Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

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Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg von 1850 bis 1996 Hartmut Henning Rolf H¨ oltge Hans-J¨ urgen R¨ ommer (Hrsg.) 2. Auflage 2020 Leseprobe – © Mediengruppe Westarp

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Page 1: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

Geschichte der

Armaturenindustrie

in Magdeburg

von 1850 bis 1996

Hartmut HenningRolf HoltgeHans-Jurgen Rommer(Hrsg.)

2. Auflage 2020

Leseprobe – © Mediengruppe Westarp

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ImpressumBibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbi-bliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber http://dnb.de abrufbar.

Buchtitel: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg von 1850 bis 1996

Herausgeber: Hartmut Henning, Rolf Holtge, Hans-Jurgen Rommer

Redaktionsteam: Hartmut Henning, Magdeburg | Rolf Holtge, Magdeburg |Hans-Dieter Lippold, Wahlitz | Reinhard Milius, Magdeburg |Hans-Jurgen Rommer, Magdeburg | Peter Sobotta, Magdeburg

Hinweise der Autoren: Trotz gewissenhafter Recherchen, intensiver Gesprache mit Koautorenund ehemaligen Kollegen sowie mehrmaligen Korrekturlesungen erhebenwir keinen Anspruch auf Vollstandigkeit und Fehlerlosigkeit.Wir haben uns intensiv bemuht, keine Urheberrechte zu verletzen.Trotzdem konnen wir keine Gewahr fur die Korrektheit und/oderVollstandigkeit der im Buch veroffentlichten Inhalte und Informationenubernehmen.

Layout, Satz (LATEX)und Redaktion:

Hans-Dieter Lippold

Titelblatt: Horst Witte

Druck und Bindung: Druckerei Kuhne & Partner GmbH & Co.KG, 38350 Helmstedtwww.unidruck7-24.de

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2. Auflage 2020.© BookOnDemand-vabadusein der Westarp Verlagsservicegesellschaft mbHKirchstr. 5D 39326 Hohenwarsleben.www.westarp-bs.de.ISBN 978-3-96004-059-0

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Forderer:Energie Mess- und Servicedienste GmbHFriedensstraße 1639112 Magdeburg

awabUmformtechnik und Prazisionsmechanik GmbHAm neuen Teich 639387 Oschersleben

armaconLiebknechtstrasse 7939110 Magdeburg

Dr. Jurgen Buchholz, Holsteiner Str. 35, 39122 Magdeburg

Rolf Holtge, Ernst-Reuter-Allee 7, 39104 Magdeburg

Hans Hempel, Helene-Weigel-Str. 49, 39128 Magdeburg

Dr. Hartmut Henning, Lorenzweg 137, 39128 Magdeburg

Reinhard Milius, Babelsberger Str. 1, 39114 Magdeburg

Hans-Jurgen Rommer, Lienhardstr. 1, 39108 Magdeburg

Peter Sobotta, Friesenstr. 39, 39108 Magdeburg

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Page 4: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkungen 6

1 Der Armaturenbegriff im Wandel der Zeit 10

2 Armaturenfertigung in Magdeburg – von den Ursprungen bis 1960 152.1 Messgerate- und Armaturenwerk Schaffer & Budenberg . . . . . . . . . . . . . 17

2.1.1 Von 1850 bis 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.1.2 Von 1900 bis 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292.1.3 Von 1945 bis 1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

2.2 Maschinen- und Armaturenfabrik C. Louis Strube . . . . . . . . . . . . . . . . . 852.3 Polte Armaturen- und Maschinenfabrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 942.4 Firma Wilhelm Strube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1122.5 Schaffer & Budenberg nach 1945 in Westdeutschland . . . . . . . . . . . . . . . 1162.6 Schaffer & Budenberg in The United Kingdom . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

3 Magdeburger Armaturenwerk – ab 1961 bis 1989/1990 1193.1 Unternehmensstruktur, Unternehmensleitung, Standorte . . . . . . . . . . . . . 119

3.1.1 Entwicklung bis zur Bildung des Armaturenkombinates . . . . . . . . . 1193.1.2 Armaturenkombinat – Struktur, Produkte, Unternehmensfuhrung . . . 1203.1.3 Stammbetrieb – Organisation, Unternehmensfuhrung, Standorte . . . . 123

3.2 Produktprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1273.2.1 Absperrventile und Ruckschlagventile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1273.2.2 Schieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1343.2.3 Sicherheitsventile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1423.2.4 MAW-Spezialarmaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1633.2.5 Druckregler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1793.2.6 Klappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1903.2.7 Magnetventile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1963.2.8 Elektrische Stellantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2063.2.9 Sonstige Armaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

3.3 Wissenschaft, Forschung, Produktentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2113.3.1 Anfange der Forschung und Entwicklung im MAW . . . . . . . . . . . . 2113.3.2 Institut fur Armaturen (ZEK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2123.3.3 Hauptabteilung Forschung (TKF/TF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2143.3.4 Entwicklung ausgewahlter Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216

3.4 Technologische Forschung und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2593.4.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2593.4.2 Feinbearbeitung von Armaturendichtflachen . . . . . . . . . . . . . . . . 2593.4.3 Widerstandsschweißen/Buckelschweißen fur Sitzringe . . . . . . . . . . . 2613.4.4 Reibschweißen zum Aufpanzern von Dichtflachen . . . . . . . . . . . . . 2623.4.5 Elektronenstrahlschweißen zur Fertigung geteilter Bugelhauben . . . . . 2633.4.6 Plasmapulverbeschichten von Dichtflachen an Graugussschieberkeilen . 268

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Inhaltsverzeichnis

3.4.7 Querstauchen zur Herstellung von Bundspindeln . . . . . . . . . . . . . 2753.4.8 Rohrbiegen von Rohrbogen fur die Hoch- und Hochstdrucktechnik . . . 2773.4.9 Rationalisierung der technologischen Fertigungsvorbereitung . . . . . . . 2783.4.10 Errichtung des Industrieroboterzentrums (IRZ) . . . . . . . . . . . . . . 279

3.5 Markt, Vertrieb und internationale Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . 2833.5.1 Rahmenbedingungen fur Absatz und Außenwirtschaft . . . . . . . . . . 2833.5.2 Absatz und Außenwirtschaft im MAW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2843.5.3 Der MAW-Kundendienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2863.5.4 Internationale Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

3.6 Fertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2963.6.1 Ausgewahlte Fertigungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2963.6.2 Anwendung schweißtechnischer Verfahren in der Armaturenfertigung . . 3223.6.3 Kooperationsbeziehungen (Zulieferer, Subunternehmen) . . . . . . . . . 3243.6.4 Produktionsvorbereitung und -durchfuhrung . . . . . . . . . . . . . . . 326

3.7 Materialwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3293.8 Qualitatssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332

3.8.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3323.8.2 Zur Entwicklung der Qualitatssicherung im MAW . . . . . . . . . . . . 334

3.9 Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3523.10 Energiewirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3543.11 Investitionen zur Kapazitatserweiterung, Leistungssteigerung, Modernisierung . 358

3.11.1 Zeitraum 1945 bis 1958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3593.11.2 Zeitraum 1959 bis 1971 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3593.11.3 Zeitraum 1972 bis 1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3603.11.4 Zeitraum 1982 bis 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3603.11.5 Zeitraum 1990 bis 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

3.12 Rationalisierungsmittel- und Sondermaschinenbau . . . . . . . . . . . . . . . . 3623.13 Patent-, Neuerer- und Vorschlagswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364

