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Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2020 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 1 Gesundheitsgespräch Abnehmen – aber wie? Sendedatum: 26.02.2020 Experte: Prof. Dr. med Yurdagül Zopf, Professorin für Klinische und Experimentelle Ernährungsmedizin, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen / Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Autorin: Katharina Hübel Abnehmen funktioniert nicht mit Crash-Diäten, auch nicht mit extremen Umstellungen wie plötzlich gar keinen Zucker mehr zu sich zu nehmen oder überhaupt keine Kohlenhydrate mehr zu essen. Diese Ansicht hat sich in der Ernährungsmedizin durchgesetzt, dennoch gibt es immer wieder neue Ernährungstrends. Wie viel sie bringen, für wen sie was sind und wo ihre Grenzen liegen – dazu gibt Professor Dr. Yurdagül Zopf Antworten. Sie ist die erste Professorin in Süddeutschland, die sich speziell mit klinischer und experimenteller Ernährungsmedizin beschäftigt, an der Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg. Sie berät Patienten, für die sie oft die letzte Hoffnung ist, die schon zahlreiche Diäten in ihrem Leben durchgemacht haben und immer noch übergewichtig sind. Sie begleitet sie bei dem Prozess, alte Gewohnheiten aufzugeben und neue Essmuster zu etablieren. Ihr Anliegen: dass die Ernährungsumstellung dauerhaft funktioniert. Der vorliegende Text beruht auf einem Interview mit Professor Dr. Yurdagül Zopf, Professorin Dr. Yurdagül Zopf, Klinische und Experimentelle Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Erlangen / Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg

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Gesundheitsgespräch Abnehmen – aber wie? Sendedatum: 26.02.2020 Experte: Prof. Dr. med Yurdagül Zopf , Professorin für Klinische und Experimentelle Ernährungsmedizin, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen / Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Autorin: Katharina Hübel Abnehmen funktioniert nicht mit Crash-Diäten, auch nicht mit extremen Umstellungen wie plötzlich gar keinen Zucker mehr zu sich zu nehmen oder überhaupt keine Kohlenhydrate mehr zu essen. Diese Ansicht hat sich in der Ernährungsmedizin durchgesetzt, dennoch gibt es immer wieder neue Ernährungstrends. Wie viel sie bringen, für wen sie was sind und wo ihre Grenzen liegen – dazu gibt Professor Dr. Yurdagül Zopf Antworten. Sie ist die erste Professorin in Süddeutschland, die sich speziell mit klinischer und experimenteller Ernährungsmedizin beschäftigt, an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Sie berät Patienten, für die sie oft die letzte Hoffnung ist, die schon zahlreiche Diäten in ihrem Leben durchgemacht haben und immer noch übergewichtig sind. Sie begleitet sie bei dem Prozess, alte Gewohnheiten aufzugeben und neue Essmuster zu etablieren. Ihr Anliegen: dass die Ernährungsumstellung dauerhaft funktioniert. Der vorliegende Text beruht auf einem Interview mit Professor Dr. Yurdagül Zopf, Professorin Dr. Yurdagül Zopf, Klinische und Experimentelle Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Erlangen / Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

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Übergewicht – Wann wird es bedenklich? Fast jeden stören irgendwann im Leben Speckröllchen, Bierbauch oder Doppelkinn. Doch wer muss wirklich abnehmen? Bei wem ist zu viel Fett wirklich ein gesundheitliches Risiko? Und wer darf entspannter mit ein paar Kilos zu viel umgehen? Wer sollte abnehmen? Yurdagül Zopf, Professorin für Ernährungsmedizin in Erlangen, beobachtet eine massive Zunahme adipöser Menschen in Deutschland. Sie spricht von gut 23 Prozent der Bevölkerung, die krankhaft dick sind; vor wenigen Jahren waren es noch unter 20 Prozent. Was ihr vor allem Sorge bereitet, ist, dass auch immer mehr Jugendliche betroffen sind. Für Erwachsene gilt, dass ab einem Body-Mass-Index (BMI) von über 30 das Risiko für verschiedenste Krankheiten, wie Bluthochdruck, Diabetes und Krebs erhöht ist. "Leichtes Übergewicht von einem BMI zwischen 25 und 29 mag man selber vielleicht nicht so gerne sehen, erhöht aber nicht das Risiko von Erkrankungen. Ab einem BMI von 30 sieht das anders aus. Diese Patienten sollten dringend abnehmen, wenn sie dauerhaft gesund bleiben möchten." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Professorin für Klinische und Experimentelle Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Erlangen Beim Abnehmen geht es nicht darum, den nächsten Modelwettbewerb zu gewinnen, sondern darum, ein Gewicht dauerhaft zu halten, das gesund ist. Ein paar Kilo zu viel sind vielleicht ein ästhetisches Problem, jedoch kein medizinisches. Wer über 40 Jahre alt ist, sollte daher auch achtsam mit sich umgehen: "Der Muskelaufbau wird irgendwann immer schwieriger, weil man nicht mehr so intensiv Sport machen kann, wie als junger Mensch, wenn zum Beispiel die Gelenke nicht mehr mitmachen. Leider muss man geduldiger sein, auch weil sich der Stoffwechsel über die Jahre umstellt. Prozesse dauern länger." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Ein paar Kilo zu viel bei gesundem Lebenswandel sind auch nicht schädlich, im Gegenteil: im Alter ab 65 Jahren werden sie sogar zum Vorteil. "Bei den älteren Patienten wissen wir, dass es von Vorteil ist, wenn sie ein leichtes Übergewicht haben. Und – egal, in welchem Alter: Wenn jemand adipös ist, also schwer übergewichtig, sollte er das Zuviel an Fett abbauen und einen BMI von unter 30 anstreben." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des

