homepage des Gemeindetags Baden-Württemberg ste-hen weitere Informationen.

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920 Gemeindetag Baden-Württemberg

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sche Oberleitung (§ 27 Absatz 4) oblie-genden Befugnisse, Überlandhilfe anzu-fordern und über Ersuchen um Über-landhilfe zu entscheiden, können nach § 53 Absatz 1 der Gemeindeordnung nur auf Gemeindebedienstete übertra-gen werden; dies sind ehrenamtlich tätige Feuerwehrangehörige nicht. Wenn es die Schadensbekämpfung er-fordert und die Entscheidung des Bür-germeisters oder eines von ihm beauf-tragten Gemeindebediensteten nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, muss auch der ehrenamtlich tätige Technische Einsatzleiter der Feuerwehr unverzüglich selbst Überlandhilfe an-fordern können. Dies sieht der neue § 26 Absatz 1 Satz 3 FwG vor.

Vereinbarungen zwischen Gemeinden und die Festlegung von Einsatzgebieten für die Überlandhilfe durch die Auf-sichtsbehörde nach § 22 Absatz 6 Satz 2 können vorsehen, dass Gemeindefeuer-wehren regelmäßig im Wege der Über-landhilfe tätig werden. Dies ist häufig auf Bundesautobahnen der Fall, wenn anstelle der örtlich zuständigen Ge-meinde, deren Feuerwehr keine direkte Zufahrt hat, regelmäßig die Feuerwehr tätig wird, die eine günstigere Zufahrts-möglichkeit hat und damit schneller Hilfe leisten kann. Die Hilfe leistende Gemeinde soll künftig den Kostenersatz nach § 34 FwG direkt beim Kostener-satzpflichtigen geltend machen und bei Bedarf ihren Anspruch selbst durchset-zen können. Dadurch wird die örtlich zuständige Gemeinde entlastet, deren Feuerwehr vielfach am Einsatz nicht be-teiligt war und die nach der geltenden Rechtslage in diesem Fall allein bei der Abwicklung des Kostenersatzes tätig werden muss. Dies ergibt sich aus dem neuen § 26 Absatz 2 Satz 2 FwG.

Außerhalb des Anhörungsentwurfs bit-tet das Innenministerium auch zum Vorschlag des Landesfeuerwehrverban-des Baden-Württemberg, § 16 Abs. 2 Feuerwehrgesetz neu zu fassen, um Stel-lungnahme.

Die dort vorgesehene „Ermächtigung“ für Gemeinden, den Angehörigen der Gemeindefeuerwehr finanzielle Unter-stützung zu gewähren, ändert an der

Änderung des Feuerwehrgesetzes (FwG)

Das Land Baden-Württemberg plant noch in dieser Legislaturperiode – vor-aussichtlich noch in diesem Kalender-jahr – das Feuerwehrgesetz Baden-Würt-temberg zu ändern. Wie weit das Vorha-ben gediegen ist und welche Reformen im Einzelnen vollzogen werden sollen, wird im Folgenden dargelegt.

Der Kostenersatz für die Einsätze der Gemeindefeuerwehr nach § 34 FwG stellte seit geraumer Zeit ein großes Problem dar.

Seit Einführung der so genannten Handwerkerlösung in § 34 Absatz 5 Satz 1 FwG für Feuerwehrfahrzeuge und -ge-räte war es der überwiegenden Mehrheit der Kommunen im Land nicht möglich, angemessene Kostenersätze zu erheben. Dies ist maßgeblich darin begründet, dass die neu kalkulierten Stundensätze im Vergleich zu dem nach früherem Recht festgesetzten Kostenersätzen dras-tisch reduziert werden mussten.

Die Schwierigkeit auf kommunaler Ebe-ne ergab sich daraus, dass sich die Kos-tenkalkulation als sehr kompliziert und aufwendig erwies. Dies folgte aus der Tatsache, dass weder die Bemessung der Kostenersätze nach Jahresstunden noch die nach (örtlich auch noch sehr unter-schiedlichen) Einsatzstunden zu einem vertretbaren Ergebnis führte.

Aufgrund dieser unbefriedigenden Lage hat sich eine Arbeitsgruppe auf maßgeb-liche Initiative und unter Beteiligung von Vertretern des Gemeindetags und des Städtetags mit Vertretern des Innen-ministeriums sowie des Feuerwehrver-bands die Lösung dieser Problematik zum Ziel gemacht.

Der Landesvorstand hat zur geplanten Änderung des Feuerwehrgesetzes in der Sitzung vom 22.04.2015 folgenden Be-schluss gefasst: Der Landesvorstand nimmt die vorgesehenen Änderungen des Feuerwehrgesetzes Baden-Württem-berg zur Kenntnis und begrüßt aus-drücklich die geplante Änderung des § 34 Absatz 6 FwG, wonach die Hand-

werkerlösung durch landeseinheitliche Pauschalsätze ersetzt werden soll.

Mit Schreiben vom 24.06.2015 hat das Innenministerium die Änderung des Feuerwehrgesetzes zur Anhörung freige-geben. Folgende Neuregelungen sind da-bei vorgesehen, auf die in der gemeinsa-men Stellungnahme des Gemeindetags und des Städtetags Bezug genommen wurde. Darüber wurde mit Gt-INFO Nr. 753/2015 in der Druckausgabe vom 07.09.2015 berichtet.

Stundensätze

Der neu vorgesehene § 34 Absatz 5 FwG soll zu Stundensätzen führen, die den Leistungen der Feuerwehr angemessen sind.

In dem neuen § 34 Absatz 6 FwG ist die Ermächtigung des Innenministeriums enthalten, nach Maßgabe des Absatzes 5 Stundensätze für Feuerwehrfahrzeu-ge durch Rechtsverordnung festzuset-zen. Dies ist besonders hervorzuheben, da damit einem besonderen Anliegen der im Vorfeld gegründeten Arbeits-gruppe Rechnung getragen wurde. Auch wenn die Berechnungsmethode nach § 34 Absatz 5 FwG deutlich ver-einfacht wurde, wird an der Forderung einer landeseinheitlichen Lösung fest-gehalten. Weiterhin wurde darauf hin-gewiesen, dass möglichst noch im Herbst eine entsprechende Rechtsver-ordnung mit landeseinheitlichen Pau-schalsätzen für alle gängigen Feuer-wehrfahrzeuge zu erlassen ist.

Neben den Änderungen bezüglich des § 34 FwG werden auch Möglichkeiten eröffnet, zusätzliche Feuerwehrleute aufzunehmen, die dann den so genann-ten eingeschränkten Dienst leisten. Zu-dem soll die bereits bestehende Mög-lichkeit der Aufnahme von Fachbera-tern um einen Personenkreis erweitert werden, der in der Freiwilligen Feuer-wehr nur einen bestimmten Teil des Dienstes leisten kann/will. Ziel ist es, damit eine gewisse Art von Flexibilität zu ermöglichen.

Die dem Bürgermeister im Rahmen sei-ner Zuständigkeit für die organisatori-

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Rechtslage nichts und hat lediglich de-klatorische Bedeutung. Bereits heute können die Gemeinden ihre Feuerwehr-angehörigen unterstützen, sofern sie dabei den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 des Grundgesetzes und den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachten.

Mit Schreiben vom 24.07.2015 hat uns überdies das Innenministerium in Be-zug auf die vereinfachte Festlegung von Personalkosten bei Einsätzen der Feuer-wehr, die nach der Novelle nicht über die Gebührenverordnung des Landes abrechenbar wären, zu einer Stellung-nahme aufgefordert.

Bei den Hauptamtlichen Feuerwehren hat das Ministerium zwei Vorschläge unterbreitet. Zu beiden Vorschlägen ist festzustellen, dass die Gehälter der Hauptamtlichen Feuerwehrangehöri-gen aufgrund ihrer konkreten Einsatz-zeiten nicht völlig deckungsgleich sind mit den Endgrundgehältern der ande-ren Bediensteten des öffentlichen Dienstes. Aus diesem Grunde ist die Be-rücksichtigung des auch vom Innenmi-nisterium vorgeschlagenen pauschalen Zuschlages sowohl beim Modell A (jähr-liche Personalkosten auf der Basis der monatlichen Endgrundgehälter) als auch beim Modell B, das das Innenmi-nisterium alternativ unter Bezugnahme auf den Rückgriff auf allgemein aner-kannte Berechnungen vorschlägt, erfor-derlich.

Hinsichtlich der ehrenamtlich tätigen Einsatzkräfte besteht bei dem vorge-schlagenen Berechnungsmodell das Problem, dass örtlich höchst unter-schiedliche Konstellationen anzutreffen sind. Ziel sollte deshalb eine weitgehen-de Pauschalierung des Kostenersatzes sein. In das Gesetz sollte deshalb nach unserer Ansicht eine allgemeine Kalku-lationsformel aufgenommen werden und auf eine Verweisung auf § 16 FwG verzichtet werden:

„Die Stundensätze für ehrenamtlich tätige Einsatzkräfte setzen sich zusammen aus der für den Einsatzdienst gewährten Ent-schädigung für Verdienstausfall und einen Zuschlag für die Entschädigung der Aus-

lagen und sonstigen, den Feuerwehran-gehörigen entstehenden Kosten. Durch Satzung können Durchschnittswerte gebil-det werden.“

Der letzte Satz des Entwurfs sollte gestri-chen werden, da seine Umsetzung nicht praktikabel ist und zu Ungleichbehand-lungen bei den Ersatzpflichtigen führt.

Strategiepapier des Landesfeuerwehr­verbandes Baden­Württemberg „freiwillig.stark!“

Die Nachwuchsgewinnung innerhalb der Freiwilligen Feuerwehren stellt eine zunehmend anwachsende Problematik dar. Durch das Strategiepapier möchte der Landesfeuerwehrverband Baden-Württemberg die besondere Förderung des Ehrenamtes bei der Freiwilligen Feuerwehr unterstützen und so deren Zukunftssicherung gewährleisten. Der

Gemeindetag Baden-Württemberg un-terstützt ausdrücklich die oben ge-nannte Zielsetzung. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass nicht alle im Positionspapier genannten Maß-nahmen rechtlich und tatsächlich um-setzbar sein dürften.

Das Positionspapier enthält einige Maß-nahmen, die vorrangig die Gemeinden in die Pflicht nehmen und deren Um-setzung in der geforderten Art und Wei-se nicht zu bewerkstelligen sein dürften. So ist die Fortschreibung der feuerwehr-spezifischen Satzungen nur dann als sinnvoll anzusehen, wenn wesentliche rechtliche Änderungen dies notwendig machen.

Mit Blick auf die Leistungsfähigkeit von insbesondere kleineren Gemeinden sind einige Forderungen unverhältnis-mäßig (Feuerwehrrente, Vergünstigung

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zungszeiten werden in der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf mit 2000 Jahresstunden definiert.

Statt zu einer angemessenen Einnah-meverbesserung hat die Neuregelung im Sinne der so genannte Handwerker-lösung in der Praxis überwiegend zu drastisch reduzierten Stundensätzen bei den Fahrzeugen und Geräten ge-führt, weil die Jahreseinsatzstunden viel zu hoch festgesetzt worden sind. Von kommunaler Seite wurde deshalb seit Jahren gefordert, § 34 Abs. 5 FwG so zu ändern, dass es den Kommunen ermöglicht wird, wieder angemessene Kostenersätze zu erheben.

Dieser Forderung wird nunmehr durch einen Gesetzentwurf zur Änderung des Feuerwehrgesetzes Rechnung getragen. In § 34 werden die Berechnungsgrund-lagen für die Stundensätze der Feuer-wehrfahrzeuge und Einsatzkräfte neu gefasst. Die Berechnungsmethode wird nicht nur deutlich vereinfacht, es wird auch sichergestellt, dass künftig wieder angemessene Stundensätze festgesetzt werden können. Außerdem trägt der Gesetzentwurf einem weiteren wesent-lichen Anliegen von Gemeindetag Baden-Württemberg und Städtetag Baden-Württemberg Rechnung, indem neu eine Ermächtigung an das Innen-ministerium in § 34 Abs. 6 FwG aufge-nommen wurde, künftig die Stunden-sätze für Feuerwehrfahrzeuge durch Rechtsverordnung (pauschal) festzu-setzen. Weil dadurch örtliche Kalkula-tionen überflüssig werden, trägt die Neuregelung auch wesentlich zu einer Verwaltungsvereinfachung im Feuer-wehrbereich bei.

Feuerwehrbeschaffungskartell: Eckpunkte des DStGB- Abschlussberichts

Bekanntlich hat das Bundeskartellamt Anfang 2011 das zulasten der Kommu-nen stattgefundene „Feuerwehrbeschaf-fungskartell“ mit den vier Unterneh-men Albert Ziegler, Rosenbauer, Iveco Magirus (jetzt Magirus GmbH) sowie Schlingmann aufgedeckt. In der Folge haben die kommunalen Spitzenverbän-

bei Bankdarlehen, Urlaubsgutscheine für Familie). Richtig ist zwar, dass sich die Verpflichtung der Gemeinde zur Aufstellung, Unterhaltung und Ausrüs-tung der Gemeindefeuerwehr an den den Feuerwehren obliegenden Aufga-ben und dem örtlichen Gefahrenpoten-zial orientiert. Schon diese Aufgabener-füllung bedeutet für die Städte und Ge-meinden eine erhebliche finanzielle Herausforderung.

Weiterhin muss beachtet werden, dass die Grenzen zwischen den Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr und haupt-beruflich tätigen Feuerwehrangehöri-gen nicht verwischt werden darf. Die Gemeinden müssen bei Maßnahmen zur Förderung des Ehrenamtes recht-liche Grenzen einhalten, wie zum Bei-spiel die Einhaltung des Gebotes der Gleichbehandlung nach Art. 3 GG. Die zusätzlichen Leistungen und Vergünsti-gungen dürfen den Charakter der Eh-renamtlichkeit nicht unterlaufen und das Ehrenamt als solches nicht in Frage stellen. Wesensmerkmal der Ehrenamt-lichkeit ist und bleibt die Unentgeltlich-keit. Dieser Grundsatz muss bei der Aus-gestaltung der einzelnen Maßnahmen Berücksichtigung finden.

Aufgrund dessen spricht sich der Ge-meindetag Baden-Württemberg für ei-nen Dialog zwischen den Gemeinden einerseits und dem Landesfeuerwehr-verband aus. Das soll die Möglichkeit schaffen, einen Konsens herbeizufüh-ren, um einen praktikablen Umgang mit den Forderungen aus dem Strategie-papier sowie einer guten Umsetzung gewährleisten zu können.

In der Präsidiumssitzung des Gemein-detags vom 25.02.2015 wurde bezüg-lich des Strategiepapiers folgender Be-schluss gefasst: Das Präsidium nimmt das Positionspapier des Landesfeuer-wehrverbandes Baden-Württemberg zur Kenntnis. Das Präsidium betont, dass aus seiner Sicht das Wesensmerk-mal der Ehrenamtlichkeit bei einer Feuerwehr zwingend erkennbar blei-ben muss. Der Bau- und Verkehrsaus-schuss wird beauftragt, sich vertieft mit den Überlegungen des Landesfeuer-wehrverbandes auseinanderzusetzen.

Gegebenenfalls wäre eine gemeinsame Arbeitsgruppe der kommunalen Lan-desverbände mit dem Landesfeuer-wehrverband geeignet, eine praxisge-rechte Empfehlung zu entwickeln.

Der Bau- und Verkehrsausschuss hat in seiner Sitzung am 04.03.2015 zum „Strategiepapier“ folgenden Beschluss gefasst: Der Bau- und Verkehrsaus-schuss nimmt das Positionspapier des Landesfeuerwehrverbandes Baden-Württemberg zur Kenntnis. Der Bau- und Verkehrsausschuss betont, dass aus seiner Sicht gewisse Forderungen als rechtlich bedenklich einzustufen sind und das Wesensmerkmal der Eh-renamtlichkeit bei einer Freiwilligen Feuerwehr zwingend sein muss. Der Bau- und Verkehrsausschuss spricht sich zur weitergehenden Behandlung der Thematik für die Gründung einer Arbeitsgruppe aus. Diese besteht aus Mitgliedern der kommunalen Landes-verbände sowie des Landesfeuerwehr-verbandes. Deren Ziel ist die Herausar-beitung einer praxisgerechten Emp-fehlung.

In einem Spitzengespräch zwischen Ver-tretern der kommunalen Landesverbän-de sowie dem Landesfeuerwehrverband Baden-Württemberg am 20.07.2015 wurde die oben genannte Linie bestä-tigt, indem eine Arbeitsgruppe mit ins-gesamt 15 Vertretern gebildet wurde. Das erste Arbeitstreffen soll noch im Herbst dieses Jahres stattfinden.

Kostenersatz Feuerwehr

Im Zusammenhang mit der Novellie-rung des Feuerwehrgesetzes im Jahr 2010 wurde auch der Kostenersatz für die Einsätze der Gemeindefeuerwehr von Grund auf neu geregelt. Dabei wurden die Kalkulationsgrundlagen weitgehend in Anlehnung an die Grundsätze des Benutzungsgebühren-rechts ausgestaltet, wobei § 34 Abs. 5 Satz 4 FwG bestimmt, dass bei den Feu-erwehrgeräten und -fahrzeugen die Vorhaltekosten auf der Grundlage der im gewerblichen Bereich üblichen Nut-zungszeiten berechnet werden können (sog. Handwerkerlösung). Diese Nut-

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de unter Federführung des Deutschen Städte- und Gemeindebunds mit den Kartellanten eine außergerichtliche Einigung über die Begleichung der durch das Preiskartell (01.01.2000 bis 23.06.2004) den Kommunen entstande-nen Schäden erzielt. Die Bündelung der Ersatzansprüche hat zeit- und kosten-intensive Einzelklagen von Kommunen mit ungewissem Ausgang verhindert. Die Abwicklung des Schadens aus dem Regulierungsfonds kommt jetzt sowohl beim „Löschfahrzeugkartell“ als auch beim „Drehleiterkartell“ zum Abschluss.

Die Eckpunkte der Schadensersatzregu-lierung sowie auch des Verfahrens über die vergaberechtliche „Selbstreinigung“ der Unternehmen sind nachfolgend zu-sammengefasst.

•Schadensersatz und Schadenausgleich

Löschfahrzeugkartell

Die drei Kartellanten (Rosenbauer, Ive-co, Schlingmann; Anmerkung: Die Fir-ma Ziegler hat sich wegen ihrer Insol-venz nicht beteiligt) haben als Teil ihrer erforderlichen „Selbstreinigung“ ein neutrales Gutachten zu den Fragen der Existenz und der Höhe des kartellbe-dingten Schadens finanziert. Dieses Gutachten wurde gemeinsam von den kommunalen Spitzenverbänden und den Kartellanten nach Durchführung eines Auswahlverfahrens bei der Firma Lademann & Associates (Hamburg) in Auftrag gegeben.

Auf Basis des ermittelten Kartellscha-dens im Zeitraum vom 01.01.2000 bis 23.06.2004 wurde ein Kompensations-vorschlag entwickelt. Dieser sah vor, dass die Kartellanten als Schadensaus-gleich bis zu 6.738.000 Euro in einen Fonds einzahlen. Aus diesem Fonds ha-ben die betroffenen Kommunen eine Entschädigung erhalten. Alle betroffe-nen Kommunen werden entschädigt und damit auch die Kommunen, die bei der insolventen Firma Ziegler ihre Fahr-zeuge beschafft haben. 1579 Kommu-nen haben Regulierungsanträge gestellt und es wurde die Kompensation für 2596 Löschfahrzeuge beantragt und in-

zwischen auch ausgezahlt. Die Entschä-digung pro Fahrzeug liegt, abhängig vom Fahrzeugtyp, zwischen 1.620 Euro und 2.200 Euro. Insgesamt wurden bis-her 4.327.200 Euro an Entschädigung gezahlt. Es wurde die Rücknahme aller anhängigen Gerichtsverfahren bei den teilnehmenden Kommunen erreicht.

Drehleiterkartell

Beim „Drehleiterkartell“ waren die Un-ternehmen Magirus und Metz (Rosen-bauer) beteiligt. Hier beträgt die Kom-pensation von 10.500 Euro bis zu 16.000 Euro pro Fahrzeug. Die Auszahlung an die Kommunen erfolgte Anfang Juli. Bis zum 30.06.2014 wurden von den Kom-munen 356 Anträge, die eine Kompen-sation für 436 Fahrzeuge beinhalten, gestellt. Insgesamt wurde ein Kompen-sationsbetrag von 5.451.500 Euro ge-nehmigt, der mit 3.400.000 Euro auf Metz und mit 2.051.500 Euro auf Magi-rus entfällt.

•ZertifizierungundMitwirkung der Kartellanten bei der Schadensaufklärung

Prüfung und Zertifizierung der vergaberechtlichen Zulässigkeit durch die „ZertBau“

Bereits die Vergabekammer Niedersach-sen hatte in zwei Entscheidungen vom 24. März 2011 und vom 14. Februar 2012 zum Feuerwehrbeschaffungskar-tell die Rechtsauffassung der kommuna-len Spitzenverbände nach einer umfas-senden Aufklärungspflicht der Unter-nehmen auch hinsichtlich des Schaden-sumfangs voll inhaltlich bestätigt. Im Zuge dessen haben sich die Unterneh-men zu einer fortlaufenden und jähr-lich durchgeführten vergaberechtlichen Prüfung ihrer Eignung („Selbstreini-gung“) und damit auch zu einer Zertifi-zierung verpflichtet.

Diese Prüfung und Zertifizierung wird durch ein eigenes hierfür durch die kommunalen Spitzenverbände ausge-wähltes Institut, die „ZertBau GmbH“, durchgeführt. Aktuell sind von der „ZertBau“ die Unternehmen Magirus, Rosenbauer und Schlingmann geprüft

und – positiv – zertifiziert. Eine Zertifi-zierung der Albert Ziegler GmbH & Co KG ist aktuell nicht gegeben. Nach Aus-kunft der „ZertBau“ war die Bescheini-gung für die Albert Ziegler GmbH & Co KG (Zertifizierung) auf den 22. April 2014 befristet.

Die erfolgten Zertifizierungen haben im Sinne einer Präqualifikation bei der Prü-fung der Eignung der Unternehmen den Erklärungswert einer Eigenerklärung. Dies bedeutet, dass die jeweils zertifizier-ten Unternehmen mit der Abgabe der Eigenerklärung (Zertifizierung) deutlich machen können, dass die von der Eig-nungsprüfung umfassten Nachweise als erbracht gelten. Einer separaten Prüfung bedarf es dann nicht mehr. Kann eine derartige Eigenerklärung mangels Zertifi-zierung nicht abgegeben werden, müs-sen sich grundsätzlich die Städte und Gemeinden im Rahmen von Vergabever-fahren von der Richtigkeit der von ihnen abgeforderten Nachweise im Rahmen einer separaten Eignungsprüfung des oder der Unternehmen überzeugen. Dies führt regelmäßig für die Vergabestellen, aber auch für die Unternehmen, zu ei-nem erhöhten Aufwand, etwa durch zu-sätzliche Anfragen sowie durch das Ab-fordern und Beibringen von Nachweis-dokumenten durch die Vergabestellen und die Unternehmen.

Wegen der aktuell nicht vorhandenen Zertifizierung des Unternehmens Albert Ziegler GmbH & Co KG durch die „Zert-Bau“ hat der DStGB die „ZertBau“ gebe-ten, nochmals bei dieser schriftlich um eine Prüfung und – bei positivem Aus-gang – Erteilung der Zertifizierung nach-zufassen. Dies ist durch ein Schreiben der „ZertBau“ vom 30. Juni 2014 an die Albert Ziegler GmbH & Co KG erfolgt.

•EntwicklungenaufderEU-Ebene

In diesem Zusammenhang ist zu begrü-ßen, dass die seit dem 17. April 2014 geltende EU-Vergaberichtlinie eine aus-drückliche Bestimmung über die not-wendige „Selbstreinigung“ und die hier-von erfasste Aufklärungspflicht der Un-ternehmen (Kartellanten) sowie auch zur Mitwirkung bei der Schadensbeseiti-gung enthält. Auch die EU-Richtlinie

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gemein preissteigernd ausgewirkt hat und ein weiterer Anscheinsbeweis da-für, dass der Verkauf des Feuerwehr-fahrzeugs an die Gemeinde nicht frei von den Einflüssen des Feuerwehrbe-schaffungskartells war, die Gemeinde also von dem Kartell betroffen ist. Eine nach den kommunalen ZVB vereinbar-te Schadenspauschalierung schneidet die Nachweismöglichkeit, wonach kei-ne oder einer geringerer Schaden be-steht, nicht ab. Die schadenspauscha-lierende Klausel in Nr. 16 ZVB nach dem kommunalen Vergabehandbuch VOL ist nicht unwirksam und verstößt nicht gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie ist außerdem nach dem Maßstab des § 309 Nr. 5a BGB nicht unzulässig und nach dem Maßstab des § 309 Nr. 5b BGB nicht unwirksam.

•Realisierungdervonden Kommunen an Magirus/Rosenbauer abgetretenen Forderungen gegen Ziegler – Bitte um Unterstützung durch die Betroffenen „Ziegler­Kommunen“

Die Bundevereinigung der kommuna-len Spitzenverbände teilte mit Schrei-ben vom 08.05.2015 in oben genannter Sache Folgendes mit:

„Sehr geehrte Damen und Herren,im Rahmen der Kompensation des zwi-schen Iveco Magirus Brandschutztechnik GmbH (jetzt: Magirus GmbH), Rosenbau-er Deutschland GmbH und Schlingmann GmbH & Co.KG sowie den kommunalen Spitzenverbänden vereinbarten Regulie-rungsabkommens vom Mai 2013 im Fall Feuerwehrlöschfahrzeuge hatten die ge-nannten Unternehmen sich zur Erledigung kartellbedingter Schäden den Kommunen gegenüber verpflichtet, diesen Ausgleichs-zahlungen zukommen zu lassen. Die Re-gulierung ist zwischenzeitlich erfolgreich abgeschlossen.Die Albert Ziegler GmbH & Co. KG hat sich als ebenfalls an den vorgeworfenen Kartellverstößen beteiligtes Unternehmen weder an der Regulierungsvereinbarung noch an der Schadenswiedergutmachung beteiligt. Um den Kommunen Ausgleichs-zahlungen auch für die Ziegler-Fahrzeuge zu gewähren, hatten sich Magirus und Ro-senbauer bereiterklärt, auch für diese

über „Schadensersatzklagen nach ein-zelstaatlichem Recht wegen Zuwider-handlungen gegen wettbewerbliche Be-stimmungen“ ist im Sinne der kommu-nalen Forderungen. Diese am 17. April 2014 vom EU-Parlament beschlossene Richtlinie sieht u.a. eine Vermutung da-hingehend vor, dass Kartelle stets einen Schaden verursachen. Mit deren Umset-zung wird in Zukunft der Schadens-nachweis durch Kommunen bei ähn-lich gelagerten Fällen hoffentlich er-leichtert möglich sein. Denn insoweit muss mit Recht der Grundsatz gelten: Der Schädiger (Kartellant) und nicht der Geschädigte ist bei Kartellen hinsicht-lich des Schadennachweises in der Bringschuld!

•Anmerkung

Die Gemeinde P. hat gegen die Firma Schlingmann Schadensersatzansprü-che geltend gemacht. Es handelte sich um ein Vergabeverfahren, in dem die Gemeinde die Formulare des Kommu-nalen Vergabehandbuchs VOL verwen-det hat, nach denen bei wettbewerbs-widrigen Absprachen die Gemeinde einen pauschalen Schadenersatzan-spruch in Höhe von 15 Prozent der Auftragssumme hat, sofern nicht der Auftragnehmer einen niedrigeren Schaden nachweisen kann. Der Ge-meindetag Baden-Württemberg hat seinen Mitgliedern immer wieder die Anwendung des Vergabehandbuchs empfohlen, um eine rechtssichere Ver-gabe zu gewährleisten.

Das LG Mannheim hat mit Urteil vom 04.05.2012 – 7 O 436/11 Kart – den An-spruch der Gemeinde P. bestätigt. Nach den Entscheidungsgründen ist das Zivil-gericht gemäß § 33 Abs. 4 GWB an die Feststellungen einer bestandskräftigen Entscheidung der Kartellbehörde ge-bunden, wenn das kartellrechtswidrige Verhalten vor dem Inkrafttreten der Vorschrift begangen, die Entscheidung aber danach erlassen worden ist. Der von der Gemeinde mit dem Lieferanten des Feuerwehrfahrzeugs vereinbarte pauschale Schadenersatz sei auch unter AGB-Gesichtspunkten wirksam. Hat demnach die Gemeinde in den von ihr gestellten allgemeinen Vertragsbedin-

gungen den Schadenersatz im Fall kar-tellrechtswidrigen Verhaltens des Auf-tragnehmers auf 15 Prozent der Ver-tragssumme pauschaliert, ist die Klausel jedenfalls dann wirksam, wenn die im Bußgeldbescheid festgestellten Verhal-tensweisen dazu dienten, zuvor gewähr-te Sonderrabatte von bis zu 30 Prozent zu vermeiden und Rabatte von 10 bis 12 Prozent auf dem Markt üblich sind.

Im Berufungsverfahren hat das OLG Karlsruhe mit seinem Urteil vom 31.07.2013 – 6 U 51/12 (Kart.) – die Kla-ge der Gemeinde ebenfalls bestätigt; die Berufung der Firma Schlingmann wurde zurückgewiesen. Der Fall ging zwar zum BGH; die Firma Schlingmann hat dann jedoch die Revision zurückgenommen. In seiner Entscheidung stellte das OLG Karlsruhe fest: Die Zusätzlichen Ver-tragsbedingungen des Formblatts zum Kommunalen Vergabehandbuch VOL enthalten keine Vertragsstrafenabrede, sondern eine schadenspauschalierende Klausel für den Fall einer kartellrechts-widrigen Absprache. Ist die Beschaffung eines Löschgruppenfahrzeugs unter ei-nem – vom Bieter begangenen – Verstoß gegen die Vorschriften des Gesetzes ge-gen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) erfolgt, hat die das Fahrzeug beschaffende Gemeinde als Betroffene des Kartellverstoßes einen gesetzlichen Schadensersatzanspruch. Anspruchs-grundlage für den wegen einer Beschaf-fung im Jahre 2004 geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen eines Kartellverstoßes ist § 33 i.V. mit § 1 GWB in der Fassung vom 26.08.1998 (gültig vom 01.01.1999 bis 30.06.2005).

Die Vorschrift des § 33 Abs. 4 GWB n.F. (in Kraft seit 13.07.2005) ist – trotz ei-ner Beschaffung im Jahre 2004 – maß-geblich, weil sie zum Zeitpunkt des Ab-schlusses des kartellbehördlichen Ver-fahrens im Jahr 2011 in Kraft war. Zu-gunsten der Gemeinde besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass das Ange-bot eines Bieters gegenüber der Ge-meinde und damit der Vertrag mit der Gemeinde von dem Kartell und damit zum finanziellen Nachteil der Klägerin beeinflusst waren. Es besteht ein An-scheinsbeweis für die Tatsache, dass sich das Feuerwehr-Quotenkartell all-

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Fahrzeuge Kompensation zu leisten. Insge-samt haben Magirus und Rosenbauer hier-für einen Betrag von 1,6 Mio. Euro in den Entschädigungsfonds gezahlt.Zum Ausgleich für die von Magirus und Rosenbauer geleisteten Zahlungen haben die an dem Regulierungsverfahren teil-nehmenden Kommunen ihre Schadenser-satzforderungen gegen das Unternehmen Ziegler an Magirus und Rosenbauer abge-treten. Von dem Schadensersatz, den Ma-girus und Rosenbauer aufgrund dieser Forderungen ggf. erfolgreich realisieren, geht gemäß der Regulierungsvereinbarung die Hälfte an den gemeinsamen Regulie-rungsfonds und damit letztlich an die beteiligten Kommunen.Die Albert Ziegler GmbH & Co. KG ging kurz nach Verhängung des Bußgeldbe-scheides gegen das Unternehmen im Jahr 2011 in Insolvenz. In dem Ziegler-Insol-venzverfahren haben Magirus und Rosen-bauer die abgetretenen Forderungen der Kommunen zwischenzeitlich zur Insol-venztabelle angemeldet. Diese Forderun-gen sind vom Insolvenzverwalter noch nicht geprüft, sie werden jedoch von ihm in voller Höhe bestritten. Vergleichsbereit-schaft zur Befriedigung der abgetretenen Forderungen war auf Seiten des Insolvenz-verwalters bislang nicht zu erkennen. Ma-girus und Rosenbauer müssen sich deshalb darauf einstellen, dass die Berechtigung ihrer Forderungen nach Vorliegen des Er-gebnisses der Prüfung durch den Insolvenz-verwalter im gerichtlichen Verfahren fest-gestellt werden muss.

Die Unterlagen, die von den Kommunen bislang in dem bereits durchgeführten Re-gulierungsverfahren vorgelegt wurden, rei-chen aber für die erforderliche gerichtliche Geltendmachung der Forderungen gegen den Insolvenzverwalter nicht sicher aus.Die von den Kommunen im Insolvenzver-fahren selbst getätigten Anmeldungen be-ruhten häufig auf einer Schadensannahme in Höhe von 15 Prozent, die in dieser Höhe mit so genannten Klausel-Vereinbarungen in Aufträgen begründet wurden. Die Nach-weise für diese Klausel-Vereinbarungen be-finden sich jedoch nicht bei den Unterlagen, die von den Kommunen bei der Geltendma-chung der Kompensationsforderung gegen-über Lademann & Associates GmbH vorge-legt wurden. Es ist deswegen erforderlich, diese nunmehr ergänzend von den Kommu-nen zu erbitten.Für die erfolgreiche Geltendmachung ist es zur Vorbereitung einer Klage erforderlich, dass seitens der Kommunen die Unterlagen zu den so genannten Klauselfällen vorlie-gen, d.h. zu den Fällen, in denen Kommu-nen sich auf eine vertragliche Vereinbarung in Form einer Schadensersatzklausel, in der Regel 15 Prozent, berufen haben. Darüber hinaus ist es aber auch erforderlich, dass für die Schadensersatzansprüche, die nicht aus einer solchen Klausel abgeleitet werden, die erforderlichen Angaben und Unterlagen für eine erfolgreiche gerichtliche Feststel-lung der Ansprüche zur Verfügung gestellt werden. Das betrifft sowohl Ausschrei-bungsunterlagen wie auch die Zuschlags-schreiben im Vergabeverfahren.

Sollten im Ergebnis tatsächlich Forderun-gen realisiert werden, ist beabsichtigt, die unterstützenden Kommunen an den erziel-ten Erlösen zu beteiligen. Einzelheiten hier-zu müssen allerdings noch zwischen den kommunalen Spitzenverbänden abge-stimmt werden.Die Kommunen werden konkret gebeten, folgende Unterlagen zu übermitteln:− die vollständigen Ausschreibungsunter-

lagen mit Leistungsbeschreibung/Leis-tungsverzeichnis und den Vertragsbedin-gungen – in den zusätzlichen Vertrags-bedingungen (ZVB) oder den Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) können sich die pauschalierte Schadensersatzklausel befinden – und

− die Zuschlagsschreiben der Kommune an Ziegler.

Sind die Ausschreibungsunterlagen oder Zuschlagsschreiben nicht vorhanden, wird um Übersendung− der Ziegler-Angebote sowie− der Unterlagen über die Auswahl und

Zuschlagserteilung (Vergabevermerk oder - Protokoll)

gebeten.

(...)“

Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat im Anschluss an das Schreiben sämtliche betroffenen Kommunen an-geschrieben, die ihre Unterlagen zur Vorbereitung der Klage an die entspre-chende Stelle gesandt haben.

Gemeindefinanzbericht Baden-Württemberg 2015

Der in dieser BWGZ 15-16/2015 vorgestellte Gemeindefinanzbericht stellt die aktuelle kommunale Finanzsituation in Baden-Württemberg in allen Facetten dar. Im Hinblick auf die anstehenden Haushaltsberatungen 2016 bietet dieser Bericht der Verwaltung sowie den Gemeinde rätinnen und Gemeinderäten eine fundierte und umfassende Informationsgrundlage.

AlleMitgliedsstädteundMitgliedsgemeinden,diedieseInformationsquellenutzenmöchten,könnenMehrexemplaredieserBWGZ15-16/2015zu einem Sonderpreis bestellen.

Mehrexemplare dieser BWGZ 15-16/2015 können zu folgenden Preisen bezogen werden:

1 bis 4 Hefte 9 Euro pro Exemplar5 bis 9 Hefte 8 Euro pro Exemplarab 10 Heften 7 Euro pro Exemplar

Bestellungen per Mail bitte mit Angabe der Anzahl an: [email protected]. Die Lieferung erfolgt mit Rechnung.

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künften für Asylbewerber die Änderung des § 8 Abs. 3 BauNVO. Danach können Aufnahmeeinrichtungen und Gemein-schaftsunterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Gewerbegebieten ausnahmsweise zu-gelassen werden; das gilt auch für Be-bauungspläne, die auf der Grundlage einer früheren Fassung der Baunut-zungsverordnung in Kraft getreten sind.

Hintergrund dieser Rechtsänderung ist die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg: Eine Gemeinschaftsun-terkunft für Asylbewerber ist nach die-ser Rechtsprechung in einem Gewerbe-gebiet auch nicht ausnahmsweise nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als Anlage für soziale Zwecke zulässig, weil sie nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung für eine mehr als nur unbeachtlich kur-ze Dauer Lebensmittelpunkt des einzel-nen Asylbewerbers ist, ihr damit ein wohnähnlicher Charakter zukommt und sie sich daher in einem Gewerbege-biet als gebietsunverträglich erweist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.03.2013 – 8 S 2504/12).

Hinweise des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur Baden­Württemberg

Das Ministerium für Verkehr und Infra-struktur Baden-Württemberg hat mit Schreiben vom 27.10.2014 – 2-2513.0/79 – auf die beabsichtigte Änderung des Bauplanungsrechts hinsichtlich der Zu-lassung von Unterkünften für Flüchtlin-ge und Asylbegehrende hingewiesen (siehe Gt-INFO Nr. 906/2014 vom 04.11.2016). Dabei wird über die kurz-fristig bevorstehende Änderung des Baugesetzbuchs berichtet. Dem Schrei-ben des MVI sind beigefügt die Hinwei-se zur bauplanungsrechtlichen Beurtei-lung von Standorten für Unterkünfte von Flüchtlingen und Asylbegehrenden in den verschiedenen Gebietskulissen (Stand 02.10.2014), beschlossen durch die Fachkommission Städtebau am 02.10.2014. Diesen Hinweisen beige-fügt ist eine tabellarische Darstellung der Rechtsprechung zur bauplanungs-rechtlichen Zulässigkeit von Unterkünf-ten für Flüchtlinge bzw. Asylbewerber in den verschiedenen Gebietskulissen.

Änderung des Bauplanungsrechts – Anlagen zur Unterbringung von Asylbewerbern

Die Bundesregierung hat mit Datum vom 08.10.2014 dem Bundestag den Gesetzentwurf des Bundesrates eines Gesetzes über Maßnahmen im Baupla-nungsrecht zur Erleichterung der Un-terbringung von Flüchtlingen übermit-telt (BT-Drs. 18/2752). Hintergrund sind die bauplanungsrechtlichen Fra-gen für die Zulässigkeit von Anlagen zur Unterbringung von Asylbewerbern. Die aktuellen Zuwanderungszahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge lassen vermuten, dass min-destens 800.000 Flüchtlinge im Jahr 2015 in die Bundesrepublik Deutsch-land kommen werden.

Die Bereitstellung von Unterkünften für diese Menschen, die oft aus Krisengebie-ten stammen, stellt in Ballungszentren mit ohnehin angespanntem Wohnungs-markt ein großes Problem dar. Flächen, die zur Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum für den Wohnungsbau benötigt werden, stehen im Regelfall nicht zur Verfügung. Die zeitnahe Nutzung anderer Flächen schei-tert vielfach an planungsrechtlichen Vorschriften. Vor diesem Hintergrund waren gesetzgeberische Maßnahmen im Rahmen eines zeitlich befristeten Maß-nahmengesetzes im Bereich des Bauleit-planungsrechts und der bauplanungs-

rechtlichen Zulässigkeit von Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern dringend geboten, mit deren Hilfe die bedarfsgerechte Schaf-fung von öffentlichen Unterbringungs-einrichtungen zeitnah ermöglicht und gesichert wird.

Änderungen

Das Gesetz vom 20.11.2014, BGBl. 1748, in Kraft seit 26.11.2014, enthält eine Reihe von Änderungen.

Zu den Grundsätzen der Bauleitplanung (siehe § 1 BauGB) gehört nun auch, dass bei der Aufstellung, Änderung, Ergän-zung und Aufhebung von Bauleitplänen nach dem Baugesetzbuch die Belange von Flüchtlingen, Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, insbesondere deren Unterbringung, zu berücksichtigen sind.

Für die Zulassung von Befreiungen gilt, dass Gründe des Wohls der Allgemein-heit im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB auch bei der Errichtung und Erweiterung von Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerberinnen und Asylbewerbern sowie bei der Nut-zungsänderung bestehender baulicher Anlagen in Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerberin-nen und Asylbewerbern vorliegen.

Die Vorschrift des § 34 Abs. 3a Satz 1 BauGB ist entsprechend auf die Nut-zungsänderung zulässigerweise errich-teter Geschäfts-, Büro- oder Verwal-tungsgebäude in Anlagen, die der Un-terbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerberinnen und Asylbewerbern dienen, und auf deren Erweiterung, Än-derung oder Erneuerung anzuwenden.

Für Vorhaben, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerberin-nen und Asylbewerbern dienen, gilt die Rechtsfolge des § 35 Abs. 4 Satz 1 des Baugesetzbuchs, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammen-hang mit einem bebauten Ortsteil inner-halb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

Besonders bedeutsam ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des VGH zur Zulässigkeit von Gemeinschaftsunter-

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928 Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015

nach werden bei der Errichtung bauli-cher Anlagen, bei denen ein Zu- und Abfahrtsverkehr mit Fahrrädern zu er-warten ist, notwendige Fahrrad-Stellplät-ze in solcher Zahl herzustellen sein, dass sie für die ordnungsgemäße Nutzung der Anlagen ausreichen. Für jede Wohnung müssen zwei geeignete wettergeschützte Fahrrad-Stellplätze (notwendige Fahr-rad-Stellplätze) hergestellt werden; es gibt die Öffnungsklausel, wonach die Pflicht zur Herstellung von Fahrrad-Stell-plätzen dann nicht besteht, wenn solche nach Art, Größe oder Lage der Wohnung nicht erforderlich sind.

Anreize für Carsharing­Stellplätze: Als Verwendungsoption für die Einnahmen aus der Ablösung von Kfz-Stellplätzen wird künftig die Herstellung von Park-einrichtungen für die gemeinschaftli-che Nutzung von Kraftfahrzeugen aus-drücklich genannt, um die Mittelver-wendung für diesen Zweck zu fördern.

Einschränkung des Kenntnisgabever­fahrens: Das Kenntnisgabeverfahren ist nur noch für Bauvorhaben möglich, die die Festsetzungen des Bebauungsplans einhalten. Die bisherigen isolierten Ent-scheidungen über Abweichungen, Aus-nahmen und Befreiungen von bau-rechtlichen Vorschriften entfallen so-mit. Sind solche Entscheidungen erfor-derlich (z.B. Ausnahmen nach § 31 BauGB), kann der Bauherr auch das vereinfachte Baugenehmigungsverfah-ren beschreiten. Die Vorschrift schränkt das Kenntnisgabeverfahren jedoch nicht ein, wenn der Bauherr die von der Gemeinde beschlossenen örtlichen Bauvorschriften nicht einhalten will und dafür eine Befreiung nach § 56 LBO benötigt.

Ausweitung der Abweichungsmög­lichkeiten zur erleichterten Nutzung regenerativer Energien: Es besteht ein Rechtsanspruch auf Zulassung von Ab-weichungen von bauordnungsrecht-lichen Vorgaben „zur Nutzung erneuer-barer Energien“. Damit soll die Errich-tung von Solar- oder Kleinwindenergie-anlagen erleichtert werden.

Beschränkung von Regelungen in kommunalen Gestaltungssatzungen

Novellierung der Landesbauordnung

Der Landtag hat am 05.11.2014 die neue Landesbauordnung beschlossen; sie ist am 1. März 2015 in Kraft getreten. Der Gemeindetag hat bereits Ende Juli 2013 den Anhörungsentwurf für ein Ge-setz zur Änderung bauordnungsrecht-lichen Vorschriften zur Stellungnahme erhalten. Die nun novellierte Landes-bauordnung setzt den Koalitionsvertrag vom 27.04.2011 um, wonach die Lan-desbauordnung nach sozialen und öko-logischen Kriterien überarbeitet werden soll. Wesentlicher Inhalt sind Regelun-gen über Fahrrad- und Kfz-Stellplätze, die erleichterte Nutzung regenerativer Energien und die Beschränkung des An-wendungsbereichs des Kenntnisgabe-verfahrens. Der Gesetzesbeschluss des Landtags enthält die nachfolgenden Rechtsänderungen.

Vereinfachung der Giebelhöhenan­rechnung im Rahmen der Abstands­flächenberechnung: In § 5 Abs. 5 Nr. 2 werden bei der Berechnung der einzu-haltenden Abstandsflächen die Giebel aller Dächer in gleicher Weise berück-sichtigt werden.

Begrünung baulicher Anlagen: Ist eine Begrünung des Baugrundstücks nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich, sind die baulichen Anlagen künftig zu begrünen (z.B. durch Dach- oder Fassa-denbegrünung), soweit ihre Beschaffen-heit, Konstruktion und Gestaltung dies zulassen und die Maßnahme für den Bauherrn wirtschaftlich zumutbar ist.