3.13.1 Patente Schaffer & Budenberg, C.L. Strube, W. Strube, Polte . . . . . . 3643.13.2 Patent- und Neuererwesen Magdeburger Armaturenfirmen nach 1945 . . 365

3.14 Aus- und Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3683.14.1 Planung der Aus- und Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3683.14.2 Betriebsberufsschule des MAW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3693.14.3 Polytechnische Ausbildung Magdeburger Oberschulen . . . . . . . . . . 3713.14.4 Betriebsakademie/Kombinatsakademie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371

3.15 Offentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3733.15.1 Zeitschrift �Technische Information Armaturen� . . . . . . . . . . . . . 3733.15.2 Fachtagung Armaturen mit internationaler Beteiligung in Magdeburg . 3743.15.3 Internationale/nationale Messen und Fachausstellungen . . . . . . . . . 3753.15.4 Betriebszeitungen: �MAW Sprachrohr�und �MAW Aktuell� . . . . . . 377

3.16 Organisation und Datenverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378

4 Privatisierung der Armaturenproduktion in Magdeburg 3824.1 Rahmenbedingungen wahrend und nach der Wende . . . . . . . . . . . . . . . . 3824.2 Privatisierung des VEB Magdeburger Armaturenwerke (MAW) . . . . . . . . . 383

4.2.1 Ubernahme durch die Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3834.2.2 Ubernahme MAW durch Babcock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3854.2.3 Umfirmierung in MAW GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3884.2.4 Stilllegung MAW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394

4.3 Nachbetrachtung zur Privatisierung des MAW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

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Page 6: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

Inhaltsverzeichnis

A Zeittafeln zur Entwicklung des Magdeburger Armaturenbaus 402Von Schaffer & Budenberg zur MAW GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403Von Polte zum VEB Schwerarmaturen �Erich Weinert� . . . . . . . . . . . . . . . . 412

B Autoren-Verzeichnis 415

C Abkurzungen/Begriffe/Einheiten 416Abkurzungen/Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416Formelzeichen, Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418Wahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418

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Page 7: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

Vorbemerkungen

Die Armaturenproduktion in Magdeburg hat eine lange Tradition. In der Mitte des

19. Jahrhunderts entwickelte sich Magdeburg zu einem Zentrum des Maschinenbaus in Deutsch-

land.

Im Jahr 1850 grundeten Bernhard Schaffer und Christian Friedrich Budenberg in Magdeburg

das Unternehmen �Maschinen- und Dampfkessel-Armaturenfabrik�. In den folgenden Jahr-

zehnten wurden 14 weitere Unternehmen der Armaturenfertigung in Magdeburg in das Han-

delsregister eingetragen.

Um 1900 waren neben Schaffer & Budenberg auch die Maschinen- und Armaturenfabrik von

C. Louis Strube und die POLTE Armaturen- und Maschinenfabrik fuhrende Armaturenherstel-

ler in Deutschland und daruber hinaus auch auf dem Weltmarkt geworden.

Diese Stellung konnte die Armaturenindustrie bis zum Ende des 2. Weltkrieges behaupten.

Die umfangreichen Zerstorungen im 2. Weltkrieg, die Demontage von Teilen der Armaturenbe-

triebe durch die sowjetische Besatzungsmacht und die Teilung Deutschlands veranderten die

Situation der Armaturenindustrie in Magdeburg grundlegend und nachhaltig.

Nach der Teilung Deutschlands entwickelten sich uber mehrere Etappen die �Magdeburger Ar-

maturenwerke Karl Marx� und spater die �Magdeburger Armaturenwerke MAW� als Stamm-

betrieb des Armaturenkombinates – im folgenden MAW genannt.

Das MAW bildete den Kern der Armaturenindustrie in der DDR und in Osteuropa und wurde

entsprechend des steigenden Bedarfes an Armaturen in der DDR und in den osteuropaischen

Landern zu einem leistungsfahigen Unternehmen entwickelt. In den 1970er und 1980er Jahren

wurden hier allein im Stammbetrieb 7000 bis 8000 Mitarbeiter beschaftigt.

Nach der Wende und der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1989/90 wurde das MAW

uber die Treuhandanstalt privatisiert und 1990 von der Babcock AG ubernommen.

Leider verlief die nun folgende Entwicklungsetappe des MAW nicht erfolgreich. Sinkende Auf-

tragseingange und Umsatze infolge der veranderten Marktsituation vor allem in Osteuropa,

fehlerhafte Entscheidungen des Gesellschafters und des Babcock-Managements fuhrten in meh-

reren Etappen zu radikalem Personalabbau und im Jahr 1996 zur Schließung des Unternehmens

(Anmeldung des Insolvenzverfahrens erst 2004).

Mit der Schließung des MAW ging – trotz Neugrundung kleiner oder mittelstandischer Arma-

turenunternehmen in der Region – die besondere Bedeutung des Standortes Magdeburg fur die

Armaturenindustrie verloren.

Das Redaktionsteam – bestehend aus ehemaligen Mitarbeitern und Fuhrungskraften des MAW

mit dem Initiator des Buchprojektes, Rolf Holtge – ist zu der Uberzeugung gelangt, dass die

interessante und bewegende Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg nicht in Verges-

senheit geraten darf und fur die Nachwelt erhalten werden sollte.

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Page 8: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

Das betrifft insbesondere:

� die fuhrende Stellung der Magdeburger Armaturenfirmen auf dem deutschen Markt und

daruber hinaus auf dem Weltmarkt uber 150 Jahre,

� die hervorragende Bedeutung der Stadt Magdeburg als Industriestandort uber einen lan-

gen Zeitraum der Geschichte,

� den Einfluss der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf die Entwicklung der Arma-

turenindustrie im betrachteten Zeitraum,

� die hervorragenden Leistungen der Grunder, Unternehmer und Fuhrungskrafte, die in-

novative Tatigkeit der Techniker und Ingenieure bei der Entwicklung, Konstruktion und

Produktion von Armaturen sowie das fleißige Schaffen vieler Mitarbeiter.

Mit der Veroffentlichung dieses Buches wollen wir die Entwicklungsgeschichte des Armaturen-

baus in Magdeburg im betrachteten Zeitraum dokumentieren und einem interessierten Leser-

kreis zuganglich machen.

Dabei konzentrieren wir uns bewusst auf Armaturen, obwohl im Verlauf der Geschichte in vielen

Unternehmen zunachst Armaturen und Messgerate produziert wurden.

Um den Rahmen des Buches nicht zu sprengen, haben wir daruber hinaus im Abschnitt �Pro-

duktprogramm� nicht das Gesamtsortiment, sondern nur ausgewahlte Erzeugnisgruppen naher

betrachtet.

Als Grundlage fur die Erarbeitung des Buches dienten den Autoren folgende Quellen:

� Informationen und Zuarbeiten von ehemaligen Mitarbeitern und Fuhrungskraften des

MAW,

� Veroffentlichungen in der Betriebszeitung �Sprachrohr� sowie in der Armaturenfachzeit-

schrift �Technische Information Armaturen�,

� noch vorhandene betriebliche Unterlagen wie Konzeptionen, Richtlinien, Protokolle,

Schriftverkehr usw.,

� Unterlagen im Stadtarchiv Magdeburg sowie im Landesarchiv Sachsen-Anhalt,

� eigene Erinnerungen der Autoren und vieler Zeitzeugen.