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Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Um gesund zu bleiben, sollte abnehmen, wer einen BMI über 30 hat. Der BMI wird errechnet aus einer Formel, bei der Körpergröße und Gewicht berücksichtigt werden. Der BMI sagt aber nichts über die Körperzusammensetzung aus. Denn wer sehr sportlich ist und sehr viel Muskelmasse hat, schneidet beim BMI genauso schlecht ab wie eine Person mit zu viel Körperfett. Dennoch ist der BMI für die meisten Menschen ein guter Richtwert. Der BMI berechnet sich nach Körpergewicht (Kilogramm) dividiert durch Körpergröße (Meter) im Quadrat. Beispiel: 83 kg : 1,88 x 1,88m = 23,48 kg/m² (d.h. ca. 23,5) Die Leitlinie der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAAG) unterteilt: Personen mit Normalgewicht: BMI zwischen 18,5 und 24,9 Übergewichtige: BMI zwischen 25 und 29,9 Adipositas: BMI ≥ 30 Körperfettmessung Zuverlässigere Aussagen über den Gesundheitszustand ihrer Patienten erhalten die Mediziner über eine so genannte Körperfettmessung. Mittels bestimmter Geräte können sie relativ genau bestimmen, aus wie viel Fett, Muskel und Wasser sich ein Körper zusammensetzt. Dabei ist es entscheidend, wie viel Fett im Verhältnis zur Muskulatur ein Mensch hat. Je höher der Fettanteil und je geringer der Muskelanteil, desto höher ist das Risiko für bestimmte Erkrankungen – je nach Alter und Geschlecht. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Frauen in der Regel mehr Körperfett als Männer haben und auch ältere Menschen mehr als jüngere. Mit dieser differenzierten Messung können auch besser Erfolge bei einer Ernährungs- und Sporttherapie gesehen werden, wenn sich beispielsweise Muskelmasse auf- und Körperfett abbaut. So steigt auch die Motivation beim Abnehmen und Sporteln. "Die Menschen, die zu mir kommen, sind häufig erschüttert, wenn sie von mir erfahren, dass sie von zu viel Fett krank werden können. Dieses Gesundheitsrisiko sollte den Menschen jedoch bewusster sein - Ästhetik ist bei Adipositas eigentlich zweitrangig." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen

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Richtige Ernährung – wie geht gesundes Essen? Zu viel zugenommen? Das liegt meist an falscher Ernährung und Bewegungsmangel. Gesund zu essen muss jedoch weder besonders teuer sein noch erfordert es zwingend hohe Kochkunst. Grundsätzlich sollte es für jeden machbar sein. Gründe für krankhaftes Zunehmen Professor Yurdagül Zopf beobachtet unter ihren Patienten einen Wandel über die letzten Jahre im Lebensstil und in der Esskultur. Sie stellt fest, dass sich immer mehr stark übergewichtige Patienten in erster Linie ungesund ernähren und zu wenig bewegen. Sie leben nach der so genannten "Western Diet". Sie zeichnet sich aus durch zu viele:

• Fertigprodukte, in denen viel Zucker und schlechte Fette versteckt sind, damit ist beispielsweise auch das fertige Brötchen vom Bäcker gemeint, das mit fettreicher Remouladensauce bestrichen ist

• zuckerhaltige Getränke • Fleisch- und Wurstwaren • stark verarbeitete Lebensmittel

Wie geht gesundes Essen? Prof. Dr. Yurdagül Zopf begleitet ihre Patienten bei einer Umstellung der Gewohnheiten. Ihr Ziel ist es, dass die Menschen, die zu ihr kommen, zu einer gesund-mediterranen Ernährung zurückfinden. Das bedeutet jedoch nicht Pizza und Pasta, sondern:

• viel frisches Gemüse, frischer Salat • frisches Obst • Vielfalt auf dem Teller • wenig Fleisch und Wurst • Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte • gesunde Fette und Öle wie Olivenöl, Rapsöl • täglich Joghurt und andere Milchprodukte in moderaten Mengen • regional einkaufen: saisonale Nahrungsmittel aus dem Umland • keine Fertigprodukte, keine Fertigsaucen • Essen in Gemeinschaft • Bewegung

"Jeder will die Zauber-Pille, um schnell abzunehmen oder gesund zu bleiben. Wenn die Menschen was über Brokkoli lesen, dann gibt es welche, die dann Brokkolikapseln kaufen anstatt einfach mal immer wieder Brokkoli zu essen. Es ist eine ganze Industrie entstanden, die auf diese Bedürfnisse eingeht. Leider."

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Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Statt viel Geld für Superfood oder Kapseln auszugeben, ist es günstiger und zielführender, regional und frisch einzukaufen. Normale Lebensmittel aus Deutschland reichen völlig aus, empfiehlt die Ernährungsmedizinerin. "Wir brauchen keine sogenanntes Superfood. Quinoa und Chia-Samen müssen nicht sein, Haferflocken und Leinsamen sind günstiger, ökologisch besser und gesünder." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Abnehmen – mehr als eine optische Veränderung Wer ganz schnell abnehmen möchte, läuft Gefahr, dass der Jo-Jo-Effekt irgendwann zuschlägt. Das ist meist der Fall bei Diäten, die so extrem sind, dass fast niemand sie lange durchalten kann. Wie geht es besser? Kann aus einem Pastafan ein Salatesser werden? Machbare Diäten im Sinne einer gesunden Ernährungsumstellung und ein machbarer Umfang an Bewegung sind der Schlüssel zum Erfolg. Wer einen BMI über 30 hat, dem rät die Ernährungsmedizinerin Yurdagül Zopf zu einer engmaschigen professionellen Ernährungsberatung. "Die Güte der Ernährungsberatung zeichnet sich dadurch aus, dass der Patient gesättigt ist und seine Glückshormone aus etwas anderem als der Nahrung zieht. Komplette Verbote sind nicht hilfreich. Wenn der Patient Hunger hat, isst er drei Burger. Wenn er gesättigt ist von einer ballaststoffreichen, mediterranen Ernährung, dann wird er das bestimmt nicht mehr schaffen." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Jo-Jo-Effekt Bei bestimmten Diättrends ist die Gefahr hoch, dass der Betroffene zu wenig Kalorien zu sich nimmt, beispielsweise bei 'Low Carb'. Das ist eine Ernährungsweise, bei der möglichst wenige oder sogar gar keine Kohlenhydrate gegessen werden sollen. Auch gibt es beispielsweise den Trend, gar keinen Zucker zu essen, also nicht einmal Milchzucker oder Fruchtzucker – keine Milch, kein Obst. "Wenn sich jemand sehr stark unterkalorisch ernährt und nicht fit genug ist, dass er Sport machen kann, dann passiert es, dass er über die Zeit

