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Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten 2014/2015 „ Anders sein. Außenseiter in der Geschichte“ Thema: „ Bausoldaten in der DDR“ Verfasser: Boehme, Mirjam Klasse 8a Polz, Claudia Klasse 8a Schule: Artur – Becker - Oberschule 04509 Delitzsch Oststraße 11 Tel.:034202/68302 E-Mail: [email protected]

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Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten 2014/2015 „ Anders sein. Außenseiter in der Geschichte“

Thema: „ Bausoldaten in der DDR“ Verfasser: Boehme, Mirjam Klasse 8a Polz, Claudia Klasse 8a Schule: Artur – Becker - Oberschule 04509 Delitzsch Oststraße 11 Tel.:034202/68302 E-Mail: [email protected]

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Gliederung 2

1. Ziel und Schwerpunkt unserer Arbeit 3 2. Außenseiter in der Geschichte – Bausoldaten in der DDR 4 2.1. Auswertung Gespräch Dr. Wilde 5 3. Zeitzeugenbefragung Herr Engelhardt 6 3.1. Auswertung Kopie der schriftlichen Erklärung von Herrn Engelhardt 10 3.2. Auswertung Kopie „Einberufung zu den Bausoldaten der NVA“ von Herrn Engelhardt 12 4. Zeitzeugenbefragung Herr Tiefensee 13 4.1. Auswertung Wehrpass von Herrn Tiefensee 18 4.2. Auswertung Schulterklappen von Herrn Tiefensee 20 4.3. Auswertung der Bildquellen von Herrn Tiefensee 21 5. Vergleich der beiden Zeitzeugenbefragungen 23

6. Ergebnisse der Buchrecherche 24 6.1. Lexikon des DDR- Alltags 24 6.2. Fragen an die DDR 24 6.3. Bausoldaten in der DDR 25 6.4. epd Dokumentation 27 7. Persönliche Erkenntnisse 28 7.1. Zusammenfassung der Ergebnisse 29 8. Anhang 30 8.1. Literatur 30 8.2. Arbeitsbericht 31 8.3. Arbeitstagebuch 33

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1. Ziel und Schwerpunkt unserer Arbeit

Bausoldat – Was ist das eigentlich? Was unterschied sie von Anderen? Wer wurde

Bausoldat und warum? Das waren die ersten Fragen, die wir spontan zu diesem Thema hatten und die den

Schwerpunkt unserer Arbeit bilden sollten. Ziel war es, herauszufinden, wie es zu dieser Art des Wehrdienstes kam und welche Menschen dahinter steckten.

Wir starteten in unser Projekt mit Zeitzeugenbefragungen und erarbeiteten dafür einen Fragebogen. Dann suchten wir Zusammenhänge zum Thema in unserer Region, suchten nach Literatur und anderen Quellen. Am Ende unserer Arbeit werteten wir alle Erkenntnisse aus und zogen Rückschlüsse auf unser heutiges Leben.

Bausoldat Was ist das?

Wie wurde man Wehrdienstverweigerung Bausoldat? Welche Alternativen gab es?

Welche Gründe hatten unsere Zeitzeugen? Geschichte der Bausoldaten Wie gestaltete sich das Gesetzliche Regelung Leben der Bausoldaten? Bezug zu heute

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2. Außenseiter in der Geschichte – Bausoldaten in der DDR

Außenseiter sind Menschen, die sich durch ihr Verhalten, ihre Geschichte und ihr Äußeres von den „normalen“ Menschen unterscheiden. Damit fallen sie in der Gesellschaft auf. Das kann dazu führen, dass sie von anderen Menschen bewundert, belächelt oder sogar ausgegrenzt werden. Allerdings gibt es auch Menschen, die sich selber ausschließen z.B. kennen wir die „Zeugen Jehovas“. Es kann auch Schicksal sein, dass man zum Außenseiter wird. So ist man auch ein Außenseiter, wenn man als Kind in eine „Zeugen Jehovas Familie“ hinein geboren wird. Es kann passieren, dass die Person dadurch benachteiligt wird, bzw. Vorteile erfahren kann. Meist hatten es aber Außenseiter schwer, von ihren „normalen“ Mitmenschen akzeptiert und integriert zu werden. Das „Normalsein“ und „Angepasstsein“ sehen wir als Gegensatz zu Außenseitern. In der DDR wurden junge Männer, die sich entschieden hatten, keine Waffe in die Hand zu nehmen, ausgegrenzt. Aus der Erfahrung der beiden Weltkriege haben viele für sich beschlossen, nie auf Menschen zu schießen. Mit der „Anordnung des Nationalen Verteidigungsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Aufstellung von Baueinheiten im Bereich des Ministeriums für Nationale Verteidigung“ hat die Regierung der DDR klare Regeln zu diesen Problemen aufgestellt. In dem Gesetzesblatt wurden die Männer, die keine Waffe tragen wollten, als Bausoldaten bezeichnet. Diese Bezeichnung ist nicht gerechtfertigt, weil sie in Baueinheiten einen Wehrersatzdienst leisteten und damit keine Soldaten waren. Sichtbar wurden sie innerhalb der NVA durch die Schulterklappen mit einem Spaten. In dem Gesetz wurde auch festgelegt, dass sie keinen Eid, sondern ein Gelöbnis zu leisten hatten. Teile des Gelöbnisses sind auch Bestandteile des Fahneneides der NVA. „… Gewissenhaft die zur Erfüllung meiner Aufgaben erforderlichen Kenntnisse zu erwerben, die gesetzlichen und militärischen Bestimmungen zu erfüllen und überall die Ehre unserer Republik und meiner Einheit zu wahren.“ 1 In dieser Formulierung gelobten die Bausoldaten militärischen Bestimmungen nachzukommen. Viele von ihnen waren damit nicht einverstanden und lehnten deshalb auch das Gelöbnis ab. Ein weiterer Punkt ist auch „… Der Deutschen Demokratischen Republik, meinem Vaterland, allzeit treu zu dienen und meine Kraft für die Erhöhung ihrer Verteidigungsbereitschaft einzusetzen.“1 wo ein Widerspruch zu den Auffassungen der Bausoldaten auftrat. Sie mussten geloben, sich für die Verteidigungsbereitschaft einzusetzen. Doch die Bausoldaten wollten im Ernstfall ihr Land nicht mit der Waffe verteidigen. Auch die anderen beiden Punkte des Gelöbnisses enthalten militärische Formulierungen.

1 Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin, den 16. September 1964, Teil 1 Nr.11, Seite 130

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2.1. Auswertung Gespräch Dr. Wilde Zeitzeugenbefragung Herr Dr. Wilde am 10.12.2014 im Rathaus Delitzsch von 10.45- 11.30 Uhr Fragen zur Person Name: Wilde Vorname: Manfred Geburtsdatum: 1962 Adresse: 04509 Delitzsch, Ritterstr.31 Beruf: Oberbürgermeister der Stadt Delitzsch Welche Menschen sind für Sie Außenseiter? Alle, die nicht den Vorstellungen entsprechen. Dazu gehört auch das Tragen von Markenkleidung. Wer das nicht macht, wird von der Gruppe ausgeschlossen. Jeder sollte sich selbst als Individuum begreifen. Dazu gehört eine eigene Meinung und damit kann man zum Außenseiter werden. Mit Außenseitern wird das Leben lebendiger. Herr Dr. Wilde sieht sich selbst als Außenseiter.