Die Mitglieder des Redaktionsteams danken an dieser Stelle allen, die durch eigene Textbei-

trage oder Informationen und Hinweise an der Entstehung des Buches mitgewirkt haben. Nicht

alle eingegangenen Zuarbeiten von ehemaligen Mitarbeitern und Fuhrungskraften konnten

berucksichtigt werden; das Redaktionsteam bittet dafur um Verstandnis. Andere Zuarbeiten

wurden redaktionell uberarbeitet bzw. angepasst, jedoch ohne inhaltliche Veranderungen vor-

zunehmen.

Große Anerkennung gebuhrt an dieser Stelle Hans-Dieter Lippold, der die �technische� Auf-

bereitung der Text- und Bildbeitrage ubernommen sowie den Satz und das Layout des Buches

in professioneller Weise erstellt hat.

Mit ihrer kritischen Durchsicht der Texte hat Frau Fenja Jahnert einen guten Beitrag zur Kor-

rektur von Fehlern und zur Verbesserung unglucklicher Formulierungen geleistet.

Besonderer Dank gilt auch den Forderern (siehe Impressum), die mit ihrer finanziellen Un-

terstutzung eine wesentliche Voraussetzung fur die Umsetzung unseres Buchprojektes geschaf-

fen haben.

Nicht zuletzt geht der Dank des Redaktionsteams an das Kuratorium Industriekultur in der Re-

gion Magdeburg e.V. und an das Technikmuseum Magdeburg - insbesondere an den langjahrigen

Leiter Gerd Unger.

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Page 9: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

Die Ausfuhrungen im vorliegenden Buch erheben keinen Anspruch auf Vollstandigkeit und

absolute Exaktheit aller Inhalte. Das ist dadurch begrundet, dass sich einzelne Aussagen oder

Kennzahlen zum gleichen Sachverhalt in unterschiedlichen Quellen unterscheiden und es heute

nicht immer zweifelsfrei festzustellen ist, welche der Aussagen korrekt sind.

Alle Autoren waren jedoch bemuht, die im Buch beschriebenen Sachverhalte moglichst objektiv

zu dokumentieren.

Auch die Layoutgestaltung und Bearbeitung von Fotos, Grafiken, Zeitungsausschnitten usw.

wurde in Eigenregie des Redaktionsteams ohne professionelle Hilfe vorgenommen. Wenn die

Anordnung einzelner Elemente oder die Gestaltung einzelner Seiten nicht optimal gelungen ist,

bitten wir den Leser um Nachsicht.

Das Redaktionsteam vor dem Technik Museum in Magdeburg

von links:

Hans-Dieter Lippold, Peter Sobotta, Reinhard Milius und

die Herausgeber Rolf Holtge, Dr. Hartmut Henning, Hans-Jurgen Rommer

Das Redaktionsteam Oktober 2019

Hinweis zur 2. Auflage 2020:Die Anderungen gegenuber der 1. Auflage beinhalten im wesentlichen die Beseitigung von er-kannten Rechtschreibfehlern, einige wenige inhaltliche Korrekturen sowie Erganzungen zu Quel-len und Autoren.Das Impressum wurde dem aktuellen Stand angepasst.

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Page 10: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

1. Der Armaturenbegriff im Wandel der Zeit

Autor: Rolf Holtge, bearbeitet von Reinhard Milius

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts stand der Begriff �Armatur� fur �. . . die Gesamtheit der

zur Vervollkommnung einer Maschine oder eines Apparates dienenden Teile�.

Eine Prazisierung erfuhr diese Definition in den gewerbepolizeilichen Verordnungen bezuglich

des Betriebes von Dampfkesseln1, wo es heißt

Fur den regelmaßigen und sicheren Betrieb der Dampfkessel ist eine Anzahl von Appara-

ten erforderlich, welche unter dem Namen Dampfkesselarmatur bzw. Dampfkesselgarnitur,

Montierung, Garnierung, feine Kesselgarnitur, spater auch Ausrustung, zusammengefasst

sind, die die Erwarmung des Speisewassers, das Ablassen des gesamten Kesselwassers, das

Trocknen und Abfuhren des Dampfes, die Kontrollierung des Wasserstandes im Kessel und

die Messung des im Dampfkessel herrschenden Druckes bezwecken.

Der 1859 nach Umfirmierung von Schaffer & Budenberg erstmals in Deutschland verwende-

ten Firmenbezeichnung �Maschinen- und Dampfkessel-Armaturen-Fabrik�, liegt programma-

tisch der Anspruch zugrunde, im Sinne der vorgenannten Armatur-Definition als Sammel- oder

Uberbegriff, alle zu einer (Dampf-) Maschine und einem Dampfkessel erforderlichen Apparate,

auch Armaturgegenstande oder (Kessel-)Armaturstucke genannt, herzustellen und zu liefern.

Besonders anschaulich wird das im �S & B - Preisverzeichnis uber Maschinen- und Dampfkessel-

Armaturen� vom 1. Januar 1866 dargestellt.

1Ab 1. Januar 1831 wurden in Preußen sog. �allerhochste Kabinettsorders� erlassen, die sich mit der �Anlageund dem Gebrauch der Dampfmaschinen� befassten. Ab 1. Januar 1845 wurde die �Allgemeine Gewerbe-Ordnung nebst Erklarungen und Erganzungen� erlassen, in der unter Bezug auf diese Vorschriften weitereRegeln festgelegt wurden.

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Page 11: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

Abb. 1.1.S & B – �Preisverzeichnis uber Maschinen- und Dampfkessel-Armaturen� vom 1. Januar 1866

Armaturen, gemeint sind im Folgenden �Industriearmaturen�, sind nach unserem heutigenVerstandnis

Bauelemente der Anlagen- und Rohrleitungstechnik, die durch ihre jeweils spezifische Wir-kungsweise in der Verfahrens-, Energie- und Versorgungstechnik wichtige Funktionen beiAbsperr-, Drossel-, Regel- und Sicherungsaufgaben ubernehmen und damit eine gezielteVeranderung des Massestromes und seiner Parameter herbeifuhren.

Als Grundtypen dieser Stellglieder unterscheiden wir die vier Hauptarten:

Hahne, Ventile, Schieber und Klappen,

von denen sich aufgabenspezifisch eine Vielzahl von Armaturen-Bauarten ableiten.

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Page 12: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

1. Der Armaturenbegriff im Wandel der Zeit

Abb. 1.2.Armaturen-Grundtypen

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Page 13: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

Gliederung der Industriearmaturen entsprechend Fachgemeinschaft Armaturen des VDMA(Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer):

Funktion, Bauart, Werkstoffe

1.01 Schieber1.02 Klappen1.03 Ventile1.04 Absperrventile1.05 Kugelhahne, Zylinderhahne, Membranarmaturen1.06 Ruckflussverhinderer1.07 Regel- und Stellarmaturen1.08 Sicherheitsarmaturen zur

Druck-, Temperatur- und Niveaubegrenzung1.09 Ableiter und Abscheider1.10 Uberwachungs- ,Mess- und

Steuerleitunsarmaturen1.11 Anbohrarmaturen, Ausgleich- und

Verbindungsvorrichtungen1.12 Mikroventile1.13 Schlaucharmaturen1.14 Antriebe

Anwendungsgebiete

2.01 Wasserwirtschaft2.02 chemische Industrie2.03 Getranke- und Nahrungsguterindustrie2.04 Fernleitungen fur Gas, Ol2.05 Gasverteilung2.06 Mineralolverarbeitung2.07 Kraftwerkstechnik2.08 Primarkreislaufe von KKW2.09 Dampferzeugungsanlagen2.10 Fernwarmeversorgung2.12 Pharmazie und Kosmetik2.13 Schiffs- und Meerestechnik2.14 Kalteanlagen und Warmepumpen2.15 Papier- und Zellstoffindustrie2.16 Lager- und Transportbehalter2.17 sonstige industrielle Verwendung

Ihrer außeren Gestalt nach sind Industriearmaturen in den meisten Fallen technisch komplizier-te Hohlkorper, fur deren Herstellung sich seit der Romischen Antike die unterschiedlichen Form-und Gießverfahren unubertroffen bewahren, gestatten sie doch, das jeweilige Teil unmittelbarund spanlos aus dem schmelzflussigen Zustand in die Festform zu uberfuhren.Fur spezielle Anwendungsfalle werden Armaturenteile voll oder hohl geschmiedet und dannspanend bearbeitet.