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Muskelmasse abbaut. Dann ist der Grundumsatz dieser Person sehr niedrig und das Gehirn passt den Stoffwechsel in dem Sinne an. Dann nehmen diese Menschen nach der Diät rasch zu, wiegen plötzlich sogar mehr als vor der Diät." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Der so genannte Jo-Jo-Effekt schlägt zu, wenn man dem Körper suggeriert, dass er den Grundumsatz absenken kann. Also wenn man weniger Muskulatur hat, weil man die falsche Diät macht und/oder sich zu wenig bewegt. Die Empfehlung: Die Ernährung langfristig umstellen ohne zu hungern, eine moderate Kalorienreduktion (zirka 500 Kalorien/Tag) und viel Sport treiben. "Ich versichere Ihnen, dass jeder, der sich gesund mediterran ernährt und Fertigprodukte weglässt, automatisch eine gesunde Umstellung hat, sich nicht hungrig fühlt und trotzdem weniger Kalorien zu sich nimmt. Und wenn er dann noch zusätzlich Sport macht, hat er auf Dauer mehr Erfolg, als diese ganzen Diäten, die immer postuliert werden." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Funktioniert Low Carb? Die Erlanger Professorin Yurdagül Zopf warnt vor Low Carb. Wer zu stark Kohlenhydrate reduziere, könne in eine Mangelsituation kommen. Zudem könnte sich die Zusammensetzung der Bakterien im Darm verändern. "Wir haben Bakterien im Darm, die eine bestimmte Zufuhr an Kohlenhydraten brauchen, damit ein stabiles Milieu für ihr Wachstum gegeben ist. Eine ganz krasse Diät kann sehr ungünstig für ein gesundes Gleichgewicht der Darmbakterien sein. Low Carb kann ich mit Sicherheit nicht empfehlen und es ist auch nicht zielführend, wie sich in Untersuchungen gezeigt hat." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Auf Zucker ganz verzichten? Sicherlich ist es sinnvoll, rät die Ernährungsmedizinerin Prof. Dr. Yurdagül Zopf, wenn man darauf achtet, in welchen Lebensmitteln versteckte Zucker enthalten sind. Oft nämlich auch da, wo man es nicht vermutet: Vor allem in Fertigprodukten, Fertigsaucen in Kantinen, aber auch auf Bäckersemmeln, wenn zuckerhaltiger Ketchup darauf ist oder auch in bestimmten Wurstsorten. "Zero Zucker", ganz ohne, findet die Professorin jedoch nicht sinnvoll.

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"Ein normaler Zuckerkonsum ist völlig in Ordnung. Es ist nicht sinnvoll, dass man sich nicht mal mehr traut, zu seinem Kaffee einen Löffel Zucker zu nehmen oder mit Zucker zu backen. Da darf man nicht zu radikal sein, weil das nicht klappen wird." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Funktioniert Intervallfasten? Ein relativ neuer Trend in der Ernährungsmedizin ist das Intervallfasten. Das bedeutet, dass es Zeiten gibt, in denen gegessen werden darf, und Zeiten, in denen gefastet, also nichts gegessen, wird. Dabei kann man wählen zwischen täglichen Essenspausen: über Nacht 16 Stunden pausieren und tagsüber binnen acht Stunden zwei Mahlzeiten essen (Methode 16:8) und wöchentlichen Essenspausen: fünf Tage in der Woche normal essen, zwei Tage fast nichts (Methode 5:2). "Studien zeigen, dass das Intervallfasten am Anfang hoch effektiv ist – wie alle Diäten, die die Alltagsgewohnheiten durchbrechen –, aber im Verlauf auch nicht erfolgreicher als einfach nur ein bisschen weniger zu essen. Vermutlich deswegen, weil kein Mensch das dauerhaft durchhalten kann." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Professor Zopf kann aus Ihrer Praxis nicht bestätigen, dass Intervallfasten eine sinnvolle Ernährungsumstellung bewirkt. Vielmehr stellt sie fest, dass kein Patient die zeitlichen Essregeln dauerhaft durchhält. Können Ernährungs-Apps und Onlineplattformen helfen ? "Die Community ist ganz nett, wenn man keine krankhafte Situation hat und wenn der Patient keine anderen Möglichkeiten hat. Aber die Community geht nicht auf den Patienten ein in dem Sinne: Hat er eine entzündliche Erkrankung? Hat er Rheuma? Hat er Bluthochdruck? Hat er eine Insulinsensitivitätsstörung? All das kann eine Community nicht erfassen." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Welche Rolle spielt die Genetik? Jeder ist genetisch ein bestimmter Körper- und auch Ess-Typ. Eine völlige Veränderung ist nicht möglich. Jedoch rät Professorin Zopf davon ab, teure Bluttests in Auftrag zu geben, die herausfinden sollen, welcher genetische Ess-Typ man ist: "Das sind Maßnahmen, die nicht wirklich valide sind. Die Patienten geben zum Teil sehr viel Geld aus für irgendwelche Blutuntersuchungen. Man muss

