Globaler Klimawandel: Ursachen, Folgen ...

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Globaler Klimawandel: Ursachen,Folgen, Handlungs- möglichkeiten neuauflage- 2011

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G l o b a l e r K l i m a w a n d e l

U r s a c h e n F o l g e n H a n d l u n g s shym ouml g l i c h k e i t e n

neuauflageshy

2011

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GermanwatchBuumlro BonnDr Werner-Schuster-HausKaiserstraszlige 201D-53113 BonnTel +49 (0) 228 - 60492 - 0E-Mail infogermanwatchorg

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3 uumlberarbeitete Auflage Dezember 2010

AutorInnen 3 Auflage Boris Schinke Sven Harmeling Rixa Schwarz Soumlnke Kreft Manfred Treber Christoph Bals

RedaktionTobias Rothenbuumlcher Katrin Fillies

LayoutARTBUumlRO Dietmar Putscher Koumllnwwwdietmar-putscherde

Bestellnummer 10-2-20

ISBN 978-3-939846-78-9

Gedruckt auf 100 Recycling-Papier

Abschluss der UN-Klimakonferenz in Bali 15122007

Die Germanwatch-Klimaexpedition zeigt Live-Satelli-ten bilder in Schulen Klimazusammen haumlnge werden so leicht verstaumlndlich und technisch faszinierend darge-stellt

Gefoumlrdert durch

Die Verantwortung fuumlr den Inhalt dieser Veroumlffentlichung liegt bei Germanwatch

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Inhalt

Einleitung 5

1 Klima und Treibhauseffekt 6 11 Das Klima 6 12 Der natuumlrliche Treibhauseffekt 7 13 Der Kohlenstoffkreislauf 7

2 Klimawandel heute 10 21 Das Klima aumlndert sich 10

Info-Kasten 1 IPCC ndash houmlchste Autoritaumlt der Klimawissenschaft auf dem Pruumlfstand 11 22 Auswirkungen des Klimawandels 13 Info-Kasten 2 Was ist eine Wetterkatastrophe 17 23 Der menschgemachte Treibhauseffekt 20 24 Belege fuumlr den menschlichen Einfluss auf das Klima 22

3 Klimawandel der Zukunft 25 31 Veraumlnderungen der Klimaparameter 26 32 Zunahme von wetterbedingten Extremereignissen 27 33 Anstieg des Meeresspiegels 27 34 Kipp-Elemente des Klimasystems und ihre Folgen 28 Info-Kasten 3 Zwei Grad und nicht mehr 29

4 Opfer und Taumlter des Klimawandels 33 41 Die Betroffenen des Klimawandels Mensch und Umwelt 33 42 Regionale Betroffenheit 37 Info-Kasten 4 Womit wir in Deutschland rechnen muumlssen 40

5 Die Verursacher des Klimawandels 42 51 Welche Laumlnder sind die Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen 42 52 Absolute und Pro-Kopf-Emissionen heute 43 53 Emissionen nach Sektoren 44 54 Trends bei den Treibhausgasemissionen 46 Infokasten 5 Wirtschaftskrise Klimaschutz und bdquogruumlneldquo Konjunkturprogramme 47 55 Ursachen fuumlr Veraumlnderungen des CO2-Ausstoszliges 48

6 Herausforderungen fuumlr die Klimapolitik 51 61 Internationale Klimagerechtigkeit 51 62 Geschichte der Klimapolitik Von Rio uumlber Kyoto nach Kopenhagen 52 63 Die Klimagipfel von Kopenhagen und Cancuacuten 53 64 Handeln ndash Verhandeln ndash Koalitionen Grundlage einer klimapolitischen Aufwaumlrtsspirale 56 65 EU Deutschland und China als Vorreiter 57 66 USA zwischen Ambition und Bremsmanoumlvern 59 67 Anpassung an den Klimawandel 60 Info-Kasten 6 Der Wald als Senke und Reservoir von CO2 62 68 Technologien und Finanzmarkt 62 69 Demokratie und die groszlige Transformation 63 Info-Kasten 7 Flugverkehr und Klimaschutz 64 Info-Kasten 8 Geo-Engineering 65

7 Maszlignahmen zum Klimaschutz 67 71 Was kann die Politik tun 67 72 Was kann die Wirtschaft tun 70 73 Was koumlnnen die Buumlrger tun 72

8 Im Text zitierte Literatur 78

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Abb 1 Schematische Darstellung des Treibhauseffekts 6Abb 2 Der Kohlenstoffkreislauf 8Abb 3 Gemessene und simulierte Temperaturabweichungen vom langjaumlhrigen

Mittel (1901-1950) seit 1906 fuumlr verschiedene Regionen der Erde 10Abb 4 bdquoReasons for Concernrdquo Vergleich IPCC 2001 mit IPCC 2007 13Abb 5 Veraumlnderung des Vernagtferners in den Oumltztaler Alpen 1844-2001 14Abb 6 Ausdehnung des arktischen Meereises im Vergleich zu 1979-2000 15Abb 7 Ruumlckzug der Aufsetzlinie des Jakobshavn Isbrae 1850-2006 an der Westkuumlste Groumlnlands 16Abb 8 Weltweite Groszligkatastrophen (1950-2009) 18Abb 9 Temperatur- u Treibhausgasentwicklung in den letzten 800000 Jahren 20Abb 10 Temperaturkurven der IPCC-Leitszenarien bis 2100 26Abb 11 Beobachteter Meeresspiegelanstieg seit 1975 28Abb 12 Kipp-Elemente mit Temperaturschwellen (gegenuumlber 1880) die in diesem Jahrhundert angestoszligen

werden koumlnnten 30Abb 13 Erwartete Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme Wasser- und Ernaumlhrungssicherheit

Gesundheit und Wirtschaft bei unterschiedlicher Erwaumlrmung (im Vgl zu 1880) 34Abb 14 Sicherheitsrisiken durch Klimawandel ausgewaumlhlte Brennpunkte 36Abb 15 Betroffenheit von Naturkatastrophen in Entwicklungs- und Industrielaumlndern 38Abb 16 Temperatur- und Niederschlagsaumlnderungen in Afrika bis 2100 Modellsimulation nach dem

Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestemperaturen und Jahresnieder - schlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999 38

Abb 17 Temperatur und Niederschlagsaumlnderungen in Suumldamerika bis 2100 Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestemperaturen und Jahresnieder- schlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999 39

Abb 18 Kumulierte energiebedingte CO2-Emissionen 1900-1999 42Abb 19 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen 1992-2007 (oder 2008) 43Abb 20 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen pro Einwohner zwischen 1990 und 2007

fuumlr neun ausgewaumlhlte Laumlnder 44Abb 21 Entwicklung der THG-Emissionen in Deutschland nach Sektoren 1990 bis 2008 45Abb 22 Anstiegsrate der CO2-Emissionen 46Abb 23 Weltweite Entwicklung von Emissionsfaktoren 48Abb 24 Anteil der anthropogenen CO2-Emissionen der in der Atmosphaumlre und im Ozean verbleibt 49Abb 25 Die drei Phasen der angestrebten Aufwaumlrtsspirale des internationalen Klimaschutzes 57Abb 26 Das bdquoAnpassungskontinuumldquo und Strategien zur Ernaumlhrungssicherung 61

Tabellen

Tabelle 1 Die wichtigsten anthropogenen Treibhausgase 21Tabelle 2 Groszligraumlumig wirksame Klimafaktoren und die zugehoumlrigen Strahlungsantriebe und Temperatur-

signale (seit 1880) 23Tabelle 3 Die zugrundeliegenden Annahmen der Szenarien des IPCC 25Tabelle 4 Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011 47

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

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Der Klimawandel ist laumlngst keine theoretische Moumlg-lich keit mehr die sich aus den Berechnungen von Computermodellen ergibt Er ist auch kein Problem das sich woanders oder in ferner Zukunft ereignet Im Gegenteil Er findet jetzt und auf unserem Planeten statt Und dass dieser Wandel seit Mitte des vergange-nen Jahrhunderts nicht durch andere Faktoren als das menschliche Handeln erklaumlrbar ist ist eine wissenschaft-liche Tatsache

Die weltweite Zunahme klimatischer Extremereignisse und Folgeerscheinungen bringen umfassende Heraus-forderungen mit sich Veraumlnderte Wettermuster Stark niederschlaumlge Hitzewellen Uumlberschwemmungen Stuumlrme und Duumlrren das Abschmelzen der polaren Eisschilde und vieler Gletscher sowie der Anstieg des Meeresspiegels haben bereits heute handfeste und un-mittelbare Auswirkungen fuumlr Natur und Gesellschaft im Norden genauso wie im Suumlden

Die Erde scheint aus den Fugen zu geraten und auch die Zukunft im Treibhaus ist bedruumlckend Die Welt gemeinschaft befindet sich derzeit auf einem Emissionspfad der ohne entschiedenes Gegensteuern bis Ende des Jahrhunderts in einer Temperaturerhoumlhung von vier bis sechs Grad Celsius muumlnden koumlnnte Wichtige Teilsysteme unseres Planeten drohen umzukippen und koumlnnten den Zustand eines stabilen Klimas schon bald abrupt beenden

Die Konsequenzen fuumlr hunderte Millionen wenn nicht Milliarden von Menschen waumlren dramatisch und Ausdruck enormer Ungerechtigkeit Bereits heute machen Nah-rungsmittelknappheit Was sermangel Krankheiten und Landflucht deutlich dass diejenigen die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben die Hauptlast sei-ner Folgen tragen Betroffen sind vor allem die Armen und Aumlrmsten in den Entwicklungslaumlndern die kleinen Inselstaaten genauso wie die am wenigsten entwickel-ten Laumlnder Der Wohlstand zukuumlnftiger Generationen ist ebenfalls gefaumlhrdet Fuumlr alle steht nichts weniger als die Lebens- und Uumlberlebensperspektive auf dem Spiel

Um einer weiteren gefaumlhrlichen Stoumlrung des Klima-systems vorzubeugen muss eine ernsthafte Klima-schutzpolitik deshalb auf zwei Saumlulen aufbauen

1 Das Unbeherrschbare vermeiden Durch eine deutliche Verminderung des Treibhaus-

gasausstoszliges gilt es den Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf so weit wie moumlglich unter zwei Grad Celsius gegenuumlber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen

2 Das Unvermeidbare beherrschen Da der Klimawandel schon im Gange ist und sich be-

stimmte Auswirkungen nicht mehr verhindern lassen brauchen wir eine umfassende Anpassungstrategie ndash insbesondere fuumlr die besonders verletzlichen Regionen und verwundbaren Menschengruppen

Angesichts des starken Emissionswachstums in den Schwellenlaumlndern lassen sich die Probleme nur mit ihnen gemeinsam loumlsen Die Industrielaumlnder muumlssen jedoch voran gehen Zum einen aufgrund ihrer histori-schen Verantwortung ndash sie haben den groumlszligten Teil der bisher in der Atmosphaumlre angesammelten menschge-machten Treibhausgase zu verantworten Zum anderen aufgrund ihrer politischen technologischen und zum Teil auch finanziellen Moumlglichkeiten Sie muumlssen durch aktives Handeln zu Hause durch eine Vorreiterrolle beim internationalen Verhandeln sowie durch Koalitionen mit Schwellenlaumlndern mit besonders betroffenen Nationen und mit Vorreiterstaaten den Weg zu einem postfossilen Wohlfahrtsmodell bahnen und die Unterstuumltzung be-sonders betroffener Regionen bei der Bewaumlltigung der unvermeidlichen Klimafolgen organisieren

Die Zeit draumlngt Naturgesetze lassen nicht mit sich verhandeln Mit jedem Jahr in dem wir ungebremst die Atmosphaumlre mit langlebigen Treibhausgasen anrei-chern wird eine hinreichend wirkungsvolle Antwort auf die Klimafrage schwieriger und teurer Innerhalb der jetzigen Dekade muss die globale Trendwende bei den Treibhausgasemissionen vollzogen werden damit die Temperaturerhoumlhung unter zwei Grad stabilisiert wird und noch genuumlgend Spielraum fuumlr ein menschenwuumlrdi-ges Leben in einer gesunden Umwelt bleibt Dazu ge-houmlrt auch die Umsetzung von Anpassungsmaszlignahmen Ein einfaches Hinnehmen oder Wegsehen ist keine Alternative

Fuumlr vorangehende Staaten bietet das viele Chan cen Ein Wohlstandsmodell jenseits der fossilen Ener-gietraumlger stellt nicht nur spannende Moumlglich keiten fuumlr Innovationsschuumlbe und fuumlr die Erschlieszligung von Zukunftsmaumlrkten mit neuen Technologien und Arbeits-plaumltzen in Aussicht sondern auch fuumlr einen kultu-rellen Zivilisationsschub Ob dies gelingt haumlngt nicht nur vom politischen Willen einiger Staats- und Regierungschefs dem technischem Erfindungsgeist oder von Unternehmerinitiativen ab sondern vor al-lem auch von der Vision dem Engagement und dem Ruumlckgrat jedes Einzelnen

Einleitung

6

Kurzwellige Lichtstrahlung der Sonne trifft auf die Erdoberflaumlche Langwellige Waumlrmestrahlung wird von der Erdoberflaumlche abgestrahlt und in der Atmosphaumlre von Spurengasen Wasserdampf und Staubpartikeln zu groszligen Teilen absorbiert Insbesondere das Kohlendioxid (CO2) sorgt dafuumlr dass die Waumlrmestrahlung nur teilweise zuruumlck ins All geschickt wird Quelle Harmeling et al 2008

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Dadurch erfolgt zusaumltzliche Erwaumlrmung um 33 degC (natuumlrlicher Treibhauseffekt)

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Spurengase Wasserdampfund Staub werfen teilweiseWaumlrmestrahlung zuruumlck

Erwaumlrmte Erde sendet Waumlrme-strahlung aus

Sonnenstrahlenerwaumlrmendie Erdoberflaumlche

11 Das Klima

Wenn wir den globalen Klimawandel verstehen wol-len muumlssen wir uns zunaumlchst mit dem Vokabular der Klimaforscher vertraut machen Das Klima ist in der Wissenschaft exakt definiert Es beschreibt die Gesamtheit der meteorologischen Erscheinungen (z B Temperatur Niederschlag Wind) die fuumlr eine Dauer von mindestens 30 Jahren den durchschnittlichen Zustand der Atmosphaumlre an einem bestimmten Ort charakterisie-ren Hier unterscheidet sich das Klima grundsaumltzlich vom Wetter Letzteres kennzeichnet nur kurzfristige und lo-kale Erscheinungen wie ein starkes Gewitter oder einen frostigen Wintertag Kurz gesagt Wetter ist das was gerade passiert Klima dagegen ist die Zusammenfas-sung des Wetters uumlber einen Zeitraum von mindestens drei Dekaden (bdquoTrendsldquo)

Das globale Klima ist dabei nicht konstant sondern unterliegt staumlndigen Schwankungen Die Ursache hierfuumlr liegt in mehreren Antriebsmechanismen Die Atmosphaumlre hat dabei den groumlszligten Einfluss steht je-doch in Wechselwirkung mit anderen Systemen wie den Ozeanen und Eisflaumlchen den Landoberflaumlchen und der Biosphaumlre Die Antriebsenergie fuumlr den Austausch zwischen diesen Teilsystemen wird von der Sonne geliefert wobei je nach Breitengrad und Jahreszeit unterschiedlich viel Energie durch die Atmosphaumlre bis zur Erdoberflaumlche dringt Dieses Ungleichgewicht das Temperaturunterschiede und somit Luftdruckgefaumllle ndash insbesondere zwischen dem Aumlquator und den Polen ndash verursacht setzt Ausgleichsprozesse wie zum Beispiel Winde oder Meeresstroumlmungen in Bewegung1

1 vgl Lauer 1995

1 Klima und Treibhauseffekt

Abb 1 Schematische Darstellung des Treibhauseffekts

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12 Der natuumlrliche Treibhauseffekt

Erst durch den natuumlrlichen Treibhauseffekt und die damit verbundene Erwaumlrmung der Erdoberflaumlche ist Leben auf der Erde moumlglich Der Treibhauseffekt be-zeichnet den Erwaumlrmungseffekt der bodennahen Atmosphaumlre Kurzwellige Sonnenstrahlen koumlnnen die Atmosphaumlre fast ungehindert bis zur Erdoberflaumlche durchdringen Die von der Erdoberflaumlche reflektier-te langwellige Waumlrmestrahlung jedoch wird von so genannten Treibhausgasen zu Teilen absorbiert wieder zur Erde zuruumlck emittiert und dadurch in der Atmosphaumlre gehalten (siehe Abbildung 1) So wird die globale Mitteltemperatur in Bodennaumlhe die ohne das Vorhandensein einer derartigen Atmosphaumlre -18 degC betragen wuumlrde um 33 degC auf ca +15 degC ange hoben2 Ohne diesen bdquoWaumlrmestauldquo waumlre es so kalt auf der Erde dass sich kein houmlheres Leben entwickeln koumlnnte Das Klima der Erde ist somit das Ergebnis einer einfachen Energiebilanz innerhalb derer sich Einstrahlung auf die Erdoberflaumlche und Waumlrmestrahlung zuruumlck ins Weltall im Mittel ausgleichen

Zu den bdquoklimawirksamenldquo Treibhausgasen der Atmos-phaumlre welche die Waumlrmestrahlung absorbieren gehouml-ren vor allem Wasserdampf (H2O) Kohlendioxid (CO2) Distickstoffoxid (N2O) Methan (CH4) und Ozon (O3) Diese Gase sind in unterschiedlicher Konzentration auch ohne menschliches Zutun in der Atmosphaumlre ent-halten und somit fuumlr den natuumlrlichen Treibhauseffekt verantwortlich Aumlndert sich die Zusammensetzung der atmosphaumlrischen Gase so aumlndert sich auch die Durch-laumlssigkeit fuumlr die Waumlrmeabstrahlung der Erde und somit letztendlich auch die Energiebilanz Klimaaumlnderungen sind die Folge

Die einzelnen Treibhausgase unterscheiden sich aller-dings deutlich in ihrer Erwaumlrmungswirkung So hat ein Molekuumll Methan die gleiche Erwaumlrmungswirkung wie etwa 23 Molekuumlle Kohlendioxid (siehe Tabelle 1 S 21) Um diese Effekte besser vergleichbar zu ma-chen und in ihrer Gesamtheit zu berechnen verwen-den die Klimawissenschaftler den Vergleichsmaszligstab der CO2-Aumlquivalente Allen Treibhausgasen werden Werte zugerechnet welche die Erwaumlrmungswirkung in Relation zum CO2 in einer bestimmten Zeitperi-ode etwa 100 Jahre ausdruumlcken Die Wirkung der Treibhausgase wird als eine Veraumlnderung des Strah-lungsantriebs bezeichnet Unter bdquoStrahlungsantriebldquo versteht man das Verhaumlltnis von solarer Einstrahlung und terrestrischer Abstrahlung in der unteren Atmos-phaumlre Er wird in der Regel in Watt pro m2 angegeben (s Tabelle 2 S23) Satellitendaten und Klimamodelle zeigen dass sich die Strahlungsbilanz der Erde gegen-

uumlber dem Weltall derzeit nicht vollstaumlndig im Gleichge-wicht befindet Die im Mittel eingestrahlte Energie von 342 Wm2 ist um etwa 085 Wm2 houmlher als die Abstrah-lung der Erdoberflaumlche Die Konsequenz daraus ist dass die Erde gegenwaumlrtig mehr Energie aufnimmt als sie ans Weltall wieder verliert Dieser Effekt entsteht durch die Ozeane die sich nur traumlge durch den menschgemachten Treibhauseffekt aufwaumlrmen (siehe Kapitel 2)3

