"Gestalterkrankheiten"
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gestalter krankheiten —
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Das Ali-Baba-Virus
Die En-Vogue-Amöbe
Die Panikzelle
Das Perfektions bakterium
Der Sprachwurm
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Editorial
In der Schule konnte ich nie multiplizieren, deshalb mach ich's jetzt!
*
*
Der diagonale Strich? Ein mir letztlich sehr unsym-
patisches, gestalterisches Mittel. Veranlassung:
Jeder Opportunist und Möchtegern-Trendsetter
macht ihn. Warum? Getarntes Schulterzucken und überspielte
Ignoranz. Darauf vermag keiner eine rationale Antwort zu
geben. »Sieht halt geil aus«, denkt sich indes jeder. Einen
besseren Beweggrund für den Schrägstrich mitten auf meinem
Cover habe ich nebenbei auch nicht vorzuweisen. Nur das
Aushängeschild »Zeitstil«. Um diesen Zeitstil voll und ganz
auszureizen mache ich noch 18305 weitere Schrägstriche
und baue darauf, dass diese für mein weiteres Gestalterleben
reichen und mir ab jetzt vollends überdrüssig sind. Andernfalls
weiss ich meinen Gebrauch eines Solchen hoffentlich in seiner
Existenz zu begründen.
Weit verbreitet ist auch eine weitere, vollkommen eigen-
ständige Kategorie von gestalterischer Schlichheit – Prellerei.
Ein dreifach Hurra für all diejenigen, die ihre vermeintlich
eigenen gestalterischen Lösungen als die ihren proklamieren.
Schlimmer noch: Mit Unbescheidenheit und reinem Ethos.
Bisweilen selbst, ohne davon Notiz zu nehmen, dass die Idee
beschafft ist. Aber inwiefern wahrlich selbst kreativ sein, wenn
plagiieren so viel bequemer ist? Wir klauen mühelos bei wem
anders. Bei jemandem ›der‘s halt schon geil gemacht hat‹.
Dass wir gelernt bzw. vorgetäuscht haben dieses zu versuchen,
nämlich konzeptuell zu gestalten, ist dabei Nebensache. Un-
bedeutend hierbei, ist die Tatsache, dass unsere Arbeit am
Ende in der breiten Masse von Dreiecken, farbigem Papier,
multiplizierten Fotos und gesteckter Typo untergeht.
Anstatt »Editorial« hätte ich im Übrigen auch das Wort
»Vorwort« benutzen können. Aber dann käme ich mir ausge-
schlossen vor. Ausgeschlossen aus dem Kreise derer, die, so
scheint es mir, vergessen haben, dass die deutsche Sprache
die ihre ist.
Ich möchte ja bitter an das Gute in jedem Gestalter
glauben. Deswegen jage ich unentwegt den Kausalitäten für
das Handeln eines solchen nach. In der Folge langen Suchens
und Ergründens bin ich unweigerlich auf die einzig wahrhafte
Antwort gestoßen. Der Gestalter ist arglos. Die Verantwortung
für den Frevel liegt woanders.
Ich setzte jetzt meine Hornbrille auf und lege los...
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Das Ali-Baba-Virus (virus alibabus) ist seither eine der niederträchtigsten Gedankenkreaturen, derer schon eruierten. Triebfeder eines Gebrechen unter Gestaltern, welches Auslöser dafür ist, dass ein Individuum unter ri-goroser Ideenarmut leidend und infolgedessen darauf an-gewiesen ist, seine Ideen von einem oder mehrerer anderer Individuen zu entwenden.
Seine Bezeichnung disponiert das Virus über die be-rühmte Geschichte "Ali Baba und die vierzig Räuber", wo-bei die Zahl 40, im Arabischen vertreten durch den Begriff "viele", folglich für keine präzise Anzahl steht. Gleicher-maßen tritt das Ali-Baba-Virus immer nur in größerer Akkumulation in Erscheinung.