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individuell auf den Patienten eingehen, indem man fragt: Welche Form der gesünderen Ernährung ist machbar für dich, welche nicht?" Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Hilft es, intuitiv zu essen? Essen, was der Körper einem sagt – das ist das Grundprinzip von intuitivem Essen. Das soll die Lösung sein für alle, die schon zu viele Diäten in ihrem Leben abgebrochen haben, weil sie sich nicht dauerhaft an bestimmte Verbote und Verzicht gewöhnen können. Wer auf die Intuition in seinem Körper hören kann, so die These, isst automatisch die Lebensmittel und Nährstoffe, die der Körper braucht, und hört auf zu essen, wenn er satt ist. Das bedeutet: Essen aus Appetit findet nicht mehr statt – Völlerei ade! So soll das Normgewicht des Körpers erreicht und dauerhaft gehalten werden. Die Erlanger Ernährungsmedizinerin hält das jedoch für graue Theorie. "Das ist das Furchtbarste, was ich in meinem Leben gehört habe: Sprich, wenn Du Lust hast auf drei Burger, dann sollst Du Dich auch so ernähren. Der Punkt ist: Wenn jemand krank ist, dann kann sein Körper nicht immer alles richtig wissen. Wenn jemand krankhaftes Übergewicht hat, dann wäre es katastrophal, wenn er seiner Intuition nachgibt." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Neue Gewohnheiten Zum Beispiel wissen die Ärzte, dass Menschen mit einer bestimmten entzündlichen Darmerkrankung, gerne Zucker konsumieren, weil ihre Geschmacksnerven zerstört sind. So essen sie immer mehr Zucker, was wiederum die Entzündung befördert. "Generell halte ich nicht viel vom so genannten intuitiven Essen. Meist ist falsches Essen anerzogen. Wenn ein Kind immer nur bestimmte Lebensmittel gegessen hat, dann hat es auch Lust drauf. Die Gewohnheit rauszukriegen, ist schwierig. Die gesunde Intuition existiert in diesem Fall gar nicht. Krankhaft dicke Menschen brauchen Aufklärung über Ernährung und neue Gewohnheiten." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Nachhaltig abnehmen – die Ernährung richtig umstell en Gesunde Lebensmittel einkaufen, selbst zubereiten, sich ausreichend bewegen – was so einfach klingt, ist oft schwer umzusetzen. Denn wir müssen unsere Gewohnheiten ändern. Wie kann das gelingen?

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Am einfachsten ist es, wenn die Person, die ihre Gewohnheiten umstellt, engmaschig begleitet und betreut wird. Am besten von einem professionellen Team aus einem Arzt, Ernährungsfachkraft, Sportmediziner und Psychotherapeuten. Wichtig ist auch, dass das private Umfeld mitzieht. "Der richtige Weg wäre, dass die Familie zusammenhält. Zum Beispiel, wenn ein Jugendlicher abnehmen möchte, wäre es eine Katastrophe, wenn sich die restliche Familie ganz anders ernährt. Er ist ja nicht umsonst so übergewichtig geworden." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Einen Plan B haben Die Unterstützung aus dem Umfeld ist auch wichtig für die Motivation. Bei vielen Menschen, die krankhaft übergewichtig sind, spielt die Psyche eine große Rolle. Sie müssen beim Abnehmen mentale Stärke beweisen. Sie werden beispielsweise auf der Arbeit oder auch privat immer wieder mit Versuchungen konfrontiert. Da empfiehlt es sich, einen Plan zu haben: Wie gehe ich damit um, dass meine Kollegen vielleicht etwas ganz Anderes zu Mittag essen als ich? Wie reagiere ich, wenn ich ein Stück Geburtstagstorte angeboten bekomme?

"Wichtig ist, dass man auch nicht unrealistisch sein darf, dass wir bei besonderen Anlässen wie Geburtstag oder Weihnachten einen Menschen nicht aus seinem sozialen Gefüge nehmen dürfen. Das geht natürlich nicht. Aber auf lange Zeit können Sie den Patienten nur mental so stärken und das Sättigungsgefühl so aufbauen, dass er nicht jedes Mal das Stück Torte mit Sahne nimmt, sondern vielleicht den trockenen Kuchen ohne Streusel." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Unterstützung für die Seele Aber auch: Wie gehe ich mit Stress und Konflikten um? Wie kann ich sie anders lösen als mit Essen? Wie kann ich mich anders belohnen? "Da führt kein Weg drum vorbei, dass man den Patienten Tipps und Tricks an die Hand gibt, wie sie die Ernährungsumstellung trotzdem bewältigen können; sie brauchen eine mentale Führung." Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen Sie können das beispielsweise beim Psychotherapeuten erlernen. Es müssen individuell Mechanismen entwickelt werden, damit die Patienten aus ihrem

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Negativkreislauf herauskommen. Allgemeine Tipps gibt es dazu leider nicht, meint die Ernährungsmedizinerin. Wie viel Sport muss ich machen? Neben einer adäquaten Ernährung spielt auch regelmäßige Bewegung eine zentrale Rolle, um dauerhaft ein Normgewicht zu halten. Idealerweise sollte man laut Empfehlungen der WHO mindestens 150 Minuten pro Woche körperlich aktiv sein. Hierzu zählen Alltagsaktivitäten wie z.B. Treppensteigen, ein flotter Spaziergang oder Radfahren, um von A nach B zu kommen. Neuere Studienergebnisse unserer Arbeitsgruppe zeigen jedoch, dass bei einem zielgerichteten, individualisierten Trainingsprogramm auch mit wesentlich geringerem Aufwand eine effektive Gewichtsabnahme und vor allem auch eine Steigerung der Herz- Kreislauf-Leistung sowie eine Optimierung verschiedener Risikomarker (z.B. Blutdruck, Blutzuckerwerte) erzielt werden können. Einer Verbesserung der körperlichen Fitness und des Risikoprofils ist letztendlich für die Langzeitprognose entscheidender, als das, was auf der Waage steht. Fasten – Neustart für Körper und Seele Experte: Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen Autorin: Justina Schreiber Wer fastet, verzichtet für eine Weile freiwillig auf feste Nahrung. Ob religiös oder gesundheitlich motiviert, bildet eine Fastenkur immer eine körperliche und seelische Zäsur. Raus aus dem Alltag: weg von gewohnten Mahlzeiten! Hin zu ausschließlich Suppe, Saft, Tee und Wasser! Eine Zeitlang bewusst nichts zu essen, bedeutet, alte Verhaltensweisen aufzugeben. Der Körper wird auf "Null" gesetzt. Wer die Phase des Verzichts zur mentalen Umorientierung nutzt, kann danach neu beginnen, etwa mit anderem Ess- und Bewegungsverhalten. Dem Text liegt ein Interview mit Dr. Walter Kronsteiner zugrunde, dem Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen.