13 Der Kohlenstoff kreislauf

Der Anteil kohlenstoffbasierter Treibhausgase wie CO2 und CH4 in der Atmosphaumlre ist fuumlr das Ausmaszlig des Treib-hauseffektes von zentraler Bedeutung und wird durch die Prozesse des Kohlenstoffkreislaufs bestimmt (siehe Abbildung 2) Dieser Kreislauf erstreckt sich uumlber die natuumlrlichen Teilsysteme Ozean Atmosphaumlre und Land-oumlkosysteme zwischen denen ein CO2-Austausch statt-findet Weiterhin funktioniert jedes Teilsystem wie ein eigener Kreislauf in dem Kohlenstoff abgegeben und aufgenommen wird In der Atmosphaumlre befinden sich nach Angaben des UN-Klimawissenschaftlergremiums IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) rund 775 Gigatonnen Kohlenstoff in den Boumlden und der Vegetation rund 2000 Gigatonnen Den groumlszligten Koh-lenstoffspeicher stellen jedoch mit rund 39000 Giga-tonnen die Meere dar4

Die Systemkomponenten aus denen der Atmosphaumlre treibhauswirksame Gase zugefuumlhrt werden bezeichnet man als bdquoQuellenldquo Fossile Energietraumlger wie Erdoumll oder Kohle oder die Zerstoumlrung der tropischen Regenwaumllder sind bdquomenschgemachte Quellenldquo da sie erst durch den Eingriff des Menschen zu atmosphaumlrisch wirksamen Emittenten von Treibhausgasen werden Den Quellen stellt man die sogenannten bdquoSenkenldquo gegenuumlber Sen-ken wie zum Beispiel Ozeane Boumlden oder Pflanzen sind bis zu einem bestimmten Grad in der Lage aus der Atmos phaumlre CO2 aufzunehmen und zu speichern Bei-spielsweise binden Waumllder waumlhrend ihrer Wachstum-sphase in der Regel groszlige Mengen an CO2 in Holz und Boden Wenn dann zu einem spaumlteren Zeitpunkt das Holz verbrannt wird oder es verrottet wird das CO2 wieder in die Atmosphaumlre freigesetzt

Ohne die Faumlhigkeit der Senken Treibhausgase aus der Atmosphaumlre zu binden und uumlber lange Zeitraumlume hinweg zu speichern laumlge die atmosphaumlrische Konzentration von Kohlenstoffdioxid heute um ein Vielfaches uumlber dem gegenwaumlrtigen Wert Doch diese Senkenwirkung funkti-oniert nicht unbegrenzt Klimawandel und Veraumlnderung der Landnutzung koumlnnen zu einer Destabilisierung der CO2-Reservoire fuumlhren und tragen zu einer Reduzierung der Effektivitaumlt von natuumlrlichen CO2-Senken im Ozean und auf dem Land bei

2 vgl Kraus 2004 3 Hansen J et al 20054 IPCC 2000

8

Am Beispiel der Ozeane zeigt sich die Endlichkeit die-ser Senken Die Ozeane spielen im Kohlenstoffkreislauf der Erde als Kohlenstoffsenke eine wichtige Rolle da fast drei Viertel der Erdoberflaumlche von Wasser bedeckt sind5 Etwa 30 Prozent des vom Menschen zusaumltzlich freigesetzten CO2 wird in den Ozeanen gebunden Die Senkenfunktion hat jedoch auch eine Kehrseite Mit steigenden Temperaturen und wachsendem atmosphauml-rischem CO2-Anteil sinkt auch die CO2-Aufnahmefaumlhig-keit der Meere Erste Hinweise deuten daraufhin dass der Prozess einer deutlich abnehmenden Pufferkapazi-taumlt des Meeres fuumlr atmosphaumlrisches Kohlendioxid be-reits eingesetzt hat und der Anteil der Kohlendioxid -

emissionen die vom Meer aufgenommen wurden in den letzten 50 Jahren immer weiter zuruumlckgegangen ist (siehe auch Kapitel 4)6 Die vom Menschen verursachte Erwaumlrmung der Ozeane sowie ein weiter ungebremster Treibhausgasausstoszlig tragen somit zur zusaumltzlichen glo-balen Erwaumlrmung der Atmosphaumlre bei

Zudem erschweren die steigende Wassertemperatur und der sinkende pH-Wert die Schalen- und Skelett-entwicklung zahlreicher Kalk bildender Organismen wie beispielweise der Koralle und gefaumlhrden die Funktions-weise von Meeresoumlkosystemen (siehe auch Kapitel 22)

Abb 2 Der Kohlenstoffkreislauf

Die Abbildung zeigt die Komponenten und Funktionsweise des Kohlenstoffkreislaufs Quelle Harmeling et al 2008

5 IPCC 2007a 6 Schuster U und A J Watson 2007

BodenlebewesenDestruenten

abgestorbenesorganisches

Material

Torf KohleErdoumll Erdgas

TierePflanzen

fossileBrennstoffe

Assimilation durch PflanzenPhotosynthese

Diffusionvon CO2

CO2

Org Material Carbonate

Verbrennung

Dissimilation durchPflanzen und Tiere

Kohlendioxidin der

Atmosphaumlre

AquatischeBakterien

WasserpflanzenAlgen

Cyanobakterien

Photosynthese

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Tornados treten als kleinraumlumige Phaumlnomene auf koumlnnen aber in kuumlrzester Zeit groszlige Schaumlden verursachen

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Globale und kontinentale Temperaturaumlnderungen

Nordamerika

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)global global Land global Ozean

Klimamodelle die nur natuumlrliche Antriebskraumlfte beruumlcksichtigen

Klimamodelle die natuumlrliche und menschliche Antriebskraumlfte beruumlcksichtigen

Beobachtungen

21 Das Klima aumlndert sich

Der menschgemachte Klimawandel bedeutet zunaumlchst eine Erhoumlhung der globalen Temperatur Diese setzt das Klimasystem der Erde unter Druck und kann zu einer Veraumlnderung des durchschnittlichen Wetters und somit des Klimas fuumlhren Waumlhrend der letzten 130 Jahre ist die durchschnittliche Lufttemperatur in Bodennaumlhe global um ca 08 degC angestiegen Dieser Anstieg verlief aller-dings weder zeitlich noch regional gleichmaumlszligig Bis 1940

2 Klimawandel heutegab es eine fruumlhe Erwaumlrmungsphase der sich eine kur-ze Stagnation bis in die 1970er Jahre anschloss Seither gibt es einen neuen ungebrochenen Erwaumlrmungstrend dessen Tempo sich zunehmend erhoumlht und mittlerweile ca 02 degC pro Dekade betraumlgt Mehr als zwei Drittel der Erwaumlrmung des vergangenen Jahrhunderts fanden dabei seit 1975 statt Der Temperaturanstieg ist vor allem uumlber den Landflaumlchen und hier besonders uumlber der noumlrdlichen Erdhalbkugel zu beobachten weniger uumlber den sich ver-zoumlgert erwaumlrmenden Ozeanen (siehe Abbildung 3)7

Abb 3 Gemessene und simulierte Temperaturabweichungen vom langjaumlhrigen Mittel (1901-1950) seit 1906 fuumlr verschiedene Regionen der Erde

Schwarze Linie Gemessene Temperaturabweichungen Blaues Band Simulationen nur mit natuumlrlichen Antriebs fak- toren Rotes Band Kombinierte Simulation der natuumlrlichen und anthropogenen Antriebsfaktoren Quelle IPCC 2007a

7 GISS 2010

11

Info-Kasten 1 IPCC ndash houmlchste Autoritaumlt der Klimawissenschaft auf dem Pruumlfstand

Ohne Forschungen unabhaumlngiger Wissenschaftler-Innen kann die Politik keine fundierten und wir-kungsvollen Entscheidungen fuumlr den Klimaschutz treffen Es bedarf folglich einer Institution die den Sachverstand der weltweiten Klimawissenschaft so umfassend und konsensorientiert wie moumlg-lich buumlndelt Zu diesem Zweck gruumlndeten die Weltorganisation fuumlr Meteorologie (WMO) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) 1988 den Zwischenstaatlichen Ausschuss zum Klimawandel (Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC) der auch als bdquoWeltklimaratldquo bezeich-net wird

Seine umfangreichen Sachstands- und Sonderbe-richte wurden zu der zentralen Grundlage fuumlr wissen-schaftlich fundierte klimapolitische Entscheidungen So war der erste Bericht (1990) die wichtigste wissen-schaftliche Grundlage fuumlr die Klimarahmenkonven-tion und der zweite Bericht (1995) hatte diese Funktion fuumlr das Kyoto-Protokoll Die klimawis-senschaftlichen Fakten des dritten Berichts (Third Assessment Report TAR 2001) waren ein hilfreicher Antrieb fuumlr viele Regierungen das Kyoto-Protokoll mit seinen verbindlichen Klimaschutzpflichten zu ratifizieren und damit in Kraft zu setzen Der 2007 erschienene vierte Bericht (Fourth Assessment Report AR4) hat weltweit die oumlffentliche und poli-tische Diskussion uumlber den Klimawandel und seine

Konsequenzen stark befoumlrdert Fuumlr seine Arbeit erhielt der Weltklimarat bestehend aus rund 450 Haupt- und rund 800 Nebenautoren gemeinsam mit dem damaligen US-Vizepraumlsidenten Al Gore im Jahr 2007 den Friedensnobelpreis

Vergleicht man die ersten drei Berichte mit dem jeweils nachfolgenden Bericht so zeigt sich klar Zentrale Aussagen wurden zunaumlchst sehr vorsichtig formuliert und spaumlter durch sicherere bestaumltigt In vielen Faumlllen folgten sogar deutlich dramatischere Feststellungen die sich aus dem zunehmenden wis-senschaftlichen Sachstand ableiten lieszligen (vgl auch Abbildung 4)

Diskussionen um die Arbeit des IPCC dessen letz-ter Sachstandsbericht (2007) rund 18000 wissen-schaftliche Quellen zitierte sind dabei nicht neu wobei ihm dabei von unterschiedlicher Seite sowohl Uumlber- als auch Untertreibung vorgeworfen wird Neu allerdings ist die Heftigkeit und Konzentration mit der die Glaubwuumlrdigkeit des aktuellen Reports seit den Klimaverhandlungen in Kopenhagen Ende 2009 in Frage gestellt wird Dabei ist es jedoch keines-falls der Klimawandel bzw der menschgemachte Einfluss der in Frage gestellt wird Kein einziger ernstzunehmender Wissenschaftler zweifelt an der Realitaumlt des Klimawandels oder dessen Ursachen Vielmehr entzuumlndet sich die juumlngste Kritik an ei-

Das erste Jahrzehnt des 21 Jahrhunderts war mit Ab-stand das waumlrmste weltweit je gemessene Jahrzehnt gefolgt von den 1990er Jahren die wiederum waumlrmer waren als die 1980er Jahre Alle vergangenen zwoumllf Jah-re (1998-2009) zaumlhlen zu den waumlrmsten seit Beginn der Temperaturmessungen im Jahr 18808

Frage Macht die globale Erwaumlrmung seit 1998 eine Pause

Das Jahr 1998 war heiszliger als einige Jahre danach wes-halb manche Beobachter die Frage stellen ob die Er-waumlrmung seit 1998 eine Pause gemacht hat Nein Nach neuesten Messungen der NASA liegt die beobachtete Erwaumlrmung des vergangenen Jahrzehnts weltweit mit 019 degC gleichauf mit der IPCC-Projektion (02 degC) und unterscheidet sich in diesem Zusammenhang nicht von den vorangegangen Jahrzehnten Von einer Unterbre-chung der globalen Erwaumlrmung kann also keineswegs die Rede sein Der Grund fuumlr eine solche Behauptung lag in einem einfachen Datenfehler der die Arktis ndash wo die

Temperaturen in den vergangenen Jahren am staumlrksten angestiegen sind ndash aufgrund luumlckenhafter Messpunkte aus den globalen Temperaturmessungen ausgeschlos-sen hatte (bdquoArktis-Lochldquo) Nachdem das bdquoArktis-Lochldquo geschlossen und in die globale Energiebilanz integriert wurde kann eine Pause des Erwaumlrmungstrends auch fuumlr das erste Jahrzehnt des 21 Jahrhunderts nicht bestauml-tigt werden Neben der Datenluumlcke bdquoArktis-Lochldquo wird ferner auch eine geringere Sonnenaktivitaumlt als Ursache einer moumlglichen Unterbrechung der Erwaumlrmung aus-geschlossen Zwar befindet sich die Sonneneinstrah-lung gegenwaumlrtig auf dem Rekordminimum des letzten Sonnenfleckenzyklus doch wird 2010 mit dem Beginn neuer Sonnenfleckenaktivitaumlten und infolge dessen so-wohl mit einer Zunahme der solaren Leuchtkraft als auch einem weiteren Erwaumlrmungsschub in den kommenden Jahren gerechnet

8 GISS 2010

12

nigen Teilergebnissen der Arbeitsgruppe welche die moumlglichen Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme und Gesellschaften analysiert (Arbeits-gruppe 2)

Da ist erstens ein Zahlendreher in Bezug auf den Zeitpunkt an dem die Himalaya-Gletscher zu einem groszligen Teil abgeschmolzen sein koumlnnten Aus dem Jahr 2350 wurde das Jahr 2035 Dieser Fehler haumlt-te eigentlich durch die Kontrollstandards des IPCC entdeckt werden muumlssen An der Gesamtaussage der Passage aumlndert dies jedoch reichlich wenig Die Gletscher in Asien schmelzen zu Beginn des 21 Jahrhunderts schneller als zuvor

Zweitens die Angabe dass rund 55 Prozent der Niederlande unter dem gegenwaumlrtigen Meeres-spie gel niveau laumlgen Diese Aussage war urspruumlng-lich von der niederlaumlndischen Regie rungsbehoumlrde an den IPCC uumlbermittelt worden Richtig gewe-sen waumlre 55 Prozent der Niederlande sind von Uumlberschwemmungen bedroht 26 Prozent liegen un-ter dem Meeresspiegel und 29 Prozent sind anfaumlllig fuumlr Flusshochwasser

Und drittens dass bis zum Jahr 2020 die landwirt-schaftlichen Ertraumlge im Regenfeldbau in Afrika durch den Klimawandel bzw Wasserknappheit halbiert werden koumlnnten Hier liegt das Problem in einer fehlerhaften Zusammenfassung im Synthesekapitel Richtig heiszligt es im Text des Regionalkapitels zu Afrika dass das Risiko in der Periode 2000-2020 in der die Ernteausfaumllle im Regenfeldbau 50 Prozent betragen durch den Klimawandel verstaumlrkt wird Wissenschaftlich haltbar ist diese Aussage allerdings nur bei drei nordafrikanischen Laumlndern Tunesien Algerien und Marokko9

Diese Fehler wurden mittlerweile allesamt einge-standen und korrigiert In allen drei Faumlllen wurde insbesondere die Verwendung sogenannter grauer Literatur kritisiert Graue Literatur stammt dabei nicht aus dem klassischen Wissenschaftsprozess son-dern etwa von Organisationen oder Unternehmen Es handelt sich also um Publikationen die nicht in wissenschaftlichen Zeitschriften veroumlffentlicht wurden Ohne eine entsprechende wissenschaft-liche Uumlberpruumlfung (Peer-Review) ist die Kritik an den Aussagen grauer Literatur berechtigt Allerdings sind viele der fuumlr den IPCC relevanten Daten nur als graue Literatur verfuumlgbar Manche Forscher halten solche

Quellen fuumlr hilfreich Nur uumlber die Beruumlcksichtigung dieser grauen Literatur ist es beispielsweise moumlglich auch Informationen aus aumlrmeren Laumlndern zu erhalten und das Uumlbergewicht westlicher und englischsprachi-ger Forschung auszubalancieren

Auch wenn die Diskussion uumlber die Fehler wichtig ist um ein Dokument wie den IPCC-Bericht weiter zu verbessern bleibt festzuhalten dass sie nichts an der Bedeutung und den Kernaussagen des Berichtes aumlndern Im Gegenteil Eine so groszlige Gruppe von Wissenschaftlern wie sie an der Erstellung der IPCC-Berichte beteiligt ist wird sich in einem politisch bedeutsamen Dokument grundsaumltzlich auf eher zu konservative Schlussfolgerungen einigen koumlnnen Insbesondere die Zusammenfassungen fuumlr politische Entscheidungstraumlger werden zudem von Vertretern aller Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention ausgehandelt es wird um jede Formulierung gerun-gen Aussagen des IPCC neigen demnach eher zu einer Verharmlosung als zu einer Dramatisierung des aktuellen Sachstands

Die derzeitige Debatte ist somit keine Diskussion uumlber Ursachen und Folgen des Klimawandels wie sie faumllschlicher Weise in den Medien dargestellt wur-de Sie ist auch kein Streit uumlber die Notwendigkeit politischer Gegenmaszlignahmen In erster Linie ist sie eine Kritik an den Strukturen und Arbeitsweisen des IPCC im Allgemeinen Als entsprechende Reaktion und um zukuumlnftige Fehler zu vermeiden wird von nun an eine Gruppe von Wissenschaftlern die Aussagen der Sachstandsberichte uumlberpruumlfen UNO-Generalsekraumlter Ban Ki-moon hat dazu im Februar 2010 den InterAcademy Council (IAC) als Kontrollinstrument des Weltklimarates engagiert Dieser hat den Auswahlprozess der wissenschaft-lichen Quellen und insbesondere die Qualitaumlt grauer Literatur evaluiert ndash mit dem Ziel die Unsicherheiten und Fehler des IPCC zu reduzieren Dies ist insbe-sondere wichtig da die Vorbereitung des 5 Sach-standsberichts der 201314 herausgegeben werden soll bereits anstehen Der im August 2010 vom IAC vorgestellte Bericht bestaumltigt insgesamt eindeu-tig die Ergebnisse und die Rolle des IPCC Er gibt allerdings eine Reihe von Empfehlungen zur Ver-besserung des Managements des IPCC-Prozesses die auch dazu dienen sollen die Einhaltung der selbst gesetzten wissenschaftlichen Richtlinien strenger zu uumlberwachen10