Zum Zwecke von autarkem Fortbestehen und indi-vidueller Nahrungsaufnahme absorbiert das Virus unter simultaner Bildung eines daraus resultierenden Boten-stoffs, alle Substanz aus singulären ideenproduzierenden Zellen des menschlichen Gehirns heraus. Besagter Boten-stoff wird seitens des Virus in das Gehirn des betroffenen Individuums sekretiert und diffundiert in die Ethoszellen, wo er das Gewissen des Menschen betäubt und lahm legt. Resultat ist, wie schon zuvor aufgeführt, dass betroffenes Individuum, seiner eigenen Ideen beraubt, unwillkürlich und schamlos bei anderen Individuen Ideen klaut.
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das ali-BaBa-Virus
—
Zufall oder Vorsatz?
»SEI ANDERS – SEI DU SELBST!«
Das Unverfrorene am Ideenklau ist nicht das Ab-
schauen selbst. Es ist die Frage nach dem wie. Das
wie spezifi ziert die Art der Tat. Dabei ist die Tat zu
diesem Zeitpunkt weder eine schlechte noch eine weniger
schlechte. Erst dadurch, dass man sich auf differente Art und
Weise fremde Ideen zu eigen machen kann, wird die Tat als
schlecht oder weniger schlecht defi niert. Hierzu kann man
nun die unterschiedlichen Arten bestimmen, auf die etwas
entwendet bzw. benutzt werden kann.
Man kann eine Idee klauen. Die Tat ist schlecht. Und stumpf-
sinnig.
Man kann eine Idee klauen und sie als seine eigene ausgeben.
Die Tat ist schlechter und ebenso stumpfsinnig.
Man kann Ideen benutzen und vorher fragen ob man dieses
darf. Das ist weder schlecht noch weniger schlecht, auch nicht
geistreich, aber höfl ich.
Man kann Ideen klauen und sich dazu bekennen diese geklaut
zu haben. Das ist weder schlecht noch weniger schlecht, auch
nicht geistreich, aber ehrlich.
Man kann sich anderer Ideen bedienen und diese kultivieren.
Das ist unwesentlich, folglich nicht schlecht.
Man kann Ideen als Anstoß für eigene Ideen benutzen. Das
ist nicht schlecht.
Es gibt darüberhinaus noch eine Art von kopierter Idee.
Unvermeidbar und irrtümlicher Natur – das Plagiat, welches
durch den diabolischen Zufall entstanden ist. Diese Art von
Kopie, beruhend auf unbeabsichtigter Ähnlichkeit, ist in
keinster Weise verwerfl ich. Infolgedessen auch nicht in die
Aufl istung mit anzugliedern.
Jetzt kommt es darauf an, was für einen Anspruch man
an sich selbst hat: Möchte ich eine Arbeit produzieren, die
unabhängig von anderen Arbeiten betrachtet gut ist, dagegen
in Relation beurteilt und infolgedessen schlecht, weil ich sie
kopiert habe? Hinzu kommt die Missbilligung der Anderen.
Unter der Vorraussetzung, begangener Betrug ist publik. Oder
möchte ich eine uneingeschränkt gute Arbeit produzieren, die
meinem eigenen Ideenreichtum entsprungen ist? Dies hat
letzten Endes wohl Anerkennung zur Folge.
Die Wahl zwischen einer schlechten Arbeit, die auf diese
Anerkennung verzichtet und einer guten Arbeit, die positive
Kritik bekommt, fällt denkbar einfach. Deshalb komme ich
nicht umhin mich zu fragen – warum werden fortlaufend so viele
Ideen reproduziert? Und das auf so unverschämt offensichtliche
Weise? Warum sind Gestalter nicht das, was ihnen der Name
selbst auferlegt zu sein? – Prädestiniert, ihren Kopf und ihre
Hände zu benutzen, etwas eigenes zu schaffen.