Wie denken Sie über Außenseiter? Außenseiter gibt es in verschiedenen Lebensbereichen. Menschen interessieren sich für verschiedene Hobbys. In unserer Stadt leben Ausländer, Asylbewerber, die durch ihr Äußeres im Stadtbild auffallen. Für viele sind andersgeschlechtlich orientierte Menschen Außenseiter. Äußerliche Merkmale oder Menschen mit Gebrechen können zum Außenseiter werden. Diese Menschen sollten sich nicht isolieren, denn sie sind „das Salz in der Suppe in unserer Gesellschaft“ das wir brauchen. Hat es vielleicht auch in Ihrem Leben Momente gegeben, wo Sie sich als Außenseiter gefühlt haben? In seiner Schulzeit hatte er als Schüler eine eigene Meinung zu bestimmten Dingen in der DDR. Damit sorgte er in der Klasse für Unruhe. Während seiner Armeezeit in der Marine der NVA diente Dr. Wilde auf einem Minensucherräumschiff. Dort hat er erlebt, wie man sich als Individuum einer Gruppe anpassen muss. Da kann es keine Außenseiter geben. Erst mit 28 Jahren, nachdem er als Elektriker, Restaurator und Hausmeister arbeitete, studierte er Museumswissenschaften und Geschichte. Auch als Oberbürgermeister der Stadt Delitzsch sieht er sich oft als Außenseiter. Die Parteifraktionen des Stadtrates, die Bevölkerung der Stadt und die Vereine treten mit Wünschen und Forderungen an ihn heran. Er muss aber als Oberbürgermeister das Ganze im Blick haben und Entscheidungen treffen, die nicht bei allen Zustimmung finden. Gibt es im Stadtarchiv Delitzsch Statistiken über die Anzahl von Bausoldaten und Wehrdienstverweigerer? Die Erfassungen der Statistiken wurden von der NVA zentral gesteuert. Dokumente des Wehrkreiskommandos befinden sich nicht im Archiv der Stadt und des Landkreises. Die Personalakten der NVA sind in Straussberg. Aus datenschutzrechtlichen Gründen können wir deshalb dort keine Einsicht nehmen. Kennen Sie Projekte von Bausoldaten, die in unserer Region lagen? In unserer Region sind keine Projekte bekannt, wo Bausoldaten eingesetzt wurden.

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Haben Sie Tipps für uns, wo wir nach Bild- und Schriftquellen forschen könnten? Nutzung des Internets und der Bibliothek in Delitzsch. Außerdem empfiehlt er uns, mit Herrn Lüttich aus Hohenroda Kontakt aufzunehmen, zwecks Bildquellen. Kennen Sie gute Internetseiten, wo man zu solchen geschichtlichen Fragen recherchieren kann? Wir sollen uns selber kundig machen. Er empfiehlt uns, nur seriöse, wissenschaftlich fundierte Seiten z.B. Wikipedia.

Mirjam Boehme, Dr.Wilde, Claudia Polz

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3. Zeitzeugenbefragung Herr Engelhardt am 25.11.2014 in der Artur – Becker -

Oberschule Delitzsch, von 18.00 -19.30 Uhr

Gliederung: 1. Einstieg 2. Entscheidung 3. Zeit als Bausoldat 4. Zeit und Werdegang danach 5. Wie sieht er diese Entscheidung aus heutiger Sicht. Beurteilung der Entscheidung.

Zu 1. Einstieg Projekt vorstellen Fragen zur Person Name : Engelhardt Vorname: Jörg Geburtsdatum: 18.09.1962 Adresse: 04509 Schönwölkau OT Wölkau, Breite Straße 20 Beruf: Tischler im Betrieb des Vaters Zu 2. Entscheidung Hatte Ihre Schulzeit Auswirkungen auf Ihre Entscheidung? Nein, er hat es erst später entschieden. Wann trafen Sie Ihre Entscheidung? Wer war daran beteiligt? Herr Engelhardt ist in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen und hat die Konfirmation erhalten. Am Ende der Schulzeit hat er mit seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Frau entschieden, den Dienst mit der Waffe zu verweigern. Beide hatten Kontakt in der Jungen Gemeinde und im Kirchenkonvent zu Theologiestudenten. In diesen Gesprächen hat er vom Wehrersatzdienst erfahren. Mit Hilfe der Freunde verfasste er ein Schreiben an das Wehrkreiskommando in Delitzsch. Welche Gründe waren für Sie ausschlaggebend, den Dienst mit der Waffe zu verweigern? In seinem Verweigerungsschreiben hat er religiöse Gründe genannt. Uns teilte er aber auch mit, dass er mit der Politik der DDR –Führung teilweise nicht einverstanden war und diese durch sein Handeln ablehnte. Gab es eine allgemeine Ablehnung zum Dienst mit der Waffe oder waren Sie allgemein gegen den Staat der DDR? Ja, es gab eine allgemeine Ablehnung und er hat die Politik im Lande sehr kritisch gesehen, weil er gegen Kriege war.

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Was waren die Gründe / der Grund für Ihre Entscheidung ihren Dienst als Bausoldat zu leisten? Eine Wehrdienstverweigerung hätte bedeutet, dass er in Haft gekommen wäre. Da zu diesem Zeitpunkt bereits das erste Kind geboren war, wollte er seine Familie zusätzlich nicht noch gefährden. Können Sie uns noch aus Ihrer Erinnerung schildern, wie das Musterungsgespräch verlaufen ist? 1983 informierte er das Wehrkreiskommando zu seiner Ablehnung des Dienstes mit der Waffe. Er kann sich erinnern, dass er ca. zweimal vom Wehrkreiskommando zu seiner Entscheidung befragt wurde, um ihn umzustimmen. Herr Engelhardt blieb bei seiner Entscheidung und führte religiöse Gründe an. Wie haben Ihre Familienangehörigen zu Ihrer Entscheidung gestanden? Seine Eltern waren mit seiner Entscheidung einverstanden. Volle Unterstützung bekam er von seiner Frau. Hatte Ihre Entscheidung Auswirkungen auf Ihren Freundes- und Bekanntenkreis? Fanden sie dort Bestätigung bzw. Ablehnung? Seine Eltern und seine Familie haben ihn in seiner Haltung bestärkt. Alle Freunde waren Mitglieder im Kirchenjugendkreis. Dort wurde viel darüber

gesprochen und sein Entschluss befürwortet. Zu 3. Zeit als Bausoldat In welcher Baueinheit im Bereich des Ministeriums für nationale Verteidigung leisteten Sie den Wehrersatzdienst? Vom 5.Mai 1987 bis 27.Oktober 1988 leistete Herr Engelhardt den Wehrersatzdienst in Züllsdorf /Annaberger Heide in der Baueinheit 13. Dieser Ort liegt zwischen Torgau und Herzberg. Schildern Sie bitte die Inhalte der Ausbildung! Als Bausoldat legte er ein Gelöbnis und nicht den Eid der NVA ab. Er musste die Uniform der NVA tragen. Die Bausoldaten erkannte man an den Schulterklappen mit dem Spaten aus Stoff. Herr Engelhardt berichtete uns, dass Angehörige aus seiner Einheit heimlich Spaten aus Messing herstellten. Beim Ausgang brachten die Bausoldaten diese an den Schulterklappen an. Damit zeigten sie in der Öffentlichkeit, dass sie zu ihrer Entscheidung stehen. Nennen Sie uns bitte Aufgaben, die Sie in der Baueinheit zu erfüllen hatten! Die Baueinheit war für das Aufräumen auf Truppenübungsplätzen für Panzer zuständig. Es mussten Erdarbeiten durchgeführt und auch Panzerstraßen gebaut werden. Mit der Hand wurden schwere Schwellen verlegt. Außerdem wurden Büsche beseitigt und Grünstreifen während der Panzerübungen gemäht. Weiter wurden Leichtmetallbauhallen aufgestellt. Als Tischler war er auch in der Werkstatt eingesetzt, wo Übungselemente für Panzer hergestellt wurden. In Züllsdorf musste er auch im Sägewerk arbeiten. Alle Bausoldaten hatten in ihrer Unterkunft Wachdienste zu leisten.