9 S InterAcademy Council (IAC) 201010 IAC 2010

13

Abbildung 4 zeigt dass die Grenze zum gefaumlhrlichen Klimawandel fruumlher uumlberschritten werden koumlnnte und auch die Risiken negativer Auswirkungen auf Mensch und Umwelt heute houmlher eingestuft werden muumlssen als noch von wenigen Jahren angenommen wurde Der Vergleich des aktuellen Sachstandberichts mit dem vorangegan-genen dritten IPCC-Bericht zeigt dass viele Oumlkosysteme viel sensibler auf Temperaturveraumlnderungen reagieren koumlnnten und auch dass die Auswirkungen auf Regionen Bevoumllkerungsgruppen und Wirtschaftssektoren bisher unterschaumltzt wurden (siehe auch Kapitel 41 und 42)11 Mehrere Beispiele deuten darauf hin dass auch der vierte IPCC-Sachstandsbericht in vielerlei Hinsicht sehr vorsichtige konservative Abschaumltzungen praumlsen-tiert Dies gilt u a fuumlr die Annahmen zur weltweiten Emissionsentwicklung und zum Meeresspiegelanstieg (siehe auch Kapitel 34)

Die Klimaforschung wurde von diesen sich beschleuni-genden Entwicklungen uumlberrascht Das IPCC-Prinzip nur sorgfaumlltig uumlberpruumlfte und bestaumltigte Erkenntnisse zu publizieren wird solche Uumlberraschungen auch in Zukunft in Kauf nehmen muumlssen zugunsten ihrer pro-fessionellen Glaubwuumlrdigkeit Das darf aber nicht aus-schlieszligen dass uumlber moumlgliche zukuumlnftige Risiken auch dann informiert wird wenn diese noch nicht im Detail erhaumlrtet sind

11 Smith JB et al 2009

Die Risiken der globalen Erwaumlrmung muumlssen heute houmlher eingeschaumltzt werden als vor zehn JahrenQuelle Smith JB et al 2009

22 Auswirkungen des Klimawandels

Trotz einer sich gering anhoumlrenden globalen Erwaumlrmung (08 degC seit 1880) lassen sich weltweit bereits zahlrei-che physische Auswirkungen des Temperaturanstiegs beobachten Laut des letzten IPCC-Reports weisen von allen Untersuchungen die hinsichtlich moumlgli-cher Veraumlnderungen physikalischer und biologischer Systeme ausgewertet wurden fast 90 Prozent signifi-kante Veraumlnderungen auf die in einer waumlrmeren Welt zu erwarten waumlren Zudem haumlufen sich die empirischen Belege insbesondere in Regionen in denen sich die Temperaturen am staumlrksten erhoumlht haben wodurch na-tuumlrliche Schwankungen als primaumlre Ursache unwahr-scheinlich werden Im Folgenden sollen einige dieser bereits heute beobachtbaren Auswirkungen vorgestellt werden

n Ruumlckzug der Gebirgsgletscher

Zu den bisher am deutlichsten sichtbaren Auswirkungen der Klima erwaumlrmung zaumlhlt der weltweite Ruumlckzug der Gebirgs gletscher Er begann im 19 Jahrhundert und hat sich seitdem drastisch beschleunigt Gletscher werden aufgrund ihrer Sensibilitaumlt gegenuumlber Tem-

Abb 4 bdquoReasons for Concernrdquo Vergleich IPCC 2001 mit IPCC 2007

IPCC 2001 Basierend auf IPCC 2007

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Risiken fuumlr viele

Risiken fuumlr viele

hoher Anstieg

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negativ fuumlr die

meisten Regionen

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meisten Regionen

in allen Bereichen insgesamt

negativ

in allen Bereichen insgesamt

negativ

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Risiken fuumlr einige

Risiken fuumlr einzigartige und bedroh-te Systeme

Haumlufigkeit und Schwere extremer Klimaereig-nisse

Globale Ver- teilung und Ausgleich der Auswir-kungen

Gesamte oumlkono-mische und oumlkologische Auswirkung

Risiken un-um kehr barer weit reichen-der und ploumltz licher Auswirkungen

Risiken fuumlr einzigartige und bedroh-te Systeme

Haumlufigkeit und Schwere extremer Klimaereig-nisse

Globale Ver- teilung und Ausgleich der Auswir-kungen

Gesamte oumlkono-mische und oumlkologische Auswirkung

Risiken un-um kehr barer weit reichen-der und ploumltz licher Auswirkungen

Risiken fuumlr einigeAnstieg Anstieg

negativ fuumlr einige Regionen positiv fuumlr

andere

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14

pe raturveraumlnderungen auch als die bdquoKanarienvoumlgel in der Kohlengrubeldquo des globalen Klimasystems be-zeichnet Auch gibt es deut liche Anzeichen fuumlr das Aufweichen von Permafrostboumlden in Teilen der Polar- und Subpolarregionen12 Der World Glacier Monitoring Service (WGMS Welt-Gletscher-Beobachtungsdienst) kommt zu dem Ergebnis dass sich die Gletscherschmelze fast uumlberall auf der Erde beschleunigt Zusammengefasst schrumpfen die Gletscher mittlerweile viermal so schnell wie noch vor 30 Jahren ndash in den Anden und Alaska ebenso wie im Himalaya und in den Alpen13 In der Alpenregion haben die Gletscher seit Beginn der indus-triellen Revolution mehr als die Haumllfte an Masse verlo-ren14 Waumlhrend die Alpengletscher zwischen 1975 und 2000 noch ein Prozent an Volumen pro Jahr einbuumlszligten hat sich die Verlustrate zu Beginn des 21 Jahrhunderts

fast verdreifacht15 Bis auf wenige Ausnahmen ist ein aumlhnlich weitraumlumiger Verlust in allen alpinen Gebieten der Erde zu beobachten

Gletscher sind fuumlr viele Regionen eine der wichtigsten Trinkwasserquellen da sie im Winter wertvolles Suumlszlig-wasser in Form von Schnee und Eis akkumulieren und dieses im Sommer in Form von Schmelzwasser an die Fluumlsse abgeben Der Ruumlckzug der Eismassen betrifft da-bei insbesondere zahlreiche Staumldte im Einzugsbereich des Himalaya wo das Wasser der Gletscher u a die sieben groumlszligten Fluumlsse Asiens ndash Ganges Indus Brahma-putra Mekong Thanlwin Jangtse und den Gelben Fluss ndash speist und so die Wasserversorgung Hunderter Millio-nen Menschen sichert

Innerhalb der vergangenen zwei Jahrhunderte ist in den Alpen uumlber die Haumllfte des Eises abgeschmolzenQuelle Bayerische Akademie der Wissen-schaften

Abb 5 Veraumlnderung des Vernagtferners in den Oumltztaler Alpen 1844-2001

12 IPCC 2007a13 WGMS 2008

14 Zemp M et al 200615 Haeberli 2007

15

n Ruumlckgang des arktischen Meereises

Die Analyse neuester Satellitenmessungen laumlsst keinen Zweifel zu Das Meereis der Arktis schmilzt Inner-halb der letzten 30 Jahre hat sich die sommerliche Ausdehnung der Eisdecke um mehr als 20 Prozent verringert Besonders dramatisch an der derzeitigen Schrumpfung ist dass sie sich in den letzten Jahren sig - ni fikant beschleunigt hat und die gegenwaumlrtig beob-achteten Verlustraten selbst die Extremwerte voran - gegangener Computersimulationen uumlbertroffen haben Und waumlhrend bis vor kurzem noch 2005 als das Jahr der geringsten jemals gemessenen Eisflaumlche galt uumlber-traf das Jahr 2007 diese Werte in jedem Monat (siehe Abbildung 6)

Von den vormals etwa 78 Millionen km2 Eisflaumlche im Jahr 1979 wurden im September des Rekordjahrs 2007 lediglich noch 413 Millionen km2 erreicht Dies ent-spricht einem Ruumlckgang von etwa 43 Prozent gegenuumlber dem langjaumlhrigen Mittelwert 1979-2000 und ist die ge-ringste je gemessene Eisausdehnung in der Arktis16

Auch in den folgenden Jahren wurde eine aumlhnlich kleine Eisausdehnung auf dem arktischen Nordmeer gemes-sen Mit dem Ergebnis dass 2008 und 2009 erstmals seit Menschengedenken sowohl die Nordwest- als auch die Nordostpassage gleichzeitig eisfrei waren Auch im Jahr 2010 lag die Ausdehnung mit ca 51 Millionen km2 deutlich unter dem langjaumlhrigen Mittelwert

Berichte vom Klimawandel ndash Nepal

bdquoNepal erlebt zurzeit stark schwankende Regenzyklen Im Winter 20082009 gab es gar keinen Regen Auszligerdem hatten wir wenig Schneefall Unser Land braucht in dieser Zeit Regen und Schnee damit Weizen und Mais vor allem auch im Sommer wachsen koumlnnen Die Bauern im Distrikt Rukum sorgen sich zunehmend uumlber kurze aber heftige Niederschlaumlge Schon jetzt sind dort Nahrungsmittel knapp ndash durch den Klimawandel wird das Leid noch groumlszliger Immer mehr Menschen wan-dern nach Indien aus Ebenso gibt es in der Rupandehi-Gemeinde einen Fluss der bis vor 20 Jahren noch aus-reichend Wasser fuumlhrte Jetzt ist er ausgetrocknet Das andere Extrem sind Flusshochwasserwellen waumlhrend der Regenzeit die sich verheerend fuumlr die dort leben-den Menschen auswirken Die groumlszligte Herausforderung fuumlr Nepal ist jedoch die rasche Gletscherschmelze im

Himalaya Dort wo der Gletscher lag bildet sich ein See Bricht der ehemals vom Gletscher aufgescho-bene Erddamm entstehen katastrophale Flutwellen Teile des darunter liegenden Landes werden uumlberflu-tet Dennoch werden wir wohl auf lange Sicht unter Wassermangel leiden Denn die Gletscher verschwinden langsam und koumlnnen bald kein Wasser mehr im Sommer fuumlr die Landwirtschaft liefern Fuumlr ein armes Land wie Nepal das zur Bewaumlsserung in der Landwirtschaft auf Schmelzwasser angewiesen ist ist dieses Problem nicht zu bewaumlltigenldquo

Raju Pandit Chhetri Juristischer Berater United Mission to Nepal (UMN) Kathmandu Nepal

Seit 1979 hat sich die arktische Eisausdehnung um mehr als 20 Prozent verringert Quelle NASA 2007 httpearthobservatorynasagovIOTDviewphpid=8126

Abb 6 Ausdehnung des arktischen Meer eises 2007 im Vergleich zu 1979-2000

16 NSIDC 2008

2005 Minimum

2007 Minimum

1979-2000 Durchschnittliches Minimum

500 km

16 September 2007Konzentration des Meereises (in )

0 50 100

16

n Schrumpfende Festlandeisschilde

Kontinentale Eisschilde groumlszliger als 50000 km2 existie-ren lediglich an zwei Plaumltzen auf der Erde in der Antarktis und auf Groumlnland Wuumlrden sie abschmelzen entspraumlche dies einem globalen Meeresspiegelanstieg von etwa 70 Metern Bis vor einigen Jahren nahmen Wissenschaftler an die Eisschilde wuumlrden auf Klimaveraumlnderungen nur sehr langsam und meist uumlber Jahrtausende reagieren Allerdings muss diese Annahme aufgrund modernster Satellitenmessungen nun revidiert werden Galten bei-de Eisschilde noch bis vor einigen Jahren als bdquoschlafende Riesenldquo legen neueste Erkenntnisse uumlber bis vor kurzem fuumlr unmoumlglich gehaltene Schmelz- und Rutschprozesse die Vermutung nahe die beiden Riesen seien nun aus ihrem tausend Jahre andauernden Tiefschlaf erwacht Beide Eisschilde schmelzen ndash und das mit einem atembe-raubenden Tempo

Noch waumlhrend der 1990er Jahre so belegen Studien be-fand sich der groumlnlaumlndische Eisschild nahezu im Gleich-gewicht ndash Schneeakkumulation und Schneeschmelze glichen sich in etwa aus Waumlhrend dieser Zeit wuchs der Eisschild im Inneren und verlor seine Eismassen an den Raumlndern

Als Folge der schon seit einigen Jahren bekannten ho-hen Sensibilitaumlt der arktischen Region gegenuumlber den Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung hat sich die Situation nun gravierend veraumlndert Waumlhrend der Jah-re 2000-2008 hat sich der Massenverlust auf Groumlnland verdreifacht und trug im Jahr 2008 mit 273 Gigatonnen

zu einem Anstieg des Meeresspiegels um 075 mm pro Jahr bei17 Zwar geht nach wie vor ein groszliger Teil des Eisverlustes auf das Konto der Ausduumlnnung des Eises in den tieferen Lagen Besonders beunruhigend jedoch ist eine andere Beobachtung Denn neben den linearen Abschmelzprozessen spielen dynamische Veraumlnderun-gen des Eisabflusses eine immer bedeutendere Rolle Die Auswertung von Satellitendaten beweist dass die Eisdecke durch die Schmelzvorgaumlnge nicht in erster Linie duumlnner wird ndash sie bewegt sich vielmehr schneller Das groumlnlaumlndische Eis draumlngt dabei immer schneller vom Zentrum des Eispanzers im Landesinneren uumlber die Glet-scher nach auszligen und ins Meer18

Ein aumlhnliches Bild ergibt sich auch in der Antarktis wo innerhalb des Untersuchungszeitraums April 2002 bis Januar 2009 ein jaumlhrlicher Verlust an Eismasse von durchschnittlich 190 (+- 77) Gigatonnen Eis gemessen wurde ndash was umgerechnet einem Meeresspiegelanstieg von rund 04 mmJahr entspricht19 Mehr als zwei Drittel (132 Gt) des Eismassenverlustes betrafen dabei die West antarktis20 Besonders groszlige Sorge bereitet Klimaforschern die enorme Dynamik mit der das Eis der Westantarktis ans Meer verloren geht Entscheidend ist dabei die Rolle der vorgelagerten Schelfeisgebie-te Aumlhnlich wie u a in manchen Kuumlstenregionen Groumln-lands ist ihre Instabilitaumlt die Ursache fuumlr das verstaumlrkte Abflieszligen der westantarktischen Auslassgletscher und Eis stroumlme Denn das Eis schmilzt weniger an Land als vielmehr durch den Kontakt mit waumlrmerem Ozeanwas-ser Normalerweise wird durch die Barriere des Schelf-eises der Abfluss der Auslassgletscher und Eisstroumlme

Immer schneller rutschen die groumlnlaumlndischen Gletscher ins MeerQuelle NASA 2007 httpearthobservatorynasagovFeaturesGreenlandprintallphp

Abb 7 Ruumlckzug der Aufsetzlinie des Jakobshavn Isbrae 1850-2006 an der Westkuumlste Groumlnlands

17 Van den Broeke M et al 200918 Van de Wal RS et al 2008

19 Velicogna I und J Wahr 200920 Chen JL et al 2009

GroumlnlandEisschild

17

gebremst Wird dieses jedoch bruumlchig oder kollabiert so nimmt die Abflussgeschwindigkeit der hinter dem Eisschelf liegenden Gletscher zu und sie koumlnnen nahezu ungebremst ins offene Meer ablaufen Seit dem Wegfall des Larsen-B-Eisschelfs 2002 hat sich der Abfluss der da-hinterliegenden Auslassgletscher deutlich erhoumlht ndash und zwar um das bis zu Achtfache21 Viele der westantarkti-schen Gletscher (z B der Pine Island Gletscher und der Smith Gletscher) haben sich innerhalb der letzten Jahre (2004-2007) enorm beschleunigt und flieszligen mittler-weile mit einer Geschwindigkeit von bis zu neun Metern pro Jahr ins Meer22 27 Kubikkilometer Eis gehen nun jaumlhrlich dort verloren wo sich vor wenigen Jahren noch das Eisschelf befand23 Ein aumlhnliches Schicksal wie das des Larsen-B-Eisschelfs koumlnnte in einer waumlrmeren Zu-kunft auch weitere Eisschelfe ereilen

n Anstieg des Meeresspiegels

Als eine der wichtigsten Folgen des anthropogenen Klimawandels gilt der Anstieg des globalen Meeresspie-gels Im 20 Jahrhundert ist der Meeresspiegel weltweit durchschnittlich zwischen 12-22 cm angestiegen24 Ak-tuelle Satellitenmessungen zeigen dass er sich gegen-waumlrtig um 33 mm pro Jahr erhoumlht25 Dies hat im Wesent-lichen zwei Ursachen Zum einen tragen die veraumlnderten Abflussregime der Gebirgsgletscher sowie die beiden Festlandeisschilde auf Groumlnland und der Antarktis zur Erhoumlhung des Meeresspiegels bei Zum anderen dehnt sich der Wasserkoumlrper als physika lische Reaktion der Erwaumlrmung der Ozeane auch staumlrker aus ndash rund 18 mm gehen momentan auf das Konto dieser thermischen Aus-

dehnung Der gegenwaumlrtige Anstieg des Meeresspiegels mag zurzeit noch harmlos erscheinen aber die Anstiegs-rate wird vermutlich in Zukunft nicht auf ihrem momen-tanen Niveau verweilen Vielmehr wird damit gerechnet dass sie umso rascher ansteigen wird je schneller die Temperaturen die Eismassen zum Schmelzen bringen (siehe auch Kapitel 33)

n Zunahme extremer Wetterereignisse

Die Erkenntnisse der Physik legen nahe dass ein Anstieg der globalen Temperaturen auch zu einer Zunahme wet-terbedingter Extremereignisse in bestimmten Regionen der Erde fuumlhrt Um jedoch eine Antwort auf die Frage zu finden ob im Rahmen des globalen Klimawandels extreme Wetterereignisse zugenommen haben ist es erforderlich Zeitreihen uumlber mehrere Jahrzehnte aus-zuwerten Das Ergebnis Waumlhrend wetterunabhaumlngige Ereignisse wie Erdbeben oder Tsunamis sich im Grunde nicht veraumlndert haben kommen Starkniederschlags-ereignisse heftige Stuumlrme Hochwasser Duumlrren und auszligergewoumlhnliche Hitzeperioden weltweit immer haumlu-figer vor

Es ist niemals moumlglich einen eindeutigen Kausalzusam-menhang zwischen einem einzelnen Extremwetterereig-nis und dem menschgemachten Klimawandel herzustel-len da Aussagen uumlber das Klima die Betrachtung eines mindestens 30-jaumlhrigen Zeitabschnitts voraussetzen Der Trend im Hinblick auf Anzahl Heftigkeit und Ort des Auftretens von Extremwetterereignissen ndash nicht das Einzelereignis fuumlr sich genommen ndash ist fuumlr Beschrei-