Anzeigepflicht für Grundstückstei­lungen: Eine geplante Teilung eines Grundstücks muss künftig zwei Wochen vorher der unteren Baurechtsbehörde angezeigt werden; damit kann die unte-re Baurechtsbehörde prüfen, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, falls durch die Teilung bauordnungswidrige Ver-hältnisse entstehen.

Verbesserung des Brandschutzes bei der Tierhaltung in Ställen: Gebäude zur Haltung von Tieren müssen künftig über angemessene Einrichtungen zur Rettung der Tiere im Brandfall verfügen.

Erweiterung der Verwendung von Holz: Decken sowie tragende, ausstei-fende oder raumabschließende Wände und Stützen, die als hochfeuerhem-mende Bauteile (d.h. mit der Feuerwi-derstandsfähigkeit F 60) oder als feuer-beständige Bauteile (F 90) ausgeführt werden müssen, dürfen aus brennba-ren Baustoffen (z.B. Holz) ohne (nicht-brennbare) Brandschutzbekleidung be-stehen, soweit die erforderliche Feuer-widerstandsdauer von 60 bzw. 90 Mi-nuten tatsächlich erreicht wird. Dadurch wird auch bei Gebäuden über 7 Meter Höhe der Massivholzbau durchgängig ermöglicht, wodurch der Einsatzbereich von Holz als Baustoff deutlich erweitert wird.

Barrierefreiheit im allgemeinen Woh­nungsbau (§ 35 Abs. 1 LBO): In Wohn-gebäuden mit mehr als zwei Wohnun-gen müssen die Wohnungen eines Ge-schosses barrierefrei erreichbar sein. In diesen barrierefrei erreichbaren Woh-nungen eines Geschosses müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad und die Küche oder Kochnische barrierefrei nutzbar und mit dem Roll-stuhl zugänglich sein.

Pflicht zur Schaffung von Abstellflä­chen für Kinderwagen und Gehhilfen und Ausweitung der Pflicht auf ge­mischt genutzte Gebäude: Diese Ab-stellflächen müssen nicht nur in Wohn-gebäuden, sondern auch in gemischt genutzten Gebäuden geschaffen werden.

Umwandlung von Kfz­Stellplätzen in Fahrrad­Stellplätze: Bis zu einem Vier-tel der vorgeschriebenen Kfz-Stellplätze nach § 37 Abs. 2 können durch Fahrrad-Stellplätze ersetzt werden. Dabei wer-den für einen Kfz-Stellplatz vier Fahr-rad-Stellplätze herzustellen sein. Eine Anrechnung auf die Zahl der nach § 37 Abs. 2 vorgeschriebenen (notwendigen) Fahrrad-Stellplätze ist ausgeschlossen. Außerdem wird die Umwandlung vor-geschriebener Kfz-Stellplätze für Woh-nungen nicht möglich sein.

Verpflichtung zur Anlage von Fahrrad­Stellplätzen: Der neugefasste § 37 Abs. 2 enthält die allgemeine Verpflichtung zur Schaffung von Fahrrad-Stellplätzen. Da-

Geschäftsbericht

Page 38: Geschäftsbericht 2013-2015

929Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015 Geschäftsbericht

(örtliche Bauvorschriften), die Vorha­ben zur Nutzung regenerativer Ener­gien entgegenstehen: Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher An-lagen in örtlichen Bauvorschriften, die allein zur Durchführung baugestalteri-scher Absichten gestellt werden, dürfen die Nutzung erneuerbarer Energien nicht ausschließen oder unangemessen beeinträchtigen. Damit soll zum Bei-spiel der generelle Ausschluss von Solar-anlagen auf Dächern aus rein gestalteri-schen Gründen verhindert werden.

Kommunales Satzungsrecht hinsicht­lich der Anzahl der Kfz­Stellplätze: Gemeinden werden ermächtigt, durch örtliche Bauvorschrift auch weniger als den nach § 37 LBO vorgeschriebenen einen notwendigen privaten Kfz-Stell-platz pro Wohnung festzulegen, um den Individualverkehr zu beschränken.

Erweiterung der Verfahrensfreiheit von Solaranlagen auf Gebäuden: So-laranlagen auf oder an Gebäuden wer-den umfassend verfahrensfrei gestellt. Damit wird vor allem die gewerbliche Nutzung von Dachflächen durch ande-re Personen als die Hauseigentümer zur Erzeugung von Solarenergie verfahrens-frei möglich sein.

Anzeigepflicht der Netzbetreiber bei der Errichtung von Mobilfunkanten­nen: Mobilfunkbetreiber müssen die Errichtung baurechtlich verfahrensfrei-er Mobilfunkantennen mindestens acht Wochen vorher der Gemeinde anzeigen (also Anzeigepflicht gegenüber der Ge-meinde und damit entgegen der sonst üblichen Systematik im Bauordnungs-recht kein Verfahren bei der Baurechts-behörde). Das Ministerium für Ländli-chen Raum und Infrastruktur wird nach bisher vorliegenden Informationen kei-ne Hinweise zur Umsetzung dieser An-zeigepflicht machen. Dann können die Gemeinden auf der Basis einer gemein-samen Empfehlung der kommunalen Landesverbände und der Netzbetreiber ein unbürokratisches Anzeigeverfahren handhaben.

Mit dieser (weiteren) Anzeigepflicht gibt es für Mobilfunkantennenanlagen drei Informations- bzw. Anzeigeverfahren:

− nach der Verbändevereinbarung zwi-schen den kommunalen Spitzenver-bänden auf Bundesebene und den Mobilfunknetzbetreibern vom Juli 2001 (die Mobilfunkerklärung Ba-den-Württemberg vom November 2004 ist insoweit identisch),

− Anhörungspflicht der Gemeinden nach dem neuen § 7a der 26. BImSchV (siehe Bericht in BWGZ 14/2013) und

− die (oben beschriebene) Anzeige-pflicht nach der LBO.

Der Gemeindetag hat deshalb diese LBO-Anzeigepflicht als absolut unnötig abgelehnt.

Zu kritisieren ist die Aufteilung von Än-derungen der Landesbauordnung in mehrere und darüber hinaus kurz hin-tereinander geschaltete Gesetzgebungs-verfahren (Einführung der Rauchmel-derpflicht in einem eigenen Gesetz – Ju-li 2013 – und jetzt die „kleine“ Novelle). Die früheren LBO-Novellen waren von dem Grundsatz geprägt, Novellen zur Landesbauordnung nur über einen grö-ßeren Zeitraum – mit einem gewissen Abstand – vorzunehmen (etwa 10 Jahre, siehe Novellen 1996, 2009). Die aktuelle Novelle enthält keine grundsätzlich notwendigen Änderungen. Die Rechts-änderungen führen zu mehr Bürokratie und zu höheren Baukosten und verteu-ern damit die Wohnkosten.

Novellierung der Gutachter - ausschussverordnung – Die Reform kommt

Bereits seit längerem bestehen Überle-gungen, die Geschäftsstellen der Gutach-terausschüsse für die gestiegenen Anfor-derungen an die Erstellung von Gutach-ten und die Auswertung der Kaufverträge zu stärken. Dies soll durch eine Qualifi-zierung der Gutachterausschüsse bzw. deren Geschäftsstellen und die dafür notwendige Verstärkung der interkom-munalen Zusammenarbeit erfolgen; auch dies wird Teil der Novelle zur Gut-achterausschussverordnung sein.

Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat in den Gesprächen mit dem Minis-

terium für Ländlichen Raum und Ver-braucherschutz Baden-Württemberg auf der Basis seiner Gremienbeschlüsse gefordert, die Zuständigkeit der Ge-meinden für die Gutachterausschüsse nicht zu verändern. Die Aufgaben des Gutachterausschusses sollen somit wei-terhin eine Gemeindeaufgabe sein. Die Einrichtung eines Gutachterausschus-ses und der Geschäftsstelle für den Gut-achterausschuss ist derzeit nur auf der Ebene einer Gemeinde oder einer Ver-waltungsgemeinschaft möglich.

Die Aufgaben der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses sind nach der gel-tenden Rechtslage mit der Zuständig-keit für den Gutachterausschuss ver-bunden bzw. daran gekoppelt. Somit kann die Erledigung allein der Aufgaben der Geschäftsstelle des Gutachteraus-schusses nicht auf eine andere Gemein-de übertragen werden. Dies wäre nur denkbar gemeinsam mit der Übertra-gung der gesamten Aufgabe des Gutach-terausschusses. Eine denkbare Aufga-benübertragung würde über eine öffent-lich-rechtliche Vereinbarung erfolgen, in der nicht nur die gemeinsame Aufga-benerfüllung, sondern auch die Verant-wortlichkeit, Kostenverteilung usw. zu regeln wären. Das MLR ist inzwischen dieser vom Gemeindetag seit langem vertretenen Rechtsmeinung beigetre-ten. Der Gemeindetag hat diesen grund-sätzlichen Überlegungen zugestimmt; insbesondere die Beibehaltung der kom-munalen Zuständigkeit ist – wie oben formuliert – klare Forderung des Ge-meindetags bzw. seiner Gremien.

Das MLR und Verbraucherschutz hat im Sommer 2012 mit einem Anschreiben an alle Gutachterausschüsse einen Erhe-bungsbogen zum Gutachterausschuss-wesen in Baden-Württemberg verschickt. Dort wurde nach dem Organisationsgrad und der Aufgabenerledigung gefragt. Be-stätigt hat das Umfrageergebnis die vom Gemeindetag Baden-Württemberg ange-strebte Notwendigkeit einer Qualifizie-rung der Arbeit der Geschäftsstellen der Gutachterausschüsse. Das hat zur Dis-kussion um die Größe des Einzugsbe-reichs der Geschäftsstellen geführt, ins-besondere ob die Zahl der im Jahr auszu-wertenden Kaufverträge ein maßgeben-

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930 Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015

tungen des Grundstücksmarktge-schehens“ (§ 198 Abs. 2 BauGB) auf Landesebene nur in dem Maße mög-lich, wie aussagekräftige Daten der Gutachterausschüsse vorliegen.

Anmerkung

Zu begrüßen ist die – entsprechend der Forderung des Gemeindetags – Beibe-haltung der Zuständigkeit der Städte und Gemeinden.

Ein besonderer Aspekt sind die im Papier genannten jährlich rund 1000 Kauffälle als Basis der Größe der Gutachteraus-schüsse. Auf Grund der o.g. Umfrage im Jahre 2012 hat das MLR festgestellt, dass lediglich rund 2 Prozent der Gutachter-ausschüsse eine Mindestzahl von 1000 jährlich auswertbaren Kauffällen errei-chen, die nach seiner Auffassung statis-tisch für eine sachgerechte Ableitung von Wertermittlungsdaten mindestens erforderlich ist.

Die Geschäftsstelle hält diese Zahl für zu hoch. Sie würde dazu führen, dass in den Landkreisen nur noch 2 oder 3 Gut-achterausschüsse bestehen würden. Ei-ne qualifizierte Arbeit erfordert selbst-verständlich entsprechende qualifizier-te Mitarbeiter.

Beschluss des Bau­ und Verkehrs­ausschusses vom 14.10.2014

Der Bau- und Verkehrsausschuss des Ge-meindetags hat nach Information durch Mitarbeiter des MLR und intensiver Be-ratung beschlossen:• DerAusschussbegrüßtdievorliegen-

de Konzeption des MLR insoweit, als die kommunale Zuständigkeit für die Gutachterausschüsse bei den Ge-meinden weiterhin verbleibt.

• Diese vom Gemeindetag Baden-Württemberg immer geforderte kommunale Zuständigkeit muss den Gemeinden Gestaltungsmöglichkei-ten für die Organisation des Gutach-terausschusses (bei der Bestellung der Gutachter) und für die Einrich-tung der dazu gehörenden Ge-schäftsstelle des Gutachterausschus-ses einräumen.

des Kriterium sein kann bzw. ob auch die Einwohnerzahl den räumlichen Zustän-digkeitsumfang bestimmen kann.

In der Sitzung des Bau- und Verkehrs-ausschusses des Gemeindetags am 09.07.2014 wurde über die damals dis-kutierten zwei Modelle für Organisation der Gutachterausschüsse berichtet:• BeimModellA(dasdasMLRfavori-

siert) soll es gemeinsame Gutachter-ausschüsse mit einer gemeinsamen Geschäftsstelle geben. Damit wäre die Zuständigkeit von Gutachteraus-schuss und Geschäftsstelle identisch.

• BeimModellBbleibtesbeidenbeste-henden Gutachterausschüssen, für benachbarte Gemeinden gibt es eine gemeinsame Geschäftsstelle. Die Zu-ständigkeit für den Gutachteraus-schuss als Gremium bliebe bei allen Gemeinden, mehrere Gemeinden würden dann eine gemeinsame Ge-schäftsstelle bilden. Kriterium für die Größe wäre eine entsprechende An-zahl von Kaufverträgen; das MLR nennt mindestens 1000 Kaufverträge – nach Auffassung des Gemeindetags muss dies flexibel geregelt werden, also auch mit weniger Kaufverträgen möglich sein. Der Gemeindetag hat immer erklärt, es müsse eine substan-tielle kommunale Zuständigkeit auch bei den Geschäftsstellen bestehen. Zwei oder drei Geschäftsstellen in ei-nem Landkreis würden dem nicht gerecht.

Im Sommer 2014 hat das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucher-schutz ein Eckpunktepapier für die Überarbeitung der Gutachterausschuss-verordnung vorgelegt. Über dieses Eck-punktepapier hat die Geschäftsstelle des Gemeindetags die Mitglieder mit Gt-INFO vom 20.10.2014 unterrichtet.

Eckpunkte des MLR zur Novellierung der Gutachterausschussverordnung (GuAVO) – Stand Juli 2014

Nach Aussage des MLR könnten – vor allem wegen der gestiegenen Anforde-rungen – Gutachterausschüsse insbe-sondere in kleinen Gemeinden die ge-setzlichen Aufgaben kaum mehr erfül-len, da zu wenig Kauffälle und damit

keine ausreichende Basis für die Ablei-tung der Wertermittlungsdaten vorlie-gen. Insgesamt resultierten daraus eine unzureichende Datenlage und eine mangelnde Grundstücksmarkttrans-parenz im Land. Die Aufgabenerfüllung sei vielfach nicht gesetzeskonform. Nicht zuletzt im Blick auf die geplante Einführung einer wertorientierten Grundsteuer sind nachhaltige Verbesse-rungen im Gutachterausschusswesen dringend notwendig. Diese lassen über die Qualitätssteigerungen hinaus auch wirtschaftliche Synergien bei den Ge-meinden erwarten.

Die Fortentwicklung soll sich an folgen-den Eckpunkten orientieren:• DasGutachterausschusswesensollin

kommunaler Verantwortung mit Zu-ständigkeit bei den Gemeinden bei-behalten werden.

• EswerdenleistungsfähigeEinheitenfür die Ermittlung der Grundstücks-marktdaten gebildet, so dass eine Mindestzahl von jährlich rund 1000 auswertbaren Kauffällen zur Verfü-gung steht.

• Das so definierte Zuständigkeitsge-biet liegt zusammenhängend inner-halb eines Landkreises. (Die Stadt-kreise erfüllen grundsätzlich diese Voraussetzungen.)

• MitdiesenVorgabenbildenbenach-barte Gemeinden bzw. Verwaltungs-gemeinschaften einen gemeinsamen Gutachterausschuss mit einer Ge-schäftsstelle. Die Zuständigkeit für die Besetzung des Gutachteraus-schusses bleibt bei den Gemeinden, indem die Gutachter von ihrer jewei-ligen Gemeinde in den gemeinsamen Gutachterausschuss bestellt werden. Bei Wertermittlungsaufgaben im je-weiligen Gemeindegebiet, beispiels-weise Verkehrswertgutachten, wer-den in der Regel die Gutachter der jeweiligen Gemeinde tätig.

• ÜberdieAnalyseundDarstellungdesGrundstücksmarktes auf Kreisebene verständigen sich die Kooperationen innerhalb des Landkreises.

• Die vom Land einzurichtende Zen-trale Geschäftsstelle für Grundstücks-wertermittlung konzentriert sich auf die unumgänglichen Aufgaben. Da-bei sind die „Analysen und Auswer-

Geschäftsbericht

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931Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015 Geschäftsbericht

• Die vom MLR genannte Zahl von1000 Kauffällen ist zu hoch. Die Er-füllung der Aufgaben der Gutachter-ausschüsse, insbesondere der Ge-schäftsstellen, ist nach Auffassung des Bau- und Verkehrsausschusses auch mit einer deutlich geringeren Zahl von Kauffällen gewährleistet. Entscheidendes Kriterium muss die Erledigungsqualität des jeweiligen Gutachterausschusses sein.

Entwurf der Verordnung der Landes­regierung zur Änderung der Gutach­terausschussverordnung

Mit Schreiben vom 01.07.2015 hat das MLR den Entwurf der Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Gut-achterausschussverordnung zur Anhö-rung freigeben.

Der Entwurf sieht dabei folgende maß-gebliche Änderungen vor.

Die Novellierung verfolgt das Ziel,− die grundsätzliche Aufgabenzu-

weisung an die Gemeinden beizu-behalten,

− benachbarte Gemeinden innerhalb eines Landkreises die Möglichkeit zur Bildung leistungsfähiger Einheiten für die sachgerechte Aufgabenerfül-lung zu eröffnen (gemeinsamer Gut-achterausschuss),

− die Bildung einer Zentralen Ge-schäftsstelle für Grundstückswerter-mittlung im Land rechtlich zu veran-kern und

− sich im Übrigen auf die unbedingt notwendigen Regelungen zu be-schränken (Anpassung an bundes-rechtliche Vorgaben und Umsetzung fachlicher Erfordernisse in Ausübung der bundesrechtlichen Ermächti-gung).

Der neue § 1 Absatz 1 Satz 1 GuAVO bleibt unverändert, indem die Gemein-den weiterhin die Verantwortung für das Gutachterausschusswesen inne haben.

§ 1 Absatz 1 Satz 2 GuAVO sieht zu-künftig vor, dass innerhalb eines Landkreises benachbarte Gemeinden die Aufgabe nach den Vorschriften der

Gemeindeordnung und des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit übertragen können. Diese Übertra-gung kann durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung der Verwaltungsgemein-schaft, den Gemeindeverwaltungsver-band, eine die Aufgabe inne habende Gemeinde im Landkreis und den Landkreis als neue Aufgabenträger nach den Vorschriften der Gemeinde-ordnung (§§ 59ff) und des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit – GKZ – (§§ 1, 25) erfolgen. Aufgrund des Verweises auf das GKZ ist auch ei-ne Übernahme der Aufgabenträger-schaft durch einen Zweckverband oder eine selbständige Kommunalan-stalt nicht ausgeschlossen.

Der neue § 1 Absatz 1 Satz 3 GuAVO beinhaltet die Bündelung der Daten auf Landkreisebene. Der Satz sieht vor, dass die zuständigen Stellen ein Zusammen-wirken der Gutachterausschüsse auf Kreisebene vereinbaren können.

Der neue § 1 Absatz 1a GuAVO bezieht sich auf die erforderliche Zahl von Kauf-fällen, die zum Erfordernis gemacht werden. Weiterhin wird festgelegt, dass diese Erforderlichkeit bei einer Mindest-zahl von 1000 auswertbaren Kauffällen im Jahr vorausgesetzt werden kann.

Weiterhin wird der § 15 GuAVO neu eingeführt. Dieser beinhaltet die so ge-nannte „Zentrale Geschäftsstelle“, die nach Absatz 1 beim Landesamt für Geo-information und Landentwicklung nach § 198 BauGB angesiedelt sein wird. Diese wird die Bezeichnung „Zentrale Geschäftsstelle für Grundstückswerter-mittlung Baden-Württemberg“ tragen. Diese Zentrale Geschäftsstelle wird die Aufgaben nach § 198 Absatz 2 Satz 1 BauGB auf der Grundlage der nach § 193 Absatz 5 BauGB ausgewerteten und ermittelten sowie auf Kreisebene gebündelten Daten erfüllen. Zu diesem Zweck wird sie ein Verzeichnis der Gut-achterausschüsse mit folgenden Anga-ben führen:− Bezeichnung, Zuständigkeitsbereich

und gegebenenfalls Kooperations-form,

− Postadresse, Telefonnummer sowie E-Mail- und Internet-Adresse.

Der neue § 15 Absatz 3 GuAVO beinhal-tet die Möglichkeit des MLR, eine Arbeitsgrupe aus sachkundigen Perso-nen unter Vorsitz der Zentralen Ge-schäftsstelle zu berufen, um Unterstüt-zungsleistungen für das Gutachteraus-schusswesen zu gewährleisten.

Stellungnahme des Gemeindetags Baden­Württemberg

Der Gemeindetag hat mit Schreiben vom 28.08.2015 bezüglich der oben genann-ten Änderungen folgende Stellungnah-me abgegeben, über die per Gt-info informiert wurde.

Der Gemeindetag kann einen Großteil der geplanten Weiterentwicklungen in-nerhalb der Gutachterausschussverord-nung unterstützen. Dies bezieht sich insbesondere auf die Eröffnung weiterer Möglichkeiten zur interkommunalen Zusammenarbeit neben der Verwal-tungsgemeinschaft. Außerdem wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Aufgabe „Gutachterausschuss“ auch künftig eine kommunale Aufgabe blei-ben wird und muss.

Im Weiteren wird darauf verwiesen, dass nach § 1 Absatz 1 Satz 2 GuAVO ver-schiedene Arten der interkommunalen Zusammenarbeit vorgesehen sind ohne die Möglichkeit zu eröffnen, ausschließ-lich die Erledigung der Aufgabe „Gut-achterausschuss“ auf eine Geschäftsstel-le zu übertragen. Darüber hinaus wird auf das Erfordernis eingegangen, dass das Land für Kooperationen auf Grund-lage von öffentlich-rechtlichen Verträ-gen Musterverträge erarbeiten sollte ebenso wie für die Fallkonstellation, dass bereits bestehende interkommuna-le Gutachterausschüsse in Verwaltungs-gemeinschaften nur in sehr begrenzten Umfang in der Lage sein werden, auf Grundlage ihrer bisherigen Rechtsform für weitere Gemeinden die Aufgabe „Gutachterausschuss“ zu übernehmen.

Ferner wird auf § 1 Absatz 1a Satz 2 GuAVO Bezug genommen, der eine Festschreibung der 1000 auswertbaren Kauffälle vorsieht. Der Gemeindetag hat sich bereits in zahlreichen Gesprä-chen mit dem MLR gegen die Festschrei-

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932 Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015

die Aufgabenbereiche der übrigen Denkmalschutzbehörden von der Or-ganisationsreform unberührt bleiben. Durch den Kompetenzzuwachs des Landesamtes erwartet das Land einen flexibleren, über die Grenzen des Re-gierungsbezirks hinausgehenden Ein-satz von Technik und Personal. Kritiker in den anderen drei Regierungsbezir-ken befürchten, dass dem Regierungs-präsidenten in Stuttgart, der Vorgesetz-ter des Abteilungsleiters des Landes-amts für Denkmalpflege ist, ein Projekt im eigenen Bezirk wichtiger sein könn-te als außerhalb. Im Jahre 2013 gab es für die Denkmalpflege vom Land knapp 16 Mio. Euro.

Entsprechend der künftigen Ausgestal-tung des Landesamtes für Denkmalpfle-ge als landesweit zuständige Denkmal-fachbehörde ist zudem vorgesehen, beim Finanz- und Wirtschaftsministeri-um als oberste Denkmalschutzbehörde einen landesweit zuständigen Denk-malrat einzurichten, der die Denkmal-behörden bei grundsätzlichen Entschei-dungen berät. Die derzeit bei den Regie-rungspräsidien bestehenden vier regio-nalen Denkmalräte sollen in diesem landesweiten Gremium aufgehen.

Mit Schreiben vom 24.06.2015 hat das Ministerium für Finanzen und Wirt-schaft den Gemeindetag über Grün-dung des oben genannten Denkmal-rates informiert. Nachdem der Landtag von Baden-Württemberg Ende 2014 die Änderung des Denkmalschutzgesetzes Baden-Württemberg verabschiedet hat, ist das Landesamt für Denkmalpflege (LAD) im Regierungspräsidium Stutt-gart mit Dienstsitz in Esslingen am Ne-ckar landesweit der zentrale Ansprech-partner für alle denkmalrechtlichen Fragen. Das LAD wird mit Außenstellen in Karlsruhe, Freiburg und Tübingen präsent sein.

Zentrales Anliegen ist weiterhin die Er-richtung eines landesweit zuständigen Denkmalrates. Hinsichtlich der perso-nellen Ausgestaltung wird der Gemein-detag Baden-Württemberg mit insge-samt vier Personen (zwei ordentliche Mitglieder, zwei Stellvertreter) beim Denkmalrat vertreten sein.

bung einer Mindestzahl ausgesprochen. Die Normierung der notwendigen Erle-digungsqualität wird als der bessere Weg angesehen. Insofern wird für die ersatz-lose Streichung des § 1 Absatz 1a Satz 2 GuAVO plädiert.

Hinsichtlich des § 1 Absatz 1 Satz 3 GuAVO wird darauf hingewiesen, dass es für die Gemeinden als Träger der Gutach-terausschüsse keine Pflicht zur Bünde-lung auf Landkreisebene gibt. Aufgrund dessen sollte aus Sicht des Gemeindetags Aufgabe der Zentralen Geschäftsstelle auf Landesebene sein, diese Bündelung nach Landkreisen selbst vorzunehmen.

Was den § 15 Absatz 3 GuAVO angeht, regt der Gemeindetag die Ergänzung um einen Absatz 4 an:

„Die Zentrale Geschäftsstelle hat bei der Aufgabenerledigung die Notwendigkei-ten der Gutachterausschüsse zu berück-sichtigen. Insbesondere sollten Form, Art und Umfang der Datenabfrage in Ab-stimmung mit den Gutachterausschüs-sen erfolgen. Die in Absatz 3 genannte Arbeitsgruppe kann hierfür einen sach-dienlichen Rahmen bilden.“

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes

Die Landesregierung hat mit Datum vom 14.10.2014 dem Landtag das Ge-setz zur Änderung des Denkmalschutz-gesetzes übermittelt (LT-Drs. 15/5870). Der Landtag hat die Rechtänderung am 26.11.2014 beschlossen.

Hintergrund ist der grün-rote Koalitions-vertrag vom 27.04.2011, in dem das Ziel formuliert ist, die Überprüfung beste-hender Strukturen und Zuständigkeiten im Bereich der Landesverwaltung fortzu-setzen. Der Koalitionsvertrag enthält zu-dem den Auftrag zu prüfen, wie die Denkmalpflege organisatorisch gestärkt werden kann. Zur Umsetzung dieser Vor-gaben wurde für den Bereich der Landes-denkmalpflege ein Reformvorschlag er-arbeitet, der auf Ebene der Regierungs-präsidien eine Konzentration der fachli-chen Denkmalpflege im Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart vorsieht. Hierzu sollen die der-zeit in den anderen Regierungspräsidien bestehenden regionalen Fachreferate Denkmalpflege organisatorisch in das neue Vor-Ort-Präsidium Stuttgart einge-gliedert werden; an den bisherigen Standorten Karlsruhe, Freiburg und Tü-bingen sollen Außenstellen die notwen-dige Ortsnähe sicherstellen.

Ziel der Organisationsreform ist es, durch Bündelung derzeit regionalisier-ter Strukturen im künftigen Vor-Ort-Präsidium Stuttgart eine größere Ein-heitlichkeit der Denkmalverwaltung zu erreichen und Doppelstrukturen abzu-bauen. Durch Konzentration der fach-lichen Denkmalpflege soll eine landes-einheitliche Entscheidungsfindung in denkmalfachlichen Fragen erleichtert und die Denkmalpflege insgesamt ef-fektiver und zukunftsfähiger gestaltet werden. Die Neuorganisation ermög-licht zudem ein besseres Personalma-nagement und die Ausbildung speziel-ler Fachkompetenzen, um vor dem Hintergrund begrenzter personeller und finanzieller Ressourcen fachliche Schwerpunkte setzen und einen hohen Standard konservatorischen Handelns erhalten zu können. Dagegen sollen

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Ein starker Partnerfür die Beschäftigten von Stadt und Land in Baden-Württemberg

Sitz:Waldhornplatz 176131 Karlsruhe

Hauptsitz:Augsburger Straße 700D-70329 [email protected]

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Karlsruhe 0721 6098-0

Wenn Sie bei einer Stadt, Gemeinde oder beim Land Baden-Württemberg beschäf-tigt sind oder ehrenamtlich – z. B. als Gemeinderat oder als bürgerschaftlich Enga-gierter – tätig werden, sind Sie während Ihrer Arbeit und auf dem Weg dorthin und zurück bei der UKBW gegen Unfälle und Berufskrankheiten versichert.

Auch Schüler, Kindergartenkinder, Studierende und Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren sind Versicherte bei der UKBW. Hierzu bedarf es keiner Anmeldung oder Beitragszahlung von Versichertenseite. Sie sind aufgrund Ihrer Tätigkeit bzw. über den Arbeitgeber bei der UKBW versichert – so wie 3,7 Millionen andere Versicherte in Baden-Württemberg. Damit ist die UKBW einer der größten Unfall-versicherungsträger im Kommunal- und Landesbereich in Deutschland.

Die UKBW ist Ihr starker Partner bei allen Fragen rund um die gesetzliche Unfall-versicherung, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Rehabilitation und Entschädigung sind unsere klassischen Aufgaben. Es geht um Ihre Sicherheit und Gesundheit – dafür setzen wir uns ein. Sie stehen bei uns im Mittelpunkt – nehmen Sie uns beim Wort.

Als Körperschaft des ö� entlichen Rechts wirken die Gemeinden und ihre Verbände durch die Selbstverwaltungsorgane aktiv bei allen Entscheidungen der UKBW mit.

Wenn Sie Informationen zu den � emen Arbeits-, Schul-, Wegeunfall oder Berufskrankheiten benötigen, dann besuchen Sie uns doch im Internet unter: www.ukbw.de oder rufen Sie uns an.

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BWGZ 19 | 2015

werden.“ Das hat zwangsläufig Kosten-folgen und die Frage nach der Kosten-tragung bzw. Kalkulation der Gebühren für die Bestattungsdurchführung auch im Hinblick auf die jährliche Zahl der rituellen Waschungen.

Im Bestattungsgesetz wurde das Wort „Leichen“ durch das Wort „Verstorbe-ne“ ersetzt. An die Stelle des Wortes „Leichenwagen“ trat das Wort „Bestat-tungskraftwagen“ (nach DIN 57081).

Die Geschäftsstelle des Gemeindetags Baden-Württemberg hatte aufgrund der Beratungspraxis für seine Mitglieder eini-ge Vorschläge für die Novelle des Bestat-tungsgesetzes erarbeitet. Diese beziehen sich auf das Rechtsverhältnis an Urnen nach Ablauf der Ruhezeit/Nutzungszeit. Es bedarf der Klarstellung, dass nach Ab-lauf der Ruhezeit/Nutzungszeit kein – öffentlich-rechtlicher – Herausgabean-spruch der Hinterbliebenen gegenüber der Gemeinde besteht. Dies ist begründet mit einem pietätvollen Umgang mit Ur-nen (wie mit Leichen; siehe für Leichen § 6 Abs. 3 BestattG: „Nach Ablauf der Ruhezeit aufgefundene Gebeine [Über-reste von Leichen] sind in geeigneter Weise innerhalb des Friedhofs zu bestat-ten.“). Die im Vorfeld vom Gemeindetag gegenüber dem Sozialministerium ange-sprochene Thematik hat dazu geführt, dass die angesprochene Vorschrift des § 6 Abs. 2 BestattG (aufgefundene Gebeine) auch auf Urnen ausgedehnt wurde.

VGH – Keine Satzungsregelung mit Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit

Bei der Novellierung des baden-würt-tembergischen Bestattungsgesetzes im Jahr 2012 war § 15 um den neuen Absatz 3 ergänzt worden, wonach Friedhofs-träger im Rahmen ihrer Satzungskom-petenz festlegen können, „dass nur Grabsteine und Grabeinfassungen ver-wendet werden dürfen, die nachweislich aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der Konvention 182 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hergestellt sind. Die Anforderungen an den Nach-weis sind in den Friedhofsordnungen und Polizeiverordnungen festzulegen“.

Änderung des Bestattungs- gesetzes – VGH: Kein Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit in kommunalen Friedhofssatzungen

Novelle zum Bestattungsgesetz

Der Landtag hat am 26.03.2014 das Ge-setz zur Änderung des Bestattungsgeset-zes beschlossen. Basis des Gesetzentwurfs ist die Überlegung, dass der ausdrücklich verfügte oder der mutmaßliche Wille des Verstorbenen hinsichtlich Ort und Art und Weise seiner Bestattung maßgebend ist. Deshalb wurde die Sargpflicht für Erdbestattungen aufgehoben. Hinter-grund sind die Bestattungsriten der Mus-lime und Juden. Ein Religionsnachweis wird aber nicht gefordert – obwohl nach dem Wortlaut auf die Religionszugehö-rigkeit abgehoben wird. Der Transport zur Grabstätte ist weiterhin im Sarg mög-lich. Die Friedhofspflicht für Urnen wur-de beibehalten; es können aber reine Urnenfriedhöfe unter der Trägerschaft der Gemeinden und Kirchen eingerich-tet werden. Eine Pflicht zur Anlegung von Grabfeldern für muslimische Bestat-tungen in kommunalen Friedhöfen be-steht somit nicht.

§ 39 Abs. 1 BestattG wurde wie folgt er-gänzt: „In den Fällen, in denen die Reli-gionszugehörigkeit eine Bestattung oh-ne Sarg vorsieht, können die Verstorbe-nen in Tüchern erdbestattet werden, sofern keine gesundheitlichen Gefah-ren zu befürchten sind. Für den Trans-port Verstorbener bis zur Grabstätte sind geschlossene Särge zu verwenden.“ Eine Aushändigung von Urnen an An-gehörige kommt nicht in Frage. Auf ei-ne zeitliche Vorgabe für den frühesten Bestattungszeitpunkt wird verzichtet (bisher 48 Stunden, siehe § 36 Abs. 1 BestattG a.F.). Somit ist künftig eine Be-stattung nach der erfolgten ärztlichen Leichenschau denkbar. Dabei entstehen organisatorische Fragen bei den Stan-desämtern und den kommunalen Fried-hofsverwaltungen sowie bei den Bau-höfen (Ausgraben und Zufüllen der Grä-ber). Für die Gemeinde stellt sich die Frage nach der Einrichtung eines Bereit-schaftsdienstes. Bestattungen sind an Sonn- und Feiertagen möglich: „Nach

dem Arbeitszeitgesetz und dem Feier-tagsgesetz ist eine Bestattung am Sonn-tag grundsätzlich zulässig, sofern dafür religiöse Gründe geltend gemacht wer-den können.“ (Gesetzesbegründung S. 16). Dies hat natürlich Folgen für die Kosten und die Kalkulation der Bestat-tungsgebühren.

Im Zusammenhang mit der Bestattung von Muslimen wird auf das so genannte ewige Ruherecht hingewiesen. Der mus-limische und jüdische Glauben kennt die so genannte „ewige Ruhe“. Nach dem Bestattungsgesetz Baden-Württemberg gibt es die Mindestruhezeit von 15 Jah-ren, die aus Pietätsgründen auch für Ur-nen gilt (§ 6 Abs. 1 Satz 3 BestattG). Die Gemeinden bestimmen in der örtlichen Friedhofssatzung die Ruhezeit; sie dient der Sicherstellung der Verwesung und wird (deshalb) im Benehmen mit dem Gesundheitsamt festgelegt (§ 6 Abs. 1 Sät-ze 1 und 2 BestattG). Entsprechend dem jahrzehntelangen System kann an Grab-stätten ein so genanntes öffentlich-recht-liches Nutzungsrecht durch die Gemein-de verliehen werden (Wahlgrab); dies ist regelmäßig länger als die Ruhezeit. Das Nutzungsrecht kann gegen eine Gebühr verlängert bzw. neu verliehen werden.

Nicht thematisiert wurde im Gesetzent-wurf der Grundsatz der „unberührten Erde“ für die Bestattung von Muslimen. Die Grabstelle für verstorbene Muslime darf somit vorher nicht durch andere Bestattungen belegt gewesen sein. Das kann auf den kommunalen Friedhöfen schwierig werden, da auf den Friedhö-fen praktisch alle Flächen „belegt“ sind (waren), nicht belegte Flächen also kaum mehr zu finden sind. Werden in muslimischen Grabfeldern Grabstellen frei, können sie nicht mehr wiederbe-legt werden. Das führt zu gestalteri-schen Problemen in diesen Feldern und zu zusätzlichen Kosten, deren Abgel-tung zu klären ist.

Die Notwendigkeit von Einrichtungen für rituelle Waschungen wird im Gesetz-entwurf angesprochen (S. 17): „Konse-quenterweise sollten vom Friedhofsträ-ger auch entsprechende Einrichtungen zur Durchführung islamischer Bestat-tungsriten (z.B. Waschung) vorgehalten

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BWGZ 19 | 2015 Geschäftsbericht

Insoweit ist bedeutsam, dass der VGH die Regelung in der Friedhofssatzung der Stadt Kehl für unwirksam erklärt hat, weil die Vorschrift über den Nach-weis durch ein vertrauenswürdiges, all-gemein anerkanntes Zertifikat den ver-fassungsrechtlichen Verhältnismäßig-keitsgrundsatz verletzt und die sat-zungsrechtliche Regelung, dass die zuständige Friedhofsverwaltung fort-laufend ein Verzeichnis der vertrauens-würdigen Zertifikate führt und aktuali-siert, gegen den Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt.

Dieser Maßgabe folgend hat der VGH BW in den Beschlüssen vom 21.05.2015 entschieden, die zum Gegenstand die Friedhofssatzung der Landeshauptstadt Stuttgart hatten.

Die Vorschrift in der Friedhofssatzung der Landeshauptstadt Stuttgart (An-tragsgegnerin), nach der nur Grabmale aufgestellt werden dürfen, die nach-weislich in der gesamten Wertschöp-fungskette ohne ausbeuterische Kinder-arbeit hergestellt sind, und der Nach-weis hierfür mittels Zertifikat einer an-erkannten Organisation erbracht wird, ist rechtswidrig und daher unwirksam. Dies hat der 1. Senat des VGH Baden-Württemberg in vier Normenkontroll-

Der VGH Baden-Württemberg hat nun aber am 29.04.2014 entschieden, dass die Friedhofssatzung der Stadt Kehl, die sich auf den novellierten § 15 BestattG gründet, rechtswidrig und daher un-wirksam ist. Nach der Begründung des VGH ist das Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar. Es belaste Steinmetze unzumutbar. Denn es sei für sie nicht hinreichend erkenn-bar, welche Nachweismöglichkeiten be-stünden und als ausreichend gälten. Verlässliche Möglichkeiten für den Nachweis, dass Grabsteine ohne aus-beuterische Kinderarbeit hergestellt seien, seien – wie bereits das Bundes-verwaltungsgericht mit Urteil vom 16.10.2013 zur Friedhofssatzung der Stadt Nürnberg festgestellt habe – nicht vorhanden. Es fehle eine allgemeine Auffassung, welche der vorhandenen Zertifikate für faire Steine als vertrau-enswürdig gelten könnten. Es gebe kei-ne Anerkennung solcher Zertifikate durch eine zuständige staatliche Stelle. Die Satzung regle auch nicht ausdrück-lich unter Benennung der Zertifikate, welche als Nachweis ausreichten. Da die angegriffene Satzungsvorschrift bereits aus diesen Gründen unwirksam sei, könne offen bleiben, ob ihre gesetzliche Ermächtigung in § 15 Absatz 3 BestattG verfassungsgemäß sei.

Derzeit sind leider keine Belege bzw. Zertifikate verfügbar, die die gesamte Wertschöpfungskette bei Grabsteinen zum Beispiel von Indien über China und Vietnam zuverlässig abbilden. So-lange dies der Fall ist, kann Steinmetzen bei ihrer Materialbeschaffung nicht der Nachweis über den Ausschluss ausbeu-terischer Kinderarbeit aufgebürdet wer-den, ohne einen unzumutbaren Eingriff in die gemäß Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Berufsfreiheit vorzunehmen.

Um dennoch die Umsetzung der ILO-Konvention 182 zu befördern, hat das Sozialministerium den Friedhofsträgern in Baden-Württemberg vorgeschlagen, von der Satzungskompetenz gemäß § 15 Abs. 3 BestattG keinen Gebrauch zu ma-chen. Stattdessen könnte in den Fried-hofssatzungen eine Information an die

Hinterbliebenen aufgenommen wer-den, dass bei Steinen, die außerhalb des EU-Raumes gebrochen und bearbeitet werden, nicht mit Sicherheit ausge-schlossen werden kann, dass gegen die ILO-Konvention 182 verstoßen wird. Bei Steinen, die aus Ländern innerhalb der EU stammen – z.B. Granit aus Polen und Finnland, Marmor aus Italien und Portugal – besteht diese Gefahr nicht. Davon abgesehen gelten die vorge-nannten Überlegungen auch für die Einhaltung der notwendigen Vorgaben für Arbeits- bzw. Mutterschutz.

Über die zahlreichen Normenkontroll-klagen gegen kommunale Friedhofssat-zungen (über 45) und die Entscheidung des VGH vom 29.04.2014 zur Friedhofs-satzung der Stadt Kehl hat der Gemein-detag Baden-Württemberg wiederholt im Gt-info berichtet (siehe zuletzt Sach-standsbericht in Gt-INFO Nr. 498/2014 vom 07.07.2014, Versandtag 16.06.2014, sowie zur Erledigungsgebühr Gt-INFO Nr. 706/2014 vom 05.09.2014, Versand-tag 22.08.2014). Trotz des Urteils des Ver-waltungsgerichtshofs Baden-Württem-berg hat es die Stadt Stuttgart auf einen weiteren Prozess ankommen lassen. Die Satzungsregelung unterscheidet sich ge-ringfügig von der Friedhofssatzung der Stadt Kehl.

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gepasst.html). Auf die Gt-INFO Nrn. 205/2015 und 231/2015 vom 20. März 2015 wird insoweit hingewiesen.

Zwischenzeitlich haben der Städtetag und der Gemeindetag auch ein vorläufi-ges Satzungsmuster für kommunale Hochwasserschutzregister samt Hinwei-sen an ihre Mitglieder versandt. Dieses ermöglicht allerdings nur eine Erstat-tung der tatsächlich bereits entstande-nen Kosten für Hochwasserschutz- und Rückhaltemaßnahmen durch den jewei-ligen Bauherrn. Die Intention der Ar-beitsgruppe Hochwasserschutzregister war jedoch, den Kommunen, ähnlich wie bei den Anschlussbeiträgen für die Wasserversorgung bzw. Abwasserbeseiti-gung, die Möglichkeit einzuräumen, auch zukünftig entstehende Kosten für den Ausgleich des Verlustes von verloren gehendem Rückhalteraum in die „Kos-tenerstattung“ mit einzubeziehen. Da-mit soll eine Ungleichbehandlung der Bauherren, aber auch ein „Windhund-rennen“ um die günstigsten Kubikmeter Rückhalteraum vermieden werden.

Ein diesbezügliches Gutachten von Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans-Jörg Birk schlägt dafür eine Änderung des Was-sergesetzes für Baden-Württemberg (WG) vor. Gemeindetag und Städtetag haben vor diesem Hintergrund gegen-über dem Umwelt- und dem Innenmi-nister angeregt, den Kommunen entge-genzukommen und dieses Vorhaben zu unterstützen. Auf die ausführliche Dar-stellung in Gt-INFO Nr. 603/2015 vom 6. Juli 2015 wird hingewiesen. Die Ant-worten der beiden Minister liegen zwi-schenzeitlich vor. Insbesondere die ausführliche Antwort des Umweltmi-nisters (Auszug: „… bin ich zu der Auf-fassung gelangt, dass eine Gesetzesini-tiative zum jetzigen Zeitpunkt in jedem Fall verfrüht wäre“…) lässt befürchten, dass es in dieser Legislaturperiode zu keiner Änderung des WG mehr kom-men wird, auch nicht über ein Artikel-gesetz. Gemeindetag und Städtetag ha-ben ihr Anliegen zwischenzeitlich nochmals per Schreiben vom 17. Juli 2015 erläutert und ein erneutes Ge-spräch mit Vertretern der kommunalen Landesverbände, des Umwelt- und des Innenministeriums vorgeschlagen.

verfahren auf Anträge von insgesamt neun Steinmetzbetrieben (Antragstel-ler) aus dem Raum Stuttgart mit Be-schlüssen ohne mündliche Verhand-lung am 21.05.2015 entschieden.

Im Anschluss daran legt der VGH in sei-nen Beschlüssen vom 21.05.2015 zur Stuttgarter Friedhofssatzung dar, ausrei-chende Nachweismöglichkeiten be-stünden weiterhin nicht. Insbesondere sei eine hinreichend gesicherte Ver-kehrsauffassung, welche Zertifikate über Grabsteine, die ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt sind, als ver-trauenswürdig gelten können, derzeit nicht festzustellen. Dem Vorbringen der Antragsgegnerin, es gebe eine allgemei-ne Verkehrsauffassung, dass die Siegel der Organisationen „XeritifiX“ und „fair stone“ vertrauenswürdig seien, könne nicht gefolgt werden. Das Fehlen einer allgemeinen Verkehrsauffassung zeige sich bereits in den unterschied-lichen Regelungen baden-württember-gischer Gemeinden in ihren Friedhofs-satzungen. Auch die bekannte Verbrau-cherzeitschrift Ökotest habe im Mai 2014 festgestellt, die Meinungen darü-ber, was nachprüfbare Dokumente für ohne Kinderarbeit hergestellte Natur-steine seien, gingen auseinander. Eine Anhörung von Sachverständigen im Landtag von Nordrhein-Westfalen habe ebenfalls ergeben, dass die Aussagekraft bestehender Siegel ungeklärt sei.