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Wie ist es Ihnen dabei ergangen? Befehle mussten meistens ausgeführt werden. Seine Einstellung war dazu: „ So schlecht wie möglich.“ Zu normalen NVA – Angehörigen hatten sie kaum Kontakt. „Die durften zu uns keinen Kontakt halten. Ihnen wurden Horrorgeschichten über uns erzählt, teils wurden wir als Kriminelle bezeichnet.“ Schildern Sie uns bitte, den Umgang der Bausoldaten untereinander! Anders als bei der NVA wurden die Bausoldaten in seiner Einheit alle gemeinsam eingezogen. Deshalb kam es auch zu keinen Schikanen untereinander. Es war ein kameradschaftliches Miteinander zwischen den 30 Bausoldaten des Zuges. Beschreiben Sie uns bitte, wie die Bausoldaten durch Ihre Vorgesetzten behandelt wurden! Von den Vorgesetzten wurden die Bausoldaten willkürlich schikaniert. So wurde für Bettenmachen schlechte Zensuren erteilt. Die Konsequenz dafür war: Kein Ausgang. Es gab Sonderausgänge, die nach seiner Sicht sehr willkürlich von den Vorgesetzten festgelegt wurden und teilweise ungerecht waren. Herr Engelhardt beschrieb auch persönliche Repressalien: „Meine Frau hatte das dritte Kind bekommen, ich bekam keinen Urlaub. Daraufhin habe ich einen bitterbösen Brief geschrieben – am nächsten Tag wurde ich beim Appell vorgeführt – böse beschimpft – musste dann bis Mittag arbeiten und erhielt dann zwei Tage Urlaub.“ Wer waren Ihre Vorgesetzten? Die Vorgesetzten waren teilweise strafversetzte Offiziere, da „ es nicht ehrenhaft war, Bausoldaten zu führen“. Pfarrer Wonneberger bezeichnete den Dienst des Bausoldaten als „ halbmilitärischen “Dienst2. Wie sehen Sie das? „ Ja, ich sehe das auch so.“ Kennen Sie seinen Vorschlag an die DDR-Regierung einen „sozialen Friedensdienst“ zu schaffen? „ Ja, es gab immer mal Diskussionen darüber, aber es wurde sowieso abgelehnt.“ Zu 4. Zeit danach Beschreiben Sie uns, wie sich Ihr Leben nach der Entlassung aus dem Wehrersatzdienst gestaltete. Es war für Herrn Engelhardt eine große Freude. Als Tischler hat er weiter bei seinem Vater gearbeitet. Für ihn und seine Frau stand nun aber fest, dass sie konsequenter „Nein“ sagen. So trat der älteste Sohn nicht in die Pionierorganisation ein.1989 begann Herr Engelhardt die Meisterschule als Tischler und beendete diese 1991. Noch heute führen die Bausoldaten ein jährliches Treffen des Zuges durch, an denen er nach Möglichkeit teilnimmt.

2 Hermann Vinke, Zeitzeugen der DDR erinnern sich, Ravensburger Buchverlag

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Waren Sie beteiligt an den Friedensgebeten und an der friedlichen Revolution? Er ist mit Freunden zu den Friedensgebeten nach Leipzig gefahren und hat auch an den Demonstrationen teilgenommen. Hatte Ihre Entscheidung Bausoldat zu werden, Auswirkungen auf Ihr späteres berufliches Leben? Ja, hatte sie. Welche waren das? Mit seiner Entscheidung als Bausoldat zu dienen, konnte er seinen Traumberuf Förster nicht erlernen. Zu 5. Beurteilung aus heutiger Sicht Wie beurteilen Sie nach dem Mauerfall diesen Lebensabschnitt? Es hätte zu schlimmeren Konsequenzen führen können. Er hatte Mut zu dieser Entscheidung, weil ihn seine Frau tatkräftig unterstützte. Er ist stolz darauf „Nein zur Waffe“ gesagt zu haben.

Welchen Rat würden Sie uns jungen Menschen für unser Leben geben? Man sollte ehrlich sein, auch mal „Nein“ sagen und sich für Frieden engagieren. „ Schaut euch um, macht die Augen auf und sagt, was nicht recht ist oder euch nicht gefällt, habt mehr politisches Engagement “ appellierte Herr Engelhardt.

H. Engelhardt, Mirjam Boehme, Claudia Polz bei der Zeitzeugenbefragung

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3.1. Auswertung Kopie der handschriftlichen Erklärung von Herrn Engelhardt Diese Erklärung hat uns Herr Engelhardt aus seinen eigenen Unterlagen als Kopie übergeben. Sie befindet sich in den Unterlagen, die von der Staatssicherheit erstellt wurden. Die Stempel „BStU 000108“ und „KOPIE BStU“ sind dafür eine Bestätigung. Es handelt sich um ein DIN A4 Blatt. Mit dieser Erklärung teilte Herr Engelhardt mit, dass er seinen Wehrdienst als Wehrersatzdienst in einer Baueinheit leisten wollte. Er bezog sich auf die Anordnung der DDR über die Aufstellung von Baueinheiten vom 07.09.1964. Den Entschluss begründete er mit seinem christlichen Glauben und seine dadurch geprägte Lebenshaltung. Diese Erklärung wurde vom ihm am 04.10.1984 abgegeben und am 03.03.1987 noch einmal bestätigt. Aus der Zeitzeugenbefragung ist uns bekannt, dass er bereits 1983 das Wehrkreiskommando Delitzsch über seinen Entschluss informierte und mehrmals zu dieser Einrichtung bestellt wurde, um ihn in Gesprächen zu überzeugen, seine Entscheidung rückgängig zu machen. Die uns vorliegende Quelle zeigt, dass er bei seiner Entscheidung geblieben ist. Die zusätzliche Anmerkung vom 03.03.1987 wurde wahrscheinlich beim letzten Gespräch im Wehrkreiskommando angefügt. Anschließend wurde er am 05.05.1987 zu den Bausoldaten eingezogen. Die Quelle bestätigt die Aussagen der Zeitzeugenbefragung von Herrn Engelhardt.

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3.2. Auswertung Kopie „Einberufung zu den Bausoldaten der NVA“ von Herrn Engelhardt

Diese Quelle hat uns Herr Engelhardt aus seinen eigenen Unterlagen als Kopie übergeben. Sie ist Bestandteil der Akte, die von der Staatssicherheit erstellt wurden. Die Stempel „BStU 000094“ und „KOPIE BStU“ sind dafür eine Bestätigung. Es handelt sich um ein DIN A4 Blatt. Diese handschriftliche Quelle zeigt uns, dass das Wehrkreiskommando Delitzsch am 17.03.1987 der Einberufung von Herrn Engelhardt zu den Baueinheiten der NVA zustimmte. Drei Personen haben diese Entscheidung mit ihrer Unterschrift bestätigt. Auf dieser Schriftquelle befinden sich weitere handschriftliche Vermerke, die wir nicht deuten können. Wir schlussfolgern daraus, dass mit dieser Entscheidung durch das Wehrkreiskommando Herr Engelhardt seinen Dienst in den Baueinheiten der NVA zu leisten hatte. Für uns ist diese Schriftquelle eine Bestätigung der Zeitzeugenbefragung.

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4. Zeitzeugenbefragung Herr Tiefensee am 15.12.2014 in der Artur- Becker -

Oberschule Delitzsch von 14.00 - 15.30 Uhr

Gliederung: 1. Einstieg

2. Entscheidung 3. Zeit als Bausoldat 4. Zeit und Werdegang danach

5. Wie sieht er diese Entscheidung aus heutiger Sicht. Beurteilung der Entscheidung. Zu 1. Einstieg Projekt vorstellen Fragen zur Person Name : Tiefensee Vorname: Volker Geburtsdatum: 7.11.1956 Adresse: 04509 Schönwölkau OT Badrina, Leipziger Str.10b Beruf: früher: Melker heute: Bürgermeister der Gemeinde Schönwölkau und Abgeordneter des

Sächsischen Landtages

Zu 2. Entscheidung Hatte Ihre Schulzeit Auswirkungen auf Ihre Entscheidung? Seine Schulzeit hatte kaum Auswirkungen auf seine Entscheidung. Er war nicht Mitglied in der Pionier- und FDJ- Organisation. Auch hat er nicht an der Jugendweihe teilgenommen.