Dazu fällt mir ein Bild ein. Besser gesagt ein Foto. Es
zeigt katzenähnliche Tiere, eingemauert in eine Wand aus
Glasbausteinen. "Finden sie zu diesem Bild eine Überschrift
und schreiben sie einen passenden Text", hieß es. Was damals
heraus kam genügt heute selbstverständlich nicht annähernd
meinen Ansprüchen, aber – im wesentlichen Kern passt die
implizierte Aussage doch auch zu diesem jetzigen Thema:
"auf eis gelegt. teil eines großen systems, gefangen im gläsernen käfi g. Zu-sehen, wie sich um einen herum alles bewegt und man selbst ist machtlos. Machtlos, die Mauern zu sprengen und selbst etwas aus-zurichten. schmilz das eis und zeig was du drauf hast. sei anders – sei du selbst!"
Wir sind Gestalter. Wir möchten mit unserer Gestaltung
eine breite Masse an Menschen erreichen und etwas kommu-
nizieren. Aber wie soll man das nennen, wenn jemand mit den
Mitteln eines anderen kommuniziert? Sind es dann noch wir
selbst, die ein Zeichen setzen, oder hat das unlängst schon
jemand anders getan und wir bedienen uns bloß an diesem
Zeichen?
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COPY IT,
BABY!—
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Zwei
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27DASDASISTISTTRETREND!ND!
Sw-Fotografi e, Idiotenumbruch, durchgestrichene Typo, Text halb im Bild, Pastellfarbe, der diagonale Strich, riesiger Text,
Oldschool-Typo, eckige Klammern, Helvetica ... ich kann auch mehr!
[ ]
· Das Perfektions- bakterium
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[ Der grund des perfektionismus ]
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Vier
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der sprachWurM
—Im Allgemeinen wird der so genannte Sprachwurm (wur-mus verbalis) als ursächlicher Faktor eines temporären Ausfalls singulärer muttersprachlicher Wörter verstanden. Infolgedessen versucht betroffenes Individuum dieses De-fizit zu regulieren und substituiert das kontemporär ent-fallene Wort kurzerhand durch ein adäquates Wort, tun-lichst aus der englischen Sprache. Lebensraum besagten Sprachwurms ist das Broca-Areal, befindlich im unteren Teil des Frontallappens. Dieses ist Fabrikant von Sprache und autoritativ für das Präzisieren von Wörtern und Kon-stituieren von Sätzen.
Zwecks Selbsterhaltung frisst bekannter Sprach-wurm partikuläre Wörter der gespeicherten Mutterspra-che, ist allerdings nicht prädestiniert, sich sämtliches Wort zu Eigen zu machen, zumal er seinen Impetus primär durch dessen Klang stillt. Die abkömmlichen Buchstaben werden wieder ausgeschieden.
Ergo ist in summa ein absoluter Verlust des Wortes unerreichbar – das Individuum kann sich allein periodisch nicht darauf berufen.
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ICh werD' nIe fertIg!!!!!!!!!!!!Ich brauche eine Idee! Eine winzige, beschissene Idee! Wieso fällt mir keine ein? Was, wenn ich keinen Praktikumsplatz finde??
Scheisse, kann das Format überhaupt gedruckt werden?! Kacke, ich hab ja überhaupt noch keinen Drucktermin!! Man, das is
doch alles 08/15, die Sachen von den Anderen sind alle viel geiler! Und wenn der Druck kacke aussieht? Wie muss ich denn die
Pdf ausschießen? Das schaff' ich nie bis zum Drucktermin! Ist diesmal wirklich alles in cmyk umgewandelt? Oh gott, Übermorgen
ist Drucktermin! Die Sachen von den anderen sehen echt alle viel besser aus! Hoffentlich, hoffentlich, hoffentlich, verschneidet
sich der Buchbinder nicht!!! Oh No! Rechtschreibfehler! Mitten auf dem Cover! F*ck! Scheisse, scheisse, scheisse! Der Druck ist
seitenverkehrt und die Ausstellung heute!!!
Dass ich multiplizieren kann hab' ich jetzt oft genug bewiesen. Ich habe keine Lust mehr auf Farbe!
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EinsICh
werD' nIe fertIg!!!!!!!!!!!!
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Fünf
Ich
wer
d' nie
ferti
g!