Die Gemeinden können somit abwar-ten, wie der VGH über diese Fälle ent-scheidet bzw. ob sich diesen Verfahren dann noch Rechtsmittel zum Bundes-verwaltungsgericht anschließen. Damit können die Gemeinden entsprechend der Empfehlung des Sozialministeriums derzeit auf eine satzungsrechtliche Re-gelung verzichten.

Änderung der Bestattungs­verordnung – BestattVO

Mit Schreiben vom 04.09.2014 wurde der Gemeindetag Baden-Württemberg zur Stellungnahme zur neuen Bestat-tungsverordnung durch das Sozialmi-nisterium aufgefordert. Die neue Bestat-tungsverordnung ist am 19.06.2015 in Kraft getreten. Damit einhergehend

wurde auch die Todesbescheinigung ge-ändert. Hervorzuheben ist dabei der § 36 BestattVO, der die jeweilig zustän-dige Behörde zum Inhalt hat. Zur Klar-stellung der Zuständigkeit hat das Sozi-alministerium mit Schreiben vom 21.07.2015 folgende Hinweise erteilt: Das Regierungspräsidium ist gemäß § 36 Absatz 1 BestattVO zuständige Behörde für die Genehmigung von reinen Ur-nenfriedhöfen im Sinne von § 5 Absatz 1 BestattVO in öffentlichen Gebäuden, etwa von Kolumbarien in Kirchenge-bäuden.

Die untere Verwaltungsbehörde ist ge-mäß § 36 Absatz 1 BestattVO zuständi-ge Behörde für die Genehmigung für die Anlage bzw. Erweiterung von Fried-höfen gemäß §§ 1-3 BestattVO. Dies umfasst auch die Genehmigung für Friedhöfe, auf denen ausschließlich Naturbestattungen vorgesehen sind so-wie für private Bestattungsplätze ge-mäß § 9 Bestattungsgesetz, an deren Trägerschaft kein Friedhofsträger ge-mäß § 1 Absätze 1 und 2 Bestattungsge-setz beteiligt ist.

Die Ortspolizeibehörde ist gemäß § 5 Absatz 2 BestattVO zuständig für die Ge-nehmigung von Flächen für Naturbe-stattungen auf bestehenden Friedhöfen.

Zuverlässigkeit von Hochwasser- gefahrenkarten – Bauen in Überschwemmungsgebieten – Hochwasserschutzregister

Zu dieser Thematik wurde sehr ausführ-lich in BWGZ 1/2015 Seite 35 berichtet. Zwischenzeitlich hat die WBW Fortbil-dungsgesellschaft, wie zwischen Um-weltministerium und Gemeindetag Ba-den-Württemberg vereinbart, eine Inter-net-Plattform für die Gemeinden zum Hochwasserschutz bzw. Bauen in Über-schwemmungsgebieten aufgebaut. Diese wird Zug um Zug mit wichtigen Informa-tionen zu diesem Bereich bestückt. Dort sind u.a. die Broschüre „Hochwasser-Ri-siko – bewusst planen und bauen“ sowie die FAQ’s der Regierungspräsidien zum Bauen in Überschwemmungsgebieten abrufbar (http://wbw-fortbildung.net/pb/,Lde/Home/Taetigkeiten/Hochwasseran-

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938 Gemeindetag Baden-Württemberg

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Antragsjahres und des Vorjahres ermit-telt. Dies dient dazu, Manipulationen zu verhindern, die durch zu große Ge-bührenerhöhungen zur Erreichung ei-nes höheren Fördersatzes bislang mög-lich gewesen wären. An der Antrags-schwelle von 5,90 Euro/m3 maßgebli-ches Wasser- und Abwasserentgelt hat sich dagegen nichts geändert.

Verbesserungenbei strittigen Punkten

Strittig war insbesondere die ursprüng-lich vorgesehene Absenkung der Förder-kurve in den Bereichen Wasserversor-gung und Abwasserentsorgung und da-rüber hinaus auch für Härtefälle (Kanal-sanierungsmaßnahmen sowie Sanierung von Ortsverteilungsnetzen bei der Was-serversorgung). Dagegen hatte sich vor allem der Gemeindetag Baden-Württem-berg gewandt. Dahinter stand insbeson-dere die Befürchtung, dass dies zur Strei-chung oder Verschiebung wasserwirt-schaftlich wichtiger Vorhaben oder aber zu einer drastischen Gebührenerhöhung (insbesondere bei Gemeinden im ländli-chen Raum) führen wird. Das Umwelt-ministerium ist deshalb bei den alten Förderkurven der FrWw 2009 geblieben.

Gemeindetag und Landkreistag hatten außerdem ein Inkrafttreten der Förder-richtlinie erst zum 1. November 2015 angeregt, damit für die Vorbereitung der Anträge und die Beratung der Antrag-steller ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Dieser Bitte ist das Umweltminis-terium ebenfalls nachgekommen.

Entsprechend der Stellungnahme des Ge-meindetags ist für den Nachweis des Vor-liegens eines Hochwasseralarm- und Hochwassereinsatzplans als Vorausset-zung für die Förderung einer Hochwasser-schutzmaßnahme bzw. für die thermische Klärschlammentsorgung als Vorausset-zung für die Förderung einer Abwasser-maßnahme eine entsprechende Bestäti-gung der Gemeinde ausreichend. Als Nachweis für das Vorliegen eines Hoch-wasseralarm- und Hochwassereinsatz-plans hatte das Umweltministerium ur-sprünglich das Ausfüllen einer ausführli-chen Checkliste durch die (überwiegend kommunalen) Antragsteller vorgesehen.

Neue Förderrichtlinien Wasserwirtschaft – Änderungs- wünsche des Gemeindetags wurden berücksichtigt

Per Schreiben des Umweltministeriums vom 10. März 2015 erfolgte die offizielle Anhörung zum Entwurf der neuen För-derrichtlinien Wasserwirtschaft 2015 (FrWw). Der Gemeindetag Baden-Würt-temberg hat dazu per Schreiben vom 21. April und 8. Mai 2015 Stellung ge-nommen. Der Ministerrat hat die FrWw 2015 Ende Juli 2015 beschlossen. Sie treten zum 1. November 2015 in Kraft.

Wesentliche Inhalte der neuen Förderrichtlinien

1. Thermische Klärschlamm­entsorgung als FördervoraussetzungEine Zuwendung für Maßnahmen auf Kläranlagen kann grundsätzlich nur noch bewilligt werden, wenn der Antrag-steller den auf der Kläranlage anfallenden Klärschlamm thermisch entsorgt. Damit wird dem Ziel der vollständigen thermi-schen Entsorgung für einen verbesserten Boden- und Grundwasserschutz auch in den FrWw Rechnung getragen.

2. Maßnahmen zur Umsetzung von Strukturgutachten sind auch unabhängig vom Erreichen der Antragschwelle förderfähigIm Bereich der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung gibt es im Land teilweise sehr kleinräumige Strukturen. Mit der Förderung sollen in den Gebie-ten mit geringer Anschlussdichte dieje-nigen strukturverbessernden Maßnah-men gefördert werden, die aufgrund des demografischen Wandels, des Klima-wandels, der Wirtschaftlichkeit und steigender Umweltstandards für die Ver-sorgungssicherheit mit Trinkwasser und eine gesicherte Abwasserbeseitigung in der Zukunft dringend notwendig sind.

3. Erstmalige großtechnische Umsetzung innovativer Verfahren als neuer FördertatbestandIn der Wasserversorgung und der Ab-wasserbeseitigung soll, insbesondere zur Steigerung der Energieeffizienz in diesem energieintensiven Bereich, die erstmalige Umsetzung innovativer Ver-

fahren förderfähig und damit die breite Anwendung erleichtert werden.

4. Erstmalige Ausleitung von Ab wasser aus WasserschutzgebietenZum Grundwasserschutz wird die erst-malige Ausleitung von Abwasser aus rechtskräftig festgesetzten Wasser-schutzgebieten als neuer Bonustatbe-stand eingeführt.

5. Schadlose Ableitung von Nieder­schlagswasser infolge von Stark­regenereignissen aus AußenbereichenDie Zunahme von Starkregenereignis-sen aufgrund des Klimawandels erfor-dert es, Überflutungen der bebauten Ortslage aus Außenbereichen zu verhin-dern. Die hierzu erforderlichen Maß-nahmen werden förderfähig.

6. Erhöhter Fördersatz für gewässer­ökologische MaßnahmenGewässerökologische Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur und zur Herstellung der Durchgängigkeit bil-den einen Schwerpunkt derjenigen Maß-nahmen, die zur Erreichung des guten Zustands nach Wasserrahmenrichtlinie erforderlich sind. Hier besteht auch an den in der Unterhaltungslast der Kommu-nen stehenden Gewässern II. Ordnung nach wie vor ein hoher Handlungsbedarf. Um die Umsetzung zu beschleunigen, wird der Fördersatz von bislang 50 Prozent bzw. 70 Prozent (im ländlichen Raum) auf künftig einheitlich 85 Prozent erhöht.

7. Förderung von Gewässer­entwicklungsflächenGewässerentwicklungsflächen, die in der Breite über die Gewässerrandstreifen hinausgehen, ermöglichen die dynami-sche Eigenentwicklung von Gewässer-abschnitten und sind ein wichtiges In-strument, um in den Gewässern Lebens-raum zu schaffen. Damit leisten auch sie einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie.

8. Maßgebliche Gebühr über zwei Jahre berechnetDas maßgebliche Wasser- und Abwasser-entgelt, das für die Berechnung des Fördersatzes in diesen Bereichen zu-grunde gelegt wird, wird künftig aus dem Mittelwert der Gebührenhöhe des

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lichkeit zugänglich gemacht. Zwischen-zeitlich ist die Anhörungsrunde abge-schlossen.

Nach eigener Aussage des Ministeri-ums ist die Anpassungsstrategie kein Leitplan, der verbindliche Handlun-gen vorschreibt oder untersagt. Viel-mehr enthalte er Empfehlungen und Umsetzungsvorschläge für die betrof-fenen Akteure quer durch alle Hand-lungsfelder.

Der Gemeindetag hatte in seiner Stel-lungnahme vom 17. Juni 2015 hierauf Bezug genommen und darum gebeten, den Städten und Gemeinden – ent-sprechend ihrer Vorbildfunktion nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg – grundsätzlich zu ermöglichen, Klimaanpassungs-maßnahmen in eigener Verantwor-tung durchzuführen. Für den Fall, dass aus Sicht des Landes, unter Bezugnah-me auf die Empfehlungen und bzw. Vorschläge des Strategiepapiers, später Handlungspflichten der Kommunen für erforderlich gehalten werden, hat der Gemeindetag Baden-Württemberg eine rechtzeitige Anhörung ange-mahnt. Für diesen Fall hat er auch eine konkrete Maßnahmen-, Zeit- und Fi-nanzierungsplanung, mit Darstellung der konnexitätsrelevanten Verpflich-tungen, gefordert. Auf die Gt-INFO Nr. 541/2015 vom 22. Juni 2015 und Nr. 591/2015 vom 6. Juli 2015 wird hin gewiesen. Die Klimaanpassungs-strategie wurde am 28. Juli 2015 vom Landes kabinett beschlossen.

Die nach § 7 Abs. 4 Satz 3 des Klima-schutzgesetzes vorgesehene Vereinba-rung zwischen Land und kommunalen Landesverbänden liegt inzwischen im Entwurf vor. Aus Sicht der kommuna-len Landesverbände sind allerdings noch einige Änderungen bzw. Ergän-zungen erforderlich. Insoweit war eine Unterzeichnung der Vereinbarung vor der Sommerpause 2015 nicht mehr möglich. In einer solchen Verein-barung soll bekanntlich Näheres zur Vorbildfunktion der Gemeinden und Gemeindeverbände (beim Klimaschutz), die sie in eigener Verantwortung erfüllen, geregelt werden.

Integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK), Strategie zur Anpassung an den Klimawandel in Baden- Württemberg und Klima- schutzpakt mit den Kommunen

Der Ministerrat hat am 15. Juli 2014 das Integrierte Energie- und Klimaschutz-konzept für Baden-Württemberg (IEKK) verabschiedet. Das IEKK ist Teil des ba-den-württembergischen Klimaschutz-gesetzes, mit dem sich Baden-Württem-berg das Ziel gesetzt hat, bis 2050 die landesweit ausgestoßene Treibhausgas-menge um 90 Prozent zu reduzieren (Bezugsjahr 1990). Bis 2020 soll das 25-Prozent-Ziel erreicht sein.

Das Konzept umfasst insgesamt 108 Maßnahmen aus den Handlungsberei-chen Strom, Wärme, Verkehr, Landnut-zung und Stoffströme und enthält unter anderem Maßnahmen zur Energieein-sparung und Energieeffizienz, zum Aus-bau der erneuerbaren Energien und zur Modernisierung der Infrastruktur. We-sentlicher Bestandteil ist der Bereich Mobilität. Der Straßenverkehr trägt mit einem knappen Drittel einen Großteil zu den energiebedingten CO2-Emissio-nen in Baden-Württemberg bei.

Der Verabschiedung des IEKK ging eine umfassende Bürger- und Öffentlichkeits-beteiligung voraus. In einem bisher ein-maligen Beteiligungsverfahren wurden 180 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger und 120 Vertreterinnen und Vertreter von Interessengruppen an 12 Runden Tischen zur Bewertung und Ver-besserung der Vorschläge eingeladen. Über 1000 Empfehlungen einschließlich der Empfehlungen aus einer Online-Be-teiligung gingen ein. Knapp ein Viertel der Empfehlungen wurde berücksichtigt.

Über den Stand der Umsetzung des IEKK und die Fortschritte auf dem Weg, die Klimaschutzziele zu erreichen, will das Umweltministerium jährliche Kurzbe-richte erstellen und dem Kabinett sowie dem Landtag 2016 einen umfassenden Zwischenbericht geben. Auf Basis dieser Berichte wird das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept spätestens nach fünf Jahren fortgeschrieben.

Das IEKK ist im Internet auf der Home-page des Umweltministeriums unter www.um.baden-wuerttemberg.de/de/klima/ klimaschutz/integriertes-energie-und-klima-schutzkonzept-iekk/ zu finden. Darüber hinaus siehe Gt-INFO Nr. 581/204 vom 21.07.2014 und Nr. 652/2014 vom 05.09.2014.

Der Gemeindetag Baden-Württemberg hatte zuvor am 27. Februar 2014 eine schriftliche Stellungnahme zum IEKK-Entwurf abgegeben. Er hat dabei vor al-lem seine Erwartung an die Landesregie-rung ausgedrückt, dass die kommuna-len Landesverbände rechtzeitig vor dem Erlass von Rechtsvorschriften, die der Umsetzung des Klimaschutzgesetzes bzw. den Zielen des IEKK dienen sollen, angehört werden – und zwar auch und insbesondere für den Erlass von Förder-richtlinien, die den Klimaschutz in der Städten und Gemeinden fördern sollen, aber auch von solchen, die eine Förde-rung von kommunalen Maßnahmen von der Erfüllung bestimmter Standards beim Klimaschutz abhängig machen. Darüber hinaus wurde eine weitere Stär-kung der regionalen Klimaschutz- und Energieagenturen eingefordert.

Aus Sicht des Gemeindetags weist das im Juli 2014 verabschiedete IEKK einige Defizite auf. Insbesondere kommt ihm so gut wie keine Steuerungskraft zu.

Eine Verknüpfung mit der Finanzpla-nung wurde leider nicht hergestellt. Auch wurde darauf verzichtet, Um-setzungsschwerpunkte für die laufende Legislaturperiode förmlich zu fixieren.

Mitte Mai 2015 hat das Umweltministe-rium dann den Entwurf einer Strategie zur Anpassung an den Klimawandel in Baden-Württemberg in die Anhörung gegeben. Wenige Monate zuvor, am 14. November 2014, war ein Arbeitsentwurf der Anpassungsstrategie auf einem Kon-gress mit 130 Vertretern aus Wirtschaft, Kommunal- und Landesverwaltung, Re-gionalverbänden, Umwelt- und Interes-senverbänden sowie Experten aus Wis-senschaft und Forschung diskutiert worden. Danach wurde der Arbeitsent-wurf über das Beteiligungsportal des Landes gut einen Monat für die Öffent-

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Novelle des Landesnatur- schutzgesetzes beschlossen und in Kraft getreten

Der Gemeindetag Baden-Württemberg ist vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württem-berg bereits im Sommer 2014 um die Ab-gabe einer Stellungnahme zu eventuellen Konnexitätsfolgen des neuen Natur-schutzgesetzes (NatSchG) gebeten wor-den. Der Gemeindetag hat sich dazu per Schreiben vom 12. September 2014 geäu-ßert. Sein Umwelt- und Landwirtschafts-ausschuss hat ihn dann in seiner Sitzung vom 15. Oktober 2014 u.a. ermächtigt, auf der Basis seiner Stellungnahme zu den Konnexitätsfolgen eine Äußerung im Rah-men der offiziellen Verbandsanhörung zur NatSchG-Novelle abzugeben.

Darüber hinaus hat der Ausschuss dar-um gebeten, mit den zuständigen Ver-tretern der beiden Regierungsfraktionen über den Gesetzentwurf zu reden und dabei die kommunalen Positionen vor-zutragen. Diese Gespräche fanden im Januar und im Februar 2015 statt. Die Argumentation der beiden Vertreter des Gemeindetags ist dabei auf ein grund-sätzlich positives Echo gestoßen.

Im Anschluss fanden verschiedene Ge-spräche zwischen den kommunalen Landesverbänden und dem MLR statt. Ein wichtiges Ergebnis für den Gemein-detag bzw. seine Mitglieder war dabei, dass bei Landschafts- und Grünord-nungsplänen (§ 12) vom MLR eine 1:1 Umsetzung der entsprechenden Vorga-ben im BNatSchG (dort § 11 Abs. 2) zu-gesagt wurde (entspricht damit im We-sentlichen der alten Rechtslage in Baden-Württemberg). Darüber hinaus wurde vereinbart, dass bei Landschaftsplänen – abweichend vom Referentenentwurf zur Abklärung der Konnexitätsfolgen – nicht mehr das „Einvernehmen“, son-dern nur noch das „Benehmen“ (also lediglich Anhörung) mit der unteren Na-turschutzbehörde erforderlich ist. Auch Grünordnungspläne „sollen“ nicht mehr, sondern „können“ aufgestellt wer-den. Das MLR hat insoweit auf Betreiben der kommunalen Landesverbände die ursprünglich vorgesehenen Verschärfun-gen wieder rückgängig gemacht.

Per Schreiben vom 27. Januar 2015 hat das MLR dann den offiziellen Gesetzent-wurf in die Verbandsanhörung gegeben. Im Vergleich zum früheren „Konnexi-tätsentwurf“ waren dort noch einige Än-derungen bzw. Ergänzungen vorgenom-men worden, zum Beispiel – zusätzlich – ein gesetzlicher Schutz von Alleen in den Absätzen 4 bis 7 des § 31 der Novelle.

Erfreulicherweise ist es zum Ende der vom MLR gesetzten Stellungnahmefrist noch gelungen, eine gemeinsame Stel-lungnahme aller drei kommunalen Lan-desverbände abzugeben. Aus dieser Äu-ßerung vom 10. März 2015 lassen sich vier Kernanliegen herausarbeiten.

Diese vier Kernanliegen lauten:

• AusgleichderdurchdieNovelledesNaturschutzgesetzes ausgelösten Mehrbelastungen der unteren Natur-schutzbehörden;

• gesetzlicheAbsicherungderfinanzi-ellen Förderung der Landschaftser-haltungsverbände – und zwar ein-schließlich der Finanzierung des Na-tur-2000-Beauftragten bei den unte-ren Naturschutzbehörden;

• keinEingriff indiedurchdie kom-munale Selbstverwaltungsgarantie verbürgte Organisationshoheit der kommunalen Gebietskörperschaf-ten, indem der Widerruf der Bestel-

lung eines Naturschutzbeauftragten von der Zustimmung der höheren Naturschutzbehörde abhängig ge-macht bzw. die Übertragbarkeit der Entscheidung über Bestellung und Widerruf von Naturschutzbeauftrag-ten auf beschließende Ausschüsse ausgeschlossen wird;

• Begrenzung der im Gesetzentwurfvorgesehenen Mitwirkungsbefugnis-se der Naturschutzverbände insbe-sondere in wasserrechtlichen Verfah-ren (wichtiges Anliegen vor allem des Gemeindetags).

Darüber hinaus wurde dem MLR zu den Konnexitätsfolgen nochmals das vom Landkreistag am 8. Januar 2015 erstellte Papier übersandt. Die Stellungnahme und das „Konnexitätsfolgenpapier“ können über Gt-INFO Nr. 254/2015 vom 7. April 2015 abgerufen werden.

Der Landtag von Baden-Württemberg hat dann am 17. Juni 2015 in zweiter Lesung die Novelle des Landesnatur-schutzgesetzes beschlossen. Die Forde-rungen bzw. Anliegen der drei kommu-nalen Landesverbände sind dabei teil-weise, aber beileibe nicht vollständig berücksichtigt worden. Diesbezüglich wird auf Gt-INFO Nr. 595/2015 vom 6. Juli 2015 hingewiesen. Die Novelle ist zwischenzeitlich im GBl. vom 13. Juli 2015 S. 585 veröffentlicht worden und am 14. Juli 2015 in Kraft getreten.

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Das MLR hat anschließend, am 1. Juni 2015, noch Hinweise zum Inkrafttreten des JWMG und zur DVO JWMG an die nachgeordneten Jagdbehörden heraus-gegeben. Auf Gt-INFO Nr. 602/2015 vom 6. Juli 2015 wird hingewiesen.

Der Gemeindetag hat zwischenzeit-lich einen Entwurf eines Satzungs-musters für durch den Gemeinderat verwaltete Jagdgenossenschaften ge-fertigt. Der Entwurf befindet sich der-zeit in Abstimmung mit dem MLR. Der Gemeindetag wird auch ein Mus-ter für kommunale Jagdpachtverträge erstellen. Mit einer Fertigstellung ist voraussichtlich zum Jahresende 2015 zu rechnen.

Neues Jagdrecht inzwischen komplett – Ab jetzt gilt das Motto „Und ewig grüßt die Jagdgenossenschafts- versammlung“

Über das neue Jagd- und Wildtier-managementgesetz, welches zum 1. April 2015 in Kraft getreten ist, wurde in BWGZ 1/2015 Seite 38 ausführlich be-richtet. Anfang 2015 hat dann das Mi-nisterium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg den Entwurf einer Durchführungsver-ordnung zum Jagd- und Wildtier-managementgesetz (DVO JWMG) in die Verbandsanhörung gegeben. Die Stel-lungnahme des Gemeindetags Baden-Württemberg vom 25. Februar 2015 ist in Gt-INFO Nr. 224/2015 vom 20. März 2015 wiedergegeben worden.

In dieser Äußerung wurden vor allem Verfahrenserleichterungen für die Jagd-genossenschaften und für die Gemein-den als Verwalter von Jagdgenossen-schaften, insbesondere um nicht stän-dig Jagdgenossenschaftsversammlun-gen einberufen zu müssen, verlangt. Bei einer öffentlichen Anhörung des Ar-beitskreises „Ländlicher Raum und Ver-braucherschutz“ der CDU-Landtags-fraktion am 10. März hat der Gemeinde-tag dann seine Argumente nochmals vorgetragen.

Leider hat dann die am 2. April 2015 erlassene (GBl. vom 17. April 2015 Seite

202) und in ihren wesentlichen Vor-schriften am 18. April in Kraft getretene DVO JWMG in dieser Hinsicht keinerlei Verbesserungen im Sinne von Verfah-renserleichterungen enthalten. Dies dürfte in absehbarer Zeit zu einer erheb-lichen Zunahme von Jagdgenossen-schaftsversammlungen führen. Der Ver-waltungsaufwand für die Einberufung und Durchführung solcher Versamm-lungen ist zum Teil erheblich, vor allem für Kommunen, auf deren Gemarkung mehrere von ihnen verwaltete Jagdge-nossenschaften existieren oder die für viele Jagdbögen, mit der Folge häufiger Pächterwechsel, Verpächter sind. Nähe-res dazu ist aus Gt-INFO Nr. 383/2015 vom 5. Mai 2015 zu entnehmen.

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Erschließungsbeitragsrecht

Einige Entscheidungen des Verwaltungs-gerichtshofs Mannheim, aber auch des Bundesverwaltungsgerichts haben für die erschließungsbeitragsrechtliche Pra-xis eine größere Bedeutung.

Im Urteil vom 20.02.2014 – Az. 2 S 1215/13 – (BWGZ 2014 Seite 378) hat sich der Verwaltungsgerichtshof Mann-heim mit der Bildung von Abrech­nungseinheiten beschäftigt. Er hat die mit der Übernahme des Erschließungs-beitragsrechts in Landesrecht vom Lan-desgesetzgeber verfolgte Zielsetzung, den Städten und Gemeinden einen grö-ßeren Entscheidungsspielraum bei der Zusammenfassung mehrerer Straßen zur gemeinsamen Abrechnung einzu-räumen, anerkannt. Aus Sicht der Kom-munen eine erfreuliche Bestätigung.

In einer weiteren Grundsatzentschei-dung vom 10.7.2014 – Az. 2 S 2228/13 – (BWGZ 2014 Seite 1308) hat der Ver-waltungsgerichtshof Mannheim zu ver-schiedenen weiteren Aspekten des lan-desrechtlichen Erschließungsbeitrags-rechts Stellung genommen.

Unter anderem hält er auch für das ba-den-württembergische Landesrecht da-ran fest, dass wie bereits früher im BauGB-Erschließungsbeitragsrecht die sachlichen Beitragspflichten erst mit dem Eingang der letzten Unterneh­merrechnung entstehen können, so-fern die sonstigen Voraussetzungen vor-liegen. Dieses im Gesetzeswortlaut des § 41 KAG nicht ausdrücklich genannte Tatbestandsmerkmal der Ermittelbar-keit der beitrags- bzw. umlagefähigen Kosten führt die Rechtsprechung also auch im landesrechtlichen Erschlie-ßungsbeitragsrecht fort.

Besondere Beachtung verdient die Entscheidung aber wegen ihrer Aussa-ge zu Kreisverkehrsanlagen, deren Beitragsfähigkeit in Baden-Württem-berg bisher nicht einheitlich beurteilt wurde, zumal der Gesetzgeber auch in der KAG-Novelle 2009 – trotz einer entsprechenden Forderung seitens des Gemeindetags Baden-Württemberg – gerade zu dieser Frage eine explizite

gesetzliche klarstellende Regelung zum Kreisverkehr deswegen nicht für notwendig erachtete, weil er ausweis-lich der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 14/4002 Seite 72) mit der klarstellen-den Ergänzung des § 35 Abs. 1 Nr. 2 KAG durch Art. 10 Nr. 9 Buchst. a des Gesetzes zur Reform des Gemeinde-haushaltsrechts vom 4.5.2009 (GBl.l S. 185) davon ausging, dass zu den Kos-ten des Anschlusses an andere Ver-kehrsanlagen auch die Kosten für Kreuzungen und Einmündungen ge-hörten und der Begriff der Kreuzungen auch Kreisverkehrsplätze als bautech-nisch besonders gestaltete höhenglei-che Kreuzungen einschließe (weshalb auch die Kreisverkehrskosten im Grundsatz beitragsfähig seien).

Hier hat sich der VGH Mannheim nicht mit der Gesetzesbegründung zufrieden gegeben, sondern sich der Auffassung von Driehaus (Erschließungsbeitrags-recht in Baden-Württemberg, 1. Aufl. 2005, Erschließungs- und Ausbaubeiträ-ge, 9. Aufl. 2012) und Göppl (Leitfaden zum Erschließungsbeitragsrecht in Ba-den-Württemberg) angeschlossen, wo-nach die Kosten für die Herstellung eines Kreisverkehrs jedenfalls dann, wenn es sich dabei um eine selbst­ständige Verkehrsanlage handele, kei­ne Anschlusskosten i.S. von § 35 Abs. 1 Nr. 2 KAG sein sollen. Nachvollziehbar ist dies nicht, zumal es dem Gesetzgeber überhaupt nicht auf die (erschließungs- bzw. beitragsrechtliche) Selbstständig-keit oder Unselbstständigkeit von Kreis-verkehren ankam.

Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat dieses Thema gegenüber dem Land aufgegriffen und die zuständigen Lan-desministerien darum gebeten, die Bei-tragsfähigkeit der Kosten von (auch selbstständigen) Kreisverkehrsanlagen ausdrücklich im Kommunalabgabenge-setz klarzustellen, wie dies nicht nur 2009, sondern bereits 2005 in der Geset-zesbegründung als Vorstellung des Ge-setzgebers klar zum Ausdruck kam. Denn es ist nicht nachvollziehbar, wa-rum hier zwischen selbstständigen Kreis-verkehrsanlagen und unselbstständigen Kreisverkehren (deren Mittelinsel über-fahren werden kann), unterschieden

werden soll (und die Kosten letzterer vom VGH wohl als beitragsfähig gese-hen werden).

Allerdings besteht bisher seitens des Mi-nisteriums für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg bislang keine Be-reitschaft zu einer entsprechenden ge-setzlichen Klarstellung. Es hält im Ge-genteil die Auffassung des VGH Mann-heim für zutreffend und hat die kom-munalen Landesverbände darum gebeten, die Zahl der Fälle, in denen Kreisverkehre als selbstständige Ver-kehrsanlagen in Folge der Rechtspre-chung nicht abgerechnet werden konn-ten bzw. aktuell nicht abgerechnet wer-den können, mitzuteilen sowie um An-gaben zur Höhe der dadurch nicht beitragsfähigen Kosten gebeten. Der Gemeindetag Baden-Württemberg wird versuchen, über die Mitglieder entspre-chende Zahlen zu gewinnen. Nachdem es in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu einer KAG-Novelle kommen wird, wird auch die gesetzliche Klarstel-lung zur Beitragsfähigkeit selbstständi-ger Kreisverkehre nicht mehr in dieser Legislaturperiode zu erreichen sein.

Im Urteil vom 20.03.2015 – Az. 2 S 1327/14 – hat sich der VGH Mannheim mit der in der Praxis immer wieder auf-tretenden Frage beschäftigt, wann die Fahrbahn einer Anbaustraße nach Bauprogramm und technischem Aus­bauprogramm endgültig hergestellt ist mit der Folge, dass spätere Verände-rungen nicht mehr erschließungsbei-tragsfähig sind. Diese Frage stellt sich vielerorts, wenn an älteren Straßen grö-ßere Straßenerneuerungsmaßnahmen bis hin zum vollständigen Austausch des Straßenoberbaus (Deckschicht und darunter liegende Tragschicht) durchge-führt werden und zu beantworten ist, ob der „neue“ Straßenoberbau zur erst-maligen endgültigen Herstellung führt und diese Kosten beitragsfähig sind oder ob die bereits länger zurückliegen-de Anlegung der Fahrbahn die erstmali-ge Herstellung war und lediglich die damaligen Kosten erschließungsbei-tragsrechtlich ansatzfähig sind. Das bei-tragsrechtliche Schicksal älterer oder ganz alter Straßen stellt auch in der bei-tragsrechtlichen Beratungstätigkeit der

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nach wie vor die Auffassung bzw. Emp-fehlung von Strauß (BWGZ 2006 Seite 664), bei Aufnahme einer Tiefenbegren-zungsregelung in die Beitragssatzung diese ausschließlich auf Grundstücke in der Randlage im Übergang zum Außen-bereich zu beschränken, wie dies bereits seit 2005 im Satzungsmuster des Ge-meindetags vorgesehen ist (vgl. BWGZ 17/2005 Seite 634, 657).

Eine hinter einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung zurückbleibende Klarstellungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB gehe, so das BVerwG, für die Bestimmung des Erschließungs-vorteils der Tiefenbegrenzung als spezi-ellere Regelung vor. Dieser Auffassung des BVerwG ist auch für das landes-rechtliche Erschließungsbeitragsrecht zu folgen. Nicht zu folgen ist der Auffas-sung des BVerwG indes, die Tiefenbe-grenzung als speziellere Regelung habe im Erschließungsbeitragsrecht Vorrang, wenn der Geltungsbereich der Klarstel-lungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr.1 BauGB über die Tiefenbegrenzung hin-ausreiche. Denn auch hier zieht die Klarstellungssatzung – wenn auch de-klaratorisch – die Grenze zwischen In-nen- und Außenbereich so eindeutig, dass für die Anwendung einer beitrags-rechtlichen Tiefenbegrenzungsregelung kein Raum ist.

Zur Beseitigung von Zweifelsfragen soll-te die Gemeinde, wenn sie eine Tiefen-begrenzung in ihre Erschließungsbei-tragssatzung aufnimmt, den Anwen­dungsbereich der beitragssatzungs­rechtlichen Tiefenbegrenzung auf Grundstücke in der Randlage vom Übergang in den Außenbereich be­schränken und einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB den Vorrang vor der beitragsrechtlichen Tiefenbegren­zung einräumen (so genannte qualifi-zierte Tiefenbegrenzung), wie dies das aktuelle Satzungsmuster des Gemeinde-tags vorsieht.

Im Urteil des BVerwG vom 12.11.2014 – 9 C 4.13 – (BWGZ 2015 Seite 428) ging es schließlich um so genannte nicht ge­fangene Hinterliegergrundstücke in den Fällen der Eigentümeridentität. Solche Fallkonstellationen treten auch

Geschäftsstelle einen Schwerpunkt dar. Hier knüpft der VGH Mannheim an die Rechtsprechung des Bundesverwal-tungsgerichts an: Ist eine Anbaustraße insgesamt oder eine ihrer Teilanlagen (etwa die Straßenentwässerung) im oben beschriebenen Sinne bereits durch eine frühere Baumaßnahme endgültig hergestellt worden, ist die Gemeinde ge-hindert, die Anbaustraße oder die Teil-anlage im Zuge eines späteren Ausbaus wieder mit erschließungsbeitragsrecht-licher Auswirkung zu ändern. Berück-sichtigungsfähig sind dann vielmehr nicht die Änderungskosten eines späte-ren Ausbaus, sondern ausschließlich diejenigen Kosten, die durch die erstma-lige, seinerzeit bereits endgültige Fertig-stellung entstanden sind.

In dem genannten Urteil stellt der VGH Mannheim – für die Praxis äußerst wichtig –klar, dass für die Beantwortung der Frage, ob eine Teileinrichtung einer Erschließungsanlage (z.B. die Fahrbahn) mit kostenbegrenzender Wirkung be-reits früher endgültig hergestellt wor-den ist, die Rechtmäßigkeit der Straßen-herstellung nach § 125 BauGB keine Rolle spielt. Eine endgültige Herstellung mit kostenbegrenzender Wirkung durch die bis Ende der 1960er-Jahre durchge-führten Baumaßnahmen könne, so der VGH Mannheim, nicht bereits deshalb verneint werden, weil die Herstellung einer Erschließungsanlage gemäß § 125 Abs. 1 BauGB einen Bebauungsplan vo-raussetze und ein solcher erst seit dem Jahr 2006 existiere. Führen allerdings spätere Straßenbaumaßnahmen nicht lediglich zu Änderungen an einer be-reits endgültig hergestellten Straße, son-dern wird damit eine völlig neue Er-schließungsanlage hergestellt, die mit der ausgebauten Anlage nicht identisch ist (so genanntes Aliud), so entstehen für dieses Aliud (neue) Erschließungs-beitragspflichten.

Licht und Schatten gibt es auch in der Rechtsprechung des Bundesverwal-tungsgerichts, die weiterhin auf das ba-den-württembergische Erschließungs-beitragsrecht ausstrahlt und teils auf heftige Kritik stößt (Driehaus, u.a. in KStZ 2015 S. 61 und parallelen Veröf-fentlichungen in weiteren Medien).

So hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 21.01.2015 – Az. 9 C 1.14 – (BWGZ 2015 Seite 572) die im Jahr 1990 vom Gericht selbst gesetzte Missbilligungsgrenze für Ablösungs­verträge wieder aufgegeben. Dieser Ent-scheidung ist uneingeschränkt zuzu-stimmen. Sie wird wohl auch vom VGH Mannheim in die Rechtsprechung zu § 26 KAG übernommen werden. Wie in den Anmerkungen zur Urteilsveröffent-lichung (BWGZ 2015 Seite 572) darge-legt, ist den Gemeinden entgegen Drie-haus (a.a.O.) keinesfalls anzuraten, eine entsprechende Missbilligungsgrenze in die örtlichen Ablösungsbestimmungen bzw. Ablösungsregeln aufzunehmen. Wenn diese Grenze schon von der Rechtsprechung mit guten Gründen aufgegeben wird, dann sollte sie die Ge-meinde nicht in ihr örtliches Recht übernehmen und dieses damit angreif-bar machen.

Die Abgrenzung zwischen dem er­schließungsbeitragsrechtlich relevan­ten Innenbereich und dem Außenbe­reich ohne Baulandqualität sowie das Verhältnis einer Tiefenbegrenzung in der Erschließungsbeitragssatzung zu einer Abgrenzungssatzung waren Ge-genstand der Entscheidungen des BVerwG vom 12.11.2014 – Az. 9 C 7.13 und 9 C 9.13 – (BWGZ 2015 Seite 188). Auch für die baden-württembergischen Kommunen sehr wesentlich (vgl. § 40 KAG) sind die Hinweise des Gerichts, dass die typische wohnakzessorische Nutzung bebauter Grundstücke, insbe-sondere ein Hausgarten, bei zutreffen-der Beurteilung der örtlichen Verhält-nisse regelmäßig noch ganz oder teil-weise dem Innenbereich zugeordnet werden könne. Für die Ermittlung der erschlossenen Flächen bei nicht über-planten Grundstücken in der Randlage zum Außenbereich ist dies eine wertvolle Abgrenzungshilfe.

Der Anwendungsbereich einer sat-zungsrechtlichen Tiefenbegrenzung sei im Übrigen, so das BVerwG, nicht dar-auf beschränkt, den Innen- vom Außen-bereich abzugrenzen (wie Urteil vom 01.09.2004 – 9 C 15.03 – BWGZ 2004 Seite 945). Für das landesrechtliche Er-schließungsbeitragsrecht im KAG gilt

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im landesrechtlichen Erschließungsbei-tragsrecht in der Beratungspraxis immer wieder auf, wenn das Anlieger- und das Hinterliegergrundstück im selben Ei-gentum stehen und das (selbstständig nutzbare) Hinterliegergrundstück über die verkehrliche Erreichbarkeit von ei-ner weiteren Anbaustraße verfügt. Hier ist die Linie des VGH Mannheim für das landesrechtliche Erschließungsbeitrags-recht noch nicht ganz klar vorgezeich-net (vgl. Urt. vom 11.10.2012 – 2 S 1419/12 –, KStZ 2013).

Schließlich wäre noch auf das Urteil des BVerwG vom 05.05.2015 – 9 C 14.14 – (BWGZ 2015 Seite 674) hinzuweisen, das auch im baden-württembergischen Erschließungsbeitragsrecht im einen oder anderen Fall zu Zweifelsfragen füh-ren könnte: Es geht um den Funktions­wandel einer früheren Außenbe­reichsstraße zu einer Anbaustraße und die Beitragsfähigkeit der für die Herstellung der später in eine Anbau-straße umgewandelten Außenbereichs-straße aufgewandten Kosten. Das Urteil legt hier nahe, dass auch die Kosten, die für den Bau der Außenbereichsstraße angefallen und bei der Herstellung als Anbaustraße mitverwendet werden konnten, beitragsfähige Kosten sein sol-len. Dieser Ansatz erscheint zu weitge-hend. Wenn eine Gemeinde ganz be-wusst eine im Außenbereich verlaufen-de Straße hergestellt hat, die später nach Funktionswandel zu einer Anbaustraße wird, spricht einiges dafür, die Mitver-wendung des vorhandenen Ausbauzu-stands als ersparte Kosten zu behandeln. Anders wäre es nur, wenn die Gemeinde bereits (mit einem Bauprogramm) den Funktionswandel zur Anbaustraße im Auge hat und mit Blick darauf die (Noch-)Außenbereichsstraße entspre-chend „ertüchtigt“.

Erschließungsverträge und städtebauliche Verträge nach dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung

Durch das Gesetz zur Stärkung der Innen-entwicklung vom 11.06.2013 (BGBl. I 2013 Seite 1548) wurde u.a. die Regelung zum Erschließungsvertrag aus § 124 BauGB in § 11 BauGB vorgezogen. Dabei wurde auch klargestellt, dass die Ge-meinden mit einer Eigen- oder Beteili-gungsgesellschaft Erschließungsverträge schließen dürfen.

Dem war vorausgegangen, dass das Bun-desverwaltungsgericht im Falle einer ba-den-württembergischen Stadt entschie-den hatte, dass eine kommunale Eigen- oder Beteiligungsgesellschaft nicht als Dritter i.S. des § 124 BauGB und damit als Vertragspartner eines Erschließungs-vertrags in Frage käme (Urteil vom 01.12.2010 – 9 C 8.09 – BWGZ 2011 Seite 493). Zugleich hat der Gesetzgeber den Standortwechsel genutzt, den insbeson-dere als Folgekostenvertrag bekannten städtebaulichen Kostenabwälzungsver-trag auch für beitragsfähige Erschlie-ßungsanlagen und Anschlusseinrichtun-gen zugänglich zu machen.

Wie bereits in BWGZ 2/2014 Seite 99 ausführlich dargestellt, wirft die Neure-gelung mehr Fragen auf und führt zu neuen Rechtsunsicherheiten und sogar Hemmnissen, als dass sie den kommu-nalen Entscheidungsspielraum nen-nenswert stärken würde. Zum einen greift die „zeitliche Sperre“ des § 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB nun auch für den Abschluss von Erschließungsverträgen, was die eine oder andere Kommune aktuell bereits als unerwartetes Hinder-nis für den Vertragsabschluss leidvoll erfahren musste.

Zum anderen ist auch nach der gesetz-lichen Neuregelung nach wie vor die Frage offen, ob in Erschließungsver-tragsgebieten Anschlussbeiträge ent-stehen und wie mit diesen im Erschlie-ßungsvertrag umzugehen ist. Der Ge-meindetag Baden-Württemberg vertritt – wie auch die Gemeindeprüfungsan-stalt Baden-Württemberg (GPA-Mittei-lung 2/2014 vom 15.8.2014) – die Auf-

fassung, dass nach der Rechtsänderung durch die BauGB-Novelle 2013 das Ent-stehen von Anschlussbeiträgen in Er-schließungsvertragsgebieten nicht aus-geschlossen ist, da der Anschlussbei-trag bekanntlich nicht nur die Gegen-leistung für die Wasserleitung oder den Kanal im Vertragsgebiet darstellt, son-dern für die Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Einrichtung in ihrer Ge-samtheit – mit allen damit verbunde-nen Kosten.

Auch die verschiedenen Fragen, ob, bis wann und unter welchen Voraus-setzungen die Kosten beitragsfähiger Erschließungsanlagen oder Anschluss-einrichtungen zum Gegenstand eines städtebaulichen Kostenabwälzungs-vertrags gemacht werden dürfen und ob bzw. unter welchen Voraussetzun-gen das Entstehen landesrechtlicher Erschließungs- und Anschlussbeiträge durch den Abschluss eines solchen Vertrags „gesperrt“ wird, wurden in der BWGZ 2/2014 dargestellt. Sie sind v.a. mit Blick auf die dem Bund nicht zugängliche Gesetzgebungskompe-tenz der Länder für das Kommunalab-gabenrecht spannend. Die Praxis hat – den Empfehlungen des Gemeinde-tags folgend – hier bisher größte Zu-rückhaltung geübt.

Der Gemeindetag hatte die zuständigen Landesministerien darum gebeten, mit der notwendigen Anpassung des Kom-munalabgabengesetzes an die Änderun-gen des BauGB auch das Verhältnis zwi-schen Erschließungs- und städtebau-lichen Verträgen und dem landesrecht-lichen Beitragsrecht aus Sicht des Landesgesetzgebers klarzustellen. Da es aber bis zuletzt keine Bereitschaft seitens des Landes für eine KAG-Novelle gab, wird es nun auch in der restlichen Legis-laturperiode nicht mehr zu einer KAG-Novelle und den notwendigen Klarstel-lungen kommen.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammen-hang ferner auf die GPA-Mitteilung Nr. 1/2014 vom 07.07.2014 (Vergabe-recht und Verträge im Städtebau), wo auch zur Ausschreibung von Leistungen in Erschließungsverträgen Stellung ge-nommen wird.

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hen nun 60 Prozent der Mittel für den Umweltverbund zur Verfügung. Zudem ist vorgesehen, in Zukunft weniger be-sonders kostenintensive Großmaßnah-men zu fördern, wenn diese verkehrlich nicht besonders dringlich sind. Stattdes-sen soll die Zahl der geförderten Projekte insgesamt erhöht und zeitgleich die Zahl der Förderanträge und der tatsächlich gewährten Förderungen einander ange-nähert werden.

Positiv anzumerken ist, dass im geplanten § 2 Satz 1 Nummer 8 die Nachrüstung der Barrierefreiheit aufgenommen wird. Diese Norm dient auch der Umsetzung der Pflicht der Aufgabenträger des straßenge-bundenen ÖPNV aus § 8 Absatz 3 PBefG zur Herstellung von Barrierefreiheit im ÖPNV. Die Norm bezieht sich auf alle For-men des ÖPNV, womit auch der Schienen-verkehr umfasst ist. Förderfähig sind der Umbau und die Nachrüstung bestehender verkehrswichtiger Anlagen zur vollständi-gen Erreichung von Barrierefreiheit als ei-genständigem Vorhaben. Die Förderung ist hauptsächlich auf Nachrüstungen aus-gerichtet, d.h. auf solche Fälle, in denen das Ziel relativ schnell und kostengünstig erreicht werden kann und keine teuren Ausbauten erforderlich sind. Nicht förder-fähig ist ein Umbau bzw. Ausbau, bei dem die Barrierefreiheit nur als Nebenzweck umgesetzt ist.

