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ALLES IN BUTTER Das Entrecôte Café de Paris ist wieder heiss begehrt. Das Gericht mit der berühmten Kräuterbutter stammt nicht etwa aus der französischen Hauptstadt. Erfunden wurde es 1930 in Genf. Ein Besuch am Originalschauplatz bei Wirt François Vouillamoz. — Text Michael Lütscher Fotos Sébastien Anex Glasscheibe im Entree der Brasserie Café de Paris. S age und schreibe 70 Gramm Kräu- terbutter gibts zum grillierten Rind- fleisch pro Person. Es ist die Butter- küche in Reinkultur – Fett, Fleisch und kein Gemüse. Das Gericht ist eine Wucht. Und hier, wo es seinen Namen erhielt, einzigartig: Entrecôte Café de Paris ist im Café de Paris in Genf das «menu unique», das einzige warme Mahl auf der Karte. «Es schmeckt einfach allen», sagt Wirt François Vouillamoz, ein freund- licher, schmaler Mann von 63 Jahren, über das in Genf erfundene Gericht. Es ist eine gastronomische Besonderheit, die wieder in Mode ist. In Zürich etwa wurden in den letzten Monaten drei Lokale eröffnet, die als einziges warmes Gericht Entrecôte Café de Paris bieten. Das erstaunt: Ein Entrecôte Café de Paris ist das Gegenteil dessen, was heute als gesunde und umweltverträgliche Nahrung gilt. Es ist ein Gericht gegen die Küchen- vernunſt. Denn gutes, richtig grilliertes Rindfleisch ist saſtig wie würzig und be- darf weder Gewürze noch einer Sauce. Auch knusprige Pommes frites bereiten allein viel Freude. Die Geschmacksbom- be Kräuterbutter aber, mit dem Fleisch und den Fritten kombiniert, aktiviert alle Geschmackssinne und versetzt einen in einen leichten Rauschzustand. «Solche Sachen schmecken uns Men- schen seit je», hält der Physiker und Lebensmittelforscher omas A. Vilgis von der Universität Mainz fest. Und fügt an: «All das haben unsere Vorfahren prächtig überlebt. Insofern sollten wir uns den Appetit auf diese vermeintli- chen Sünden nicht verderben lassen.» François Vouillamoz serviert in seiner Brasserie «Café de Paris Chez Boubier» die Hausspezialität. 33 SCHWEIZER FAMILIE 19/2019 32 SCHWEIZER FAMILIE 19/2019 ESSEN ESSEN

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ALLES IN BUTTER

Das Entrecôte Café de Paris ist wieder heiss begehrt. Das Gericht mit der berühmten Kräuterbutter stammt nicht etwa

aus der französischen Hauptstadt. Erfunden wurde es 1930 in Genf. Ein Besuch am Originalschauplatz bei Wirt François Vouillamoz.

— Text Michael Lütscher Fotos Sébastien Anex

Glasscheibe im Entree der Brasserie Café de Paris.

Sage und schreibe 70 Gramm Kräu-terbutter gibts zum grillierten Rind-fleisch pro Person. Es ist die Butter-

küche in Reinkultur – Fett, Fleisch und kein Gemüse. Das Gericht ist eine Wucht. Und hier, wo es seinen Namen erhielt, einzigartig: Entrecôte Café de Paris ist im Café de Paris in Genf das «menu unique», das einzige warme Mahl auf der Karte.

«Es schmeckt einfach allen», sagt Wirt François Vouillamoz, ein freund-licher, schmaler Mann von 63 Jahren, über das in Genf erfundene Gericht. Es ist eine gastronomische Besonderheit, die wieder in Mode ist. In Zürich etwa wurden in den letzten Monaten drei Lokale eröffnet, die als einziges warmes Gericht Entrecôte Café de Paris bieten.

Das erstaunt: Ein Entrecôte Café de Paris ist das Gegenteil dessen, was heute als gesunde und umweltverträgliche Nahrung gilt.

Es ist ein Gericht gegen die Küchen-vernunft. Denn gutes, richtig grilliertes Rindfleisch ist saftig wie würzig und be-darf weder Gewürze noch einer Sauce. Auch knusprige Pommes frites bereiten allein viel Freude. Die Geschmacksbom-be Kräuterbutter aber, mit dem Fleisch und den Fritten kombiniert, aktiviert alle Geschmackssinne und versetzt einen in einen leichten Rauschzustand.

«Solche Sachen schmecken uns Men-schen seit je», hält der Physiker und Lebensmittelforscher Thomas A. Vilgis von der Universität Mainz fest. Und fügt an: «All das haben unsere Vorfahren prächtig überlebt. Insofern sollten wir uns den Appetit auf diese vermeintli-chen Sünden nicht verderben lassen.»

François Vouillamoz serviert in seiner Brasserie «Café de Paris Chez Boubier» die Hausspezialität.

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men, als Reverenz an den Erfinder der Kräuterbutter.