Info-Kasten 2 Was ist eine Wetterkatastrophe

Sturm ist nicht gleich Sturm denn die Auswirkungen sind abhaumlngig davon in welcher Region der Sturm stattfindet Ereignet sich ein Sturm in der Wuumlste so wird in der Regel nicht von einer Wetterkatastrophe gesprochen weil Menschen nicht davon betroffen sind Zu einer Katastrophe wird ein Sturm erst dann wenn er Menschen oder deren Sachguumlter in groszligem Maszlige schaumldigt Wetterkatastrophen ereignen sich demnach dort wo extreme Wetterereignisse auf eine dafuumlr anfaumlllige Gesellschaft treffen Eine Zunahme an Wetterkatastrophen kann somit zwei wesentliche Ursachen haben 1 Eine tatsaumlchliche Zunahme extremer Wetter-

ereignisse und 2 eine Erhoumlhung der Vulnerabilitaumlt (Verletzlichkeit)

wegen nicht ausreichend eingefuumlhrter Schutz-maszlignahmen bzw einer nicht angepassten Lebens weise des Menschen an seine Umgebung Dies kann die Besiedlung bisher wenig genutz-

ter oumlkologisch sensibler Raumlume umfassen Um-welteingriffe (z B erosionsanfaumlllige Boumlden nach Abholzung oder groumlszligeres Hochwasserrisiko nach der Begradigung von Fluumlssen) oder aber auch den Anstieg der Bevoumllkerung in Gebieten klimatischer Risikozonen

In den vergangenen 60 Jahren ist dabei nicht nur eine Zunahme wetterbedingter Naturkatastrophen zu be-obachten auch haben die volkswirtschaftlichen bzw versicherten Schaumlden durch extreme Wettereignisse zugenommen (siehe Abbildung 8) Auch wenn die-se Zunahme zum groszligen Teil noch auf soziooumlko-nomischen Veraumlnderungen wie Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum zuruumlckzufuumlhren ist und teil-weise auch das Ergebnis natuumlrlicher Schwankungen sein koumlnnte so ist zu erwarten dass der Klimawandel eine immer entscheidendere Rolle spielen wird26

21 Scambos T et al 200422 Hamish D et al 200923 Rignot E et al 2004

24 IPCC 2007a25 Beckley et al 200726 Munich Re 2010

18

Berichte vom Klimawandel ndash Uganda

bdquoDer Klimawandel ist fuumlr alle Ugander bereits Realitaumlt Wir erleben mittlerweile viel mehr waumlrmere Tage und Naumlchte laumlngere ungewohnte Duumlrren und heftige Regenfaumllle auch auszligerhalb der Regenzeit Unsere Bauern und Verbraucher sind irritiert und zeigen mit anklagendem Finger auf die Wetterdienste Was sie aber benoumltigen sind Informationen und Aufklaumlrung was tatsaumlchlich geschieht und ihnen [den Bauern] zeigt wie wichtig es ist die Treibhausgasemissionen einzudaumlmmen Diese Erkenntnis muss zu allen Be-troffenen durchdringenldquo

Kimera Henry Richard Geschaumlftsfuumlhrer Consumer Education Trust Kampala ndash Uganda

Innerhalb der letzten 60 Jahre ist insgesamt eine Zunahme groszliger wetterbedingter Naturkatastrophen zu beobach-ten Quelle Munich Re 2010

bungen des Klimas relevant In einigen Regionen konnte ein Anstieg der Intensitaumlt von klimatisch bedingten Ex-tremereignissen in den letzten Jahrzehnten festgestellt werden

Bei einer allgemeinen Temperaturerhoumlhung verschiebt sich auch die Haumlufigkeit des Auftretens von Hitzewel-len Wie gefaumlhrlich dies sein kann zeigte sich im Som-mer 2003 in Europa als eine Hitzewelle mit den houmlchsten Sommertemperaturen seit mindestens 500 Jahren uumlber 7000027 Menschenlebenforderte und sich zudem nega-tiv auf die Bereiche Landwirtschaft Waldwachstum und Verkehr auswirkte

Ein anderes Extremereignis war die Elbeflut 2002 die viele Staumldte entlang des Elbe-Flusslaufs uumlberflutete Bruumlcken wegspuumllte und ganze Landstriche verwuumlstete

Eine weitere Art extremer Wetterereignisse die waumlh-rend der letzten Dekaden an Zerstoumlrungskraft gewon-nen hat sind starke Tropen- und Winterstuumlrme wie bei-spielsweise der Hurrikan Katrina in den USA oder wie der Sturm Kyrill in Deutschland Ihre Intensitaumlt hat vor allem bedingt durch houmlhere Temperaturen aber auch aufgrund natuumlrlicher dekadischer Schwankungen stark zugenommen28 Die auszligerordentlich starke Hurrikan-

Abb 8 Groszligkatastrophen weltweit (1950-2009)

Geophysikalische EreignisseErdbeben Vulkanausbruch

Hydrologische EreignisseSturzflut Flussuumlberschwem- mung Sturmflut Massen-bewegung (Erdrutsch)

Trend

Meteorologische EreignisseTropischer Sturm Winter-sturm Unwetter Hagel Tornado Lokaler Sturm

Klimatologische EreignisseHitze- Kaumlltewelle WaldbrandDuumlrre

Anzahl

14

12

10

8

6

4

2

01950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005

27 Robine JM et al 200828 Webster PJ et al 2005

19

Berichte vom Klimawandel ndash Kamerun

bdquoFruumlher startete die Regenzeit gewoumlhnlich Mitte Maumlrz aber heute ist es kaum mehr moumlglich vor-herzusagen wann sie beginnt Manchmal haumllt die Trockenzeit zu lange an das Saatgut vertrocknet in der Erde Wenn aber der Regen zu fruumlh einsetzt und es dann viel zu viel regnet koumlnnen wir den Boden nicht bearbeiten und auch nicht aussaumlen Oder die Ernte verdirbt wenn die Regenzeit zu lange dauert Mais zum Beispiel schimmelt wenn er waumlhrend der Regenzeit nicht richtig trocknen kann Auch der Transport wird durch starke Regenfaumllle sehr schwer Deshalb verdirbt die Ernte haumlufiger schon auf den Farmenldquo

Carole Mboube Sekretaumlrin und Baumluerin ADEID (bdquoAktion fuumlr eine gerechte integre und nach hal-tige Entwicklungldquo Umwelt- und Entwicklungs-organisation) Kamerun

Saison in der Karibik und den USA im Jahr 2005 (u a Hur-rikan Katrina) hat direkte Schaumlden von mehr als 150 Mrd US-Dollar verursacht sowie alleine in den USA mehr als 1000 Menschenleben gefordert Vor der Kuumlste Brasili-ens im Suumldatlantik wurde im Jahr 2004 erstmals ein Hur-rikan in der suumldlichen Hemisphaumlre beobachtet29 Auch wenn innerhalb der kommenden Jahrzehnte immer wie-der einmal natuumlrliche Schwankungen die Intensitaumlt star-ker Sturmereignisse beeinflussen werden so wird damit gerechnet dass sich nach 2050 der Effekt der globalen Erwaumlrmung immer deutlicher von diesen natuumlrlichen Dekadenschwankungen abheben wird30

n Ertragsruumlckgaumlnge in der Landwirtschaft

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Nahrungs-mittelertraumlge der Landwirtschaft ergeben sich sowohl aus den Veraumlnderungen von Temperatur und Nieder-schlag als auch aus der Anpassungsfaumlhigkeit der Land- wirtschaft selbst Der IPCC ist zu dem Ergebnis gekom-men dass sich der hydrologische Kreislauf (Wasserkreis-lauf) infolge des Temperaturanstiegs veraumlndert hat Zum Beispiel kam es in vielen Regionen der Nordhalbku-gel im letzten Jahrhundert zu einer Zunahme der konti-nentalen Niederschlaumlge waumlhrend in anderen Regionen (u a Nord- und Westafrika) ein Ruumlckgang zu beobachten war Durch die sich aumlndernden Anbaubedingungen bzw durch unregelmaumlszligige Niederschlaumlge und hohe Tempe-raturen ist es schon heute in vielen Regionen der Erde sehr schwierig mit traditio nellen Anbaumethoden bzw angebauten Pflanzen die notwendigen Ernteertraumlge

zu steigern bzw zu erhalten Besonders betroffen sind dabei die traditionell trockenen Gebiete in denen eine Unterbrechung der Nahrungsmittelversorgung durch die Landwirtschaft bereits heute zu erheblichen huma-nitaumlren und wirtschaftlichen Problemen fuumlhrt

Diese Anzeichen zeigen einerseits dass der Klimawan-del schon heute deutliche Spuren im Leben der Men-schen hinterlassen hat und stuumltzen damit die nuumlchternen Datenreihen der Wissenschaftler Andererseits sind sie auch erste Vorboten dafuumlr was zukuumlnftig und im Zuge weiter ansteigender Temperaturen noch an Auswirkun-gen des Klimawandels auf uns zukommen kann

n Oumlkosysteme in der Falle

Weltweit findet ein dramatischer Artenschwund in der Tier- und Pflanzenwelt statt der sich waumlhrend der ver-gangenen 50 Jahre stark beschleunigt hat und zu Beginn des 21 Jahrhunderts um den Faktor 100 bis 1000 uumlber dem natuumlrlichen Wert liegt31 Neben direkten mensch-lichen Auswirkungen wie der Umwandlung natuumlrlicher Oumlkosysteme durch eine immer intensiver werdende Landwirtschaft die Zergliederung durch Siedlungen und Verkehrswege sowie den Raubbau natuumlrlicher Res-sourcen hinterlaumlsst auch der Klimawandel in zahlreichen Oumlkosystemen bereits deutliche Spuren Im Zuge der Klimaveraumlnderungen verschieben sich sowohl die Klima- und Vegetationszonen in Richtung der Pole oder in grouml-szligere Houmlhen als auch die klimatischen Jahreszeiten Die Tropen haben sich in 25 Jahren um mehrere Breitengrade ausgedehnt32 Fruumlhlingscharakteristika ndash wie beispiels-weise Blattentfaltung Pflanzenbluumlte Vogelzug und Brutverhalten ndash treten fruumlher ein Um ein Uumlberleben zu ermoumlglichen sind deshalb viele Tier- und Pflanzenarten einerseits gezwungen ihre traditionellen Lebensraumlume aufzugeben und den wandernden Klimazonen zu folgen sowie andererseits auch ihr saisonabhaumlngiges Verhalten an die jahreszeitliche Verschiebung anzupassen

Nicht allen Arten ist jedoch eine derartige Anpassung an die sich veraumlndernden Rahmenbedingungen moumlglich da sie sehr eng an spezifische Klimaregime und arttypische Rhythmen gebunden sind Zu den ersten Opfern gehoumlren insbesondere die artenreichsten Oumlkosysteme wie etwa die Regenwaumllder in Brasilien die Korallenriffe im Suumldpa-zifik oder die Flora und Fauna der alpinen Regionen und der Arktis In diesen Gebieten koumlnnen viele Tiere und Pflanzen mit dem Tempo des Klimawandels nicht mehr mithalten sterben aus und hinterlassen tiefe Luumlcken in Nahrungsketten und natuumlrlichen Gefuumlgen

29 Swiss RE 2004 330 Walsh K 2004

31 Millennium Ecosystem Assessment 200532 Seidel DJ 2008

20

Tem

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C)

23 Der menschgemachte Treibhauseffekt

Das Klima unserer Erde hat in der Erdgeschichte immer wieder spektakulaumlre Wandlungen vollzogen Innerhalb der vergangenen zwei bis drei Millionen Jahre pendel-te es beispielsweise regelmaumlszligig zwischen Kalt- und Warmphasen hin und her Diese Pendelbewegung laumlsst sich sehr gut fuumlr die letzten 800000 Jahre anhand von Eisbohrkernen insbesondere aus der Antarktis belegen Sie ist das Ergebnis zyklischer Schwankungen der Erd-umlaufbahn um die Sonne bzw des Neigungswinkels der Erdachse (siehe Abbildung 9) Hier bestaumltigt sich u a die wichtige Rolle des CO2 als Treibhausgas (siehe weiter unten) Da die Umlaufbahn der Erde zudem ellip-tisch ist bringt sie die Erde in regelmaumlszligigen Abstaumlnden sowohl naumlher an die Sonne heran als auch weiter von ihr weg Die Folge Die Intensitaumlt der Sonneneinstrahlung auf der Erde schwankt auch im Jahreslauf In der Vergan-genheit haben vor allem die Kaltphasen laumlnger angehal-ten (90000 Jahre) als die Warmphasen (10000 Jahre)

rarr Frage In der Erdgeschichte stieg zuerst die Tempe-ratur dann die CO2-Konzentration Ist somit der gegen-waumlrtige CO2-Anstieg nicht eher die Folge als die Ursache der Erwaumlrmung

Abbildung 9 zeigt dass es einen direkten Zusammen-hang zwischen Temperatur und CO2-Gehalt in der At-mosphaumlre gibt Ausloumlser der zyklischen Klimaschwan-kungen innerhalb der letzten 800000 Jahre waren dabei in erster Instanz die regelmaumlszligigen Schwankungen der Erdbahnparameter Diese wirken durch die Umvertei-lung der solaren Einstrahlung direkt auf die Temperatur Der Anstieg der CO2-Konzentration kommt erst in einem zweiten Schritt durch eine positive Ruumlckkopplung und mit einer zeitlichen Verzoumlgerung von rund 800 Jahren zum Tragen Durch die steigenden Temperaturen koumln-nen die sich erwaumlrmenden Ozeane weniger CO2 halten und erhoumlhen dadurch den atmosphaumlrischen CO2-Gehalt ndash die Temperaturen steigen weiter an Somit waren in der Vergangenheit die Erdbahnveraumlnderungen der Ausloumlser fruumlherer Temperaturschwankungen allerdings ist die vollstaumlndige Temperaturentwicklung nur im Zusammen-hang mit einer positiven CO2-Ruumlckkopplung zu erklaumlren Der CO2-Anstieg der erdgeschichtlichen Vergangenheit war also sowohl Folge als auch Ursache der Erwaumlrmung Fuumlr die gegenwaumlrtige Situation koumlnnen jedoch Veraumlnde-

Konzentration (in Teilchen pro MillionMilliarde Volumeneinheit ppmvppbv) der beiden Treibhausgase Kohlendioxid (blau) und Methan (gruumln) in der Erdatmosphaumlre waumlhrend der letzten 800000 Jahre im Vergleich mit der Temperaturentwicklung (rot) Quelle Luumlthi D et al 2008

Abb 9 Temperatur- u Treibhausgasentwicklung in den letzten 800000 Jahren

4

0

-4

-8

-12

CH

4 (p

pbv)

CO

2 (p

pmv)

800

300

700

280

600

260

500

240

400

220

200

180

300800 700 600 500 400 300 200 100 0

Alter (1000 Jahre vor heute)

21

rungen der Erdbahnparameter ausgeschlossen und so-mit der globale Temperaturanstieg der letzten 130 Jahre nur durch den menschgemachten Treibhausgasausstoszlig erklaumlrt werden

Waumlhrend uumlber mehrere Jahrtausende vor allem die langperiodischen Variationen der solaren Einstrahlung fuumlr die Wechselhaftigkeit des Klimas verantwortlich waren so werden auf kuumlrzeren Zeitskalen noch wei-tere Einflussfaktoren deutlich Unterschiedlich starke Sonnenflecken aktivitaumlten lassen die Einstrahlung der Sonnenenergie auf die Erdoberflaumlche schwanken Vul-kanausbruumlche koumlnnen eine Abkuumlhlung bewirken wenn groszlige Mengen Asche in die Atmosphaumlre geschleudert werden und dort die Durchlaumlssigkeit der Sonnenein-strahlung verringern Letzteres war beispielsweise in den Jahren 1991-1993 der Fall die in Folge des Aus-bruchs des philippinischen Vulkans Pinatubo relativ kuumlhl waren33 Auch koumlnnen interne Wechselwirkungen und Ruumlckkopplungsmechanismen zwischen Atmosphaumlre und Ozeanen wie z B El-Nintildeo-Ereignisse das globale Klima uumlber mehrere Jahre hinweg beeinflussen Fazit Das Kli-ma der Erde ist ein aumluszligerst sensibles System welches in der Vergangenheit haumlufig schon auf kleine Aumlnderungen der solaren Einstrahlung empfindlich reagiert hat

Aus neuesten wissenschaftlichen Studien leitet sich eine bdquosehr hohe Sicherheitldquo ab (nach IPCC-Definition in mindestens neun von zehn Faumlllen) dass menschliche Ak-tivitaumlten seit Beginn der Industrialisierung groumlszligtenteils die Erhoumlhung der globalen Durchschnittstemperatur verursacht haben muumlssen Das internationale Wissen-schaftlergremium stuumltzt sich in seiner Aussage uumlber den Beitrag des Menschen an der globalen Klimaaumlnderung im Wesentlichen auf drei Pfeiler die menschgemachte Zunahme von Treibhausgasen die hohe Korrelation zwi-schen globaler Mitteltemperatur und der Kohlendioxid-konzentration in der Vergangenheit sowie Hochrech-nungen mit Klimamodellen34

Vor allem fuumlr die Erwaumlrmung in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts gilt mittlerweile der menschgemach-te Anstieg der Treibhausgasemissionen mit 90 bis 99- prozentiger Wahrscheinlichkeit als Hauptursache Die Menschheit setzt heute durch eine Vielzahl von Prozes-sen groszlige Mengen an Treibhausgasen frei und stellt so-mit selbst einen Klimafaktor im System dar Eine groszlige Bedeutung haben in diesem Zusammenhang insbeson-dere die Verbrennung fossiler Energietraumlger (Braun- und Steinkohle Erdoumll Erdgas) die groszligflaumlchige Aumlnderung der Landnutzung (z B Rodung von Waumlldern) landwirt-

Tabelle 1 Die wichtigsten anthropogenen Treibhausgase

33 Schoumlnwiese CD 200434 Graszligl H 1998

Ppmppb (parts per millionbillion = Teilchen pro MillionMilliarde Teilchen) Relative Maszligangabe die in der Klima-wissenschaft beispielsweise das Konzentrationsniveau von Treibhausgasen in der Atmosphaumlre beziffert Eine atmos-phaumlrische Konzentra tion von 387 ppm bedeutet dass das Volumen von 387 Teilchen CO2 im Volumen von einer Millionen Luftteilchen enthalten ist Quelle WMO 2008

Spurengas

Kohlendioxid (CO2)

Methan (CH4)

Distickstoff-oxid (N2O Lach gas)

Anthropogene Herkunft

Verbrennung fossiler Energietraumlger Waldrodungen und Bodenerosion Holzverbrennung

Reisanbau Viehhaltung Erdgaslecks Verbren-nung von Biomasse Muumllldeponien Nut-zung fossiler Energien