Wann trafen Sie Ihre Entscheidung? Wer war daran beteiligt? Er ist in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen und in diesem Sinne erzogen worden. Mit 16 Jahren wollte er den Wehrdienst ganz verweigern. Als er mit 17 Jahren im Wehrkreiskommando in Delitzsch gemustert wurde, hat er sich dazu noch nicht geäußert. Sein Vater war zu dieser Zeit im öffentlichen Dienst, bei dem Städtischen Theater in Leipzig, angestellt. Mit seiner möglichen Entscheidung, den Dienst mit der Waffe zu verweigern, hätte sein Vater berufliche Schwierigkeiten bekommen können. Aus diesem Grund hat er seine Entscheidung erst nach dem 18. Lebensjahr öffentlich gemacht.

Welche Gründe waren für Sie ausschlaggebend, den Dienst mit der Waffe zu verweigern? Prägend waren der katholische Pfarrer, der Religionsunterricht und die Junge Gemeinde. Am meisten bestärkte ihn der Pfarrer, keine Waffe in die Hand zu nehmen.

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Gab es eine allgemeine Ablehnung zum Dienst mit der Waffe oder waren Sie allgemein gegen den Staat der DDR? Er war nicht gegen die DDR, sie hatte auch Vorzüge, die er nutzte. Da er in einer LPG arbeitete, konnte man in diesem Umfeld freier darüber sprechen. Aber er wollte nicht mit einer Waffe auf Menschen schießen. Während seiner Lehre musste er an einer vormilitärischen Ausbildung teilnehmen. Mit Kleinkalibergewehren sollte er auf Pappmenschen schießen, die umklappten. Das hat er verweigert. Dann wurde eine andere Schießscheibe gesucht, auf die er schießen musste. Was waren die Gründe / der Grund für Ihre Entscheidung ihren Dienst als Bausoldat zu leisten? Seine christliche Einstellung und die Tatsache, dass er nicht auf Menschen schießen wollte, waren die Gründe. Eine Totalverweigerung hat er ausgeschlossen. Sein älterer Bruder Wolfgang leistete zu dem damaligen Zeitpunkt seine Dienstzeit in einer Einheit der Bausoldaten ab. Herr Tiefensee konnte sich daran erinnern, dass es etwa 1977 gewesen war.

Können Sie uns noch aus Ihrer Erinnerung schildern, wie das Musterungsgespräch verlaufen ist? Bereits im Religionsunterricht wurde Herr Tiefensee auf das Musterungsgespräch Vorbereitet. 5Personen saßen ihm damals gegenüber und redeten auf ihn ein. Zu Beginn des Gespräches hat er deshalb darum gebeten, dass nicht alle anwesenden Personen, sondern nur eine mit ihm spricht. Darauf haben sie sich dann auch geeinigt. Haben andere Personen ihm eine Frage gestellt, hat Herr Tiefensee darauf nicht reagiert. Die Frage musste vom Sprecher wiederholt werden. Im Gespräch wurde ihm dargelegt, dass er in der DDR viele Vorteile genossen hätte und nun dem Staat etwas zurückgeben müsste. Mindestens eine Stunde fand das Gespräch statt. Er empfand es als höchst stressig. Durch den Pfarrer wurden sie geschult, ruhig zu bleiben und sich nicht provozieren zu lassen. Wenn nach einem längeren Monolog, der auch manchmal lauter wurde, dann eine Frage gestellt wurde, hat Herr Tiefensee darum gebeten, die Frage erneut zu stellen. Das Gespräch endete mit der Mitteilung, dass er spät eingezogen wird, d.h. nicht vor dem 26. Lebensjahr. Bereits vor dem Gespräch hat er Gott um Beistand gebeten und nach dem Gespräch ihm gedankt. Wie haben Ihre Familienangehörigen zu Ihrer Entscheidung gestanden? Die Familie stand voll hinter seiner Entscheidung.

Hatte Ihre Entscheidung Auswirkungen auf Ihren Freundes- und Bekanntenkreis? Fanden sie dort Bestätigung bzw. Ablehnung? Ja, er fand Bestätigung. Sie haben ihm auf die Schulter geklopft und gesagt, dass sie es gut finden. Aber es gab auch ablehnende Meinungen.

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Zu 3. Zeit als Bausoldat In welcher Baueinheit im Bereich des Ministeriums für Nationale Verteidigung leisteten Sie den Wehrersatzdienst? Herr Tiefensee konnte sich erinnern, dass die Bausoldaten den „Pionieren“ unterstellt waren. Er gehörte zum Pionierbataillon nach Prenzlau. Gedient hat er in Prora (36281). In der Zeit vom 02.11.1982 bis 28.04.1984.

Schildern Sie bitte, die Inhalte der Ausbildung! Die Grundausbildung dauerte nur 14 Tage statt 6 Wochen wie bei normalen Pionieren. Zur Ausbildung gehörte Marschieren, Übung mit der Gasmaske, unter Vollschutz hüfthoch in der Ostsee laufen. Herr Tiefensee konnte sich daran erinnern, dass seine Hose undicht war und das Wasser in die Stiefel gelaufen ist. Bei dem Kommando „Atomschlag im Osten“ blieben die Bausoldaten staunend stehen, anstatt in Deckung zu gehen. Denn sie wussten, in Wirklichkeit würden sie den Atomschlag nicht überleben. Die Bausoldaten sollten zum Marschieren ein Lied singen. Aus dem Liederbuch der NVA wählten sie das Lied auf der letzten Seite „Horch was kommt von draußen rein“. Die Vorgesetzten lehnten es ab. Man einigte sich auf „Wenn alle Brünnlein fließen“. Aufgrund einer Verletzung am Zeigefinger konnte er sich erfolgreich vor der Sturmbahn drücken. Außerdem fand Politunterricht statt. Zur Ausbildung gehörte auch die Verpflichtung, ein Gelöbnis zu sprechen. 180 Bausoldaten sollten es in einer Turnhalle ablegen. 1/3 von ihnen murmelten es nur halblaut und die anderen schwiegen. Daraufhin wurden die Soldaten aufgefordert, das Gelöbnis zu unterschreiben. Zunächst wollten sie alle dies verweigern. Das wäre eine Dienstverweigerung gewesen und bedeutete Haft in Schwedt. Unter den Bausoldaten befand sich ein evangelischer Pfarrer, der den Bausoldaten empfahl dieses Schriftstück zu unterschreiben. Denn was unter Zwang unterschrieben wird, ist nicht rechtsgültig. Nennen Sie uns bitte Aufgaben, die Sie in der Baueinheit zu erfüllen hatten! Mit Spitzhacke und Spaten wurden Schachtarbeiten für Telefonleitungen ausgeführt. Er empfand es als irrsinnig, diese im rechten Winkel zu verlegen. Obwohl die Leitungen 70cm tief verlegt werden sollten, schummelten die Bausoldaten und legten sie nur 30cm tief. Denn sie waren immer bestrebt, nur das Nötigste zu erledigen und der NVA damit zu schaden. Weiter mussten sie Lasten von Güterwagen abladen und auf Baustellen arbeiten. Wie ist es Ihnen dabei ergangen? Herr Tiefensee hat dabei viel gelernt. Außerdem hatte er Kontakt mit evangelischen Christen, Mitgliedern der neuapostolischen und reformierten Kirchen. Mit vielen von ihnen hat er Freundschaft geschlossen. Schildern Sie uns bitte, den Umgang der Bausoldaten untereinander! Die Bausoldaten hatten untereinander Kontakt. Er berichtete uns, dass sie sich gegenseitig zum Stollenessen eingeladen haben. Da ihre Eltern meistens 2 Stollen schickten, konnten die Bausoldaten bis zum Frühjahr Stollen essen. Im 2. Jahr wurde das besser geregelt und jeder ließ sich nur einen halben Stollen schicken.

