"Gestalterkrankheiten"

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GESTALTER KRANKHEITEN Trendy Titel 01 Das Ali-Baba-Virus Die En-Vogue-Amöbe Die Panikzelle Das Perfektionsbakterium Der Sprachwurm Gestalterkrankheiten

description

Ein Magazin über die fünf häufigsten Auslöser von Gestalterkrankheiten. “Gestalterkrankheiten haben Ihren Ursprung in mikroskopisch kleinen, parasitären Kreaturen, die sich mittels Infiltration vorzugsweise in den Gehirnen der Gattung Gestalter einnisten. Dort ernähren sie sich gemeinhin von den Gedanken des jeweiligen Individuums, florieren und vermehren sich. Je stärker sich ihr Quantum in den einzelnen Hirnarealen ausdehnt, desto mehr können sie die Gedanken des Menschen kontrollieren und indoktrinieren. Der Mensch verliert die Macht über sein freies Handeln und lässt sich von der Konsequenz, welche die Präsenz der Kreaturen ausübt, dirigieren. Dies kann auf unterschiedliche Art und Weise passieren, z.B. durch Diskontinuierung einzelner Vernetzungen im Gehirn. Bis heute sind nicht alle Gedankenkreaturen erforscht und die Menge der verschiedenen Gestalterkrankheiten beherbergt noch eine hohe Dunkelziffer. [...]”

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Das Ali-Baba-Virus

Die En-Vogue-Amöbe

Die Panikzelle

Das Perfektions bakterium

Der Sprachwurm

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Editorial

In der Schule konnte ich nie multiplizieren, deshalb mach ich's jetzt!

*

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Der diagonale Strich? Ein mir letztlich sehr unsym-

patisches, gestalterisches Mittel. Veranlassung:

Jeder Opportunist und Möchtegern-Trendsetter

macht ihn. Warum? Getarntes Schulterzucken und überspielte

Ignoranz. Darauf vermag keiner eine rationale Antwort zu

geben. »Sieht halt geil aus«, denkt sich indes jeder. Einen

besseren Beweggrund für den Schrägstrich mitten auf meinem

Cover habe ich nebenbei auch nicht vorzuweisen. Nur das

Aushängeschild »Zeitstil«. Um diesen Zeitstil voll und ganz

auszureizen mache ich noch 18305 weitere Schrägstriche

und baue darauf, dass diese für mein weiteres Gestalterleben

reichen und mir ab jetzt vollends überdrüssig sind. Andernfalls

weiss ich meinen Gebrauch eines Solchen hoffentlich in seiner

Existenz zu begründen.

Weit verbreitet ist auch eine weitere, vollkommen eigen-

ständige Kategorie von gestalterischer Schlichheit – Prellerei.

Ein dreifach Hurra für all diejenigen, die ihre vermeintlich

eigenen gestalterischen Lösungen als die ihren proklamieren.

Schlimmer noch: Mit Unbescheidenheit und reinem Ethos.

Bisweilen selbst, ohne davon Notiz zu nehmen, dass die Idee

beschafft ist. Aber inwiefern wahrlich selbst kreativ sein, wenn

plagiieren so viel bequemer ist? Wir klauen mühelos bei wem

anders. Bei jemandem ›der‘s halt schon geil gemacht hat‹.

Dass wir gelernt bzw. vorgetäuscht haben dieses zu versuchen,

nämlich konzeptuell zu gestalten, ist dabei Nebensache. Un-

bedeutend hierbei, ist die Tatsache, dass unsere Arbeit am

Ende in der breiten Masse von Dreiecken, farbigem Papier,

multiplizierten Fotos und gesteckter Typo untergeht.

Anstatt »Editorial« hätte ich im Übrigen auch das Wort

»Vorwort« benutzen können. Aber dann käme ich mir ausge-

schlossen vor. Ausgeschlossen aus dem Kreise derer, die, so

scheint es mir, vergessen haben, dass die deutsche Sprache

die ihre ist.

Ich möchte ja bitter an das Gute in jedem Gestalter

glauben. Deswegen jage ich unentwegt den Kausalitäten für

das Handeln eines solchen nach. In der Folge langen Suchens

und Ergründens bin ich unweigerlich auf die einzig wahrhafte

Antwort gestoßen. Der Gestalter ist arglos. Die Verantwortung

für den Frevel liegt woanders.

Ich setzte jetzt meine Hornbrille auf und lege los...