Verbrennen von Bio-masse und fossilen Ener gie traumlgern Duumlngemitteleinsatz

Derzeitige (und vorindustrielle) Konzentration

ca 387 (280) ppm

ca 1797 ppb (730 ppb)

319 3218 (270) ppb

Konzentrations-anstieg pro Jahr (Durchschnitt 1998-2008)

193 ppm

25 ppb

0788 ppb

Anteil am an-thropogenen Treibhauseffekt(seit 1750)

635

182

62

Treibhaus-potential pro Teilchen CO2 = 1

1

ca 23

ca 200-300

22

schaftliche Taumltigkeiten (v a Viehwirtschaft und Reis-anbau) und industrielle Prozesse sowie Verkehr Dieser menschliche Einfluss ist verantwortlich fuumlr den signifi-kanten Konzentrationsanstieg von Treibhausgasen in der Atmosphaumlre seit Beginn der Industrialisierung (siehe Tabelle 1) und die dadurch ausgeloumlste Verstaumlrkung des Treibhauseffektes Daher bezeichnet man den Anteil am gesamten Treibhauseffekt den der Mensch durch sein Handeln verursacht als menschgemachten oder anthro-pogenen Treibhauseffekt

Die drei Hauptverursacher des menschgemachten Treib-hauseffektes sind Kohlendioxid Methan und Distick-stoffoxid Das Treibhausgas CO2 ist dabei der Haupt-faktor menschlicher Treibhausgasemissionen und traumlgt mit ca 635 Prozent zum menschgemachten Anteil am Treibhauseffekt bei Der Beitrag von Methan (CH4) liegt bei etwa 182 Prozent (siehe Tabelle 1) Distickstoffoxid (N2O Lachgas) hat einen Anteil von 62 Prozent

Neben diesen Gasen gehoumlren auch industriell erzeugte Gase wie Fluorkohlenwasserstoffe (FKWs) zu den wich-tigsten anthropogenen Treibhausgasen Ozon (O3) wird nicht direkt ausgestoszligen sondern entfaltet seine Wirk-samkeit als Folgeprodukt u a bei der Verbrennung fos-siler Energietraumlger35

rarr Frage Ist nicht Wasserdampf statt CO2 das wich-tigste Treibhausgas

Wasserdampf ist das Treibhausgas mit der houmlchsten na-tuumlrlichen Konzentration in der Atmosphaumlre und mit rund zwei Dritteln am natuumlrlichen Treibhauseffekt beteiligt Riesige Mengen Wasserdampf verdunsten taumlglich aus den Ozeanen in die Atmosphaumlre kondensieren und fallen als Niederschlag wieder zu Boden Innerhalb von nur 10 Tagen wird dabei die gesamte Menge an Wasserdampf auf der Erde einmal ausgetauscht Beim anthropogenen Treibhauseffekt jedoch spielt Wasserdampf kaum eine Rolle Denn anders als es beim CO2 der Fall ist nimmt die Atmosphaumlre in Abhaumlngigkeit von ihrer Temperatur nur eine begrenzte Menge an Wasserdampf auf Der Mensch kann somit den Wasserdampfgehalt der Atmosphaumlre nicht direkt (auszliger durch den Flugverkehr) sondern houmlchstens indirekt durch die Veraumlnderung der Tempe-ratur bzw die erwaumlrmungsbedingte Veraumlnderung des Wasserkreislaufs beeinflussen Steigt die Temperatur steigt auch der Wasserdampfgehalt und es intensiviert sich der Wasserkreislauf Damit wirkt Wasserdampf als Verstaumlrker der globalen Erwaumlrmung und wird deshalb auch in allen Klimamodellen beruumlcksichtigt Allerdings verbleibt der Wasserdampf durch menschliche Aktivitauml-ten ausgeloumlst nur fuumlr kurze Zeit und in vergleichsweise geringen Mengen in der Atmosphaumlre Aus diesen Gruumln-den ist der Anteil von Wasserdampf am anthropogenen Treibhauseffekt vernachlaumlssigbar gering

Bohrungen im antarktischen Eis zeigen (siehe Abbildung 9) dass die CO2-Konzentration der Atmosphaumlre in den vergangenen 800000 Jahren nie uumlber 300 ppm lag36 Seit Beginn der Industrialisierung zum Ende des 19 Jahrhun-derts stieg sie jedoch um 38 Prozent an und betrug 2009 im Jahresmittel bereits 387 ppm Allein innerhalb der letzten Dekade (2000-2008) wuchs der atmosphaumlrische CO2-Anteil mit einer jaumlhrlichen Rate von etwa 19 ppm37

1990-1999 waren es noch durchschnittlich 15 ppm pro Jahr gewesen Die Methankonzentration steigerte sich sogar um 157 Prozent seit Ende des 19 Jahrhunderts38

Allerdings gibt es auch menschliche Handlungen mit ei-nem kuumlhlenden Effekt beispielsweise die industriellen Emissionen von Schwefeldioxid (SO2)39 Dieses reflek-tiert Sonnenlicht zuruumlck in den Weltraum und kann zu-dem die Bildung von Wolken ausloumlsen Beide Prozesse tragen dazu bei dass weniger Sonnenstrahlen die Erd-oberflaumlche erreichen Schwefeldioxid hilft also die Erde direkt oder durch Wolkenbildung indirekt zu kuumlhlen Ins-gesamt aber uumlberwiegt der Ausstoszlig erwaumlrmend wirken-der Treibhausgase deutlich (siehe Tabelle 2)

24 Belege fuumlr den menschlichen Einfluss auf das Klima

Wenn man bei der Simulation der Temperaturentwick-lung der letzten eineinhalb Jahrhunderte sowohl die natuumlrlichen als auch die menschgemachten Faktoren mit einbezieht laumlsst sich der tatsaumlchliche Temperaturver-lauf fuumlr viele Regionen der Erde sehr genau simulieren (siehe Abbildung 3 S10) Die Simulation der natuumlr lichen Entwicklung beschraumlnkt sich dabei auf die Faktoren bdquoVariation der Solarstrahlungrdquo bdquoVulkanausbruumlcherdquo und bdquoEl-Nintildeo-Ereignisserdquo Der menschliche Einfluss auf die Klimaentwicklung hingegen bezieht nur die Faktoren bdquoTreibhausgasemissionenrdquo und bdquoEmissionen von Sulfat-aerosolenrdquo mit ein

Bereits die Simulation der menschgemachten Faktoren wuumlrde eine plausible Erklaumlrung fuumlr den groumlszligten Teil der beobachteten Temperaturentwicklung liefern Die Inte-gration beider Faktorenbuumlndel hingegen stellt eine noch groumlszligere Annaumlherung an die in der Realitaumlt beobachtete Entwicklung dar Allerdings schlieszligt dies nicht prinzi-piell die Moumlglichkeit aus dass noch weitere Faktoren eine begrenzte Rolle fuumlr den Temperaturanstieg gespielt haben koumlnnten

rarr Frage Ist nicht die Aumlnderung der Sonnenstrahlung bedeutender als der menschliche Einfluss

Aumlnderungen der solaren Leuchtkraft sind auf unter-schiedlichen Zeitskalen ein wichtiger Grund von Klima-

35 WMO 2008 36 Luumlthi D et al 200837 Global Carbon Project 2009

38 IPCC 2007a39 IPCC 2001

23

aumlnderungen Relativ geringe Schwankungen der Sonnen-fleckenaktivitaumlt haben das Klima in der Erdgeschichte bedeutend mitgepraumlgt und geringfuumlgige Abschwaumlchun-gen der Strahlungsintensitaumlt wiederholt zu signifikanten Abkuumlhlungserscheinungen gefuumlhrt Als juumlngere Beispie-le des solaren Einflusses gelten die Kleine Eiszeit (1350 bis 1880 n Chr) sowie das Mittelalterliche Waumlrmeopti-mum (950 bis 1250 n Chr) Innerhalb des Zeitraums seit der Industrialisierung bis heute spielen Aumlnderungen der Sonnenstrahlung jedoch eine weniger bedeutende Rol-le Vor allem fuumlr die zweite Haumllfte des 20 Jahrhunderts ist der beobachtete Anstieg der globalen Durchschnitts-temperatur hauptsaumlchlich durch den menschgemachten Treibhausgasausstoszlig verursacht worden (siehe Abbil-dung 3 S10)

Die Betrachtung des Strahlungsantriebs unterschied-licher groszligraumlumig wirksamer Klimafaktoren (Tabelle 2) und die daraus berechneten Temperatursignale unter-stuumltzen die Hypothese dass der Mensch uumlber die Treib - hausgase einen deutlich groumlszligeren Einfluss auf die Tem-peraturveraumlnderung seit 1880 genommen hat als natuumlr-liche Faktoren Insgesamt sind das demnach ca 07 degC was in etwa dem beobachteten Anstieg von 08 degC im 20 Jahrhundert entspricht Die natuumlrlichen Klimasignale sind demgegenuumlber relativ klein und treten episodisch bzw fluktuativ auf haben also zu dem Langfristtrend der letzten 130 Jahre kaum beigetragen

Insgesamt ist die Antwort auf die Frage ob sich das Kli-ma aumlndert und ob der menschgemachte Treibhauseffekt in den letzten Jahrzehnten wesentlicher Antrieb dieser Veraumlnderung war nicht mehr wissenschaftlich umstrit-ten Diskutiert wird lediglich uumlber das genaue Ausmaszlig und die zu erwartenden Konsequenzen in verschiedenen Regionen

40 Die natuumlrlichen internen Schwankungen des Klimas sind das bdquoRauschenrdquo gegenuumlber dem sich Klimaaumlnderungen durch be-stimmte externe Anstoumlszlige ob durch natuumlrliche Ursachen oder den Menschen als bdquoSignalrdquo abheben Will man eine unge-woumlhnliche Klimaaumlnderung wie z B die Erwaumlrmung der letzten Jahrzehnte erklaumlren so muss man zunaumlchst untersuchen ob es sich dabei um ein Phaumlnomen handelt das sich signifikant von

dem natuumlrlichen bdquoRauschenrdquo des Klimas unterscheidet und nicht als natuumlrliche interne Variabilitaumlt erklaumlrt werden kann Falls das so ist muss man in einem zweiten Schritt versuchen die Ursache des bdquoSignalsrdquo herauszufinden also zu bestim-men ob es durch natuumlrliche oder anthropogene externe Antriebsfaktoren bedingt ist Vgl Schoumlnwiese CD 20048

(a) anthropogen Pinatubo-Ausbruch 1991 24 Wm2 1992 32 Wm2 1993 09 Wm2Quellen IPCC 2007a Schoumlnwiese CD 2004

Tabelle 2 Groszligraumlumig wirksame Klimafaktoren und die zugehoumlrigen Strahlungsantriebe und Temperatursignale (seit 1880)

Klimafaktor

Treibhausgase TR (a)

Sulfataerosol SU (a)

Kombiniert TR + SU (a)

Vulkaneruptionen

Sonnenaktivitaumlt

El NintildeoSouthern Oscillation

Strahlungsantrieb

207 bis 253 Wm2

-01 bis -09 Wm2

18 bis 243 Wm2

max -1 bis -3 Wm2

006 bis 03 Wm2

ndash

Signal40

09 bis 13 degC

-02 bis -04 degC

05 bis 07 degC

-01 bis -02 degC

01 bis 02 degC

02 bis 03 degC

Signalstruktur

Progressiver Trend

Uneinheitl Trend

Uneinheitl Trend

Episodisch (1-3 Jahre)

Fluktuativ (+ Trend)

Episodisch

24

Infolge der Erderwaumlrmung geraten immer mehr Eismassen in Arktis und Antarktis ins Schmelzen und rutschen ins Meer

Foto

Ger

linde

Hof

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er p

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net

25

Neben den Ursachen und den bereits gegenwaumlrtig beo-bachteten Auswirkungen des Klimawandels sind insbe-sondere Aussagen uumlber das zukuumlnftige Klima von groszliger Wichtigkeit Die zentrale Frage dabei ist Wie veraumlndert sich das globale Klima infolge des weiteren Ausstoszliges von Treibhausgasen und mit welchen Auswirkungen fuumlr Mensch und Natur

Um abschaumltzen zu koumlnnen in welchem Ausmaszlig Treib - hausgasemissionen verringert und Anpassungs maszlig nah-men ergriffen werden sollen werden wissenschaftlich fundierte Aussagen uumlber die zukuumlnftigen Auswirkungen des Klimawandels benoumltigt Klimaforscher stellen hier-fuumlr sogenannte bdquoSzenarienldquo auf Sie legen also zunaumlchst unterschiedliche Grundannahmen uumlber die Entwicklung von Bevoumllkerung Technologien Wirtschaft etc fest und kommen dementsprechend zu einer Vielfalt moumlglicher bdquoZukunftsvorstellungenldquo die dann als bdquoProjektionenldquo bezeichnet werden Bei der Betrachtung dieser Projek-tionen ist zu beachten dass sie auf einer begrenzten Anzahl von Annahmen beruhen also Aussagen uumlber moumlgliche Zukunftstrends Sie koumlnnen demnach keine sicheren Prognosen liefern Trotz ihrer Einschraumlnkung bieten Szenarien jedoch eine gute Grundlage um Wenn-Dann-Entscheidungen zu treffen auch wenn gewisse Unsicherheiten verbleiben

3 Klimawandel der ZukunftTabelle 3 zeigt eine Uumlbersicht uumlber die zentralen Szenarien die die Grundlage der dritten und vier-ten Sachstandsberichte des IPCC waren Aus den Annahmen zu Aspekten wie oumlkonomischer und sozia-ler Entwicklung Bevoumllkerungswachstum Ausbreitung neuer Technologien etc ergibt sich dass die B-Szena-rien grundsaumltzlich einen geringeren Anstieg der CO2-Emissionen projizieren (siehe Abbildung 10) Wenngleich z B die Ausbreitung von klimafreundlichen Energietechnologien in dem fuumlr die Erreichung der opti-mistischen Szenarien notwendigen Ausmaszlig wahrschein-lich auf foumlrderliche politische Rahmenbedingungen an-gewiesen ist beziehen diese Szenarien nicht explizit po-litisch vereinbarte Klimaschutzziele wie die Umsetzung des Kyoto-Protokolls mit ein

Generell kommen alle Szenarien bei der Berechnung der Temperaturaumlnderungen bis etwa 2030 zu aumlhnlichen Ergebnissen und laufen erst danach deutlich auseinan-der Dieser Umstand ist vor allem darin begruumlndet dass sich technische Umbauprozesse des Energie- Verkehrs- und Gebaumludesystems weltweit uumlber Jahrzehnte hinzie-hen und die Atmosphaumlre ndash vor allem wegen der nur lang-samen Erwaumlrmung der Meere ndash auf die Treibhausgase um Jahrzehnte verzoumlgert reagiert41

Szenarien - familie

Leitgedanken Technologien wirtschaftliche Strukturen

Weltbevoumllkerung

A1 Konvergenz zwischen Regionen

Schnelles Wirtschafts wachs tum schnelle Einfuumlhrung effizienter Technologien (A1FI fossil-intensiv A1T nicht-fossil A1B gemischt)

Ab Mitte 21 Jh abnehmend

A2 Heterogene Welt Entwicklung aus eigener Kraft

Technologische Entwicklung und Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen langsam und regional stark unter-schiedlich

Kontinuierlich wachsend

B1 Konvergenz zwischen Regionen Fokus auf Nachhaltigkeit + Gerechtigkeit

Schneller Wandel in Richtung Dienstleistungs- und Informations-oumlkonomie abnehmende Material-intensitaumlt saubere + ressourcen-schonende Technologien

Ab Mitte 21 Jh abnehmend

B2 Heterogene Welt Fokus auf Nachhaltigkeit + Gerechtigkeit

Entwicklung relativ langsam und sehr heterogen

Wachsend (aber langsamer als in A2)

Tabelle 3 Die zugrundeliegenden Annahmen der Szenarien des IPCC

Quelle IPCC 2007a

41 IPCC 2007a

26

31 Veraumlnderungen der Klimaparameter

Die Ergebnisse der IPCC-Szenarienberechnungen zei-gen die Bandbreite der zu erwartenden Entwicklung fuumlr die wichtigsten Klimaparameter ndash Temperatur Niederschlaumlge und Wind ndash sowie den Meeresspiegel und Extremwetterereignisse Laumlngerfristig haumlngt die Veraumlnderung der Klimaparameter dabei sehr stark vom globalen Emissionsausstoszlig und hierbei insbe-sondere von der Entwicklung der weltweiten CO2-Emissionen ab Je groumlszliger die Emissionen und damit der Temperaturanstieg desto groumlszliger die Risiken Im folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der IPCC-Szenarienberechnungen zusammengefasst

n Anstieg der Treibhausgaskonzentration Die CO2- Konzentration wird nach verschiedenen Stabilisierungs-szenarien im Jahr 2100 zwischen 350 und 790 ppm betra-gen (vgl heute 387 ppm siehe Tabelle 1)42 Das Niveau am unteren Ende der Skala wird nur bei sehr drastischem Klimaschutz erreicht werden koumlnnen Um zwei Grad Temperaturanstieg nicht zu uumlberschreiten muumlssten die

globalen Emissionen bis 2050 global um mindestens 80 Prozent gegenuumlber 1990 sinken43 Neben den unter-schiedlichen Grundannahmen der Szenarien ruumlhrt die groszlige Bandbreite der Vorhersagen auch von der Un-sicherheit uumlber die Fortdauer der Senkenfunktion von Ozeanen und des tropischen Regenwaldes her

n Erhoumlhung der weltweiten Durchschnittstemperatur Bis zum Jahr 2100 wird eine Erhoumlhung der mittleren globalen Erdoberflaumlchentemperatur von 11 bis 64 degC gegenuumlber 1990 projiziert44 Diese Werte sind etwa zwei- bis neunmal houmlher als die beobachtete Erwaumlrmung waumlhrend des 20 und beginnenden 21 Jahrhunderts Betrachtet man die am besten gesicherten Schaumltzungen (bdquobest guessldquo) der jeweiligen Szenarien ergibt sich eine Spannbreite von etwa 18 bis 40 degC Der IPCC rechnet damit dass die Klimasensitivitaumlt ndash also der bei Verdop-pelung der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre erwar-tete Temperaturanstieg ndash etwa 3 degC betragen koumlnnte45

Allerdings sind hierbei nicht alle moumlglichen Ruumlckkopp-lungsprozesse beruumlcksichtigt die zum Teil schwer zu quantifizieren sind Einige Studien die auch langfristige Effekte wie die CO2-Aufnahmekapazitaumlt der Ozeane die Veraumlnderungen der Oberflaumlchenalbedo ndash der Anteil der