Noch heute bestehen ca. 75 % der Armaturen aus Gusswerkstoffen, in den meisten Fallen Guss-eisen, Stahl- und Metallguss.

Gemeinsam mit Maschinen, Apparaten undRohrleitungssystemen bilden Armaturen einenfunktionalen Betrieb. Sie sind dennoch keineselbstandigen Endprodukte, sondern stets Teilevon Anlagen, also Zubehor. Ihr Wertanteil an denvolkswirtschaftlichen Investitionen in der DDRbetrug 5 %, darunter wie nebenstehend:

Bereich Anteil [%]

Chemische Industrie und Anlagenbau 6Kernkraftwerke 4–6Braunkohlenkraftwerke 3Erdgasversorgungsnetz 10Luft- und Kaltetechnik 4Land- und Nahrungsguterwirtschaft 3

Aus technischer Sicht gelten Armaturen auch als �Maschinenelemente�, da es sich bei ihnenum funktionsmaßig zusammengesetzte Teile von Maschinen handelt.Armaturen sind Standarderzeugnisse.

Voraussetzung fur die Verwendung der einzelnen Armaturen in der Anlagen- und Rohrlei-tungstechnik ist jeweils herstellerunabhangig ihre gleichartige Funktionsweise, Gestalt, Großeund Qualitat.Um diese Voraussetzungen zu erfullen, mussten die Armaturen typisiert bzw. genormt oderstandardisiert werden.Der Prozess der technischen Normung umfasst vor allem

� die Optimierung der verwendungs- und fertigungstechnischen Gestaltung,� den Werkstoffeinsatz,� die Realisierung der montage- und funktionstechnischen Forderungen und� die Servicefreundlichkeit.

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Page 14: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

1. Der Armaturenbegriff im Wandel der Zeit

Bis in die Zeit nach dem ersten Weltkrieg gab es in der Armaturenindustrie keine einheitlicheRichtlinie. Zwar waren bereits vom VDI (Verein Deutscher Ingenieure) im Jahr 1882 und 1900Normalien von Flanschen und Rohrleitungen festgelegt worden, jedoch gab es bei den Herstel-lern eigene Normen, an denen die Durchsetzung haufig scheiterte.

Erst nach dem Jahr 1923, als der Deutsche Normenausschuss mit dem Aufbau des deutschenNormenwerkes begann, folgte auch fur die Armaturenindustrie eine einheitliche, den ganzenIndustriezweig betreffende Entwicklung.Es wurden die Betriebsdrucke fur Rohrleitungsanlagen durch die Schaffung von Druckstufeneinheitlich festgelegt und in enger Zusammenarbeit mit der Armaturenindustrie die Baulangenfur die Hauptarmaturenarten sowie die noch fehlenden Anschlussmaße der Flanschen und Ge-windeanschlusse vereinheitlicht. Und es wurden unter Mitwirkung von zehn weiteren Normen-ausschussen, Technischen Vereinen und Vereinigungen, wie TUV, DVGW, VGB, VDI, die wich-tigsten normativen Grundlagen fur die Erzeugnisnormung in der Armaturenindustrie erarbeitet.

Die einzigen Armaturstucke, die damalsals Ganzes, das heißt, in den meistenEinzelabmessungen uber Baulangen undFlanschen hinaus, genormt wurden, warenSchmiedestahl-Aufsatzventile ND 25 bis 320,NW 15 bis 50, DIN-Blatt 3332.Die Vereinheitlichung dieses Sortiments er-folgte unter Fuhrung von Schaffer & Buden-berg.

Abb. 1.3.Normung bei Schmiedestahlventilen (DIN 3332)

Eine weitere, in den 1940er Jahren mit der Kraftwerks- und Chemie-Industrie abgestimmte Ver-einheitlichung von Stahlguss-Schiebern auf der Basis der SERA-K-Konstruktion von Schaffer& Budenberg kam nicht mehr zur Ausfuhrung.

Nach Grundung der Europaischen Union und Verwirklichung des Europaischen Binnenmarkteserfolgte die Harmonisierung dieser nationalen Normen zur Anwendung in allen Mitgliedsstaa-ten durch das hierfur zustandige europaische Komitee �CEN/TC Industriearmaturen� des�Europaischen Komitee fur Normung (CEN)�.

Diese europaischen Normen EN erlan-gen nach Bestatigung durch den Nor-menausschuss im �DIN Deutsches In-stitut fur Normung e.V.� den Statusvon Deutschen Normen.Als Beispiel hierfur kann die Normungder vier Hauptgrundtypen der Indus-triearmaturen gelten:

Erzeugnis DIN -(vorm.

Ausgabe)

EN -(akt.

Fassung)

Schieber aus Stahl 3352 1984Klappen metallisch 3354 593Ventile aus Stahl 3356 13 709Kugelhahne aus Stahl 3357 1983

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Page 15: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

2. Armaturenfertigung in Magdeburg– von den Ursprungen bis 1960 –

Autor: Rolf Holtge, bearbeitet von Reinhard Milius

Im Magdeburger Raum begann etwa um 1830 eine sturmische Entwicklung der Industrie. Aus-gangspunkt dafur war vor allem der Zuckerrubenanbau in der Borde und die gunstigen Trans-portbedingungen durch die Elbe.Nachdem Napoleon 1806 mit der Verhangung der Kontinentalsperre zunachst die Einfuhr vonRohrzucker stark erschwerte und ab 1836 die Einfuhrzolle fur Rohrzucker erhoht wurden, wirddie Produktion von Zucker aus Runkel-Ruben konkurrenzfahig.Magdeburg entwickelte sich zu einem bedeutenden Zentrum der europaischen Zuckerindustrie.So befanden sich um 1850 im Regierungsbezirk Magdeburg etwa 1/4 aller ZuckerfabrikenDeutschlands.

Mit dieser Entwicklung siedelten sich in Magdeburg Gewerke an, die fur die Verarbeitung derRuben wichtig waren und den in Magdeburg und in der Umgebung ansassigen Zuckerfabrikentechnische Hilfe bieten konnten.Es grundeten sich bedeutende Maschinen- und Apparatebaufirmen, die sich auf spezielle Pro-dukte konzentrierten wie Dampfkessel, Dampfmaschinen, Ausrustungen fur die Zuckerindustrie,Brennereien, Brauereien.