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Beschreiben Sie uns bitte, wie die Bausoldaten durch Ihre Vorgesetzten behandelt wurden! Die Offiziere und Unteroffiziere waren meist jünger als die Bausoldaten. Sie behandelten die älteren Bausoldaten korrekt und schikanierten sie nicht. Herr Tiefensee fuhr immer mit seinem Fahrrad in einen nahe gelegenen Ort. In dem Konsum war er schon „Stammgast“. Dort kaufte er für alle aus seinem Zimmer Bier. Einmal wurde er von einem Offizier dabei erwischt und erhielt einen Monat lang Urlaubssperre.

Wer waren Ihre Vorgesetzten? Ein Unterleutnant war der Vorgesetzte. Er hatte sich verpflichtet, 15 Jahre in der NVA zu dienen.

Pfarrer Wonneberger bezeichnete den Dienst des Bausoldaten als „ halbmilitärischen “Dienst3. Wie sehen Sie das? Er bestätigte das teilweise. Denn in der Armee gibt es eine gewisse Rangordnung. Dazu gehörte zum Beispiel auch das Grüßen der Vorgesetzten. Diese Regeln galten auch für Bausoldaten. Außerdem hatten Bausoldaten den gleichen Wehrdienstausweis wie alle anderen Soldaten. Nur den Dienst mit der Waffe leisteten Bausoldaten nicht.

Kennen Sie seinen Vorschlag an die DDR-Regierung einen „sozialen Friedensdienst“ zu schaffen? Er kannte den Vorschlag nicht.

Zu 4. Zeit danach Beschreiben Sie uns, wie sich Ihr Leben nach der Entlassung aus dem Wehrersatzdienst gestaltete. Nach seiner Entlassung arbeitete Herr Tiefensee auf dem Kirchengut Schmochlitz bei Bautzen. Ab 20.12.1984 war er als Melker im Abkalbe Stall der LPG in Badrina tätig. Hatte Ihre Entscheidung, Bausoldat zu werden, Auswirkungen auf Ihr späteres berufliches Leben? Welche waren das? Eigentlich wollte er in der LPG in Kletzen arbeiten. Dort fand er keine Anstellung. Deshalb hatte er sich in Badrina beworben. Seine Vorgängerin arbeitete unter Alkoholeinfluss. Darauf wurde sie entlassen und deshalb war es für ihn leicht, in der LPG eingestellt zu werden. Zu 5. Beurteilung aus heutiger Sicht Wie beurteilen Sie nach dem Mauerfall diesen Lebensabschnitt? Für Herrn Tiefensee war die Zeit als Bausoldat keine verlorene Zeit. In seiner Kompanie hatte er neue Freunde gefunden. Nach seiner Arbeit im Kuhstall war es eine Abwechslung.

3 Hermann Vinke, Zeitzeugen der DDR erinnern sich, Ravensburger Buchverlag

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Claudia Polz, H. Tiefensee, Mirjam Boehme

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Welchen Rat würden Sie uns jungen Menschen für unser Leben geben? Jugendliche sollen mit offenen Augen durch das Leben gehen. Vor ihrer Berufsentscheidung sollten sie verschiedene Sachen ausprobieren z.B. ein Praktikum im sozialen Bereich, in einem Betrieb oder in einer behördlichen Einrichtung. Wir möchten anfügen, dass Herr Tiefensee unsere Klasse zu einem Besuch des Sächsischen Landtages eingeladen hat.

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4.1. Beschreibung Wehrpass von Herrn Tiefensee

Der Wehrpass mit der Nr.73/163606*wurde am 02.11.1982 durch eine Dienststelle der Nationalen Volksarmee ausgestellt. Stempelnummer:3019. An den äußeren Merkmalen wie z.B. Abnutzungserscheinungen erkenne ich, dass er schon älter ist. Auf der ersten Seite sind das Ausstellungsdatum 03.04.74, WKK Delitzsch, eine nichtlesbare Unterschrift und ein Stempel der NVA mit dem Wappen der DDR mit der Nr. 1113 zuerkennen. Auf der zweiten Seite befindet sich ein schwarz-weiß Passfoto von Herrn Tiefensee in Uniform aber ohne Kopfbedeckung. Darunter ist seine Unterschrift. Die Gültigkeit des Dienstausweises ist vom 02.11.82 bis 28.04.84 mit jeweils Unterschrift und Stempel vermerkt. Im Ausweis wurde die darauf folgende Seite (7/8) durch abschneiden der Seite entfernt. Auf Seite 9 sind die Personalien von Herrn Tiefensee in Druckschrift mit Hand vermerkt. Auf Seite10 wurde Familienstand und Wohnanschrift mit dem Ausstellungsdatum 03.04.74 angegeben. Auf Seite 12 wurde als zu benachrichtigende Angehörige der Vater mit Wohnanschrift eingetragen. Auf Seite13 ist noch einmal die Wehrdienstzeit vom 02.11.82 bis 26.04.84 vermerkt. Es gibt eine Abweichung zur Seite 6, die wahrscheinlich organisatorische Ursachen hatte. Als Dienststelle ist Prora, 36281 angegeben. Weitere Dienststellen sind nicht vermerkt. Auf Seite 18 ist mit dem Datum 02.11.82 der Dienstgrad Bausoldat vermerkt. Die Seiten 19 bis 21 sind für staatliche Auszeichnungen freigehalten, dort befinden sich keine Eintragungen. Auf Seite 23 ist die Nebenwohnung von Herrn Tiefensee angegeben. Außerdem finden wir den Vermerk „S.7/8 ausgetrennt am 10.11.82“ Stempel der NVA, keine Unterschrift. Weitere Nachträge sind nicht vorhanden. Auf Seite 26 sind noch mal das Musterungsdatum gleich Ausstellungsdatum durch das WKK Delitzsch, die Diensttauglichkeit und geeignet für „Adm Dienste“ mit Stempel der NVA, mit Unterschrift des Vorsitzenden der Musterungskommission „Schröter“ zu lesen. Seiten 28/29 Zurückstellung vom Wehrdienst/Aufhebung der Zurückstellung sind ohne Eintragungen. Seiten 30/31 Waffennachweis und 32 Klassifizierungsabzeichen sind auch ohne Eintragungen. Auf den Seiten 33 bis 40 sind Ausrüstungsgegenstände eingetragen. Auf den Seiten 41 bis 43 wurden keine Besoldungsnachweise eingetragen. Auf Seite 44 bis 47 zur „Kernstrahlendosis“, „Verwundungen…Stationären Behandlungen“ gibt es keine Eintragungen. Auf Seite 48/49 sind Impfungen vermerkt. Auf Seite 52 wurde die Brillenstärke von Herrn Tiefensee eingetragen. Die Seiten 53 bis 63 sind für Eintragungen vorbehalten. Auf Seite 60 befindet sich ein Stempel „zum Wehrdienst abgemeldet und Personalausweis abgegeben am 29.10.82“, Unterschrift nicht lesbar, kreisförmiger Stempel mit „VP Kreisamt Leipzig DDR“ mit Wappen der DDR in der Mitte. Ein weiterer Stempel „Personalausweis zurückerhalten am 27.April 1984“, Unterschrift nicht lesbar, kreisförmiger Stempel mit „VP Kreisamt Leipzig DDR“ mit Wappen der DDR in der Mitte.

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Darunter ist ein Stempel „Meldung nach der Entlassung aus dem aktiven Wehrdienst ist erfolgt 27.04.84“, Unterschrift nicht lesbar, kreisförmiger Stempel mit „VP Kreisamt Leipzig DDR“ mit Wappen der DDR in der Mitte.

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4.2. Auswertung Schulterklappen von Herrn Tiefensee

Als wir Herrn Tiefensee zur Zeitzeugenbefragung eingeladen hatten, baten wir ihn uns verschiedene Quellen aus seiner Zeit als Bausoldat mitzubringen. Er zeigte uns die Schulterklappen, die er als Bausoldat auf seiner Uniform trug. Auch Schulterklappen der NVA waren Rangabzeichen und wurden Truppenteilmarkierung. Sie wurden an der Uniform auf beiden Schultern angebracht. An der Unterseite der Schulterklappen gab es zwei Schnüre zum Anbringen an der Uniform. Die Schulterklappen bestehen aus grauem Filz, der am Rand mit einer bräunlichen Kordel an drei Seiten eingefasst ist. Unterhalb der Rundung ist ein silberfarbener Knopf aufgenäht. In der Mitte befindet sich ein aus Messing gefertigter Spaten. Innerhalb der NVA- Angehörigen waren die Bausoldaten an ihren Schulterklappen zu erkennen.