Darüber hinaus werden weitere neue För-dertatbestände in den § 2 LGVFG aufge-nommen. Insbesondere haben die Rad- und Fußverkehrsförderung Einzug in das LGVFG gefunden. Grundsätzlich ist es zwar zu begrüßen, dass auch diese verkehr-lichen Belange förderfähig werden. Aller-dings ist dies bei Beibehaltung des seitheri-gen Fördervolumens (165,5 Mio Euro für die Bereiche kommunaler Ausbau, ÖPNV und Radverkehr) in Anbetracht der geplan-ten Absenkung der Förderquote nach § 4 Absatz 1 nicht tragbar. Die Förderung er-folgt nur noch als Festbetragsförderung und ist in der Höhe auf 50 Prozent be-grenzt. Bislang wurden 75 Prozent der zu-wendungsfähigen Kosten gefördert. Die Absenkung der Förderquote unter Aufnah-me neuer förderfähiger Tatbestände führt zu einer massiven Erhöhung des Eigenan-teils der Kommunen. Aufgrund dessen ist diese Vorgehensweise abzulehnen.

Novelle des Landesgemeinde- verkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG)

Anfang September 2014 hat das Ministeri-um für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg den Gemeindetag darüber informiert, dass beabsichtigt sei, das LGVFG zu novellieren. So soll der Kreis der förderfähigen Vorhaben in § 2 LGVFG erweitert und modifiziert werden. Das übergeordnete Ziel des Landes sei es, das LGVFG angesichts der beschränkten Mit-tel auch für kostengünstigere kleinere Maßnahmen zu öffnen, um auf eine effizi-ente Weise die Modernisierung der Ver-kehrsinfrastruktur zu unterstützen. Im Be-reich des Baus und Ausbaus von verkehrs-leitenden Infor mationssystemen und Um-steigeanlagen (P & R) soll die Förderung der Vernetzung der Verkehrsmittel bei Umstei-gesituationen verbessert werden („andere Einrichtungen, die der Vernetzung ver-schiedener Mobilitätsformen dienen“).

Die Förderung der Radverkehrs- und (neu) Fußgängerinfrastruktur soll ausge-weitet werden. Der Fördertatbestand soll dann nicht nur den Straßenkörper erfas-sen, sondern er soll weiter gehen und auf weitere verkehrswichtige Elemente der kommunalen Rad- und Verkehrsinfra-struktur ausgedehnt werden. Die Förde-rung von Lärmschutzmaßnahmen soll künftig nicht mehr nur auf innerörtliche Straßen beschränkt bleiben. Die Finan-zierung soll ausschließlich als Festbe-tragsfinanzierung erfolgen; die Höhe des Fördersatzes soll nicht im Gesetz festge-schrieben werden.

Das Anhörungsverfahren folgt, sobald die Eckpunkte konkretisiert sind. Die Einfüh-rung neuer kleinerer Fördertatbestände birgt die Gefahr, dass – bei gleichbleiben-den Fördermitteln – das LGVFG sich weiter vom seitherigen Zweck zur Sicherung der elementaren kommunalen Verkehrsinfra-struktur entfernt. Über die Eckpunkte hat der Gemeindetag Baden-Württemberg in Gt-INFO Nr. 855/2014 vom 05.11.2014 berichtet mit der Verlinkung auf den voll-ständigen Text der Eckpunkte.

In der Präsidiumssitzung des Gemeinde-tags vom 13.05.2015 wurde bezüglich der Novelle des Landesgemeindeverkehrs-

finanzierungsgesetzes Folgendes beschlos-sen: Das Präsidium nimmt die Änderungen des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungs-gesetzes (LGVFG) zur Kenntnis und be-grüßt die Aufnahme der Nachrüstung der Barrierefreiheit als eigenen förderfähigen Tatbestand. Das Präsidium spricht sich ge-gen die Absenkung der Förderquote von 75 Prozent auf 50 Prozent der zuwendungs-fähigen Kosten aus. Dies führt im Zusam-menspiel mit der Erweiterung der förder-fähigen Tatbestände zu einer deutlichen Erhöhung des Eigenanteils der Kommunen beim kommunalen Straßenausbau.

Stellungnahme des Gemeindetags Baden­Württemberg

Mit Schreiben vom 12.06.2015 hat der Gemeindetag Baden-Württemberg zum Anhörungsentwurf wie folgt Stellung ge-nommen.

Das LGVFG in seiner bisherigen Fassung wurde zum 01.01.2011 neu geschaffen. Grund dafür war die im Rahmen der Föde-ralismusreform getroffene Entscheidung, das LGVFG als Bundesgesetz auslaufen zu lassen. Für die weggefallene Förderung er-hielten die Länder vom Bund ersatzweise Mittel aus dem so genannten Entflech-tungsgesetz. Diese Mittel sind bis zum Jahr 2019 begrenzt. Die Mittel aus dem Ent-flechtungsgesetz waren zunächst an ver-kehrliche Belange gebunden. Diese Zweckbindung ist seit dem 31.12.2013 weggefallen. Allerdings ist die verkehr-liche Zweckbindung nicht vollständig entfallen – die Mittel müssen weiterhin für investive Zwecke verwendet werden. Das Land hat sich bei der Schaffung des LGVFG dafür entschieden, den investiven Zweck der Verbesserung der Verkehrsver-hältnisse beizubehalten.

Ziel des Gesetzentwurfes ist es, eine Ver-besserung der Verkehrsverhältnisse im Sinne einer nachhaltigen Mobilität her-beizuführen. Die vorgesehenen Ände-rungen entstammen den Zielsetzungen der Koalitionsvereinbarung für die Aus-gestaltung des LGVFG. Das Gesetz soll mithin ökologosch, nachhaltig und kommunalfreundlich ausgestaltet wer-den, wozu 60 Prozent der Mittel für den Ausbau der Infrastruktur des Umweltver-bundes reserviert werden. Seit 2014 ste-

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der Landestarif sich selbst trägt, fallen im Gegensatz zu den Verbundtarifen beim Landestarif keine tarifbedingten Ausgleichszahlungen an. Der Initialauf-wand, der unmittelbar und ursächlich im Zusammenhang mit der Einführung des Landestarifs entsteht, wird nach Er-klärung des MVI in vollem Umfang vom Land getragen. Die Organisationskosten für die Verwaltung des Landestarifs wür-den bei voller Ausprägung der Landes-tariforganisation auf 1,5 Mio. Euro im Jahr veranschlagt und werden sich laut gutachterlicher Prognose aus den zu-sätzlichen Einnahmen des Landestarifs finanzieren. Eine finanzielle Belastung der kommunalen Aufgabenträger, die aus dem Landestarif resultiert, ist daher nicht zu sehen.

Problematisch bleibt die Einführung des Landestarifs in Bezug auf die Gestaltung der Anschlussmobilität. Laut MVI ist vorgesehen, dass die Anschlussmobili-tät obligatorisch im Ticket enthalten sein soll, wobei der Preis zusammen mit den Verbünden kalkuliert wurde. Ergeb-nis dieser Beratungen war, dass der Grundzuschlag für die Anschlussmobi-lität im Durchschnitt (vor Abzug von BahnCard-Rabatten) 60 Cent bei Ein-führung in ganz Baden-Württemberg beträgt bzw. 25 Cent bei Einführung in den 25 größten Städten Baden-Würt-tembergs. Dies soll durch eine Solidar-finanzierung umgelegt werden, was be-deutet, dass jeder Fahrgast diese Summe zusätzlich zu entrichten hat (auch dieje-nigen, die von der Anschlussmobilität keinerlei Gebrauch machen). Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass diese Werte bisher lediglich für die Anschlussmobi-lität hinsichtlich des Zielortes kalkuliert wurden. Ob und um wie viel sich die Preise erhöhen, sofern noch die An-schlussmobilität vom Startort einbezo-gen wird, ist derzeit unklar.

Weiterhin sollen laut MVI die Erfahrun-gen aus anderen Bundesländern zeigen, dass die Einführung des Landestarifs zu spürbaren Nachfrage- und Einnahme-steigerungen führe. Nach den uns vorlie-genden Erfahrungswerten besteht nur ein geringer Prozentsatz an Reisenden, die von dieser Einführung profitieren bzw. diese in Anspruch nehmen würden.

Landestarif

Ende September 2014 hat das Ministeri-um für Verkehr und Infrastruktur in ei-nem Gespräch mit den kommunalen Landesverbänden Grundzüge des „Lan-destarifkonzeptes“ vorgestellt und die Gründe für die Erforderlichkeit des Lan-destarifs erläutert: Vereinfachung der Tariflandschaft im verbundgrenzüber-schreitenden SPNV/ÖPNV in Baden-Württemberg (Motto: eine Reise, ein Ticket), unternehmensneutrale Tarif-struktur als Voraussetzung für einen gut funktionierenden SPNV-Wettbewerb, Wegbereiter für innovative Vertriebsfor-men (bes. E-Ticketing, stationärer und mobiler Internetvertrieb). Für den Ge-meindetag Baden-Württemberg stellt sich die Frage nach der Erforderlichkeit des Landestarifs – besonders in Anbe-tracht der bereits bestehenden verbund-grenzüberschreitenden Tarifangebote und des Baden-Württemberg-Tickets – sowie die Frage nach der Finanzierung des Landestarifs.

Jenseits der bereits bestehenden, die Ver-bundgrenzen überschreitenden Tarif-angebote und auch jenseits des Baden-Württemberg-Tickets ist nach dem „Lan-destarifkonzept“ des MVI der Landestarif erforderlich. Bestehende verbundgrenz-überschreitende Tarifangebote sind un-terschiedlich ausgestaltete und zumeist nur bilaterale Vereinbarungen zwischen Verkehrsverbünden, die sich auf einzel-ne Ticketarten und auf die Relationen zwischen einem Verbund und seinem

Nachbarverbund beschränken. Der Lan-destarif dagegen schafft mit einem vol-len Tarifsortiment ein landesweit ein-heitliches Tarifangebot für alle verbund-grenzenüberschreitenden Verkehre. Das Tarifangebot „Baden-Württemberg- Ticket“ ist zwar ein landesweit gültiges Tarifangebot für verbundgrenzenüber-schreitende Verkehre, ist jedoch als Tages-ticket mit zeitlicher Einschränkung aus-gestaltet und gilt nicht in Fernverkehrs-zügen. Der Landestarif dagegen schafft dieses landesweit gültige Tarifangebot auch im Einzel- und Zeitkartenbereich, der heute 50 Prozent der Fahrten im ver-bundgrenzenüberschreitenden Verkehr betrifft. Außerdem soll der Landestarif auch im Fernverkehr gelten.

Zur Finanzierung des Landestarifs wur-de das MVI darauf hingewiesen, dass aus der Sicht der kommunalen Landes-verbände die Erforderlichkeit eines Lan-destarifs sowohl per se als auch hin-sichtlich Inhalt und Ausgestaltung und damit auch die ungeklärte Finanzie-rungsfrage klärungsbedürftig ist. Damit verbunden ist die Befürchtung, dass Kosten für Einführung und Betrieb des Landestarifs auch bei den kommunalen Aufgabenträgern anfallen. Die dazu prä-zisierten Fragen hat das MVI zwischen-zeitlich beantwortet.

Zu unterscheiden sind der Initialauf-wand für die Einführung des Landes-tarifs und die Organisationskosten für die Verwaltung des Landestarifs. Da die Tarifkonzeption der Vorgabe folgt, dass

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ten bis zum marktseitigen Start der 1. Stufe übernehmen will, die Kosten der Stufe 2 anschließend vollumfäng-lich von den Verbünden bzw. Aufgaben-trägern zu tragen sind. Gleichzeitig wird bei den Aufgabenträgern/Verbünden keine Bereitschaft gesehen, diese Kosten zu übernehmen.

Die kommunalen Landesverbände se-hen nach wie vor das Land in der Pflicht, die notwendigen Finanzmittel zur Ein-führung des Landestarifs bereitzustel-len. Auch wird erwartet, dass das Land entsprechende Ausgleichsleistungen vornimmt, sollte es nicht gelingen, den Landestarif einkommensneutral einzu-führen. Es bleibt festzuhalten, dass die kommunalen Landesverbände so lange die Absichtserklärung nicht mitzeich-nen können, wie das Land es unterlässt, entsprechend klare Aussagen zur Finan-zierung der 2. Stufe vorzunehmen. Eine solche Zusage wurde bereits mehrfach eingefordert, ohne jedoch konkrete An-gaben diesbezüglich zu erhalten.

Das Präsidium des Gemeindetages Ba-den-Württemberg hat sich in der Sitzung vom 25.02.2015 dafür ausgesprochen, die weiteren Maßnahmen zur Einfüh-rung des Landestarifs eingehend weiter-zuverfolgen und einer kritischen Prü-fung zu unterziehen, um insbesondere auf eventuelle Mehrkosten für Kommu-nen frühzeitig hinweisen zu können.

Finanzierungskonzept bleibt vage

Ferner bleibt auch das gesamte Finanzie-rungskonzept des Landestarifs vage. Das Land hat mit Schreiben vom 16.10.2014 sowie im Spitzengespräch vom 07.01.2015 nochmals bestätigt, dass der Initial-aufwand, der unmittelbar und ursäch-lich im Zusammenhang mit der Einfüh-rung des Landestarifs steht, in vollem Umfang vom Land getragen wird. Auf Nachfrage bei der 4. Lenkungskreissit-zung am 22.01.2015, welches denn nun die Initialkosten seien, die das Land übernehme bzw. ob auch Kosten im Be-reich Fahrkartenautomaten/Busdrucker übernommen werden, wurde geantwor-tet, dass für Leistungen, bei denen die Kosten nicht über die ausgeschriebenen Verkehrsverträge übernommen werden, eine Abstimmung im Einzelfall erfolge. Die Aussage des Ministers und des Minis-terialdirektors bleibe weiterhin beste-hen, wonach die ursächlich auf den Lan-destarif zurückzuführenden Kosten vom Land übernommen werden.

Die zu gründende Tarifgesellschaft soll als Landestarif Mischgesellschaft ausgestaltet werden und alle relevanten Akteure ein-binden sowie zeitgleich die Zuständigkei-ten möglichst klar abgrenzen. Wesent-liches Konstruktionselement sind hierbei zwei Vertragskreise. Unterschieden wer-den Zuständigkeit und Betroffenheit im Bereich „Verbundgrenzen überschreiten-de Verkehre“ sowie im Bereich „An-schlussmobilität in Verbünden“. Die zwei Vertragskreise sind über die Rahmenver-einbarung LT-Verbünde verknüpft.

Vorgesehen sind ferner differenzierte Entscheidungsstrukturen. Bei Mehr-heitsentscheidungen ist die Kombinati-on aus absoluter Mehrheit und einfa-cher Mehrheit vorgesehen. Bei wich-tigen Grundsatzentscheidungen ist ein Konsens erforderlich. Hinsichtlich der Teilnahme gilt, dass diejenigen, die im Rahmen der Erlösverantwortung an den Landestarifeinnahmen Tarifhoheit be-anspruchen, auch an der Landestarifor-ganisation Beteiligung zeigen sollen. Allerdings ist keine Zwangsmitglied-schaft vorgesehen. Darüber hinaus soll laut dem MVI die Finanzierung der Or-ganisationskosten so weit wie möglich

aus den zusätzlichen Einnahmen des Landes erfolgen. Ob dieses Ziel erreicht werden kann, stellt sich als fraglich dar. Das Thema wurde innerhalb der Len-kungskreissitzungen kontrovers disku-tiert, zumal die Befürchtung besteht, dass die Kosten für die LT-Gesellschaft auf den Ticketpreis umgelegt werden.

Festzuhalten bleibt, dass das Finanzie-rungskonzept bezüglich des Initialauf-wands und der Organisationskosten unklar bleibt. Zwar wird seitens des MVI darauf Wert gelegt, dass bei kom-munalen Aufgabenträgern keine Mehr-ausgaben bzw. Mindereinnahmen be-stehen, jedoch bestehen dahingehend noch Bedenken.

Im Zuge der Einführung des Landes-tarifs ist zunächst die Unterzeichnung einer so genannten „Absichtserklärung“ geplant. Aus Sicht der kommunalen Landesverbände beinhaltet die vorge-legte Absichtserklärung eine Vorfestle-gung zur Einführung der Stufe 2. Diese Vorgehensweise wurde gegenüber dem MVI von Seiten der kommunalen Lan-desverbände bereits mehrfach ange-mahnt. Nichtsdestotrotz findet sich in der Regelung zur Finanzierung inner-halb der Absichtserklärung kein Hin-weis mehr auf die Stufe 2. Diese Vorge-hensweise bestärkt die kommunalen Landesverbände in der Befürchtung, dass das Land nur die Einführungskos-

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Programmfortschreibung bei den Regie-rungspräsidien einzureichen, sofern ei-ne Förderung nach LGVFG weiterhin angestrebt wird. Es erfolgt keine auto-matische Berücksichtigung von bereits früher eingereichten Maßnahmenvor-schlägen durch die Regierungspräsidi-en. Sofern keine inhaltlichen Änderun-gen vorgenommen werden, reicht ein kurzes Schreiben der Kommune, ohne erneute Zusendung der Gesamtunterla-gen. Der Gemeindetag Baden-Württem-berg hat mit Gt-info vom 22.09.2014 seine Mitglieder aufgefordert, Vorschläge zur Fortschreibung des Förderprogramms zu machen.

Pedelecs an Bahn­Haltepunkten – Fördermöglichkeiten im Rahmen der Landesinitiative Elektromobilität

Das Ministerium für Verkehr und Infra-struktur Baden-Württemberg hat die Städte und Gemeinden an Fördermög-lichkeiten von ausleihbaren Pedelecs an Bahn-Haltepunkten erinnert. Das MVI möchte in Ausführung des Koalitions-vertrags den Radverkehr in Baden-Württemberg fördern. Um mehr Men-schen zum Umstieg vom Auto auf das Rad zu bewegen, gibt es für Kommunen im Rahmen der Landesinitiative Elektro-mobilität II Fördermittel für die Be-schaffung von ausleihbaren Pedelecs an Bahn-Haltepunkten. Ziel ist es, Pend-lern, die täglich mit Bus oder Bahn zur Arbeit fahren, die Möglichkeit zu bie-ten, auch die „letzte Meile“ nach Hause bequem mit einem Pedelec zurückzu-legen und dadurch auf Kurzstrecken mit dem Auto zu verzichten.

Für den Bau einer Pedelec-Station an Bahn-Haltepunkten haben sich bereits zahlreiche Kommunen entschieden. Im Oktober 2013 konnte die erste Station in Bietigheim-Bissingen ihren Betrieb aufnehmen. Weitere werden im laufen-den Jahr folgen. Um solche Vorhaben in allen Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg zu unterstützen, fördert das Ministerium die Beschaffung von ausleihbaren Pedelecs mit 50 Prozent des Anschaffungspreises, jedoch maxi-mal 2000 Euro pro Pedelec. Städte und Gemeinden können sich hierüber aus-führlich im Internet informieren:

Rad- und Fußgängerverkehr aufwerten

Die im Jahr 2014 vom Ministerium für Verkehr und Infrastruktur vorgeschlage-nen und begonnenen Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs haben ihre Grundlage im grün-roten Koalitionsver-trag vom 27.04.2011. Danach wollen die Koalitionäre Baden-Württemberg zu einem fußgänger- und fahrradfreund-lichen Land machen. Dazu soll der Rad-verkehr im Rahmen einer nachhaltigen Verkehrspolitik aufgewertet werden und zwar nicht nur in der Freizeit und beim Tourismus, sondern auch als Ver-kehrsmittel im Alltag.

Das bestehende derzeit noch lückenhaf-te Radwegenetz soll attraktiver und si-cherer gemacht und vor allem flächen-deckend ausgebaut werden. Um die Radwegeinfrastruktur unabhängig vom Straßenbau sinnvoll weiterentwickeln zu können, soll im Landeshaushalt ein eigener Haushaltstitel für den Bau von Radwegen eingerichtet werden. Der Rad- und Fußgängerverkehr in Baden-Württemberg soll bei der Verkehrspla-nung nicht nur die Flächen zugestan-den bekommen, die übrig bleiben. Ziel ist die Steigerung des landesweiten Anteils des Radverkehrs an der Zahl der zurückgelegten Wege auf 20 Prozent. Weiteres Ziel ist die Steigerung des Anteils der nach dem Landesgemeinde-verkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) geförderten Investitionen für den Fuß-gänger- und Radverkehr.

Am 24.02.2015 fand die Auftaktveran-staltung des MVI zur Förderung des Fuß-verkehrs statt. Unter dem Motto „Los geht‘s“ wurde zu mehr körperlicher Be-tätigung mithilfe des Laufens aufgeru-fen. Neben den gesundheitlichen Vor-teilen wurden auch die Vorzüge für die Umwelt wie auch für den Städtebau aufgezeigt. Im Zuge dessen wurde auch der Fußverkehrs-Check für Baden-Würt-temberg ausgelobt, auf den mit Gt-INFO Nr. 539/2015, Druckausgabe vom 22.06.2015, hingewiesen wurde.

Die Gewinner wurden auf der Veranstal-tung des MVI am 27.07.2015 bekannt-gegeben. Aufgrund der guten Resonanz

hatte sich das MVI kurzfristig dazu ent-schieden, nicht wie ursprünglich ge-plant nur 10, sondern vielmehr 15 Kommunen in den Genuss des Fußver-kehrs-Checks kommen zu lassen. Bei den Fußverkehrs-Checks bewerten Bür-gerinnen und Bürger sowie Verwaltung und Politik im Rahmen von Workshops und Begehungen im Dialog die Situati-on für den jeweils örtlichen Fußverkehr. Mit der Unterstützung des Fachbüros Planersocietät erarbeiten sie einen kon-kreten Maßnahmenplan, um die Wege zu Fuß künftig noch attraktiver und si-cherer zu gestalten.

Fortschreibung des Förderprogramms kommunale Rad­ und Fußverkehrs­infrastruktur

Das Ministerium für Verkehr und Infra-struktur hatte Mitte August 2014 die Kommunen aufgefordert, bis spätes-tens zum 30.09.2014 Vorschläge für Infrastrukturmaßnahmen zur Fort-schreibung des Förderprogramms kom-munale Rad- und Fußverkehrsinfra-struktur nach dem Landesgemeinde-verkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) zu übersenden. Grundlage der Förde-rung ist bisher die Richtlinie des Minis-teriums für Verkehr und Infrastruktur zur Gestaltung und Förderung von Radverkehrsanlagen (RL-Radinfra-struktur) vom 01.06.2012. Darin ist be-nannt, welche Unterlagen der Anmel-dung von Fördervorhaben beizufügen sind. Die formale Antragsstellung er-folgt in einem zweiten Schritt nach Aufnahme des Vorhabens in das För-derprogramm. Besondere Beachtung sollten Maßnahmen finden, die im lau-fenden Entwicklungsprozess des Rad-NETZ Baden-Württemberg in der Ab-stimmung sind.

Das zuständige Regierungspräsidium ist als Prüfungs-, Entscheidungs- und Be-willigungsstelle Ansprechpartner für alle Fragen zum Förderprogramm. Maß-nahmen, die bereits in vergangenen Jahren bei den Regierungspräsidien als Vorschlag zur Programmaufnahme ein-gereicht wurden und bislang nicht bei der Programmfortschreibung berück-sichtigt werden konnten, sind erneut von den Kommunen als Vorschlag zur

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http://mvi.baden-wuerttemberg.de/de/ mobilitaet-verkehr/nachhaltige-mobilitaet/elektromobilitaet/landesinitiative.

„RadNETZ Baden­Württemberg“

Die Radverkehrsinfrastruktur ist regio-nal unterschiedlich ausgebaut. Durch eine umfassende Bestandsanalyse sollen Optimierungsmöglichkeiten aufgezeigt und Lücken geschlossen werden, um auch im Alltagsverkehr einen deutli-chen Anstieg der Radverkehrsnutzung zu erzielen. Ziel ist ein flächendecken-des, durchgängiges Routennetz alltags-tauglicher Fahrradverbindungen zwi-schen Mittel- und Oberzentren. Das RadNETZ Baden-Württemberg soll sich durch sichere und komfortable Stre-ckenführung, einheitliche und durch-gängige Beschilderung und konsequen-te Wartung auszeichnen.

Zur Ermittlung des Status werden Stre-cken im Umfang von rund 8000 Kilome-tern befahren und aus Radfahrerperspek-tive ausgewertet. Erfahrene Ingenieur-büros identifizieren entscheidende Qua-litätsmängel oder Lücken im Netz und erstellen Empfehlungen für eine zügige und kosteneffiziente Verbesserung. Un-ter Beteiligung der Landkreise, Städte und Gemeinden und sowie der Verbände wird dazu ein Netz entwickelt. Ziel ist es, die Routen zunächst möglichst schnell so herzurichten, dass diese durchgängig sicher befahren werden können. Nur Routen, die den Mindestkriterien ent-sprechen, werden beschildert.

Darüber hinaus wird das RadNETZ Schritt für Schritt weiter verbessert. Ziel ist es, das gesamte RadNETZ Baden-Württemberg attraktiv und sicher nach dem aktuellen Stand der Technik auszu-bauen. Die Bürger erhalten ein bedarfs-orientiert geplantes, komfortables und einfach zu nutzendes Radverkehrsange-bot, das im Alltag für Arbeits-, Schul- oder Einkaufswege, aber auch in der Freizeit bequem genutzt werden kann. Auf den als RadNETZ Baden-Württem-berg gekennzeichneten Routen fällt die Orientierung anhand einheitlicher Be-schilderung leicht. Qualitätsstandards sorgen dafür, dass das Netz durchgängig sicher befahren werden kann.

Die Politik und Planung vor Ort sind als aktive Partner in den Prozess integriert – so finden örtlicher Belange Berücksichti-gung und die Einbindung in die lokalen Radverkehrsnetze ist gewährleistet. Das Land stellt den Kommunen eine umfas-senden Bestandsaufnahme sowie erste Hinweise zur Behebung von Mängeln zur Verfügung und sorgt für eine Koordi-nation über Kreisgrenzen hinweg.

Durchgängige Radverkehrsverbindun-gen von einheitlich hohem Niveau ma-chen Alltagswege attraktiver, unterstüt-zen aber auch die Freizeitinfrastruktur (www.mvi.baden-wuerttemberg.de;www.fahrradland-bw.de).

AGFK­BW – Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen in Baden­Württemberg e.V.

Die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreund-licher Kommunen in Baden-Württem-berg e.V. (AGFK-BW) wurde im Mai 2010 mit Unterstützung der Landesregierung gegründet. Seither haben sich immer mehr Landkreise, Städte und Gemein-den dem Netzwerk angeschlossen – Ten-denz weiter steigend. Die Mitglieder pro-fitieren vom Erfahrungsaustausch, von Synergien in Projekten und von der Ar-beit der Geschäftsstelle, die das als Verein organisierte Netzwerk koordiniert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen werden dadurch unter-stützt; das eröffnet Möglichkeiten, die für eine Kommune allein nicht erreich-bar gewesen wären.

Um diese Ziele zu verwirklichen, unter-stützt die AGFK-BW ihre Mitglieder un-ter anderem bei der Öffentlichkeits-arbeit, im Handlungsfeld Mobilitäts-management und bei der Umsetzung von konkreten Projekten, beispielsweise der Aktion „Die Schul-Radler“ für die neuen Fünftklässler. Sie stößt For-schungsvorhaben an, von deren Ergeb-nissen die Kreise, Städte und Gemein-den profitieren, und dient als kommu-nale Interessenvertretung in Sachen Radverkehr gegenüber Dritten. Die AGFK-BW wird dabei ihrerseits von einer Kommunikationsagentur beraten.

Die AGFK-BW ist ein wichtiger Teil der Fahrradförderung des Landes und wird vom Verkehrsministerium finanziell und ideell unterstützt. So finanziert das Ministerium beispielsweise die AGFK-Geschäftsstelle bei der Nahverkehrsge-sellschaft Baden-Württemberg. Alle Städte und Gemeinden können Mitglie-der in der Arbeitsgemeinschaft Fahrrad-freundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e.V. werden, wenn sie sich dazu bekennen, den Radverkehr nach-haltig fördern zu wollen. Die Bereit-schaft zur Mitarbeit in der AGFK-BW muss deutlich werden, indem der Bür-germeister aktiv an der AGFK-Mitglie-derversammlung teilnimmt und einen fachlichen Mitarbeiter in den Fachar-beitskreis und in mindestens eine the-matische Arbeitsgruppe entsendet. Die Mitgliedsbeiträge betragen aktuell für Städte und Gemeinden mit bis zu 20.000 Einwohnern 1000 Euro im Jahr, für Städte und Gemeinden mit 20.000 bis 50.000 Einwohnern 2000 Euro. 3000 Euro ist der Jahresbeitrag für Landkreise sowie Städte mit 50.000 bis 100.000 Ein-wohnern. Städte mit mehr als 100.000 Bürgern zahlen 4000 Euro.

Weitere Informationen stehen im Inter-net unter www.agfk-bw.de/startseite/, u.a. die Broschüre des AGFK-BW zum Down-load. Städten und Gemeinden, die an ei-ner Mitgliedschaft interessiert sind, wird empfohlen, die Erfahrungen bei einem bestehenden Mitglied abzufragen.

RadSTRATEGIE Baden­Württemberg

Mit Schreiben vom 17.08.2015 hat das MVI den Entwurf der Radverkehrsstrate-gie Baden-Württemberg bekannt und zur Anhörung frei gegeben. Die Rad-STRATEGIE beinhaltet die strategische und konzeptionelle Grundlage für die Radverkehrsförderung in Baden-Würt-temberg in den kommenden zehn Jah-ren. Der Entwurf zur RadSTRATEGIE wurde unter Einbindung diverser Ak-teure erarbeitet. Darüber hinaus wurde zusätzlicher fachlicher Input in Form von Gutachten, Interwievs und Fach-veranstaltungen eingeholt.

Bezüglich der Stellungnahme wird auf die entsprechende Gt-INFO verwiesen.

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Für 2015/2016 hat der Landtag 4,5 Mil-lionen Euro für das Projekt bereitge-stellt. Damit kann das MVI die ersten Regiobuslinien fördern. In einer ersten Umsetzungsstufe soll sich die Förde-rung auf die Anbindung aller Mittel-zentren an den Schienenpersonennah-verkehr (SPNV) durch Regiobusse so-wie Lückenschlüsse zwischen Mittel-zentren konzentrieren.

Stellungnahme des Gemeindetags

Mit Schreiben vom 29.04.2015 hat der Gemeindetag Baden-Württemberg Stel-lung genommen.

Die Zielrichtung des Förderprogramms Regiobuslinien wird vom Gemeinde-tag grundsätzlich begrüßt. Insbesonde-re für Mittel- und Unterzentren im ländlichen Raum kann so punktuell ein sinnvoller Anschluss an den SPNV geschaffen werden. Allerdings wurde ebenso darauf hingewiesen, dass am 07.01.2015 ein Spitzengespräch zwi-schen dem MVI und den kommunalen Landesverbänden stattgefunden hat. Darin hatte man sich darauf geeinigt, dass die „förderfähigen Netze“ mit den kommunalen Vertretern und den Ver-bünden bezüglich des tatsächlichen Bedarfs vor Ort und der Kompatibilität mit den Nahverkehrsplänen rückge-koppelt werden. Eine solche Abstim-mung hatte jedoch nicht stattgefun-den, weswegen gebeten wurde, diesem Erfordernis noch nachzukommen.

Mit Gt-INFO Nr. 526/2015, Versandtag vom 28.05.2015, Druckausgabe vom 22.06.2015, hat der Gemeindetag Ba-den-Württemberg über das Förderpro-gramm Regiobuslinien informiert. Das MVI hatte mit Schreiben vom 26.05.2015 über die beabsichtigte Ein-führung des Förderprogramms „Regio-buslinien“ informiert und darauf hin-gewiesen, dass Aufgabenträger für Bus-verkehre im Sinne des § 6 ÖPNV an-tragsberechtigt sind. Die vom MVI beigefügten Dokumente wurden mit-tels oben genannter Gt-INFO verlinkt. Die Förderanträge sind im Zeitraum vom 15. Juni bis zum 31. August 2015 beim MVI einzureichen.

Regiobusse

Mit Schreiben vom 27.03.2015 hat das MVI sein Förderprogramm Regiobus-linien vorgestellt und gleichzeitig zur Anhörung freigegeben.

Die geplante Einführung der Regiobusse hat zum Ziel, die nachhaltige Mobilität zu fördern. Da die Anbindung an das Schienennetz nicht in jeder – insbeson-dere kleineren Kommune – gewährleis-tet ist, sollen die bestehenden Lücken zunächst ausgemacht werden, um diese anhand der Einführung der Regiobusse zu schließen und um auf diese Weise die Anbindung auch dieser Gebiete an grö-ßere Netze zu gewährleisten.

Die Vorgehensweise sieht dergestalt aus, dass das Netz der Regiobusse zunächst zu definieren ist. Dabei sollen die bisher nicht angebundenen Unter- und Mittel-zentren vorrangig in den Blick genom-men werden, d.h. die Regiobusse sollen dort zuerst eingeführt werden.

Zur Finanzierung hat das Land im lau-fenden Doppelhaushalt für 2015 einen Betrag von 1,5 Mio. Euro und für 2016 dann 3,0 Mio. Euro eingestellt. Ab 2017 beabsichtigt das Land, 1,5 Prozent der Regionalisierungsmittel (etwa 10 Mio. Euro) für dieses Konzept zur Verfügung zu stellen. Um zielgenau die bedarfsge-rechten Linien zu ermitteln, ist an eine je hälftige Finanzierung des Landes und der Aufgabenträger Busverkehr (Land-kreise) gedacht.

Die Zielrichtung dieser Initiative ist ausdrücklich zu begrüßen. Insbesonde-re für Mittel- und Unterzentren im ländlichen Raum kann so punktuell ein sinnvoller Anschluss an den SPNV geschaffen werden. Auch die jeweils hälftige Finanzierung ist zu unterstüt-zen, da auf diesem Wege einerseits ein gemeinsames Interesse eines bedarfs-gerechten Einsatzes der Regiobusse sichergestellt wird und andererseits mit den verfügbaren Landesmitteln mehr Regiobuslinien in eine Förderung kom-men können.

Der Gemeindetag Baden-.Württemberg hat in der Präsidiumssitzung vom 25.02.2015 beschlossen, die weiteren Maßnahmen zur Einführung der Regio-busse eingehend weiterzuverfolgen und einer kritischen Prüfung zu unterzie-hen, um insbesondere auf eventuelle Mehrkosten für Kommunen frühzeitig hinweisen zu können.

Das Ministerium für Verkehr und Infra-struktur hat in der Kabinettssitzung am 24.02.2015 den Entwurf seines Förder-programms „Regiobuslinien“ vorge-stellt. Ziel ist es, Bahnen und Busse im ganzen Land voranbringen. Weiterhin soll schrittweise möglichst flächende-ckend ein ganztägiger Stundentakt mit Zügen, Bussen oder Sammeltaxis er-reicht werden. Darüber hinaus sollen größere Lücken im Schienennetz mit hochwertigen, vertakteten Buslinien ge-schlossen werden.

Aus Sicht des Landes besteht das Pro-blem darin, dass nicht alle Mittel- und Unterzentren in Baden-Württemberg an das Schienennetz im Land angebun-den sind. Ein Neubau würde hohe In-vestitionen erfordern und ist mittelfris-tig nicht realisierbar. Ein landesweites Grundnetz von Regiobuslinien soll deshalb als kostengünstige Alternative mittelfristig alle zentralen Orte des Landes (Oberzentren, Mittelzentren, Unterzentren sowie die Verkehrsflug-häfen) mindestens stündlich anbin-den. Die Regiobuslinien sind aus Sicht des Landes ein Baustein aktiver Infra-strukturpolitik, insbesondere für den ländlichen Raum mit seinem weniger dichten Schienennetz.

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Als Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft sind wir für Unternehmen der ö�entlichen Hand und vornehmlich mittelständische private Unternehmen in den Bereichen Prüfung, Beratung, Planung, Gestaltung und Organisation tätig.

Unsere KompetenzWir haben spezielles praxisnahes Know-how auf den Gebieten:

Prüfung des Jahresabschlusses

Erstellung von Erö�nungsbilanz, Jahresabschluss und Gesamt- (Konzern-) abschluss

Gesellschafts-, Wirtschafts- und Steuerrecht

Betriebswirtschaftliche Beratungen

Beratung und Unterstützung bei der Einführung des neuen kommunalen Haushaltsrechts

Rekommunalisierung der Energieversorgung

Unsere SchwerpunkteWir unterstützen, prüfen und beraten kommunaleund private Unternehmen wie z. B.:

Energieversorger, Entsorgungsunternehmen undStadtwerke

Wohnungs- und Immobilienunternehmen

Projektentwicklungsgesellschaften

Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen

Verkehrsunternehmen

in unterschiedlichen Rechtsformen wie Kapital-gesellschaften, Eigenbetrieben, Zweckverbänden,Anstalten des ö�entlichen Recht u. a.

Mittelrheinische Treuhand GmbHWirtschaftsprüfungsgesellschaft - Steuerberatungsgesellschaft

www.m-treuhand.de

Unsere Niederlassung in Baden-Württemberg

Kriegerstraße 14 • 70191 StuttgartTel. 0711 686898-70Fax 0711 686898-79

www.wikom-ag.de

Berlin • Erfurt • Essen • Frankfurt am Main • Halle (Saale) • Hamburg • Koblenz • Köln • Leipzig • Mainz • Potsdam • Schwerin • Stuttgart

BWGZ_Die_Gemeinde_WikomMT_sw.pdf 1 24.09.2015 07:56:15

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954 Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015

licht hat, soll dieser Atlas nun durch ei-nen Wärmebedarfs-Atlas ergänzt wer-den. Derzeit arbeitet die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Natur-schutz (LUBW) an einem ersten Ent-wurf. Eine Veröffentlichung ist nicht vor Herbst 2015 zu erwarten. Die Ge-schäftsstelle wird per Gt-info berichten.

Initiative zur Energieberatungeinkommensschwacher HaushalteTrotz stetig sinkender Energiepreise an der Strombörse in Leipzig ist der Brutto-Strompreis für kommunale wie auch private Endverbraucher in den letzten Jahren stetig angestiegen. Verantwort-lich hierfür sind Steuern und Umlagen, die notwendig sind, um die Energie-wende bedingten Ausgaben zu refinan-zieren (EEG-Umlage, KWK-Umlage, Haftungsumlage Offshore, § 19 Ab. 2 StromNEV-Umlage etc.). Für einkom-mensschwache Haushalte – im Regelfall Haushalte, die staatliche Transferleis-tungen beziehen – stellt diese Entwick-lung ein Problem dar, welches in vielen Fällen darin gipfelt, dass aufgrund von Zahlungsrückständen der Strom abge-schaltet wird. Vor diesem Hintergrund haben Sozialministerium und Umwelt-ministerium im Jahr 2014 die Initiative zur Energieberatung einkommens-schwacher Haushalte gestartet. Konkre-ter Inhalt einer gemeinsamen Erklärung von Politik, Sozialbehörden, Stromver-sorgungsunternehmen, freien Wohl-fahrtsverbänden und den kommunalen Landesverbänden sollte nicht allein die Energieberatung, sondern auch die bes-sere Zusammenarbeit der einzelnen Ak-teure sein, beispielsweise bei einer dro-henden Stromabschaltung aufgrund von Zahlungsrückständen. Nach inten-siven Debatten, bei denen nicht zuletzt auch die Geschäftsstelle erfolgreich dar-auf hingewirkt hatte, einen Ausgleich zu finden zwischen neuen Angeboten zur Energieberatung, deren Finanzie-rung sowie Forderungen der freien Wohlfahrtsverbände nach der Ver-pflichtung von Versorgungsunterneh-men zu kostenintensiven Beratungs-strukturen mit zweifelhaftem Mehr-wert, kam die Erklärung aufgrund von für die freien Wohlfahrtsverbände nicht verhandelbaren Kernkritikpunkten nicht zustande.

Erneuerbare Energie – aber wie?

Mit dieser Fragestellung setzen sich in Baden-Württemberg auch im Jahr Fünf nach den Energiewende-Beschlüssen im Jahr 2011 viele Akteure auseinan-der. Die Energiepolitik von Städten und Gemeinden spielt dabei aufgrund der zunehmenden Dezentralität der Ener-gieversorgung eine immer maßgebli-chere Rolle. Denn auf kommunalen Gemarkungen werden die alternativen Energien angesiedelt, hier müssen Übertragungs- und Verteilnetze in ver-stärktem Maße ausgebaut und eine neue Infra- und Speicherstruktur ge-schaffen werden.

Das Spektrum der kommunalen ener-giewirtschaftlichen Themen wird somit stetig breiter. Gerade die Jahre 2014 und 2015 waren bzw. sind daher auch ge-prägt von vielfältigen Gesetzes-, Verord-nungs- und Programminitiativen von Bund und Land auf dem und um das Gebiet des Energiewirtschaftsrechts.

Herauszuheben ist hierbei die Novelle des Erneuerbare­Energien­Gesetzes im Frühjahr 2014 (EEG 2014), zu wel-cher der Gemeindetag Baden-Württem-berg eine eigene Stellungnahme gegen-über dem zuständigen Bundesministeri-um für Umwelt und Bauen abgegeben hat (vgl. u.a. Gt-INFO Nr. 261/14 vom 07.04.2014). Maßgebliche Forderungen und Inhalte der Novelle sind den Aus-führungen in BWGZ 2/2015 ab S. 68 zu entnehmen.

In der gleichen Ausgabe der BWGZ werden auch die Regelungen der Neu-auflage des Erneuerbare­Wärme­Ge­setzes (EWärmeG 2015) betrachtet, welches am 1. Juli 2015 in Kraft trat. Insbesondere die Ausdehnung des An-wendungsbereichs des Gesetzes auf kommunale Nichtwohngebäude im Bestand und die damit einhergehende Pflicht, beim Austausch oder nachträg-lichen Einbau einer Heizanlage min-destens 15 Prozent des Wärmeenergie-bedarfs durch Erneuerbare Energien abzudecken, werden für kommunale Gebäude, die häufig in den 1970er-Jahren errichtet wurden, finanzielle Belastungen darstellen. In Arbeitsgrup-

pen, Besprechungen im Umweltminis-terium sowie während der Anhörung hat der Gemeindetag Baden-Württem-berg versucht, die Folgen der Gesetzes-änderung für Städte, Gemeinden sowie deren selbstständige und unselbststän-dige Einrichtungen abzumildern. Im Besonderen wurde darauf verwiesen, dass Kommunen sinnvolle Investitio-nen in Energieeffizienz im Gebäudebe-reich bereits vielerorts getätigt hätten und eine Verschärfung der gesetzlichen Regelungen im Einzelfall energetische Sanierungsmaßnahmen verhindern oder zumindest verzögern kann.

Vor diesem Hintergrund war aus Sicht der Geschäftsstelle erfreulich, dass die Novellierung verschiedene Erfüllungs-optionen offen lässt, wie der gesetzli-chen Pflicht im Einzelfall entsprochen werden kann. In der Stellungnahme vom 29.09.2014 wurde insoweit bei-spielsweise das Instrument des Energe-tischen Sanierungsfahrplans als voll-wertige Erfüllungsoption ausdrücklich begrüßt.

Im Frühsommer 2015 folgte darauf die „Verordnung zum gebäudeindividuel-len energetischen Sanierungsfahrplan Baden-Württemberg (SFP-VO)“. Eine ausführliche Besprechung des Gesetzes-entwurfs erfolgte in BWGZ 1/2015 ab S. 70 sowie per Gt-INFO Nr. 295/2015 vom 20.03.2015. Wie sich die Neuerun-gen in der Praxis auswirken und welche zusätzliche Aufgabenfülle für die unte-ren Baurechtsbehörden damit einher-geht, bleibt abzuwarten.

IEEK und daraus hervorgehende Initiativen

Nachdem der Ministerrat am 15. Juli 2014 das Integrierte Energie- und Kli-maschutzkonzept (IEKK) für Baden-Württemberg verabschiedet hatte, wur-den im zweiten Halbjahr 2014 bereits erste der insgesamt 108 darin enthalte-nen Maßnahmen angegangen:

Energieatlas Baden­WürttembergNachdem das Umweltministerium be-reits im März 2013 einen online-basier-ten Potenzialatlas Erneuerbare Energien (www.potenzialatlas-bw.de) veröffent-

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955Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015 Geschäftsbericht

LandeskonzeptKraft­Wärme­KopplungAm 14.07.2015 hat die Landesregierung ihr Konzept zur Entwicklung der Strom- und Wärmeerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (Landeskonzept KWK) in Baden-Württemberg verab-schiedet. Ausgehend von der Zielmarke, dass im Jahr 2020 der Beitrag der KWK-Anlagen zur jährlichen Bruttostromer-zeugung auf rund 13 TWh (d.h. von bis-lang 12 Prozent auf 20 Prozent) gesteigert werden soll, und der für Sommer 2015 angekündigten Novellierung des KWK-Gesetzes des Bundes wurden im Rahmen eines Gutachtens des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR), des Zen-trums für Sonnenenergie- und Wasser-stoffforschung (ZSW) und von Dr. Joa-chim Nitsch Maßnahmenvorschläge er-arbeitet. Diese sahen unter anderem vor, im Wege einer Bundesrats initiative die Verpflichtung zur Aufstellung von kom-munalen Wärmeplänen zu fordern. Die Geschäftsstelle hat sich per Minister-schreiben gegen diesen Vorschlag ge-wandt und stattdessen angeregt, einen Anreiz für kommunale Wärmeplanun-gen über das Förderprogramm Klima-schutzPlus zu schaffen. In Bayern werden entsprechende Planungen bereits heute aus Landesmitteln mit Förderquoten von bis zu 70 Prozent gefördert. Dieser Vor-schlag wird nunmehr von Seiten des Um-weltministeriums geprüft, der einstweili-ge Verzicht auf gesetzliche Verpflichtun-gen wurde indes bereits zugesagt. Sobald weitere Ergebnisse vorliegen, wird die Geschäftsstelle per Rundschreiben infor-mieren.