Zu den wichtigen Herstellern gehorten

� Graflich Stollbergische Maschinenfabrikgegrundet 1836, rustete zahlreiche Zuckerfabriken in ganz Deutschland aus

� Maschinenfabrik Buckau1838 gegrundet von der Magdeburger Dampfschifffahrts-Compagnie,war 1847 als Dampfmaschinenhersteller mit 800 Beschaftigten der zweitgroßte Maschi-nenbaubetrieb Deutschlands nach Borsig, Berlinnach 1945:VEB Schwermaschinenbau Georgij Dimitroff

� Eisengießerei Grusongegrundet 1855, entwickelte den Hartguß, der fur die Waffentechnik besondere Bedeutungerlangte, 1893 mit Krupp aus Essen fusioniert (ab dann Krupp-Gruson),nach 1945:VEB Schwermaschinenbau Ernst Thalmann -SKET-

� C. Rudolf & Co. Maschinenfabrik und Eisengießerei, gegrundet 1845(1887 Ubernahme der Firmenbezeichnung durch Selma Rudolph, geb. Budenberg)

� Rohrig & Konig, gegrundet als Schottler & Co. 1846

� Sudenburger Maschinenfabrik AG, gegrundet als Klusemann & Woltersdorf 1849

� Maschinenfabrik R. Wolf (Buckau R.Wolf bzw. Buckau-Wolf )gegrundet 1862, macht sich besonders um die Produktion von Lokomobilen verdient,nach 1945:VEB Schwermaschinenbau Karl Liebknecht -SKL-

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Page 16: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

2. Armaturenfertigung in Magdeburg – von den Ursprungen bis 1960

Die erstgenannten funf Firmen mit ca. 1200 Beschaftigten erzeugten im Jahr 1849 einen Pro-duktionswert von 1,8 Millionen Talern, davon entfielen auf die Instandhaltung, Modernisierungund den Neubau von Rubenzuckerfabriken allein 1,6 Millionen Taler, also fast 90 %.

Um den Bedarf an Armaturen und Messgeraten fur diese Maschinenfabriken zu decken, eta-blierten sich alsbald spezialisierte Hersteller. Die in Magdeburg 1850 gegrundete Firma Schaffer& Budenberg war das erste darauf spezialisierte Unternehmen in Deutschland.Der Bedarf an Armaturen und Messgeraten stieg in dieser Zeit nicht nur in Magdeburg undPreußen, sondern auch in den anderen deutschen Landern, in Europa und Ubersee stark an.Schaffer & Budenberg konnte allein die Nachfrage nicht decken. So finden wir in den nachfol-genden Jahrzehnten in Magdeburg weitere 13 Handelsregister-Eintragungen uber Armaturen-betriebe, von denen die bedeutendsten nachfolgend genannt werden:

1850 Armaturenfabrik Schaffer & Budenberg

1864 Maschinen- und Armaturenfabrik von C. Louis Strube,

1868 Maschinen- und Armaturenfabrik von Koch, Bantelmann & Paasch

(nach 1945: VAKOMA Vakuumpumpen und Kompressoren-Bau),

1873 Metallgießerei und Armaturenfabrik von Heinrich Jurgens & Co.,die 1885 von Eugen Polte ubernommen und alsPOLTE Armaturen- und Maschinenfabrik erfolgreich weitergefuhrt wurde,

1873 Eisen- und Metallgießerei von Richard Langensiepen,ab 1905 nach St. Petersburg verlagert.

1889 Maschinen- und Dampfkesselarmaturenfabrik von Wilhelm Strube.

Um 1900 fanden in den noch verbliebenen acht Firmen 6000 Beschaftigte Lohn und Brot.

Auch in anderen Regionen Deutschlands entstanden bedeutende Konkurrenzfirmen, die eben-falls die technische Weiterentwicklung beschleunigt und das Geschaft beflugelt hatten.

Weniger bekannt ist, dass sich die Wurzeln bekannter deutscher Armaturenwerke, wie

� Sempell,

� Stahlarmaturen Persta und

� ARI (Albert Richter)

nach Magdeburg zuruckverfolgen lassen.

Magdeburg kann mit Fug und Recht als Wiege der deutschen Armaturenindustriebezeichnet werden.

Als historische Wurzeln fur die bis zur Schließung 1996 bestehenden Magdeburger Armaturen-werke (MAW) konnen folgende Unternehmen gelten.

Unternehmen Grundungsjahr

ArmaturenfabrikSchaffer & Budenberg

1850

Maschinen- und ArmaturenfabrikC. Louis Strube

1864

Metallgießerei und ArmaturenfabrikEugen Polte

1885

Maschinen- und Dampfkesselarmaturen-FabrikWilhelm Strube

1889

Uber diese Firmen wird in den nachfolgenden Abschnitten ausfuhrlicher informiert.

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Page 17: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

2.1. Messgerate- und Armaturenwerk Schaffer & Budenberg

2.1. Schaffer & Budenberg

2.1.1. Grundung der Firma Schaffer & Budenberg in Magdeburg undEntwicklung von 1850 bis 1900

Autoren: Gunther Wolf, Gunther Muller

Am 6. Marz 1823 wurde Bernhard Schaffer in Gohfeld, zwischen Herfordund Minden gelegen, in Ostwestfalen geboren [3].Sein Vater hatte ein kleines Anwesen, auf dem er einen Laden mit Ge-brauchsgutern betrieb, um Lebensmittel, Eisen-, Glas- und Topferwarenzu verkaufen. Der Vater verstarb fruh und der altere Bruder kummertesich fortan um seinen intelligenten Bruder Bernhard. Er war es auch, dersich um die Ausbildung von Bernhard bemuhte.Der Bruder organisierte und vereinbarte ein 5jahriges Lehrverhaltnis zumMechaniker bei dem in Berlin anerkannten Lehrmeister Oertling bei Zah-lung von 50 Talern fur Wohngeld und Verpflegung.Die Arbeitszeit betrug damals taglich zwolf Stunden.

Abb. 2.1.Firmenlogobis etwa 1925

Im Sommer des Jahres 1838 begab sich der 15jahrige Bernhard Schaffermit der Postkutsche auf seine erste große Reise nach Berlin. Hier bekam erauch die ersten Kontakte mit der Eisenbahn und den Lokomotiven, dennsein Lehrmeister hat in der Werkstatt auch defekte Gerate der Eisenbahnrepariert.Am storanfalligsten waren, so erkannte es Bernhard Schaffer, dieQuecksilber-Druckmesser. Schon wahrend der Lehrzeit grubelte der jungeSchaffer uber ein sicheres mechanisches Gerat fur Druckmessungen, ins-besondere aber an den Dampfkesseln der Lokomotiven. Sein Kontakt zurEisenbahn vertiefte sich damit zunehmend und nachhaltig.

Abb. 2.2.Firmenlogonach etwa 1925

Sein erstes großes Erlebnis war die Teilnahme an der Einweihung der ersten preußischen Eisen-bahnlinie von Berlin nach Potsdam am 1. Oktober des Jahres 1838.