Das Bistro sieht aus wie im Bilderbuch – unverändert seit Jahrzehnten. Schmale Holztische, eng gestuhlt, die Sitzbänke an den Wänden mit rotem Leder bezogen, darüber links und rechts je ein grosser Spiegel, der den Raum optisch vergrös­sert, und an der Decke Leuchter, die für Licht und Glanz sorgen. Man fühlt sich hier ein bisschen wie in Paris.

Zu Tisch gibts zunächst einen Salat. Vegetarier erhalten dann auf Wunsch etwa eine Omelette mit Pilzen und Ge­müse. Für alle anderen tragen die Kellner und Kellnerinnen, klassisch schwarz­weiss uniformiert, Platten auf. Diese sind ungefähr einen Zentimeter dick mit der grünlichen Kräuterbutter bestrichen, da­

rauf liegt jeweils ein Entrecôte, dunkel gestreift von den Stäben des Grills und in fingerdicke Tranchen geschnitten. Die Platte kommt aufs Rechaud in der Tisch­mitte. So bleibt das Fleisch bis zum letzten Bissen warm.

In die Welt hinausDie Hitze von unten lässt die Butter schmelzen, und das Fleisch gart nach. «Wir grillieren es eine Stufe tiefer als vom Gast bestellt», sagt Vouillamoz. Es ist ein so einfacher wie durchdachter Prozess.

Das Fleisch kommt aus der Schweiz, stets vom Simmentaler Rind, immer vom selben Metzger. Die Pommes frites dazu sind hausgemacht, «weil sie frisch einfach besser sind», wie Vouillamoz sagt. In der Küche unter der Gaststube wird jede einzelne Kartoffel geschält und mit­tels eines handbetriebenen, verblüffend einfachen Apparats in Stäbchen geschnit­ten. Diese werden am Vormittag ein erstes Mal frittiert, bevor sie nach der Bestellung portionenweise ein zweites Mal in die Fritteuse getaucht werden. «Nur so wer­den sie schön knusprig», sagt Wirt Fran­çois Vouillamoz.

Er pflegt die guten, alten Bräuche der Gastronomie. Andererseits setzte er auf geschäftliche Expansion. Nicht nur in sein Heimatdorf Isérables im Unterwallis, wo er mit dem Café de l’Union ein weiteres Restaurant betreibt. Sondern auch nach Spanien und auf die Arabische Halbinsel. «Arabische Gäste wollten das Entrecôte Café de Paris auch in ihrer Heimat essen», erzählt Vouillamoz. Die Lösung war ein Franchisesystem. 2004 öffnete das erste dieser Lokale in Dubai. Die inzwischen fünf Franchisenehmer dürfen ihr Restau­rant Café de Paris nennen und verpflich­ten sich, das Gericht in einem ähnlichen Rahmen auf die gleiche Weise zu servie­ren. Und sie müssen die Butter Café de Paris bei Vouillamoz kaufen.

Nur Vouillamoz kennt das Rezept. «Würde ich es einem Küchenchef anver­trauen, könnte er weiterziehen und es an­derswo verwenden», sagt er. Also mischt er die Café­de­Paris­Butter stets selbst, jeweils mehr als 100 Kilogramm aufs Mal. Mehrmals pro Woche steht er in einem gekachelten Raum im Keller seines Lo­kals, mischt die Gewürze, wirft Zehn­Ki­lo­Butterblöcke in eine Trommel mit Mi­ →→

«Würde ich das Rezept einem

Küchenchef an­vertrauen, könnte

er es anderswo verwenden.»

François Vouillamoz, Wirt

Tatsächlich gehört das Gericht zu den Klassikern der gutbürgerlichen Kü­che. Man findet es landauf, landab in manch schönem Restaurant stets im Ange­bot (siehe Box Seite 37). Im «Larousse Gastrono­mique», dem Lexikon der französischen Küche, sucht man eine Butter oder Sauce namens Café de Paris allerdings vergeblich. Was nach Frankreich klingt, hat als schweizerische Erfindung die Zeit besser überdauert als das Bankgeheimnis.

Gericht mit TraditionDas Rezept wurde 1930 von einem Wirt namens Boubier in Genf entwickelt. Der gab es seiner Tochter weiter, die mit ihrem Mann im Bistro Café de Paris un­mittelbar beim Hauptbahnhof Cornavin wirtete. Die Dumonts, so hiess das Paar, machten das Entrecôte Café de Paris zu ihrem «signature dish», wie man eine Haus­spezialität heute nennt.

Ende der 1960er­Jahre verkauften die Dumonts ihr Restaurant mitsamt Rezept an Aline Abriel, eine Tante von François Vouillamoz. Der gelernte Koch aus Isé­rables VS übernahm das Lokal 1989 nach fünfjähriger Einführung und pflegt die Tradition seither weiter. «Café de Paris Chez Boubier» heisst es mit ganzem Na­

Nach einem Geheim­rezept mischt Jérémy Vouillamoz mit seinem Vater die Kräuter­butter. Später wird diese für den Verkauf im Restaurant ab­gefüllt (o. l.). Auch die Pommes frites sind hausgemacht (l.).