Ein weiterer Maßnahmenvorschlag aus dem Landeskonzept KWK lautete, den Bau von zukunftsfähigen Wärme­netzen in Baden-Württemberg zeitnah voranzutreiben. Die bestehenden För-dertatbestände im Programm Klima-schutzPlus sollen daher überarbeitet und die Mittel aufgestockt werden. Konkrete Ergebnisse hierzu liegen der Geschäfts-stelle noch nicht vor (Stand: Juli 2015).

Ausbau der Stromübertragungsnetze in Baden­Württemberg

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hatte am 27.02.2015 den zweiten Entwurf des

Netzentwicklungsplans (NEP) Strom 2024 veröffentlicht und eine bundes-weite Konsultation gestartet, bei wel-cher der Gemeindetag Baden-Württem-berg eine eigene Stellungnahme abge-geben hat.

Entgegen des Vorschlags des Übertra-gungsnetzbetreibers TransnetBW wurde in dem benannten zweiten Entwurf die im November 2014 von diesem ange-meldete Gleichstromübertragungstrasse vom Kreis Segeberg nach Wendlingen am Neckar von der Bundesnetzagentur als „nicht bestätigungsfähig“ eingestuft. Im Netzentwicklungsplan des Jahres 2025 oder später könnte das Vorhaben allerdings bestätigt werden, da die Ab-lehnung durch die Bundesnetzagentur bislang lediglich „vorläufig“ erfolgt ist. Neben dem Vorhaben Kreis Segeberg-Wendlingen enthielt der Netzentwick-lungsplan 2024 noch weitere Vorhaben in Baden-Württemberg, wobei ein Großteil derselben jedoch in bereits be-stehenden Trassen und damit nicht als kompletter Neubau realisiert wird. Nicht Gegenstand des Netzentwick-lungsplans Strom 2024 war hingegen die geplante Trasse Brunsbüttel-Groß-gartach (Projekt SuedLink), welche be-reits gesetzlich im Bundesbedarfsplan vom 27.07.2013 verankert ist.

Diesbezüglich veröffentlichte das Um-weltministerium Baden-Württemberg am 06.03.2015 eine Pressemitteilung, in der auf eine gemeinsame Erklärung des Umweltministeriums mit zahlreichen Vertretern von Verbänden aus Wirt-schaft und Handwerk, aus dem Umwelt-schutzbereich, vom Deutschen Gewerk-schaftsbund und von Politik und Ver-waltung für ein Dialogverfahren zum Netzausbau in Baden-Württemberg auf-merksam gemacht wurde. Der Gemein-detag Baden-Württemberg hat die Er-klärung nicht unterzeichnet.

Darüber hinaus wurden Einzelheiten zum, der Bundesfachplanung und Planfeststellung des Vorhabens vorge-schalteten, Beteiligungsverfahren ver-lautbart, u.a. sollte es als ersten Schritt einen Multiplikatorendialog mit Ver-bänden geben, welcher mittlerweile abgeschlossen ist.

Zur Projektbegleitung wurde ein Steue-rungskreis aus Vertretern des Ministe-riums, des Übertragungsnetzbetreibers TransnetBW, der Deutschen Umwelt-hilfe und des Regionalverbandes Heil-bronn-Franken eingerichtet. Die Mode-ration des gesamten Dialogverfahrens übernimmt die Deutsche Umwelthilfe.

Mit Schreiben vom 24.03.2015 an Um-weltminister Franz Untersteller MdL hat der Gemeindetag Baden-Württemberg auf die beschriebenen Entwicklungen reagiert und Änderungen angemahnt (vgl. Gt-INFO Nr. 325/2015 vom 30.03.2015). Nach Behandlung des The-mas in Präsidium und Landesvorstand nahm die Geschäftsstelle am 13.05.2015 gegenüber der Bundesnetzagentur als zuständiger Genehmigungsbehörde Stellung (vgl. Gt-INFO Nr. 494/2015 vom 18.05.2015). Die wesentlichen For-derungen lauteten:• Möglichst rasche, d.h. in jedem Fall

geraume Zeit vor der formellen An-tragstellung in der Bundesfach-planung erfolgende Vorlage von kon-kreten Trassenkorridorvorschlägen seitens des Übertragungsnetzbetrei-bers TransnetBW für vom Projekt SuedLink betroffene Kommunen. Die-se Vorschläge sollten möglichst ent-lang bestehender Infrastrukturen wie Autobahnen oder Schienenverläufen konzentriert werden. Zudem sollte das Potenzial von bestehenden Leitungen weiter genutzt und optimiert werden.

• AnhörungundBerücksichtigungvonBelangen der betroffenen Kommu-nen zu den Trassenkorridoren bzw. Trassenplanungen im Planfeststel-lungsverfahren bei allen geplanten Vorhaben in Baden-Württemberg, und zwar bevor sich die Planungen verfestigt haben.

• GrundsätzlicheBereitschaftderÜber-tragungsnetzbetreiber, berechtigte kommunale Planungsvorstellungen weitgehend zu berücksichtigen.

• Einbeziehung neuer technischerMöglichkeiten (Kompaktmasten bei Freileitungen etc.).

• Bundesrechtliche Normierung vonTrassenabständen zur Wohnbebau-ung im Innen- und Außenbereich unter Berücksichtigung der Möglich-keit zur Erdverkabelung.

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ten Themen „Rügefrist“, „Berücksichti-gung kommunaler Belange neben den Zielen des § 1 EnWG“, „Verfahren der Netzwertermittlung“ sowie „Fortzah-lung der Konzessionsabgabe bei mehr-jährigen Gerichtsverfahren“ trugen bis-lang zu einer großen Rechtsunsicherheit auf kommunaler Ebene und damit auch zu einer Vielzahl an vermeidbaren Ge-richtsverfahren unter Aufwendung er-heblicher finanzieller Mittel bei.

In den vergangenen Jahren hat die Ge-schäftsstelle über den Deutschen Städte- und Gemeindebund immer wieder ver-sucht, eine Novellierung des § 46 EnWG anzustoßen. Im Herbst 2015 soll nun eine solche erfolgen. Inwieweit kommu-nale Anregungen im Referentenentwurf Berücksichtigung gefunden haben, wird sich zeigen. Die Geschäftsstelle wird sich über den DStGB an der Gesetzesan-hörung beteiligen und über die weiteren Entwicklungen informieren.

Kommunale Notfallplanung bei Stromausfall

Was passiert, wenn der Strom ausfällt und wie kann die Handlungsfähigkeit einer Kommune in einem solchen Fall gewähr-leistet bleiben? Mit diesen Fragestellun-gen haben sich in den vergangenen vier Jahren nicht nur viele Städte und Ge-meinden, sondern auch die Katastro-phenschutzbehörden des Landes inten-siv auseinandergesetzt.

So stellte das Regierungspräsidium Karlsruhe am 18. März 2014 in Hambrü-cken einen „Musternotfallplan Strom-ausfall“ vor. Dieser war das Ergebnis ei-ner Arbeitsgruppe bestehend aus Vertre-tern des Innenministeriums, den vier Regierungspräsidien, einigen unteren Katastrophenschutzbehörden sowie der EnBW AG und der TransnetBW als netz-technischen Beratern. Diese Arbeits-gruppe hatte bereits seit Mitte des Jahres 2012 getagt und schlussendlich einen Musternotfallplan erstellt. Bereits bei der Vorstellung in Hambrücken zeigte sich allerdings, dass der Plan allenfalls Handlungsempfehlungen in Form einer Zusammenfassung des 2010 vom In-nenministerium erstellten Krisenhand-buchs Stromausfall enthielt und kein

• FrühzeitigeKommunikationbeiÄn-derungen des Netzentwicklungs-plans, d.h. insbesondere die Erläute-rung der Auswirkungen der Änderun-gen bzw. deren Vorläufigkeit auf-grund ausstehender Entscheidungen der BNetzA gegenüber jeder betroffe-nen Kommune im Untersuchungs-raum.

• Darüberhinaussprechenwirunsfüreine abschließende Aussage der BNetzA zur energiewirtschaftlichen Notwendigkeit der Gleichstromüber-tragungstrasse Kreis Segeberg-Wend-lingen (C06WDL) im nächsten Netz-entwicklungsplan aus. Die Ausfüh-rungen der BNetzA im vorläufigen Prüfbericht hinsichtlich der Wirk-samkeit und damit der vorläufigen Nicht-Bestätigung der Leitung sind für uns weitgehend nachvollziehbar. Insbesondere der letzte Absatz des Prüfberichts (S. 84) lässt jedoch den Schluss zu, dass die Maßnahme C06WDL in naher Zukunft bereits bestätigungsfähig sein könnte. Um weiteren Flurschaden zu vermeiden und eine frühzeitige und intensive Befassung der kommunalen Gremien zu ermöglichen, wäre eine abschlie-ßende Aussage der BNetzA zum frü-hestmöglichen Zeitpunkt daher sehr zu begrüßen.

• AusdemPlansolltehervorgehen,in-wiefern Alternativen zum geplanten Ausbau der Übertragungsnetze in Be-tracht kommen. Uns ist bewusst, dass der jeweilige Szenariorahmen die Grundlage für die Netzentwicklungs-planung bildet, wir vermissen jedoch – auch angesichts der technischen Entwicklung – die Berücksichtigung von Energiespeichern, welche den Ausbaubedarf der nächsten zehn Jah-re ggf. merklich reduzieren könnten.

Derzeitiger Sachstand

Nachdem die Einwände Bayerns auf ei-nem Koalitionsgipfel am 1. Juli 2015 durch Zugeständnisse in Richtung einer grundsätzlichen Öffnung der Trassen auf bayerischem Gebiet für die Möglichkeit der Erdverkabelung ausgeräumt werden konnten, erfolgt derzeit die Finalisierung des Netzentwicklungsplans 2024 und die Vorbereitung des Netzentwicklungs-

plans für das Zieljahr 2025. Aufgrund der Änderungen wird sich die Veröffentli-chung der Entwurffassung wohl bis zum Jahresende hinziehen (vgl. hierzu Gt-INFO Nr. 714/2015 vom 30.07.2015). Die Geschäftsstelle befindet sich diesbe-züglich im regen Austausch mit der TransnetBW. Gegenstand der Gespräche sind neben der Netzentwicklungspla-nung und dem Projekt SuedLink auch die weiteren Übertragungsnetzprojekte in Baden-Württemberg. Der Gemeinde-tag Baden-Württemberg setzt sich hier-bei neben den bereits oben benannten Punkten auch für den Einsatz alternati-ver Betriebsmittel wie beispielsweise Kompakt-/Vollwandmasten ein, um ne-ben den herkömmlichen Stahlgittermas-ten und der Erdverkabelung im Wege von kleinräumigen Pilotprojekten weite-re Alternativen zu haben.

Um nähere Informationen und Arbeits-materialien rund um die Gesamtthematik „Übertragungsnetze“ zu erhalten, steht den Mitgliedskommunen des Gemeinde-tags dessen Energiewende-Homepage www.energiewende-gemeindetag-bw.de (Rat-geber – Arbeitsmaterialien – Netze) zur Verfügung.

Entwicklung bei der Vergabe von Strom­ und Erdgaskonzessionen

Wie in BWGZ 2/2015 ausführlich darge-stellt, herrscht im Bereich der Vergabe von Konzessionen für Strom- und Erd-gasnetze bereits seit geraumer Zeit eine große Rechtsunsicherheit. In den Jah-ren 2013 und 2014 wurden diesbezüg-lich von Seiten des Bundesgerichtshofs einige wegweisende Entscheidungen gefällt (vgl. hierzu u.a. Gt-INFO Nr. 115/ 2015 vom 27.05.2015).

Im Frühjahr 2015 haben Bundeskartell-amt und Bundesnetzagentur diese Ent-wicklungen aufgegriffen und ihren im Jahr 2010 erstmals erschienenen Leitfaden zur Konzessionsvergabe in überarbeiteter Form herausgegeben. Trotz Gerichtsur-teilen und Entscheidungen der Kartell-behörden fehlt es allerdings nach wie vor an einer Konkretisierung des maßgebli-chen § 46 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Insbesondere die darin nicht explizit und nicht abschließend geregel-

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BWGZ 19 | 2015 Geschäftsbericht

Schema, dass zeigen konnte, wie eine Notfallplanung auf kommunaler Ebene konkret anzugehen wäre.

Nichtsdestotrotz wurde durch diese Ver-anstaltung und weitere Veranstaltun-gen zum Thema im Jahr 2014 in den Regierungsbezirken Freiburg, Tübingen und Stuttgart von Seiten der Feuerwehr, der Katastrophenschutzbehörden sowie der Stromnetzbetreiber eine erhöhte Aufmerksamkeit für diese wichtige Pro-blematik geschaffen.

Kommunales Pilotprojekt gestartet

Nachdem sich das Präsidium des Ge-meindetags Baden-Württemberg im Frühjahr 2014 nochmals mit der Erstel-lung „Kommunaler Notfallpläne bei flä-chendeckenden Stromausfällen“ befasst hatte, ergriff eine Gemeinde im Land-kreis Esslingen in unmittelbarer Abstim-mung mit dem Gemeindetag die Initiati-ve zur Erstellung eines Pilot-Notfallplans. Im Rahmen eines interdisziplinären Ar-beitskreises mit der örtlichen Verwal-tungsführung, dem regionalen Netzbe-treiber, der unteren Katastrophenschutz-behörde, der Feuerwehr sowie einem Vertreter des Gemeindetags wurden erste Schritte hin zu einem kommunalen Not-fallplan unternommen. Die konkrete Erarbeitung eines Notfallplans wurde da-bei in einen eher administrativen Teil (Bildung und Besetzung eines Krisen-stabs, gesetzliche Rechte und Pflichten, Kommunikationspolitik intern und ex-

tern) und einen technischen Teil (Tele-kommunikation, Identifikation kriti-scher Infrastrukturen, Notstromversor-gung etc.) aufgegliedert.

Beide Teile sollen dann bis Ende 2015 in der Gesamtschau in ein Dokument – den konkreten „Notfallplan“ – zusammenge-führt werden. Bei Erstellung des adminis-trativen Teils hat sich gezeigt, dass die Einrichtung eines Krisenstabs, die Festle-gung gewisser Räumlichkeiten als Kri-senzentrale im Rathaus/Feuerwehrhaus sowie die Erarbeitung einer Kommunika-tionsstrategie intern wie extern grund-sätzlich für verschiedene Krisensituatio-nen (Hochwasser, extremer Schneefall, Stromausfall etc.) sinnvoll sind und die-ser Teil somit eine große Klammer über der spezifischen Notfallplanung bilden kann. Insbesondere hinsichtlich der Notwendigkeit von Hochwasseralarm- und -einsatzplänen als Voraussetzung für Fördermittel aus der Richtlinie Wasser-wirtschaft des Landes bietet sich an, ei-nen grundlegenden örtlichen Alarm- und Einsatzplan auszuarbeiten und je nach Gefahrenszenario entsprechende Maßnahmenpläne modular anzufügen.

Weitere Vorgehensweise

Nach der Fertigstellung des Notfallplans für die Gemeinde durch den Arbeits-kreis ist angedacht, die Grundstruktu-ren, Anforderungen, Checklisten etc. soweit möglich in Form eines Leitfadens landesweit über den Gemeindetag Ba-

den-Württemberg zu publizieren. Eine erste Übersicht über mögliche nieder-schwellige Maßnahmen zur Notfallvor-sorge kann unter www.energiewende- gemeindetag-bw.de (Ratgeber – Arbeits-materialien – Versorgungsicherheit) bezogen werden.

Erneuerbare Energie – Mehr wissen dank des Online­Portals zur Energiewende

Die im Jahr 2012 eingeführte Online-Plattform zur kommunalen Energie-wende in Baden-Württemberg, das „Kommunale Portal für Erneuerbare Energie, Energieeffizienz und Energie-einsparung“ des Gemeindetags Baden-Württemberg hat sich mittlerweile fest etabliert und wird von kommunaler Sei-te immer stärker frequentiert. Mehr als 500 registrierte Mitgliedskommunen, über sieben Millionen Klicks bei insge-samt zirka 300.000 Besuchern sowie die Nutzung vor allem während der Büro-zeiten zeichnen hier ein klares Bild. Auch weiterhin werden unter www.energiewende-gemeindetag-bw.de aktuelle Meldungen zur kommunalen Energie-wende und zu Entwicklungen auf Lan-des- und Bundesbene gepostet werden sowie im geschützten Mitgliederbereich wertvolle Arbeitsmaterialien für kom-munale Praktiker zur Verfügung gestellt werden.

www.energiewende-gemeindetag-bw.de

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mensbegriff des EDL-G fallen sollen. Zunächst wurde im öffentlichen Sektor an den körperschaftsteuerlichen BgA-Begriff angeknüpft. Hiernach waren ho-heitliche Unternehmen (bspw. die Ab-wasserbeseitigung oder die Abfallwirt-schaft) per se ausgenommen da diese nicht ertragssteuerpflichtig sind.

Gleichzeitig sollten Regiebetriebe eben-falls von der Auditierungspflicht ausge-nommen bleiben. Dies hat insoweit für Unverständnis gesorgt, als dass hiermit eine als Regiebetrieb geführte Wasserver-sorgung nicht auditpflichtig war, die gleiche Wasserversorgung in der Rechts-form des Eigenbetriebs jedoch der Ver-pflichtung unterlegen hätte. Dies hat zu erheblichem Unmut in der Praxis und einer nochmaligen Änderung des Merk-blatts geführt. Hiernach wird nun darauf abgestellt, inwieweit es landesrechtlich möglich ist, die Wasserversorgung mate-riell zu privatisieren (vgl. § 44 WG BW).

Diese auf den ersten Blick für baden-württembergische Wasserversorger günstige Regelung wird durch das BAFA jedoch gänzlich kommunalunfreund-lich ausgelegt, sodass aktuell weitere Gespräche notwendig sind. Es ist vor-gesehen auf der Bundesebene einen Fragenkatalog zu formulieren, der durch das BAFA verbindlich beantwor-tet werden soll. Über den weiteren Fort-gang wird zu gegebener Zeit via Gt-info berichtet.

Energieaudit

Bereits im November 2014 wurde die Geschäftsstelle auf das „Gesetz zur Teil-umsetzung der Energieeffizienzricht-linie und zur Verschiebung des Außer-krafttretens des § 47g Abs. 2 des Geset-zes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)“ aufmerksam. Dieses Gesetz sieht eine Änderung des Energiedienst-leistungsgesetzes (EDL-G) vor, wonach Unternehmen die kein kleines oder mittleres Unternehmen (KMU-Definiti-on gemäß Empfehlung 2003/361/EG, Abl. L 124 vom 20.05.2003 Seite 36) sind, verpflichtet werden, bis zum 05.12.2015 und danach alle vier Jahre ein Energieaudit nach der europäischen Norm DIN EN 16247-1 durchzuführen.

Das Gesetz ist zwischenzeitlich in Kraft getreten. Problematisch hieran ist aus kommunaler Sicht, dass kommunale Unternehmen per Definition der Euro-päischen Union (Art. 3 Abs. 4 2003/361/EG) nicht als KMU gelten, sofern die öf-fentliche Hand zu mindestens 25 Pro-zent unmittelbar oder mittelbar an ih-nen beteiligt ist. Dies ist der Regelfall.

Die Geschäftsstelle des Gemeindetags wurde hiergegen bereits im Dezember 2014 mit einem Schreiben an Minister-präsident Winfried Kretschmann initia-tiv. Vor der zweiten Lesung im Deut-schen Bundesrat am 06.03.2015 wurde die Geschäftsstelle abermals gegenüber der Landesregierung, nunmehr gegen-über Umweltminister Franz Untersteller MdL, aktiv. Beide Schreiben wurden je-doch aus kommunaler Sicht nicht zu-friedenstellend beantwortet.

Gleichwohl stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit von Energieaudits, wie das folgende Beispiel einer Stadt belegt:

„Der Eigenbetrieb Wasserversorgung der Stadt S. (ca. 12.000 Einwohner) liefert jährlich etwa 600.000 m³ Wasser an seine Kunden (Bilanzsumme 2013: ~6,4 Mio. Euro, Umsatzerlöse ~1,3 Mio. Euro). Das Wasser bezieht der Eigenbetrieb aber aus-schließlich von kommunalen Zweckver-bänden und fördert das Wasser nicht selbst.

An Stromkosten (für die Speicheranlagen) fallen jährlich etwa 900 Euro netto, an Treibstoffkosten (Bereitschaftsfahrzeug, Fahrzeug des Wassermeisters) etwa 3.500 Euro netto an. Die Stromkosten für die För-derung des Wassers fallen direkt bei den Verbänden an, die das Wasser liefern.“

Vor dem Hintergrund, dass Energiever-sorger Energieaudits zum Preis ab zirka 5.000 Euro anbieten, wird deutlich, dass Kosten und Nutzen eines Audits sowohl finanziell wie auch umweltpolitisch in keinem ausgewogenen Verhältnis zu-einander stehen können.

Das mit der Ausführung des EDL-G be-auftragte Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hat in einem Merk-blatt zwischenzeitlich dargelegt, welche Unternehmen unter den Unterneh-

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Der regionale Energie- und Umweltdienstleister badenova ist zu 100 Prozent in kommunaler Eigentümerschaft und durch zahlreiche Bürgerbeteiligungsprojekte sowie Klima- und Um-weltschutzmaßnahmen stark mit der Region verbunden:

badenova – Hüterin des TrinkwassersNeben einer eigenen Wasserversorgung in Freiburg und Lahr übernimmt badenova für zahlreiche Kommunen die Betriebs-führung, Betreuung oder Belieferung. So versorgt das Unter-nehmen täglich 568.000 Menschen mit Trinkwasser bester Qualität und arbeitet mit 36 Kommunen im Bereich Wasser zusammen. Kontakt: Johann-Martin Rogg, [email protected], 0761 279-2703

Energiezukunft mit ErdgasWo auch immer es möglich und wirtschaftlich ist schließt badenova Kommunen auf Wunsch an das Erdgasnetz an. Heute versorgt das Unternehmen mehr als 175 Kommunen über das eigene Erdgasnetz. Weitere Informationen: bnnetze.de oder 0800 2 21 26 21

BaulanderschließungbadenovaKonzept, eine gemeinsame Tochtergesellschaft von badenova und regionalen Sparkassen, nimmt Kommunen bei der Erschließung von Neubau- und Gewerbegebieten alle

Planungs-, Erschließungs- und Finanzierungsvorleistungen ab. Die Kommunen behalten die politische Gestaltungshoheit. Kontakt: Johann-Martin Rogg, [email protected], 0761 279-2703

Ein einzigartiger Fonds mit einzigartigen MöglichkeitenMit Hilfe des Innovationsfonds Klima- und Wasserschutz von badenova haben Kommunen die Möglichkeit, innovative Energie- und Klimaschutzprojekte, die sonst wegen fehlender Wirtschaftlichkeit eventuell nicht realisiert werden könnten, zu verwirklichen. Jedes Jahr werden ca. 1,5 Mio. Euro aus dem Un-ternehmensgewinn bereitgestellt. So wurden bereits zahlreiche kommunale, innovative Schul- und Kindergartenprojekte dank Unterstützung aus dem Fonds erfolgreich umgesetzt. Kontakt: Anke Held, [email protected], Tel. 0761 279-2474

Klimaschutzberatung für KommunenZum besonderen Angebot für Kommunen gehören auch die kommunalen Energie- und Klimaschutzkonzepte, die badeno-va im Auftrag von Städten und Gemeinden erstellt. Ziel eines solchen Konzeptes ist es, basierend auf einer Ist-Analyse der Energienutzungsstruktur, Strategien und konkrete kommunale Maßnahmen für eine klimafreundliche und energieeffiziente Energieversorgung der Gemeinde zu erarbeiten. Kontakt: Manuel Baur, [email protected], Tel. 0761 279-2517

WIR SORGEN FÜR EINE LEBENSWERTE ZUKUNFT

PARTNERSCHAFT MIT VIEL ENERGIE

STADTWERK DER REGION

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960 Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015

Württemberg genehmigt hat. Die Richt-linie, die ab dem 01.08.2015 gültig ist, wurde mit Gt-INFO Nr. 723/2015 in der Druckausgabe vom 07.09.2015 über den entsprechenden Link zum Download bereitgestellt. Weiterhin wird auf die Pressemitteilung des MLR hingewiesen, über die mit Gt-INFO Nr. 712/2015 in der Druckausgabe vom 07.09.2015 be-richtet wurde.

Zugleich teilte das MLR mit, dass nach der Kommissionsentscheidung die Leit-fäden, Musterschreiben und Antragsfor-mulare überarbeitet werden müssen. Diese Unterlagen können unter folgen-dem Link auf der Homepage des MLR abgerufen werden:http://mlr.baden-wuerttemberg.de/de/unsere-themen/laendlicher-raum/breitbandausbau/.

Die neue Richtlinie berücksichtigt insbe-sondere die mit Nachdruck vertretene Forderung des Gemeindetages nach hö-heren Förderquoten für Planung und Umsetzung der Ausbaumaßnahmen. Da-mit ist eine deutlich verbesserte Grund-lage für einen kommunalen Breit-bandausbau gegeben. Gleichwohl sind die beihilferechtlichen Maßgaben wei-terhin zu berücksichtigen. Die Landes-regierung hat im Doppelhaushalt 2015/2016 die Mittel für den Breit-bandausbau von 11,7 auf 31,7 Millionen Euro pro Jahr verdreifacht. Weiteres Geld steht ebenfalls für die Breitbandversor-gung zur Verfügung und zwar zum einen zirka 40 Mio. Euro aus dem Topf für finanzschwache Kommunen. Diese Gel-der sind zweckgebunden, indem sie nur solchen Kommunen zur Verfügung ge-stellt werden, die sich im ländlichen Raum befinden und zugleich als finanz-schwach eingestuft werden können. Zu-dem entfallen auf Baden-Württemberg zirka 78 Mio. Euro an Mitteln aus der Frequenzversteigerung durch den Bund.

Fördervoraussetzungen

Die neue Förderrichtlinie sieht im Einzel-nen folgende Fördervoraussetzungen/ -maßgaben vor:

Die Zuwendung wird als Projektförde-rung im Wege der Festbetrags- bzw. An-teilsfinanzierung als nicht rückzahlbarer

Breitbandförderung im Rahmen der Breitband- initiative Baden-Württemberg II – VwV Breitbandförderung)

Die Studie zum „Stand des Breitbauaus-baus in Baden-Württemberg Ende 2013“ bestätigte eine gute Grundver-sorgung, wies aber dennoch auf Gebie-te hin, die von der Grundversorgung (noch) nicht erfasst sind. Allerdings muss insofern darauf hingewiesen wer-den, dass sich die Grundversorgung seit der Breitband initiative II verbessert hat. Waren es Ende 2011 noch mehr als 700 Gemeinden, in denen einzelne Ge-meindeteile nicht oder unzureichend versorgt waren, so sind es laut aktueller Studie nur noch zirka 200.

Weiterhin haben mehr als zwei Drittel aller Haushalte im Land (Stand Dezem-ber 2013) die technische Möglichkeit, einen Internetanschluss mit Datenüber-tragungsraten von 50 Mbit/s zu erhal-ten. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Haushalte bereit sind, die dafür anfal-lenden laufenden Tarifkosten zu tragen. Allerdings liegt der Anteil der Haushal-te, die von diesem schnellen Internet tatsächlich Gebrauch machen, noch deutlich unter der oben genannten Zwei-Drittel-Grenze.

Obwohl die Versorgungslage mithin als gut bezeichnet werden kann, ist eine Unterstützung mit öffentlichen Mit-teln noch notwendig; dies insbesonde-re vor dem Hintergrund eines Markt-versagens beim Aufbau einer zukunfts-fähigen Breitbandinfrastruktur sowie der sehr langen Kupferkabellängen vom Kabelverzweiger bis zu den Haus-halten als Alleinstellungsmerkmal in Baden-Württemberg.

Die Breitbandförderung in Baden-Württemberg hat es sich zum Ziel ge-macht, bei Vorliegen eines Marktver-sagens die kommunalen Vorhaben zu unterstützen, um so eine bedarfsge-rechte, flächendeckende (mindestens 99 Prozent) und erschwingliche Breit-bandversorgung zu gewährleisten. Dies bezieht sich sowohl auf den pri-vaten wie auch auf den gewerblichen Bereich. Dabei soll eine Übertragungs-

rate von möglichst 50 Mbit/s beim He-runterladen (asymmetrische Übertra-gungsrate) gewährleistet werden. Hin-sichtlich des gewerblichen Bedarfs sind Übertragungsraten von mindes-tens 50 Mbit/s beim Herunter- und Hochladen (symmetrische Übertra-gungsrate) erforderlich.

Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat mit Schreiben vom 09.12.2015 eine Stellungnahme zur VwV Breitband II abgegeben und ergänzungsbedürftige Punkte angemerkt. Insbesondere wurde in diesem Zusammenhang darauf hin-gewiesen, dass die eigenständige Notifi-zierung der VwV Breitband ausdrück-lich unterstützt wird. Weiterhin wurde auf die Erforderlichkeit einer adäquaten Versorgung mittels eines FTTB-Netzes verwiesen bzw. der FTTB-Ausbau stark befürwortet. Zudem wurde auch die Notwendigkeit der Erhöhung der För-derquoten betont.

Mit Gt-INFO Nr. 392/2015 in der Druck-ausgabe vom 05.05.2015 hat der Ge-meindetag Baden-Württemberg sein Positionspapier zum Breitbandausbau vorgestellt, das mittels der Gt-info per Link eingesehen werden kann.

Das Positionspapier hat zum Ziel, die Wichtigkeit des Breitbandausbaus her-vorzuheben. Bezüglich dieser Zielset-zung sind sich alle politischen Ebe-nen, von der EU über den Bund, die Länder bis hin zu den Kommunen, einig. Problematisch ist aber nach wie vor, dass die Städte und Gemeinden bei der Umsetzung dieses Ziels oft al-leine gelassen werden.

Der Gemeindetag hat bereits mehr-fach, auch medienwirksam, auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen wei-terentwickelt und die finanziellen Mit-tel für den zukunftsfähigen Ausbau der Breitbandinfrastruktur aufgestockt werden müssen.

Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) teilte mit Schreiben vom 31.07.2015 mit, dass die Europäische Kommission die Breitband-fördervorschrift des Landes Baden-

Geschäftsbericht

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BWGZ 19 | 2015

Gemeindetag Baden-Württemberg

Geschäftsbericht

Zuschuss auf Basis der zuwendungsfähi-gen Ausgaben gewährt. Im Weiteren wer-den die Grundtatbestände 8.1 bis 8.5 aufgeführt, aus denen sich ergibt, dass die Förderung pro laufenden Meter deut-lich angehoben wird. Diese Vorgehens-weise wird vom Gemeindetag Baden-Württemberg ausdrücklich begrüßt.

Darüber hinaus wird in Nummer 8.11 die Förderung von Planungskosten auf einen Fördersatz von 70 Prozent ange-hoben. Kommunale Zusammenschlüsse und Landkreise erhalten darüber hinaus eine Förderung von 90 Prozent. Insbe-sondere die Erhöhung der Fördersätze bezüglich der Kosten der Planung wird als ein wichtiger Schlüssel gewertet.

Nummer 8.12 knüpft an die Grundtat-bestände der Nummern 8.1 bis 8.4 an und gewährt für die daran anschließen-den Baukosten eine zusätzliche 30-pro-zentige Förderung für kommunale Zu-sammenschlüsse.

Positiv hervorzuheben ist darüber hin-aus die in den Nummern 8.19 und 8.20 neu etablierte Förderung von Schulen und Gewerbegebieten, für die unabhän-gig von interkommunalen Zusammen-schlüssen eine 90-prozentige Förderung von Schulen und Gewerbegebieten vor-gesehen ist. Diese Anhebung zusammen mit der Maßgabe, dass bei Schulen die Förderung unabhängig der Raumkate-gorien des Landesentwicklungsplans gewährt wird, wird von Seiten des Ge-meindetages ausdrücklich begrüßt.

Breitbandkongress

Zuletzt sei auf den Breitbandkongress des Gemeindetages Baden-Württemberg und des Deutschen Städte- und Gemein-debunds hingewiesen, der am 24. No-vember 2015 in Ehingen (Donau) statt-finden wird und unter dem Motto „Breit-bandausbau aus Sicht der Kommunen“ steht. Die vorläufige Tagesordnung so-wie weitere Hinweise können der Gt-INFO Nr. 671/2015 in der Druckausgabe vom 05.08.2015 entnommen werden.

Neue Schlüsselzahlen für den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und den Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer

Für die Jahre 2015 bis 2017 wurden neue Schlüsselzahlen für den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und den Ge-meindeanteil an der Umsatzsteuer festge-legt. Gegenüber den bisher geltenden Schlüsselzahlen gibt es teils kräftige Verän-derungen. Hierauf wurde in BWGZ 1/2015 Seite 8 ff., 12 ff. sowie im Gemeinde-finanzbericht 2015, BWGZ 15-16/2015 ausführlich eingegangen.

Gewerbesteuer

Schwerpunkte in der Beratungstätigkeit der Geschäftsstelle sind Fragen der ge-werbesteuerlichen Zerlegung, zum Teil auch Streitfragen zwischen Kommunen über die Hebeberechtigung, aber auch Anträge auf Erlass der Gewerbesteuer auf Sanierungsgewinne, die Inanspruch-nahme von Geschäftsführern mit Haf-tungsbescheiden wegen Gewerbesteuer-Rückständen und Fragen zur Vollverzin-sung bei der Gewerbesteuer.

Seit mehreren Jahren bemüht sich der Gemeindetag darum, dass der Daten­trägeraustausch zwischen der Finanz­

verwaltung und den Gemeinden auch für die Anwender so genannter auto­nomer Finanzwesen­Verfahren eröff-net wird. Das Kommunalabgabengesetz bietet inzwischen die Grundlage für ei-ne Änderung der Ausführungsverord-nung. Das Finanz- und das Innenminis-terium Baden-Württemberg und die kommunale Seite haben sich bereits Anfang 2015 auf den Inhalt der Verord-nung und der Verwaltungsvorschriften für den Datenträgeraustausch verstän-digt, die Finanzverwaltung und auch die Landesleitstelle auf kommunaler Seite stehen „Gewehr bei Fuß“ und könnten den Betrieb aufnehmen. Aller-dings hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz bisher noch nicht sein Pla-zet zu den beabsichtigten Änderungen gegeben. Sobald dieses vorliegt, kann der Datenträgeraustausch in erweiterter Form starten.

Ein nach wie vor ungelöstes Thema bei der Gewerbesteuerzerlegung stellen die Kabelnetzbetreiber dar. Hier ist für einen Kabelnetzbetreiber im Lande in-folge der Fusion mit einem in Nord-rhein-Westfalen ansässigen Unterneh-men nun die Auseinandersetzung um die Gewerbesteuerzerlegung (Anwen-dung des Maßstabs für mehrgemeind-liche Betriebsstätten nach § 30 GewStG anstelle des reinen Arbeitslohn-Schlüs-sels) mit dem Finanzamt in Köln zu füh-ren; und beteiligt sind nun nicht nur 400 Kommunen aus Baden-Württem-berg, sondern viele weitere aus Hessen und Nordrhein-Westfalen. Der Gemein-detag hat sich inzwischen an die Ober-finanzdirektion Nordrhein-Westfalen gewandt, diese Zerlegung nun endlich zu einem Abschluss zu bringen.

Themen der Zusammenarbeit zwi­schen Finanzamt und Gemeinde wer-den auf Initiative des Gemeindetags im September 2015 Gegenstand einer Erör-terung zwischen der Finanzverwaltung und dem Gemeindetag sein. Dabei geht es hauptsächlich um die Wahrneh­mung der den Gemeinden gegenüber der Finanzverwaltung zustehenden Auskunfts­ und Informationsrechte nach § 21 FVG, denn die Finanzämter verweigern den Gemeinden gegenüber Auskünfte über Gewerbesteuersachver-

BWGZ 15-16 | 201531. August 2015

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Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg

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Gemeindefinanzbericht 2015

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BWGZ 19 | 2015Geschäftsbericht

berichtet wird, am 25.06.2015 auf ein Modell für eine neue Grundsteuerbewer-tung festgelegt zu haben. 15 Länder stün-den hinter diesem Vorschlag; lediglich Bayern habe noch Vorbehalte. Dieses Konsensmodell sieht vor, dass bei unbe-bauten Grundstücken die Verkehrswerte (Bodenrichtwerte) als Besteuerungs-grundlage herangezogen werden und bei bebauten Grundstücken ein aus Boden-wert und Gebäudewert zusammenge-setzter Grundstückswert zugrundegelegt wird. Der Bodenwert wird auch hier an-hand der Verkehrswerte ermittelt, der Gebäudewert soll ein verkehrswertunab-hängiger Sachwert sein, dem für ver-schiedene Grundstücksarten und Gebäu-deklassen typisierte Regelherstellungs-kosten zugrundegelegt werden. Ziel sei, möglichst ohne neue Feststellungen und Erklärungen der Grundstückseigentü-mer aus vorliegenden zumeist elektroni-schen Daten die Grundstücks- und Ge-bäudewerte ableiten zu können. Das Konsensmodell entspricht damit im We-sentlichen dem zuvor von Thüringen vorgeschlagenen Kombinationsmodell, allerdings mit einer stärkeren Differen-zierung bei der Gebäudebewertung. Die anderen bisher in der Arbeitsgruppe der Länderfinanzministerien untersuchten Reformmodelle wie das reine Verkehrs-wertmodell oder das Modell einer wert-unabhängigen Grundsteuer nach dem Äquivalenzprinzip scheinen damit eben-so vom Tisch wie die Vorstellungen einer Grundsteuer rein nach Bodenwerten.

Der Beschluss der Finanzministerkonfe-renz vom 25.06.2015 erweckt den Ein-druck, es gehe nun zügig mit der Grund-steuerreform voran. Er markiert aber nur einen Zwischenstand. Denn die Arbeits-gruppe der Finanzministerien hat weite-re Arbeitsaufträge erhalten. So soll ins-besondere bis zum Ende des ersten Quartals 2016 ein Bericht zur Bestim-mung der Messzahlen erarbeitet wer-den. Auf Basis einer bundesgesetzlichen Regelung mit Öffnungsklauseln für lan-desspezifische Messzahlen sollen Aussa-gen zum Verfahren und zu den Kriterien für die künftige Bestimmung der Mess-zahlen, der jeweiligen Bandbreiten lan-desspezifischer Messzahlen und soweit möglich zu deren Höhe dargestellt wer-den. Im Rahmen der bundesgesetz-

Möglichkeit einer Stundung der Steuer auf den Sanierungsgewinn auszuloten, bevor mittels eines Billigkeitserlasses aus persönlicher Unbilligkeit auf die Ge-werbesteuer verzichtet wird. Bei den Ar-beitstagungen der Steuerämter der Mit-gliedsstädte und -gemeinden war und ist dies ein Schwerpunkt des Erfahrungs-austauschs.

Hilfestellung musste und konnte die Geschäftsstelle des Gemeindetags den Mitgliedsstädten und -gemeinden auch zum Umgang mit so genannten rück-wirkenden Ereignissen bei der Berech-nung von Nachzahlungszinsen auf Gewerbesteuerforderungen geben. Je-denfalls für Besteuerungszeiträume ab 2013 ist die Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG kein solches rückwirkendes Ereig-nis mehr, wie der Gesetzgeber inzwi-schen klargestellt hat. Dies macht auch den Kommunen die Nachzahlungszins-berechnung leichter. Unabhängig da-von nimmt die Zahl der Widersprüche gegen die Höhe der Nachzahlungszin-sen (0,5 Prozent pro Monat bzw. 6 Pro-zent p.a.) wieder zu. Nachdem die Bun-desregierung sich aufgrund der jüngs-ten Gerichtsentscheidungen darin be-stätigt sieht, dass die gesetzliche Höhe des Zinssatzes nicht verändert werden muss, besteht aus Sicht der Geschäfts-stelle kein Anlass, dass Gemeinden ei-nem Ruhen des Widerspruchsverfah-rens gegen Nachzahlungszinsen zustim-men. Die Empfehlung lautet klar, den Widerspruch der Widerspruchsbehörde mit der Bitte um Erlass eines Wider-spruchsbescheids vorzulegen, wenn der Widerspruch aufrechterhalten wird.

Die Reform der Grundsteuer – immer noch unerledigt

Über diesen „Dauerbrenner“ war bereits in den Geschäftsberichten zu den vo-rausgegangenen Mitgliederversamm-lungen berichtet worden; siehe ferner BWGZ 1/2015 Seite 11 sowie zuletzt den Gemeindefinanzbericht 2015, BWGZ 15-16/2015.

Nun endlich scheint sich die Finanz-ministerkonferenz, wie in den Medien

halte regelmäßig mit Hinweis auf das Steuergeheimnis. Beispiel: Das Finanz-amt verfügt die Aussetzung der Vollzie-hung eines Messbescheids, was zur Fol-geaussetzung des Gewerbesteuerbe-scheids über 3 Mio. Euro und 500.000 Euro Zinsen führt; mit einer Entschei-dung in der Hauptsache sei, so das Fi-nanzamt, nicht vor 2018 zu rechnen. Hier kann und muss die Gemeinde er-warten, vom Finanzamt eine Informati-on darüber zu erhalten, wie es um die „Werthaltigkeit“ ihrer Gewerbesteuer-forderung bestellt ist. Ein besonders krasser Fall, über den im Frühjahr in der Presse berichtet wurde, war die Gewer-besteuer-Rückzahlung, die die Stadt Sin-delfingen für die Jahre 2002 und 2003 in Höhe von 62 Mio. Euro (einschließ-lich Zinsen) leisten musste und vom Finanzamt im Vorfeld keine Informati-onen darüber erhalten hatte. Betroffen waren und sind weitere Daimler-Stand-orte; und nach einer Antwort des Fi-nanzministeriums auf eine Anfrage im Landtag (LT-Drs. 15/6984) bzw. der Ant-wort der Bundesregierung auf eine Klei-ne Anfrage im Bundestag (BT-Drs. 18/5560) könnte es bundesweit sogar um 2,6 Mrd. Euro Gewerbesteuer (ein-schließlich Zinsen) gehen, die aufgrund der BFH-Urteile, die auch im Falle Sin-delfingen der Anlass für die Rückzah-lung waren, von den Kommunen für die Vergangenheit mit Zinsen noch zurück-zubezahlen wären, sofern für die Steuer-veranlagungen die Festsetzungsfrist noch offen ist.

Die Zahl der bei den Kommunen gestell-ten Anträge auf Erlass der Gewerbe­steuer auf so genannte Sanierungsge­winne hat in den zurückliegenden Jah-ren zugenommen. In der BWGZ 1/2014 Seite 10 wurde darüber berichtet, dass durch eine Gesetzesänderung nun auch das Bundesfinanzministerium eine all-gemeine Verwaltungsvorschrift über Billigkeitsmaßnahmen bezogen auf Re-alsteuermessbeträge erlassen kann, denn der bisherige Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums vom 27.03.2003 gilt nicht für die Gewerbe-steuer; hier entscheiden die Kommunen eigenständig über Erlassanträge. Die Ge-schäftsstelle des Gemeindetags emp-fiehlt den Gemeinden hier, zunächst die

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963Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015 Geschäftsbericht

Auch für die Gemeinden birgt die dem Insolvenzverwalter offenstehende Möglichkeit der Insolvenzanfechtung etwa bei Gewerbesteuerforderungen ei-nige Risiken. Denn nahezu jeder Insol-venzeröffnung gehen Mahnungen, Vollstreckungshandlungen, Anträge auf Stundung oder Zahlungsaufschub, bewilligte Ratenstundungen usw. vor-aus. Gemeinsam ist all diesen Hand-lungen: Der Schuldner zahlt nicht auf eine fällige Forderung, die Gemeinde reagiert darauf mit den ihr zur Verfü-gung stehenden Mitteln.

In der letzten Zeit gab es auch in der Beratungstätigkeit der Mitgliedsstädte und -gemeinden zunehmend Fälle, in denen diese mit einer Insolvenzanfech-tung konfrontiert wurden, weil sie ei-nem Gewerbesteuerschuldner zum Bei-spiel mit einer Ratenstundung der Ge-werbesteuer im Billigkeitswege entge-gengekommen waren. Dabei sind die Fälle der so genannten kongruenten (§ 130 InsO) oder inkongruenten De-ckung (§ 131 InsO) oder nachteiliger Rechtshandlungen nach 132 InsO mit Blick auf die kurzen Fristen bis zu drei Monaten vor dem Insolvenzeröff-nungsantrag noch vergleichsweise „einfach“ zu beurteilen.