Abb. 2.3.Bernhard Schaffer, der Ingenieur(1823-1877)

Abb. 2.4.Christian F. Budenberg, der Kaufmann(1815-1883)

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Page 18: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

2. Armaturenfertigung in Magdeburg – von den Ursprungen bis 1960

Nach Abschluss seiner Lehre fand Bernhard Schaffer im Jahr 1843 in Magdeburg eine Anstellungals Mechaniker bei der Firma Primavesi, einer Werkstatt fur Feinmechanik. Diese befasste sichneben der Herstellung von feinmechanischen und meteorologischen Geraten auch mit der Repa-ratur von Messgeraten fur Lokomotiven. Es handelte sich hier wie schon in Berlin vorwiegendum defekte Quecksilber-Druckmesser der Lokomotiven. Von nun an bemuhte sich BernhardSchaffer noch intensiver um eine Alternative zu diesen storanfalligen und gefahrlichen Druck-messgeraten und fand in dem Plattenfederprinzip, wo eine dunne kreisformige und gewellteMetallmembrane als Messglied zwischen zwei Flanschen eingespannt ist, die Losung.

Die Idee selbst stammt von einem gewissen Herrn Schwarzkopf von der Halberstadter Ei-senbahn.Der Magdeburger Mechaniker Cuni hat sie in die Praxis umgesetzt.Schaffer war aber in der Vermarktung der aktivste.

Die Erfindung uberzeugte das Preußi-sche Patentamt, um Bernhard Schafferam 19. November 1849 ein Patent auf dasPlattenfeder-Manometer zu erteilen.Dieses Patent kann gleichsam alsGrundungsurkunde des spateren MagdeburgerWeltunternehmens Schaffer & Budenberggelten.

Abb. 2.5.Schaffer-Manometer.Originalzeichnung Schaffers zu seinem erstenpreußischen Patent vom 19. November 1849

Bernhard Schaffer befasste sich nun intensiv mit der Produktionseinfuhrung seiner Erfindungund bemuhte sich um die Mitwirkung eines Teilhabers. Diesen fand er in seinem LandsmannChristian F. Budenberg und in dem Firmeninhaber Franz Primavesi.

Christian Friedrich Budenberg wurde am 21. Dezember 1815 auf der Hobe bei NeuenkirchenGemeinde Schiplage zwischen Bielefeld und Melle im Osnabrucker Land als Sohn eines Koloni-alwarenhandlers geboren [3]. Ch. F. Budenberg absolvierte eine Lehre als Kaufmann bei demTuchmacher Buddenberg (unterschiedliche Schreibweise). Sie waren miteinander verwandt. Bu-denberg war vielseitig begabt und erlernte wahrend seiner Lehrzeit auch die franzosische Spra-che, was damals ublich war, zudem war er ein talentierter Klavierspieler.

Gemeinsam mit dem Mechaniker Primavesi schlossen der Mechaniker Schaffer und der Kauf-mann Budenberg am 14. Januar 1850 einen Gesellschaftsvertrag zwecks Fabrikation von paten-tierten Manometern, von mathematischen, physikalischen und optischen Instrumenten.Die Gesellschaft unter der Firma �Schaffer & Co� begann am 1. Marz 1850 ihre Geschafts-tatigkeit. Ihr gehorte auch ein Mitglied der Familie Frommeyer als stiller Teilhaber an, der dieFirma in schwierigen Zeiten finanziell unterstutzte, die aber dafur seinen westfalischen Schinkenverkaufen musste.

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Page 19: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

2.1. Messgerate- und Armaturenwerk Schaffer & Budenberg

Abb. 2.6.Fragment des Gesellschaftsvertrages vom 14. Januar 1850 [5]

Als Wirkungsstatte mieteten sie Arbeitsraume in der Magdeburger Altstadt im Neuen Weg,wo sie zunachst drei Arbeiter beschaftigten. Hier hatten sie als einziges maschinelles Hilfsmitteleine mit dem Fuß angetriebene Drehbank. Der Start des Unternehmens war denkbar schwer.Die bescheidene Werkstatteinrichtung entsprach zwar den damaligen Verhaltnissen. Aber dasKapital zur Anschaffung moderner Drehbanke war knapp und auf dem Markt war das Platten-federmanometer noch unbekannt.

Im Jahr 1852 wurde die Werkstatt mit inzwischen zwolf Arbeitern in die Pralatenstraße verlegt.Doch auch an diesem Ort wurde bald die Kapazitatsgrenze erreicht und ein weiterer Umzugwar fallig.Die Firma verlagerte nun mit inzwischen 48 Beschaftigten ihren Sitz in die Stephansbrucke.Die Werkstatt war mit mehreren fußbetriebenen Drehbanken ausgestattet. Mit dieser Technikkonnte das junge Unternehmen weitere Bearbeitungsmoglichkeiten erschließen, auch bezuglichder Qualitat war eine Verbesserung moglich.

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Page 20: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

2. Armaturenfertigung in Magdeburg – von den Ursprungen bis 1960

Abb. 2.7.Firmenstart im Hinterhaus Stephansbrucke 15 (1852-1859)

Im gleichen Jahr zog sich der Teilhaber Franz Primavesi zuruck und schied aus der Firma

aus. Die Firma wurde zeitgleich in �Schaffer & Budenberg� umbenannt. Wie nachfolgend

noch gezeigt wird, trugen diese Fabrikanten und Unternehmer in ihrer Wahlheimat Magdeburg

maßgeblich dazu bei, deutsche Qualitatsprodukte auf dem Markt zu platzieren.

Die preußischen Behorden verfugten mit der Erteilung des Patentes �Plattenfeder-

Manometer�, dass aus Sicherheitsgrunden neben dem Plattenfeder-Manometer auf den Lo-

komotiven gleichzeitig ein Quecksilber-Druckmessgerat zu installieren ist. Hierbei handelte es

sich um eine Vorsichtsmaßnahme, hatten doch zuvor Schinz´sche Manometer ihr vollstandiges

Ruckfederungsvermogen eingebußt und Fehlanzeigen verursacht. Zunachst war die Produktion

negativ beeinflusst und die Erwartungen bezuglich der Steigerung des Bedarfs und damit auch

der Produktion erfullten sich nicht.

Der umsichtige Kaufmann Christian F. Budenberg meldete kurz entschlossen das Schaffersche

Manometer in England zum Patent an und entschloss sich, seinen Bruder Arnold nach England

zu schicken mit dem Ziel, eine eigene Werkstatt aufzumachen, der spater mehrere Verkaufsnie-

derlassungen folgten.

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Page 21: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

2.1. Messgerate- und Armaturenwerk Schaffer & Budenberg

Abb. 2.8.Patent zum Plattenfeder-Manometer von Schaffer in England 1864 [1]

Dort, in der damaligen Hochburg des Maschinenbaus, fand das neue Manometer schnell Anklangund trat mit englischen Maschinen, Dampfkesseln und Lokomotiven nun seinen Siegeszug durchdie ganze Welt an.

Weitere Patentanmeldungen in Frankreich, Osterreich, der Schweiz und Italien fuhrten zu einemgesteigerten Auslandsabsatz und bewogen die deutschen Behorden, auf die Installation eineszusatzlichen Quecksilber-Druckmessers zu verzichten.Der Siegeszug des Plattenfedermanometers war damit nicht mehr aufzuhalten.

Bernhard Schaffer heiratete am 18. Juli 1850 eine Schwester Budenbergs. Nun waren die beidenauch verwandt.

Die Firma ging mit großem Eifer an die serienmaßige Herstellung des Plattenfeder-Manometersin verschiedenen Ausfuhrungsformen. Auch wurde zwischenzeitlich die Produktion andererMessgerate und einer Reihe von Armaturen aufgenommen.

