Geschichte der Baustatik Auf der Suche nach dem Gleichgewicht; Kurrer, Karl-Eugen

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Karl-Eugen Kurrer 2. Auflage GESCHICHTE AUF DER SUCHE NACH DEM GLEICHGEWICHT DER BAUSTATIK

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Wann setzte das statische Rechnen im Entwurfsprozess ein? Beginnend mit den Festigkeitsbetrachtungen von Leonardo und Galilei wird die Herausbildung baustatischer Verfahren vorgestellt. Neu in der 2. Auflage: Erddrucktheorie, Schalentheorie, FEM, historische Lehrbuchanalyse.

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Karl-Eugen Kurrer

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Dreizehn Jahre nach der 1. Auflage erscheint Kurrers Geschichte der Bau­statik in wesentlich erweiterter Form, nunmehr mit dem Untertitel Auf der Suche nach dem Gleichgewicht . Der Zusatz weist natürlich auf die Bedeu-tung des wichtigsten aller mechanischen Grundsätze hin: Ohne Gleich-gewicht keine tragende Struktur. Er drückt aber auch die ständige Suche nach der Balance zwischen der Baustatik als Wissenschaftsdisziplin und ihrer zentralen Aufgabe in der praktischen Anwendung aus, ganz im Sinne von Leibniz’ Theoria cum Praxi . Dieses Wechselspiel hat beide Seiten zu al-len Zeiten ganz wesentlich befruchtet, was sich als roter Faden durchgän-gig im gesamten Buchwerk zeigt.

Neue Inhalte der 2. Auflage sind: Erddrucktheorie, Traglastverfahren, historische Lehrbuchanalyse, Stahlbrückenbau, Leichtbau, Platten- und Schalentheorie, Computerstatik, Computergestützte Graphostatik und Historische Technikwissenschaft.

Gleich zu Anfang lesen wir, dass die erste Tagung über die Geschichte der Baustatik 2005 in Madrid stattgefunden hat. Das Thema, in Teilberei-chen vielfach behandelt, wartet geradezu auf eine umfassende Darstellung. Das vorliegende Werk ist allerdings kein Geschichtsbuch, in der die Bei-träge unserer Vorfahren zum Thema in chronologischer Folge aufgelistet und systematisch beschrieben werden. Es ist Kurrers Geschichte der Bau-statik mit seinen Interpretationen und Einordnungen; glücklicherweise, denn so ist es eine spannende Zeitreise geworden, stark subjektiv geprägt, eher thematisch und nur grob chronologisch gegliedert, mit einer Vorliebe zum Wissenschaftstheoretischen, eben die Beschreibung der Evolution ei-ner wichtigen technikwissenschaftlichen Grundlagendisziplin mit ihren vielen Facetten in Lehre, Forschung und vor allem Praxis.

Und was ist überhaupt Baustatik? Der Begriff in dieser Kurzform wird wohl erst am Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden sein. Gerstners erstes Buch aus dem Jahr 1789 spricht noch von der statischen Baukunst; Emil Winkler verwendet um 1880 den Begriff Statik der Baukonstruktionen . Darin schließt Winkler auch die Erddrucktheorie ein, deren Entwick-lungsgeschichte Kurrer von 1700 bis heute erstmals im umfangreichen Kapitel 5 gültig zusammenfasst. Die Geschichte der Baustatik ist zunächst einmal eine Geschichte der Mechanik und der Mathematik, die sich ja früher als ausgesprochen angewandte Wissenschaften verstanden. Kurrer nennt diesen Zeitraum von 1575 bis 1825 die Vorbereitungsperiode, die für den Bauwerksentwurf noch stark von der Empirie beherrscht wird. Dennoch müssen wir feststellen, dass hier die Grundlagen vieler Trag-werkstheorien gelegt werden. Gemeinhin wird das statische Gutachten der drei Mathematiker zur Sanierung der Peterskuppel (1742/43) als erste statische Berechnung im heutigen Sinne betrachtet, bei der eine Bauauf-gabe durch Anwendung wissenschaftlicher Methoden angegangen wird,

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bezeichnenderweise begleitet durch den wohl ewig anhaltenden Streit zwischen Theorie und Praxis (s. Abschnitt 13.2.5). Heute belegen wir den Jahrhunderte alten Vorgang der gedanklichen Abstraktion natürlicher und technischer Prozesse in fast allen wissenschaftlichen Disziplinen mit den Vokabeln Modellierung und Simulation , so als ob er erst mit dem Auf-kommen des Computers und der Informationsverarbeitung eingeführt worden sei, dabei war er schon lange Triebkraft menschlichen Denkens und Handelns. Die Abbildung der tragenden Eigenschaften von Baukon-struktionen in ein Gedankenmodell ist ein typischer Fall. Als klassisches Beispiele seien die Entwicklung der Gewölbe-, Bogen- und Kuppeltheo-rien (s. Kapitel 4) sowie die kontinuumsmechanischen Erddruckmodelle eines Rankine und Boussinesq (s. Abschn. 5.4 und 5.5) genannt. Es hat sich eingebürgert, diesen rechnerorientierten Teilbereich in den einzelnen Wissenschaften mit dem Zusatz Computational zu bezeichnen, hier eben Computational Mechanics .

Das Jahr 1825 als der Beginn einer Disziplinbildungsperiode der Bau-statik (s. Kapitel 7) ist sicher treffend gewählt. Baustatik reduziert sich nicht auf das Lösen einer Gleichgewichtsaufgabe und einen Rechenprozess. Navier, dessen Bedeutung als »Mechaniker« wir heute noch mit seinem Namenszusatz bei zahlreichen Theorien anerkennen ( Naviersche Span­nungsverteilung, Navier­Lamé­ und Navier­Stokes­Gleichungen u. a. m.), war ein ausgesprochener Praktiker. Als Professor für Angewandte Mecha-nik an der École des Ponts et Chaussées hat er die Gebiete der Angewand-ten Mechanik und Festigkeitslehre zusammengeführt, um sie auf prakti-sche Aufgaben des Bauwesens anzuwenden. So beschreibt er in seiner Mechanik der Baukunst 1826 die Arbeit der Ingenieure: nachdem das Project eines Werkes entworfen und aufgezeichnet ist, untersuchen sie, ob sie allen Bedingungen genügt haben, und verbessern ihren Entwurf so lange, bis dies geschehen ist. Unter diesen Bedingungen ist die Oekonomie eine der wesentlichsten; die Solidität und die Dauerhaftigkeit sind nicht weniger wichtig (...) (s. Abschnitt 2.1.2.1). Mit Navier hob die Durchsetzung der Baustatik als eigenständige wissenschaftliche Disziplin an. Wichtige Trag-werkstheorien und Berechnungsmethoden werden in der Folgezeit entwi-ckelt, verbunden mit Namen wie Clapeyron, Lamé, Saint-Venant, Rankine, Maxwell, Cremona, Castigliano, Mohr, Winkler, um nur einige zu nennen. Die graphische Statik von Culmann und ihre Weiterentwicklung zur Gra-phostatik sind Meilensteine in der Geschichte der Baustatik.

Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Entwicklung nicht immer ohne Kontroversen abging, sei es aus inhaltlichen Gründen, aus einem disziplinären Wettbewerb oder einem Prioritätenstreit. Das span-nende Thema wird an 13 Beispielen in Kapitel 13 vertieft.

Die Methodenentwicklung der Baustatik bekam in den folgenden Jah-ren eine starke Ausrichtung auf spezielle Tragwerksysteme und damit auch in natürlicher Weise auf die eingesetzten Baustoffe wie Eisen (Stahl) und später den Eisenbeton (Stahlbeton) (s. Kapitel 8, 9 und 10). Eigenständige werkstoffspezifische Systeme und Methoden wurden entwickelt; verein-facht ausgedrückt: Der Stahlbau konzentrierte sich aufgrund seiner Modu-

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larität und der Fertigungsverfahren zuerst auf Stabtragwerke, erst seit den 1950er-Jahren kamen die Flächentragwerke dazu. Dagegen entfaltete der Betonbau seine ihm eigene Sprache in Form von flächenhaften Tragwer-ken wie Platten, Scheiben und Schalen. So erfahren in der 2. Auflage des vorliegenden Werkes die Kapitel 8 und 10 eine starke Erweiterung durch Flächentragwerke. Die in Kapitel 9 behandelten räumlichen Fachwerke stellen gewissermaßen ein Scharnier dar.

Die werkstofforientierte Trennung spiegelte sich auch bei der Lehre der Baustatik in getrennten Lehrveranstaltungen wider. Erst sehr viel spä-ter wurden die Teile zu einer einheitlichen Baustatik zusammengeführt, dann allerdings häufig »neutralisiert«, d. h. nicht mehr auf die besonderen Eigenschaften der Werkstoffe bezogen; eine Entwicklung, die aus heutiger Sicht kritisch zu beurteilen ist. Natürlich sind die Methoden der Baustatik im Grundsatz werkstoffübergreifend: Sie müssen aber im konkreten Fall die besonderen Eigenschaften der Werkstoffe mit einbeziehen.

Nach Kurrer geht die Disziplinbildungsperiode mit ihren großen Er-folgen durch die Graphische Statik und die Systematisierung der Berech-nungsmethoden der Stabstatik in Gestalt des Kraftgrößenverfahrens um 1900 in eine Konsolidierungsperiode (bis 1950) über; diese ist geprägt durch Verfeinerung und Erweiterung, wie beispielsweise die Zuwendung zu den Flächentragwerken und die Berücksichtigung nichtlinearer Effekte. Erst dann beginnt die »Moderne« der Baustatik, hier Integrationsperiode genannt. Sie ist gekennzeichnet durch den Einsatz des Computers und leis-tungsfähiger numerischer Methoden: Die Baustatik wird in den Tragwerks- planungsprozess Entwurf – Analyse – Bemessung – Konstruktion – Aus-führung integriert. Ist damit die Evolution abgeschlossen? Verliert die Baustatik etwa mit dieser Entwicklung als eigenständige Technikwissen-schaft ihr Profil und ihre Berechtigung? Die Tendenzen der letzten Jahre zeigen allerdings das Gegenteil.

Die Geschichte von gestern und heute ist auch die Geschichte von morgen. Die Baustatik hat durch die Daten- und Informationsverarbeitung eine rasante Entwicklung durchgemacht, verbunden mit zahlreichen Pa-radigmenwechseln. Nicht mehr der Rechenprozess und Verfahrensfragen, sondern Grundlagen, Modellbildung, Realitätsnähe, Qualitätssicherung u. a. m. stehen im Mittelpunkt. Zum Aufgabengebiet gehören neben der Statik die Dynamik, Flächentragwerke spielen eine mindest ebenso große Rolle wie die Stabtragwerke, die Berücksichtigung realen Werkstoffver-haltens ist heute zwingend. Die Baustatik war in ihrer Lebensgeschichte immer ein Aushängeschild des konstruktiven Ingenieurbaus; sie war nie die Disziplin von Rechenknechten, auch wenn dies bei Einführung ein-schlägiger Rechenprogramme gelegentlich so verkündet wurde und noch wird. Sie spielt auch heute noch eine wichtige Mittlerrolle zwischen der Mechanik einerseits und den entwerfenden konstruierenden Fächern ande-rerseits in der Lehre, Forschung und Anwendung. Die Statik und Dynamik sind mittlerweile zu dem avanciert, was man international als Computa­tional Structural Mechanics , als eine moderne anwendungsbezogene Trag-werksmechanik, bezeichnet.

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Der Autor reflektiert diese wichtige Entwicklung in den Kapiteln 11 und 12. Er erwähnt die starke Rationalisierung und Formalisierung – Grundsteine für die dann folgende Automatisierung. So war es kein Wun-der, dass der Bauingenieur Konrad Zuse bereits in den 1930er-Jahren da-mit begann, den ersten Computer zu entwickeln (s. Abschnitt 11.3). Die später einsetzende rasante Entwicklung numerischer Methoden für Trag-werksberechnungen war allerdings noch nicht abzusehen. J. H. Argy-ris, einer der Väter der modernen Methode der Finiten Elemente, hat es in seiner visionären Feststellung The Computer Shapes the Theory (1965) frühzeitig erkannt: Neben Theorie und Experiment gibt es eine neue Säule, die numerische Simulation (s. Abschnitt 12.1).

Computer und Programme haben naturgemäß die Arbeit des konst-ruktiven Ingenieurs revolutioniert. Haben wir nicht endlich den Zustand erreicht, wo wir uns vom handwerklichen, kochrezepthaften Geschäft befreit haben, um uns auf das Wesentliche konzentrieren zu können? In Abschnitt 14.1 wird die Rolle der »modernen Baustatik« diskutiert, u. a. im Kontext des Verhältnisses zwischen Bauingenieur und Architekt. Eine neue graphische Statik ist entstanden, nicht im Sinne der Automatisierung und visuellen Darstellung der Culmannschen graphischen Statik, vielmehr in Form von Visualisierungen und Animationen von mechanischen Zu-sammenhängen und Prozessen; dies ist ein entscheidender Schritt zur Evolution von Konstruktionen und zur Tragwerkssynthese, zu einer neuen Art von Tragwerkslehre (s. Abschnitt 14.2.4). Dieses Potenzial als lebendi-ges Interpretations- und Konstruktionswerkzeug ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

Erwähnen sollten wir noch, dass die Grenzen zu den anderen konstru-ierenden Ingenieurdisziplinen (Maschinen-, Anlagen-, Fahrzeug- und Schiffbau, Luft- und Raumfahrt, Biomechanik) im Bereich der Computati­onal Mechanics mehr und mehr verwischt werden; einschlägige Konferen-zen machen hier keine Unterschiede mehr. Die Konzepte, Methoden und Werkzeuge sind eben universell. Auch in der Lehre deuten sich ähnliche Entwicklungen an. Nicht zuletzt wendet sich Kurrer auch an Vertreter die-ser Disziplinen. Das wird besonders deutlich im 15. Kapitel, das 243 Kurz-biografien von Protagonisten der Baustatik enthält. Neben Bauingenieuren und Architekten finden sich dort Mathematiker und Mechaniker sowie Vertreter der genannten Ingenieurdisziplinen.

Diese 2. Auflage der Geschichte der Baustatik geht qualitativ und quan-titativ weit über die 1. Auflage hinaus. Vorliegendes Werk konnte nur von einem Fachmann, einem Ingenieur, der die Disziplin von innen her kennt, geschrieben werden. Selten genug, dass sich Technikwissenschaftler so in-tensiv mit ihrer Geschichte auseinander setzen. Ein solcher Glücksfall liegt hier vor. Wir können Herrn Dr.-Ing. K.-E. Kurrer für sein Opus Magnum, aber auch »seinem« Verlag Ernst & Sohn sehr dankbar sein.