In einem Fall sah sich eine Kommune aber einer Insolvenzanfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung ausgesetzt (§ 133 InsO), wo der Zeit-raum bis zu 10 Jahre in die Vergangen-heit zurück reichen kann. Anwaltliche Beratung ist in solchen Einzelfällen, bei denen es teils um hohe Steuerrückforde-rungen geht, i.d.R. angezeigt, denn es gibt inzwischen auch einige Fälle in der Rechtsprechung, in denen der Steuerfis-kus zur Rückerstattung von Steuern an die Insolvenzmasse nach einer Insol-venzanfechtung verurteilt wurde. Ggf. sollte die Gemeinde bei Anträgen auf Billigkeitsmaßnahmen bei der Gewer-besteuer mit dem Finanzamt Kontakt aufnehmen, das möglicherweise vor der gleichen Situation steht und einer späteren Insolvenzanfechtung vorbeu-gen muss.

finanzhof mit Beschlüssen vom 22.10.2014 bzw. 17.12.2014 dem obersten deutschen Gericht die Frage vorgelegt hat, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundver-mögens seit den Feststellungszeitpunk-ten 01.01.2009 bzw. 01.01.2008 wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verfassungswidrig sind. Der BFH bejaht diese Frage. Bekannter-maßen werden bereits seit April 2012 Einheitswert- und Grundsteuermessbe-scheide der Finanzämter mit einem Vorläufigkeitsvermerk ausgestattet. Aufgrund neuer gleich lautender Erlas-se der obersten Finanzbehörden der Länder vom 18.05.2015 (BStBl. I Seite 439), die an die Stelle der bisherigen Erlasse vom 19.04.2012 treten, gilt dies nun sogar auch für Einheitswertfest-stellungen für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft.

Grundsteuer im „Tagesgeschäft“

Die Bandbreite der Beratungstätigkeit der Geschäftsstelle gegenüber den Mit-gliedern im Tagesgeschäft der Grund-steuer ist weit. Sie reicht von verjährten Grundsteuerbeträgen infolge Verzöge-rungen beim Finanzamt über die Wahl des richtigen Schuldners bei Gesamt-schuldnern, den Fiskus als Erbe und Grundsteuerschuldner bis zur dingli-chen Haftung für die Grundsteuer und die Anmeldung in einem Zwangsver-steigerungsverfahren. Wie in jedem Jahr machen in der zweiten Jahreshälfte – der 31. März markiert das Ende der An-tragsfrist für das zurückliegende Jahr – Grundsteuererlassanträge den Schwer-punkt der Beratungstätigkeit aus.

Insolvenzanfechtung; Entgegenkommen der Gemeinde kann „bestraft“ werden

„Rechtshandlungen, die vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorgenom-men worden sind und die Insolvenz-gläubiger benachteiligen, kann der In-solvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO anfechten“, heißt es in § 129 Abs. 1 InsO. Folge der Insolvenz-anfechtung ist die Rückgewähr des zu-vor Erlangten in die Insolvenzmasse.

lichen Regelungen zur Bestimmung der Messzahlen ist die angestrebte Aufkom-mensneutralität zu beachten. Im Rah-men des Berichts soll auch geprüft wer-den, welche Folgen sich aus der Neure-gelung der Grundsteuer für den Länder-finanzausgleich ergeben und wie mit unterschiedlichen Aufkommenswirkun-gen umgegangen werden könnte.

Es bleibt somit abzuwarten, ob es tat-sächlich gelingt, dass die Finanzminis-terkonferenz schon im kommenden Jahr einen konkreten Gesetzentwurf vorlegt. Das Bundesfinanzministerium äußert sich gegenüber dem Finanzaus-schuss des Bundestags sehr vorsichtig: Zentrale Elemente der geplanten Neu-regelung seien nach Einschätzung des Bundesfinanzministeriums noch völlig offen. Bisher sei weder ein einheitliches Bewertungsziel noch ein konkreter Be-wertungsmaßstab festgelegt worden. Belastbare Aussagen, wann mit einer entsprechenden Gesetzesinitiative zu rechnen sei, ließen sich gegenwärtig nicht treffen, heißt es. Rechnet man den benötigten zeitlichen Vorlauf hin-zu, der nach einem Gesetzesbeschluss an vorbereitenden Arbeiten benötigt wird, bis die elektronischen Abläufe ei-ner Grundsteuerwertermittlung in Um-setzung neuen Rechts bundesweit funktionieren – es geht immerhin um zirka 35 Mio. wirtschaftliche Einheiten, die einer neuen grundsteuerlichen Be-wertung zu unterziehen sind –, könnte realistisch betrachtet allerfrühestens das „Schicksalsjahr“ 2020 (Neuord-nung des Länderfinanzausgleichs, Aus-laufen des Solidarpakts, Schuldenbrem-se, Fiskalvertragsfolgen) auch für die erstmalige Anwendung eines neuen Grundsteuerrechts als Zeithorizont in den Blick genommen werden.

Offen ist auch, wie schnell das Bundes-verfassungsgericht eine Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Einheits-werte treffen und dem (ggf. bis dahin noch untätigen) Gesetzgeber den Zeitrahmen für eine Reform vorgeben und ggf. auch inhaltliche Determinan-ten setzen wird. Hier ist darauf hinzu-weisen, dass nach der bereits beim Bun-desverfassungsgericht anhängigen Ver-fassungsbeschwerde nun der Bundes-

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BWGZ 19 | 2015Geschäftsbericht

derungen anfallen und beglichen wer-den müssen), wird es erneut ein inter-kommunales Projekt des Gemeindetags zusammen mit dem Fachverband der Kommunalkassenverwalter e.V. und der Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Würt-temberg geben. Erarbeitet werden soll in dieser Kooperation eine Handrei-chung zum Einsatz der diversen elektro-nischen Bezahlmöglichkeiten in den Rathäusern, aber auch in den Touristik-Büros sowie kulturellen und sozialen Einrichtungen, denn auch die Kommu-nen und ihre Einrichtungen werden auf ihren Internetseiten mit Web-Shop-In-halten auch Online-Bezahlmöglichkei-ten vorsehen. Ein Thema der nahen Zukunft wird auch die Verwendung so genannter GiroCodes als QR-Code auf Rechnungen, Bescheiden usw. sein, die von Banking-Apps gelesen und für eine elektronische Zahlung verwendet wer-den können. Da auch die Automaten und Terminals der Banken und Sparkas-sen in den nächsten Jahren umgerüstet und QR-Codes wie den GiroCode lesen und verarbeiten können, werden da-durch auch herkömmliche SEPA-Über-weisungen weitaus einfacher zu bewerk-stelligen sein.

Neues Kommunales Haushalts- und Rechnungswesen (NKHR) – Stand der Umstellung und Sachstand der Evaluierung

Vorbemerkung

Mit dem am 22.04.2009 beschlossenen Gesetz zur Reform des Gemeindehaus-haltsrechts (Gesetz vom 04.05.2009, GBl. Seiten 185, 194) wurde die Grund-lage für die Umstellung des kommuna-len Haushaltswesens auf die „kommu-nale Doppik“ gelegt. Der zunächst vor-gesehene Zeitkorridor für die Umstel-lung bis Ende 2015 wurde nach dem Regierungswechsel im Jahr 2011 durch den Landtag um weitere vier Jahre bis Ende 2019 verlängert (Gesetz vom 16.04.2013, GBl. Seite 55). Die Neurege-lungen sind somit spätestens für die Haushaltswirtschaft ab dem Jahr 2020 anzuwenden. Solange gelten die bishe-rigen Regelungen des kameralen Ge-meindehaushaltsrechts weiter.

Die Umstellung auf die neuen Zah-lungsverkehrsinstrumente war auch für die Städte und Gemeinden im Lande und ihre EDV- und Zahlungsdienstleis-ter eine große Herausforderung. Die Kommunen im Lande haben sie aber gut gemeistert und konnten die SEPA-Umstellung weitgehend noch im Jahr 2013 abschließen. In einer Gemein-schaftsaktion des Gemeindetags Baden-Württemberg und weiterer Beteiligter aus der „kommunalen Familie“ war den Kommunen im Lande Anfang 2013 ein „SEPA-Leitfaden-Baden-Württemberg“ zur Verfügung gestellt worden, der ih-nen Orientierung und Hilfestellung bei der Umstellung gab und sie mit Mustern für einen Umstellungsplan, für eine Bürgerinformation, für SEPA-Mandate, Benachrichtigungsschreiben usw. bei der SEPA-Migration unterstützte.

Nachdem dieses Projekt einer inter-kommunalen Zusammenarbeit so er-folgreich war, ging der Gemeindetag zusammen mit dem Fachverband der Kommunalkassenverwalter e.V. und der Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg und einigen kommuna-len Praktikern ein weiteres Projekt an, nämlich die Erarbeitung einer neuen Dienstanweisung für das Kassenwe­sen in der kommunalen Doppik. In der BWGZ 7/2014 Seite 262 wurde das neue Muster der Dienstanweisung ver-öffentlicht und dient nun allen Kom-munen, die auf das neue Haushalts-recht auf doppischer Grundlage (NKHR-BW) umstellen, als Anleitung zur Anpassung ihrer örtlichen Dienst-anweisungen an die GemKVO-Doppik vom 11.12.2009 (GBl. Seite 791). Das neue Muster enthält auch Regelungen für Onlinebanking und für Auszahlun-gen mittels Kreditkarten.

Nachdem die elektronischen Bezahl­möglichkeiten (Online­ bzw. Web­Bezahldienste) weiter an Bedeutung gewinnen und durch das E-Govern-ment-Gesetz des Bundes und ein ent-sprechendes Folgegesetz des Landes auch gesetzliche Pflichten für elektroni-sche Bezahlmöglichkeiten geschaffen werden (wenn im Rahmen eines elek-tronisch durchgeführten Verwaltungs-verfahrens Gebühren oder sonstige For-

Kassenwesen, Zahlungsverkehr

Zum 1. August 2014 sind die herkömm-liche Inlandsüberweisung und die her-kömmliche Inlandslastschrift mit Ver-wendung von Konto-Nr. und Bankleit-zahl ausgelaufen. Seitdem können im einheitlichen Europäischen Zahlungs­verkehrsraum (SEPA – Single Euro Pay­ments Area) für nationale und grenz-überschreitende Zahlungen nur noch die europaweit einheitliche SEPA­Überwei­sung und die SEPA­Lastschrift mit IBAN (und BIC) verwendet werden. Die ursprünglich am 31.01.2014 endende Umstellungsfrist war mit Blick auf die zögerliche Umsetzung in einigen EU-Ländern durch die EU-Verordnung 248/2014 vom 26.02.2014 (ABl. L 84/1 vom 20.03.2014) um weitere sechs Mo-nate hinausgeschoben worden. In der Zeit bis zum 31. Januar 2016 dürfen Ver-braucher, sofern ihre Zahlungsdienstleis-ter dies unterstützen, Zahlungsaufträge weiterhin mit Konto-Nr. und BLZ beauf-tragen (Kreditinstitute wandeln in IBAN und BIC um) und kann auch das elektro-nische Lastschriftverfahren (ELV) weiter genutzt werden. Am 1. Februar 2016 en-den auch diese Ausnahmeregelungen.

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965Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015 Geschäftsbericht

Die Ergebnisse der Evaluierung der Rechtsvorschriften in einem Kurzüberblick

Die Ergebnisse der Evaluierung der Rechtsvorschriften lassen sich, vorbe-haltlich des noch zu durchlaufenden Gesetzgebungsverfahrens, in Kürze wie folgt zusammenfassen:

Gemeindeordnung

§ 79 Abs. 1 Nr. 1 GemO: Die Abdeckung von Fehlbeträgen aus Vorjahren wird separat und nicht mehr als Bestandteil des veranschlagten ordentlichen Ergeb-nisses ausgewiesen.

§ 80 Abs. 1 GemO: Statt „Schlüsselpro-dukten“ wird künftig auf so genannte „Schlüsselpositionen“ abgestellt. Dies entspricht einem Wunsch der Groß-städte. Für die bisherige Praxis ergeben sich dadurch jedoch tendenziell keine Änderungen.

§ 84 GemO: Kein Zustimmungsvorbe-halt für Gremium bei über- und außer-planmäßigen Aufwendungen aus rein bewertungsbedingten Vorgängen.

§ 87 GemO: Kreditaufnahmen sollen künftig auch für die Ablösung innerer Darlehen aus der vorübergehenden In-anspruchnahme von Deponierückstel-lungen für investive Zwecke möglich sein. Dies ist ein Thema insbesondere der Landkreise. Für den Nachweis der inneren Darlehen wird ein besonderes Formblatt vorgeschrieben.

§ 89 GemO: Statt „Kassenkredite“ heißt die Überschrift nun „Liquiditätssiche-rung“. Inhaltlich wird eine Liquiditäts-planung vorgeschrieben, die über die Anlage 4.2 zur VwV Produkt- und Kon-tenrahmen differenzierter als bisher dargestellt werden soll. Denn allgemein setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Liquiditätssicht im kommunalen Haus-haltsrecht den gleichen Stellenwert hat wie die Ergebnissicht. Dies hatte der Ge-meindetag im Reformprozess von An-fang an betont.

§ 95 GemO: Es soll künftig (auch in den entsprechenden Bestimmungen der

Parallel zur bzw. im Anschluss an die Evaluierung wurden und werden auch die Leitfäden der Praktiker-Arbeitsgrup-pen (AG Bilanzierung, AG Buchungsbei-spiele und Kontenrahmen, AG Produkt-plan, AG Steuerung) fortgeschrieben.

Diese Arbeitsgruppen waren 2006 auf Initiative des Gemeindetags Baden-Württemberg eingerichtet worden. Eine Lenkungsgruppe unter Federführung des Innenministeriums koordiniert die Arbeiten.

Mit diesen „aus der Praxis für die Praxis“ – auch Mitgliedsstädte und -gemeinden des Gemeindetags gehören neben Ver-tretern der Geschäftsstelle diesen Ar-beitsgruppen an – erarbeiteten Leitfä-den erhalten die Städte und Gemeinden die für die Umstellung konkret benötig-ten Arbeitshilfen, mit denen vor allem die Vermögensbewertung und Bilanzie-rung erleichtert und eine bei den Kom-munen möglichst einheitliche Bewer-tungs- und Bilanzierungspraxis erreicht werden soll. Diese Arbeitshilfen sind allgemein zugänglich auch auf der In-ternetseite des Innenministeriums Ba-den-Württemberg eingestellt. Änderun-gen der finanzstatistischen Positionen im Produktplan und Kontenrahmen betreffen zum Beispiel die Vervollstän-digung der Erfassung der Ausgaben für die Kinderbetreuung und die Kinderta-gespflege für Zwecke der Förderung der Kleinkindbetreuung nach § 29c FAG und die Verbesserung der Basis für die Schulkostenauswertung für den Schul-lastenausgleich u.a., wenn ein zentrales Gebäudemanagement geführt wird (vgl. dazu zuletzt Gt-INFO 677/2015).

Der Themenkomplex „Konsolidierter Gesamtabschluss“ (§§ 95a ff. GemO) wurde bei der jetzt durchgeführten Eva-luierung mangels ausreichender Praxis-erfahrungen (nur die Stadt Esslingen hat bisher eine „Konzernbilanz“ erstellt) ausgenommen, zumal der erste konso-lidierte Gesamtabschluss verpflichtend erst für das Haushaltsjahr 2022 zu erstel-len sein wird. Hierfür ist eine zweite Stu-fe der Evaluierung in den nächsten Jah-ren vorgesehen. Aus Sicht des Gemein-detags bedarf es hier allerdings deutlich vereinfachender Regelungen.

Die dieser Übergangsregelung vorange-hende Diskussion um die Wiederbele-bung eines etwaigen Wahlrechts zwi-schen Kameralistik und kommunaler Doppik hat gleichzeitig bewirkt, dass die bereits im Haushaltsrechtsreform-gesetz 2009 vorgesehene Evaluierung vorgezogen wurde: Das am Ende der Übergangsfrist für alle einheitlich gel-tende Haushaltsrecht solle so weiter-entwickelt werden, dass es, so die Be-kundungen der Politik, für die Kom-munen „einfacher, transparenter und damit auch kostengünstiger“ werde und „insbesondere den Bedürfnissen und Erwartungen der kleineren Kom-munen im Lande Rechnung trage“.

Betrachtet man die nachstehend dar-gestellten Ergebnisse der Evaluierung nüchtern, so halten sich – wie aller-dings nicht anders zu erwarten war – die Ergebnisse der Vereinfachung und Flexibilisierung in sehr bescheidenem Rahmen.

Evaluierungsprozess

Die im Jahr 2013 begonnene Evaluie-rung findet unter Federführung des Innenministeriums bei maßgeblicher Beteiligung der kommunalen Landes-verbände und der Gemeindeprüfungs-anstalt statt. Bezüglich der Gemeinde-ordnung und der Gemeindehaushalts-verordnung kann sie – mit Ausnahme des zurückgestellten Themenkomple-xes des Gesamtabschlusses – als abge-schlossen betrachtet werden.

Die gesetzlichen Änderungen sind rein quantitativ sehr überschaubar. Es ist vorgesehen, dass das Gesetzgebungsver-fahren möglichst noch bis zum Jahres-ende abgeschlossen wird. Dann könnte zeitnah auch die Gemeindehaushalts-verordnung angepasst und auch die fortgeschriebene Gemeindeprüfungs-ordnung neu erlassen werden.

Die Evaluierung der Verwaltungsvor-schrift Produkt- und Kontenrahmen ist derzeit noch im Gange und wird maß-geblich eine Änderung der Anlage 4.2 (Liquiditätsplanung) sowie einige Kenn-zahlen zur Beurteilung der Leistungs-fähigkeit zum Gegenstand haben.

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966 Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015

gestellt, dass es keine Aktivierung und Sofortabschreibung beweglichen Ver-mögens unter der Wertgrenze gibt, son-dern eine Verbuchung als ordentlicher Aufwand zu erfolgen hat.

§ 62 GemHVO: Die Vermögensbewer-tung in der Eröffnungsbilanz soll durch Zulassung von Erfahrungswerten (die den Preisverhältnissen zum Anschaf-fungs- bzw. Herstellungszeitpunkt ent-sprechen) weiter vereinfacht werden. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, fiktive Anschaffungs-und Herstellungs-zeitpunkte auf der Basis des aktuellen Zustands des Wirtschaftsgutes anzuset-zen. Für die Straßenbewertung sollen Erfahrungswerte auf der Grundlage ört-licher Durchschnittswerte oder Pau-schalwerte nach bekanntgemachten Bewertungsvorgaben je Straßenart ver-wendet werden können.

§ 63 GemHVO: Die Frist für die Berich-tigung der Eröffnungsbilanz wird ver-längert (letztmals im dritten der über-örtlichen Prüfung der Eröffnungsbilanz folgenden Jahresabschluss).

Stand der Umstellung

Insgesamt haben 1.092 kreisangehörige Städte und Gemeinden, 9 Stadtkreise, 35 Landkreise, zirka 270 Gemeindeverwal-tungsverbände und Verwaltungsgemein-schaften, einige Hundert Zweckverbän-de und eine Anzahl weiterer Verbände und Körperschaften bis zum Jahr 2020 auf das NKHR-BW umzustellen. Der bis jetzt erreichte Umstellungsstand ist noch nicht allzu hoch, denn viele Gemeinden wollten zunächst die Evaluationsergeb-nisse abwarten, bevor die Umstellung konkret in Gang gebracht wird. Bis ein-schließlich 2014 haben 28 von 35 Land-kreisen (80 Prozent), 8 von 9 Stadtkrei-sen (89 Prozent) und 97 kreisangehörige Städte und Gemeinden (9 Prozent) um-gestellt (vgl. BWGZ 1/2015 Seite 21). Die Stadt Wiesloch war 1999 die erste Kom-mune bundesweit. Doch dieser äußere Eindruck täuscht: Denn bis das erste Haushaltsjahr in der kommunalen Dop-pik absolviert werden kann, bedarf es eines zwei- bis dreijährigen Vorlaufs an vorbereitenden Arbeiten, v.a. der Erfas-sung und Bewertung des Vermögens und

der laufenden Rechnung wird an die Gliederung der Finanzrechnung ange-passt.

§ 4 GemHVO: Eine Produktaufteilung auf mehrere Teilhaushalte soll ermög-licht werden. Statt „Schlüsselproduk-ten“ heißt es künftig „Schlüsselpositi-onen“ (für die Praxis insbesondere in kleineren Kommunen ist dies uner-heblich).

§ 13 GemHVO: Verfügungsmittel sol-len auch für Ortsvorsteher ermöglicht werden.

§ 21 GemHVO: Ermächtigungsüber-träge werden auch für Einzahlungen aus Investitionszuweisungen und -beiträ-gen (nicht aber für Kreditaufnahmen) eingeführt (= „Wiederbelebung“ der ka-meralen Haushaltseinnahmereste).

§ 22 GemHVO: Zwei Prozent der Aus-zahlungen aus laufender Verwaltungs-tätigkeit sollen in der Regel als Kassen-betriebsmittel mindestens vorhanden sein (Wiederbelebung der kameralen Liquiditätsreserve).

§ 23 GemHVO: Es wird die Möglichkeit (keine Pflicht!) der Umbuchung von Be-trägen aus Ergebnisrücklagen in das Ba-siskapital im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses eröffnet. Der Ge-meindetag wird seine Mitglieder darauf hinweisen müssen, was dies für den künftigen Haushaltsausgleich bedeutet, auch bei Umlagefinanzierern.

§ 38 GemHVO: Die Wertgrenze von 1.000 Euro gilt auch für immaterielle Wirtschaftsgüter.

§ 41 GemHVO: Streichung der Pflicht-rückstellung für anhängige Gerichtsver-fahren. Langfristige Rückstellungen (>5 Jahre) sind abzuzinsen.

§ 46 GemHVO: Die Aktivierung der notwendigen Neuausstattung (bewegli-ches Vermögen unter der örtlichen ma-ximal 1.000 Euro betragenden Wert-grenze für Anschaffungs- bzw. Herstel-lungskosten) im Zusammenhang mit einer investiven Baumaßnahme soll er-möglicht werden. Ansonsten wird klar-

Geschäftsbericht

GemHVO) der Begriff „Bilanz“ statt „Vermögensrechnung“ verwendet wer-den. Dies entspricht der gängigen um-gangssprachlichen Praxis. Auch der Be-griff „Kapitalposition“ wird in der Gem-HVO durch den Begriff „Eigenkapital“ ersetzt.

§ 95a GemO: Der ab 2022 erforderliche Gesamtabschluss wird Gegenstand ei-ner späteren zweiten Stufe der Evaluati-on, wiewohl es aus Sicht des Gemeinde-tags wünschenswert gewesen wäre, be-reits jetzt auf die Pflicht zur Aufstellung eines Gesamtabschlusses vollständig zu verzichten.

§ 114 GemO: Es sollen zu Zwecken der überörtlichen Prüfung künftig Pla-nungs-, Buchführungs- und Rechungs-ergebnisdaten digital über eine noch zu erstellende Schnittstelle bereitgestellt werden, um aufwendige manuelle Erfas-sungsarbeiten der Gemeindeprüfungs-anstalt vermeiden zu können.

§ 27 GKV: Klarstellung, dass zu den Rückstellungen für Versorgungsemp-fänger beim Kommunalen Versorgungs-verband Baden-Württemberg nicht nur die Pensions-, sondern auch die Beihil­feverpflichtungen zählen (so auch die bisherige Praxis).

Gemeindehaushaltsverordnung

§ 2 GemHVO: Die Auflösung von Er-tragszuschüssen wird im Ergebnishaus-halt separat ausgewiesen, was den Ab-gleich zwischen Ergebnis- und Finanz-haushalt durch Herausstellen dieser nicht zahlungswirksamen Ertragsgröße erleichtert. Auch die Fehlbetragsde-ckung aus Vorjahren wird separat ausge-wiesen.

§ 3 GemHVO: Statt „Finanzierung der Investitionen mit Eigenmitteln“ heißt es in Nr. 23 künftig „voraussichtliche Liquidität am Jahresanfang“. Damit wird insbesondere auf Wunsch des Ge-meindetags die Brücke zur Liquiditäts-übersicht und zur erweiterten Liquidi-tätsplanung hergestellt.

§ 3 GemHVO: Die (bisher abweichen-de) Gliederung des Finanzhaushalts in

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967Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015 Geschäftsbericht

der Verpflichtungen für die Eröffnungs-bilanz und der Anpassung der Haushalts-steuerung an die Produktorientierung. Bezieht man dies mit ein, so sind aktuell mehr als die Hälfte der Kommunen mit-ten im Umstellungsprozess.

Ausblick: (Wann) kommen EPSAS?

Nach einem mehrjährigen Vorlauf mani-festierten sich im Jahr 2013 mit einem Bericht der EU-Kommission vom 6. März 2013 an den Rat der Europäischen Uni-on und das Europäische Parlament und einer Konferenz im Mai 2013 die Pläne der Kommission, einheitliche (harmo-nisierte) Rechnungsführungsgrundsät-ze für den öffentlichen Sektor in den EU-Mitgliedstaaten (European Public Sector Accounting Standards) einzufüh-ren. Auf diesem Wege sollen zuverlässi-ge und vergleichbare Haushaltsdaten/finanzstatistische Daten über die tat-sächliche wirtschaftliche Situation der öffentlichen Haushalte in den EU-Mit-gliedstaaten gewonnen werden, die für die haushaltspolitische Überwachung auf EU-Ebene (Verpflichtung zur Ver-meidung übermäßiger öffentlicher Defi-zite gemäß Artikel 126 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Uni-on – AEUV) benötigt werden und von den Mitgliedstaaten nach einheitlichen Kriterien zu liefern sind. Die bisherige Verfahrensweise, aus den sehr heteroge-nen Haushalts- und Rechungssystemen in den Mitglied staaten über komplexe Überleitungen in die Volkswirtschaft-liche Gesamtrechnung (ESVG) hieraus die aggregierten Ergebnisse des öffentli-chen Sektors in den jeweiligen Mitglied-staaten abzuleiten, sei hierfür auf Dauer unzureichend.

Die Pläne der EU-Kommission sehen vor, europäische EPSAS („Periodenrech-nung statt Rechnungslegung nach dem Kassenprinzip“ heißt das Schlagwort) nach dem Vorbild der so genannten IPSAS (International Public Sector Accounting Standards), die von verschie-denen internationalen Organisationen angewandt werden, zu entwickeln.

In der Folgezeit hat die EU-Kommission Konsultationen zu ihren Plänen durch-geführt und auch Untersuchungen über

Kosten und Nutzen der Einführung von EPSAS in Auftrag gegeben. Ein im Herbst 2014 veröffentlichtes Papier nennt Kos-ten von überschlägig zwischen 1,2 und 6,9 Billionen Euro für sämtliche Mit-gliedstaaten (vorbehaltlich näherer Un-tersuchungen, da die Ausgangssituation sehr unterschiedlich ist; für den deut-schen Gesamtstaat sollen dies Kosten zwischen 347 Mio. Euro und 2,4 Mrd. Euro sein). Eine andere Schätzung rech-net für Deutschland zirka 2,7 Mrd. Euro an Einführungskosten. Von der EU-Kommission eingerichtete Arbeitsgrup-pen (Task Forces) beschäftigen sich mit dem konzeptionellen Rahmen und be-absichtigten Rahmenregelungen und der Organisationsstruktur der Erarbei-tung der EPSAS. Eine ursprünglich für Mitte 2014 angekündigte Mitteilung der EU-Kommission zur EPSAS-Einführung ist indes bis heute nicht veröffentlicht worden. Vielmehr hat die seit Novem-ber 2014 amtierende neue Kommission im März 2015 angekündigt, dass erst geprüft werden müsse, inwieweit EPSAS sich in die neuen Schwerpunkte der Kommission einfüge. Damit ist derzeit offen, ob und wann eine Kommissions-mitteilung zu EPSAS veröffentlicht wer-den wird. Der ursprünglich vorgesehene Zeitplan, noch in 2015 eine Rahmen-verordnung zu erlassen und die EPSAS dann ab 2020 verbindlich zur Anwen-dung vorzuschreiben, ist damit ins Sto-cken geraten, die weitere Entwicklung des gesamten Prozesses und die weitere Projektabfolge deutlich unkalkulierba-rer geworden. Hierauf weist die Landes-regierung in einem Bericht an den Landtag hin (LT-Drs. 15/6988 vom 12.06.2015).

Welchen Inhalt die EPSAS erhalten sol-len, steht bisher nicht einmal in den groben Umrissen fest. Lediglich, dass sie aus den IPSAS heraus entwickelt werden sollen, ist als Entwicklungslinie vorgesehen.

Während die Einführung von EPSAS von der Wissenschaft sowie von Wirt-schaftsprüfern und Steuerberatern und ihren Verbänden sehr stark favorisiert wird, formiert sich v.a. in Deutschland Widerstand gegen die Pläne der EU-Kommission, und dies sowohl vom

Bundestag, vom Bundesrat bzw. den Ländern und ihren Rechnungshöfen, aber auch von der kommunalen Ebene. An der Konsultation der Kommission hat sich vor allem die kommunale Ebe-ne Baden-Württembergs sehr stark be-teiligt. Einige Punkte:

• Auch wenn sich die EPSAS, so dieKommission, primär nur auf das Rech-nungswesen und die Datengewinnung beziehen würden, ergäben sich infolge der Untrennbarkeit von Haushaltswe-sen und Rechnungswesen unmittelbare Auswirkungen auch auf das Haushalts-wesen und die Haushaltssteuerung in den Mitgliedstaaten (was aus europä-ischer Sicht für eine Defizitkontrolle so-gar anzustreben wäre!). Zu einem Ein-griff in die Etathoheit der Mitgliedstaa-ten habe die EU aber (bisher) keine um-fassende Befugnis. Dies ist allerdings heftig umstritten.

• Überdies wird die Einführung von EPSAS für alle Mitgliedstaaten und -ebenen als zu aufwendig in Relation zum ange-strebten Ziel, damit zu einer Verbesse-rung der Defizitkontrolle zu gelangen, angesehen; teilweise werden die EPSAS dafür auch als ungeeignet angesehen. Allein die Erfahrungen in der Bundesre-publik beim Weg der wenigen Länder und Kommunen in die Doppik zeigen, dass trotz des Überbegriffs „Doppik“ kei-ne einheitlichen Maßstäbe in der Bewer-tung und Bilanzierung bestehen. Wie soll dies erst europaweit für alle staatli-chen Ebenen in den Mitgliedstaaten ge-schaffen, implementiert und kontrol-liert werden? Andere Wege auf „low le-vel“ dazu müssten eingeschlagen wer-den (z.B. Verbesserung der Qualität der finanzstatistischen Daten des öffentli-chen Sektors, die in die Volkswirtschaft-liche Gesamtrechnung einfließen).

• Kritischwirdauchgesehen,werdieEPSAS entwirft bzw. entwerfen könnte: Weltweit agierende Wirtschaftsprü-fungs- und Steuerberatungsgesellschaf-ten sehen hier für sich einen großen Markt bzw. ein großes Betätigungsfeld, aus IPSAS heraus die EPSAS zu entwi-ckeln. Die Erfahrungen der öffentlichen Hand selbst, beispielsweise der Kommu-nen im Lande oder in den anderen Bun-

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BWGZ 19 | 2015

Auch der Gemeindetag Baden-Würt-temberg teilt die kritische Einschät-zung zum Nutzen der Einführung von EPSAS und hat dies durch entsprechen-de Beschlüsse in seinen Gremien mani-festiert und in dem EU-Konsultations-verfahren ausdrücklich eingebracht. Der durch die NKHR-Vorschriften ge-schaffene Ansatz- und Bewertungsrah-men darf nicht durch EPSAS-Vorgaben ausgehebelt werden. Aktuell scheint es zum Glück so zu sein, dass die Grie-chenland-Krise, die das Versagen des Europäischen Stabilitätsmechanismus augenfällig macht, den Bemühungen um eine schnelle EPSAS-Einführung ei-nen kräftigen Dämpfer gegeben hat.

desländern bei der Umstellung auf die kommunale Doppik, könnten hier auf der Strecke bleiben, wenn sich die öf-fentliche Hand das Haushaltsrecht von Privaten neu schreiben lässt. Ob es aus-reicht, dass die Interessenwahrneh-mung der Kommunen in Deutschland einzig durch einen Vertreter der Innen-ministerkonferenz (aus dem Innenmi-nisterium Rheinland-Pfalz) in einer deutschen Bund-Länder-Arbeitsgruppe erfolgt, darf bezweifelt werden.

• FürdieKommuneninBaden-Würt-temberg könnte nach der Umstellung auf die kommunale Doppik bis 2020 die Einführung von EPSAS eine zweite Haushaltsrechtsreform bedeuten, und zwar auch dann, wenn bereits aus der Doppik heraus gestartet und sich der Umstellaufwand in Grenzen halten wird. „Knackpunkte“, wenn die IPSAS

Orientierung für EPSAS sein sollten, könnten beispielsweise sein:− Trennung in Anlage- und Umlaufver-

mögen auf der Aktivseite (statt bisher Sach- und Finanzvermögen)?

− Wertaufholung auf der Aktivseite zum Beispiel beim realisierbaren Ver-mögen (Bauplätze usw.)?

− Historische Werte in der Eröffnungs-bilanz oder aktuelle Verkehrswerte?

− Rückstellungskatalog und Abzinsung langfristiger Rückstellungen: Bisher enthalten die Kommunalbilanzen keine Pensionsrückstellungen, und auch die Abzinsung der Rückstellun-gen ist eingeschränkt.

− Dürfen hingegebene Investitionszu-schüsse aktiviert werden?

− Einschränkung bisheriger Ansatz- und Bewertungswahlrechte im Inter-esse besser (europaweit?) vergleich-barer Daten?

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BWGZ 19 | 2015 Geschäftsbericht

Besteuerung der öffentlichen Hand

Einzelne besonders relevante und aktu-elle Themen der Besteuerung der öffent-lichen Hand wurden in einer eigenen Schwerpunktausgabe der BWGZ im Jahr 2015 aufgegriffen (BWGZ 9/2015). Inso-fern beschränken sich die nachfolgen-den Ausführungen, wie bereits in Bilanz und Perspektiven 2015 (BWGZ 1/2015) auf einige wesentliche Kernaussagen.

Europäische Rahmenbedingungen – Überarbeitung der Mehrwertsteuer­systemrichtlinie

In „Bilanz und Perspektiven 2014“ (BWGZ 1/2014 und 1/2015) wurde aus-führlich dargelegt, dass die EU-Kommis-sion die Überarbeitung der Mehrwert-steuersystemrichtlinie plant. Die seiner-zeit diskutierten Reformmodelle stehen nach wie vor im Raum. Generell gilt, dass Änderungen in der Mehrwertsteue-rsystemrichtlinie unmittelbare Auswir-kungen auf das nationale Umsatzsteuer-recht (vgl. hierzu den nachfolgenden Unterpunkt) haben werden. Die damit einhergehenden möglichen Problem-stellungen dürfen keinesfalls unter-schätzt werden.

Wie bereits ausgeführt, wurde eine öf-fentliche EU-weite Konsultation durch-geführt. Aufgrund der einschlägigen Gremienberatungen hat sich die Ge-schäftsstelle in ihrem Konsultations-beitrag auf folgende Kernaussagen kon-zentriert:

• Der in Europa vielfach verwendeteBegriff des potenziellen Markts ist mit der realen Wettbewerbssituation regel-falls nicht in Einklang zu bringen. Dem-zufolge wird die diesbezügliche Recht-sprechung des EuGH abgelehnt (vgl. nächster Abschnitt).

• SteuerbefreiungenfürdieöffentlicheHand, sinngemäß lediglich als „Störung der steuerlichen Neutralität“ zu begrei-fen, wird der besonderen Stellung der öffentlichen Hand nicht gerecht. Zumal Steuerbefreiungen für die öffentliche Hand nicht zwingend das Funktionie-ren des EU-Binnenmarkts behindern.

• Wettbewerbsverzerrungen liegen inBezug auf interkommunale Zusammen-arbeit aus Sicht des Gemeindetags Ba-den-Württemberg nicht vor, da in der Regel kein Wettbewerb besteht (Beispiel: hoheitliche Beistandsleistungen wie die Vermietung einer gemeindlichen Halle für den Schulsport einer Nachbarge-meinde).

• Von den vorgeschlagenen Reform-maßnahmen werden die Vollbesteue-rung sowie ein „Erstattungssystem“ dem Grunde nach abgelehnt, da diese weder praktikabel noch politisch durch-setzbar erscheinen.

• Es wird abgelehnt, die bisherigenSteuerbefreiungen des Art. 13 Mehrwert-steuersystemrichtlinie zu streichen, da dann Tätigkeiten wie beispielsweise die Abwasserbeseitigung über Freistellungs-tatbestände der Art. 132 bis 134 geregelt werden müssten, die letztlich den „Ein-stieg in den Ausstieg“ aus der Mehrwert-steuerbefreiung darstellen würden.

• Eswurdedargelegt,dasseineUmsatz-besteuerung der Abwasserbeseitigung höchst bedenklich erscheint, da zum einen in der Abwasserbeseitigung be-kanntlich kein Wettbewerb möglich ist, da die Beseitigungspflicht allein der Ge-meinde obliegt (§ 56 WHG i.V. mit § 46 Abs. 1 Satz 1 WG Baden-Württemberg). Private Dritte kommen also allenfalls als Erfüllungsgehilfen in Betracht. Nach Auffassung der Geschäftsstelle des Ge-meindetags Baden-Württemberg kann also kein Wettbewerb zu privaten Drit-ten bestehen, folgerichtig gibt es in die-sem Bereich auch keine Wettbewerbs-verzerrung. Eine Umsatzbesteuerung der Abwasserbeseitigung hätte Mehrbe-lastungen in Höhe von 10 bis 20 Pro-zent für die Gebührenschuldner zur Fol-ge. Diese Mehrbelastung, der keinerlei zusätzlicher Nutzen gegenüberstünde, wird deutlich abgelehnt. Der Kommissi-on wurden hierzu ergänzende Berech-nungen und Modelle aus den 1990er-Jahren überlassen, aus denen die be-fürchteten Gebührensteigerungen her-vorgehen. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass, wenn eine Steuer-pflicht in der Abwasserbeseitigung an-gestrebt werden würde, langfristige

Übergangsregelungen erforderlich wä-ren, damit Gebührenerhöhungen letzt-lich vermieden werden könnten. So müsste insbesondere ein nachträglicher Vorsteuerabzug für Altinvestitionen auf 20 bis 30 Jahre hinweg möglich sein.

Vertreter der kommunalen Landesver-bände in Baden-Württemberg, so auch des Gemeindetags, konnten im Januar in Brüssel ein Gespräch mit Vertretern der Kommission über den aktuellen Sach-stand führen. Hierbei ist es gelungen, nochmals auf die aus kommunaler Sicht besonders unbefriedigenden Fragestel-lungen hinzuweisen. Es ist jedoch bis da-to kein konkreter Zeitplan für die Über-arbeitung der Mehrwertsteuersystem-richtlinie absehbar. Über den weiteren Fortgang wird zu gegebener Zeit berichtet.

Umsatzbesteuerung der inter­kommunalen Zusammenarbeit – Nationale Regelung durch § 2b UStG?

In Bezug auf die Überarbeitung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, aber auch bereits zuvor aufgrund diverser Ur-teile des Bundesfinanzhofes (u.a. „Turn-hallen-Urteil“ des BFH, Urteil vom 10.11.2011 – V R 41/10) hat sich in den letzten beiden Jahren in zunehmendem Maße die Frage gestellt, inwieweit die interkommunale Zusammenarbeit um-satzsteuerpflichtig ist bzw. künftig wer-den wird. Die Kommunalverbände hat-ten hiernach mehrfach gefordert, insbe-sondere die interkommunale Zusam-menarbeit von der Umsatzbesteuerung auszunehmen, da ansonsten wesentliche IKZ-Bereiche unnötig verteuert und da-mit der Sinn und Zweck der IKZ konter-kariert würde (vgl. u.a. Gt-INFO Nr. 433/ 2013 vom 31.05.2013 – Versandtag, sowie die Hinweise im Rahmen der Kämme-rer- und Steueramtsleitertagungen 2013 und 2014).

Die Bundesregierung hat diese Problem-stellung erkannt und in ihrem Koaliti-onsvertrag formuliert:„Die interkommunale Zusammenarbeit soll steuerrechtlich nicht behindert wer-den. Wir lehnen daher eine umsatzsteuer-liche Belastung kommunaler Beistands-leistungen ab und werden uns – soweit erforderlich – EU-rechtlich für eine umfas-

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970 Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015Geschäftsbericht

und Energieversorgungseinrichtungen der Gemeinde – vorausgesetzt der Ei-genverbrauch liegt unter 10 Prozent – keine wesentlichen Änderungen zur bisherigen Praxis. Änderungen des Vor-steuerschlüssels, Berechnung der Selbstkosten oder Weiterberechnung von nicht gezogener Vorsteuer sind so-mit nicht notwendig.

Diese Vorgehensweise wird von der Fi-nanzverwaltung, nach derzeitigem Kenntnisstand, akzeptiert – dies jedoch nur dann, wenn seitens der Gemeinde gegenüber dem örtlichen Finanzamt klar und transparent dargestellt worden ist, dass man sich auf die oben dargestellten Grundsätze bezieht. Dies muss sicherge-stellt sein, um von vornherein dem Ver-dacht (möglicherweise) strafbarer Steuer-verkürzungen entgegenzuwirken.

Umsatzbesteuerung der Forst­ verwaltungskostenbeiträge – Zweijähriges Moratorium erreicht

Zum Ende des Jahres 2013 hatte der Landesbetrieb ForstBW einseitig erklärt, dass die Forstverwaltungskostenbeiträ-ge ab dem 01.01.2014 zuzüglich Um-satzsteuer erhoben werden sollten. Hier-gegen wurde der Gemeindetag Baden-Württemberg noch im Dezember 2013 initiativ. Es kam zu intensiven Gesprä-chen zwischen der kommunalen Seite und der Forstverwaltung. Dabei hat der Gemeindetag ein mindestens zweijäh-riges Moratorium gefordert.

Im Ergebnis haben Finanzminister Dr. Nils Schmid MdL und Minister Alexan-der Bonde in einem gemeinsamen Schreiben erklärt, dass es nicht beanstan-det werde „wenn der Forstverwaltungs-kostenbeitrag auch in den Jahren 2014 und 2015 noch ohne Umsatzsteuer erho-ben wird.“(vgl. Gt-INFO Nr. 650/2014 vom 06.08.2014). Den Forderungen des Gemeindetags nach einem zweijährigen Moratorium ist damit vollumfänglich Rechnung getragen worden.

Es wird abzuwarten bleiben, wie dieses Moratorium bzw. dessen Weiterführung im Lichte der weiteren Diskussionen um das so genannte „Forstkartell“ be-wertet wird.

Modifikation des Vorsteuerabzugs – Kommunalfreundliche und praktikable Regelung erreicht

In „Bilanz und Perspektiven“ 2014 und 2015 wurde bereits ausführlich auf die grundsätzliche Verpflichtung zur An-wendung des BMF-Schreibens vom 02.01.2012 in Sachen Vorsteuerabzug hingewiesen.

Die Geschäftsstelle des Gemeindetags Baden-Württemberg wurde hier ge-meinsam mit landesweit tätigen Steuer-beratungsbüros tätig, um im Gespräch mit der Finanzverwaltung Lösungen für die kommunale Praxis zu erarbeiten. Im Ergebnis ist es mittels eines Schreibens des MFW gelungen festzuhalten, dass es „bei Versorgungsbetrieben (Lieferung von Wasser, Strom, Gas und Wärme) der Kom-munen aus Vereinfachungsgründen zuge-lassen [wird], dass bei einem Verwendungs-anteil von höchstens 10% für nichtwirt-schaftliche Zwecke im engeren Sinne der Umfang der nicht abziehbaren Vorsteuer erst nach Ablauf des Besteuerungszeit-raums auf der Grundlage der tatsächlichen Verbrauchsmengen ermittelt wird. Es wird dabei nicht beanstandet, wenn die Höhe der Vorsteuerkürzung anhand der Verkaufs-preise, ggfs. abzüglich eines Kommunalra-batts, geschätzt wird und die Kommunen hierüber innerbetriebliche Abrechnungen (vgl. Abschn. 14.1 Abs. 4 UStAE) erteilen.“ (Vgl. Gt-INFO Nr. 71/2014 vom 13.01.2014 – Versandtag).

Dies bedeutet, dass das BMF-Schreiben uneingeschränkt auf alle Fälle Anwen-dung findet und der Vorsteuerabzug im Sinne des BMF-Schreibens grundsätz-lich bereits beim Leistungsbezug (also im laufenden Jahr) zu kürzen wäre. Es wird jedoch zugelassen, die Kürzung erst nach Ablauf des Besteuerungszeit-raums vorzunehmen oder alternativ die Vorsteuerkürzung – wie bisher – sinn-gemäß durch eine Versteuerung der Wasser- und Energielieferungen durch innerbetriebliche Abrechnungen an die nicht abzugsberechtigten Bereiche zu erreichen.

Hiermit ergeben sich für die Erstellung der Anmeldungen und der Jahressteu-ererklärung hinsichtlich der Wasser-

sende Freistellung solcher Leistungen von der Umsatzsteuer einsetzen.“ (aus: „Deutschlands Zukunft gestalten – Koali-tionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode“).

Mithin aus dieser Erkenntnis heraus hat die Bundesregierung mit dem Entwurf ei-nes § 2b UStG einen Regelungsvorschlag unterbreitet, der eine weitreichende Um-satzsteuerbefreiung der interkommuna-len Zusammenarbeit ermöglichen soll. Hier soll mittels der gesetzestechnischen Konstruktion von „Regel-Ausnahme-Aus-nahme von der Ausnahme“ versucht wer-den, wesentliche Bereiche der IKZ von der Umsatzbesteuerung auszunehmen.

In § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG-Entwurf wird die Regel aufgestellt, dass juristische Perso-nen des öffentlichen Rechts nicht als Un-ternehmer i.S. des § 2 UStG-Entwurf gel-ten. § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG-Entwurf for-muliert die Ausnahme von dieser Regel, indem er Satz 1 im Falle größerer Wettbe-werbsverzerrungen für nicht anwendbar erklärt. Der § 2b Abs. 2 UStG-Entwurf wie-derum formuliert hiervon die Ausnahme, nach der keine größere Wettbewerbsver-zerrung gegeben ist, sofern die Bagatell-grenze von 17.500 Euro pro Jahr im Leis-tungsaustausch nicht überschritten wird (Nr. 1) oder vergleichbare, auf privatrecht-licher Grundlage erbrachte Leistungen ohne Recht auf Verzicht (§ 9 UStG) einer Steuerbefreiung unterliegen (Nr. 2). Wei-terhin sollen größere Wettbewerbsverzer-rungen nicht anzunehmen sein, wenn gemäß § 2b Abs. 3 UStG-Entwurf die Aus-tauschleistungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erbracht werden dürfen (Nr. 1) oder die Katalog-kriterien der Nr. 2 (kumulativ) erfüllt sind.

Dieser Vorschlag wurde zwischenzeit-lich kurzfristig nicht weiter verfolgt, je-doch auch aufgrund der großen Bemü-hungen des Deutschen Städte- und Ge-meindebunds zwischenzeitlich wieder aufgegriffen. Es wird damit gerechnet, dass § 2b UStG im Jahr 2016 in Kraft treten kann. Damit wird ein wesent-licher Unsicherheitsfaktor der Besteue-rung der öffentlichen Hand geregelt (für Näheres vgl. Zimmermann/Sonnen-schein BWGZ 2015 Seite 629ff.).

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971Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015 Geschäftsbericht

nanzverwaltung die Auffassung, dass die Vorgänge nur dann nicht steuerbar (und damit sog. „echte Zuschüsse“) sei-en, wenn keine konkrete Gegenleis-tung seitens des Zweckverbands vorlie-ge. Es ist jedoch fraglich, wie dies sat-zungsrechtlich wirksam dargestellt werden kann.

• Umsatzsteuer; Verpachtungs­BgA: Sofern eine Gemeinde oder ein Zweck-verband ein Breitbandnetz an einen Dritten (Betreiber) verpachtet und dem Betreiber einen Zuschuss bezahlt, der höher ist als das Pachtentgelt, wird die Eigenschaft eines (vorsteuerabzugsbe-rechtigten) Verpachtungs-BgAs ver-neint. Diese Problematik geht zurück auf eine Verfügung der Oberfinanz-direktion Niedersachsen vom Januar 2011, die auch bereits im Bereich von Schwimmbädern für Probleme gesorgt hat. Hier wird gegenüber der Finanzver-waltung nochmals nachzufassen sein, insbesondere vor dem Hintergrund ei-ner für die Kommunen positiven Recht-sprechung in Sachsen.

Diese Aspekte sind bereits, jeweils für sich betrachtet, sowie im Gesamtkon-text, nicht ganz trivial. Ideal wäre es, wenn die Finanzverwaltung akzeptie-ren könnte, dass es sich beim inter-kommunalen Breitbandausbau in keinster Weise um einen umsatzsteuer-lichen Leistungsaustausch handelt, da sich die Umlagezahlung einer Gemein-de an einen Zweckverband nicht we-sentlich vom Charakter der Landeszu-wendung an die Gemeinden unter-scheidet. Diese Argumentation über-zeugt die Finanzverwaltung jedoch noch nicht vollends, sodass weitere Überzeugungsarbeit notwendig sein wird. Es darf jedenfalls nicht sein, dass das Steuerrecht den dringend notwen-digen (interkommunalen) Breit-bandausbau konterkariert (vgl. auch für Details/Lösungsansätze: Müller, BWGZ 2015 Seite 437ff.).

Konzepte schlagen sich in aller Regel umgehend in hohen Investitionsbeträ-gen nieder. Es stellt sich aufgrund der hohen Investitionssummen auch zu-nehmend die Frage, wie die Investitio-nen aus steuerlicher Sicht zu behan-deln sind. Im Interesse einer möglichst landeseinheitlichen Klärung und Handhabung ist der Gemeindetag Ba-den-Württemberg mit einem umfas-senden Fragenkatalog auf die Landes-finanzverwaltung zugegangen. Es wur-de der Versuch unternommen, die in der Praxis auftretenden Fallkonstellationen zu systematisieren, um eine möglichst sachgerechte und kommunalfreund-liche Besteuerung zu erreichen.

Es wurde im Wesentlichen dargelegt, dass es Gemeinden geben kann, die noch ganz am Beginn des Breitbandaus-baus stehen und die Aufgabe komplett einem Zweckverband übertragen wol-len, solche die bereits Leerrohre verlegt haben und diese an einen Zweckver-band verkaufen, steuerlich in den Zweckverband einlegen oder an diesen verpachten wollen, sowie solche, die be-reits ein innergemeindliches Netz (Roh-re und Glasfaser) haben und dieses wie-derum verkaufen, einlegen oder ver-pachten möchten. Im Übrigen dürfte allen Gemeinden gemeinsam sein, dass sie zum Aufbau eines zwischengemeind-lichen „Backbone-Netzes“ eine Inves-titionskostenumlage leisten.

Steuerrechtlich resultieren daraus einige Fragen. Die drei bedeutsamsten sind:

• Körperschaftsteuer: Wenn ein ge-meindliches Netz in den Zweckverband eingebracht wird, kann u.U. körper-schaftsteuerlich die Aufdeckung stiller Reserven drohen, da keine Buchwert-übertragung vom gemeindlichen BgA auf den Zweckverbands-BgA möglich ist. Das Finanzministerium teilte hierzu bislang mit, dass der Finanzminister ge-genüber der Bundesregierung initiativ geworden sei. Eine landesrechtliche Re-gelung (im GKZ) sei jedoch wohl nicht ausreichend.

• Umsatzsteuer; Weiterleitung von Zuschüssen, Besteuerung von Ver­bandsumlagen: Hier vertritt die Fi-

Umsatzbesteuerung von Sauna leistungen – 19 Prozent seit dem 1. Juli 2015!

Überraschend war im Jahr 2014 zunächst die Mitte September bekannt gewordene Absichtserklärung der Finanzverwal-tung, Saunaleistungen bereits ab dem 01.01.2015 mit dem Regelsteuersatz von 19 Prozent, statt wie bisher dem ermä-ßigten Steuersatz von 7 Prozent, zu un-terwerfen. Dies hat im kommunalen Umfeld für erheblichen Unmut gesorgt. Auch der Gemeindetag Baden-Württem-berg hat ein diesbezügliches Protest-schreiben an den Finanzminister gerich-tet. Das Antwortschreiben war jedoch gänzlich unbefriedigend.

Auf Bundesebene haben die kommuna-len Spitzenverbände mit gleicher Argu-mentation um Verbesserungen ersucht. Die Reaktion der Finanzverwaltung auf Bundesebene war ebenfalls ernüch-ternd. So wurde mittels BMF-Schreiben geregelt, dass mit Wirkung zum 01.07.2015 Abschnitt 12.11 des Um-satzsteuer-Anwendungserlasses dahin-gehend geändert werden soll, dass Sau-naleistungen ab diesem Zeitpunkt dem Regelsteuersatz unterliegen sollen.

Eine Änderung dieser Entscheidung konnte auch auf politischem Wege be-dauerlicherweise nicht erreicht wer-den, sodass seit dem 01.07.2015 der Regelsteuersatz auf Saunaleistungen anzuwenden ist. Die Geschäftsstelle des Gemeindetags hat sich in einem Arbeitskreis aus kommunalen Prakti-kern, weiteren Fachverbänden und des MFW Baden-Württemberg mit einem Positionspapier um Vereinfachungen bemüht. Zum Redaktionsschluss dieses Geschäftsberichts lag eine Reaktion des MFW bedauerlicherweise nicht vor. In-soweit werden die Mitgliedskommu-nen via Gt-info (Az. 962.21) über den weiteren Fortgang informiert.

Besteuerung des Breitband­Ausbaus

Ein Megathema ist der Breitbandaus-bau in den Kommunen auch in steuer-rechtlicher Hinsicht. So ist es auch 2014 vielerorts zu (interkommunalen) Ausbaukonzepten gekommen. Diese

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wesentlichen Grundlagen der KommA bzw. deren Aufgabe entscheiden soll. Der Gesetzentwurf lässt hier für die er-forderliche Anstaltssatzung einen sehr weiten Gestaltungsspielraum.

Insbesondere soll (jedoch wohl nicht zwingend aus der Mitte des Gemeinde-rats) ein Verwaltungsrat bestellt wer-den, der Aufgaben wahrnehmen soll, die dem Betriebsausschuss des Eigenbe-triebs oder dem Aufsichtsrat einer GmbH ähneln. Der Gemeinderat soll gegenüber dem Verwaltungsrat immer ein Weisungsrecht behalten, das ggf. durch die Betriebssatzung näher ausge-staltet werden kann.

Der zu bestellende Vorstand einer KommA soll weitestgehend eigenver-antwortlich und flexibel agieren dür-fen. Auch hier gilt, dass die nähere Aus-gestaltung im Zweifel der Anstaltssat-zung vorbehalten bleibt. Interessant ist, dass der Vorstand einer KommA, sofern er auf Zeit bestellt wird, maxi-mal auf fünf Jahre bestellt werden kann. Dies soll, ausweislich der Begrün-dung des Gesetzentwurfs, zu einer en-geren Bindung an das oberste Organ der Gemeinde führen.

Die KommA kann selbst Angestellte be-schäftigen und auch Beamte ernennen. In diesem Fall ist der Vorstand bzw. im Mehrpersonenvorstand der Vorstands-vorsitzende Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde der Beamten in der KommA. Sofern der Vorstandsvor-sitzende selbst Beamter ist, so ist der Bürgermeister dessen Dienstvorgesetz-ter und oberste Dienstbehörde.

Ungeklärt sind für die neue Rechts­form bis dato insbesondere Rech­nungslegungs­ und Haftungsfragen, die bei Nichtklärung vermutlich dazu führen werden, dass die KommA keine interessante Rechtsform für die kom-munale Praxis wird. So ist es Stand heu-te nicht gestattet, die Buchführung nach dem NKHR auszugestalten (s.u. Bemerkungen zu § 102a Abs. 6) und es gibt keine eindeutige Regelung im In-solvenzfall, da keine Gewährträgerhaf-tung vorgesehen ist (s.u. Bemerkungen zu § 102a Abs. 8).

Novelle des Eigenbetriebsrechts

Auf Initiative des Gemeindetags Baden-Württemberg haben sich die kommuna-len Landesverbände gegenüber dem Innenministerium für eine zeitnahe No-velle des Eigenbetriebsrechts ausgespro-chen. Im Wesentlichen wurde in Eck-punkten gefordert:

1. das derzeitige Wahlrecht zwischen NKHR- und HGB-Rechnungslegung beizubehalten,

2. den Wirtschaftsplan, insbesondere den Vermögensplan, zu einem sach-gerechten Steuerungsinstrument – angelehnt an den NKHR-Finanzhaus-halt im Kernhaushalt der Gemeinden – weiterzuentwickeln,

3. im Jahresabschluss die Finanzrech-nung zu implementieren, die Bil-dung von Versorgungs- und Pen-sionsumlagerückstellungen beim KVBW zu belassen (§ 27 Abs. 5 GKV) und keine Abschlussprüfung durch Wirtschaftsprüfer zuzulassen.

Das Innenministerium ist diesen Vor-schlägen bis dato nicht nähergetreten. Es ist nicht von einer Novelle noch im Rahmen der laufenden Legislaturperio-de auszugehen.

Novelle des Gemeinde-wirtschafts rechts und des GKZ

Die Diskussionen um die Novelle des Gemeindewirtschaftsrechts dauerten seit Herbst 2013 an. Ein vorläufiger Ge-setzentwurf des Innenministeriums wurde insbesondere von Industrie und Handwerk öffentlich diskutiert. Forciert wurden zunächst:

• eineÄnderungderSubsidiaritäts-klausel des § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO,

• explizitkeineÜberarbeitungdesÖrtlichkeitsprinzips (§ 102 Abs. 7 GemO),

• dieEinführungeinerNeben-leistungsklausel (§ 102 GemO),

• dieErmöglichungder„Selbständi-gen Kommunalanstalt“ (öffent-lichen Rechts) in § 102 GemO

• sowiemitletzteremeinhergehenddie Modernisierung des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit.

In der öffentlichen Diskussion schei-den sich die Geister an der bisher vor-gesehenen Änderung der Subsidiari-tätsklausel des § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO. Der Regierungsvorschlag zielte darauf ab, den Rechtsstand vor 2005 wieder-herzustellen, wonach eine Kommune außerhalb der Daseinsvorsorge dann tätig werden dürfe, wenn ein Dritter dies nicht besser könne. Seit 2005 ist demgegenüber geregelt, dass eine Kom-mune nur noch dann tätig werden darf, wenn es keinen privaten Dritten gibt, der dies nicht besser kann. Die Vertreter von Industrie und Handwerk befürchteten durch diese Änderung auf den alten Rechtsstand ein nahezu schrankenloses Wirtschaften der Kom-munen. Diese Meinung wurde sowohl über die Landespresse wie auch in An-schreiben an einzelne Kommunen um-fassend kundgetan.

Kommunale Anstalt – KommA

Im Rahmen der ausführlichen Diskussi-on erfolgte schlussendlich eine Verstän-digung dahingehend, dass aktuell ledig-lich die Neueinführung der Rechtsform der Kommunalen Anstalt öffentlichen Rechts weiter verfolgt werden soll. Diese kann in Eckpunkten wie folgt darge-stellt werden:

Sie soll das bisherige Handlungsspekt-rum der Gemeinden für wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Betätigungen gegenüber dem Status Quo (i.d.R. Regie-betrieb, Eigenbetrieb, Kapitalgesell-schaft) erweitern. Dies gilt auch für die interkommunale Zusammenarbeit (i.d.R. Zweckverbände und Kapitalge-sellschaften). Die KommA soll letztlich die Vorteile der öffentlich-rechtlichen Organisationsform (Eigenbetrieb) mit jenen der privatrechtlichen Organisa-tionsform (GmbH) vereinen.

Eine im Vergleich zur GmbH engere Bindung der Kommunalanstalt an die Gemeinde soll dadurch sichergestellt werden, dass der Gemeinderat als oberstes Organ der Gemeinde über alle

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Für welche Tätigkeiten die KommA interessant wird, lässt sich nur schwer prognostizieren. In anderen Bundeslän-dern wurden vielfach die Wasserversor-gung und die Abwasserbeseitigung in derartige Anstalten ausgelagert. Dies geschah jedoch zu Zeiten, in denen in Baden-Württemberg die Auslagerung in Eigenbetriebe oder GmbHs en vogue war. Da die KommA insbesondere keine deutlich hervorstechenden Vorteile ge-genüber Eigenbetrieben aufweist, dürfte eine Überführung eines bestehenden Eigenbetriebs in eine KommA tenden-ziell eher nicht interessant sein.

In Frage käme die KommA wohl am ehesten für neue Aufgaben wie bei-spielsweise den (interkommunalen) Breitbandausbau. Bezüglich bestehen-der Aufgaben wird zuweilen auf Ebene der Landkreise diskutiert, die hoheit-lichen Teile der Abfallwirtschaft aus be-stehenden GmbHs in Kommunalanstal-ten zu überführen.

Freihandelsabkommen TTIP, CETA und plurilaterales Dienstleistungsabkommen TiSA

Erstmals seit Bestehen der Bundesrepu-blik Deutschland wurde im Jahr 2014 in erheblichem Ausmaß über den Ab-schluss internationaler Freihandelsab-kommen diskutiert. Wesentlicher Aus-löser war das zwischen der EU und den USA diskutierte Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Invest-ment Partnership), das wegen verschie-denster Aspekte in die Kritik geraten ist. Die in weiten Teilen unsachlich geführ-te öffentliche Diskussion darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass von derartigen Abkommen zentrale As-pekte der Daseinsvorsorge betroffen sein könnten.

Um auf die möglichen Auswirkungen für die kommunale Ebene hinzuweisen, hat der Gemeindetag Baden-Württemberg bereits Anfang 2014 ein gemeinsames Schreiben der drei kommunalen Landes-verbände in Baden-Württemberg an die Landesregierung initiiert. Damit und mit einem Artikel in der BWGZ (Schmid/Müller: „Freihandelsabkommen TTIP,

CETA und plurilaterales Dienstleistungs-abkommen PTiSA – Nur „Chlorhühn-chen“ oder Gefahren für die kommunale Daseinsvorsorge?“, in: BWGZ 8/2014 Seite 336 ff.) wurde in Baden-Württem-berg erstmals auf die Problematik aus kommunaler Sicht aufmerksam ge-macht. Der Deutsche Städte- und Ge-meindebund hat darüber hinaus ein de-zidiertes Positionspapier („Risiken für Daseinsvorsorge ausschließen, Chancen für mehr Wachstum nutzen“) veröffent-licht, in dem klargestellt wird, dass die kommunale Seite Freihandelsabkom-men nicht per se ablehnt. Gleichzeitig wurde auf die Risiken in Bezug auf die Daseinsvorsorge und das öffentliche Be-schaffungswesen hingewiesen.

Seither haben auch Gemeinderäte in-tensiv über TTIP und andere Freihan-delsabkommen diskutiert. In diesem Zuge war die Frage aufgekommen, in-wieweit den Gemeinderäten überhaupt eine Beschlussfassungskompetenz zu-

kommt. Diese Frage wurde auch inner-halb des Gemeindetags diskutiert und in einer umfassenden Gt-INFO verarbeitet. Im Kern hat jede einzelne Gemeinde zu prüfen, ob durch die Freihandelsabkom-men spezifische örtliche Verhältnisse tangiert werden. Wenn dies der Fall ist, kann ggf. von der Beschlussfassungs-kompetenz ausgegangen werden. Für Näheres wird auf Gt-INFO Nr. 570/15 vom 6. Juli 2015 / Gt-info 2015 Heft 12 Seite 26) verwiesen.

Grundsätzlich begrüßenswert erscheint es aus Sicht der Geschäftsstelle des Ge-meindetags, dass sich die Gemeinden, wenn sie sich mit den Freihandelsabkom-men befassen, grundsätzlich Rückgriff auf das o.g. Positionspapier der kommu-nalen Spitzenverbände vom Oktober 2014 oder aber auf das aktuellere Papier vom Juli 2015 nehmen, das auch mit Un-terstützung des BMWi entstanden ist (vgl. Gt-INFO 573/15 vom 6. Juli 2015 / Gt-info 2015 Heft 12 Seite 27).

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einschließlich des Holzverkaufs als wirt-schaftliche Tätigkeit sowie die Verpflich-tung, kostendeckende Gebühren zu erhe-ben, soweit das Kreisforstamt im Bereich der Wirtschaftsverwaltung tätig wird.

In einem weiteren Beschlussentwurf hat daraufhin das Bundeskartellamt darge-stellt, dass es in vielen zentralen Fragen weiterhin eine andere Auffassung ver-tritt, die im Widerspruch zu der vom Land abgegebenen Verpflichtungserklä-rung steht. Insbesondere wird nunmehr vom Bundeskartellamt die Forsteinrich-tung und die forsttechnische Betriebs-leitung im Körperschaftswald ebenso wie der Revierdienst als wirtschaftliche – und nicht als hoheitliche – Tätigkeit eingestuft. Damit wurde nach übereinstimmender Auffassung des MLR und der kommuna-len Landesverbände den vom Land ab-gegebenen Verpflichtungserklärungen die Grundlage entzogen, weshalb sich das Land gezwungen sah, die Zusagen wieder zurückzunehmen.

Daraufhin hat das Bundeskartellamt durch eine am 15.07.2015 zugestellte Verfügung dem Land die gemeinsame Vermarktung von Holz aus dem Staatswald mit Holz aus dem Kommunal- und Privatwald untersagt, soweit die 100 Hektar-Grenze überschritten wird. Neben dem eigentlichen Nadel-stammholzverkauf sollen auch in weitem Maße die Wahrnehmung von forstlichen Betreuungsleistungen von der forsttechni-schen Betriebsleitung bis zum Revierdienst in Körperschafts- und Privatwäldern über 100 Hektar Waldbesitz untersagt werden. Dies hätte eine vollständige Zerschlagung der Forststruktur im Lande zur Folge.

Vor diesem Hintergrund sah sich das Land gezwungen, gegen die Entschei-dung des Bundeskartellamtes Rechtsmit-tel beim OLG Düsseldorf einzulegen.

Um Schadenersatzansprüche zu vermei-den, wird das Land die gemeinsame Rundholzvermarktung unverzüglich einstellen. Die Landkreise werden kom-munale Holzverkaufsstellen einrichten, die ab September 2015 für die Kommu-nen die Vermarktung des Nadelstamm-holzes übernehmen werden.

Kommunale Wirtschafts - förderung – Neuer Arbeitskreis im Gemeindetag

Mit der BWGZ 20/2014 wurde die kom-munale Wirtschaftsförderung in den Fokus genommen. Verschiedenste aktu-elle Aspekte der Wirtschaftsförderung wurden aufgegriffen und vertieft – so beispielsweise die Maßgaben des EU-Beihilferechts, die Anforderungen an Wirtschaftsförderung im ländlichen Raum aber auch die neue Herausforde-rung „Bewältigung von Unternehmens-nachfolge“. An diese Themen wird auch im Jahr 2015 weiter angeknüpft.

Die großen Themen der Wirtschafts-förderung sind dabei leicht zu identi-fizieren:• Bestandspflege,• EntwicklungvonIndustrie-

und Gewerbeflächen im Innen- und Außenbereich,

• Unternehmensnachfolge,• Fachkräftemangel.

Im Juli 2015 hat sich, auch mit den vor-genannten Schwerpunktthemen, erst-mals der Arbeitskreis Kommunaler Wirtschaftsförderer im Gemeindetag Baden-Württemberg in Weil der Stadt konstituiert. Zur neuen Vorsitzenden wurde Erste Beigeordnete Susanne Wid-maier, Weil der Stadt, gewählt. Auf die weitergehende Berichterstattung in der BWGZ wird verwiesen.

Diese Veranstaltung hat eines verdeut-licht: Auch wenn Aufgaben der Wirt-schaftsförderung auf kreisweite oder regionale Organisationseinheiten (z.B. Wirtschaftsförderungsgesellschaften) verlagert werden, bleibt doch immer die Gemeinde selbst in der Pflicht, die entscheidenden Rahmenbedingungen für eine gedeihliche Entwicklung der örtlichen Wirtschaft zu schaffen. Auch deshalb wird der Gemeindetag Baden-Württemberg als unabhängiger und kompetenter Ansprechpartner und Multiplikator seinen Mitgliedsstädten und -gemeinden verstärkt Angebote in diesem Themengebiet unterbreiten.

Kartellverfahren Rundholzvermarktung

Im Dezember 2013 hat das Bundeskartell-amt einen an das Ministerium für Ländli-chen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) gerichteten Be-schlussentwurf vorgelegt, wonach geplant sei, den gebündelten Verkauf von Nadel-stammholz aus dem Staatswald zusammen mit Holz aus dem Nichtstaatswald mit mehr als 100 Hektar Besitzgröße ab 01.01.2015 zu untersagen. Mit betroffen von der Untersagungsverfügung soll auch die Erbringung von den den Holzverkauf vorbereitenden Dienstleistungen der Holz-ernte, insbesondere das Auszeichnen des Holzes im Wald, sein.

Das MLR hat daraufhin unter Mitwir-kung der kommunalen Landesverbände eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um eine Strategie zu einer möglichen künftigen kartellrechtskonformen Neuordnung der Forstorganisation im Land zu erarbeiten. Die von der Arbeitsgruppe erarbeiteten Organisationsmodelle wurden mit dem Bundeskartellamt eingehend erörtert, wobei festgestellt wurde, dass das so ge-nannte Staatswaldmodell (Herauslösung der Staatswaldbewirtschaftung durch Gründung eines Staatsforstbetriebes) in besonderem Maße mit dem Kartellrecht vereinbar sei. Dessen Umsetzung hätte zur Folge, dass bei den unteren Forstbe-hörden nur noch rein hoheitliche Aufga-ben verbleiben und für die Bewirtschaf-tung des Kommunal- und Privatwaldes neue Strukturen geschaffen werden müs-sen. Damit könnte das so genannte Ein-heitsforstamt in der bisherigen Form nicht mehr weitergeführt werden.

Im Zuge der weiteren Verhandlungen mit dem Bundeskartellamt sah sich das Land zur Abwehr der im Raum stehenden Un-tersagungsverfügung gezwungen, eine Verpflichtungserklärung abzugeben mit dem Inhalt, eine strukturelle Trennung des Holzverkaufs durch die Ausgliederung ei-nes Staatsforstbetriebes durchzuführen. Wesentlicher Bestand der Verpflichtungs-erklärung war die Übertragung der Forst-einrichtung und der forsttechnischen Be-triebsleitung als kommunale hoheitliche Aufgaben auf die Stadt- und Landkreise, die Einstufung der Wirtschaftsverwaltung

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Unterhaltungspflicht der Städte und Gemeinden für Kirchtürme

Die altrechtlichen Verpflichtungen der Städte und Gemeinden für Unterhal-tungslasten an kirchlichen Einrichtun-gen standen im Berichtszeitraum wegen Entscheidungen des VGH Baden-Würt-temberg und des Staatsgerichtshof Ba-den-Württemberg (Landesverfassungs-beschwerde) im besonderen Fokus. Die gerichtliche Überprüfung der Verpflich-tung einer bürgerlichen Gemeinde ge-genüber der Kirchengemeinde ergab, dass „… infolge des im Laufe des 20. Jahr-hunderts eingetretenen Bedeutungsver-lusts des Turms, der Turmuhr sowie der Glocken- und Läuteanlagen hinsichtlich der für die Begründung der Kirchenbau-last wesentlichen Funktionen eine Ände-rung der Verhältnisse eingetreten ist …“

Dies führte in diesem Einzelfall dazu, dass die bürgerliche Gemeinde eine (ver-tragliche) Herabsetzung ihres Kosten-tragungsanteils von der Kirchengemein-de beanspruchen konnte. Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelas-sen; die Nichtzulassungsbeschwerde der Kirchengemeinde wurde abgelehnt. Die Landesverfassungsbeschwerde der Kirchengemeinde gegen das Urteil des VGH Baden-Württemberg wurde als un begründet zurückgewiesen (vgl. dazu auch BWGZ 2/2015 Seite 100).

Die Geschäftsstelle des Gemeindetags prüft zusammen mit dem Städtetag das weitere Vorgehen. Ein erstes gemeinsa-mes Gespräch mit der Kirchenseite hat-te den Austausch von Informationen und Sachverhalte zum Inhalt. Als Zwi-schenergebnis ist festzuhalten, dass die Beteiligten eine gemeinsame Bewertung der Urteile anstreben und die Absicht besteht, für das weitere Vorgehen Lö-sungswege für die verschiedenen Ver-hältnisse vor Ort aufzuzeigen.

Alkoholkonsum- und Alkohol- mitführungsverbote an Brennpunkten – der Runde Tisch „Lebenswerter öffentlicher Raum“ kreißt und gebiert eine Maus

Über den Sachstand zum Thema „Alko-holkonsum- und Alkoholmitführungs-verbote an Brennpunkten“ wurde zu-letzt in BWGZ 1/2014 Seite 27 ausführ-lich berichtet. Am 6. Juni 2014 hat dann noch unter Vorsitz des Minister-präsidenten der Runde Tisch „Lebens-werter öffentlicher Raum“ getagt. Die Schaffung einer Rechtsgrundlage im Polizeigesetz, die die Gemeinden er-mächtigen würde, in örtlichen Polizei-verordnungen Alkoholkonsum- und Alkoholmitführungsverbote an Brenn-punkten zu erlassen, fand letztlich in der grün-roten Landesregierung sowie in den diese tragenden Landtagsfrakti-onen keine Mehrheit und wurde auf die nächste Legislaturperiode vertagt. Und dies, obwohl die gleichnamige Ar-beitsgruppe in ihrem Abschlussbericht Alkoholkonsum- und Alkoholmitfüh-rungsverbote an Brennpunkten als ei-nen von mehreren wirkungsvollen Bausteinen zur Problembewältigung vorgeschlagen hatte.

Übrig geblieben sind folgende Empfeh-lungen des Runden Tischs, die weiter-verfolgt werden sollen:

• Schaffung interdisziplinärer Arbeitsgruppen mit einer dauer­haften Koordinierung und hoher personeller Kontinuität vor OrtZiel ist dabei das abgestimmte Zusam-menwirken von Polizei, Kommune, Suchtberatung, Gastronomie und betrof-fenen Bürgerinnen und Bürgern in einem partnerschaftlichen Kontext im Rahmen einer dauerhaften Arbeitsgruppe.

• Verstärkte Präsenzmaßnahmen, Kontrolle und Durchsetzung bestehender Regelungen im öffent­lichen RaumHierbei sollen insbesondere die Einhal-tung des Jugendschutzes und gaststät-tenrechtlicher Vorgaben wie beispiels-weise das Verbot des Ausschanks an er-kennbar Betrunkene in den Fokus ge-rückt werden.

• Anwendung bestehender recht­licher Handlungsmöglichkeiten wie des Erlasses kommunaler Satzungen für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen, bspw. für Spielplätze und GrünflächenDas Innenministerium will in Zusam-menarbeit mit den kommunalen Lan-desverbänden eine Handreichung für die Kommunen des Landes erstellen.

• Grundsätzliches Festhalten an den Regelungen zum Alkohol­verkaufsverbot. Darüber hinaus sollten identifizierte Lücken (Warenautomaten und reine Alkoholbringdienste) geschlossen werden.

• Flexiblere Regelungen zu den Sperrzeiten in der Gaststätten­verordnung mit dem Ziel, den Kommunen vor Ort mehr Kompetenzen und Rechts­sicherheit zu gewähren.

• Erstellung einer Handreichung mit einer Beschreibung von allen durch die Arbeitsgruppe als ziel­führend identifizierten Maßnahmen („Werkzeugkoffer“)Eine systematische Übersicht der landes-weit bestehenden 119 Maßnahmen soll im Sinne eines „Best Practice“-Ansatzes den Verantwortungsträgern vor Ort wertvolle Impulse für das eigene Handeln geben.

Diese Empfehlungen sind bislang nicht abschließend umgesetzt worden. Immer-hin ist vor kurzem ein Gesetzentwurf zur Ergänzung des Gesetzes über die Ladenöff-nung in die Verbandsanhörung gegangen. Damit sollen so genannte Alkoholbring-dienste und Warenautomaten, die alko-holische Getränke anbieten, in das seit 1. März 2010 geltende nächtliche Alko-holverkaufsverbot einbezogen und damit bestehende Regelungslücken geschlossen werden. Vom Innenministerium ist darü-ber hinaus die o.g. Handreichung mit einer Beschreibung aller durch die Arbeits-gruppe als zielführend identifizierter Maß-nahmen („Werkzeugkoffer“) erarbeitet und mit den kommunalen Landesverbän-den abgestimmt worden. Eine Freigabe durch das Staatsministerium ist allerdings noch erforderlich.

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Nicht jeder Bürger bzw. jede Bürgerin wolle oder könne dafür die örtlich zu-ständige Polizeidienststelle aufsuchen.

Als Ausfluss aus diesen Aktivitäten hat der Gemeindetag Baden-Württemberg zum einen seinen Kreisverbandsvorsit-zenden empfohlen, in ihren Sitzungen für die in den gemeinsamen Empfeh-lungen enthaltenen Maßnahmen unter Zusammenarbeit von Kommunen und Polizei zu werben. Zum anderen hat der Gemeindetag die Empfehlungen in der Gt-info mit dem Anraten, diese vor Ort umzusetzen, veröffentlicht. Im Vorder-grund soll dabei stehen, dass Kom-munen und Polizei zunächst dort eine Sicherheitspartnerschaft eingehen, wo es bislang noch keine gibt. Ansonsten sollten bestehende Sicherheitspartner-schaften ggf. reaktiviert und im Hin-blick auf den Schutz vor Wohnungsein-brüchen ausgebaut werden. Auf die Darstellung in Gt-INFO Nr. 419/2015 vom 20. Mai 2015 und die dortigen Links zum Herunterladen der o.g. Un-terlagen wird hingewiesen.

Die Sicherheitspartnerschaft zur Be-kämpfung von Wohnungseinbrüchen war anschließend auch ein Thema der AG 10.000-Sitzung des Gemeindetags mit Ministerialdirektor Dr. Herbert O. Zinell am 19. Mai 2015.

Am 24. Juli 2015 wurde dann im Beisein von Präsident Roger Kehle von den In-nenministern Bayerns und Baden-Württembergs im hiesigen Innenminis-terium eine Kooperationsvereinbarung zur intensivierten Bekämpfung der Wohnungseinbruchkriminalität zwi-schen Baden-Württemberg und Bayern (Sieben-Punkte-Programm) unterzeich-net. Die Pressemitteilung des Gemein-detags dazu ist in Gt-INFO Nr. 703/2015 vom 5. August 2015 wiedergegeben.

Darüber hinaus hat das Projektbüro Kommunale Kriminalprävention beim Innenministerium Baden-Württem-berg, in dem auch der Gemeindetag Mitglied ist, einen Projektantrag „Prä-vention von Wohnungseinbrüchen durch eine aufmerksame und vertrau-ensvolle Nachbarschaft“ bei der Baden-Württemberg Stiftung vorbereitet.

Initiative des Gemeindetags Baden-Württemberg gegen Wohnungseinbrüche

Bereits mit Schreiben vom 1. Dezember 2014 hat der Gemeindetag Baden-Würt-temberg Innenminister Reinhold Gall MdL eine Sicherheitspartnerschaft zwi-schen Innenministerium, Polizei und Gemeindetag gegen Wohnungseinbrü-che vorgeschlagen. In seiner Antwort vom 16. Januar 2015 hat der Innenmi-nister diesen Vorschlag aufgegriffen und im Übrigen einen Sicherheitsgipfel, unter Einbindung der beiden anderen kommunalen Landesverbände, vorge-schlagen.

In der Folgezeit hat das Innenministeri-um den kommunalen Landesverbän-den dann den Entwurf gemeinsamer Empfehlungen für eine Sicherheitspart-nerschaft zur Bekämpfung von Woh-nungseinbrüchen zukommen lassen. Der Gemeindetag hat die dort aufge-führten Maßnahmen allerdings nicht für ausreichend gehalten, um bei den Wohnungseinbrüchen eine Trendwen-de zu erreichen. Mit Schreiben vom 16. März 2015 wurde dem Innenminister deshalb ein Positionspapier des Ge-meindetags Baden-Württemberg mit den aus seiner Sicht erforderlichen Maßnahmen übersandt. Die Pressemit-teilung des Gemeindetags vom selben

Tag ist in BWGZ 6/2015 Seite 282 und in Gt-INFO Nr. 269/2015 vom 7. April 2015 veröffentlicht worden.

Am 17. März 2015 hat dann die Landes-regierung ein Offensivkonzept gegen Wohnungseinbruch beschlossen. Des-sen Inhalte fanden Eingang in das Ant-wortschreiben des Innenministers vom 24. März 2015 an den Gemeindetag. Was die Personalsituation bei der Polizei angeht, hat der Minister mitgeteilt, dass 226 Polizeivollzugsstellen nicht wie ur-sprünglich vorgesehen in den Jahren 2017 bis 2019 abgebaut, sondern erhal-ten bleiben und verstetigt werden sol-len. Die daraus entstehenden Kosten für den Landeshaushalt von jährlich rund 12 Millionen Euro seien zwar eine be-trächtliche, aber jedoch lohnenswerte Investition in die Sicherheit des Landes. Zudem würde die Ausbildungskapazität der Polizei im Zuge einer Einstellungs-offensive für die Jahre 2017 und 2018 mit insgesamt 2.800 vorgesehenen Ein-stellungen erhöht werden.

Auf der Basis dieses Schriftwechsels sind dann die gemeinsamen Empfehlungen für eine Sicherheitspartnerschaft zur Be-kämpfung von Wohnungseinbrüchen ergänzt und beim Sicherheitsgipfel am 1. April 2015 im Innenministerium – unter Anwesenheit von Presse- bzw. Me-dienvertretern – unterzeichnet worden. Präsident Roger Kehle hat in seinem Statement für den Gemeindetag Baden-Württemberg die Empfehlungen zwar begrüßt, aber in Anbetracht der Tatsa-che, dass die Zahl der Wohnungseinbrü-che bereits seit acht Jahren steigt, weite-re Schritte des Landes gefordert. Insbe-sondere müsste, trotz der vor kurzem gescheiterten Bundesratsinitiative Bay-erns, erneut ein Anlauf unternommen werden, damit Wohnungseinbruchs-diebstähle strafrechtlich künftig nicht mehr als minder schwere Fälle geahndet werden könnten. Auch der Nichtabbau der oben genannten 226 Polizeivoll-zugsstellen sei lobenswert, aber seines Erachtens nicht ausreichend. Weiteres Personal sei dringend erforderlich. Dar-über hinaus halte er nach wie vor die Einrichtung einer Rund-um-die-Uhr-Telefonhotlinie „Wohnungseinbruchs-schutz“ beim LKA für erforderlich.

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Büro ReutlingenDominohausAm Echazufer 2472764 ReutlingenTel 07121 [email protected]

Büro StuttgartLloyd-HausSchloßstraße 7070176 StuttgartTel 0711 489 [email protected]

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nach Art. 28 GG grundsätzlich Rech-nung zu tragen und daher die Rechtset-zung so auszugestalten, dass diese den Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg gewährleistet bleibt. Ge-nau hier setzt die Kritik an. Das Gesetz enthält gesetzliche Vorgaben, für die der Gemeindetag weder eine rechtliche Begründung noch eine Notwendigkeit erkennen kann. Weshalb soll die Ein-richtung von Fraktionen und ihrer Rechte geregelt werden? Warum müs-sen eine Mindestfrist für die Einberu-fung des Gemeinderats und andere or-ganisatorische Einzelheiten verbindlich festgelegt werden? Wie kann der Ge-setzgeber bestimmen dürfen, welche Inhalte ein Amtsblatt der Gemeinde haben muss? Fazit: Es werden mit den vorgesehenen Neuregelungen unnötige Vorgaben gemacht, anstatt auf die Ent-scheidungsfähigkeit der kommunalen Hauptorgane, orientiert an den örtli-chen Bedürfnissen und Gegebenheiten, zu vertrauen. Gemeinderäte können ihre Geschäftsabläufe selbst vereinba-ren. Was durch Geschäftsordnungen jahrzehntelang zufriedenstellend gere-gelt war, muss nicht durch den Landtag bestimmt werden. Mehr Bürokratie hindert die erfolgreiche Arbeit der Gemeinde räte.

Künftig sollen auch Aufstellungsbe-schlüsse von Bauleitplänen bürgerent-scheidsfähig sein. Dafür gibt es aus Sicht des Gemeindetags keine Notwen-digkeit. Zudem können komplexe Ein-zelheiten von Bebauungsplänen nicht durch Bürgerentscheid abgewogen werden.

Das bestehende Recht trägt den grund-sätzlichen Anforderungen an direkt- demokratische Elemente Rechnung und schränkt die Bürgerbeteiligung nicht unangemessen ein. Zumal im Vorfeld eines Bebauungsplans Bürgerentscheide über städtebauliche Entwicklungen durchaus möglich sind.

Der Gemeindetag ist der Auffassung, dass die Erfüllung der kommunalen Aufgaben schwerpunktmäßig bei den kontinuierlich arbeitenden und von der Bürgerschaft gewählten Repräsentativ-organen verbleiben muss.

Kommunales und Wahlen

Die Geschäftsjahre 2013 bis 2014 waren auch durch Bundes- und die Kommunal-wahlen geprägt. Beratungsbedarf im Be-richtszeitraum ergab sich vor allem auch im Hinblick auf die Vorbereitung und Durchführung der Bundestagswahl 2013 sowie der Kommunalwahl und der Euro-pawahl am 25. Mai 2014. Im Vorfeld der Wahlen stand eine Vielzahl von Ände-rungen des Bundes- und Kommunal-wahlrechts im Fokus, deren Auswirkun-gen für die kommunale Praxis geprüft und teilweise knifflige rechtliche Fragen gelöst werden mussten. Die Wahlrechts-neuerungen sind bereits in BWGZ 1/2015 Seite 3 ff. dargestellt worden.

Zu den Wahlrechtsneuerungen gehörte auch ein neues Sitzverteilungsverfahren für die Kommunalwahlen. Das seit vie-len Jahrzehnten geltende Berechnungs-verfahren nach d’Hondt wurde durch das Höchstzahlverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers ersetzt. In den einzel-nen Kommunen wurde daher mit Span-nung darauf geschaut, ob und wie sich diese Rechtsänderung auf die Zusam-mensetzung der kommunalen Gremien auswirkt. Aus Erfahrungen beim Bun-des- und Landeswahlrecht stand das neue Sitzverteilungsverfahren in dem Ruf, dass es kleineren Gruppierungen eher mehr Chancen auf Sitze einräumt. Mit Landtagsdrucksache 15/6750 wurde eine umfangreiche Untersuchung und Analyse des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg veröffentlicht, die teilweise diesen Effekt bestätigt.

Begleitung und Unterstützungen für ih-re Wahlgeschäfte fanden die Städte und Gemeinden durch ein vielfältiges Semi-narangebot der Verwaltungsschule des Gemeindetags, laufend aktuelle elektro-nische Infos der Geschäftsstelle, das Ex-tranet und über ein besonderes Kom-munalforum, das ebenfalls von der Ge-schäftsstelle betreut wurde und auch weiterhin wird.

In Anschluss an die Kommunalwahl be-stand intensiver Beratungsbedarf im Hinblick auf die konstituierende Sit-zung, die Besetzung der Ausschüsse und die Ortsvorsteherwahlen. Dabei ging es

hauptsächlich um die Einigungs- bzw. Wahlverfahren und damit verbundenen Fragen der Auslegung rechtlicher Vor-schriften.

Nach der Kommunalwahl erschien am 30. Juni 2014 die Schwerpunktausgabe der Verbandszeitschrift des Gemeinde-tags „Die Gemeinde“ (BWGZ) Heft 11-12/ 2014 für die neu gewählten Gemeinde-räte und Ortschaftsräte, die in einer Auflage von insgesamt mehr als 28.000 Exemplaren reißenden Absatz fand.

Kommunale Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden nicht gefährden: Daher Hände weg von der Gemeindeordnung

Der Landtag beschäftigt sich nach der Sommerpause mit einem umfangrei-chen Gesetzentwurf zur Änderung der Gemeindeordnung und der Landkreis-ordnung (LT-Drucksache 15/7265). Der Gesetzentwurf wurde gegenüber dem Anhörungsentwurf nur an ganz weni-gen Stellen modifiziert. Aufgegeben wurde die ursprünglich vorgesehene Absenkung des Quorums von einem Viertel auf ein Sechstel der Gemeinde-räte für das Akteneinsichtsrecht und das Einberufungsrecht von Sitzungen. Au-ßerdem soll die Öffentlichkeit von Sit-zungen beschließender Ausschüsse nicht (mehr) als Regelfall hergestellt werden. Auch eine Gleichstellung ein-zelner Gemeinderäte mit einer Fraktion, in Gemeinden mit bis zu 18 Gemeinde-räten, wurde nicht in den in der Land-tagsdrucksache veröffentlichten Gesetz-entwurf aufgenommen. Dieses ist auch auf die im Anhörungsverfahren deut-lich geäußerten rechtlichen Bedenken des Gemeindetags zurückzuführen.

Zwar kann die Absenkung der Quoren bei Bürgerbegehren und Bürgerent-scheiden akzeptiert werden, alle weite-ren Änderungen der Gemeindeordnung lehnt der Gemeindetag Baden-Würt-temberg jedoch weiterhin ab. Das Land ist aufgefordert, auf das Gesetz zu ver-zichten (Erläuterungen dazu vgl. auch BWGZ 1/2015 Seite 4).

Der Landesgesetzgeber hat der Selbst-verwaltungsgarantie der Gemeinden

Geschäftsbericht

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979Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015 Geschäftsbericht

Papierloser Gemeinderat

Die Digitalisierung der Gemeinderats-arbeit hatte im Berichtszeitraum an Be-deutung gewonnen. Der praktische Bedarf ist unbestreitbar. So haben in den letzten Jahren eine Vielzahl von Städten und Gemeinden so genannte Ratsinformationssysteme beschafft, mit denen der Sitzungsdienst, zu gro-ßen Teilen, papierlos gemanagt werden kann. Trotzdem ist natürlich die Aus-gangslage in den Städten und Gemein-den sehr unterschiedlich. Dies ist häu-fig auch dem Umstand geschuldet, dass nicht alle Gemeinderatsmitglieder über eine elektronische Adresse verfügen, möglicherweise auch nicht alle Ent-sprechendes einrichten oder generell lieber schriftlich eingeladen werden wollen. Auch fehlt es in manchen Be-reichen des Landes an der erforderli-chen Infrastruktur, um große Daten-mengen (z.B. Pläne) in zumutbarer Geschwindigkeit abzurufen.

In einigen Kommunen wird der Einsatz von verschiedenen Empfangsgeräten, wie iPad, Laptop, Smartphone oder Tab-let erprobt. Die technischen Möglich-keiten werden in den nächsten Jahren weitergehen und damit werden auch für die Ratsarbeit neue Möglichkeiten eröff-net werden. Welcher Weg eingeschla-gen wird, muss jede Gemeinde für sich entscheiden. Wie schon ausgeführt, spielen dabei die technischen und for-malen Voraussetzungen, aber auch die Kosten eine Rolle.

Mit der vorgesehenen Änderung der GemO wird das Thema insgesamt sicher einen weiteren Schub erleben. Die Sit-zungsunterlagen von kommunalen Gremien sollen danach unter bestimm-ten Voraussetzungen auch im Internet veröffentlicht werden.

Der Gemeindetag Baden-Württemberg begleitet diese Entwicklungen mit In-formationen auf seinen Arbeitstagun-gen und nutzt solche Veranstaltungen auch, um Erfahrungen auszutauschen.