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Ballast abwerfen – was beim Fasten passiert Die Ursprünge des Fastens sind religiös, denn der Verzicht auf leibliche Genüsse schafft Raum für geistige Erfahrungen. Eine Fastenkur funktioniert nicht ohne mentalen Einsatz. Am Anfang steht der Entschluss, eine Weile keine feste Nahrung zu sich zu nehmen. Das verlangt Überwindung und Mut. Als Belohnung winkt die Chance, sich nicht nur körperlich wie neugeboren zu fühlen. Eine Fastenkur wirkt sich umfassend aus. Während der Körper leichter wird, gewinnt das geistig-seelische Erleben an Gewicht. Man sollte sich jedoch nicht zu viel erwarten. Nur die wenigsten Menschen erleben einen echten "Flow". Wer dauerhaft Kilos verlieren möchte, muss sein Leben grundsätzlich ändern. Korrekt durchgeführtes Heilfasten kann dazu einen entscheidenden Anstoß geben. Körperliche Vorgänge beim Fasten

• Der Körper entwässert. Normalerweise nimmt man mit der festen Nahrung weit mehr als nötig Kochsalz, nämlich 10 bis 15 Gramm, zu sich. Während des Fastens reduziert sich der Salzgehalt des Körpers nun beträchtlich. Er lagert deshalb wesentlich weniger Wasser ein. Das führt zu einer ersten Gewichtsabnahme.

• Fett verbrennt. Zunächst ernährt sich der Körper fastender Menschen mit Zuckerreserven aus Leber und Muskulatur. Nach etwa 24 Stunden setzt dann eine erhöhte Fettverbrennung ein. Der Körper zehrt von sogenannten Ketonen. Das sind Abbau-Produkte aus Fettgewebe, Fettsäuren und Eiweißen. Mit dieser "inneren Ernährung" schwinden weitere Pfunde.

• Der Blutdruck sinkt, weil Stoffwechsel und Kreislauf den Umsatz herunterfahren. Patienten, die Hochdruckmittel nehmen, können während der Kur unter ärztlicher Kontrolle ihre Medikamente reduzieren.

• Ein erhöhter Insulinspiegel normalisiert sich. Typ-2-Diabetes-Patienten, deren Bauchspeicheldrüse in der Regel immer noch aktiv ist, können meist schon am ersten Fastentag das Insulin absetzen. Denn der Verzicht auf Kohlehydrate hebelt die physiologische Unempfindlichkeit aus, die übergewichtige Menschen gegen zu viel Zucker im Blut entwickeln können.

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"Beim Typ 2-Diabetes-Patienten ist die Wirkung des Fastens sehr eindrücklich, weil die Leute plötzlich eine andere Stoffwechselführung haben. Der Blutzucker kann sich im Idealfall vollkommen normalisieren. Es kommt dann allerdings darauf an, wie sie nach dem Fasten mit einer gesunden Ernährung und mehr Bewegung weitermachen." Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen

• Die Darmflora verändert sich . Das menschliche Mikrobiom, das aus

Milliarden von Bakterien besteht, reagiert positiv auf die veränderte beziehungsweise reduzierte Nahrung. Auch Patienten mit Reizdarm-Syndrom tut eine Fastenkur gut.

Psychologische Effekte des Fastens • Es wirkt antidepressiv. Oft bessert sich die Laune merklich, denn auch

der Hormonhaushalt verändert sich. Der Serotoninspiegel, der die Stimmungslage beeinflusst, steigt an. Einige Menschen erleben nahezu euphorische Zustände während einer Fastenkur.

"Es kommt manchmal vor, dass Leute sagen: Es ist so schön, ich fühle mich so sauwohl, da mag ich gar nicht mehr aufhören!" Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen. Allerdings sollten Patienten, die Antidepressiva einnehmen, diese während des Fastens auf keinen Fall absetzen.

• Man wächst über sich selbst hinaus. Jeder erfolgreich bewältigte Kurtag fördert das Gefühl, das Leben mit all seinen Problemen in den Griff bekommen zu können. Wer beim Fasten positive Effekte verspürt, erlebt sein Handeln als selbstwirksam. Denn man hat die Verantwortung für den eigenen Körper nicht mehr an das Gesundheitssystem abgegeben, sondern ändert jetzt selbst etwas.

"Patienten erzählen regelmäßig, dass sie beim Fasten gedanklich in tiefere Dimensionen gelangen und dabei Kräfte entwickeln, im Sinne von: Ja, ich kann es (wieder) schaffen! Sie spüren, was alles möglich ist, und lernen, wieder an sich selbst zu glauben. Im Grunde kann man das durchaus mit einer transzendenten Erfahrung gleichsetzen." Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen

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Heilfasten - Wie faste ich richtig? Eine Fastenkur hat nichts mit Hungern zu tun. Vor allem Anfänger sollten sich gut vorbereiten oder professionelle Begleitung wählen. Jährlich fasten etwa zwei bis drei Millionen Menschen, allein oder in Gruppen. Wer eine Kurklinik oder ähnliche Einrichtungen aufsucht, tut sich leichter als zu Hause. Je größer die Ablenkungsgefahr, umso schwerer fällt der Verzicht. Eine gute Fastenkur verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Neben dem Verzicht auf feste Nahrung stehen stets auch Bewegung, Entspannung und geistige Anregung auf dem Programm. Nach der weit verbreiteten Schule des 1966 verstorbenen Fastenpapstes Otto Buchinger sollte man abends zum Beispiel Musik hören oder kreativ tätig sein. Vor dem Fasten:

• Wer nicht in eine Klinik geht, sollte Rahmenbedingungen festlegen und den Ablauf der Fastentage klar strukturieren. Es muss definierte Zeiten für Bewegung, Entspannung und Rückzug geben.

"Zu Hause können die Verpflichtungen des Alltags, Beruf, Familie usw. das Fasten erschweren. Auch moderne Kommunikationsmittel wie Handy und Internet, die einen doch etwas abhängig machen, sind eher hinderlich. Aber das Fasten gelingt auch im selbstgesteckten Rahmen, nicht nur in einer Klinik. Allerdings müssen wirklich explizite Ruhephasen eingeplant werden. Sonst klappt die Konzentration auf die vielfältigen eigenen Bedürfnisse nicht." Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen

• Stimulantien reduzieren. Bereits vier, fünf Tage vor Beginn der

Fastenkur empfiehlt es sich, Schwarztee, Kaffee, Alkohol und Nikotin zu streichen. So sind die Nebenwirkungen des Entzugs überwunden, bevor die eigentliche Fastentherapie beginnt. Vor allem der Verzicht auf Kaffee kann heftige Kopfschmerzen auslösen.