Stuttgart, September 2015Ekkehard RammUniversität Stuttgart

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Ermutigt durch die positive Resonanz der Fachwelt auf die 1. Auflage mei-ner Geschichte der Baustatik (2002) und auf die erweiterte englische Aus-gabe The History of the Theory of Structures (2008) stellte ich mich vor drei Jahren der Aufgabe, die Geschichte der Baustatik umzuarbeiten, nochmals wesentlich zu erweitern und auf den neuesten Stand zu bringen. Die vor-liegende 2. Auflage entspricht zwar im Kern der englischen Ausgabe, geht aber weit über sie hinaus. Die hierfür erforderliche Umfangssteigerung um knapp 50 % war notwendig, da ich nunmehr eine Gesamtdarstellung des Entwicklungsganges der Baustatik anstrebte.

Mein Ziel bestand nicht nur darin, die in den letzten Jahren gewon-nenen Forschungsergebnisse mit zu berücksichtigen, sondern die Entwick- lungsgeschichte der modernen numerischen Methoden der Baustatik und der Strukturmechanik, aber auch den Zusammenhang zwischen bausta-tischer Theoriebildung und konstruktiv-technischem Fortschritt umfassen- der und schärfer herauszuarbeiten. Aus diesem Grund wurde beispiels-weise der Platten-, Schalen- und Stabilitätstheorie besondere Aufmerk-samkeit geschenkt, spielten doch diese Theorien bei der Herausbildung der konstruktiven Sprache des Stahl-, Stahlbeton-, Flugzeug-, Automo-bil- und des Schiffbaus eine bedeutende Rolle. So erfuhren die Kapitel über Stahlbau (Kapitel 8) und Stahlbetonbau (Kapitel 10) eine erhebliche Erweiterung. Ohne Zweifel ist die Finite-Elemente-Methode (FEM) die wichtigste Geistestechnologie der zweiten Hälfte des vergangenen Jahr-hunderts, welche von der Strukturmechanik und numerischen Mathema-tik hervorgebracht wurde. Deshalb stelle ich die historisch-logischen Quel-len der Computerstatik, ihre Herausbildung und Etablierung detailliert in einem selbständigen Kapitel dar (Kapitel 12). Neu ist auch das 108 Seiten umfassende Kapitel über die 300-jährige Geschichte der Erddrucktheorie. Die Erddrucktheorie ist die erste genuin technikwissenschaftliche Theorie, die das wissenschaftliche Selbstverständnis des im Frankreich des 18. Jahr-hundert entstehenden modernen Bauingenieurs prägte: Sie ist Referenz-theorie dieser Profession – und nicht die Balkentheorie, wie vielfach ange-nommen wird. Erst im letzten Jahrhundert löste sich die Erddrucktheorie allmählich von der Baustatik ab. Wie in der Erddrucktheorie, so fällt auch in der Gewölbetheorie die Suche nach dem Gleichgewicht historisch-lo-gisch ins Auge. Deshalb wurde das Kapitel Vom Gewölbe zum Bogen wei-ter ausgebaut. Dasselbe gilt für das Kapitel über die Herausbildung der Baustatik und Technischen Mechanik als erste technikwissenschaftliche Grundlagendisziplinen. Dort wird nicht nur erstmals eine Lehrbuchana-lyse dieser beiden Wissenschaften im 19. und 20. Jahrhundert gegeben, sondern versucht, die wissenschafts- und erkenntnistheoretischen Beson-derheiten der Baustatik und Technischen Mechanik herauszuschälen. Da-mit ist auch ein Ausgangspunkt für das Kapitel Perspektiven der Histori­schen Baustatik benannt, der integraler Bestandteil meines Konzepts der Historischen Technikwissenschaft ist und in diesem Buch konkret entfaltet wird. Hier sei nur auf aktuelle Forschungen zur graphischen Statik verwie-sen, die ich unter dem Namen Computer­Aided Graphic Statics (CAGS) zu-sammenfasse. Eine erhebliche Erweiterung erfuhren auch die Kurzbiogra-

Vorwort zur 2. Auflage

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fien von Protagonisten der Baustatik und Strukturmechanik auf 243 sowie die Bibliografie.

Wohl die größte Freude bei der Erarbeitung des vorliegenden Buches bereitete die Unterstützung, die ich durch Freunde, Kolleginnen und Kol-legen erfuhr. Bedanken möchte ich mich bei William Baker (Chicago), Ivan Baláž (Bratislava), Jennifer Beal (Chichester), Norbert Becker (Stutt-gart), Antonio Becchi (Berlin), Alexandra R. Brown (Hoboken), José Calavera (Madrid), Christopher R. Calladine (Cambridge/UK), Kostas Chatzis (Paris), Mike Chrimes (London), Ilhan Citak (Lehigh), Zbigniew Cywiński (Gdańsk), René de Borst (Glasgow), Giovanni Di Pasquale (Flo-renz), Cengiz Dicleli (Konstanz), Werner Dirschmid (Ingolstadt), Albert Duda (Berlin), Holger Eggemann (Brühl), Bernard Espion (Brüssel), Jorun Fahle (Göteborg), Amy Flessert (Minneapolis), Hubert Flomenhoft (Palm Beach Gardens), Peter Groth (Pfullingen), Carl-Eric Hagentoft (Göte-borg), Hans-Joachim Haubold (Darmstadt), Eva Haubold-Marguerre (Darmstadt), Torsten Hoffmeister (Berlin), Santiago Huerta (Madrid), Andreas Kahlow (Potsdam), Christiane Kaiser (Potsdam), Sándor Kaliszky (Budapest), Andreas Kirchner (Würzburg), Klaus Knothe (Berlin), Win-fried B. Krätzig (Bochum), Eike Lehmann (Lübeck), Werner Lorenz (Cott-bus/Berlin), Andreas Luetjen (Braunschweig), Stephan Luther (Chem-nitz), René Maquoi (Lüttich), William J. Maher (Urbana), Gleb Mikhailov (Moskau), Juliane Mikoletzky (Wien), Klaus Nippert (Karlsruhe), John Ochsendorf (Cambridge/Mass.), Eberhard Pelke (Mainz), Christian Peter-sen (Ottobrunn), Ines Prokop (Berlin), Frank Purtak (Dresden), Ekkehard Ramm (Stuttgart), Patricia Radelet-de Grave (Louvain-la-Neuve), Anette Rühlmann (London), Jan Peter Schäfermeyer (Berlin), Lutz Schöne (Ro-senheim), Sabine Schroyen (Düsseldorf), Luigi Sorrentino (Rom), Valery T. Troshchenko (Kiew), Stephanie Van de Voorde (Brüssel), Gernot Wekherlin (Berlin), Volker Wetzk (Cottbus), Jutta Wiese (Dresden), Erwin Wodarczak (Vancouver) und Ine Wouters (Brüssel).

Für die die hohe Qualität in der technischen und gestalterischen Rea-lisierung meiner Buchveröffentlichung danke ich Sophie Bleifuß (Gestal-tung), Siegmar Hiller (Herstellungsbetreuung), Uta-Beate Mutz (Satz und Herstellung) und Peter Palm (Zeichnungen). Ohne den Rückhalt, den ich in meiner Familie gefunden habe, wäre dieses Buch nicht möglich gewe-sen. Meine liebe Frau und Lektorin Claudia Ozimek brachte das Buchpro-jekt im Verlag Ernst & Sohn auf den Weg und meine Kollegin Ute-Marlen Günther steuerte es sicher bis zu seiner erfolgreichen Vollendung. Schließ-lich danke ich all jenen Kolleginnen und Kollegen des Verlages Ernst & Sohn, die das Buchprojekt unterstützten und sich für die Verbreitung mei-nes Buches engagieren.

Mögen Sie, liebe Leserin und lieber Leser, Erkenntnisse aus dem in die-sem Buch ausgebreiteten Wissen gewinnen, die Ihnen nicht nur Nutzen stiften, sondern auch reine Freude am Wissen und Erkennen bereiten sollen.

Berlin, September 2015Karl­Eugen Kurrer

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Das vorliegende Buch resultiert aus meinem seit 25 Jahren sich entwi-ckelnden Interesse an der Geschichte der Baustatik. War ich anfangs be-strebt, Sicherheit in der Aufdeckung und Entdeckung des logischen Auf-baus der Baustatik zu finden, so suchte ich später die historischen Quellen jener Wissenschaft zu erschließen. Allmählich entstand aus der Zusam-menführung didaktischer, wissenschaftstheoretischer, technikwissen-schafts-, bautechnik- und kulturhistorischer, ästhetischer, biographischer und bibliographischer Zugänge zur Geschichte der Baustatik ein Bild ihrer Entwicklung. Die Leserinnen und Leser seien zur aktiven Bildbetrachtung, Bilddeutung und Bildung eigener Bilder über die Baustatik eingeladen.

Auf dem Weg zur Erschließung dieser Zugänge begegnete ich zahlrei-chen Persönlichkeiten, denen ich meinen Dank für ihre Aufmerksamkeit, Aufgeschlossenheit und Anregungen aussprechen möchte, ohne sie alle namentlich nennen zu können. Beim Verfassen dieses Buches wurde ich beraten und mit Texten und Bildern in großzügiger Weise unterstützt von:

– Dr. Bill Addis, London (Kurzbiographien britischer Baustatiker), – Dr. Antonio Becchi, Genua (allgemeine Unterstützung bei den Kurz-

biographien und der Bibliographie), – em. Prof. Dr. Zbigniew Cywiński, Gdańsk (Kurzbiographien polni-

scher Baustatiker), – Prof. Dr. Ladislav Frýba, Prag (Kurzbiographien tschechoslowakischer

Baustatiker), – Prof. Dr. Santiago Huerta, Madrid (Kurzbiographie Saavedra, E.), – Prof. Dr. René Maquoi, Lüttich (Kurzbiographien belgischer Bau-

statiker), – Dr. Gleb Mikhailov, Moskau (Kurzbiographien russischer Baustatiker), – Prof. Dr. Ekkehard Ramm, Stuttgart (Geleitwort), – Prof. Dr. Enrico Straub, Berlin (Kurzbiographie seines Vaters

Hans Straub), – em. Prof. Dr. Minoru Yamada, Kyoto (Kurzbiographien japanischer

Baustatiker).In meinen Dank einschließen möchte ich Prof. Dr. Massimo Corradi, Ge-nua, Mike Chrimes, London, Dr. Federico Foce, Genua, Prof. Dr. Mario Fontana, Zürich, Prof. Dr. Wolfgang Graße, Dresden, Prof. Dr. Werner Guggenberger, Graz und Prof. Dr. Patricia Radelet-de Grave, Louvain-la-Neuve, die mich mit Literaturquellen unterstützten.

Das Buch wäre ohne meine liebe Freundin Claudia Ozimek nicht zu-stande gekommen – sie zeichnet für die umsichtige Betreuung durch das Lektorat verantwortlich. Auch bei allen anderen Kolleginnen und Kollegen des Verlages Ernst & Sohn bedanke ich mich für ihre Hilfe zur Realisie-rung des vorliegenden Buches.

Den Leserinnen und Lesern wünsche ich eine gewinnende Lektüre.

Berlin, September 2002Dr.-Ing. Karl­Eugen Kurrer

Vorwort zur 1. Auflage

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IX Vorwort zur 2. Auflage

XI Vorwort zur 1. Auflage

2 1 Aufgaben und Ziele der Historiografie der Baustatik4 1.1 Wissenschaftsinterne Aufgaben8 1.2 Ingenieurpraktische Aufgaben9 1.3 Didaktische Aufgaben

11 1.4 Kulturelle Aufgaben12 1.5 Ziele12 1.6 Einladung zur Suche nach dem Gleichgewicht von Tragwerken

in Zeitreisen

14 2 Lernen aus der Geschichte: Zwölf Einführungsvorträge in die Baustatik15 2.1 Was ist Baustatik?15 2.1.1 Vorbereitungsperiode (1575 –1825)15 2.1.1.1 Orientierungsphase (1575 –1700)16 2.1.1.2 Applikationsphase (1700 –1775)17 2.1.1.3 Initialphase (1775 –1825)18 2.1.2 Disziplinbildungsperiode (1825 –1900)18 2.1.2.1 Konstituierungsphase (1825 –1850)19 2.1.2.2 Etablierungsphase (1850 –1875)20 2.1.2.3 Vollendungsphase (1875 –1900)21 2.1.3 Konsolidierungsperiode (1900 –1950)22 2.1.3.1 Akkumulationsphase (1900 –1925)23 2.1.3.2 Inventionsphase (1925 –1950)24 2.1.4 Integrationsperiode (1950 bis heute)24 2.1.4.1 Innovationsphase (1950 –1975)25 2.1.4.2 Diffusionsphase (1975 bis heute)26 2.2 Vom Hebel zum Fachwerk27 2.2.1 Hebelgesetz nach Archimedes27 2.2.2 Prinzip der virtuellen Verschiebungen28 2.2.3 Allgemeiner Arbeitssatz28 2.2.4 Prinzip der virtuellen Kräfte29 2.2.5 Parallelogramm der Kräfte30 2.2.6 Von Newton zu Lagrange31 2.2.7 Das Kräftepaar31 2.2.8 Kinematische oder geometrische Richtung der Statik?32 2.2.9 Labil oder stabil, bestimmt oder unbestimmt?33 2.2.10 Statische Synthesen

inhaltsverzeichnis

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36 2.2.11 Schwedlers Dreigelenkrahmen38 2.3 Die Entwicklung der höheren technischen Bildung38 2.3.1 Die Fach- und Militärschulen des Ancien Régimes39 2.3.2 Wissenschaft und Aufklärung 40 2.3.3 Wissenschaft und Erziehung in der Französischen Revolution

(1789 –1794)41 2.3.4 Monges Lehrplan für die École Polytechnique 42 2.3.5 Die Nachläufer der École Polytechnique in Österreich, Deutschland

und Russland 46 2.3.6 Ingenieurbildung in den Vereinigten Staaten 52 2.4 Eine Studie über Erddruck auf Stützmauern54 2.4.1 Erddruckermittlung nach Culmann55 2.4.2 Erddruckermittlung nach Poncelet56 2.4.3 Spannungs- und Standsicherheitsnachweise58 2.5 Einblicke in den Brückenbau und die Baustatik des 19. Jahrhunderts60 2.5.1 Hängebrücken61 2.5.1.1 Österreich62 2.5.1.2 Böhmen und Mähren62 2.5.1.3 Deutschland63 2.5.1.4 Vereinigte Staaten 65 2.5.2 Holzbrücken67 2.5.3 Mischsysteme69 2.5.4 Die Göltzschtal- und die Elstertalbrücke (1845 –1851)71 2.5.5 Die Britannia-Brücke (1846 –1850)74 2.5.6 Die erste Dirschauer Weichselbrücke (1850 –1857)76 2.5.7 Der Garabit-Viadukt (1880 –1884)80 2.5.8 Baustatische Brückentheorien80 2.5.8.1 Reichenbachs Bogentheorie82 2.5.8.2 Youngs Gewölbetheorie85 2.5.8.3 Naviers Theorie der Hängebrücken 86 2.5.8.4 Naviers Résumé des Leçons 87 2.5.8.5 Die Fachwerktheorie Culmanns und Schwedlers88 2.5.8.6 Balkentheorie und Spannungsnachweis89 2.6 Industrialisierung des Stahlbrückenbaus von 1850 bis 190089 2.6.1 Deutschland und Großbritannien92 2.6.2 Frankreich93 2.6.3 Vereinigte Staaten97 2.7 Einflusslinien97 2.7.1 Eisenbahnzüge und Brückenbau