Bei einer Überarbeitung des Musters des Gemeindetags für eine Geschäfts-ordnung des Gemeinderats, das u.a.

auch im Zusammenhang mit der vor-gesehenen Novelle der Gemeindeord-nung weiterentwickelt werden muss, wird die Digitalisierung der Gremi-umsarbeit sicher auch eine zentrale Rolle spielen. Das Geschäftsordnungs-muster soll unter Beteiligung der kom-munalen Praxis überarbeitet werden und Empfehlungen vorschlagen, die dann an die konkreten Gegebenheiten vor Ort anzupassen sind. Da die Novel-le der Gemeindeordnung voraussicht-lich erst im letzten Quartal des Jahres im Landtag verabschiedet wird, kann die Überarbeitung des Geschäftsord-nungsmusters nicht vor Ende des Jah-res abgeschlossen sein.

Interfraktionelle Einigung zur direkten Demokratie in der Landesverfassung

Seit längerem angekündigt, nun soll es umgesetzt werden: Im Juli 2015 haben alle im Landtag vertretenen Fraktionen einen Gesetzentwurf zur Änderung der Landesverfassung eingebracht. Damit sollen die direkten Beteiligungsmög-lichkeiten der Landesbürgerinnen und -bürger gestärkt werden.

Vergleichbar mit dem Bürgerantrag auf kommunaler Ebene (§ 20b GemO) soll auf Landesebene die Möglichkeit eines Volksantrags eingeführt werden. Mit den Unterschriften von 0,5 Prozent der Wahlberechtigten (zirka 38.000 Wahl-berechtigte) kann der Landtag ver-pflichtet werden, sich mit bestimmten Gegenständen der politischen Willens-bildung in seinem Zuständigkeitsbe-reich zu befassen. Dem Quorum kommt eine wichtige Bedeutung zu. Schließ-lich müssen die Initiatoren eines Volks-antrags eine ausreichende demokrati-sche Legitimation nachweisen können, wenn sie den Landtag für sich in An-spruch nehmen wollen. Zudem müs-sen die Anforderungen an einen Volks-antrag so gestaltet sein, dass die Funk-tions- und Handlungsfähigkeit des Landtags nicht eingeschränkt wird. Gegenstand eines Volksantrags können auch Gesetzentwürfe sein. In diesem Fall muss dem Landtag ein ausgearbei-teter und mit Gründen versehener Ge-

setzentwurf vorgelegt werden. Ein An-spruch, den eingebrachten Gesetzent-wurf auch zu beschließen, besteht na-türlich nicht.

Mit dem Änderungsentwurf soll außer-dem das Zustimmungsquorum für Volksabstimmungen über einfache Ge-setze von 33 Prozent auf 20 Prozent der abgegebenen Stimmen abgesenkt wer-den. Für ein Volksbegehren sollen künf-tig nur noch 10 Prozent der Bürgerin-nen und Bürger unterschreiben müssen; bisher sind es 16,7 Prozent. Vorgesehen war, den Gesetzentwurf im September in den Landtag einzubringen.

Der Gemeindetag Baden-Württemberg wird im Rahmen der offiziellen Anhö-rung auch die möglichen Auswirkungen auf die Aufgaben der Städte und Ge-meinden thematisieren. Zielsetzung der Verfassungsänderung ist auch eine stär-kere Nutzung der plebiszitären Instru-mente. Da Städte und Gemeinden auf-grund der Ausführungsbestimmungen erhebliche Mitwirkungspflichten in den verschiedenen Verfahren haben (Über-prüfung der Wahlberechtigung von Un-terzeichnern, Ausstellung von Wahl-rechtsbescheinigungen, Bekanntma-chungspflichten, Durchführung der Abstimmungen u.v.m.), kann der kom-munale Zuständigkeitsbereich durchaus konkret betroffen sein.

Neu eingeführt: die Landesverfassungsbeschwerde

Seit 1. April 2013 gibt es in Baden-Würt-temberg die Möglichkeit, beim Staatsge-richtshof des Landes eine Verfassungs-beschwerde einzureichen. Berechtigte sind nicht nur Bürgerinnen und Bürger, auch Städte und Gemeinden können die Überprüfung der Verfassungsmäßig-keit aller Maßnahmen der öffentlichen Gewalt anstoßen. Die Landesverfas-sungsbeschwerde als außerordentlicher Rechtsbehelf ist naturgemäß erst nach Ausschöpfung des allgemeinen Rechts-wegs zulässig.

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980 Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015

rungsvorschriften des Bundes zur Neu-ordnung im Meldewesen, wie die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Bundesmeldegeset-zes, die Portalverordnung und die Mel-deregisterauskunftsverordnung, war bis zum Redaktionsschluss zwar die Anhö-rung abgeschlossen, eine Verkündung allerdings noch nicht erfolgt.

Zensus 2011 – Stand der gerichtlichen Verfahren gegen die Zensus- Ergebnisseverfahren

Die im Oktober 2013 bekannt gegebe-nen Ergebnisse des Zensus 2011 und die Auswirkungen für die kommunalen Fi-nanzen sind auch im Berichtszeitraum wichtige Themen gewesen. Derzeit sind bundesweit 351 gerichtliche Verfahren anhängig; die Klageverfahren der sechs Pilotgemeinden in Baden-Württemberg sind nach wie vor bei den Verwaltungs-gerichten anhängig. Insbesondere geht es dabei um den Stopp der Daten-löschungen bei den Statistischen Äm-tern. Dies vor allem auch vor dem Hin-tergrund, dass die potenziell verfahrens-relevanten Zensusdaten auf die Statisti-schen Ämter in Stuttgart, Düsseldorf, Wiesbaden und München verteilt sind. Die Verwaltungsgerichte sind sich in diesen Fragen nicht einig. Nähere Aus-führungen zum Thema vgl. BWGZ 15-16/ 2015, Seiten 743ff. (Gemeindefinanz-bericht 2015).

Eine abschließende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Zensusverfah-rens 2011 und die Folgen wird noch ei-nige Zeit auf sich warten lassen. Letzt-endlich wird sie erst nach Ausschöpfung des Rechtswegs und damit nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsge-richts und dem Abschluss aller Klage-verfahren vorliegen.

Eine neue Perspektive kann durch die Klage des Stadtstaates Berlin vor dem Bundesverfassungsgericht eröffnet sein. Die Stadt Berlin macht die Verfassungs-widrigkeit des Zensusgesetzes des Bundes geltend. Dieses Verfahren dürfte für alle weiteren verwaltungsgerichtlichen Kla-gen von grundsätzlicher Bedeutung sein.

Bundesmeldegesetz und Ausführungsvorschriften dazu lassen erhöhten Aufwand bei den Meldebehörden befürchten

Mit Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg (IM) vom 1. August 2014 ist der Gemeindetag Baden-Würt-temberg zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften angehört worden. In seiner Stellung-nahme vom 29. September 2014 hat der Gemeindetag den Entwurf insge-samt begrüßt. Insbesondere hat er die gute Vorbereitung durch eine beim IM eingerichtete Arbeitsgruppe mit Vertre-tern des Datenverarbeitungsverbunds Baden-Württemberg (DVV) und der Kommunen hervorgehoben.

Darüber hinaus hat der Gemeindetag Baden-Württemberg aber in zwei Schrei-ben auch einen finanziellen Ausgleich durch das Land für die den Gemeinden durch die Ausführung des Bundesmel-degesetzes (BMG) entstehenden Mehr-kosten verlangt. Diese entstehen insbe-sondere durch eine Anpassung der IT-Fachverfahren beim DVV. Ein Schwer-punkt ist dabei die Sicherstellung eines Datenabrufs über das Internet rund um die Uhr für die Sicherheitsbehörden (jetzt bundesweit). Nachdem das Land über § 1 Abs. 2 des Gesetzentwurfs

(„Meldebehörde ist die Ortspolizei-behörde“) die mit dem BMG und dem Ausführungsgesetz einhergehenden Aufgaben auf die Städte und Gemein-den übertragen hat, sieht der Gemein-detag das Land hier klar in der Aus-gleichspflicht – zumal das Land bislang nicht überzeugend dargelegt hat, ob bzw. in welcher Höhe die Vorgaben des BMG bzw. des Ausführungsgesetzes möglicherweise Entlastungen für die Kommunen bringen könnten. In der allgemeinen Begründung zum Gesetz-entwurf hatte das Land nur festgestellt, dass sich für die Städte und Gemeinden keine wesentlichen Mehrbelastungen aus den landesrechtlichen Regelungen ergeben. Auf eventuelle Mehrbelastun-gen durch Regelungen des BMG wurde dort überhaupt nicht eingegangen. Das Innenministerium hat in seinen Ant-wortschreiben einen Ausgleichsan-spruch in Abrede gestellt.

Das Gesetz zur Ausführung des Bundes-meldegesetzes und zur Änderung weite-rer Vorschriften ist im Gesetzblatt vom 26. Mai 2015 (S. 320) veröffentlicht wor-den und tritt, wie das Bundesmeldege-setz, zum 1. November 2015 in Kraft. Für die neue Meldeverordnung des Landes ist die Anhörung inzwischen abgeschlos-sen. Der Gemeindetag Baden-Württem-berg hatte sich dazu grundsätzlich posi-tiv geäußert. Für verschiedene Ausfüh-

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Melderecht aktuell und praxisnah

Werner Süßmuth

BundesmeldegesetzAm 1. November 2015 tritt das Bundemeldegesetz in Kraft und löst damit das bisherige Melderechtsrahmengesetz sowie die noch bis zum 31.10.2015 geltenden Meldegesetze der Länder ab. Das Bundesmeldegesetz enthält erstmals Regelungen, die bundesweit einheit-lich und unmittelbar gelten.

Das Standardwerk zum Melderecht hat sich seit über 30 Jahren in der Praxis des Melde-wesens sowie bei den mit melderechtlichen Fragen befassten Behörden und Gerichten bewährt. Auch nach Inkrafttreten der neuen Regelungen wird dem Anwender wieder ein unverzichtbares Arbeitsmittel an die Hand gegeben. So enthält es neben einer umfang-reichen Einführung in das Meldewesen die Kommentierung des Bundesmeldegesetzes, die dazugehörige Verwaltungsvorschrift sowie die Rechtsverordnungen zum Bundesmelde-gesetz, die sukzessive ebenfalls erläutert werden. Daneben sind auch die Ausführungsge-setze der Länder und der Datensatz für das Meldewesen (DSMeld) inbegriffen. Abgerundet wird die Sammlung schließlich mit den für den Praktiker einschlägigen Rechtsvorschriften aus dem Pass- und Personalausweis-, Datenschutz,- Personenstands- sowie Steuerrecht.

Der Autor: Werner Süßmuth, Regierungsdirektor im Bundesministerium des Innern a.D.

Christof Hoffmann

Das neue Melderecht 2015Synopse mit erläuternder EinführungAm 1. November 2015 tritt das Bundesmeldegesetz (BMG) in Kraft. Es löst das Melderechts-rahmengesetz (MRRG), die Meldegesetze der Länder und die jeweiligen darauf basierenden Meldedatenübermittlungsver ordnungen ab. Als zentraler Bestandteil des Gesetzes zur Fortent wicklung des Meldewesens wird mit dem BMG das Melde recht in Konsequenz aus der Föderalismusreform I im Jahr 2006 grundsätzlich neu ausgerichtet und zukunftsfähig gemacht.

Das Werk – das insbesondere auch auf die zwischenzeitliche Gesetzesänderung im Jahr 2014 eingeht – gibt allen mit melderechtlichen Fragen Befassten einen schnellen Über blick über Hintergründe und Zusammenhänge der neuen Rechtslage und ermöglicht durch eine synoptische Gegenüberstellung von BMG und MRRG eine schnelle Orientierung.

Der Autor: Dr. Christof Hoffmann ist Leitender Regierungsdirektor im Landesverwaltungsamt Saar-land und hat zuvor bis Oktober 2014 das Melderechtsreferat im saarländischen Ministerium für Inneres und Sport geleitet.

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Page 91: Geschäftsbericht 2013-2015

982 Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015

anlassen auch die Kommunalen Re-chenzentren und die Datenzentrale, ei-ne neue Struktur des kommunalen Da-tenverarbeitungsverbunds anzustreben. Ein neues, alle bisherigen Dienstleister umfassendes Unternehmen soll sich dem Wettbewerb am IT-Markt stellen und sich als wirtschaftlich erfolgreicher Partner der Städte und Gemeinden im Land präsentieren.

Land und Kommunen brauchen Geodaten

Stadtplanung, Dorfentwicklung, eigent-lich jede nachhaltige Planung in unse-ren Städten und Gemeinden braucht als Basis Daten über die Ausgangslage. Bes-ser noch: Daten, aus denen künftige Entwicklungen abschätzbar werden. Solche Daten werden heute in der Regel digital recherchiert, verarbeitet und gra-fisch aufbereitet. Das gilt nicht zuletzt und zunehmend auch für geographi-sche Daten, also solche mit Bezug zu einem Standort.

Viele Beteiligte, nicht nur die Kommu-nalverwaltung, brauchen solche Geo-daten. Die Idee einer gemeinsamen staatlich-kommunalen Geodateninfra-struktur war und ist also richtig. Sie bietet Chancen für Landesbehörden, die Kommunalverwaltung und nicht zuletzt für die politische Steuerung auf allen Ebenen.

Der Gemeindetag Baden-Württemberg unterstützt daher die Entwicklung ei-ner staatlich-kommunalen Geodaten-Basis. Städte und Gemeinden sollten sich des Themas intensiv annehmen. Es gilt Pflichten zu erfüllen: Einige di-gital vorhandene Geodaten müssen aufbereitet und zur gemeinsamen Nut-zung in einem Datenportal zur Verfü-gung gestellt werden; z.B. Bebauungs-pläne. Entscheidend aber kommt es darauf an, von der technologischen Entwicklung nicht abgehängt zu wer-den und in der Kooperation mit ande-ren öffentlichen Stellen nicht zum Bremser zu werden. Jede Stadt, jede Ge-meinde ist an kurzen Verfahren auf si-cherer Informationsbasis interessiert, vor allem wenn sie selbst betroffen oder Herrin des Verfahrens ist.

EDV in der Verwaltung

Regeln für E­Government

Das Land beabsichtigt, ein dem E-Govern-ment-Gesetz des Bundes entsprechendes Landesgesetz auf den Weg zu bringen, das zumindest teilweise auch für die Kommu-nalverwaltung gelten soll. Das Gesetz setzt die Regelungen des E-Government-Gesetzes des Bundes in Landesrecht um, soweit dies sinnvoll erscheint. Es gilt ins-besondere für die Behörden des Landes, der Gemeinden und der Gemeinde-verbände.

In Vorschriften für das elektronische Verwaltungshandeln sollen die materi-ell rechtlichen Normen zur Förderung und Unterstützung des E-Governments zusammengefasst werden. Das Gesetz soll Regeln für den elektronischen Zu-gang zur Verwaltung enthalten, zur In-formation über Verwaltungsverfahren, zum elektronischen Bezahlen und zur Vorlage von Nachweisen auf elektroni-schem Weg, ferner zur elektronischen Akte, zur Verfahrensoptimierung und zu elektronischen Formularen und schließlich zur Georeferenzierung von Registerdaten, zur elektronischen Veröf-fentlichung in Amts- und Mitteilungs-blättern, zur Barrierefreiheit, zur Infor-mationssicherheit sowie zur Bereitstel-lung, Pflege und Weiterentwicklung des Dienstleistungsportals des Landes und der mit ihm verbundenen zentralen Dienste. Es soll zur Umsetzung der Stan-dardisierungsbeschlüsse des IT-Pla-nungsrates (Bund/Länder) verpflichten. Weiter sollen die Organisation und die Strukturen der Zusammenarbeit in der Informationstechnologie innerhalb der Landesverwaltung und zwischen Land und Kommunen neu geregelt werden.

Für Städte, Gemeinden und Landkreise wird sich das Gesetz auf wenige ver-bindliche Vorschriften beschränken, vor allem auf

− die Verpflichtung zur elektronischen Erreichbarkeit,

− die Verpflichtung, allgemeine Informationen über die Behörde ins Internet zu stellen,

− die Verpflichtung, im Rahmen elek-tronischer Verwaltungsverfahren auch eine elektronische Bezahl-möglichkeit anzubieten,

− die Verpflichtung im Rahmen elektronischer Verwaltungs-verfahren auch elektronische Nachweise zu akzeptieren,

− die Ermächtigung, Akten elektro-nisch zu führen,

− Grundstandards für die Bereit-stellung elektronischer Daten,

− die Ermächtigung zur elektronischen Publikation.

Im Gesetzgebungsverfahren wird darauf zu achten sein, dass dem Grundgedan-ken der Achtung der kommunalen Or-ganisationshoheit und der staatlich-kommunalen Kooperation Rechnung getragen wird. Es ist damit zu rechnen, dass rechtliche Grundanforderungen Standards betreffen, die von den Mit-gliedsstädten und -gemeinden ohnehin erfüllt werden oder mit geringem Ver-waltungs- und Kostenaufwand realisier-bar sind.

Der Rechts-, Personal- und Europaaus-schuss hat eine Prüfung des Gesetzent-wurfs beschlossen. Der Ausbau elektroni-scher Verwaltungsfunktionen (E-Govern-ment) wird grundsätzlich unterstützt. Den Mitgliedsstädten und -gemeinden wird empfohlen, die Herausforderungen aktiv anzunehmen. Die konstruktive Zusammenarbeit mit den Stellen des Landes auf der Basis der Freiwilligkeit soll fortgesetzt werden.

Neue Struktur für kommunale Datenverarbeitung

Neue Herausforderungen – nicht nur auf dem Feld des E-Government – ver-

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Page 92: Geschäftsbericht 2013-2015

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Page 93: Geschäftsbericht 2013-2015

984 Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015

„Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf,1. zu überprüfen, ob und in welchem Um-

fang die Vorschriften des AÜG auf die Personalgestellung und Abordnung nach den Regelungen des TVöD und des TV-L Anwendung finden und welche Konse-quenzen dies für bestimmte Fallkonstel-lationen der Personalgestellung und Ab-ordnung hat;

2. unverzüglich zu regeln, dass öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften im Hinblick auf Personalgestellungen und Abordnungen nicht in den Anwendungs-bereich des AÜG fallen,

hilfsweise für die vorgenannten Rechts-träger ein vereinfachtes und kostenfreies Verfahren für die Erteilung einer unmit-telbar unbefristeten Arbeitnehmerüber-lassungserlaubnis einzuführen.“

Die Bundesregierung hat die Aufforde-rung bisher ignoriert. Auf Anregung des Gemeindetags Baden-Württemberg greift der Deutsche Städte- und Gemein-debund das Anliegen erneut auf.

Personalvertretungsrecht

Einhellig abgelehnt wurde der Gesetz-entwurf, den die Landesregierung am 6. November 2013 in den Landtag ein-gebracht hat. Zum Personalvertretungs-recht fand fast keines der Argumente der kommunalen Landesverbände und des Kommunalen Arbeitgeberverbands Berücksichtigung. Dagegen werden weitgehende Wünsche der Gewerk-schaften erfüllt.

Die LPVG-Novelle führte zu einer Ver-doppelung der Freistellungen für die Personalräte sowie zu mehr und schwie-rigeren Beteiligungsverfahren. Die Kommunalverwaltungen werden da-mit, das zeigt die Praxis immer deutli-cher, ausgebremst und mit hohen Kos-ten belastet. Die Verbände hatten im Vorfeld Vorschläge für ein schlankes, zeitgemäßes und rechtssicheres Mitbe-stimmungsrecht im öffentlichen Dienst gemacht. Angesichts der von der Lan-desregierung immer wieder vorgetrage-nen Einsparerfordernissen ist nicht nachvollziehbar, warum das Land diese Vorschläge nicht aufgegriffen hat. An-lass zu einer umfassenden Novelle hätte

Personal

Streikrecht und Daseinsvorsorge

Nach 2009 wurden 2015 wieder viele kommunale Kindertagesstätten be-streikt. Auch nicht dem Kommunalen Arbeitgeberverband angehörende Städte und Gemeinden waren teilweise Ziel-scheibe der Arbeitskämpfe. Der Gemein-detag Baden-Württemberg hat sich 2012 dafür ausgesprochen, den Gesetzentwurf einiger Universitätsprofessoren zur Rege-lung des Streikrechts in Unternehmen der Daseinsvorsorge von kommunaler Seite zu unterstützen. Um eine gesetz-liche Regelung des Streikrechts war es dann aber still geworden. 2015 bereitete die Bundesregierung, wie in der Koaliti-on vereinbart, einen Gesetzentwurf zur Regelung der Kollision von Tarifverträ-gen konkurrierender Gewerkschaften vor (Tarifeinheitsgesetz). Gelegenheit, das kommunale Anliegen zur Sicherstel-lung der Daseinsvorsorge einzubringen.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat den Vorschlag des Gemeindetags Ba-den-Württemberg aufgegriffen und eine Regelung des Verfahrens bei Streiks in Be-trieben der Daseinsvorsorge gegenüber dem Bundesarbeitsministerium vertreten. Es geht insbesondere um eine angemesse-ne Ankündigungsfrist und die Gewähr-leistung einer über eine Minimalversor-gung hinaus gehende Betriebsfähigkeit.

Die Initiative war sofort umstritten. Die Bundesregierung verweigert auch in die-sen Fragen eine gesetzliche Regelung des Streikrechts. Da immer häufiger – und in Deutschland völlig ungewohnt – die Ver-lässlichkeit öffentlicher Dienstleistun-gen durch Streiks erheblich beeinträch-tigt ist, wird die Initiative des Gemeinde-tags und des DStGB auch von anderen aufgegriffen. So liegt dem Bundestag die Petition einer Elterngruppe vor, die eine gesetzliche Regelung verlangt.

Bildungsurlaub

Gegen das Votum der kommunalen Landesverbände und der Wirtschaft hat der Landtag im März 2015 ein Bildungs-zeitgesetz beschlossen, das Beschäftig-ten bezahlte Freistellung für berufliche

und politische Weiterbildung oder Qua-lifizierung für ein Ehrenamt gewährt. Der Anspruch auf Bildungsmaßnahmen nach Wahl der Beschäftigten besteht im Umfang von fünf Arbeitstagen pro Jahr. Die Erfahrung aus dreizehn Bundeslän-dern zeigt, dass eine gesetzliche Rege-lung der Weiterbildung sich nicht be-währt hat und in Einzelfällen zu unsin-nigen Konflikten führt. Dem zuneh-menden Fachkräftemangel kann man mit Bildungsurlaub nicht begegnen. Die Weiterbildung ihrer Beschäftigten ist den Städten und Gemeinden wichtig, so der Gemeindetag. Er hält das „Bildungs-zeitgesetz“ daher für völlig unnötig.

Mindestlohn

Vom Mindestlohngesetz sind Städte und Gemeinden nicht betroffen – meistens nicht. Es gibt aber durchaus Einzelfälle, in denen zu prüfen ist, wie den Anforde-rungen des Mindestlohngesetzes Rech-nung getragen wird. Es geht dabei vor allem um die Beschäftigung von Prakti-kanten, den Stücklohn für Amtsblattaus-träger und die Dokumentation der Ar-beitszeit für Minijobber. Daher wird zu prüfen sein, welche Vorschläge das Bun-desarbeitsministerium zur Entbürokrati-sierung des gerade erst in Kraft getrete-nen Gesetzes machen wird.

Arbeitnehmerüberlassung

Die Änderung des Arbeitnehmerüber-lassungsgesetzes (AÜG) vom 01.12.2011 (BGBl. I Seite 642) führte dazu, dass Per-sonalgestellungen/Personalleihe durch öffentliche Arbeitgeber nach den Be-stimmungen des AÜG erlaubnispflich-tig wurden. Die Rechtslage ist unverän-dert ein wesentliches Hindernis für eine unbürokratische interkommunale Zu-sammenarbeit.

Auf Initiativen des Gemeindetags Ba-den-Württemberg und anderer kom-munaler Landesverbände wurde im Bundesrat ein Antrag auf Herausnah-me öffentlicher Körperschaften aus dem Geltungsbereich des AÜG bean-tragt (BR-Drs. 745/13). Federführend war Rheinland-Pfalz. Der Bundesrat hat dazu am 29.11.2013 (BR-Drs. 745/13 – Beschluss) beschlossen:

Geschäftsbericht

Page 94: Geschäftsbericht 2013-2015

985Gemeindetag Baden-Württemberg

BWGZ 19 | 2015 Geschäftsbericht

allenfalls eine für alle Anwender des Landespersonalvertretungsrechts wün-schenswerte Rechtsvereinfachung gege-ben. Stattdessen wurde das geltende Recht weiter verkompliziert. Durch zu-sätzliche Beteiligungsverfahren, Er-schwernisse, Gremien und Freistellun-gen wurde das vom Land postulierte Ziel des Bürokratieabbaus konterkariert.

Besoldung der Wahlbeamten

Eine weitere Änderung des Kommunal-besoldungsgesetzes hat der Landtag auf Initiative der Regierungsfraktionen am 15. Oktober 2014 beschlossen. Damit wurde – bundesweit einmalig – ein An-reizbonus für Bürgermeister ab der drit-ten Amtszeit eingeführt.

Ferner wurden strukturelle Verbesserun-gen der Einstufung der Bürgermeister in Städten ab 30.000 Einwohner sowie für Landräte und Beigeordnete beschlos-sen. Nach den Anhebungen der Bürger-meisterbesoldung in den kleineren Grö-ßenklassen 2000 und 2010 sind damit die Bürgermeisterstellen durchgehend höher bewertet. Für die Beigeordneten-stellen konnte der frühere Abstand zu den volksgewählten Bürgermeistern ei-nerseits und zu den höchstzulässigen Stellen für Laufbahnbeamte wieder her-gestellt werden.

Altersgrenze für Bürgermeister

Den Überlegungen des Ministerpräsi-denten zur Streichung der Altersgren-zen für Bürgermeister hat der Gemein-detag Baden-Württemberg zugestimmt. Nun kommt es aber darauf an, konkre-te Vorschläge vorzulegen. Den sehr weitgehenden Gesetzentwurf der FDP-Fraktion haben alle anderen Fraktio-nen des Landtags abgelehnt. Erwartet wird ein Regierungsentwurf – oder ein Entwurf der die Regierung tragenden Fraktionen – nach der Sommerpause. Wie die Fraktionen der Grünen und der SPD mitteilen, soll die Altersgrenze für die Wahl zum Bürgermeister auf 67 Jah-re erhöht und den so Gewählten die Möglichkeit gegeben werden, bis zur Vollendung des 73. Lebensjahres im Amt zu bleiben. Jede Änderung wird aber wohl nur für neu gewählte Wahl-beamte gelten können; eine nachträg-liche Verlängerung der Wahlperiode begegnet erheblichen verfassungs-rechtlichen Bedenken.

Fachkräftemangel verändert Personalpolitik

Zunehmender Fachkräftemangel in vielen kommunalen Berufen verän-dert die Personalpolitik vieler Städte und Gemeinden. Der demografische

Wandel bedingt eine intensivere Be-fassung mit Personalentwicklung und Personalmarketing. Das vom Gemein-detag Baden-Württemberg nachhaltig unterstützte Förderprogramm der Ro-bert Bosch Stiftung „Die Kommunal-verwaltung Baden-Württemberg im Zeichen des demografischen Wandels“ ist 2014 in die zweite Runde gegangen. Im Rahmen dieses Programms haben sich inzwischen 20 Städte und Ge-meinden aller Größenklassen auf den Weg gemacht, sich den aktuellen He-rausforderungen mit zeitgemäßen Ant-worten zu stellen. Diese Vorreiter ha-ben verstanden, dass die traditionell hohe Dienstleistungsqualität unserer Städte und Gemeinden nur gehalten werden kann, wenn es gelingt, qualifi-zierte und motivierte Nachfolgerin-nen und Nachfolger für die in großer Zahl anstehenden altersbedingten Ab-gänge zu gewinnen.

Kritik an Besoldungspolitik

Kritisch hat sich der Gemeindetag Ba-den-Württemberg bei vielen Gelegen-heiten zur Besoldungspolitik der Lan-desregierung geäußert. Die negative Sig-nalwirkung, die von einer Absenkung der Eingangsbesoldung ausgeht, konter-kariere alle kommunalen Anstrengun-gen, ihre Wettbewerbsfähigkeit am Aus-bildungsmarkt zu erhöhen. Die Taktik der Verzögerung und Kürzung von Be-soldungserhöhungen zulasten der Leis-tungsträger schade der Motivation und störe das Leistungsprinzip, so der Ge-meindetag mehrfach. Der Verband warnte davor, den Landeshaushalt durch Eingriffe in die Besoldungsent-wicklung sanieren zu wollen, statt durch Aufgabenkritik strukturelle Verbesse-rungen anzustoßen.

Kopftuchverbot

Ähnlich wie für Lehrkräfte in Schulen galt für Erziehungskräfte in kommuna-len Kindertagesstätten bisher ein gesetz-liches Verbot „äußerer Bekundungen“ in politischer, religiöser oder weltan-schaulicher Hinsicht. Gemeint war da-mit vor allem das von einigen Musli-minnen aus religiösen Motiven getrage-ne Kopftuch.

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Das Europabüro der baden-württembergischen Kommunen 2014/15

Das Europabüro der baden-württem-bergischen Kommunen in gemeinsa-mer Trägerschaft der drei kommunalen Landesverbände Baden-Württembergs nimmt auch in den Jahren 2014 und 2015 eine Scharnierfunktion zwischen der kommunalen und der europäi-schen Ebene ein. Von besonderem Wert ist dabei die Zusammenarbeit in-nerhalb der Bürogemeinschaft der bay-erischen, baden-württembergischen und sächsischen Kommunen sowie der kommunalen Familie in Brüssel. Der Berichtszeitraum stand im Zeichen der neuen Legislatur- und Amtsperiode der EU-Organe und -Institutionen. Außer-dem steht das Europabüro mit Dr. Mar-tin Silzer unter einer neuen Leitung. Außerdem konnte das 2,6 Stellen um-fassende Team im April 2015 Sibylle Walker als neue Büro- und Verwaltungs-assistentin begrüßen.

Aufgabenbereich Information

Rechtzeitige und vollständige Informa-tion ermöglicht es den kommunalen Landesverbänden Baden-Württem-bergs, Einfluss auf den EU-Rechtset-zungsprozess zu nehmen. Zentrales In-formationsmedium ist der im Sommer 2014 grundlegend überarbeitete kom-munale Newsletter „Brüssel Aktuell“. Er hält Verwaltungsmitarbeiter und kom-munale Mandatsträger über aktuelle rechtspolitische und fördermittelrele-vante Entwicklungen auf EU-Ebene auf dem Laufenden.

Thematisch war aus kommunaler Sicht die Fortentwicklung des Beihilferechts von besonderer Bedeutung. Die Bestre-bungen der Kommission, Beihilferecht und Beihilfekontrolle zu modernisieren, fanden im Verlauf des Jahres ihre weitge-hende Vollendung. Unter der neuen „de-Minimis-Verordnung“ und erleichterten Gruppenfreistellungen müssen weit we-niger Vorhaben vorab durch die Kom-mission genehmigt werden. Eine umfas-sende Definition des Beihilfebegriffs steht allerdings noch aus, da die Kom-mission trotz einer Konsultation im ers-

Zulässig war dagegen das Tragen christ-licher Symbole. Dem ist, in Abänderung seiner früheren Rechtsprechung, das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 27.01.2015 entgegenge-treten. Eine nur abstrakte Gefährdung der Trägerneutralität genügt demnach nicht für ein „Kopftuchverbot“. Das Ge-richt verlangt eine Einzelfallprüfung; es müsse zumindest eine hinreichend kon-krete Gefahr für Schutzgüter vorliegen. Der Beschluss hat zu einer vorläufigen Regelung des Kultusministeriums und zu einem Gesetzentwurf geführt, mit dem das Schulgesetz und das Kinder-tagesstättengesetz verfassungskonform im Sinne des Gerichtsbeschlusses geän-dert werden sollen.

Städte und Gemeinden sind von dem zweiten Kopftuchurteil des Bundesver-fassungsgerichts vor allem als Kindergar-tenträger betroffen. Denn als Schulträger haben sie keinen Einfluss auf die Zusam-mensetzung des Lehrerkollegiums und gegenüber Lehrkräften keine Führungs-funktion. Zu berücksichtigen ist auch, dass § 7 Abs. 8 KiTaG eine personalrecht-liche Vorschrift ist, sie gilt nicht für die Gestaltung des Betriebsablaufs.

Kommunalen Arbeitgebern fällt es natür-lich schwer, fachlich qualifizierte und charakterlich geeignet erscheinende Be-werberinnen abzuweisen, nur weil sie ein Kopftuch tragen wollen. In solchen Fällen ist ihnen daran gelegen, zunächst in einer Probezeit beobachten zu können, wie sich solche Erzieherinnen in der Kita-Pra-xis bewähren. Auch wenn bereits länger beschäftigte muslimische Erzieherinnen sich für ein Kopftuch entscheiden, wollen Kommunen darauf im Einzelfall ange-messen und nicht nur schematisch mit Kündigung reagieren können.

Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat in seiner Beratungspraxis – in weni-gen Einzelfällen – bereits bisher die Auf-fassung vertreten, § 7 KiTaG lasse im Gegensatz zu § 38 SchG den kommuna-len Arbeitgebern einen gewissen Beur-teilungsspielraum; er hat sich dabei auf die verfassungsrechtliche Selbstverwal-tungsgarantie gestützt. Die veränderte Rechtslage kommt den kommunalen Arbeitgebern insoweit entgegen.

Deutsch–griechische kommunale Zusammenarbeit

Viele Bürgermeister aus Baden-Württem-berg haben im Oktober 2013 zum Gelin-gen der Vierten Deutsch-Griechischen Versammlung beigetragen. Beeindru-ckend viele griechische Kommunalpoliti-ker haben den Weg zur DGV nach Nürn-berg genommen. Von deutscher Seite wurde das als ermutigendes Signal für die weitere Zusammenarbeit gewertet.

In den zahlreichen Gesprächen zwi-schen deutschen und griechischen Bür-germeistern und Vertretern der Gemein-den wurde die gewachsene Verbunden-heit deutlich. Intensive Gespräche zeig-ten, dass man zukünftig gemeinsam vorankommen will. Am Rande der DGV sind viele Anstöße für neue Projekte und Partnerschaften gegeben worden. Die Initiativen dazu gingen von beiden Seiten aus, weil alle Beteiligten diesen kommunalen Austausch als Bereiche-rung sehen. Im Laufe eines Jahres ist es gelungen, in zahlreichen Bürgermeister-gesprächen ein besseres Verständnis für die Situation der griechischen Regionen und Kommunen zu vermitteln.

Gebremst wurde der Ausbau der gemein-samen kommunalen Projekte durch die Kommunalwahlen in Griechenland, vor allem aber durch den Regierungswechsel in Athen. Während einige laufende Pro-jekte erfolgreich weiterlaufen können, herrscht Unsicherheit hinsichtlich neuer Projekte. Vor allem wäre eine klare Positi-onierung des griechischen Städtever-bands (KEDE) und der griechischen Re-gierung einer weiteren kommunalen Zu-sammenarbeit sehr förderlich. Sie steht noch aus. Eine Gelegenheit, die gemein-same Sache voran zu bringen, bietet sich bei der für 5. und 6. November 2015 in Berlin geplanten fünften Deutsch-Grie-chischen Versammlung.

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ten Halbjahr 2014 angesichts von Un-stimmigkeiten mit den Mitgliedstaaten den Prozess vorerst auf Eis gelegt hat.

Das zentrale politische Ereignis des Jah-res 2014 stellte die Wahl zum Europä-ischen Parlament im Mai 2014 dar, der nicht nur angesichts der Eurokrise, son-dern auch wegen der erstmaligen Auf-stellung gesamteuropäischer „Spitzen-kandidaten“ durch die europäischen Parteifamilien. Schließlich setzte sich mit Jean-Claude Juncker (LU) in der Tat der Frontmann der stärksten Fraktion im neuen Europaparlament, der Euro-päischen Volkspartei (EVP), durch. Auch im neuen Parlament werden die meisten Mehrheiten auf einer großen Koalition der EVP mit der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament (S&D) in der Mitte basieren. Dieser Trend ver-stärkt sich durch das Erstarken der Frak-tionen an den Rändern des politischen Spektrums.

Die Kommission Juncker, die im No-vember 2014 ihre Arbeit aufnahm, re-agierte auf die Herausforderungen und die zunehmenden EU-kritischen Stim-men mit einer thematischen Konzentra-tion auf zehn Schlüsselvorhaben. Ent-sprechend organisierte sich die Kom-mission erstmalig in thematischen Clustern, bei denen die Vize-Präsiden-ten die Koordinierung der zentralen Ar-beitsfelder übernehmen und ihnen die thematisch zugehörigen „Fachkommis-sare“ mit ihren Generaldirektionen zu-arbeiten. Die Schwerpunktsetzung der Kommission auf die bessere Rechtset-zung, eine Transparenzoffensive, die Vollendung des digitalen Binnen-markts, die Schaffung einer Energieuni-on, die Umsetzung einer gemeinsamen Migrationsagenda, die Revision der Kreislaufwirtschaft, den Abschluss der Transatlantischen Handels- und Investi-tionspartnerschaft TTIP und ein An-schubprogramm für Investitionen in der Europäischen Union („EFSI“) kann für die Kommunen spannende Entwick-lungen mit sich bringen. Bis zum Som-mer 2015 arbeitete die EU-Kommission vor allem Strategien aus, denen in den kommenden Monaten und Jahren kon-krete Rechtsetzungsvorschläge folgen.

Der Ausbau digitaler Netze, aber auch die Unterstützung von „eGovernance“ z.B. sind Prioritäten bei der Vollendung des digitalen Binnenmarkts.

In der Migrationspolitik, die die Kom-munen vor große Herausforderungen stellt, hat die EU-Kommission geliefert: Im Mai 2015 gab sie die Mitteilung „Ei-ne europäische Migrationsagenda“ her-aus. Darin finden sich u.a. Umsied-lungs-, Neuansiedlungs- und Rückfüh-rungspläne sowie Ausführungen dazu, wie die Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems optimiert werden sollte. Die EU-Kommission strengte daraufhin erste Schritte zur Umsetzung der Mitteilung an.

Zu ihrem Maßnahmenpaket zählen u.a. ein Vorschlag für einen Ratsbeschluss über vorläufige Umsiedlungsmaßnah-men zugunsten von Italien und Grie-chenland. Deutschland würde so in den kommenden zwei Jahren 8.763 Antrag-steller übernehmen. Außerdem folgte ei-ne Empfehlung für ein europäisches Neu-ansiedlungssystem. Deutschland würde demnach in den kommenden zwei Jah-ren 3.086 Flüchtlinge vom UNHCR über-nehmen und dafür AMIF-Mittel erhalten. Außerdem startete sie mit Blick auf den Fachkräftemangel eine öffentliche Kon-sultation „zur Blauen Karte EU und zur Arbeitsmigrationspolitik der EU“.

Aufgabenbereich Interessenvertretung

Ein wichtiger Einflusskanal ist die fachli-che Beteiligung an Konsultationsverfah-ren in frühen Stadien des Gesetzgebungs-prozesses. Das Europabüro koordiniert die fachlichen Beiträge der Geschäftsstellen und arbeitet Stellungnahmen zu den ein-schlägigen Politikfeldern aus.

Neben Konsultationsbeiträgen zu den Themen− Halbzeitbewertung des Verkehrs-

weißbuchs von 2011,− Überarbeitung der Arbeitszeit-

richtlinie,− Überprüfung bestehender MwSt-

Rechtsvorschriften zu öffentlichen Einrichtungen und Steuer-befreiungen für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten,

− Novellierung des EU-Abfallrechts,− Trinkwasserqualität in der EU,− Entwurf des Leitfadens zum

Transparenz-Register,− Leitlinien der Kommission für

Konsultationen der Interessenträger,− Leitlinien der Kommission für

die Folgenabschätzung,− urbane Dimension der EU-Politik:

Schlüsselaspekte der EU-Städteagenda

stand die Thematik der internationalen Handelsabkommen, die derzeit auf EU-Ebene diskutiert und verhandelt wer-den, im Fokus der Aktivitäten. Zahlrei-che Anfragen aus den Kommunen in Baden-Württemberg belegen nicht nur, wie groß der Informationsbedarf zu den Auswirkungen der „transatlantischen Handels- und Investitionspartner-schaft“ der EU mit den USA (TTIP) ist, sondern auch, dass hier zentrale Belan-ge der kommunalen Selbstverwaltung tangiert werden könnten.

Um in der Frage kommunaler Betroffen-heit und möglicher Auswirkungen auf die Daseinsvorsorge Klarheit zu erhalten, verfolgte das Europabüro die laufenden Verhandlungen zu TTIP auf Brüsseler Ebene intensiv. Erfreulicherweise sprach sich zuletzt auch der Ausschuss für Inter-nationalen Handel (INTA) des Europä-ischen Parlaments dafür aus, die Wasser-versorgung explizit vom Freihandelsab-kommen auszunehmen. Das Europa-

BWGZ 18 | 201530. September 2015

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Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg

D I E G E M E I N D ED I E G E M E I N D EZeitschrift für die Städte und Gemeinden

Europa

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Es ist vorgesehen, eine Neuauflage des Aktenplans, der auch unter dem Na-men „Boorberg-Aktenplan“ bekannt ist, Anfang des Jahres 2016 zu veröf-fentlichen. Dabei ist keine generelle Abkehr von der bisherigen Ordnungs-systematik vorgesehen. Die hierarchi-sche Systematik mit der bewährten Hauptgruppenstruktur (0 – 9) soll er-halten bleiben. Es gilt jedoch, thema-tisch auf den neuesten Stand zu kom-men und den Aktenplan darüber hi-naus auch für die Ansprüche moderner Dokumentenmanagementsysteme und damit letztlich für das „papierlose Büro“ fit zu machen.

Für jede bestehende Hauptgruppe gibt es fachlich federführende Ansprech-partner, die Anregungen aus der Praxis jederzeit gerne aufnehmen. Die Mit-gliedsstädte und -gemeinden des Ge-meindetags werden über die Ansprech-partner im Einzelnen über die Gt-info informiert. Der Aktenplan soll künftig außerdem regelmäßig fortgeschrieben und aktualisiert werden. Die Heraus-geber Gemeindetag und Landkreistag werden dazu einen dauerhaften Redak-tionskreis einsetzen.

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büro hat in Zusammenarbeit mit den Geschäftsstellen der KLV einen ausführ-lichen Fragenkatalog ausgearbeitet, der inzwischen durch die EU-Kommission und Fraktionen des Europäischen Parla-ments beantwortet wurde.

Im Zuge der Transparenz-Offensive der neuen Kommission ist ein Eintrag in das Europäische Transparenz-Register, ein Online-Verzeichnis aller Lobby-Grup-pen, inzwischen durch ein Anreizsys-tem, das eher als Sanktionssystem anzu-sehen ist, de facto obligatorisch. Der nicht nur physische Zugang zu den In-stitutionen ist für diese Akteure ohne einen Eintrag im Register erheblich er-schwert. Leider sehen sich auch das Eu-ropabüro und die vertretenen Kommu-nalverbände mit der Neuregelung zur Registrierung angehalten.

Die Zusammenarbeit in Brüssel kann nur in Kooperation gelingen. Hierbei sind die kommunalen Spitzenverbände besonders hervorzuheben. So organi-sierte das Europabüro des DStGB z.B. im November 2014 gemeinsam mit der Büro-gemeinschaft erneut eine historische Veranstaltung zur „Kommunalverfas-sung der Bismarckzeit“.

Aufgabenbereich Stärkung der Europafähigkeit der Kommunen

Wie in den vorherigen Jahren leistete das Europabüro auch 2014/15 Unter-stützung bei der Organisation von In-formationsfahrten (Spitzenwert 2014: 35) aus dem ganzen Spektrum kommu-naler Akteure nach Brüssel. Für 2015 ist mit einer ähnlich hohen Zahl zu rech-nen. Auch die kommunalen Landesver-bände suchten auf Ebene der Präsiden-ten/Hauptgeschäftsführer wiederholt den fachlichen und politischen Aus-tausch in Brüssel – u.a. mit den Abge-ordneten des Europäischen Parlaments aus Baden-Württemberg und mit dem nunmehr für digitale Wirtschaft und Gesellschaft zuständigen Kommissar Günther H. Oettinger. Nachdem der Ge-meindetag Baden-Württemberg 2014 die Federführung des Europabüros inne-hatte, warb bei der Veranstaltung der Bürogemeinschaft zu „5 Jahren Lissa-bon-Vertrag“ im November 2014 Präsi-

dent Roger Kehle selbst gegenüber der EU-Kommission für eine bessere Berück-sichtigung der kommunalen Ebene.

Auch in den Fachausschüssen der kom-munalen Landesverbände wie auch bei einzelnen Kommunen trägt das Europa-büro durch Vortragstätigkeit zu aktuel-len kommunalrelevanten europapoliti-schen Entwicklungen zur Stärkung der Europafähigkeit der Kommunen bei.

Schließlich führt das Europabüro die Vorab-Beratungstätigkeit für interessier-te Kommunen hinsichtlich möglicher EU-Fördergelder fort. Die 2014 begon-nene Förderperiode war Anlass für die grundlegende Überarbeitung des För-derleitfadens für die baden-württember-gischen Kommunen.

Überarbeitung des kommunalen Aktenplans – „Kommunaler Aktenplan ‘21“

Bereits in vergangenen Ausgaben der BWGZ wurde umfassend über die Über-arbeitung des landeseinheitlichen kom-munalen Aktenplans durch die Heraus-geber Gemeindetag Baden-Württem-berg und Landkreistag Baden-Württem-berg informiert.

Geschäftsbericht