Schulterklappen H. Tiefensee

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4.3. Auswertung der Bildquellen von Herrn Tiefensee

Auswertung der Fotografie (1) von Herrn Tiefensee Es handelt sich um ein schwarz-weiß Foto mit der Größe von 10,5 cm x 7,5 cm. Auf der Rückseite befindet sich ein Stempel von einem Fotolabor aus Görlitz. In der Mitte des Bildes ist Herr Tiefensee zu sehen. Rechts und Links sitzen zwei Bausoldaten deren Namen uns nicht bekannt sind. Die drei Personen sitzen an einem Tisch in einem Zimmer mit Doppelstockbetten. Auf dem Tisch befinden sich aufgeschlagene Bücher, westdeutscher NESCAFE, Kaffeetassen, eine Kirchenkerze an der eine Karte gelehnt ist. Nach Aussage von Herrn Tiefensee handelt es sich bei der Aufnahme um eine Andachtsstunde in der Stube. Diese führten die Bausoldaten sonntagsvormittags durch.

Auswertung der Fotografie (2)von Herrn Tiefensee Es handelt sich um ein schwarz-weiß Foto mit der Größe von 10,5cm x 7,5cm. Auf der Rückseite befindet sich ein Stempel von einem Fotolabor aus Görlitz. Links im Bild ist Herr Tiefensee zusehen. Neben ihm liegen zwei Bausoldaten deren Namen wir nicht kennen. Die drei Bausoldaten liegen in der Mittagssonne auf einer Wiese. Im Hintergrund kann man Bäume sehen.

H. Tiefensee mit zwei Bausoldaten

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Auswertung der Fotografie (3) von Herrn Tiefensee Es handelt sich um ein schwarz-weiß Foto mit der Größe von 10,5cm x 7,5cm. Auf der Rückseite befindet sich ein Stempel von einem Fotolabor aus Karl- Marx- Stadt. Rechts im Bild ist Herr Tiefensee zusehen. Neben ihm ist ein Bausoldat dessen Namen nicht bekannt ist. Die zwei Personen sitzen an einem Tisch in einem Zimmer. Auf dem Tisch stehen Kaffeetassen, eine Kaffeekanne und eine Dose mit der Aufschrift „unser Rum Gebäck“. Sie lesen gerade Briefe, die sie wahrscheinlich von zu Hause bekommen hatten.

H. Tiefensee mit einem Bausoldaten

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5. Vergleich der beiden Zeitzeugenbefragungen

Herr Engelhardt und Herr Tiefensee entschieden sich nicht in der Schulzeit, sondern erst am Ende, mit 16 Jahren, den Dienst mit der Waffe zu verweigern. Herr Engelhardt wuchs in einem evangelischen Elternhaus auf und traf seine Entscheidung mit seiner damaligen Freundin /heutigen Frau. Herr Tiefensee wuchs in einem katholischen Elternhaus auf und traf seine Entscheidung allein. Beide nannten religiöse Gründe, den Dienst mit der Waffe zu verweigern. Während Herr Tiefensee nur den Dienst mit der Waffe ablehnte, richtete sich die Ablehnung von Herrn Engelhardt auch gegen die Politik der DDR. Herr Tiefensee konnte sich noch sehr detailliert an das Musterungsgespräch erinnern, während Herr Engelhardt wenig Erinnerung daran hatte. Bei beiden befürworteten Familie und Freunde diesen Entschluss. Auch bei der Frage nach der militärischen Ausbildung konnte uns Herr Tiefensee mehr erzählen als Herr Engelhardt. Beide Befragten schilderten einen kameradschaftlichen Umgang miteinander. Herr Tiefensee erzählte auch, dass er sich nicht von den Vorgesetzten schikaniert fühlte. Im Gegensatz dazu beschrieb Herr Engelhardt eine wirklich bösartige Situation. Herr Engelhardt konnte nach seiner Wehrdienstverweigerung nicht seinen Traumberuf Förster erlernen.Beide gaben uns auf den Weg, mit offenen Augen durch das Leben zu gehen und immer Interesse und Engagement zu zeigen.

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6. Ergebnisse der Buchrecherche 6.1. „ Lexikon des DDR-Alltags“

In unserer Stadtbibliothek fand sich nur wenig Literatur zu unserem Thema. Dort gab es eine Erklärung bzw. Definition über Bausoldaten: „Bausoldat: auch Spatentrupp. In der DDR war die Verweigerung des Militärdienstes strafbar und wurde geahndet. Nicht verboten war dagegen seit 1964 die Verweigerung des Dienstes an der Waffe, und nicht wenige christlich oder pazifistisch eingestellte Männer machten davon Gebrauch. Mit der Verweigerung des Dienstes an der Waffe wurden die Wehrpflichtigen als so genannte Bausoldaten einberufen, die durch einen silbernen Spaten auf dem Schulterstück gekennzeichnet waren, und absolvierten ihren Wehrdienst in so genannten Baukompanien. Damit standen sie der Regierung als billige zwangsverpflichtete Arbeitskräfte zur Verfügung. Sie wurden vor allem in Tagebauen und auf Abraumhalden eingesetzt, aber auch in chemischen Großbetrieben, wo ständiger Mangel an Arbeitskräften für die harte Knochenarbeit herrschte. Für diejenigen, die nach der Armeezeit als Bausoldat eine staatliche Hochschule oder Fachschule besuchen wollten, gab es dann meistens Probleme: Ehemalige Bausoldaten erhielten oft keinen Studienplatz, wurden eher in die Kategorie „ Feinde des Sozialismus“ eingeordnet.“4

6.2. „ Fragen an die DDR“

Was geschah mit Wehrdienstverweigerern?

„ Das gleiche wie in der Bundesrepublik. Hier wie dort gab es eine gesetzliche vorgeschriebene Wehrpflicht – in der DDR seit 1962. Wer sich verweigerte, bekam es mit der Staatsanwaltschaft zu tun. Heute wie damals. Der Grundwehrdienst in der DDR betrug für alle jungen Männer, so sie gesund waren oder nicht anderweitig daran gehindert wurden, 18 Monate. Daneben gab es Soldaten auf Zeit (drei oder vier Jahre) und Berufssoldaten. Das waren Unteroffiziere (bis 10 Jahre) und Offiziere (bis 25 Jahre). Im Unterschied zur Bundesrepublik gab es keinen Zivildienst, allerdings einen Wehrersatzdienst: Wenn man etwa im MfS oder bei der Bereitschaftspolizei war, musste man nicht zur NVA.

Für Christen gilt das 5. Gebot: Du sollst nicht töten. Die Geschichte und auch die Gegenwart zeigen, dass es Christenmenschen in Uniform damit nicht immer so ernst nehmen. Soldaten sind Mörder, wenn man sie in den Krieg schickt. Um sie von ihren seelischen Nöten zu befreien, ziehen Militärgeistliche ins Feld. Militärseelsorge gab es in der DDR übrigens nicht. Wohl auch, weil man das Heuchlerische dieses Vorgangs nicht mittragen wollte.