100 2.7.2 Herausbildung des Begriffs der Einflusslinie 102 2.8 Der elastisch gebettete Balken103 2.8.1 Die Winklersche Bettung

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104 2.8.2 Die Theorie des Eisenbahnoberbaus106 2.8.3 Von der Eisenbahnoberbautheorie zur Theorie des elastisch

gebetteten Balkens107 2.8.4 Erweiterungen durch die Geotechnik109 2.9 Deformationsverfahren109 2.9.1 Analyse eines Dreieckrahmens110 2.9.1.1 Stabendmomente111 2.9.1.2 Zwangskräfte113 2.9.1.3 Superposition heißt, die Zustandsgrößen linear mit der Lösung zu

kombinieren113 2.9.2 Deformationsverfahren und Fachwerktheorie bei rahmenartigen

Systemen im Vergleich 114 2.10 Theorie II. Ordnung114 2.10.1 Der Beitrag Josef Melans115 2.10.2 Hängebrücken werden steifer116 2.10.3 Bogenbrücken werden weicher116 2.10.4 Die Differentialgleichung des querbelasteten Druck- und Zugstabes 117 2.10.5 Die Integration der Theorie II. Ordnung in das Deformationsverfahren118 2.10.6 Wozu dienen fiktive Kräfte?121 2.11 Traglastverfahren122 2.11.1 Erste Ansätze124 2.11.2 Grundlegung des Traglastverfahrens124 2.11.2.1 Josef Fritsche125 2.11.2.2 Karl Girkmann128 2.11.2.3 Andere Autoren128 2.11.3 Das Paradoxon des Fließgelenkverfahrens131 2.11.4 Durchsetzung des Traglastverfahrens131 2.11.4.1 Sir John Fleetwood Baker132 2.11.4.2 Exkurs: ein Rechenbeispiel134 2.11.4.3 Die britisch-amerikanische Schule der Traglasttheorie135 2.11.4.4 Kontroverse um das Traglastverfahren138 2.12 Baugesetz – statisches Gesetz – Bildungsgesetz138 2.12.1 Die fünf platonischen Körper139 2.12.2 Anmut und Gesetz142 2.12.2.1 Baugesetz142 2.12.2.2 Statisches Gesetz143 2.12.2.3 Bildungsgesetz

144 3 Die ersten technikwissenschaftlichen Grundlagendisziplinen: Baustatik und Technische Mechanik

145 3.1 Was ist Technikwissenschaft?146 3.1.1 Erste Annäherung148 3.1.2 Nobilitierung der Technikwissenschaften durch den philosophischen

Diskurs150 3.1.2.1 Der Beitrag der Systemtheorie152 3.1.2.2 Der Beitrag des Marxismus154 3.1.2.3 Die Theorie der Technikwissenschaften

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157 3.1.3 Technik und Technikwissenschaften162 3.2 Die Aufhebung des Enzyklopädischen im System der klassischen

Technikwissenschaften: fünf Fallbeispiele aus der Technischen Mechanik und der Baustatik

163 3.2.1 Zur Aktualität des Enzyklopädischen165 3.2.2 Franz Joseph Ritter von Gerstners Beitrag zur Mathematisierung der

Bauwissenschaften166 3.2.2.1 Gerstners Gegenstandsbestimmung der Technischen Mechanik168 3.2.2.2 Festigkeit des Eisens172 3.2.2.3 Theorie und Praxis des Hängebrückenbaus im Handbuch der Mechanik 174 3.2.3 Weisbachs Enzyklopädie der Technischen Mechanik175 3.2.3.1 Das Lehrbuch178 3.2.3.2 Die Erfindung des Handbuchs für Ingenieure180 3.2.3.3 Die Zeitschrift 180 3.2.3.4 Die Festigkeitslehre in Weisbachs Lehrbuch 183 3.2.4 Rankines Manuals oder: die Harmonie zwischen Theorie und Praxis183 3.2.4.1 Rankines Manual of Applied Mechanics 186 3.2.4.2 Rankines Manual of Civil Engineering 187 3.2.5 Föppls Vorlesungen über Technische Mechanik 188 3.2.5.1 Ursprung und Ziel der Mechanik189 3.2.5.2 Aufbau der Vorlesungen 190 3.2.5.3 Die wichtigsten deutschsprachigen Lehrbücher der Technischen Mechanik191 3.2.6 Das Handbuch der Ingenieurwissenschaften als Enzyklopädie der klassi-

schen Bauingenieurwissenschaften194 3.2.6.1 Eiserne Balkenbrücken196 3.2.6.2 Eiserne Bogen- und Hängebrücken

198 4 Vom Gewölbe zum Bogen 201 4.1 Das Gewölbegleichnis202 4.2 Das geometrische Denken in der Theorie gewölbter Brücken202 4.2.1 Der Ponte S. Trinità in Florenz205 4.2.1.1 Galilei und Guidobaldo del Monte207 4.2.1.2 Hypothesen208 4.2.2 Die Etablierung des neuen Denkens in der Brückenbaupraxis

am Beispiel der Nürnberger Fleischbrücke209 4.2.2.1 Entwürfe zum Bau der Fleischbrücke210 4.2.2.2 Entwürfe und Überlegungen zum Lehrgerüst211 4.2.2.3 Das Tragverhalten der Fleischbrücke213 4.3 Vom Keil zum Gewölbe – oder: das Additionstheorem der Keiltheorie214 4.3.1 Zwischen Mechanik und Architektur: die Gewölbetheorie an der Académie

Royale d’Architecture de Paris (1687 –1718)215 4.3.2 La Hire und Bélidor216 4.3.3 Epigonen217 4.4 Von der Bruchbildanalyse in Gewölben zur Kantungstheorie218 4.4.1 Baldi220 4.4.2 Fabri221 4.4.3 La Hire

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222 4.4.4 Couplet224 4.4.5 Brückenbau – noch immer Empirie225 4.4.6 Coulombs Kantungstheorie226 4.4.7 Monasterios Nueva Teórica 228 4.5 Die Stützlinientheorie228 4.5.1 Präludium231 4.5.2 Gerstner233 4.5.3 Auf der Suche nach der wahren Stützlinie235 4.6 Die Durchsetzung der Elastizitätstheorie235 4.6.1 Der Dualismus von Gewölbe- und Bogentheorie bei Navier236 4.6.2 Zwei Schritte vorwärts – ein Schritt zurück238 4.6.3 Von Poncelet zu Winkler242 4.6.4 Ein Rückfall243 4.6.5 Das Gewölbe ist nichts, der Bogen ist alles: der Sieg der Theorie des

elastischen Bogens über die Gewölbetheorie244 4.6.5.1 Grandes Voûtes247 4.6.5.2 Zweifel248 4.6.5.3 Modellversuche250 4.7 Die Traglasttheorie der Gewölbe251 4.7.1 Von Rissen und der wahren Stützlinie im Gewölbe253 4.7.2 Versagen von Gewölben254 4.7.3 Die Grenzlastsätze der Traglasttheorie für Gewölbe254 4.7.4 Die Sicherheit von Gewölben256 4.7.5 Analyse von gewölbten Brücken260 4.7.6 Erweiterungen der Gewölbetheorie von Heyman262 4.8 Finite-Elemente-Methode266 4.9 Die Untersuchungen von Holzer267 4.10 Zum epistemologischen Status der Gewölbetheorien268 4.10.1 Keiltheorie 269 4.10.2 Bruchbildanalyse und Kantungstheorie270 4.10.3 Stützlinientheorie und Elastizitätstheorie der Gewölbe271 4.10.4 Traglasttheorie der Gewölbe als Gegenstand der Historischen Baustatik272 4.10.5 Finite-Elemente-Analyse von Gewölben

274 5 Geschichte der Erddrucktheorie276 5.1 Stützmauern im Festungsbau279 5.2 Erddrucktheorie als Gegenstand des Militäringenieurwesens280 5.2.1 Am Anfang war die schiefe Ebene281 5.2.1.1 Bullet282 5.2.1.2 Gautier282 5.2.1.3 Couplet283 5.2.1.4 Weitere Ansätze285 5.2.1.5 Reibung reduziert den Erddruck287 5.2.2 Von der schiefen Ebene zur Keiltheorie290 5.2.3 Charles Augustin Coulomb292 5.2.3.1 Erscheinungsformen der Adhäsion292 5.2.3.2 Bruchverhalten eines Mauerpfeilers

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293 5.2.3.3 Der Übergang zur Erddrucktheorie295 5.2.3.4 Der aktive Erddruck297 5.2.3.5 Der passive Erddruck297 5.2.3.6 Bemessung298 5.2.4 Ein Magazin für Ingenieuroffiziere300 5.3 Erweiterungen der Coulombschen Erddrucktheorie300 5.3.1 Die Trigonometrisierung der Erddrucktheorie300 5.3.1.1 Prony301 5.3.1.2 Mayniel302 5.3.1.3 Français, Audoy und Navier304 5.3.1.4 Martony de Köszegh306 5.3.2 Der geometrische Weg307 5.3.2.1 Jean-Victor Poncelet308 5.3.2.2 Hermann Schefflers Kritik an Poncelet309 5.3.2.3 Karl Culmann311 5.3.2.4 Georg Rebhann313 5.3.2.5 Treibende Widersprüche315 5.4 Der Beitrag der Kontinuumsmechanik316 5.4.1 Das hydrostatische Erddruckmodell317 5.4.2 Die neue Theorie des Erddrucks319 5.4.2.1 Carl Holtzmann320 5.4.2.2 Der Geniestreich Rankines321 5.4.2.3 Emil Winkler323 5.4.2.4 Otto Mohr325 5.5 Die Erddrucktheorie von 1875 bis 1900326 5.5.1 Coulomb oder Rankine?327 5.5.2 Erddrucktheorie als Gewölbetheorie328 5.5.3 Erddrucktheorie à la française332 5.5.4 Kötters mathematische Erddrucktheorie335 5.6 Experimentelle Erddruckforschung335 5.6.1 Vorläufer der experimentellen Erddruckforschung335 5.6.1.1 E. Cramer336 5.6.1.2 B. Baker337 5.6.1.3 A. Donath und H. Engels338 5.6.2 Eine Sternstunde der Baugrundforschung339 5.6.3 Erddruckversuche an der Versuchsanstalt für Statik der Baukonstruktion

der TH Berlin 342 5.6.4 Fehlerdiskussionen in der Endlosschleife344 5.6.5 Die schwedische Schule des Erdbaus347 5.6.6 Entstehung der Bodenmechanik348 5.6.6.1 Drei Entwicklungslinien349 5.6.6.2 Die disziplinäre Konstruktion der Bodenmechanik349 5.6.6.3 Konturen der phänomenologischen Erddrucktheorie352 5.7 Erddrucktheorie in der Disziplinbildungsperiode der Geotechnik 355 5.7.1 Terzaghi356 5.7.2 Rendulic356 5.7.3 Ohde

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358 5.7.4 Irrungen und Wirrungen359 5.7.5 Ein publizistischer Schnellschuss 360 5.7.6 Grundbau + Bodenmechanik = Geotechnik360 5.7.6.1 Der Bauingenieur als Soldat362 5.7.6.2 Komplementäres364 5.8 Erddrucktheorie in der Konsolidierungsperiode der Geotechnik364 5.8.1 Neue Subdisziplinen der Geotechnik365 5.8.2 Erddruckbestimmung in der praktischen Baustatik366 5.8.2.1 Die erweiterte Culmannsche E-Linie367 5.8.2.2 Neue Erkenntnisse über den passiven Erddruck369 5.9 Erddrucktheorie in der Integrationsperiode der Geotechnik 370 5.9.1 Computergestützte erdstatische Berechnungen372 5.9.2 Geotechnische Kontinuumsmodelle375 5.9.3 Von der Kunst des Schätzens 377 5.9.4 Die Geschichte der Geotechnik als Gegenstand der Bautechnikgeschichte

380 6 Die Anfänge der Baustatik382 6.1 Was ist Festigkeitslehre?385 6.2 Zum Entwicklungsstand der Statik und Festigkeitsbetrachtung

in der Renaissance391 6.3 Galileis Discorsi 392 6.3.1 Erster Tag395 6.3.2 Zweiter Tag401 6.4 Die Entwicklung der Festigkeitslehre bis 1750408 6.5 Das Bauingenieurwesen im ausgehenden 18. Jahrhundert410 6.5.1 Die Vollendung der Balkentheorie412 6.5.2 Franz Joseph Ritter von Gerstner 416 6.5.3 Einleitung in die statische Baukunst417 6.5.3.1 Gerstners Analyse und Synthese von Tragstrukturen421 6.5.3.2 Methodisierung des Tragwerksentwurfs bei Gerstner422 6.5.3.3 Die Einleitung in die statische Baukunst als Lehrbuch der Analysis422 6.5.4 Vier Bemerkungen zur Bedeutung von Gerstners Einleitung in die statische

Baukunst für die Baustatik423 6.6 Die Herausbildung der Baustatik: Eytelwein und Navier424 6.6.1 Navier427 6.6.2 Eytelwein429 6.6.3 Die Analyse des Durchlaufträgers bei Eytelwein und Navier430 6.6.3.1 Der Durchlaufträger in Eytelweins Statik fester Körper 434 6.6.3.2 Der Durchlaufträger in Naviers Résumé des Leçons 437 6.7 Rezeption von Naviers Analyse des Durchlaufträgers

440 7 Die Disziplinbildungsperiode der Baustatik442 7.1 Clapeyrons Beitrag zur Herausbildung der klassischen Technikwissen-

schaften442 7.1.1 Les Polytechniciens: gefesselter revolutionärer Elan der Polytechniker in

der nachrevolutionären Zeit444 7.1.2 1820 bis 1831: Clapeyron und Lamé in St. Petersburg

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447 7.1.3 Clapeyrons Konstruktion des energetischen Imperativs der klassischen Technikwissenschaften