Die schwarze Linie in der linken Haumllfte des Diagramms zeigt die Messwerte bis zum Jahr 2000 Die drei oberen Linien stehen dabei fuumlr drei standardisierte Szenarien zum weiteren CO2-Ausstoszlig Besonders warm wuumlrde es demnach im A2-Szenario werden (rote Linie) Die orange Linie zeigt den Anstieg der Globaltemperatur selbst wenn alle Emissio-nen im Jahr 2000 gestoppt werden wuumlrden (durch die Traumlgheit des Systems) Die Balken repraumlsentieren die Spannwei-te der Resultate aller IPCC-Klimamodelle Quelle IPCC 2007a

Abb 10 Temperaturkurven der IPCC-Leitszenarien bis 2100

Tem

pera

turauml

nder

ung

(degC

)

60

50

40

30

20

10

00

-10

A2A1BB1Konzentrationsstabilisierung auf dem Niveau des Jahres 200020 Jahrhundert

1900 20002000

Jahr

2100

B1 A1T

B2 A1B

A2

A1F

I

42 IPCC 2007a 43 Meinshausen M et al 2006

44 IPCC 2007a45 IPCC 2007a

27

Sonnenstrahlung der reflektiert wird ndash oder die Veraumln-derung der Eisschilde beruumlcksichtigen halten jedoch auch eine Klimasensitivitaumlt von bis zu 6 degC fuumlr moumlglich46 Die IPCC-Szenarien koumlnnten folglich sogar die moumlg-lichen Erwaumlrmungseffekte unterschaumltzen

In jedem Fall wird die Erwaumlrmung nicht gleichmaumlszligig stattfinden sondern uumlber Landflaumlchen staumlrker ausge-praumlgt sein als uumlber den Ozeanen Auszligerdem ist davon auszugehen dass die Temperaturen in den hohen Brei-ten sowie in Gebirgsregionen vor allem im Winter uumlber-durchschnittlich ansteigen werden

n Intensivierung des hydrologischen Kreislaufs Bei weltweiter Betrachtung ist bis 2100 eine Steigerung der Niederschlagssummen um bis zu 20 Prozent zu erwarten da eine erwaumlrmte Atmosphaumlre auch mehr Wasserdampf aufnehmen kann Gerade beim Niederschlag wird je-doch ein stark raumlumlich differenziertes Bild projiziert Als Faustregel gilt dass in solchen Gebieten die be-reits eine ausreichende Niederschlagsmenge erhalten von einer deutlichen Steigerung auszugehen ist die mit staumlrkeren Schwankungen der Regenmengen zwischen den einzelnen Jahren einhergeht In Regionen die be-reits unter Wassermangel leiden wird hingegen eine Verschaumlrfung erwartet mit einzelnen auszligergewoumlhnlich starken Niederschlagsereignissen Folge des intensi-vierten hydrologischen Kreislaufs wird also insgesamt eine Aumlnderung der Haumlufigkeit Intensitaumlt und Dauer von Starkniederschlaumlgen sein (siehe auch 32)47

n Tropische Wirbelstuumlrme Obgleich Aussagen uumlber die zukuumlnftige Entwicklung tropischer Wirbelstuumlrme mit groszligen Unsicherheiten behaftet sind ist es wahrschein-lich dass zukuumlnftige tropische Wirbelstuumlrme in einer waumlrmeren Welt und in Verbindung mit dem Anstieg der Meeresoberflaumlchentemperaturen in den Tropen intensi-ver werden48

32 Zunahme von wetterbeding-ten Extremereignissen

Bei houmlheren Temperaturen erhoumlht sich auch das Risiko von Starkniederschlaumlgen und Uumlberschwemmungen da waumlrmere Luft mehr Wasser aufnehmen kann Weiter muss damit gerechnet werden dass sich vor allem in bereits trockenen Regionen die Wahrscheinlichkeit von mehr Hitzewellen Duumlrreperioden und Waldbraumlnden erhoumlhen wird Extremwetterereignisse wie z B die Hit-zewelle 2003 in Europa koumlnnten in der zweiten Haumllfte dieses Jahrhunderts schon in jedem zweiten Jahr in Eu-ropa auftreten Auch wird erwartet dass tropische Wir-belstuumlrme in der Karibik und in Suumldasien sowie heftige Winterstuumlrme uumlber Europa in Zukunft mehr Zerstoumlrun-gen anrichten werden49

33 Anstieg des MeeresspiegelsAussagen uumlber den Meeresspiegelanstieg der Zukunft sind mit groszligen Unsicherheiten behaftet Die Modell-projektionen des IPCC ergeben einen Meeresspiegelan-stieg bis zum Jahr 2100 um 18 bis 59 cm je nach Szena-rio und Modell Nicht enthalten ist darin allerdings die Gefahr eines Abrutschens des groumlnlaumlndischen Eisschilds oder des Eispanzers der Westantarktis Dadurch koumlnn-te der Meeresspiegelanstieg deutlich houmlher ausfallen Insbesondere neuere Daten lassen die Vermutung auf-kommen dass der Meeresspiegel schneller reagieren koumlnnte als noch 2007 in den Klimamodellen des IPCC aufgezeigt Seit Anfang der 1990er Jahre ist der Mee-resspiegel jaumlhrlich um 33 mm gestiegen knapp doppelt so schnell wie im Durchschnitt des 20 Jahrhunderts und vom IPCC vorhergesagt (19 mmJahr)50

Diese Ergebnisse zeigen dass die tatsaumlchliche Entwick-lung des Meeresspiegels mittlerweile die pessimistisch-sten Projektionen des IPCC von 2007 uumlbertrifft (siehe Abbildung 11) Im Kontext der signifikanten Beschleuni-gung des Anstiegs wird eines immer deutlicher Je houmlher die Temperaturen steigen umso schneller erhoumlht sich auch der Wasserpegel Vor diesem Hintergrund kommen neuere Studien die die Korrelation von Temperatur und Meeresspiegelanstieg im 20 Jahrhundert in die Zukunft projizieren und dabei sowohl die thermische Ausdeh-nung des Wasserkoumlrpers als auch die Dynamik der gro-szligen Eisschilde beruumlcksichtigen zu einer anderen Aussa-ge Selbst bei einem relativ niedrigen Emissionsszenario mit einer Erwaumlrmung um zwei Grad Celsius bis Ende des 21 Jahrhunderts wird der Meeresspiegel wahrscheinlich um mehr als einen Meter ansteigen Bei ungebremsten Emissionen und einem Temperaturanstieg von mehr als vier Grad Celsius gegen 2100 koumlnnte der Anstieg sogar mehr als 140 cm betragen Werden saumlmtliche Emissions-szenarien und die geschaumltzten Unsicherheiten beruumlck-sichtigt ergeben sich Werte zwischen 75 und 190 cm51 Bereits der Anstieg um einen Meter wuumlrde ndash ohne ent-sprechende Schutzmaszlignahmen ndash in Bangladesch und Vietnam ca 3 Millionen bzw 25 Millionen Hektar Land-flaumlche uumlberfluten In Bangladesch wuumlrden dadurch ca 15-20 Millionen Menschen vertrieben in Vietnam etwa 10 Millionen Menschen52

Der Meeresspiegelanstieg wird dabei an den Kuumlsten der Erde unterschiedlich ausfallen Erstens steigt der abso-lute Meeresspiegel nicht uumlberall gleich da ein regional unterschiedlicher Temperaturanstieg eng verknuumlpft mit Veraumlnderungen der Meeresstroumlmungen die Neigung der Meeresoberflaumlche beeinflusst Zweitens hebt oder senkt sich auch das Land an manchen Kuumlsten An den deutschen Nordseekuumlsten beispielsweise werden beide Effekte dazu beitragen dass der Meeresspiegel mehr als im globalen Mittel ansteigt Entscheidend ist allerdings

46 Hegerl CG et al 200647 IPCC 2007a48 IPCC 2007a

49 IPCC 2007a50 Beckley D et al 2007

51 Vermeer M und S Rahmstorf 200952 Conisbee M und A Simms 2003

28

Abb 11 Beobachteter Meeresspiegelanstieg seit 1975

auch dass der Anstieg nicht mit Erreichen des Jahres 2100 aufhoumlren wird selbst wenn wir den Anstieg der Erwaumlrmung bis dahin gestoppt haben sollten In diesem Zusammenhang erwartet der WBGU fuumlr ein moderates Erwaumlrmungsszenario einen Anstieg um ca 300-500 cm bis zum Jahr 230053

34 Kipp-Elemente des Klima-systems und ihre Folgen

Bisher wurden in dieser Publikation als Folge der Erwaumlr-mung vergleichsweise kontinuierliche und langsame Entwicklungen betrachtet auf deren Konsequenzen sich die betroffenen Staaten der Erde vergleichsweise ein-fach einstellen und dementsprechend reagieren und sich anpassen koumlnnen Allerdings belegen die Klimadaten der Erdgeschichte dass auf dem Planeten Erde nicht immer alles glatt und in geregelten Bahnen verlaumluft Das Klima-system der Erde ist ein komplexes nichtlineares System Bereits kleine Stoumlrungen koumlnnen ploumltzliche und tiefgrei-fende Auswirkungen haben selbst wenn die Triebkraumlfte des Klimawandels ndash menschverursachte Treibhausgase ndash gleichmaumlszligig und stetig ansteigen

Die menschliche Hochzivilisation der letzten 10000 Jahre entstand in einer Phase ungewoumlhnlicher Klimasta-

bilitaumlt Diese Stabilitaumlt war eine der grundlegenden Be-dingungen dafuumlr dass menschliche Hochkulturen ent-standen sind Ob sich die Menschheit in Zukunft weiter auf stabile Klimaverhaumlltnisse verlassen kann ist unge-wiss Denn innerhalb des Klimasystems gibt es Regime und Prozesse die besonders empfindlich auf Klimaveraumln-derungen reagieren Diese sogenannten Kipp-Elemente koumlnnten durch den Klimawandel derart gestoumlrt werden dass sie einen bestimmten Temperaturschwellenwert uumlberschreiten und in der Folge in einen grundlegend an-deren Zustand bdquokippenldquo Ein solches Umkippen koumlnnte bei einigen Kipp-Elementen schon bei einem Tempera-turanstieg von 2-3 degC gegenuumlber dem vorindustriellen Niveau eintreten54 Viele Wissenschaftler halten es da-her fuumlr notwendig den mittleren globalen Temperatur-anstieg auf unter zwei Grad gegenuumlber vorindustriellem Niveau zu begrenzen um einen in groszligem Maszligstab ge-faumlhrlichen Klimawandel zu vermeiden (siehe Info-Kasten 3 S 29)55 Dabei liegt die Temperatur heute um 08 degC uumlber dem vorindustriellen Niveau Weitere 06 bis 09 degC sind durch die verzoumlgerte Reaktion des Klimasystems auf bereits ausgestoszligene Treibhausgase vorprogram-miert Es ist also houmlchste Zeit eine Trendumkehr bei den Emissionen einzuleiten und den so genannten Peak der Emissionen herbeizufuumlhren

Mittlerweile liegt der beobachtete Meeresspiegelanstieg uumlber den IPCC-Projektionen Quelle WBGU 2006

SatellitenmessungenLinearer TrendIPCC-Szenarien

Unsicherheitsbereich der IPCC-Szenarien

Mee

ress

pieg

elan

stie

g (c

m)

1995 2000 2005

Jahr

5

4

3

2

1

0

53 WBGU 200654 Kriegler E et al 200955 WBGU 2007

29

Info-Kasten 3 Zwei Grad und nicht mehr

Die Klimaforschung ist sich einig dass der globale Temperaturmittelwert nicht um mehr als zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit steigen darf um einen gefaumlhrlichen Klimawandel zu verhin-dern Diese Zwei-Grad-Leitplanke laumlsst sich auf viel-faumlltige Weise wissenschaftlich untermauern

Waumlhrend der gesamten Entwicklungsgeschichte des modernen Menschen und der Entstehung von Hochkulturen haben zu keinem Zeitpunkt auf glo-baler Ebene houmlhere Temperaturen geherrscht als vorindustrielles Niveau plus zwei Grad Sollten die Temperaturen nun uumlber zwei Grad hinaus anstei-gen so wird es fuumlr den uumlberwiegenden Teil der Weltgemeinschaft aufgrund seiner landwirtschaft-lichen und infrastrukturellen Abhaumlngigkeiten sehr schwierig bis unmoumlglich mit der dann drohenden Beschleunigung des Klimawandels Schritt zu halten

Zusaumltzlich nimmt die Gefahr selbstverstaumlrkender Ruumlckkopplungen und das Risiko des Umkippens von Kipp-Elementen im Klimasystem ab einem Temperaturanstieg uumlber zwei Grad deutlich zu

Auch aus der Analyse geowissenschaftlicher Daten ergibt sich ein sofortiger Handlungsdruck zur Stabilisierung der globalen Temperatur auf unter zwei Grad Eine um drei Grad waumlrmere Erde mit einer at-mosphaumlrischen CO2-Konzentration von uumlber 400ppm gab es zuletzt vor rund drei Millionen Jahren waumlh-rend des Pliozaumlns Damals war die Nordhemisphaumlre nahezu eisfrei und der Meeresspiegel mindestens sieben Meter houmlher als heute Fuumlnf Grad waumlrmere Temperaturen 800ppm CO2 in der Atmosphaumlre und einen 70 Meter houmlheren Meeresspiegel als heute ndash das gab es vor rund 40 Millionen Jahren Sollte es der Weltgemeinschaft nicht gelingen den CO2-Gehalt in der Atmosphaumlre auf unter 450ppm und die Temperatur auf unter zwei Grad zu stabilisieren so droht der Erde langfristig ein Klimaregime wie vor etwa drei Millionen im schlimmsten Fall sogar wie vor etwa 40 Millionen Jahren Viele der heuti-gen Kuumlstenzonen waumlren dann uumlberschwemmt die kontinentalen Gletscher und polaren Eisschilde ver-schwunden fruchtbare Boumlden ausgetrocknet und mehrere Milliarden Menschen auf der Flucht vor extremen Wettereignissen

Die Wahrscheinlichkeit die Zwei-Grad-Leitplanke zu verfehlen steigt mit der Houmlhe der atmosphaumlrischen CO2-Konzentration Um einen gefaumlhrlichen und in vielerlei Hinsicht unbeherrschbaren Klimawandel zu vermeiden muumlssten die globalen Emissionen inner-halb der naumlchsten 4-10 Jahre zu ihrem Houmlhepunkt gelangen und anschlieszligend weltweit um 80 Prozent bis 2050 gesenkt werden

Jedoch bedeutet das Einhalten der Zwei-Grad-Leit-planke nicht fuumlr alle Laumlnder und Oumlkosysteme eine sichere Welt Daher fordern die verletzlichsten Staaten eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 15 Grad (siehe auch Kapitel zu Klimapolitik S 51ff)

Die Karte der Kipp-Elemente (Seite 30) verleiht einen Uumlberblick uumlber Groszligrisiken deren Eintritts-wahrscheinlichkeit jenseits eines bestimmten Tem-peraturanstiegs ndash des jeweiligen Kipp-Punkts ndash deut-lich erhoumlht wird (siehe Abbildung 12)56 Wuumlrden diese Schwellenwerte uumlberschritten koumlnnten ab-rupte starke und unwiderrufliche Veraumlnderungen einsetzen die durch ihre direkten sowie indirek-ten Folgen regional und auch global unzumutbare Schaumlden fuumlr Mensch und Natur erwarten lieszligen Diese Abschaumltzung betrifft u a die negativen Auswirkun-gen fuumlr Oumlkosysteme die Nahrungsmittelproduktion und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung Es koumlnnte sogar ein galoppierender Treibhauseffekt ausgeloumlst werden wenn sich diese Effekte durch ihre Wechselwirkungen gegenseitig aufschaukeln

Dabei gibt es auch Wechselwirkungen die das Tem-po des Klimawandels abbremsen koumlnnten Groszlige Unsicherheiten herrschen z B bei der Abschaumltzung der Rolle von Wolken Bisher sieht es allerdings so aus als sei die Wahrscheinlichkeit fuumlr positive (d h verstaumlrkende hier waumlrmende) Ruumlckkopplungen deutlich groumlszliger als die fuumlr negative Ruumlckkopplungen Einige ausgewaumlhlte Kipp-Elemente und ihre Konse-quenzen werden im Folgenden naumlher erlaumlutert

56 Schellnhuber HJ und C Jaumlger 2006

30

n Kollaps des groumlnlaumlndischen Eisschilds

Noch in seinem letzten Bericht vermutete der IPCC einen sehr langsamen und uumlber tausend Jahre waumlhren-den Schmelzprozess auf Groumlnland als Reaktion auf den weltweiten Temperaturanstieg der vergangenen 130 Jahre Allerdings wurde diese Einschaumltzung nun wider-legt Das Gleichgewicht zwischen Schneeakkumulation (Niederschlaumlge) und Schneeablation (Schmelzen an der Ober- und Unterseite Abfluss ins Meer) scheint auf Groumlnland vor allem innerhalb der letzten Jahrzehnte dramatisch aus der Balance gebracht worden zu sein (siehe Kapitel 2) Zwar ist der Verlust immer noch ge-ring im Verhaumlltnis zur Gesamtmasse doch sollten sich die aktuellen Schmelzprozesse fortsetzen koumlnnte auf Groumlnland der bdquoKipp-Punktldquo erreicht werden jenseits dessen der Abschmelzprozess explosiv schnell ablaumluft Modellrechnungen haben ergeben dass schon bei ei-nem lokalen Temperaturanstieg von etwa 2-4 Grad (ent-spricht etwa 1-2 Grad global) fuumlr Groumlnland der Punkt uumlberschritten werden koumlnnte ab dem ein womoumlglich stark beschleunigt ablaufender Schmelzprozess des

groumlnlaumlndischen Eispanzers ausgeloumlst werden koumlnnte57 Dieser Vorgang waumlre irreversibel da der wegfallende Albedo-Effekt die Aufheizung der Atmosphaumlre massiv verstaumlrken und die Erholung des Eisschildes nur uumlber sehr lange Zeitraumlume erfolgen koumlnnte Der Abschmelzprozess wuumlrde sich dann vermutlich uumlber mehrere Jahrhunderte (300-1000 Jahre) hinziehen und insgesamt zu einem globalen Anstieg des Meeresspiegels von sieben Metern fuumlhren58 Flache Inseln wie die Malediven verschwaumln-den dann voumlllig Kuumlstenregionen wie etwa die groszligen Flussdeltas des Nil oder des Ganges in denen ein Groszligteil der jeweiligen Landesbevoumllkerung lebt muumlss-ten aufgegeben werden ganze Landstriche waumlren dem sicheren Untergang geweiht

n Kollaps des Amazonas-Regenwaldes

Das moumlgliche Umkippen des Amazonas-Regenwaldes in eine Savannenvegetation ist ein weiteres Groszligrisiko im Klimasystem Dadurch koumlnnte die Region die bis-lang viel CO2 bindet ploumltzlich in enormem Ausmaszlig das Treibhausgas freisetzen Dabei verstaumlrken sich drei