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Das Ali-Baba-Virus (virus alibabus) ist seither eine der niederträchtigsten Gedankenkreaturen, derer schon eruierten. Triebfeder eines Gebrechen unter Gestaltern, welches Auslöser dafür ist, dass ein Individuum unter ri-goroser Ideenarmut leidend und infolgedessen darauf an-gewiesen ist, seine Ideen von einem oder mehrerer anderer Individuen zu entwenden.

Seine Bezeichnung disponiert das Virus über die be-rühmte Geschichte "Ali Baba und die vierzig Räuber", wo-bei die Zahl 40, im Arabischen vertreten durch den Begriff "viele", folglich für keine präzise Anzahl steht. Gleicher-maßen tritt das Ali-Baba-Virus immer nur in größerer Akkumulation in Erscheinung.

Zum Zwecke von autarkem Fortbestehen und indi-vidueller Nahrungsaufnahme absorbiert das Virus unter simultaner Bildung eines daraus resultierenden Boten-stoffs, alle Substanz aus singulären ideenproduzierenden Zellen des menschlichen Gehirns heraus. Besagter Boten-stoff wird seitens des Virus in das Gehirn des betroffenen Individuums sekretiert und diffundiert in die Ethoszellen, wo er das Gewissen des Menschen betäubt und lahm legt. Resultat ist, wie schon zuvor aufgeführt, dass betroffenes Individuum, seiner eigenen Ideen beraubt, unwillkürlich und schamlos bei anderen Individuen Ideen klaut.

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das ali-BaBa-Virus

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Zufall oder Vorsatz?

»SEI ANDERS – SEI DU SELBST!«

Das Unverfrorene am Ideenklau ist nicht das Ab-

schauen selbst. Es ist die Frage nach dem wie. Das

wie spezifi ziert die Art der Tat. Dabei ist die Tat zu

diesem Zeitpunkt weder eine schlechte noch eine weniger

schlechte. Erst dadurch, dass man sich auf differente Art und

Weise fremde Ideen zu eigen machen kann, wird die Tat als

schlecht oder weniger schlecht defi niert. Hierzu kann man

nun die unterschiedlichen Arten bestimmen, auf die etwas

entwendet bzw. benutzt werden kann.

Man kann eine Idee klauen. Die Tat ist schlecht. Und stumpf-

sinnig.

Man kann eine Idee klauen und sie als seine eigene ausgeben.

Die Tat ist schlechter und ebenso stumpfsinnig.

Man kann Ideen benutzen und vorher fragen ob man dieses

darf. Das ist weder schlecht noch weniger schlecht, auch nicht

geistreich, aber höfl ich.

Man kann Ideen klauen und sich dazu bekennen diese geklaut

zu haben. Das ist weder schlecht noch weniger schlecht, auch

nicht geistreich, aber ehrlich.

Man kann sich anderer Ideen bedienen und diese kultivieren.

Das ist unwesentlich, folglich nicht schlecht.

Man kann Ideen als Anstoß für eigene Ideen benutzen. Das

ist nicht schlecht.

Es gibt darüberhinaus noch eine Art von kopierter Idee.

Unvermeidbar und irrtümlicher Natur – das Plagiat, welches

durch den diabolischen Zufall entstanden ist. Diese Art von

Kopie, beruhend auf unbeabsichtigter Ähnlichkeit, ist in

keinster Weise verwerfl ich. Infolgedessen auch nicht in die

Aufl istung mit anzugliedern.

Jetzt kommt es darauf an, was für einen Anspruch man

an sich selbst hat: Möchte ich eine Arbeit produzieren, die

unabhängig von anderen Arbeiten betrachtet gut ist, dagegen

in Relation beurteilt und infolgedessen schlecht, weil ich sie

kopiert habe? Hinzu kommt die Missbilligung der Anderen.

Unter der Vorraussetzung, begangener Betrug ist publik. Oder

möchte ich eine uneingeschränkt gute Arbeit produzieren, die

meinem eigenen Ideenreichtum entsprungen ist? Dies hat

letzten Endes wohl Anerkennung zur Folge.

Die Wahl zwischen einer schlechten Arbeit, die auf diese

Anerkennung verzichtet und einer guten Arbeit, die positive

Kritik bekommt, fällt denkbar einfach. Deshalb komme ich

nicht umhin mich zu fragen – warum werden fortlaufend so viele

Ideen reproduziert? Und das auf so unverschämt offensichtliche

Weise? Warum sind Gestalter nicht das, was ihnen der Name

selbst auferlegt zu sein? – Prädestiniert, ihren Kopf und ihre

Hände zu benutzen, etwas eigenes zu schaffen.