449 7.1.4 Brückenbau und Dreimomentengleichung452 7.2 Die Vollendung der Technischen Balkentheorie 455 7.3 Von der graphischen Statik zur Graphostatik456 7.3.1 Die Begründung der graphischen Statik durch Culmann458 7.3.2 Zwei graphische Integrationsmaschinen459 7.3.3 Rankine, Maxwell, Cremona und Bow461 7.3.4 Differenzen zwischen graphischer Statik und Graphostatik463 7.3.5 Die Durchsetzung der Graphostatik 464 7.3.5.1 Graphostatische Untersuchung räumlicher Gewölbe466 7.3.5.2 Graphostatik im Ingenieurbau470 7.4 Die Vollendungsphase der Baustatik470 7.4.1 Der Beitrag Winklers473 7.4.1.1 Die elastizitätstheoretische Fundierung der Baustatik476 7.4.1.2 Die Theorie des elastischen Bogens als Grundlage des Brückenbaus481 7.4.2 Die Anfänge des Kraftgrößenverfahrens481 7.4.2.1 Beiträge zur Theorie statisch unbestimmter Fachwerke486 7.4.2.2 Von der Fachwerktheorie zur allgemeinen Theorie der Stabwerke493 7.4.3 Das Tragwerk als kinematische Maschine493 7.4.3.1 Das Fachwerk als Maschine494 7.4.3.2 Die Theoretische Kinematik Reuleaux’ und die Dresdener Schule

der Kinematik497 7.4.3.3 Kinematischer oder energetischer Imperativ in der Baustatik?501 7.4.3.4 Der Pyrrhussieg des energetischen Imperativs in der Baustatik501 7.5 Die Baustatik am Übergang von der Disziplinbildungsperiode

zur Konsolidierungsperiode501 7.5.1 Castigliano505 7.5.2 Grundlegung der klassischen Baustatik509 7.5.3 Der Grundlagenstreit der klassischen Baustatik als Wiederaufnahme-

verfahren509 7.5.3.1 Der Anlass510 7.5.3.2 Der Streit der Stellvertreter511 7.5.3.3 Der Streit um den Geltungsanspruch der Theoreme von Castigliano517 7.5.4 Geltungsbereich der Sätze von Castigliano518 7.6 Lord Rayleighs Werk The Theory of Sound und Kirpichevs Grundlegung

der klassischen Baustatik519 7.6.1 Der Rayleigh-Koeffizient und der Ritz-Koeffizient521 7.6.2 Kirpichevs kongeniale Adaption524 7.7 Die Berliner Schule der Baustatik 524 7.7.1 Zum Begriff der wissenschaftlichen Schule525 7.7.2 Der Vollender der klassischen Baustatik: Heinrich Müller-Breslau528 7.7.3 Die klassische Baustatik bemächtigt sich des Konstruierens

im Ingenieurbau531 7.7.4 Die Schüler Müller-Breslaus533 7.7.4.1 August Hertwig535 7.7.4.2 Die Nachfolger August Hertwigs

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540 8 Vom Eisenbau zum modernen Stahlbau542 8.1 Die Torsionstheorie im Eisenbau und in der Baustatik

von 1850 bis 1900542 8.1.1 Die Saint-Venantsche Torsionstheorie547 8.1.2 Das Torsionsproblem in Weisbachs Lehrbuch549 8.1.3 Die Torsionsversuche von Bach552 8.1.4 Die Rezeption der Torsionstheorie durch die klassische Baustatik 556 8.2 Der Kranbau im Schnittpunkt von Maschinenbau, Elektrotechnik,

Eisenbau und Baustatik556 8.2.1 Rudolph Bredt – ein bekannter Unbekannter557 8.2.2 Die Firma Ludwig Stuckenholz in Wetter a. d. Ruhr558 8.2.2.1 Bredts Aufstieg zum Maestro des Kranbaus562 8.2.2.2 Kran-Typen der Firma Ludwig Stuckenholz568 8.2.3 Bredts wissenschaftlich-technische Veröffentlichungen568 8.2.3.1 Prüfmaschine569 8.2.3.2 Das Prinzip der Funktionstrennung im Kranbau569 8.2.3.3 Kranhaken569 8.2.3.4 Druckstäbe570 8.2.3.5 Fundamentanker570 8.2.3.6 Druckzylinder571 8.2.3.7 Stark gekrümmte Stäbe571 8.2.3.8 Elastizitätstheorie571 8.2.3.9 Ingenieurpädagogik573 8.2.3.10 Torsionstheorie574 8.2.4 Die Maschinenbauindustrie bemächtigt sich der klassischen Baustatik578 8.3 Die Torsionstheorie in der Konsolidierungsperiode der Baustatik

(1900 –1950)578 8.3.1 Die Einführung eines technikwissenschaftlichen Begriffs:

das Torsionsträgheitsmoment 580 8.3.2 Die Entdeckung des Schubmittelpunktes581 8.3.2.1 Carl von Bach582 8.3.2.2 Louis Potterat582 8.3.2.3 Adolf Eggenschwyler583 8.3.2.4 Robert Maillart585 8.3.2.5 Nachhutgefechte in der Debatte um den Schubmittelpunkt585 8.3.3 Die Torsionstheorie im Stahlbau von 1925 bis 1950588 8.3.4 Resümee588 8.4 Auf der Suche nach der wahren Knicktheorie im Stahlbau588 8.4.1 Die Knickversuche des Deutschen Stahlbau-Verbandes (DStV) 590 8.4.1.1 Der Welt größte Versuchsmaschine591 8.4.1.2 Die perfekte Knicktheorie auf Basis der Elastizitätstheorie593 8.4.2 Die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft und die technisch-wissenschaft-

liche Gemeinschaftsarbeit im Stahlbau593 8.4.2.1 Vereinheitlichung der Vorschriften des Stahlbaus595 8.4.2.2 Gründung des Deutschen Ausschuß für Stahlbau (DASt)597 8.4.3 Exkurs: die Olympischen Spiele des Konstruktiven Ingenieurbaus 599 8.4.4 Paradigmenwechsel in der Knicktheorie

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600 8.4.5 Die Standardisierung der neuen Knicktheorie in der deutschen Stabilitätsnorm DIN 4114

602 8.5 Stahlbau und Stahlbauwissenschaft von 1925 bis 1975603 8.5.1 Vom Stab- zum ebenen Flächentragwerk604 8.5.1.1 Theorie der mittragenden Breite606 8.5.1.2 Konstruktive Neuerungen im deutschen Brückenbau der 1930er-Jahre609 8.5.1.3 Theorie des Trägerrostes611 8.5.1.4 Die orthotrope Platte als Patent 613 8.5.1.5 Der Stahlbau zeichnet eine Anleihe beim Stahlbetonbau:

die Hubersche Plattentheorie616 8.5.1.6 Das Verfahren von Guyon-Massonnet617 8.5.1.7 Theoriendynamik in der Stahlbauwissenschaft der 1950er- und

1960er-Jahre618 8.5.2 Der Aufstieg des Stahlverbundbaus619 8.5.2.1 Stahlverbundstützen621 8.5.2.2 Stahlverbundträger 624 8.5.2.3 Verbundbrückenbau627 8.5.3 Stahlleichtbau632 8.5.4 Stahl und Glas gesellt sich gern637 8.6 Exzentrische Bahnen – Verlust der Mitte

640 9 Die Stabstatik erobert die dritte Dimension: Das Raumfachwerk 641 9.1 Die Entstehung der Theorie des Raumfachwerks644 9.1.1 Die Reichstagskuppel645 9.1.2 Die Grundlegung der Theorie des Raumfachwerks durch August Föppl649 9.1.3 Integration der Theorie des Raumfachwerks in die klassische Baustatik653 9.2 Das Raumfachwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzier-

barkeit654 9.2.1 Alexander Graham Bell655 9.2.2 Wladimir Grigorjewitsch Schuchow655 9.2.3 Walther Bauersfeld und Franz Dischinger656 9.2.4 Richard Buckminster Fuller658 9.2.5 Max Mengeringhausen659 9.3 Dialektische Synthese von individueller Baugestaltung und

serieller Fertigung 659 9.3.1 Die MERO-Bauweise und das Kompositionsgesetz für Raumfachwerke661 9.3.2 Das Raumfachwerk und der Computer

664 10 Der Einfluss des Stahlbetonbaus auf die Baustatik666 10.1 Das erste Bemessungsverfahren im Stahlbetonbau666 10.1.1 Die Anfänge des Stahlbetonbaus668 10.1.2 Vom deutschen Monier-Patent zur Monier­Broschüre 671 10.1.3 Die Monier­Broschüre 672 10.1.3.1 Die neuartige statisch-konstruktive Qualität des Systems Monier673 10.1.3.2 Die Anwendungsgebiete des Systems Monier675 10.1.3.3 Die technikwissenschaftliche Grundlegung des Systems Monier679 10.2 Der Stahlbetonbau revolutioniert das Bauwesen

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681 10.2.1 Das Schicksal des Systems Monier682 10.2.2 Das Ende der Systemzeit: Stahl + Beton = Stahlbeton683 10.2.2.1 Der Napoleon des Stahlbetonbaus: François Hennebique 686 10.2.2.2 Der Stammvater des Rationalismus im Stahlbetonbau: Paul Christophe691 10.2.2.3 Die Vollendung der Triade696 10.3 Baustatik und Stahlbetonbau697 10.3.1 Neuartige Tragwerke des Stahlbetonbaus 697 10.3.1.1 Emanzipation des Stahlbetonbaus vom Stahlbau: Rahmentragwerke 700 10.3.1.2 Erste Schritte des Stahlbetonbaus in die zweite Dimension:

Plattentragwerke 713 10.3.1.3 Die erste Synthese715 10.3.2 Statisch-konstruktive Selbstfindung des Stahlbetonbaus 715 10.3.2.1 Scheiben und Faltwerke718 10.3.2.2 Stahlbetonschalen753 10.3.2.3 Die zweite Synthese755 10.3.2.4 Von der Kraft des Kalküls757 10.4 Der Spannbetonbau: Une révolution dans l’art de bâtir (Freyssinet)759 10.4.1 Leonhardts Spannbeton für die Praxis 762 10.4.2 Die erste Norm im Spannbetonbau763 10.4.3 Die Spannbetonvorschriften in der DDR764 10.4.4 Der unaufhaltsame Aufstieg des Spannbetonbaus im Spiegel der Zeit-

schrift Beton­ und Stahlbetonbau 766 10.5 Es ist vollbracht: Paradigmenwechsel in der Bemessung von Stahlbeton-

bauteilen auch in der Bundesrepublik Deutschland 768 10.6 Sichtbarmachung des Unsichtbaren: Bemessen und Konstruieren im

Stahlbetonbau mit Stabwerkmodellen768 10.6.1 Das Fachwerkmodell von François Hennebique 769 10.6.2 Das Fachwerkmodell von Emil Mörsch771 10.6.3 Die Kraft der Anschauung: Spannungsbilder von ebenen Flächen-

tragwerken 773 10.6.4 Das Konzept der Stabwerkmodelle: Schritte zum ganzheitlichen Bemessen

und Konstruieren im Stahlbetonbau

776 11 Die Konsolidierungsperiode der Baustatik777 11.1 Das Verhältnis von Text, Bild und Symbol in der Baustatik 779 11.1.1 Die historischen Stufen der Idee der Formalisierung786 11.1.2 Der Statiker – ein Symbolarbeiter?787 11.2 Zur Entwicklung des Deformationsverfahrens 788 11.2.1 Der Beitrag der mathematischen Elastizitätstheorie789 11.2.1.1 Elimination der Spannungen oder der Verschiebungen –

das ist hier die Frage790 11.2.1.2 Ein Element aus der idealen Objektwelt der mathematischen

Elastizitätstheorie: das elastische Stabsystem 791 11.2.2 Vom Gelenkfachwerk zum Fachwerk mit biegesteifen Knoten792 11.2.2.1 Ein Element aus der realen Objektwelt des Ingenieurs: das Eisen-

fachwerk mit genieteten Knoten793 11.2.2.2 Zur Theorie der Nebenspannungen

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796 11.2.3 Vom Fachwerk zum Rahmentragwerk798 11.2.4 Die Emanzipation des Deformationsverfahrens von der Fach-

werktheorie799 11.2.4.1 Axel Bendixsen800 11.2.4.2 George Alfred Maney801 11.2.4.3 Willy Gehler801 11.2.4.4 Asger Ostenfeld802 11.2.4.5 Ludwig Mann803 11.2.5 Das Deformationsverfahren in der Inventionsphase der Baustatik 804 11.3 Die Rationalisierungsbewegung in der Baustatik 805 11.3.1 Der operative Symbolgebrauch in der Baustatik808 11.3.2 Rationalisierung des statisch unbestimmten Rechnens 809 11.3.2.1 Orthogonalisierungsverfahren809 11.3.2.2 Spezielle Verfahren aus der Theorie der linearen Gleichungssysteme810 11.3.2.3 Baustatische Iterationsverfahren814 11.3.3 Der duale Bau der Baustatik816 11.4 Konrad Zuse und die Automatisierung des statischen Rechnens817 11.4.1 Schematisierung des statisch unbestimmten Rechnens818 11.4.1.1 Schematisierter Rechengang821 11.4.1.2 Erster Schritt zum Rechenplan824 11.4.2 Die Rechenmaschine des Ingenieurs826 11.5 Der Matrizenkalkül826 11.5.1 Der Matrizenkalkül in der Mathematik und theoretischen Physik827 11.5.2 Tensor- und Matrizenalgebra in den technikwissenschaftlichen

Grundlagendisziplinen830 11.5.3 Zur Integration des Matrizenkalküls in die Ingenieurmathematik833 11.5.4 Ein baustatisches Matrizenverfahren: das Übertragungsverfahren

836 12 Herausbildung und Etablierung der Computerstatik 837 12.1 The Computer shapes the theory (Argyris): Die historischen Wurzeln

der Finite-Elemente-Methode840 12.1.1 Stabwerkmodelle für elastische Kontinua840 12.1.1.1 Das räumliche Fachwerkmodell von Kirsch841 12.1.1.2 Fachwerkmodelle für elastische Scheiben843 12.1.1.3 Die Entstehung der Gitterrostmethode 845 12.1.1.4 Erste computergestützte Strukturanalysen in der Fahrzeugindustrie 849 12.1.2 Modularisieren und Elementieren von Flugzeugstrukturen 849 12.1.2.1 Vom kastenförmigen Raumfachwerkträger zum Schubfeldträger

und Schubfeldschema856 12.1.2.2 Hochgeschwindigkeits-Aerodynamik, Elementierung des Schubfeldträgers

und Matrizenrechnung 860 12.2 Die matrizenalgebraische Reformulierung der Strukturmechanik860 12.2.1 Die Grundlegung der modernen Strukturmechanik 864 12.2.2 Die ersten Gehversuche der Computerstatik in Europa864 12.2.2.1 Schweiz865 12.2.2.2 Großbritannien867 12.2.2.3 Bundesrepublik Deutschland

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871 12.3 Die FEM – eine allgemeine Technologie technikwissenschaftlicher Theoriebildung

871 12.3.1 Zur klassischen Veröffentlichung einer nichtklassischen Methode875 12.3.2 Von der heuristischen Potenz der FEM: die direkte Steifigkeits-

methode878 12.4 Die Grundlegung der FEM durch Variationsprinzipien879 12.4.1 Das Variationsprinzip von Dirichlet und Green879 12.4.1.1 Ein einfaches Beispiel: der längsbelastete elastische Dehnstab881 12.4.1.2 Die Göttinger Schule um Felix Klein882 12.4.2 Die erste Stufe der Synthese: das kanonische Variationsprinzip

von Hellinger und Prange 883 12.4.2.1 Pranges Habilitationsschrift886 12.4.2.2 Im Orkus des Vergessens887 12.4.2.3 Erste Schritte des Erinnerns887 12.4.2.4 Eric Reissners Beitrag889 12.4.3 Die zweite Stufe der Synthese: das Variationsprinzip von