Entlastungstage: Die Fastenkur beginnt mit ein, zwei Tagen, an denen man die gewohnte Nahrungszufuhr auf etwa 1.000 bis 1.200 Kilokalorien reduziert und reine Vollwertmischkost zu sich nimmt. Das heißt: Gemüse, Salat, Obst - und wenig tierisches Eiweiß. Abführen – Der Startschuss Der Start in die Fastentage beginnt mit einer Gabe Abführsalz, zum Beispiel Glaubersalz in Apfelsaft gelöst. Von nun an sorgt man alle zwei Tage mit

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Einläufen oder Bittersalz für Stuhlgang, da der Darm ohne Nahrungszufuhr träge wird. Die Fastentage Wer als Gesunder zu Hause fastet, sollte fünf bis acht Fastentage einplanen. Bei einer dreiwöchigen Klinik-Kur können es bis zu 14 Tage sein. Es gibt verschiedene Methoden wie Tee-Saft-Fasten nach Otto Buchinger oder die Mayr-Kur, bei der man morgens eine Semmel isst, um das bewusste Kauen zu schulen. Aber im Grunde ähneln sich alle Fastenkuren in ihrem Ziel:

• die hypokalorische Kost (reduzierte Energiezufuhr) soll Selbstregulationsmechanismen des Körpers in Gang setzen.

Und so sieht ein guter Fasten-Speise-Plan z. B. nac h Otto Buchinger aus: • morgens Tee mit Honig und Zitrone, • mittags eine kochsalzhaltige Suppe • abends Saft oder Suppe

+ viel trinken! Mindestens zwei Liter energiefreie Flüssigkeit (Wasser oder Kräutertee) = circa 200 Kilokalorien pro Tag.

Ganz wichtig dabei: ausreichend Bewegung , damit die Muskulatur erhalten bleibt bzw. trainiert wird. Außerdem fördert es die Durchblutung und sorgt für Körperwärme, wenn man eine gute Runde spazieren geht. "Sportliche, aber nicht übertriebene Bewegung ist gut. Die Atemfrequenz sollte erhöht sein, um die Abatmung der Säureprodukte, der sogenannten Ketone, zu verstärken, die durch den Abbau des Fetts zur Energiegewinnung entstehen. Wenn Patienten zu wenig trinken, riecht man manchmal förmlich den Ketongeruch im Atem." Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen Vorteile einer Fastenklinik

• Man ist Mitglied einer Gruppe, in der man sich über Tipps und Zipperlein austauschen kann. Vor allem während der ersten Tage, wenn etwa der Kaffeeentzug Probleme macht, tut Austausch gut (eine kleine Tasse Kaffee kann übrigens gegen das anfängliche Kopfweh helfen!).

• In der Lehrküche und bei Vorträgen lernen Fasten-Kurende in Theorie und Praxis, wie gesunde Ernährung aussieht.

• Ärztliche Kontrolle und Fürsorge vermitteln vor allem chronisch kranken Leuten, wie Typ-2-Diabetes-Patienten, ein Gefühl der Sicherheit. Außerdem muss jede vorhandene Medikation ärztlich überwacht werden.

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Aufbautage Nach der Fastenphase folgen drei Aufbautage, um langsam von innerer auf äußere Ernährung umzustellen. Es gibt kleine Portionen leicht verdaulicher Kost: gedünstetes Gemüse, noch keinen Fisch, kein Fleisch, keine Wurst, wenig tierische Eiweiße in Form von Quark, Joghurt oder Buttermilch und Suppe oder Salate. "Bei uns in der Klinik beginnen wir das Fastenbrechen mit einem Ritual: In gemeinsamer Runde bekommt jeder einen Apfel zu essen, der genussvoll verspeist wird. Dabei kann jedem klarwerden, wie wertvoll Nahrung ist." Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen Langsam kauen: Bewusstes Zerkleinern der Bissen ist an den Aufbautagen besonders wichtig, damit es der Verdauungsapparat nicht zu schwer hat, wenn er seine Arbeit wiederaufnimmt. Außerdem achtet man so besser auf das Sättigungsgefühl, das sich jetzt schon nach kleineren Essensmengen einstellt. Regel für die Zukunft: Es muss nicht alles aufgegessen werden! Zwei Grundregeln des Fastens 1. Sich vom Alltag lösen. Heraus aus beruflichen und familiären Bindungen. Weg von Terminkalender und Telefon. Verzicht auf Radio, Fernsehen, Nachrichten. Keine Reizüberflutung. 2. Sich natürlich verhalten. Tun, was der Körper verlangt. Der Erschöpfte soll schlafen, der Bewegungsfreudige soll wandern und schwimmen. Tun, was Spaß macht: bummeln, lesen, tanzen, Musik hören, Hobbys pflegen. Kein Allheilmittel - Fasten gibt Impulse Eine Fastenkur gilt vor allem als präventive Maßnahme. Sie gibt den Impuls, einen neuen Zugang zu sich und zum eigenen Körper zu finden. Saft, Brühe und morgens 1 Löffel Honig in den Tee. Etwa 200 Kilokalorien nimmt man beim Fasten täglich zu sich. Am Alltag sind es meist mehr als zehnmal so viele. Die reduzierte Energiezufuhr ermöglicht dem Körper, Selbstregulationsmechanismen in Gang zu setzen. Vor allem Typ-2-Diabetes-Patienten, aber auch Menschen, die an anderen chronischen Krankheiten leiden, profitieren von einer Fastenkur.