Gleichwohl räumten die DDR Christen, die es mit ihrem Glauben ernst meinten, ein, den Wehrdienst mit der Waffe zu verweigern. Und ihre Überzeugung wurde nicht einer Gewissensprüfung unterzogen, wie es heutzutage üblich ist. Ein entsprechendes Gesetz wurde 1964 erlassen. Sie leisteten dann ihren 18monatigen Wehrdienst als Bausoldat in entsprechenden Einheiten ab. Auf dem Schulterstück trugen die Rekruten einen Spaten. In dieser Praxis unterschied sich die DDR vom Westen wie von allen übrigen Ostblockstaaten.“5

4 Sommer, Stefan: Lexikon des DDR- Alltags. Schwarzkopf und Schwarzkopf, S.38/39 5 Fragen an die DDR. Fakten und Positionen, edition Ost 2003, Das Neue Berlin, Verlagsgesellschaft mbH, S.126

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6.3. „ Bausoldaten in der DDR“

Hier fanden wir detaillierte Angaben über die Vorgeschichte der Bausoldaten, Statistiken über die Anzahl der Wehrdienstverweigerer, die Stellung der Bausoldaten in der Gesellschaft und Zeitungsartikel, wie die Medien dazu standen.

Zur Vorgeschichte der Bausoldaten konnten wir erfahren, dass nach der Einführung der Wehrpflicht am 24. Januar 1962 viele Menschen aus verschiedenen Gründen in Konflikt damit gerieten. Die evangelische Kirche berief am 19. März 1962 eine außerordentliche Konferenz ein, um sich zur Vereinbarkeit von Glaubensfreiheit und Wehrpflicht abzustimmen.

Die Regionalsynode Ost der Berlin – Brandenburgischen Kirche erarbeitete ein Erklärung zum Fahneneid der NVA.

Deutlich wurde beim Lesen dieses Buches, dass die Kirche sich stark für Menschen einsetzte, die den Dienst mit der Waffe ablehnten. (Seite 36-48 )

Eine Statistik über die zahlenmäßige Entwicklung der Wehrdienstverweigerer fügen wir hier an. ( Seite 344-346)

Dem Buch konnten wir entnehmen, dass sowohl in Medien als auch in anderen Bereichen der Gesellschaft z.B. FDJ ein verzerrtes Bild von den Bausoldaten wiedergegeben wurde. Sie bekamen einen niedrigeren Wehrsold, wurden nicht befördert und hatten andere materielle Nachteile. (Seite 225-226)

In Lexika und anderen Nachschlagewerken der DDR wurde zum Teil gar nichts unter dem Stichpunkt Bausoldaten erwähnt. Auch andere Literatur schreibt nur zögerlich davon. Im Anhang des Buches findet sich eine Vielzahl an Dokumenten, die das ganze Ausmaß des Themas Bausoldaten aus vielen Perspektiven bezeugen. (Seite 437-576)6

6 Eisenfeld, Bernd; Schicketanz, Peter: Bausoldaten in der DDR. Die „Zusammenführung feindlich – negativer Kräfte“ in der DDR

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7 Eisenfeld, Bernd; Schicketanz, Peter: Bausoldaten in der DDR. Die „Zusammenführung feindlich – negativer Kräfte“ in der DDR, S. 344-346

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6.4. epd Dokumentation

Diese Zeitschrift beinhaltet das Ergebnis des Bausoldatenkongresses 2014 in Wittenberg. Das zeigt uns, dass dieses Thema bis heute aktuell ist und weiterhin große Beachtung erlangt. Am Ende dieser Zeitschrift ist ein Artikel mit dem Namen „Ruf aus Wittenberg: Kriegsdienstverweigerung ist Menschenrecht“. Dieser Artikel, aus dem wir einen Auszug anführen, macht den Bezug zur heutigen Zeit deutlich. „Die Bausoldaten haben in der DDR den Dienst an der Waffe verweigert. Damit wollten sie ein deutliches Zeichen für Gewaltfreiheit und Frieden setzen. Dennoch mussten sie bei den Baueinheiten – zwar ohne Waffen, doch voll integriert in das militärische System der NVA – einen Wehrdienst leisten. Das Recht auf Kriegsverweigerung und ein ziviler Ersatzdienst wurden ihnen verwehrt.“

„Bundestag und Regierung der Bundesrepublik Deutschland fordern wir auf, sich international stärker für das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung zu engagieren. Wegen Kriegsdienstverweigerung verfolgte Flüchtlinge müssen generell Asyl in Deutschland erhalten können.“8 8 Ruf aus Wittenberg: Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht, Evangelischer Pressedienst epd Dokumentation, 20.Januar 2015, S.83

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7. Persönliche Erkenntnisse

Als ich von dem Projekt „Anders sein. Außenseiter in der Geschichte“erfuhr, reizte mich besonders der Gedanke, Menschen kennen zu lernen, die etwas Außergewöhnliches taten. Meine Mutter hatte sich bei ihrem letzten Klassentreffen mit einem ehemaligen Mitschüler unterhalten und fand es sehr interessant, dass dieser den Wehrdienst verweigert hatte. Da dies der Einzige aus ihrem Bekanntenkreis war, der mal etwas anderes getan hatte, als alle anderen, kam sie darauf, dass er ein „Außenseiter“ sein müsse. Für mich war es völlig neu, zu forschen, so viel Literatur durchzuarbeiten und das alles zu formulieren. Interessant fand ich es, mich mit Zeitzeugen zu treffen, die nicht mit dem „Strom geschwommen“ sind, sondern eigene Meinungen vertraten, auch wenn damit Probleme verbunden waren. Das hat mich nachdenken lassen, ob ich eher ein „Mitläufer“ bin oder nach meiner inneren Einstellung handle. Ich stellte mir auch Fragen wie: „Wann bin ich eigentlich angepasst? Habe ich schon einmal eine Entscheidung anders getroffen als die Mehrheit? Gibt es in meiner Klasse oder meinem Umfeld Außenseiter?“ Das Projekt löste innerhalb meiner Familie viele Gespräche aus. Mein Vater wählte damals den angepassten Weg und empfand es als ganz normal. Mit meiner Mutter philosophierte ich, was wäre, wenn alle Menschen den Wehrdienst verweigert hätten. Während ich an diesem Projekt arbeitete, hörte ich in den Nachrichten viel über den Ukraine-Konflikt. Ich hörte Angela Merkel auf der Sicherheitskonferenz in München am 08.02.2015 im Fernsehen reden. Dort sprach sie sich gegen Waffenlieferungen in das Krisengebiet aus und appellierte an alle Teilnehmer, alles für den Frieden zu tun und in Verhandlungsgesprächen zu bleiben. Das beeindruckte mich sehr, weil es mich an die Bausoldaten erinnerte, die sich auch gegen Waffen aussprachen.

Von Claudia Polz, 09.02.2015

Als unsere Geschichtslehrerin uns das Projekt "Anders sein -Außenseiter in der Geschichte" vorstellte, wollte ich zuerst gar nicht mitmachen. Doch meine Klassenkameradin überzeugte mich, mit ihr das Thema "Bausoldaten in der DDR" zu erforschen. Der Klassenkamerad ihrer Mutter war Bausoldat. Also hatten wir schon einen Zeitzeugen. Zur Vorbereitung auf das Thema las ich das Buch: "Vom Sinn des Soldatenseins", welches schwer verständlich und deshalb für mich anstrengend zu lesen war. Aber es war gut, denn so lernte ich schon ein paar Unterschiede zwischen Bausoldaten und normalen Soldaten kennen, die uns beim Bewältigen der Aufgaben halfen. Bei unseren Forschungen fanden wir interessante Infos heraus, die ich nie für möglich gehalten hatte. Die Zeitzeugengespräche mit völlig fremden Personen waren sehr aufregend und spannend für mich. Dabei habe ich auch etwas im Umgang mit Menschen gelernt und verstanden, dass „Anders sein“ nicht schlimm ist, aber Mut erfordert. Beide Zeitzeugen haben sich vorher genau über ihre Situation und deren Möglichkeiten informiert und anschließend ihre Entscheidung getroffen und sie verteidigt. Beim Rückblick waren beide stolz, sich so entschieden zu haben. Auch mir fallen manchmal Entscheidungen schwer, aber ich lerne von der Vergangenheit der beiden Zeitzeugen mutig zu sein. Beim Auswerten des gesammelten Infomaterials forderte das viele Schreiben und Formulieren sehr viel Konzentration von mir, schulte mich aber in meinem Ausdruck und meiner Schreibweise. Trotzdem hatten wir bei allen Aufgaben, die wir erledigten, sehr viel Freude.