Fraeijs de Veubeke, Hu und Washizu892 12.4.4 Variationsformulierung der FEM895 12.4.5 Ein folgenschwerer Symmetriebruch897 12.5 Computational Mechanics

900 13 Dreizehn wissenschaftliche Kontroversen in der Mechanik und Baustatik

901 13.1 Die wissenschaftliche Kontroverse901 13.2 Dreizehn Streitfälle901 13.2.1 Galileis Dialogo 902 13.2.2 Galileis Discorsi 903 13.2.3 Der philosophische Streit um das wahre Kraftmaß904 13.2.4 Der Streit um das Prinzip der kleinsten Aktion905 13.2.5 Die Peterskuppel im Streit der Theoretiker und Praktiker907 13.2.6 Diskontinuum oder Kontinuum?908 13.2.7 Graphische Statik vs. Graphostatik oder:

die Verteidigung der reinen Lehre909 13.2.8 Eine Feindschaft schafft zwei Schulen: Mohr gegen Müller-Breslau910 13.2.9 Der Stellungskrieg912 13.2.10 Bis dass der Tod euch scheidet: Fillunger gegen Terzaghi 913 13.2.11 »Im Prinzip ja … « : der Streit um die Prinzipien915 13.2.12 Elastisch oder plastisch – das ist hier die Frage916 13.2.13 Vom Bestand des Klassischen in der Erddrucktheorie917 13.3 Resümee

918 14 Perspektiven der Historischen Baustatik920 14.1 Baustatik und Ästhetik920 14.1.1 Das Schisma der Baukunst921 14.1.2 Schönheit und Nutzen in der Baukunst – eine Utopie?925 14.1.3 Alfred Gotthold Meyers Eisenbauten. Ihre Geschichte und Ästhetik 928 14.1.4 Das Ästhetische in der Dialektik von Bauen und Rechnen

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XXV

933 14.2 Historische Technikwissenschaft – Historische Baustatik934 14.2.1 Saint-Venants Historische Elastizitätstheorie935 14.2.2 Historische Gewölbetheorie936 14.2.3 Historisch-genetische Statiklehre937 14.2.3.1 Historisch-logische Längsschnittanalyse938 14.2.3.2 Historisch-logische Querschnittanalyse938 14.2.3.3 Historisch-logischer Vergleich938 14.2.3.4 Inhalte, Ziele, Mittel und Charakteristik der historisch-genetischen

Statiklehre938 14.2.4 Computergestützte Graphostatik

944 15 Kurzbiografien von 243 Protagonisten der Baustatik

1062 Bibliografie

1147 Personenregister

1157 Sachregister

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Geschichte der Baustatik. Auf der Suche nach dem Gleichgewicht. 2. Auflage. Karl-Eugen Kurrer.© 2016 Ernst & Sohn GmbH & Co. KG. Published 2015 by Ernst & Sohn GmbH & Co. KG.

Bis in die 1970er-Jahre gehörte die erddrucktheorie mit der Gewölbetheorie

in ihrer einfachsten Form als Gleichgewichtsaufgabe zum Wissenskanon der

praktischen Baustatik. die Bestimmung des erddrucks auf stützmauern er-

lernte der Autor im zweiten semester des von hans eisenmann geleiteten vier-

semestrigen statik-kurses für Bauingenieure an der staatsbauschule stutt-

gart, der heutigen hochschule für technik. später führte ihn helmut Neumeuer

(1913 – 2000) im Grundbau-Projektstudium der tu Berlin in die Grundlagen der

Geotechnik ein, die er im Grundbau-seminar bei thomas richter vertiefen und

durch die Vorlesung über Grundbaudynamik von stavros savidis erweitern

konnte. Am Fachgebiet Grundbau der tu Berlin erfuhr der Autor erstmals die

Freude an der technikwissenschaftlichen erkenntnis in Gestalt des forschen-

den Lernens. so versteht der Verfasser das kapitel 5 als hommage an seine

Lehrer und als Baustein zu einer Wissensgeschichte der Geotechnik im rah-

men der Bautechnikgeschichte. Möge dieses kapitel die Geotechniker anre-

gen, sich mit der historischen entwicklung ihres faszinierenden Fachgebietes

zu befassen.

Geschichte der erddrucktheorie

kapitel 5

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275

Graben, Schichten, Schütten, Spannen, Wölben, Stellen und Legen sind die Urformen des Bauens, welche in ihrer historischen Ausprägung dieser Reihenfolge entsprechen und Basis jeder großen Architektur bil-dete und bildet: die Urformen sind auch heute Grundformen des Bauens [v. Halász, 1988, S. 257]. Während das Graben historisch tief in das Tier-Mensch-Übergangsfeld reichte, entstanden noch mit den aztekischen Tzaqualli durch Schütten und Schichten großartige Pyramiden; dabei heißt Tzaqualli übersetzt die von einem Steinmantel Umschlossenen [v. Halász, 1988, S. 257], deren Kern aus einem Erdhügel besteht. Noch heute gründet sich das Bauen mit Erde – der Erdbau – auf den elementaren Tätigkeitsfor-men des Grabens, Schichtens und Schüttens. So veränderte und verändert die Bewegung großer Erdmassen bei Straßen-, Eisenbahn- und Wasser-bauten mit ihren Dämmen, Einschnitten und Durchstichen nicht nur das Landschaftsrelief, sondern auch das Stadtbild [Guillerme, 1995].

Die Entwicklungsgeschichte der Geotechnik bis 1700 fasste Jean Kérisel, von 1951 bis 1969 Titularprofessor für Bodenmechanik an der Pariser École Nationale des Ponts et Chaussées (ENPC), in einem umfangreichen Kongressbeitrag zusammen [Kérisel, 1985]. Dagegen wird hier der Ver-such unternommen, die Theorie des Erddrucks von ihren Anfängen kurz vor der Wende zum 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart aus dem Blick-winkel der Geschichte der Baustatik nachzuzeichnen. Neben den Original- quellen werden dabei die folgenden historiografischen Arbeiten herange- zogen: [Corradi, 1995 u. 2002], [Chrimes, 2008], [Feld, 1928 u. 1948], [Gol-der, 1948 u. 1953], [Guillerme, 1995, S. 85 – 145], [Habib, 1991], [Herries u. Orme, 1989], [Heyman, 1972/1], [Jáky, 1937/1938], [Kalle u. Zentgraf, 1992], [Kérisel, 1953], [Kötter, 1893], [Marr, 2003], [Martony de Köszegh, 1828], [Mayniel, 1808], [Mehrtens, 1912/1, S. 55 – 73], [Ohde, 1948 – 1952], [Peck, 1985], [Reissner, 1910], [Skempton, 1981/3 u. 1985] und [Winkler, 1872/3].

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die Theorie des Erdbaus als experimentell abgesicherte Theorie der Böschungen aus bindigen Böden durch Alexandre Collin [Collin, 1846] Gestalt an. Zehn Jahre später veröf-fentlichte Culmann seine Broschüre Ueber die Gleichgewichtsbedingungen von Erdmassen [Culmann, 1856] und 1872 sein Manuskript über Erdbau [Culmann, 1872]. 1888 teilte der Professor für Baumechanik an der Deut-schen Technischen Hochschule in Prag, Karl von Ott, seine Vorträge ein in

– die Theorie des Erdbaus (oder der Böschungen), – die Theorie der Futtermauern (Stützmauern), – die Theorie der Gewölbe und – die Elastizitätstheorie und ihre Anwendungen auf Holz- und

Eisenkonstruktionen mit besonderer Rücksicht auf den Dach- und Brückenbau.

Unter Erdbau verstand er dabei die Bildung bestimmter Körperformen, die unter dem Namen Dämme, Wälle, Einschnitte, Durchstiche usw. vorkom-men und bei deren Herstellung jenes Material bearbeitet wird, welches der natürliche Boden liefert [v. Ott, 1888, S. 2]. Die Aufstellung der Gesetze für das Gleichgewicht dieser Erdkörper (Bild 5-1) ist Inhalt der Theorie des Erdbaues oder der Böschungen [v. Ott, 1888, S. 2].

B i l d 5 - 1 Stabilitätsuntersuchung einer Böschung mit Belastung durch Aushub; ψ = Neigung der Gleitfläche, ρ = Winkel der inneren Reibung [v. Ott, 1888, S. 20]

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Ihre klassische Zusammenfassung erhielt die Theorie des Erdbaus in der Mitte der Vollendungsphase der Baustatik (1875 – 1900) durch August von Kaven [v. Kaven, 1885]. Erst mit den durch den Kaieinsturz am 5. März 1916 im Hafen von Göteborg [Petterson, 1916] ausgelösten Un-tersuchungen erfuhr die Theorie des Erdbaus neue Impulse (z. B. [Hultin, 1916], [Fellenius, 1927]). Mit der Herausbildung der Bodenmechanik in den 1920er-Jahren und ihrem Gründungsdokument Erdbaumechanik auf bodenphysikalischer Grundlage [Terzaghi, 1925] setzte sich auch auf dem Gebiet des Erddrucks ein dem Experiment verpflichteter Theoretisie-rungsstil durch. Die Theorie der Böschungen gehört heute mit der Erd-drucktheorie zur Erdbaumechanik bzw. Erdstatik oder Statik im Erdbau (Bild 5-2), welche ihrerseits eine Subdisziplin der Geotechnik ist.

Die Erddrucktheorie kann auf eine über 300-jährige Geschichte zu-rückblicken. Ihre erste Hälfte wurde von französischen Ingenieuroffizieren geprägt, die sich von Vauban über Bélidor und Coulomb bis zu Poncelet mit dem Entwurf, der Konstruktion, dem Bau und der Unterhaltung von Festungen zu befassen hatten. In den folgenden Abschnitten wird die These ausgeführt, dass das Corps du génie militaire des frühen 18. Jahrhun-derts nicht nur eine entscheidende Rolle bei der Herausbildung des mo-dernen Bauingenieurs spielte, sondern dessen Ingenieuroffiziere in Gestalt der Erddrucktheorie die erste genuin technikwissenschaftliche Theorie schufen, die das wissenschaftliche Selbstverständnis des Bauingenieurs kon stituierten. Erst in der Etablierungsphase der Baustatik (1850 – 1875) sollte die Hegemonie des Ingenieuroffiziers durch den Eisenbahningenieur auf dem Gebiet des Erddrucks ersetzt werden: An der Wiege des moder-nen Bauingenieurs stand also der Festungsbau als Geburtshelfer mit der Erddrucktheorie als dessen wissenschaftliches Instrument.

5.1Der Festungsbau im Europa der frühen Neuzeit bis in die Zeit der Voll-endung der Industriellen Revolution der kontinentaleuropäischen Natio-nalstaaten basiert auf dem Erdbau, der zusammen mit dem Mauerwerks-bau zu Großbauformen führte, welche Städte prägen sollte. Als Beispiel sei Luxemburg genannt, das von 1543 bis 1867 zu einer der stärksten Festun-gen Europas ausgebaut wurde (Bild 5-3).

An der Erweiterung der Luxemburger Festung arbeitete u. a. der 1678 von Ludwig XIV. zum Generalkommissar aller französischen Festun-gen ernannte Vauban (Bild 5-4), deren Eroberung er 1684 geleitet hatte. Luxemburg ist allerdings nur ein Splitter aus dem gewaltigen Œuvre dieses Ingénieur de France , wie er noch zu Lebzeiten genannt wurde. So steht im Larousse universel des Jahres 1923 geschrieben: Gegen Ende seines Lebens veröffentlichte Vauban, den Saint-Simon (1760 – 1825) als den rechtschaf-fensten Mann seines Jahrhunderts bezeichnete, geleitet vom Gefühl echter Menschlichkeit sein ›Projekt eines königlichen Zehnten‹, worin er Steuer-gleichheit forderte, was ihn bei Ludwig XIV. in Ungnade fallen ließ (zit. n. [Göggel, 2011, S. 136]). Unter Vauban entstanden in wenigen Dezennien 33 neue Festungen. Rund 300 Festungen ließ er umbauen. Bislang konn-ten 411 Baumaßnahmen für 160 Plätze nachgewiesen werden [Neumann,

Stützmauern im Festungsbau

B i l d 5 - 2 Das Buchcover zeigt das Schema einer Standsicherheitsuntersuchung des Baugrundes einer Stützmauer mit gekrümmter Gleitfläche [Türke, 1990]

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Hartwig, 1984, S. 381]. Für seine Festungen und zivilen Bauten setzte Vauban ungefähr 9 Mio. m3 Mauerwerk ein [Petzsch, 2011, S. 191]. Nach eigenen Angaben verwandte Vauban auf die Stützmauern als tragende Baukörper der Wallanlagen mit ihren Bastionen in den Eckpunkten der sternförmigen Festungen und den dazwischenliegenden Mauern, den Kur-tinen, mehr als 3,7 Mio. m3 Mauerwerk (vgl. [Poncelet, 1844, S. 67]), was 41 % des gesamten verbauten Mauerwerks entspricht.

Schon 1684 veröffentlichte Vauban Bemessungstabellen für Stütz-mauern von Höhen im Bereich 3 m < H < 25 m [Kérisel, 1985, S. 55]. Drei Jahre später sandte Vauban als frischgebackener Generalkommissar aller französischen Festungen seinen Ingenieuren vom Corps du génie militaire sein Memoire Profil général pour les murs de soutènement zu. Dort stellte er seine von Ingenieuroffizieren wie Bélidor (1729), Poncelet (1840) und Wheeler (1870) [Feld, 1928, S. 64ff] rezipierten Profile von Stützmauern vor. Dieses allgemeine Vaubansche Profil [Poncelet, 1844, S. 4] untersuchte Poncelet und glich das Hauptprinzip der Vaubanschen Regel [Poncelet, 1844, S. 68ff] mit Resultaten seiner Erddrucktheorie ab. Einen Eindruck der Vaubanschen Profile von Stützmauern für die Festung Ypern vermittelt Bild 5-5, mit dem sich ihr Schöpfer 1698 in seinem Tagebuch auseinander-setzte (s. [Kérisel, 1985, S. 86]). Das trapezförmige Profil der Stützmauer der rechten Seite der Bastion 63 der Festung Ypern besitzt folgende Maße: Höhe H = 11,38 m, Breite der Basis b = 3,52 m, Kronenbreite k = 1,62 m; der Anlauf der luftseitigen Wand beträgt m = (3,52 – 1,62) / 11,38 = 1 : 6. Die mittlere Höhe der Erdüberdeckung der Mauerkrone beträgt h' = 0,5 · (2,11 + 1,35) = 1,75 m. Die Stützmauer ist im Achsabstand von 4,87 m durch Strebepfeiler der Höhe 16,90 m ausgesteift, deren trapezförmiger Querschnitt die Höhe h = 3,25 m, die untere Breite bu = 2,60 m und die

B i l d 5 - 3 Historischer Plan der Bundesfestung Luxemburg von Premier-Lieutenant Cederstolpe, ca. 1845 [Reinert u. Bruns, 2013, S. 48]

B i l d 5 - 4 Sebastien le Prestre de Vauban (1633 – 1707); Kopie der verschollenen Marmorbüste von Antoine Coysevox, angefertigt auf Befehl Napoleon I. durch Pietro Marchetti [Neumann, Hartwig, 1984, S. 379]

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obere Breite bo = 1,30 m besitzt; sie sorgen für eine erhebliche Steigerung der Standsicherheit.