Abschmelzen des groumlnlaumlndischen Eisschilds aufgrund nichtlinearer Abschmelzprozesse und weitere Erwaumlrmung durch Albedo-Effekt

Kollaps des arktischen Meereises und Verschaumlrfung der Erwaumlrmung durch Albedo-Effekt Methanfreisetzung durch

Auftauen des sibirischen Permafrostbodens und weitere Erwaumlrmung

Kollaps der borealen Nadelwaumllder und weitere Erwaumlrmung durch Freisetzung von CO2

Bistabilitaumlt des Indischen Sommermonsuns Abschwaumlchung aufgrund von Luftverschmutzung oder Verstaumlrkung durch globale Erwaumlrmung

Kipp-Punkt vor allem von Albedo abhaumlngig nicht von Temperatur

Unterbrechung der arktischen Nahrungskette und massives Korallen-sterben im Pazifik durch Versauerung und Erwaumlrmung

Bistabilitaumlt der Sahel-Zone zuerst Ergruumlnung dann deutlich trockener

Verlangsamung des Nordatlantikstroms aufgrund von erhoumlhtem Schmelzwassereintrag

Abschmelzen des west-antarktischen Eisschilds aufgrund nichtlinearer Abschmelzprozesse

HeftigereEl-Nintildeo-Ereignisse

Kollaps des Amazonas-Regen-walds aufgrund von Land-nutzung und Klimawandel und weitere Erwaumlrmung durch Umkehr der Senkenfunktion

El-Nintildeo

Westantarktis

Sahel-Zone

Nordatlantikstrom

Amazonas-Regenwald

Indischer Sommermonsun

ArktisGroumlnland Permafrost

Nordische Waumllder

Meere

0 degC 1 degC 2 degC 3 degC 4 degC 5 degC 6 degC

Kipp-Elemente gelten als die Achillesfersen des Klimasystems Sollten sie umkippen droht ein gefaumlhrlicher Klima-wandel Quelle Eigene Darstellung nach Lenton T et al 2008

Abb 12 Kipp-Elemente mit Temperaturschwellen (gegenuumlber 1880) die in diesem Jahrhundert angestoszligen werden koumlnnten

57 Kriegler E et al (2009)58 Polyakov I et al 2002

31

Faktoren wechselseitig 1 die Austrocknung durch einen uumlberproportionalen Temperaturanstieg 2 menschliche Aktivitaumlten wie Landnutzungswandel und Abholzung sowie 3 ein eventuelles zukuumlnftiges Ausbleiben des natuumlrlichen Naumlhrstofftransports durch Sandstuumlrme aus der afrikanischen Sahelzone nach Brasilien Viele Beobachter fragen sich seit der extremen Trockenheit im Amazonasgebiet im Jahr 2004 besorgt ob dies erste Vorzeichen eines solchen Prozesses sein koumlnnten So kommt eine Studie amerikanischer Wissenschaftler zu dem Ergebnis dass nach mehr als zwei Jahren extremer Trockenheit viele Baumlume so stark angegriffen sind dass sie beginnen abzusterben59

Ein Umkippen des Amazonas-Regenwaldes haumltte dras-tische Konsequenzen fuumlr die Artenvielfalt sowie die Lebens situation vieler Millionen Menschen in Suumldame-rika und wuumlrde zudem den globalen Treibhauseffekt durch den Ausstoszlig groszliger Mengen an CO2 weiter an-heizen

Der Amazonas-Regenwald ist nur ein Beispiel fuumlr Oumlkosysteme die vom Klimawandel betroffen sind Die Erwaumlrmung die Verschiebung der Klimazonen sowie der zusaumltzliche Stress durch menschliche Aktivitaumlt gefaumlhr-den zahlreiche Systeme und Arten (siehe auch Kapitel 41)

n Bistabilitaumlt des Indischen Monsuns

In den vergangenen zwei Jahren wird auch verstaumlrkt diskutiert wie sich der Indische Monsun durch den Kli-mawandel veraumlndern koumlnnte In fruumlheren Jahren brach-te er in jedem Jahr relativ verlaumlssliche Niederschlaumlge doch dieser Rhythmus scheint zunehmend an Kontinui-taumlt zu verlieren Ungewoumlhnliche Schwankungen haben in den letzten 30 Jahren in ganz Indien immer wieder zu katastrophalen Hungersnoumlten und verheerenden Uumlber-schwemmungen gefuumlhrt

Mittlerweile werden durch das Zusammenspiel von Kli-mawandel und Abstrahlungsveraumlnderungen (Verhaumlltnis von einfallender Strahlung und Abstrahlung = Albedo) aufgrund von Landnutzungsaumlnderungen und vor allem Luftverschmutzung sowohl eine starke Abschwaumlchung wie auch eine Verstaumlrkung der Niederschlaumlge bzw sogar ein Aufeinanderfolgen dieser Prozesse im Sinne eines Achterbahn-Szenarios fuumlr moumlglich gehalten60 Der Be-griff Bistabilitaumlt bezeichnet in diesem Fall die Situation dass das Indische Monsunsystem an bestimmten Ver-zweigungspunkten zwei sehr gegensaumltzliche Zustaumlnde einnehmen koumlnnte Einer fuumlhrt zu uumlbermaumlszligig starken Niederschlaumlgen der andere zu extremer Trockenheit Bereits heute weiszlig man dass schon eine vergleichs-weise geringe Abweichung von zehn Prozent vom durchschnittlichen Monsunniederschlag schwerwiegen-

de Duumlr ren oder Uumlberschwemmungen ausloumlsen kann Ein schwacher Sommermonsun z B kann zu Ernteeinbruuml-chen Nahrungsmittelknappheit Hunger Verschuldung und Armut der laumlndlichen Bevoumllkerung fuumlhren die zwei Drittel der 13 Mrd Bewohner Indiens ausmacht

n Bistabile Entwicklung in der Sahelzone

Eine bistabile Entwicklung wie fuumlr den Indischen Som-mermonsun wird auch fuumlr die Sahelzone fuumlr moumlglich gehalten Bis zur Mitte des 20 Jahrhunderts erlitt nur etwa ein Viertel des Gebiets ernsthafte Duumlrren Zwi-schen 1970 und 1999 gab es dann eine 20-prozentige Abnahme der Niederschlagsmenge so dass schon die Haumllfte der Region von ernsthaften Duumlrren betroffen war Mittlerweile wird ein enger Zusammenhang zwi-schen dem Niederschlagsruumlckgang und der deutlichen Temperaturerhoumlhung im Indischen Ozean die auf den menschgemachten Treibhauseffekt zuruumlckgefuumlhrt wird gesehen61 Dieser hat zu Veraumlnderungen beim Indischen Monsun gefuumlhrt der die Niederschlagsverhaumlltnisse in Afrika entscheidend beeinflusst Bei einer globalen Er-waumlrmung um 25 degC in den naumlchsten Jahrzehnten wird noch innerhalb dieses Jahrhunderts mit einer Veraumlnde-rung der Niederschlagsbedingungen in Richtung deut-lich haumlufigerer und staumlrkerer Niederschlaumlge in der Sa-helzone gerechnet62 Ein Modell das die Vergangenheit besser als die meisten anderen Modelle abbildet geht allerdings davon aus dass ab einem Verzweigungspunkt Mitte des Jahrhunderts wieder deutlich trockenere Klim-abedingungen folgen koumlnnten noch deutlich regen - aumlrmer als zur Zeit der groszligen Sahel-Duumlrre vor einigen Jahrzehnten

59 Mongabay 200660 Zickfeld et al 2005

61 Flannery 200662 Nyong 2006

32

Uumlberschwemmungen in Folge von schweren Unwettern zerstoumlren immer wieder das Hab und Gut von Millionen armer Menschen weltshyweit Sie sind diesen Gefahren haumlufig schutzlos ausgeliefert

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33

Die Auswirkungen des Klimawandels werden regional unterschiedlich ausfallen Obwohl die Industrielaumlnder gegenwaumlrtig fuumlr den groumlszligten Anteil der Erderwaumlrmung verantwortlich sind sind es die Aumlrmsten der Welt die die Auswirkungen des Klimawandels schon heute als erstes und am staumlrksten spuumlren und kuumlnftig noch drastischer darunter leiden werden Waumlhrend der Energieverbrauch in den Industrie- und Schwellen-laumlndern auf hohem Niveau verharrt bzw ansteigt haben rund 15 Milliarden Menschen bzw 22 Prozent der Weltbevoumllkerung keinen Zugang zu elektrischem Strom63 Stattdessen lei den sie schon heute erheb-lich unter Duumlrren Uumlber schwemmungen heftigeren Stuumlrmen und Trink was ser verknappung denn die Klima-wandelfolgen sind in aumlqua torialen Regionen wo viele Entwicklungslaumlnder liegen staumlrker Da sie zudem nur sehr begrenzte Kapazitaumlten haben um sich an diese klimatischen Veraumlnderungen anzupassen trifft sie der Klimawandel um ein Vielfaches staumlrker als die Industrienationen So koumlnnen sich die Niederlande bei-spielsweise bis zu einem gewissen Grad an den Anstieg des Meeresspiegels anpassen in Bangladesch sind hierzu jedoch die noumltigen finanziellen und technologi-schen Mittel wesentlichen knapper Dieses umgekehr-te Verhaumlltnis von Verantwortung fuumlr den Klimawandel und Gefaumlhrdung durch dessen Folgen wirft vieler-lei Fragen im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte auf

Im Folgenden soll zunaumlchst auf die Leidtragenden und die erwarteten Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Umwelt eingegangen werden um dann genauer die Verursacher des Klimawandels aufzuzeigen

41 Die Betroffenen des Klima-wandels Umwelt und Mensch

Welche Auswirkungen haben die in Kapitel 3 genann-ten Szenarien nun auf Mensch und Natur Wer sind die Betroffenen des Klimawandels Zu dieser Frage hat die Klimawissenschaft in juumlngster Zeit die meisten Erkenntnisse gesammelt

Unter der Annahme dass Klimaaumlnderungen in Zukunft nicht gemildert und die Anpassungsfaumlhigkeit durch engagierte Maszlignahmen nicht gefoumlrdert werden er-wartet der IPCC fuumlr das 21 Jahrhundert weitreichen-de Auswirkungen fuumlr verschiedene Erdsysteme und Sektoren die fuumlr Mensch und Umwelt relevant sind Einige Systeme Sektoren und Regionen werden beson-ders betroffen sein Eine Auswahl der wesentlichsten

Erkenntnisse des IPCC uumlber die erwarteten Auswirkun-gen auf Oumlkosysteme Ernaumlhrungs- und Wassersicherheit Gesundheit Wirtschaft und Sicherheit sowie die jewei-lige regionale Betroffenheit aufgrund eines zukuumlnftigen Klimawandels bis 2100 wird im Folgenden dargestellt (siehe Abbildung 13)64

n Oumlkosysteme

Viele Oumlkosysteme sind durch menschliche Einfluumlsse z B Landnutzungsaumlnderungen Verschmutzung und Uumlbernutzung natuumlrlicher Ressourcen ohnehin schon stark gestoumlrt (siehe auch Kapitel 22) Durch die bisher einmalige Kombination dieser Stressfaktoren mit Klima-veraumlnderungen ist eine Verschaumlrfung der Situation und somit eine Uumlberlastung zahlreicher Oumlkosysteme noch in diesem Jahrhundert wahrscheinlich Die Auswirkungen auf die Organismen der Oumlkosysteme sowie deren Re-aktionen werden allerdings unterschiedlich sein Einige Pflanzen und Tiere werden sich auf veraumlnderte Lebens-bedingungen einstellen koumlnnen Fuumlr viele Lebensge-meinschaften jedoch laufen die Veraumlnderungen durch den Klimawandel zu schnell ab um sich beispielsweise durch Abwanderung in Richtung der Pole oder in houmlhere Lagen anzupassen so dass in Zukunft bestehende Syste-me zergliedert Arten getrennt und Funktionsketten un-terbrochen werden Als besonders stark bedroht gelten polare und alpine Oumlkosysteme boreale und tropische Waumllder Korallen sowie Mangrovenwaumllder

Eine Temperaturerhoumlhung um 2 bis 3 degC uumlber dem vor-industriellen Niveau wird die Anpassungsfaumlhigkeit vieler Oumlkosysteme uumlbersteigen und zu gravierenden Veraumlnde-rungen in Struktur und Funktionsweise oumlkologischer Le-bensgemeinschaften sowie der oumlkologischen Interaktio-nen und geographischen Verbreitung von Arten fuumlhren Im Durchschnitt koumlnnten zukuumlnftig 20 bis 30 Prozent der houmlheren Pflanzen- und Tierarten dem Tempo der Veraumln-derungen nicht folgen und waumlren von einem erhoumlhten Aussterberisiko bedroht In manchen Regionen wird das Risiko sogar auf 80 Prozent eingeschaumltzt65 Viele ende-mische Arten koumlnnten verdraumlngt bzw vom Aussterben bedroht werden Andere aus anderen Regionen einwan-dernde Arten koumlnnten sich unter den veraumlnderten Be-dingungen staumlrker ausbreiten

Insbesondere die fortschreitende Versauerung der Oze-ane koumlnnte in Verbindung mit der Erwaumlrmung erheb-liche Negativfolgen fuumlr viele marine schalenbildende Lebewesen (vor allem Korallen) aber auch Salzmarschen und Mangroven und die von ihnen abhaumlngigen Tier- und Pflanzenarten haben Sollten die Meerestemperatu-

4 bdquoOpferldquo des Klimawandels

63 IEA 200964 Sofern nicht anders gekennzeichnet sind alle hier dargstellten Ergebnisse dem 4 IPCC-Bericht bdquoKlimaaumlnderungen 2007

Auswir kungen Anpassung Verwundbarkeitenldquo entnommen65 IPCC 2007b

34

ren zwischen 1 und 3 degC ansteigen und gleichzeitig die Versauerung der Ozeane zunehmen erwartet der IPCC eine weitreichende Korallenbleiche und groszligraumlumiges Absterben Ab 3 degC droht ein 30-prozentiger Verlust der weltweiten Kuumlstenfeuchtgebiete66

n Wasserknappheit und ungesicherte Was-serversorgung

Derzeitig haben rund 12 Mrd Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser Diese Situation wird sich durch die Effekte des Klimawandels verschlimmern Mit hoher

Wahrscheinlichkeit werden sich der mittlere Jahresab-fluss und die Wasserverfuumlgbarkeit in den hohen Breiten sowie in einigen tropischen Feuchtgebieten um 10-40 Prozent bis zum Ende des Jahrhunderts erhoumlhen In den mittleren Breiten und trockenen Tropen wo Wasser-mangel schon heute ein groszliges Problem darstellt wird sich die Lage dagegen voraussichtlich noch verschlech-tern Hier werden sich steigende Temperaturen dras-tisch auf die Niederschlagsverhaumlltnisse auswirken und in einer signifikanten Abnahme von Abfluss und Wasser-verfuumlgbarkeit um bis zu 30 Prozent kumulieren was in vielen Regionen zu akuter Wasserknappheit fuumlhren wird Schon bei einem Temperaturanstieg von unter 2 degC ist

Mit steigender Temperatur erhoumlhen sich auch die Risiken fuumlr Mensch und UmweltQuelle WBGU 2007 nach Stern 2006

Abb 13 Erwartete Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme Wasser- und Ernaumlh-rungssicherheit Gesundheit und Wirtschaft bei unterschiedlicher Erwaumlrmung (im Vgl zu 1880)

Nahrungsmittel

Wasser

Oumlkosysteme

Wetterextreme

Risiko eines schnellenKlimawandels und groszligerirreversiblen Auswirkungen

Endguumlltige Temperaturaumlnderung (im Vergleich zum vorindustriellen Niveau)0 degC 1 degC 2 degC 3 degC 4 degC 5 degC

Kleine Berggletscherverschwinden weltweit ndashpotenzielle Bedrohung derWasserversorgung in mehrerenRegionen

Erhebliche Aumlnderungen der Wasserverfuumlgbarkeit

Uumlber 30 Abnahme desOberflaumlchenabflusses in der Mittelmeerregion und imsuumldlichen Afrika

Meeresspiegelanstieg bedrohtgroszlige Staumldte wie London ShanghaiNew York Tokio oder Hong Kong

Korallenriffoumlkosystemeweitgehend und schlieszliglichirreversibel geschaumldigt

Moumlglicher Beginn desZusammenbruchs von Teilenoder des ganzen Amazonas-Regenwaldes

Groszliger Anteil von Oumlkosystemen die ihre derzeitige Gestalt nicht bewahren koumlnnen

Viele Arten vomAussterben bedroht

Steigende Intensitaumlt von Stuumlrmen Waldbraumlnden Duumlrren Uumlberflutungen und Hitzewellen

Bereits geringe Zunahme derHurrikanintensitaumlten verursacht Verdopplung der Schadenskosten in den USA

Gefahr einer Schwaumlchung der natuumlrlichen Kohlenstoffsenken und der atlantischenthermohalinen Zirkulation moumlgliche Zunahme der Freisetzung natuumlrlichen Methans

Beginn irreversiblen Schmelzensdes Groumlnland-Eisschilds

Erhoumlhtes Risiko von abrupten groszligen Verschiebungenim Klimasystem (zB Zusammenbruch der atlantischen thermo-halinen Zirkulation oder des westantarktischen Eisschilds)

Schwerwiegen-de Auswirkungenin der Sahel-Region

Steig Ernteertraumlge in entwickeltenLaumlndern in hohen Breitengradenbei starkem CO2-Duumlngeeffekt

Ruumlckgang der Ertraumlge in vielen entwickeltenRegionen selbst bei starkem CO2-Duumlngeeffekt

Sinkende Ernteertraumlge in vielen Entwicklungsregionen

Steigende Zahl der von Hungerbedrohten Menschen Staumlrkste Zunahmein Afrika und Westasien

Starker Ruumlckgang der Ernteertraumlgein ganzen Regionen (zB bis zu einem Drittel in Afrika)

66 IPCC 2007b

35

davon auszugehen dass bis zu 15 Milliarden Menschen zusaumltzlich von Wasserknappheit betroffen waumlren Zwar sind Verbesserungen hinsichtlich Wasserverbrauchs- und Speicherungstechniken zu erwarten dennoch wird der Klimawandel einen starken Einfluss auf die Wasser-verfuumlgbarkeit und -qualitaumlt haben Besonders bedroht sind Regionen die vom Schmelzwasser groszliger Gletscher abhaumlngig sind und in denen bis zum Ende des Jahrhun-derts mit einer deutlichen Abnahme der in der Eisdecke gespeicherten Wasserreserven gerechnet wird (z B Indien Pakistan Peru) In diesem Zusammenhang gilt eine flaumlchenmaumlszligige Ausweitung von Gebieten die von Trockenheit und Duumlrre betroffen werden in Zukunft als wahrscheinlich Auch prognostiziert der IPCC eine Zu-nahme schwerer Niederschlagsereignisse infolge derer sich auch das Uumlberschwemmungsrisiko vieler Regionen erheblich erhoumlhen wird

n Agrarproduktion und Ernaumlhrungssicherung

Gegenwaumlrtig gelten fast 900 Millionen Menschen als unterernaumlhrt Das Klima ist fuumlr die Nahrungsmittelpro-duktion neben anderen ein wesentlicher Faktor Sowohl die Temperatur aber auch der CO2-Gehalt der Luft be-einflussen die landwirtschaftlichen Ernteertraumlge Die Reaktion landwirtschaftlicher Systeme insgesamt auf Klimaveraumlnderungen wird u a bestimmt durch Tempe-ratur Niederschlag CO2-Duumlngeeffekt und soziooumlkono-mische Rahmenbedingungen wie Marktzugang Techno-logie oder die Verfuumlgbarkeit von Ressourcen die fuumlr die Anpassung notwendig sind67