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Wer auf keinen Fall fasten sollte: • Menschen, die an akuten Psychosen oder auszehrenden Krankheiten

wie Krebs leiden und noch nicht stabil behandelt sind • Patienten mit entgleisten Stoffwechselzuständen wie Typ-1-Diabetes

oder einer Schilddrüsenüberfunktion • Schwangere, stillende Mütter, Kinder und Jugendliche • Demenzkranke und alte Menschen mit Untergewicht

Wann Fasten gut tut: • Bei Depressionen und Erschöpfungszuständen wie "Burnout" • Bei chronischen Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und

Übergewicht, kurz bei Fettstoffwechselstörungen oder dem metabolischen Syndrom

• Bei Rheuma und anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen

Während des Fastens tritt eine tiefgehende Veränderung im Organismus ein. Aber: Wer sich nicht um grundsätzliche Verhaltensänderungen bemüht, verschenkt die positive Wirkung einer Kur. Sprich: Erst ein neuer, gesünderer Lebensstil garantiert langfristige Erfolge wie dauerhaft verbesserte Laborwerte oder eine Gewichtsreduktion. "Gute Ernährung und Fasten gehören zusammen. Die Fastenkur soll Impulse für ein in Zukunft genussvolleres und gesünderes Leben liefern, indem sie die Achtsamkeit für Körperbedürfnisse weckt." Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen Wie geht es weiter? Eine gelungene Fastenkur wirkt meist sehr motivierend. Sie stellt ein echtes Erlebnis dar. Man spürt ganz konkret, dass und wie man Einfluss auf das eigene Wohlbefinden nehmen kann. "Das ist eine Art erlebnisorientierter Lernprozess, weil zum Beispiel Typ-2-Diabetes-Patienten direkt merken, die Werte werden nicht ein Vierteljahr später besser, sondern innerhalb weniger Tage. Das ist ein enormes Motivationsinstrument für viele Menschen, aus einer etwas verfahren erscheinenden Situation einen Neuanfang aus eigenen Kräften heraus zu wagen." Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen Neuanfang wagen Ein erster Schritt ist getan. Nun gilt es, das in der Klinik oder beim Selbststudium Erlernte anzuwenden. Und zwar:

• Sich vollwertig und - bei Übergewicht - kalorienreduziert zu ernähren • Sich täglich zu bewegen: Eine halbe Stunde spazieren gehen genügt!

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• Sich regelmäßig Pausen und inneren Rückzug zu gönnen

Die Gefahr besteht, dass die geschmolzenen Pfunde schnell wieder auf den Rippen sind. Deshalb müssen Übergewichtige umso konsequenter darauf achten, dass sie langfristig weniger Kalorien als vor der Kur zu sich nehmen und sich deutlich mehr bewegen. Und noch etwas hilft, das Gewicht zu halten:

• Sich an die Freiwilligkeit des Verzichts und den seelischen Gewinn zu erinnern

Immer wieder fasten Nicht wenige Menschen machen einmal im Jahr eine Fastenkur, für sich allein oder in einer Gruppe. Es gibt auch die Variante des intermittierenden Fastens : Man legt einmal pro Woche 16 Stunden ohne feste Nahrung ein oder macht sogar zwei Tage lang Tee-/Saftfasten. Empfehlenswert sind auch sogenannte Entlastungstage mit jeweils ausschließlich rohem oder gedünstetem Gemüse oder auch Reistage. Es geht darum, sich hypokalorisch, also unterkalorisch, zu ernähren und den normalen Grundumsatz des Körpers zu unterschreiten. Rohkosttage haben den Vorteil, dass man sich mit dem ungekochten Gemüse viele Ballaststoffe, Mineralstoffe und Vitamine zuführt. Oder man isst morgens ein kleines Müsli, mittags gedünstetes Gemüse und abends eine Suppe, so dass man auf maximal 500 Kilokalorien kommt. "Das ist schon so wenig im Vergleich zur alltäglichen Ernährung der meisten Menschen, dass es dieselben körperlichen Reaktionen bewirkt, wie wenn sie nur Suppe und Tee zu sich nehmen würden." Dr. Walter Kronsteiner, Chefarzt der Kurpark-Klinik, Überlingen

Lese-Tipps:

Dr. Hellmut Lützner: "Wie neugeboren durch Fasten" , GU Ratgeber Gesundheit

Prof. Dr. Andreas Michalsen: "Mit Ernährung heilen. Besser essen. Einfach fasten. Länger leben. Neues Wissen aus Fors chung und Praxis" , Insel Verlag

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Mythos Detox - warum Entschlacken nicht funktionier t Autorin: Daniela Remus Entgiften und Detox, ohne sie geht nichts in der Wellnessindustrie. Es gibt Salben, Tees, Gesichtscreme oder Lebensmittel, Ratgeber und Fitnessmagazine, alle wollen so Geld verdienen. Was ist dran an Detox, Fasten und innerer Reinigung? Fasten zum Entschlacken, Entgiften und Detox? Der Begriff "Schlacken" wird schon lange verwendet, vor allem im Zusammenhang mit Fasten. Das Problem dabei: "Schlacken" gibt es im menschlichen Körper gar nicht.

"Schlacken ist ja das, was beim Hochofen (bei der Herstellung von Metallen) zurückbleibt. Man kann da nichts sehen, da ist nichts im Darm, keine Schlacken, die ausgeschieden werden." Prof. Andreas Michalsen, Charité, Berlin

Auch das sogenannte "Entgiften" oder "Detox" ist nichts, wofür der menschliche Körper eine Fastenkur braucht:

"Denn wenn wir wirklich über Gifte reden, Schwermetalle, Blei, Cadmium oder Quecksilber, die werden nicht beim Fasten ausgeschieden." Prof. Andreas Michalsen, Charité, Berlin

Dennoch hält sich die Idee davon, dass man den Körper hin und wieder "reinigen" müsste - dabei kann der das in der Regel ganz von allein. Das übernehmen vor allem zwei Organe, die Niere und die Leber, und bauen so zum Beispiel Alkohol ab. Fasten bei Diabetes Typ 2? Gesunde Menschen haben Fastenkuren also nicht nötig, aber vielleicht könnten ja Übergewichtige oder Patienten mit Diabetes etwas davon haben? Die Studienlage ist hier unklar. Bei Diabetes Typ 2 könnte Fasten vorübergehend helfen, denn durch das Unterbrechen der Nahrungszufuhr stellt sich der Stoffwechsel um. Wenn man mit Fasten auch noch abnimmt, ist der Effekt noch größer. Das Problem dabei: Eine Fastenkur ist nichts, was man sein ganzes Leben lang ausüben kann. Das Risiko für einen Rückfall in alte Gewohnheiten und den Jojo-Effekt ist sehr hoch. Fasten gegen Rheuma?