1953 erwähnt Kérisel in seinem Aufsatz über die Geschichte der Boden- mechanik in Frankreich ein Mémoire von M. Chauvelot, das von Gaspard Monge (1746 – 1818) und Alexandre-Théophile Vandermonde (1735 – 1796) 1783 der Pariser Académie des Sciences vorgelegt wurde und zahlenmäßige Beispiele für Vaubans Bemessungsgrundsätze enthält. Für eine Stützmauer mit Strebepfeiler im Abstand von 5,75 m und einem Anlauf der luftseiti-gen Wand von m = 1 : 5 wird für die Basisbreite der Stützmauer die Formel

bVauban, 1 : 5 = m · H + kVauban, 1 : 5 = · H + 1,48 (5-1)

angegeben. Selbstverständlich bezog Vauban seine 1684 veröffentlichte Formel auf das damalige Längenmaß der Toise (1 T = 1,95 m) bzw. des pied (1 p = 0,325 m) – die auf das Metermaß umgerechnete Vaubansche Formel ergibt dann 5-1 (vgl. [Kérisel, 1985, S. 55]). In Formel 5-1 steht H für die Höhe der Erdhinterfüllung und kVauban, 1 : 5 für die Kronenbreite der Stützmauer. Kérisel veröffentlichte auch die von Chauvelot angegebene Tabelle [Kérisel, 1953, S. 153]. Die Bemessungsregel 5-1 lässt sich ohne Schwierigkeit an die ausgeführte Stützmauer nach Bild 5-5 anpassen:

bVauban, 1 : 6 = m · H + kVauban, 1 : 6 = · H + 1,625 (5-2)

Mit H = 11,38 m ergibt sich die Basisbreite nach 5-2 zu

bVauban, 1 : 6 = · 11,38 + 1,625 = 1,90 + 1,625 = 3,52 m.

Im Falle von Stützmauern mit Erdüberdeckung, den sog. halbbekleideten Stützmauern (s. Bild 5-6), und kleinen Strebepfeilern soll Vauban die Formel

bVauban, Halbbekleidung = · H + 1,625 (5-3)

vorgeschlagen haben (s. [Feld, 1928, S. 64]); auch diese Formel wurde – wie 5-1 und 5-2 – auf das Metermaß umgerechnet. In Bild 5-6 bedeuten h' = C-G die ausgemittelte Höhe der Erdauflast, H = C-B die Höhe der Stützmauer bzw. der Erdhinterfüllung, bVauban, Halbbekleidung = A-B die Basis- breite und A-C = 1,625 m die Kronenbreite.

Nach Audoy legte Vauban seinen Stützmauerprofilen einen Kipp- sicherheitsfaktor von νK, Vauban = 3,8 und einen Gleitsicherheitsfaktor von

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B i l d 5 - 5 Von Vauban 1699 entworfene Stützmauer mit Strebepfeiler für die Festung Ypern nach Zeichnung von A. de Caligny [Poncelet, 1844, Tafel IV, Fig. 35]

B i l d 5 - 6 Bezeichnungen für Stützmauern mit Erdauflast (Halbbekleidung) nach Poncelet [Poncelet, 1844, Tafel I, Fig. 1]

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νG, Vauban = 4,7 zugrunde (s. [Feld, 1928, S. 65]). Allerdings führt eine Ab-schätzung der Standsicherheit für Vaubans Stützmauer (Bild 5-5) nach dem Rechnungsgang in Abschn. 2.4.3 und unter Zugrundelegung dersel-ben bodenmechanischen Kennwerte zu wesentlich geringeren Sicherheits-faktoren als den von Audoy angegebenen: Für die Sohlfuge liegt der Kipp-sicherheitsfaktor νK bei 2,3 > νzul = 1,5 und der Gleitsicherheitsfaktor νG bei knapp 1,6 > νzul = 1,5. Ohne Berücksichtigung der Strebepfeiler wäre die Stabilität der Stützmauer gegen Kippen mit νK = 1,2 und gegen Gleiten mit νG = 1,07 gerade noch gewährleistet.

Demnach wäre die Vaubansche Stützmauer mit trapezförmigem Profil und Strebepfeilern statisch nicht weiter optimierbar. Schon Poncelet nahm deshalb an, dass die überlieferten Bemessungsregeln Vaubans – wie etwa die Formeln 5-1 bis 5-3 – keine empirischen Regeln darstellen, sondern auf eine genaue geometrische Theorie [Poncelet, 1844, S. 4] rückführbar sind. So sollten die Vaubanschen Profile für mehr als 150 Jahre die statisch- konstruktive Referenz bilden, vor deren Hintergrund die Erddrucktheo-rien ihre Modellbildungsqualität und Praktikabilität nachzuweisen hatten.

5.2Vor über 2000 Jahren befasste sich Vitruv – jahrelang im Heer unter Cäsar und Augustus für den Bau von Kriegsmaschinen verantwortlich – mit dem Phänomen des Erddruckes und dessen statisch-konstruktiver Beherr-schung. Im V. Kapitel über die Anlage der Türme und Mauern des ersten Buches seiner Zehn Bücher über Architektur führt er zum Thema Wehr-mauern zwischen den Türmen aus, dass zwischen zwei Stützmauern zick-zackförmige Strebepfeiler anzuordnen und die dadurch entstehenden Zwi-schenräume mit Erde zu verfüllen sind (Bild 5-7): Wenn man es so macht, schreibt Vitruv, dann wird der große Druck der Erdfüllung, verteilt in klei-nere Teile und nicht mit dem ganzen Gewicht auf das Ganze drückend auf keine Weise die Grundbauten der Mauer wegdrücken können [Vitruv, 1981, S. 59].

Im VIII. Kapitel des sechsten Buches, wo es um unterirdische Räume und auf Pfeilern errichtete Gebäude geht, beschreibt Vitruv nicht nur den Erddruck qualitativ, sondern gibt auch verbal eine Anleitung, wie der Erd-druck für die Stützmauern nach Bild 5-7 bestimmt werden soll: Die größte Sorge aber muß man sich um den Unterbau machen, weil bei ihm die Er-dausfüllung unendlichen Schaden hervorzurufen pflegt. Diese (Erdausfül-lung) kann nämlich nicht immer dasselbe Gewicht haben, wie sie es im Som-mer zu haben pflegt, sondern im Winter nimmt sie aus den Regenfällen eine Menge Wasser auf, wächst dadurch an Gewicht und Umfang, bringt infolge-dessen die Mauereinfassungen zum Bersten und drückt sie nach außen. Um diesem Übelstand abzuhelfen, wird man daher so verfahren müssen, dass zunächst die Dicke der Umfassungsgrundmauer nach der Masse der Erdaus-füllung bestimmt wird [Vitruv, 1981, S. 297]. Danach schlägt Vitruv Regeln für die Dimensionierung des Stützmauersystems vor und erklärt, dass die zickzackförmigen Strebepfeiler nicht zulassen, daß (die Erdmasse) mit gan-zer Wucht auf die Grundmauern drückt und den Druck der Erdausfüllung, der aufgefangen werden muß, verteilen [Vitruv, 1981, S. 299]. Mit diesen

Erddrucktheorie als Gegenstand des Militäringenieurwesens

B i l d 5 - 7 Horizontalschnitt durch ein Befestigungs-werk nach Vitruv [Vitruv, 1981, Abb. 6]

a Grabenb äußere Fundamentmauerc innere Fundamentmauerd Zähnee Erdausfüllung

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Zitaten sind die ersten schriftlichen Quellen über Wesen und Wirkung des Erddrucks benannt.

Wie die Natur des Gewölbeschubs von den Baubeflissenen aus Beob-achtung, eigener Erfahrung bei der Bauausführung sowie jahrelanger Kon-trolle der in Betrieb befindlichen Bauwerke in einem langwierigen histo-rischen Prozess zu statisch-konstruktiven Erkenntnissen in Gestalt einer Konstruktionslehre verdichtet wurden, so kulminierte das Wissen um das Phänomen des Erddrucks am ausgehenden 17. Jahrhundert in der Konst-ruktionslehre der Stützmauern eines Vauban. Die Anfänge des Umschlags von der Empirie zur Theorie fand im Gewölbebau (s. Abschn. 4.3.1) wie im Erdbau unter den Auspizien der Académie Royale d’Architecture de Paris statt. Während La Hire dort für das Gewölbeproblem eine Begründung der règles de l’art durch die klassische Mechanik vorschlug, versuchte sich Pierre Bullet (1639 – 1716) 1691 als Erster an der physikalischen Modellie-rung und Quantifizierung des Erddrucks auf Stützmauern [Bullet, 1691, S. 159 – 177]. La Hire wie Bullet sind dem Rationalismus von René Descar-tes verpflichtet. Es ist also der klassische Rationalismus von Descartes und Leibniz, welcher im Übergang von der Orientierungsphase (1575 – 1700) zur Applikationsphase (1700 – 1775) der Baustatik deren wissenschafts- und erkenntnistheoretischen Resonanzboden bildete: Er sollte das induk-tive baustatische Verständnis von Leonardo da Vinci u. a. Renaissance-ingenieuren durch die deduktive Methode ersetzen [Polónyi, 1982], die bis heute das Selbstverständnis dieser technikwissenschaftlichen Grundlagen-disziplin prägt. Der Unterschied zwischen der Gewölbe- und Erddruck-theorie in der Applikationsphase bis zur Vollendung der Konstituierungs-phase (1825 – 1850) der Baustatik besteht darin, dass die Erddrucktheorie nicht von Zivilingenieuren, sondern i. W. von Militäringenieuren geschaf-fen wurde.

5.2.1Den ersten Erddrucktheorien lag das Modell der schiefen Ebene zugrunde (Bild 5-8), das schon 1586 Stevin souverän für seine Gleichgewichtsbe-trachtungen nutzte (s. Abschn. 2.2.5). Ausgangspunkt der Betrachtungen war die Beobachtung, dass sich beim Aufschütten rolligen Materials ein Böschungskegel ergibt, dessen Mantellinie mit der Horizontalen den Win-kel der natürlichen Böschung, den Böschungswinkel φ, einschließt, der im Falle dieses Bodentyps dem Winkel der inneren Reibung ρ entspricht. Wird weiteres Material aufgeschüttet, rollt es abwärts – in diesem Falle muss vom Böschungsfuß d eine Stützmauer aufgeführt werden, die dem abrollenden Material Widerstand leistet. Dieser Widerstand wurde als Erddruck interpretiert.

Im Standardmodell der ersten Erddrucktheorien wird der durch die Böschungslinie d-n, die Wandlinie d-a und die Erdlinie a-n gebildete Erd-keil als Starrkörper mit dem Gewicht G aufgefasst, der auf der Böschungs-linie reibungsfrei nach unten gleitet. Die senkrecht (N ) und parallel (T ) zur Böschungslinie wirkenden Komponenten von G lassen sich aus der Ähnlichkeit des Dreiecks d-a-n und des Kraftecks bestimmen (Bild 5-8):

Am Anfang war die schiefe Ebene

B i l d 5 - 8 Erddruckbestimmung nach dem Grundmodell der schiefen Ebene

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= N = G ∙ = G ∙ cos φ (5-4)

= T = G ∙ = G ∙ sin φ (5-5)

Die Hangabtriebskraft T nach 5-5 wirkt als Erddruck E auf die Stützmauer. Ist die Böschungslinie dagegen reibungsbehaftet, dann reduziert sich der Erddruck auf

E = T – R. (5-6)

In seinem Mémoire de l’Académie Royale vom 19. Dezember 1699 über den Entwurf von Wasserrädern erkannte Guillaume Amontons (1663 – 1705), dass die Reibungskraft R proportional zur Normalkraft N und unabhängig von der Kontaktfläche ist. Dabei nahm er für den Proportionalitätsfaktor μ den Wert 1/3 an [Amontons, 1699/1718]. Das um die Reibungskraft R erweiterte Grundmodell der schiefen Ebene für den Erddruck

E = T – R = G ∙ sin φ – μ ∙ N = G ∙ (sin φ – μ ∙ cos φ) (5-7)

fand schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts über diverse simpli-fizierende Varianten Eingang in die Dimensionierung von Stützmauern. Diese erddrucktheoretischen Ansätze unterscheiden sich in erster Linie durch zahlenmäßige Annahmen des Böschungswinkels φ = ρ, durch die Größe der Reibungskraft und durch die Festlegung des Angriffspunkts von E.

5.2.1.1Bullet modelliert das rollige Bodenmaterial, wie z. B. Sand, als regelmäßi-ges Haufwerk mit kleinen, kugelförmigen Partikeln, deren Böschungswin-kel theoretisch φ = 60° beträgt (Bild 5-9). Aus Sicherheitsgründen legt er für seine weiteren Betrachtungen einen Böschungswinkel von φ = 45° zu-grunde (Bild 5-10).

Im nächsten Schritt bestimmt Bullet jene Kraft in der schiefen Ebene, welche eine Kugel des Gewichtes G' am Abrollen hindert, zu

E' = ∙ G' ≈ ∙ G' . (5-8)

Diese Beziehung gilt natürlich auch für den gesamten Erddruckkeil des Gewichtes G (s. Bild 5-8):

EBullet = ∙ G ≈ ∙ G = ∙ 0,5 ∙ γE ∙ H 2 = 0,35 ∙ γE ∙ H 2 (5-9)

Formel 5-9 ergibt sich auch aus 5-5 mit φ = ρ = 45°. Exemplarisch berech-net Bullet nun die Fläche des Erddruckkeils mit den Schenkellängen von jeweils x = 6 Toisen mit AG = 0,5 · 6 · 6 = 18 Quadrattoisen. Da G pro-portional zu EBullet ist, gilt für die »Fläche des Erddrucks« gemäß 5-9 AE = (5 / 7) · 18 = 13 Quadrattoisen. Bei gleicher Rohwichte von Erde und Mauerwerk der Stützmauer γE = γMW erhält Bullet aus der von ihm ge-setzten Flächengleichheit von AE mit der der Querschnittsfläche der Stütz-mauer AS deren Abmessungen. Somit lässt sich die Basisbreite der Stütz-mauer zu

NG

xdn

xdn

TG

Hdn

Hdn

Bullet

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57

22

57

57

B i l d 5 - 9 Natürliche Böschung kleiner kugelförmiger Sandkörner nach Bullet (erg. Neuzeichnung n. [Bullet, 1691, S. 171])

B i l d 5 - 1 0 Erddruckbestimmung nach Bullet [Bullet, 1691, S. 172]

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bBullet = ∙ H – k (5-10)

berechnen, wo H die Höhe und k die Kronenbreite der Stützmauer bedeu-ten. bBullet nimmt für H = 6 Toisen (= 6 · 1,95 = 11,7 m) und k = 10/6 Toi-sen (= 3,25 m) etwa den Wert 110 / 42 ≈ 16 / 6 = 2,66 Toisen (= 5,20 m) an (Bild 5-11). Bei der Ermittlung der Basisbreite der Stützmauer soll Winkler zu-folge Bullet die Fläche des Erddrucks AE durch die Höhe H dividiert haben [Winkler, 1872/3, S. 59]:

bBullet, Winkler = ∙ AE = ∙ ∙ AS = ∙ ∙ = ∙ H ≈ 0,35 ∙ H (5-11)

Wird in 5-11 für H = 6 Toisen eingesetzt, dann hätte Bullet nach Winkler für die Basisbreite nur den Wert 2,14 Toisen erhalten. Auch Feld gibt die-selbe Formel wie Winkler an [Feld, 1928, S. 65]. Daraus folgt, dass sowohl Winkler als auch Feld die fraglichen Stellen bei Bullet entweder falsch ver-standen haben, oder ihr Missverständnis der unkritischen Rezeption von Sekundärquellen geschuldet ist.