Der steigende Bedarf an Armaturen und Messgeraten aus der eigenen Werkstatt veranlasstedie Geschaftspartner im Jahr 1857, einen ersten Katalog uber die hergestellten Messgerateund Armaturen fur den sich schnell entwickelnden Maschinen- und Dampfkesselbau im In- undAusland herauszugeben. Die darin enthaltenen Hahne und Ventile wurden damals noch ausEngland zugekauft.

Im Jahr 1858 kaufte die Firma den an der Schonebecker Straße (Westseite) gelegenen Gasthofund Ausspann �Zum Landhaus� und baute hier noch im selben Jahr eine vollstandig neueFabrik mit Dampfkraft und eigener Metallgießerei sowie zweckmaßigen maschinellen Einrich-tungen. [6]

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Page 22: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

2. Armaturenfertigung in Magdeburg – von den Ursprungen bis 1960

Abb. 2.9.Das erste Werk in Buckau 1860

Im April des Jahres 1859 erfolgte schon der Umzug nach Buckau in die neuen Produkti-onsstatten mit allen 120 Arbeitern. Hervorzuheben ist, dass hier bald in eigener Regie spezielleDrehmaschinen nach der Art der Revolverdrehbanke konstruiert und gebaut wurden, derenAntrieb nun uber Transmissionen von einer Dampfmaschine erfolgte.

Auch im Konstruktionsburo stand die Entwicklung nicht still. Zahlreiche neue Erzeugnis-se wurden in das Produktionsprogramm aufgenommen, wie Kondenswasserableiter, paten-tierte Dampfdruck-Reduzierventile, Kessel-Speiserufer, Schwimmerventile, neue Absperr- undSicherheitsventile, Injektoren, mechanische Thermometer (Pyrometer); weitere Manometer-Konstruktionen traten hinzu. Auch einige aus dem Programm herausragende Apparate sindin den neuen Katalogen zu finden, wie Patentpumpen, Wasch- und Wringmaschinen, Feu-erloschapparate.

Von diesem Zeitpunkt an kann der Erfolg des jungen Unternehmens als gesichert angesehenwerden. Charakteristisch war der Ubergang vom Handwerksbetrieb zum Fabrikbetrieb.Neben anderen aufstrebenden oder schon etablierten Betrieben des Magdeburger Maschinen-,Anlagen- und Geratebaus, trug Schaffer & Budenberg in seiner Spezialbranche, dem Messgerate-und Armaturenbau, maßgeblich zur Industrialisierung Magdeburgs und Deutschlands bei.Im PREIS-VERZEICHNIS vom 1. Januar 1866 (s. Abb.1.1) bezeichnet sich die Firma daherzukunftsweisend schon als �Maschinen- und Dampfkesselarmaturenfabrik�. [4]Sehr aufschlussreich ist die Aufzahlung und Zuordnung der auf dieser Dampfkesselskizze befind-lichen Apparate und Kesselarmaturen nach einem Gliederungssystem mit romischen Zahlen,den sogenannten �Tafeln�, die aus dem Konstruktionsbereich hervorgegangen sind und unsallen bis zuletzt vertraut waren.Schon bald wurden auch bei �Schaffer & Budenberg� die Grenzen der neuen Erweiterung derProduktion erreicht.

Die folgenden Jahrzehnte waren durch umfangreiche Erweiterungsbauten gekennzeichnet:So erfolgte 1861 ein großzugiger Anbau fur eine neue Manometer-Werkstatt, 1866 bis 1876 wur-den weitere angrenzende Grundstucke fur neue Fabrikbauten erworben und die Dampfkessel-und Maschinenanlagen erweitert. Schließlich wurde das jenseits der Schonebecker Straße (Ost-seite, spater Messgeratewerk) gelegene Grundstuck gekauft und zum Neubau und zur spaterenErweiterung der Metallgießerei, der Schmiede und Modelltischlerei verwendet.

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Page 23: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

2.1. Messgerate- und Armaturenwerk Schaffer & Budenberg

Abb. 2.10.Neu- und Erweiterungsbauten in der Schonebecker Straße 1880

Der Geschaftsbetrieb verlief in gesunder Entwicklung. Der erzielte jahrliche Reingewinn lag imDurchschnitt der Jahre 1874 bis 1879 bei fast 300 TRM und damit weit an der Spitze allerMagdeburger Maschinenbaubetriebe. Er erhohte sich im Zeitraum 1880 bis 1884 auf 750 TRMund wurde erst ab 1884 nur vom Gruson-Werk ubertroffen.

Am 20. November 1877 starb Bernhard Schaffer, der unermudlich suchende, konstruierende undverbessernde Ingenieur, der geradezu verbissen an der Spezialisierung seines Werkes festhielt- viel zu fruh fur das gewaltig aufbluhende Unternehmen und tief betrauert von allen seinenMitarbeitern und Freunden. Unvergessen bleiben seine Verdienste als Mitbegrunder des VDIin Magdeburg im Jahr 1857, vor allem aber um die weltweit fuhrende Stellung der Firma undsein nachhaltiger Beitrag um die Entwicklung der Prazisionsarbeit im deutschen Gerate- undMaschinenbau.Nun lag die Last allein auf den Schultern Budenbergs. Aber ihm zur Seite standen die Schwie-gersohne der beiden Begrunder, Fritz Dresel und Otto Arnold, die bereits 1873 in das Geschafteingetreten waren und nun die Arbeit fortsetzen sollten.Budenberg sorgte fur den Absatz und nicht nur in Preußen und im jungen Reich. Es ist er-staunlich, mit welcher Tatkraft er uberall in der Welt neue Geschaftsverbindungen anknupfte.Auch viele internationale Ausstellungen in aller Welt, bis nach Australien, wurden beschickt undzahlreiche goldene und silberne Medaillen legten Zeugnis ab von der Anerkennung deutscherWertarbeit im Ausland. Schaffer & Budenberg wurde eine Weltfirma und ihre Erzeugnissegenossen uberall das großte Ansehen.

Uberhaupt der Export! Das war Budenbergs Feld.Ihm verdanken wir die fruhzeitige Einrichtung eigener Auslandsgesellschaften in fast allen eu-ropaischen Landern und nicht zuletzt in den USA. Als dann das Ausland sich gegen die auf-strebende deutsche Maschinenausfuhr durch hohe und hohere Zolle zu schutzen versuchte, gingdie Firma dazu uber, auch im Ausland zu fabrizieren.Selbst von den Magdeburger Werken gingen vor dem ersten Weltkrieg 50 % der Produktion insAusland.

Die Anzahl der Beschaftigten stieg von 380 im Jahr 1866 auf 530 im Jahr 1874 und erhohtesich bis 1881 auf 800. In diesem Jahr wurde das 500 000ste Manometer fertig gestellt. Es wurdein Gold ausgefuhrt und von Budenberg personlich dem damaligen Kronprinzen und spaterenKaiser Friedrich III. uberreicht.

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Page 24: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

2. Armaturenfertigung in Magdeburg – von den Ursprungen bis 1960

Im Zusammenhang damit erfolgte die Ernennung Budenbergs zum �Koniglichen Commerzi-enrath�, die mit einem großen Fest der gesamten Belegschaft im Herrenkrug gefeiert und miteinem Fackelzug abgeschlossen wurde.

Budenberg uberlebte diese Ehrung jedoch nicht lange. Am 11. September 1983 schloss er fur im-mer die Augen, nachdem er bis zum letzten Augenblick rastlos fur das Gedeihen und Wachsender Firma tatig gewesen war. Zu seinem Andenken baute seine Frau 1884 das Budenbergstiftals Altersheim fur langjahrige alte Mitarbeiter.