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Das sogenannte Heilfasten soll bei Rheuma helfen - dabei sollen die Fastenden eine Woche lang auf Nahrung verzichten. Auch hier kommt es kurzfristig zu einer Stoffwechselumstellung, das kann bei entzündlichen Erkrankungen, wie Rheuma eine ist, helfen. Aber die Effekte halten auch hier nicht an. Wenn wieder ganz normal gegessen wird, verschwinden sie. Fasten fürs Gewicht? Das Intervallfasten ist momentan die Fastenvariante, die viele Wissenschaftler, aber auch kommerzielle Anbieter für Diäten und Fastenkuren für vielversprechend halten. Dabei wird tage- oder stundenweise auf Nahrung verzichtet. Eine sehr bekannte Version ist das sogenannte 5:2 Intervallfasten, bei dem an zwei Tagen gar keine Nahrung aufgenommen wird, und an den fünf anderen Tagen der Woche darf ganz normal gegessen werden. Am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg wurde das 5:2-Fasten in der HELENA-Studie mit einer herkömmlichen Diät verglichen.

"Es gab viele Kollegen, die behauptet haben, dass das Intervallfasten im Vergleich zu herkömmlichen Diäten stärkere und bessere Effekte hat: auf das Körpergewicht, auf den Stoffwechsel, zum Beispiel auch auf die Art und Weise wie unser Körper auf Insulin reagiert." Dr. Tilman Kühn, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg

Das überraschende Ergebnis: Das Intervallfasten ist nicht besser als eine normale Diät. Beide Gruppen verloren während des Experiments rund 5 Prozent ihres Körpergewichts und auch auf der Stoffwechselebene war das Intervallfasten nicht erfolgreicher. Der gesundheitliche Effekt des Intervallfastens hat wahrscheinlich eher etwas damit zu tun, dass man auch so seine Kalorienaufnahme verringert.

Auch die zweite bekannte Fastenvariante, das 16:8-Fasten, kann bislang nicht überzeugen. Dabei isst man 16 Stunden am Stück nichts und nur an 8 Stunden am Tag normal. Zwar gibt es Studien, die einen positiven Effekt zeigen, aber das waren nur Zellexperimente oder Tierversuche an Mäusen.

"Die Studien unter Mäusen sind sicher spannend. Allerdings muss man sagen, dass gerade im Bereich der Ernährung viele Experimente unter Nagern schlecht auf den Menschen übertragbar sind. Das hat mit unterschiedlichen Stoffwechselvoraussetzungen zu tun, das hat aber auch einfach damit zu tun, dass ein Mensch in freier Wildbahn im normalen Leben sich nicht so ernährt wie eine Maus im Käfig." Dr. Tilman Kühn, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg

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Fasten für die Zellen? Warum überhaupt soll Fasten gut für den Körper sein? Die Hypothese hängt mit den Essenspausen zusammen. Ohne Nahrung suchen Körperzellen andere Energiequellen und haben darüber hinaus auch noch Zeit, sich selbst zu reparieren. Autophagie nennt sich dieser Mechanismus, Selbstverdauung, und ist Teil der Immunabwehr. Der Japaner Joshinori Ohsumi erhielt im Jahr 2016 für seine Forschung dazu den Nobelpreis für Medizin. Doch auch hier das Problem: Dieser Zusammenhang ist momentan nicht mehr als eine Hypothese, eine Annahme, die man aus Experimenten mit einzelnen Zellen ableitet. Keiner weiß, wie sich dieser Prozess im Menschen tatsächlich antreiben lässt und ob es überhaupt sinnvoll ist, ihn anzutreiben.

"Auch eine übermäßig angeschubste Autophagie könnte sich negativ auswirken, das kennt man zum Beispiel aus der Krebsentstehung. Zu viel Autophagie ist auch wieder schlecht, da geht es um eine Balance. Und dieser Gedanke, dass man nur fasten muss und diese Zellmüllabfuhr dann alle krankmachenden Stoffe entsorgt, ist vielleicht doch etwas zu vereinfacht." Dr. Tilman Kühn, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg

Fasten für die Seele? In vielen Kulturen und Religionen gehört Fasten zur gelebten Praxis dazu. Reinigungs- und Verzichtrituale sollen dem Körper, der Seele und dem Geist Gutes tun. Damit kann man religiöse Regeln befolgen, aber auch in mental wachere Zustände übergehen, einfach indem man ein paar Tage das Essen weg lässt. Auch in einer säkularen Gesellschaft kann so etwas stattfinden:

"Es ist ja so, dass man mit dem Ziel fastet, dass man seinen Körper und seine Seele reinigen möchte. Das heißt, wer fastet, der beschäftigt sich dann mit dem, was er so isst, mit seinem Körper und seiner Gesundheit und reflektiert das eben stark. Und so gesehen kann das eben ein Impuls sein, dass man seinen Lebensstil und seine Gewohnheiten ändert." Silke Restemeyer, Ökotrophologin, Deutsche Gesellschaft für Ernährung

Fazit: Ein gesundes Leben ist mehr als einmal Faste n So sinnvoll Fasten für eine Stoffwechselumstellung oder das geistige Wohlbefinden auch sein mag, für einen gesunden Lebensstil muss man mehr tun. Langfristig abnehmen oder seine Diabeteserkrankung los werden kann man so nicht. Doch es kann ein Start sein:

"Ich glaube, der wichtigste Punkt beim Fasten ist, dass man für sich selber etwas bekommt, das nennt man in der Medizin die Selbstwirksamkeit, also man fängt da ja eher missmutig an zu fasten und dann macht es auf einmal Zack,

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dann wird der Schalter umgelegt und man merkt, das geht fantastisch. Das führt bei vielen Menschen zu einem extrem guten Selbstgefühl und auch zu der Überzeugung: Mensch toll, was ich da selber machen kann, einfach indem ich nichts esse!" Prof. Andreas Michalsen, Charité, Berlin

Fasten verspricht also eine Pause, die den Alltagsstress kleiner werden lässt. Doch die hohen Erwartungen von einem gereinigten Körper und einer entschlackten Seele sind wissenschaftlich nicht haltbar. Immerhin: Wer gesund ist, dem schadet so eine Fastenkur auch nicht.