Bullets Dimensionierung von Stützmauern ist mehr der Geometrie denn der Statik verhaftet, da er sich nur für den Betrag der Vektoren des Erddrucks mit dem des Gewichts der Stützmauer interessiert und deren Angriffspunkt und Richtung völlig außer Acht lässt.

5.2.1.2Mit Hubert Gautier (1660 – 1737) betritt ein Mitarbeiter Vaubans die Bühne des französischen Ingenieurbaus, der die Pionierzeit des 1716 ge-gründeten Corps des Ingénieurs des Ponts et Chaussées prägen sollte. Be-kannt wurde Gautier durch seine Monografie über Straßenbau (1693) und Brückenbau (1716), welche für Dezennien zum ersten Lehrwerk des mo-dernen Bauingenieurs avancierte. Als Inspecteur des Ponts et Chaussées von 1713 bis 1731 hatte er sich auch mit Problemen des Erdbaus zu befassen, wie sie z. B. beim Trassieren von Straßen auftreten und zu lösen sind. Von Gautier stammen erste Angaben zu den wichtigsten Bodenkennwerten. Für sauberen, trockenen Sand misst er eine Rohwichte von 18,1 kN/m3 und einen Böschungswinkel von 31°; die entsprechenden Werte für ge-wöhnliche, aufgelockerte Erdfüllung gibt er zu 13,4 kN/m3 und 45° an [Gautier, 1717, S. 37 – 51]. Obwohl Gautier bei der Bemessung von Stütz-mauern von geometrischen Proportionsregeln ausgeht, schuf er mit der quantitativen Erfassung der beiden Bodenkennwerte die Voraussetzung zur Herausbildung der Erddrucktheorie.

5.2.1.3In seinem ersten Mémoire de l’Académie Royale über Erddruck kritisiert Couplet die Annahmen Bullets [Couplet, 1726/1728]:

– Der angenommene Böschungswinkel von 60° sei falsch (s. Bild 5-9). – Das Kugelhaufwerk sei nicht zweidimensional (s. Bild 5-9), sondern

dreidimensional (s. Bild 5-12). – Die Böschungslinie d-n könne nicht als schiefe Ebene begriffen wer-

den, worauf der Erdkeil a-d-n gleitet (s. Bild 5-8) – Der Faktor 5 / 7 in Bullets Erddruckformel 5-9 sei falsch, da der Erd-

druck E nicht horizontal wirke.

57

1H

1H

57

1H

57

H2

25

14

Gautier

Couplet

B i l d 5 - 1 1 Bemessung einer Stützmauer nach Bullet [Bullet, 1691, S. 173]

Page 32: Geschichte der Baustatik  Auf der Suche nach dem Gleichgewicht;  Kurrer, Karl-Eugen

283

Couplet geht von einer tetraederförmigen Konfiguration reibungsfreier Kugeln aus (Bild 5-12). Jede Kugel ruht dabei auf drei anderen und über-trägt auf die letzteren die senkrecht zu den Berührungsflächen wirkenden Druckkräfte. Daraus leitet Couplet zunächst eine fiktive Böschungslinie L-K ab (Bild 5-13). Die außenliegende Kugel rollt also nicht auf C-B, son-dern auf L-K ab. Couplet zeigt weiter, dass seine reibungslose Theorie ei-nen konstanten horizontalen Druck auf die glatte Wandlinie bedingt, der unabhängig vom Böschungswinkel und proportional zu 0,5 · H 2 ist. Aus dem elementaren Tetraeder der Seitenlänge 2 ∙ mit dem Dreieck A-I-D (Bild 5-12) findet Couplet, dass sich der Erddruck E zum Gewicht des Bruchprismas G wie 2 : verhält, d. h., das Krafteck aus Prismengewicht und Erddruck dem Dreieck A-I-D ähnlich ist. Daraus folgt der Erddruck

EComplet,1726 = ∙ H 2 = 0,125 ∙ γE ∙ H 2 , (5-12)

den Couplet im oberen Drittel der Wandlinie ansetzt. Der hydrostatische Erddruck ist

Ehydrostatisch = 0,5 ∙ γE ∙ H 2 (5-13)

und würde im unteren Drittel der Wandlinie angreifen. Nachdem Couplet das Momentengleichgewicht um Punkt m für eine

Stützmauer rechteckigen Querschnitts (b = k) gebildet hat, erhält er die Mindestbasisbreite zu

min bCouplet,1726 = H ∙ . (5-14)

Couplets Formel 5-14 ergibt für das Rechenexempel Bullets, d. h. γE = γMW und H = 11,70 m den Wert

min bCouplet,1726 = H ∙ = H ∙ = 0,41 ∙ H = 0,41 ∙ 11,70 = 4,78 m.

(5-15)

Dieser Wert liegt rd. 8 % unter dem aus Formel 5-10 resultierenden Wert von bBullet = 5,20 m.

5.2.1.4Dem Grundmodell der reibungsfreien schiefen Ebene zur Bestimmung des Erddrucks folgten im 18. Jahrhundert zahlreiche Autoren (s. [Kötter, 1893, S. 79 – 80]), die zumeist der Profession der Militäringenieure ange-

3

8

γE8

γE6 ∙ γMW

γE6 ∙ γMW

16

Weitere Ansätze

B i l d 5 - 1 2 Tetraederförmiges Kugelhaufwerk nach Couplet [Couplet, 1726/1728, Tafel 4, Fig. 10 und 11]

B i l d 5 - 1 3 Fiktive Böschungslinie nach Couplet [Couplet, 1726/1728, Tafel 4, Fig. 7]

Page 33: Geschichte der Baustatik  Auf der Suche nach dem Gleichgewicht;  Kurrer, Karl-Eugen

747

Naturzugkühler sind in erster Linie Bauwerke des technischen Umwelt-schutzes, da sie die bei Wärmekraftwerken aufgrund des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik entstehende (nutzlose) Restwärme unmittelbar in die Umgebung ableiten und nicht auf dem Umweg über natürliche Gewässer.

Ende 1894 gründete der Bochumer Ingenieur Hans Joachim Balcke (1862 – 1933) eine Firma, um das erste Patent eines Kühlturmes wirtschaft-lich zu verwerten. Seinen Kühlturm nannte er Kühlkamin , da Balcke den natürlichen Kaminzug zur kontinuierlichen Zufuhr von Kühlluft nutzte. Kühltürme stehen am sog. kalten Ende von Dampfprozessen in Kraftwer-ken, Zechen, der chemischen und der eisenschaffenden Industrie und entwickelten sich nach 1900 zum Bautyp des Industrieanlagenbaus, der nicht nur Maschinenbauingenieure, sondern auch Bauingenieure zu neu-artigen Lösungen anregte. Im Laufe der Entwicklung entstanden immer größere Kühltürme, zuerst vollständig aus Holz, dann als Stahlkonstruk-tion mit Holz- und Asbestverkleidung und Stahlbetonunterbau (s. Abschn. 10.3.1.3) und schließlich ab 1910 vollständig aus Stahlbeton (s. [Mörsch, 1926, S. 445 – 458]).

Die heute typische Form des einschaligen Hyperboloids geht auf die niederländischen Ingenieure Frederik Karel Theodoor van Iterson und Gerard Kuypers zurück. Als Generaldirektor der staatlichen Gruben in Limburg verantwortete Iterson die ersten 1917/1918 errichteten einschali-gen hyperbolischen Kühltürme für die Zeche Emma in Treebeck bei Her-leen (Bild 10-32). Schon am 16. August 1916 meldeten Iterson und Kuy-pers ein britisches Patent mit dem Titel Improved Construction of Cooling Towers of Reinforced Concrete an, das am 4. November 1918 erteilt wurde [Iterson u. Kuypers, 1918]: Dieses Patent trug jetzt den Titel Stresses in thin shells of circular section . Ein Jahr später publizierte Iterson in der briti-schen Zeitschrift Engineering die Berechnungsgrundlagen [Iterson, 1919].

Dort demonstriert Iterson in kurzen Strichen einige Anwendungsbe-reiche der Behältertheorie als da sind: Gas- und Wasserbehälter, Öltanks, sowie Absetztanks für Kohlewäschen. Für rotationssymmetrische Flüssig-keitsbehälter der Dicke t bestimmt Iterson die Spannungen in Meridian-richtung

σϑ = (10-65)

und tangential zum Breitenkreis

σφ = p ∙ – σϑ ∙ . (10-66)

In den Gln. 10-65 und 10-66 bedeuten g das Eigengewicht der Flüssigkeit (einschl. des Behälters), N der räumliche Abstand des Membranelements zur Rotationsachse,rφ die Horizontalprojektion von N, rϑ der Krümmungsradius in Meridianrichtung und p der Flüssigkeitsdruck. Die genannten Größen beziehen sich auf das betrachtete Membranelement und finden sich in Bild 10-63 wieder. Iterson geht von einer Rotations-

Der Kühlturm als Rotationshyperboloid 4)

4) Der Autor bedankt sich bei Professor Wilfried B. Krätzig für Informationen zur Entwicklungsgeschichte der Naturzug-kühltürme. Eine exzellente Gesamtdarstel-lung über Naturzugkühler publizierte der Genannte mit Reinhard Harte, Ludger Lohaus und Udo Wittek im 2. Band des Beton-Kalenders [Krätzig et al., 2007].

g ∙ N2 ∙ π ∙ r 2 ∙ t φ

Nt

Nrϑ

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748 De

r e

inf

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Die

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schale negativer Krümmung aus. Solche Schalen aus Stahl und Stahlbe-ton bürgerten sich im ersten Dezennium des vorigen Jahrhunderts beim Bau von Leuchtürmen ein. Der erste Leuchturm dieser Art entstand 1903 in der russischen Stadt Nikolajew am Bug (heute: Ukraine). Der Durch-messer der 32,30 m hohen Stahlbetonschale beträgt unten du = 6,10 m und oben do = 1,90 m. Die Schalendicke nimmt von unten 20 cm bis oben 10 cm ab. Bemessen wurde die Stahlbetonschale auf Basis der Balkentheo-rie mit einem konstanten Winddruck über die Höhe von 275 kg/m2. Inter-essant ist, dass sich die Stahlbetonbauweise aus technisch-wirtschaftlichen Gründen im Wettbewerb gegen Stahl und Ziegel durchsetzte [Schulze, 1910, S. 176 – 178].

Möglicherweise bildeten solche Leuchttürme, wie sie auch in den Nie-derlanden danach entstanden, den Resonanzboden des neuartigen Kühl-turmkonzepts von Iterson und Kuypers. Sicher jedoch ist, dass Iterson die Bemessung von Leuchttürmen aus Stahl oder Stahlbeton als Referenz-modell der baustatischen Analyse seines rotationshyperbolischen Kühl-turms aus Stahlbeton zugrunde legte. Der Unterschied liegt aber darin, dass die ca. 36 m hohen rotationshyperbolischen Kühlturme (Bild 10-32) ohne Aussteifung auskommen und das bei einem Basisdurchmesser du = 30,15 m, einem oberen Durchmesser do = 12,80 m sowie einem Tail-lendurchmesser dmin = 9,30 m [Iterson, 1920, S. 691]! Zur Stabilisierung der Schale ordneten Iterson und Kuypers am oberen Schalenrand einen Ringbalken an. Die Längsbewehrung wurde in Richtung der zweischarigen (geraden) Erzeugenden (s. Bild 9-12) konzentriert [Iterson, 1920, S. 692] und leitet die Kräfte aus Windeinwirkung als Zug- und Druckkräfte in die Kühlturmbasis ein. Es liegt also ein Membranspannungszustand vor. Itersons baustatische Analyse konzentriert sich daher auf die Bestimmung der Membranspannungen (Bild 10-63). In Bild 10-63 ist die Membran-spannung in Meridianrichtung σϑ und ihre Zerlegung in die Horizontal-komponente σϑ · sin ϑ · cos 2φ angegeben. Wird dieser Ausdruck mit dem Flächenelement t · rφ · dφ multipliziert, dann ergibt sich die infinitesimale Kraft dK im betrachteten Querschnitt zu

dK = σϑ · sin ϑ · cos 2φ · t · rφ · dφ, (10-67)

woraus durch Integration die Gesamtkraft

K = 4 · ∫ dk = 4 · ∫ σϑ · sin ϑ · cos 2φ · t · rφ · dφ = π · σϑ · t · rφ · sin ϑ (10-68)

folgt. Das Biegemoment im betrachteten Querschnitt ist äquivalent zu K · a, sodass sich für die äußere Horizontalkraft P aus dem Momenten-gleichgewicht um Punkt A

K = P ∙ (10-69)

schließlich die Membranspannung in Meridianrichtung zu

σϑ = (10-70)

φ = π/2

φ = 0

φ = π/2

φ = 0

ha

P ∙ hπ ∙ r 2 ∙ t ∙ cos ϑ φ

B i l D 1 0 - 6 3 Berechnung von Rotationsschalen negativer Krümmung nach Iterson (Neuzeichnung n. [Iterson, 1919, S. 641])

Page 35: Geschichte der Baustatik  Auf der Suche nach dem Gleichgewicht;  Kurrer, Karl-Eugen

749

ergibt. Durch Einsetzen der Querkraft Q = P – K in die für den Kreisring spezialisierte Gl. 7-14 kann – unter Berücksichtigung von Gl. 10-69 – die maximale Schubspannung in der neutralen Achse angegeben werden:

τmax = = –P ∙ (10-71)

Aus Formel 10-71 folgert Iterson: From this we notice the remarkable fact that when h > a the direction of the shearing stresses is opposite to that usually experienced in the case of a transverse force. It also follows that the slope of the generating curve at each point can be so chosen that the shearing stresses vanish. This observation is of considerable importance in distribu-ting the rods in a reinforced concrete tower in the most appropriate manner, i. e., only, or mainly, in planes containing the longitudinal axis [Iterson, 1919 S. 640]. Iterson verweist darauf, dass erstmals Eiffel für seinen Turm zur Weltausstellung 1889 die Kontur so gestaltet hätte, dass die Schubspannun-gen verschwinden. Da der Außen- bzw. Innendruck p für die Rotations-schale Itersons Null ist, vereinfacht sich Gl. 10-66 zu

σφ = – σϑ ∙ . (10-72)

Mit den Gln. 10-70 und 10-72 können jetzt die Spannungen für jeden Punkt der negativen Rotationsschale berechnet werden. Die so erhaltenen Spannungen müssen noch mit den Spannungen aus vertikalen Lasten (z. B. Eigengewicht) überlagert werden. Iterson weist in diesem Zusammen-hang auf die Beulgefahr hin. Ihm ist auch klar, dass der Beulsicherheits-faktor nur für einfache Außenkonturen analytisch bestimmbar ist. Deshalb wurde der Sicherheitsfaktor der rotationshyperbolischen Kühlturme (Bild 10-32) an einem stählernen Modell im Versuch ermittelt. Ist der Maßstab des Modells 1 : n, dann ist die Modelllast Pm = P / n 2 ; daraus lässt sich dann die wirkliche Last P bestimmen. Iterson merkt noch an, dass seine modellstatischen Überlegungen nur bei identischen Materialen gelten. Leider traf er keine Aussage darüber, wie er das Problem der materiellen Differenz zwischen Stahlbeton und dem Modellmaterial Stahl gelöst hatte. Iterson beschloss seinen Aufsatz mit folgendem Satz: The extension of the above theory to bodies with walls of varying thickness, and to bodies of double symmetrical section is left to the reader [Iterson, 1919, S. 642]. Diese Aufgabe lösten alsbald britische Bauingenieure nicht nur auf dem Papier, sondern im Maßstab 1 : 1.