Von Mirjam Boehme, 10.02.2015

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7.1. Zusammenfassung der Ergebnisse

Was ist ein Bausoldat? Ein Bausoldat ist ein Mensch, der aus persönlichen Gründen den Dienst mit der Waffe verweigerte.

Wie wurde man Bausoldat? Bausoldat wurde man, wenn man zum Musterungsgespräch oder später in einer schriftlichen Erklärung seine Einstellung den Dienst mit der Waffe zu verweigern bekannt gab. Musterungsgespräche waren Pflicht und wurden auf dem Wehrkreiskommando durchgeführt.

Welche Gründe hatten unsere Zeitzeugen? - Glaubensgründe - familiäre Gründe - politische Gründe

Wie gestaltete sich das Leben der Bausoldaten? Die Ausbildung war normalen Soldaten ähnlich. Wir haben durch unsere Zeitzeugen unterschiedliche Aussagen erhalten. Herr Engelhardt berichtete von einer 6wöchigen Ausbildung, während Herr Tiefensee nur von einer 2wöchigen Ausbildung sprach. Von beiden Zeitzeugen haben wir erfahren, dass unter den Bausoldaten ein kameradschaftliches Miteinander herrschte.

Wehrdienstverweigerung. Welche Alternativen gab es? - totale Wehrdienstverweigerung bedeutete Inhaftierung - Wehrdienst in der NVA mit der Waffe

Geschichte der Bausoldaten Als 1962 der Wehrdienst in der DDR eingeführt wurde, verweigerten Wehrpflichtige den Dienst in der NVA. Die Anzahl der Verweigerer nahm in den darauffolgenden Jahren immer mehr zu. Deshalb hat die Regierung der DDR ein Gesetz verfasst.

Gesetzliche Regelung Am 16. September 1964 brachte die Regierung ein Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik heraus, indem der Umgang mit Bausoldaten gesetzlich geregelt wurde.

Bezug zu heute Aus Quellen haben wir erfahren, dass die Bausoldaten sich heute noch treffen. Heute gilt in der Bundesrepublik das Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Um den Frieden zu schützen, ist es wichtig den Kriegsdienst zu verweigern. Die Entscheidung dieser Menschen muss ohne Gewissensprüfung anerkannt werden. Obwohl die Menschen zu Außenseitern werden, dürfen sie nicht so behandelt werden, wie die Außenseiter in der DDR.

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8. Anhang

8.1. Literatur Eisenfeld, Bernd; Schicketanz, Peter: Bausoldaten in der DDR. Die „Zusammenführung feindlich – negativer Kräfte“ in der DDR Sommer, Stefan: Lexikon des DDR- Alltags. Schwarzkopf und Schwarzkopf, S.38/39 Fragen an die DDR. Fakten und Positionen, edition Ost 2003, Das Neue Berlin, Verlagsgesellschaft mbH, S.126 Redaktion WISSEN UND KÄMPFEN: Vom Sinn des Soldatseins. Militärverlag der DDR (VEB)- Berlin, 26. Auflage Vinke, Hermann: gegen den Strom der Unfreiheit, Zeitzeugen erinnern sich, Ravensburger Buchverlag, S.145 Gesetzesblatt der Deutschen Demokratischen Republik „Anordnung des Nationalen Verteidigungsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Aufstellung von Baueinheiten im Bereich des Ministeriums für Nationale Verteidigung“ 16.09.1964., Teil I Nr.11, S.129 Staatsbürger und Uniform- Bausoldaten und Friedliche Revolution, Evangelischer Pressedienst epd Dokumentation, 20.Januar 2015, S.6-15 Ruf aus Wittenberg: Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht, Evangelischer Pressedienst epd Dokumentation, 20.Januar 2015, S.83 http://de.wikipedia.org/wiki/Fahneneid_der_NVA http://de.wikipedia.org/wiki/Nationale_Volksarmee http://www.welt.de/geschichte/article131951278/Das-Leiden-der-Wehrdienstverweigerer-in-der-DDR.html http://www.ndr.de/kultur/geschichte/chronologie/bausoldaten100_page-2.html http://www.proraer-bausoldaten.de/html/zeitzeugen.html http://www.gesellschaft-zeitgeschichte.de/geschichte/bausoldaten-in-der-ddr/

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8.2. Arbeitsbericht

Themenfindung Durch unsere Geschichtslehrerin Frau Waldschläger erfuhren wir im Geschichtsunterricht von dem Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten „Anders sein. Außenseiter in der Geschichte“ der Körber - STIFTUNG. In unseren Familien haben wir über den Wettbewerb gesprochen. Frau Reichert, Claudias Mutter, kannte aus ihrer Schulzeit einen Mitschüler, der den Dienst mit der Waffe verweigerte und als Bausoldat in der NVA gedient hat. Wir hatten davon noch nie gehört und entschieden uns, zu diesem Thema zu recherchieren. So entstand das Thema: „ Bausoldaten in der DDR“, mit dem wir uns am Wettbewerb beteiligen. Erarbeitung eines Fragebogens In Vorbereitung auf das Interview mit dem ersten Zeitzeugen suchten wir nach Informationen zum Thema. Es fiel uns sehr schwer, Fragen für das Interview zu erarbeiten. Erst nachdem wir in unseren Familien erste Kenntnisse zum Thema gewannen, kamen wir zu unserem Fragebogen.

Befragung des ersten Zeitzeugen Die Zeitzeugenbefragung fanden wir sehr interessant, weil es für uns neu war, mit bisher fremden Menschen über ihre persönlichen Entscheidungen und Einstellungen zu sprechen.

Suche nach Bildquellen und regionalen Bezügen Nach dem ersten Gespräch war unsere Neugier geweckt, tiefer in das Thema einzutauchen. Der Oberbürgermeister der Stadt Delitzsch schien uns als Historiker und Verfasser einiger Bücher als kompetenter Ansprechpartner. Außerdem wollten wir bei dem Gespräch herausfinden, wie nah das Thema mit unserer Region verbunden war. Erhofft hatten wir uns dabei auch Bildmaterial. Leider gab es weder im Archiv der Stadt noch im Archiv des Landkreises Material zum Thema Bausoldaten. Bei diesem Gespräch bekamen wir den Tipp zu unserem zweiten Zeitzeugen.

Befragung zweiter Zeitzeuge Wir bereiteten uns auf das zweite Interview mit dem gleichen Fragebogen vor. So erfuhren wir zum Teil gleiche, aber auch unterschiedliche Erfahrungen zum Leben als Bausoldat. Wir entschlossen uns zu einem Vergleich der beiden Interviews, um die persönlichen Erfahrungen genauer zu betrachten. Das Schreiben Diese vielen Informationen und Erkenntnisse zu sortieren und auf Papier zu bringen, stellte nun unsere nächste Hürde dar. Hilfreich war dabei, dass wir dazu immer die Räume und Technik der Schule nutzen konnten. Zum Lesen und Korrigieren nahmen wir die Hilfe unserer Lehrerin und unserer Mütter in Anspruch. Persönliche Eindrücke Da wir eigenständige Persönlichkeiten sind, beschlossen wir unabhängig voneinander, eine persönliche Einschätzung zum Projekt zu schreiben. Dabei wollten wir erkennen, wie anders wir sind, obwohl wir befreundet sind und den Schulalltag teilen.

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Zusammentragen aller Erkenntnisse Danach stellten wir alle unsere Erkenntnisse, die wir über das Thema gewonnen hatten, zusammen. Wir beantworteten uns selbst die Fragen, die wir uns am Anfang dieser Ausarbeitung stellten. Literaturangaben Auch das genaue Angeben aller Quellen stellte sich uns als große Herausforderung dar, bei der wir wieder die Unterstützung unserer Lehrerin einforderten. So wurde auch dies zu einem Lernprozess für uns.

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8.3.Arbeitstagebuch

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