Der zunehmenden Verwendung von Eisenarmaturen war die Firma gefolgt. Der Grauguss wurdeaus Tangerhutte bezogen, jedoch wurde der Mangel einer eigenen Eisengießerei immer fuhlbarer.Die Firma erwarb deshalb im Jahr 1883 in der jetzigen Budenbergstraße das ehemalige Mund-sche Fabrikgrundstuck und errichtete auf demselben eine eigene Eisengießerei mit zwei Ku-polofen, einem Modelllager und erforderlichen Nebeneinrichtungen, die im Oktober 1884 inBetrieb genommen wurde.

Die Inlands- und Auslandsnachfrage nahm stetig zu, so dass die alten Raume trotz aller Erwei-terungsbauten nicht mehr ausreichten, was zu dem Entschluss fuhrte, eine raumliche Trennungder beiden Hauptbetriebe

� Messgeratebau und� Fabrikation schwerer Armaturen

vorzunehmen.

Zu diesem Zweck wurde 1896 auf der gegenuberliegenden Seite der Schonebecker Straße (Ost-seite) ein großzugiger Neubau fur die sich inzwischen stark erweiternde Palette der Messgeratein Planung genommen und noch vor 1900 ausgefuhrt.

Die dadurch frei gewordenen alten Raume wurden samtlich fur die Fabrikation schwerer Arma-turen eingerichtet. Die alten Lager- und Verwaltungsgebaude, die mit der Entwicklung nichtSchritt gehalten hatten, wurden alle in den Jahren 1893/94 abgebrochen. Danach erfolgte ent-lang der Schonebecker Straße nach dem Abriss der Fachwerksbauten der reprasentative Neubauder Verwaltung und links daneben liegend das neue Magazingebaude. Damit waren am Stamm-sitz der Firma Schaffer & Budenberg in Magdeburg-Buckau alle geplanten Bauten zu diesemZeitpunkt realisiert.

Abb. 2.11.Messgerate- und Armaturenwerk Schaffer & Budenberg 1910 [1]

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Page 25: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

2.1. Messgerate- und Armaturenwerk Schaffer & Budenberg

Inhaber der Firma waren nun Otto Arnold und Fritz Dresel, die Schwiegersohne der Grunder

Schaffer & Budenberg. Die Seele des Geschafts war Otto Arnold, der die Budenbergsche Villa

bewohnte. Fritz Dresel weilte großtenteils auf seinem Landgut, das ihn sehr in Anspruch nahm.

Otto Arnold war sehr ruhrig und befand sich viel auf Reisen, um neue Geschaftsverbindungen

anzuknupfen und Vertretungen aufzubauen. Aus den USA schickte er Armaturen amerikani-

scher Herkunft, um ihre Verwendbarkeit zu uberprufen. Im Marz 1897 wurde Otto Arnold zum

Kommerzienrat ernannt, verbunden mit einem großen Fest fur die Belegschaft und abschließen-

dem Fackelzug. Bei dieser Gelegenheit wurde das Manometer Nummer 2 000 000 mitgefuhrt.

Auch im Konstruktionsbereich vollzog sich zeitgleich ein Wandel. Auf Grund des sich nunmehr

sehr stark ausgeweiteten Sortiments an Messgeraten und Armaturen und der großen Nachfra-

ge im In- und Ausland stieg mit dem Umsatz auch die Anzahl der Mitarbeiter in Buro und

Betrieb. Zahlte die Belegschaft des Konstruktionsburos 1895 nur dreizehn Herren, von denen

drei Kollegen fur den Messgeratebau tatig waren, hatte sich die Zahl der Konstrukteure 1897

bereits verdoppelt.

Da die Firma im Laufe der Jahre immer mehr dazu uberging, den speziellen Wunschen der

Kunden Rechnung zu tragen, wurden alle Anfragen bearbeitet und Ausfuhrungen angenom-

men, die in das Gebiet der Messgerate und Armaturen fielen. Die Folge war, dass dem TB

(technisches Buro), ein sehr umfangreiches Gebiet zufiel und die Abteilung des Armaturen-

baus in Sondergebiete gegliedert werden musste. So entstanden die Abteilungen Allgemeiner

Armaturenbau, Pumpenbau, Sicherheitsventile, Strahlapparate, Druckminderventile usw.

Gerate- und Armaturenproduktion im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts

Die zuvor beschriebene Erweiterung der Fabrikanlagen, hatte auch in Magdeburg reale Wur-

zeln. Zu Beginn des zweiten Drittels des 19. Jahrhunderts war die industrielle Revolution auch

in Preußen und seiner starksten Festung Magdeburg angekommen. Begunstigt durch den frucht-

baren Bordeboden wurde Magdeburg mit seinem Umfeld mit zwei bis drei Dutzend Zuckerfabri-

ken zur Hochburg der Rubenzuckerherstellung. Die haufig noch mit englischer Hilfe errichteten

Zuckerfabriken benotigten zur Instandhaltung und Modernisierung der Produktionsprozesse

zahlreiche Armaturen und Messgerate.

Von großerer Bedeutung war jedoch der Bedarf fur den Neubau von Zuckerfabriken, an dem

Magdeburg deutschlandweit mit mehr als 30 % beteiligt war. Weitere Bedarfstrager waren die

ansassigen großen Betriebe, wie die Maschinenfabrik Buckau, das Grusonwerk, Rohrich & Konig

u. v. a. , zur Produktion von Dampfschiffen, Dampfmaschinen, Lokomobilen, Kesseln, Dampfap-

paraten, Brauerei- und Brennereiausrustungen, die sich vornehmlich in Buckau und Sudenburg,

also vor den Toren der Festungsstadt, angesiedelt hatten. [4] [11]

Der rasante Ausbau des Eisenbahnwesens mit seinen Spezialarmaturen und Messgeraten bot

den Armaturenfirmen neue Geschaftsfelder. Bei Lokomotiv-Injektoren war Schaffer & Buden-

berg bei allen deutschen Bahnen vorgeschrieben. Fur die im Aufbau begriffene Kriegsmarine

lieferten sie ausschließlich.

Die nachfolgende Ubersicht und die Bilder zeigen die weltweite Expansion der anerkannten

Magdeburger Firma Schaffer & Budenberg.

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Page 26: Geschichte der Armaturenindustrie in Magdeburg

2. Armaturenfertigung in Magdeburg – von den Ursprungen bis 1960

Abb. 2.12.Werksvertretungen der Firma Schaffer & Budenberg in vielen Stadten bis 1900

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2.1. Messgerate- und Armaturenwerk Schaffer & Budenberg

Aber damit endete die weltweite Firmenvertretung nicht. Anfang der 1900er Jahre eroffnetenLager und Fabrikationsgeschafte in Wladiwostok (1902), Gravenhage (Den Haag) (1919), Hel-singfors (Helsinki) (1920) und Kristiania (Oslo) (1920).

Nachfolgend einige Bilder von Werksvertretungen im Ausland:

Abb. 2.13.Ausstellungsstand von Schaffer & Budenberg aufder Weltausstellung 1867 in Paris

Abb. 2.14.Vertretung der Firma Schaffer & Budenberg inGlasgow

Abb. 2.15.Vertretung der Firma Schaffer & Budenberg in NewYork

Abb. 2.16.Vertretung der Firma Schaffer & Budenberg inMailand

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