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Fotos: Name

Brasserie Les Trois Rois: Statt Frites isst man im Luxushaus zum ECP Kartoffelgratin. Blumen­rain 8, 4001 Basel. Tel. 061 260 50 02 www.lestroisrois.com

Café Entrecôte Fédérale: Dünne Pommes Allumet­tes begleiten das ECP. Bärenplatz 31, 3011 Bern. Tel. 031 311 16 24. www.entrecote.ch

Brasserie Bodu: Hier gibts Entrecôte mit hausge­machter Kräuterbutter. Kornmarkt 5, 6004 Lu­zern. Tel. 041 410 01 77. www.brasseriebodu.ch

Gasthaus zum Kreuz: Im Gourmet­Lokal gibts das ECP mit Gemüse. Stettlistr. 3, 6383 Dallen­

wil. Tel. 041 628 20 20. www.kreuz­dallenwil.ch

Brasserie Café de Paris: Im letzten Herbst fürs ECP eröffnet. Ankerstr. 113, 8004 Zürich. Tel. 044 833 99 66. www.brasserie­cafedeparis.ch

La Côte: Seit mehr als 40 Jahren fürs ECP bekannt. Aemtlerstr. 26, 8003 Zü­rich. Tel. 044 241 91 91. www.restaurant­lacote.ch

Le Relais de l’Entrecôte: Seit April offen. Die Sauce heisst hier «fameuse». In Gassen 5, 8001 Zürich. Tel. 044 830 99 91. www.relaisentrecote.fr

Noir: Im Ende 2018 eröffneten «Schwarz» ist die Beurre Café de Paris grasgrün. Schiff­lände 6, 8001 Zürich. Tel. 044 506 75 06. www.noir­restaurant.ch

ENTRECÔTE CAFÉ DE PARIS (ECP) AUTOUR DE LA SUISSE

xer und lässt von diesem alles zu einer glatten Masse vermischen. Danach wird sie in 250­Gramm­Behältnisse für den Direktverkauf und in 6­Kilogramm­ Kessel für die Restaurants abgefüllt. Allein im Genfer Stammhaus werden rund 130 Kilogramm pro Woche gebraucht.

Für den Fall, dass ihm etwas zustösst, hat Vouillamoz das Rezept in einem

Banksafe hinterlegt. Den Schlüssel dazu hat er seinem Sohn Jérémy, 25, gegeben. Dieser, Absolvent der Genfer Hotelfach­schule, wird ohnehin eingeweiht: Er ist daran, das Geschäft zu übernehmen.

Jene Café­de­Paris­Zutaten, die man deutlich riecht, bestätigt Vouillamoz. Ja, die grüne Farbe stammt von Petersilie, nein, Estragon ist nicht drin, ja, Knob­

lauch schon. Auch Sardellen sind enthal­ten. Gewisse Stoffe müsse er wegen allfäl­liger Allergien deklarieren.

Café de Paris ist als Name für die But­ter nicht geschützt. Das hätte man gleich nach der Erfindung tun müssen. Und so können alle ihre Interpretation einer Kräuterbutter Café de Paris nennen. Es ist ähnlich wie mit Coca­ und all den ande­ren Cola­Getränken: Es gibt ein Original und weitere Versionen. Einzelne Köche mischen der Butter etwas Bratensauce bei. Andere bereiten sie auf der Basis einer Mehlschwitze zu, fügen Eigelb oder Rahm bei. In vielen Fällen kommt Estragon, wie bei einer Sauce béarnaise, zum Einsatz. Aber kein Café de Paris ist so rein buttrig wie das Original.

Er habe Stammgäste, die kämen drei­ bis viermal pro Woche bei ihm essen, sagt Vouillamoz. Und es gibt Leute, die fahren durch die halbe Schweiz, um das Original zu geniessen. Am Nebentisch sitzt die «Schweizer Familie»­Leserin Elvira Emch aus dem zürcherischen Pfäffikon mit Freunden. Sie kommt seit 40 Jahren im­mer wieder hierher, weil es «immer gleich gut geblieben ist».Zürich bietet

ein Brasse­rie­Erlebnis im Restau­rant Noir Maison d'Entrecôte.

Das Entrecôte mit Kräuter­butter gart auf einer beheizten Platte auf dem Tisch zur Vollendung.

SPEISEN AM URSPRUNGDie Küche des Café de Paris Chez Boubier ist täglich von 11 bis 23 Uhr geöffnet. Das Entrecôte Café de Paris mit Pommes frites und Salat kostet 42.50 Fr. Rue du Mont-Blanc 26, 1201 Genf. Tel. 022 732 84 50. www.chezboubier.com

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