Dazu fällt mir ein Bild ein. Besser gesagt ein Foto. Es

zeigt katzenähnliche Tiere, eingemauert in eine Wand aus

Glasbausteinen. "Finden sie zu diesem Bild eine Überschrift

und schreiben sie einen passenden Text", hieß es. Was damals

heraus kam genügt heute selbstverständlich nicht annähernd

meinen Ansprüchen, aber – im wesentlichen Kern passt die

implizierte Aussage doch auch zu diesem jetzigen Thema:

"auf eis gelegt. teil eines großen systems, gefangen im gläsernen käfi g. Zu-sehen, wie sich um einen herum alles bewegt und man selbst ist machtlos. Machtlos, die Mauern zu sprengen und selbst etwas aus-zurichten. schmilz das eis und zeig was du drauf hast. sei anders – sei du selbst!"

Wir sind Gestalter. Wir möchten mit unserer Gestaltung

eine breite Masse an Menschen erreichen und etwas kommu-

nizieren. Aber wie soll man das nennen, wenn jemand mit den

Mitteln eines anderen kommuniziert? Sind es dann noch wir

selbst, die ein Zeichen setzen, oder hat das unlängst schon

jemand anders getan und wir bedienen uns bloß an diesem

Zeichen?

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27DASDASISTISTTRETREND!ND!

Sw-Fotografi e, Idiotenumbruch, durchgestrichene Typo, Text halb im Bild, Pastellfarbe, der diagonale Strich, riesiger Text,

Oldschool-Typo, eckige Klammern, Helvetica ... ich kann auch mehr!

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· Das Perfektions- bakterium

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[ Der grund des perfektionismus ]

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kapitel Drei —

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—Im Allgemeinen wird der so genannte Sprachwurm (wur-mus verbalis) als ursächlicher Faktor eines temporären Ausfalls singulärer muttersprachlicher Wörter verstanden. Infolgedessen versucht betroffenes Individuum dieses De-fizit zu regulieren und substituiert das kontemporär ent-fallene Wort kurzerhand durch ein adäquates Wort, tun-lichst aus der englischen Sprache. Lebensraum besagten Sprachwurms ist das Broca-Areal, befindlich im unteren Teil des Frontallappens. Dieses ist Fabrikant von Sprache und autoritativ für das Präzisieren von Wörtern und Kon-stituieren von Sätzen.

Zwecks Selbsterhaltung frisst bekannter Sprach-wurm partikuläre Wörter der gespeicherten Mutterspra-che, ist allerdings nicht prädestiniert, sich sämtliches Wort zu Eigen zu machen, zumal er seinen Impetus primär durch dessen Klang stillt. Die abkömmlichen Buchstaben werden wieder ausgeschieden.

Ergo ist in summa ein absoluter Verlust des Wortes unerreichbar – das Individuum kann sich allein periodisch nicht darauf berufen.

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Page 14: "Gestalterkrankheiten"

ICh werD' nIe fertIg!!!!!!!!!!!!Ich brauche eine Idee! Eine winzige, beschissene Idee! Wieso fällt mir keine ein? Was, wenn ich keinen Praktikumsplatz finde??

Scheisse, kann das Format überhaupt gedruckt werden?! Kacke, ich hab ja überhaupt noch keinen Drucktermin!! Man, das is

doch alles 08/15, die Sachen von den Anderen sind alle viel geiler! Und wenn der Druck kacke aussieht? Wie muss ich denn die

Pdf ausschießen? Das schaff' ich nie bis zum Drucktermin! Ist diesmal wirklich alles in cmyk umgewandelt? Oh gott, Übermorgen

ist Drucktermin! Die Sachen von den anderen sehen echt alle viel besser aus! Hoffentlich, hoffentlich, hoffentlich, verschneidet

sich der Buchbinder nicht!!! Oh No! Rechtschreibfehler! Mitten auf dem Cover! F*ck! Scheisse, scheisse, scheisse! Der Druck ist

seitenverkehrt und die Ausstellung heute!!!

Dass ich multiplizieren kann hab' ich jetzt oft genug bewiesen. Ich habe keine Lust mehr auf Farbe!

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