Führend bei der statisch-konstruktiven Entwicklung der Kühltürme war das Londoner Ingenieurbüro Mouchel & Partners. Nach dem Patent von Iterson und Kuypers entstanden 1924 die ersten Kühltürme der Lister Drive Power Station in Liverpool mit einer Höhe von H = 39,60 m, die der britische Volksmund huge milk bottle [n. n., 1930, S. 201] nannte. We-nige Jahre später entstanden die Kühltürme des Kraftwerks in Hams Hall bei Birmingham. Die Bauingenieure von Mouchel & Partners stellten ihre niederländischen Vorbilder (Bild 10-32) in den Schatten: H = 68 m, du = 48 m, dmin = 26 m und do = 28 m; die Schalendicke nimmt von un-ten nach oben von 61 cm auf 13 cm ab [Gueritte, 1936, S. 213]. Dabei ent-wickelten die Bauingenieure das Berechnungsverfahren von Iterson stetig

2 ∙ QAKreisring

h – aπ ∙ r 2 ∙ t ∙ a φ

Nrϑ

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750 De

r e

inf

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Die

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weiter. Wie Iterson und Kuypers konzentrierten sie die Bewehrung in Richtung der zweischarigen Erzeugenden (s. Bild 9-12).

Die Bauingenieure der deutschen Bauindustrie hinkten der britischen Entwicklung hinterher. So berichtete Dischinger 1928 über zwei Kühl- türme für die Kokerei Prosper in Bottrop, die als 19 m hohe kegelstumpf- förmige Stahlbetonschalen mit du = 13,36 m und do = 11 m ausgeführt wurden – allerdings mit einer Dicke von nur 4 cm [Dischinger, 1928/2]. Erst seit Mitte der 1930er-Jahre entdeckten die deutschen Bauingenieure die Vorteile des einschaligen Hyperboloids für Naturzugkühltürme – an-geregt durch den Aufsatz in Beton und Eisen [Gueritte, 1936]. Um diese Zeit entwickelte der Dywidag-Ingenieur Reinhold Rabich eine geschlos-sene analytische Schalentheorie für einschalige Hyperboloide, nach der ab 1938 bis 1967 in Mitteldeutschland und der späteren Deutschen Demokra-tischen Republik (DDR) ca. 40 Kühltürme errichtet wurden. Leider veröf-fentlichte er seine Theorie erst 1953 [Rabich, 1953].

So kam ihm ein anderer Beyer-Schüler zuvor: Flügge publizierte einen Aufsatz Zur Membrantheorie der Drehschalen negativer Krümmung [Flügge, 1947]. Dort zeigt er das gegenüber Rotationsschalen mit positver Krüm-mung völlig andere Tragverhalten dieser Schalen mathematisch auf. Aus-gangspunkt Flügges ist das Gleichungssystem 10-44, das er nach Elimi-nation von Nφ und T sowie durch Differentiation nach ϑ und φ in eine lineare partielle Differentialgleichung 2. Ordnung überführt, aus der er den Ausdruck

A = + · (10-73)

gewinnt. In 10-73 besitzt der Koeffizient des zweiten Terms dasselbe Vor-zeichen wie die Gaußsche Krümmung

K = ∙ . (10-74)

Ist K > 0, dann ist die Differentialgleichung vom elliptischen Typ, und das hat zur Folge, dass sich Unstetigkeiten der Randwerte bei kuppelförmigen Schalen nicht in das Innere der Schale fortpflanzen, sondern abklingen (s. Bild 10-45). Eine Differentialgleichung hyperbolischen Typs liegt vor, wenn K < 0 ist. Bei solchen Schalen ist demnach der Koeffizient des zwei-ten Terms negativ, was bedeutet, dass sich Randstörungen über die ganze Schale fortpflanzen: Dadurch treten im Kräftespiel der negativ gekrümmten Schale Erscheinungen auf, die der an Schalen positiver Krümmung geschul-ten Anschauung zunächst überraschend erscheinen und schon beim Entwurf von Schalenkonstruktionen Berücksichtigung erfordern [Flügge, 1947, S. 66]. Aufgrund einfacher Gleichgewichtsbetrachtungen an zwei Streifen, die durch jeweils zwei Erzeugende gebildet werden, gelingt es Flügge, eine ein-fache Lösung des Gleichungssystems 10-44 anzugeben.

Ein überzeugendes Basismodell der Tragqualität einschaliger Rotations- hyperboloide gab Reinhard Harte mit dem Zweibocksystem an (Bild 10-64). Daraus geht hervor, dass die Schale mit kleinerem Neigungswinkel β eine günstigere Lastabtragung von Windlasten in den Baugrund ermöglicht. Grundsätzlich gilt, dass bestmögliches Schalentragverhalten dann erreicht

∂ 2 Nϑ∂ ϑ 2

rϑrφ · sin 2 ϑ

∂ 2 Nϑ∂ φ 2

1rϑ

1rφ

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751

wird, wenn eine deutliche Schalenkrümmung am unteren Schalenrand sich zur Taille kontinuierlich fortsetzt. Die günstigere Neigung der Schalenerzeu-genden hat Konsequenzen für das Abtragungsverhalten sowohl flächenhafter als auch singulärer Lasten [Harte, 2002, S. 9].

Aber die Geschichte der Naturzugkühler besitzt nicht nur eine statisch- konstruktive, sondern auch eine technologische Seite. Albert Fischer be-richtete über die Berechnung und Ausführung des Kühlturmes für das Kraftwerk Herserange in Frankreich [Fischer, 1950]. Der taillierte Kühl-turm besteht aus einer unteren Kegelstumpfschale, einer Zylinderschale und einer oberen Kegelstumpfschale, die nach der Membrantheorie be-rechnet wurden. Die Schalendicke beträgt im unteren 12 cm und im obe-ren Bereich 10 cm. Dabei wurde die aus Messungen am Modell im Wind-kanal gewonnene Winddruckverteilung zugrunde gelegt [Fischer, 1953]. Zu dieser statisch-konstruktiven Innovation des Ersatzkegelverfahrens kommt noch eine verfahrenstechnische, die den Bau von Naturzugküh-lern seit den 1950er-Jahren beflügeln sollte: Die erstmalige Anwendung der Kletterrüstung. Mit ihr wurden 80 cm pro Tag in vollen Ringen be-toniert [Fischer, 1950, S. 569]. Die Kletterschalung sollte einen Industria-lisierungsschub auf dem Gebiet hoher Stahlbetonbauwerke induzieren und der Baustelle ein neues Gesicht verleihen. Interessant ist Fischers Plädoyer für den Naturzugkühler: Bei der natürlichen Kühlung sind die Baukosten größer, jedoch entfallen praktisch jegliche Unterhaltskosten. In den meisten Fällen und besonders in den Industriegegenden mit kühlem Klima wie in Ost- und Nordfrankreich wird die Wahl auf große Stahlbetonkühler mit natürli-chem Luftzug fallen. Die Erfahrung an bisher ausgeführten und in Betrieb befindlichen Anlagen zeigt, dass Kühler mit natürlichem Luftzug, welches auch die Abmessungen der Türme seien, die wirtschaftlichere Lösung darstel-len [Fischer, 1950, S. 569].

In der Bundesrepublik Deutschland wurde erst ab 1960 klar, dass die Zwangskühlung an ihre Grenzen gestoßen war. Erst 1965 errichtet die Bau-firma Heitkamp – beraten von Wolfgang Zerna und Wilfried B. Krätzig –

B i l D 1 0 - 6 4 Einfaches Modell der Lastabtragung einschaliger Rotationshyperboloide [Harte, 2002, S. 9]

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für die Erweiterung des Steinkohlekraftwerkes Ibbenbüren den über 100 m hohen Naturzugkühlturm. Nach 1965 brach in Deutschland ein wahrer Kühlturm-Boom los, der baulich von den Firmen Holzmann AG, Hochtief AG und E. Heitkamp bewältigt wurde. Diese letztgenannte Bauunterneh-mung errichtete bis heute über 100 derartige Schalentragwerke aus Stahlbe-ton [Krätzig, 2012, S. 1]. Das Wachstum der Naturzugkühltürme von 1904 bis 1998 ist in Bild 10-65 dargestellt. Ende 2013 lösten die Kühltürme der Kalisindh Thermal Energy Plant in Indien mit 202 m den bisherigen Welt-rekordhalter aus Deutschland ab.

1966 publizierte Krätzig das erste numerische Berechnungsverfahren für allgemeine Hyperboloide [Krätzig, 1966], das über die Innovations-phase der Baustatik (1950 – 1975) weltweit zur Auslegung von Naturzug-

B i l D 1 0 - 6 5 Evolution der Naturzugkühltürme [Krätzig, 2012, S. 3]

B i l D 1 0 - 6 6 Niedrigste Instabilitätsform des 166,50 m hohen RWE-Kühlturms, Kraftwerk Westfalen Block E: Die Beulsicherheit ist λ1 = 5,90 und liegt damit über der nach der alten DIN 1045 geforderten Mindest-beulsicherheit von λMind. = 5,00 [Krätzig, 2012, S. 6]

1st instability mode: λ1 = 5.90

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753

kühltürmen eingesetzt wurde und erst Anfang der 1980er-Jahre durch die FE-Methode abgelöst wurde. Im Anschluss an die kurze Vorstellung der Arbeiten von Fischer (1950) und Rabich (1953) formuliert Krätzig die Zu-kunftsaufgabe baustatischer Verfahren in Gestalt der Computerstatik: Im Zeitalter elektronischer Rechenautomaten ist dieser Weg, der wesentliche Tragwerkseigenschaften nicht erfaßt, nicht nur überflüssig, er widerspricht auch völlig der Arbeitsweise von Digitalrechnern. Die Anwendung einfacher numerischer Integrationsverfahren, deren Stabilität und Konvergenz vorher nachgewiesen wurde, ist maschinengerechter und liefert darüber hinaus mehr und bessere Informationen als die herkömmliche Methode [Krätzig, 1966, S. 247]. Krätzigs Grundsatz sollte für die baustatische Theoriebildung in der zweiten Hälfte der Innovationsphase der Baustatik stilbildend sein. Auch danach bildete die Bochumer Wissenschaftlergruppe um Krätzig ein einzigartiges Gravitationszentrum der sich zu Computational Mechanics entwickelnden Computerstatik, die heute durch die Geistestechnolgie der finiten Elemente geprägt wird (Bild 10-66).

10.3.2.3Mit der zweibändigen Ausgabe der zweiten, vollständig neubearbeiteten Auflage seiner Statik im Eisenbetonbau [Beyer, 1933 u. 1934] vollbrachte Beyer die zweite Synthese der Baustatik. In diesem Werk stellt er auf 804 Druckseiten die Verfahren der Baustatik dar, und handelt sie am Beispiel aller wichtigen Tragwerksformen ab, die mit Stahlbeton bis in die 1930er-Jahre realisiert werden konnten. Beyers Buchwerk erschien diesmal selbst-ständig und nicht mehr unter dem Reihentitel Eisenbetonbau. Entwurf und Berechnung . Stattdessen trug es jetzt den Untertitel Ein Lehr- und Hand-buch der Baustatik . Beyer begründet diesen erweiterten Anspruch folgen-dermaßen: Um die verständnisvolle Anwendung der Theorie und damit den Handgebrauch des Werkes zu erleichtern, sind zahlreiche Beispiele aus dem Bauwesen eingeschaltet und zum Teil als Zahlenrechnung vollständig gelöst worden. Auf diese Weise entstehen brauchbare Rechenvorschriften, welche den Weg zwischen Ansatz und Ergebnis festlegen und abkürzen. (…) Durch diese Ausgestaltung des Werkes zum Handbuch sind zwangsläufig auch die Beziehungen zwischen der abstrakten Methode und ihrer Anwendung auf die konkreten Aufgaben des Ingenieurs hervorgetreten. Mit dieser Ziel-setzung hat das Werk den Rahmen überschritten, der ihm vom Deutschen Beton-Verein als Teil einer Anleitung für Entwurf und die Berechnung von Eisenbetonbauten zugewiesen war [Beyer, 1933, S. III]. Da Beyer sein Lehr- und Handbuch der Baustatik ausschließlich auf das elastische Materialver-halten gründet, das damals nicht nur dem Stahlbeton, sondern auch dem Stahl und Holz unterstellt wurde, empfiehlt er den Handgebrauch seines Buchwerks auch für die beiden letztgenannten Gebiete. Dennoch behan-delt Beyer vor allem diejenigen Tragwerke, die im Stahlbetonbau Bedeu-tung besitzen. Aus diesem Grunde , schrieb Beyer, hat der Deutsche Be-ton-Verein, welcher die Anregung zur ersten Auflage dieser Arbeit gegeben hatte, die Patenschaft der zweiten Auflage durch einen Zusatz zum Buchtitel übernommen [Beyer, 1933, S. IV]. Dieser Zusatz lautet: Verfaßt im Auftrage des Deutschen Beton-Vereins .

Die zweite Synthese

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