In den mittleren bis hohen Breiten wird bis zu einem Anstieg der globalen Temperatur auf 3 degC ndash je nach Nutz-pflanzenart ndash eine leichte Zunahme der Ernteertraumlge jedoch ohne Steigerung der Qualitaumlt projiziert ab die-ser Temperaturschwelle jedoch eine Abnahme

In den niederen Breiten und insbesondere in saisonal trockenen Tropengebieten wird selbst bei geringer Er-waumlrmung mit einer Abnahme der Ernteertraumlge gerech-net Verschaumlrfen koumlnnte sich die Situation noch durch eine ebenfalls erwartete Zunahme von wetterbedingten Extremereignissen wie bspw Duumlrren und Uumlberschwem-mungen Ein erhoumlhtes Hungerrisiko waumlre die Folge

Der Klimawandel birgt vielerorts auszligerdem Risiken fuumlr die landwirtschaftliche Produktion die zwar nicht der Ernaumlhrungssicherung im eigenen Land dient aber fuumlr den Export bestimmt ist und damit eine wichtige Einnah-mequelle darstellt Beispielsweise ist bei einem Tempe-raturanstieg von 2 degC zu befuumlrchten dass in Uganda nur noch auf einem sehr kleinen Teil der Landesflaumlche der Anbau von Kaffee ndash Exportgut Nummer eins ndash moumlglich sein wird68

n Gesundheit

Durch den Klimawandel drohen nicht nur steigende Meeresspiegel oder abnehmende Getreideertraumlge houml-here Temperaturen erhoumlhen auch gesundheitliche Risi-ken Zwar koumlnnte eine gewisse Erwaumlrmung vor allem in Gebieten der gemaumlszligigten Breiten einige Vorteile fuumlr die Gesundheit mit sich bringen wie z B einen Ruumlckgang der Kaumlltetodesfaumllle waumlhrend der Wintermonate Insge-samt wird jedoch im Zuge des Klimawandels mit einer erheblichen Beeintraumlchtigung des Gesundheitszustands von Millionen von Menschen gerechnet Besonders be-troffen sind Personen die bereits gesundheitlich vorbe-lastet sind (Alte Kinder u a auch in Industrielaumlndern) und sich nur schwer vor Krankheiten schuumltzen koumlnnen (vor allem Arme und Hungernde in den Entwicklungslaumln-dern) Klimaveraumlnderungen koumlnnen dabei das Risiko fuumlr die Gesundheit auf direkte und indirekte Weise beein-flussen Extremwetterereignisse werden direkt zu einer Zunahme von Todesfaumlllen Krankheiten und Verletzun-gen durch Hitzewellen Uumlberschwemmungen Stuumlrme und Duumlrren auch in Industrielaumlndern fuumlhren

Noch viel bedeutender als die direkten Einfluumlsse sind jedoch die indirekten Auswirkungen Bei einer weiteren Erwaumlrmung koumlnnten sich viele ndash teilweise toumldlich ver-laufende ndash Infektionskrankheiten wie Malaria Dengue-fieber oder auch Uumlbertraumlger anderer Infektionen weiter verbreiten als bisher Hitze und Trockenheit aber auch Stuumlrme und Fluten fuumlhrten zu Ernteverlusten die Man-gelernaumlhrung zu einem noch groumlszligeren Problem werden lieszligen

n Wirtschaft

Auch wenn Aussagen uumlber die Abschaumltzung der Folge-kosten eines ungebremsten Klimawandels mit groszligen Unsicherheiten behaftet sind so schaumltzt das Deutsche Institut fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) dennoch dass bis Mitte des Jahrhunderts ohne ernsthaften Klima-schutz Schaumlden in Houmlhe von 200 Billionen US-Dollar zu erwarten sind69 Auch der 2006 erschienene britische Stern-Report zur Oumlkonomie des Klimawandels kommt zu einem aumlhnlichen Ergebnis Bei Tatenlosigkeit koumlnn-ten die Schaumlden des Klimawandels infolge von Stuumlrmen Uumlberschwemmungen Hitzewellen und Duumlrren zwischen 5 und 20 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts kosten und die Weltgemeinschaft in eine tiefgreifende Rezession stuumlrzen Industrielaumlnder waumlren dann eben-so betroffen wie Entwicklungslaumlnder Touristen wuumlr-den ausbleiben landwirtschaftliche Ertraumlge vor allem in vielen Entwicklungslaumlndern unsicherer werden und die versicherten Schaumlden auch in den Laumlndern des Nor-dens erheblich ansteigen Auch wenn es natuumlrlich auch Regionen gaumlbe die von einem Temperaturanstieg pro-fitierten70 wuumlrden die negativen Auswirkungen beim

67 ECFPIK 2004 68 Simonett O 198969 Kemfert C 2004

70 Beispielsweise wird in den Laumlndern der houmlheren Breiten (z B Skandinavien) mit einer erhoumlhten Pflanzenproduktivitaumlt gerechnet die zu besseren Ernten fuumlhren kann

36

UmweltbedingteMigration

Konfliktkonstellationen in ausgewaumlhlten Brennpunkten

Klimabedingte Zunahme vonSturm- und Flutkatastrophen

Klimabedingte Degradationvon Suumlszligwasserressourcen

Klimabedingter Ruumlckgangder Nahrungsmittelproduktion

Brennpunkt

UmweltbedingteMigration

Konfliktkonstellationen in ausgewaumlhlten Brennpunkten

Klimabedingte Zunahme vonSturm- und Flutkatastrophen

Klimabedingte Degradationvon Suumlszligwasserressourcen

Klimabedingter Ruumlckgangder Nahrungsmittelproduktion

Brennpunkt

Ausbleiben von Klimaschutz weltweit uumlberwiegen Effek - tive Klimaschutzmaszlignahmen dagegen waumlren mit jaumlhr-lichen Kosten von rund einem Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung vergleichbar gering71

n Gefaumlhrdung der Sicherheit

Ein ungebremster Klimawandel stellt eine ernstzuneh-mende Bedrohung fuumlr die humanitaumlre Sicherheit dar Neben der Energie(versorgungs)sicherheit ruumlckt in der Auszligenpolitik zunehmend auch die Klimasicherheit in den Fokus Diesen Begriff fuumlhrte die britische Auszligenminis-terin Beckett in die Debatte ein Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveraumlnde-rungen (WBGU) hat die vier klimabedingten Konflikt-konstellationen Nahrung Suumlszligwasser Sturm und Flut sowie Migration identifiziert die zur Destabilisierung oder gar zum Scheitern von Gesellschaften sowie zu In-stabilitaumlten und Unsicherheit im internationalen System fuumlhren koumlnnen Involviert sein koumlnnten regionale Grup-pen einzelne Laumlnder oder gar groumlszligere Laumlndergruppen Der WBGU sieht etwa den nordafrikanischen Raum die

Sahelzone das suumldliche Afrika Zentralasien die Laumln-dergruppe Indien Pakistan und Bangladesch sowie Chi-na als Regionen an in denen der Klimawandel ein neues Sicherheitsrisiko darstellen koumlnnte (siehe Abbildung 14) 72

Bei der Diskussion um die Auswirkungen des Klima-wandels auf die humanitaumlre Sicherheit geht es nicht ausschlieszliglich um die wachsenden Risiken bewaffneter Konflikte um Rohstoffe Vielmehr werden auch groszlige Risiken fuumlr wirtschaftliche Entwicklung soziale Gerech-tigkeit und Verteilungsgerechtigkeit andere Umwelt-guumlter Demokratisierung Abruumlstung Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit erwartet73 Angesichts des Sicherheitsrisikos Klimawandel bietet sich in erster Linie eine gemeinsam konzertierte praumlventive Strategie an militaumlrische Loumlsungen scheinen dagegen wenig sinnvoll

Im Umgang mit den potenziellen Konfliktverschaumlrfungen und neuen Konflikten bestehen verschiedene Moumlglich-keiten Potenzielle Konflikte duumlrfen nicht unterschaumltzt oder ignoriert sondern bereits in der Entstehung geloumlst werden So sollten sich anbahnende Differenzen fruumlh-

Insbesondere die Suumldhemisphaumlre ist von Sicherheitsrisiken im Rahmen des Klimawandels bedrohtQuelle WBGU 2007

Abb 14 Sicherheitsrisiken durch Klimawandel ausgewaumlhlte Brennpunkte

71 Stern N 200672 WBGU 200773 Annan 2005

37

zeitig erkannt und Kooperationen der beteiligten Partei-en gesucht werden bevor es zu einem Konflikt kommen kann Ein Beispiel hierfuumlr ist das Wassermanagement des Indus Pakistans groumlszligtem Fluss der aber zunaumlchst durch China und Indien flieszligt In einigen Jahrzehnten wird das sommerliche Wasservolumen des Indus durch das Schmelzen der Gletscher im Himalaya deutlich ab-nehmen und damit die Konkurrenz der ohnehin zerstrit-tenen Nachbarstaaten um das knappe zur Verfuumlgung stehende Wasser verschaumlrft Beansprucht Indien das wenige verbleibende Wasser des Indus allein fuumlr sich so stellt dies ein enormes Konfliktpoten zial dar Um einen ernsten Konflikt zwischen den beiden Atommaumlchten zu verhindern braucht es bereits heute eine strategisch ge-schickte Politik der Kooperation zwischen den vom Was-sermangel im Himalaya-Gebiet betroffenen Regionen

Die internationale Politik sollte sich in gleichem ernst-haften Maszlige der wachsenden Herausforderung klima-bedingter Migration annehmen Im Zuge der Klimaver-aumlnderung werden immer mehr Menschen aufgrund von Extremwetterereignissen Duumlrren und Wuumlstenausbrei-tung sowie des Meeresspiegelanstiegs gezwungen sein ihre Heimat zu verlassen Derzeit ist ihr voumllkerrechtlicher Schutz nicht gewaumlhrleistet

42 Regionale Betroffenheit

In einigen Regionen werden die Auswirkungen des Klimawandels staumlrker spuumlrbar werden als in anderen Entwicklungslaumlnder und arme Menschen insbesonde-re in Afrika und Asien sowie kleine Inselstaaten sind besonders betroffen Zum einen lebt der Groszligteil der Bevoumllkerung in Entwicklungslaumlndern unmittelbar von der Landwirtschaft ndash in Afrika sind dies ca 70 Prozent der gesamten Bevoumllkerung74 ndash und ist somit direkt von den Klima- und Wetterbedingungen abhaumlngig Klima-tische Veraumlnderungen haben deshalb oft verheerende Auswirkungen Ein zweiter wesentlicher Grund fuumlr die hohe Anfaumllligkeit gegenuumlber den Folgen des Klimawan-dels ist jedoch auch die Armut selbst So wird durch einen Mangel an Kapazitaumlten (technisch personell und finanziell) eine Anpassung an veraumlnderte Bedingungen und ein Schutz vor den aufgezeigten Risiken erschwert Klimawandel verschaumlrft Armut zerstoumlrt Lebensgrund-lagen und untergraumlbt Entwicklungsmoumlglichkeiten Al-lein im Zeitraum 2000-2004 waren jedes Jahr fast 300 Millionen Menschen von Naturkatastrophen betroffen ndash 98 Prozent davon in Entwicklungslaumlndern Waumlhrend in den entwickelten Laumlndern der OECD nur einer von 1500 Einwohnern durch eine Naturkatastrophe betroffen war lag das Risiko bei Einwohnern aus Entwicklungslaumlndern um den Faktor 79 houmlher ndash einer von 19 war betroffen (siehe Abbildung 15 S 38)75

Schaumltzungen zufolge koumlnnten bei einer ungebremsten globalen Erwaumlrmung im Jahr 2050 25 Millionen Men-schen durch Uumlberflutungen zwischen 180 und 250 Millionen Menschen durch Malaria und weitere 200 bis 300 Millionen Menschen durch Wasserknappheit be-droht sein76 Damit der Klimawandel nicht die Lebens-grundlage von Millionen von Menschen gefaumlhrdet und zu wirtschaftlichem Niedergang sozialer Erosion und Migrationsbewegungen fuumlhrt muss eine nachhaltige Armutsbekaumlmpfung auch als eine Schluumlsselstrategie bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels angese-hen werden77

n Afrika

Nach Einschaumltzungen des IPCC gilt Afrika aufgrund von Mehrfachbelastungen der unmittelbaren Abhaumlngigkeit von der Landwirtschaft und einer niedrigen Anpassungs-kapazitaumlt als einer der verwundbarsten Kontinente ge-genuumlber Klimaaumlnderungen78 Selbst in konservativen Szenarien wird in Afrika mit einem Anstieg der Tempe-ratur um 3-4 degC gegenuumlber der Periode 1980-1999 ge-rechnet79 Besonders hohe Temperaturen werden dabei im nordwestlichen und im suumldlichen Afrika erwartet Hinzu kommt dass die meisten Klimamodelle eine dras-tische Abnahme der Jahresniederschlaumlge fuumlr Afrika bis Ende des 21 Jahrhunderts voraussagen Auch in diesem Fall gelten die genannten Laumlnder Afrikas als besonders betroffen Um bis zu 30 Prozent koumlnnten demnach die Winterniederschlaumlge in Nordafrika zuruumlckgehen In Ost-afrika sowie in Teilen der Sahelzone wird hingegen mit einer Veraumlnderung in Richtung feuchterer Klimaregime gerechnet (siehe Abbildung 16 S 38)

Anders als in anderen landwirtschaftlichen Regionen der Welt gibt es in Afrika nur wenige Regionen in denen die Felder mit dem Wasser aus Fluumlssen oder Stauseen be-waumlssert werden Durch die projizierten Klimaaumlnderun-gen werden deshalb schwerwiegende Beeintraumlchtigun-gen der Nahrungsmittelsicherheit erwartet So schaumltzt man dass der Klimawandel schon in naumlchster Zukunft in einigen Laumlndern Nordafrikas das Risiko von trockenen Jahren in denen die auf Regenfeldbau basierenden land-wirtschaftlichen Ertraumlge um 50 Prozent zuruumlckgehen verstaumlrkt80 Dies wuumlrde die bereits kritische Situation in Afrika erheblich verschaumlrfen und die Unterernaumlhrung auf dem Kontinent verstaumlrken Dem IPCC zufolge werden in Regionen Afrikas suumldlich der Sahara bis 2020 zwischen 75 und 250 Millionen Menschen einem durch den Kli-mawandel verstaumlrkten Wasserstress ausgesetzt sein Verschlimmern koumlnnte sich diese Situation noch durch abnehmende Fischbestaumlnde als Folge von massiver Uumlberfischung verstaumlrkt durch steigende Wassertempe-raturen in Seen und Kuumlstenzonen

74 IPCC 2001b75 UNDP 200776 Parry M et al 2001

77 HarmelingBals 200778 IPCC 2007b

79 IPCC 2007b80 IPCC 2007b

38

n Asien

In fast allen Regionen Asiens wird mit einer deutlichen Erwaumlrmung weit oberhalb des globalen Mittelwerts gerechnet Auszliger in Suumldostasien wo ein Anstieg im Be-reich des globalen Mittelwertes erwartet wird koumlnnten sich die Temperaturen in den uumlbrigen Gebieten um bis zu 4 degC gegenuumlber dem Mittelwert von 1980-1999 erhouml-hen Als Folge waumlrmerer Temperaturen wird vor allem im Himalaya mit einer sich beschleunigt fortsetzenden Gletscherschmelze gerechnet Gletscherseeausbruumlche Uumlberschwemmungen Bergstuumlrze sowie erhebliche Trink wasserknappheit insbesondere in den groszligen Fluss einzugsgebieten koumlnnten sich auf mehr als eine Milliarde Menschen nachteilig auswirken

Entlang der sich veraumlndernden Temperaturmuster wer-den die Niederschlaumlge insgesamt in Asien bis Ende des Jahrhunderts zunehmen Einzige Ausnahme ist Zentral-asien wo ein Ruumlckgang der Sommerniederschlaumlge und erhebliche Trockenheit vor allem waumlhrend der Som-mermonate als wahrscheinlich gelten81 Unklar ist die Entwicklung des Indischen Sommermonsuns welcher fuumlr mehr als zwei Milliarden Menschen in weiten Teilen Asiens eine der Haupttrinkwasserquellen darstellt (siehe auch Kapitel 34)

Waumlhrend in Ost- und Suumldostasien ein moumlglicher Anstieg der landwirtschaftlichen Ertraumlge um bis zu 20 Prozent vorausgesagt wird koumlnnten diese in Zentral- und Suumld-

Risiko von einer Naturkatastrophe betroffen zu sein (auf 100000 Menschen)

Entwicklungslaumlnder

OECD-Laumlnder mit hohem Einkommen

50 von 100000 Menschen

1980-84 2000-04

Aufgrund ihrer geringen Anpassungskapazitaumlten sind Menschen in Entwicklungslaumlndern besonders verwund-bar gegenuumlber Naturkatastrophen Quelle UNDP 2008

Abb 15 Betroffenheit von Natur-katastrophen in Entwicklungs- und Industrielaumlndern

5030201510

50

-5-10-15-20-30-50

Abb 16 Temperatur- und Niederschlagsaumlnderungen in Afrika bis 2100Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestempera-turen und Jahresniederschlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999

Besonders das noumlrdliche und suumldliche Afrika gelten als besonders gefaumlhrdete Regionen im Rahmen des Klimawan-dels Quelle Hamburger Bildungsserver nach IPCC 2007b

1007050403530252015100500

-05-10

Temperatur-Veraumlnderung (degC) Niederschlags-Veraumlnderung ()40degN

20degN

0deg

20degS

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40degN

20degN

0deg

20degS

40degS20degW 20degW0deg 0deg20degO 20degO40degO 40degO60degO 60degO

81 IPCC 2007b

39

asien um bis zu 30 Prozent zuruumlckgehen Eine erhebliche Zunahme der Anzahl hungernder Menschen und wirt-schaftliche Konsequenzen waumlren die Folgen und sogar die nationale Sicherheit einzelner Staaten koumlnnte ge-faumlhrdet werden

Der IPCC projiziert zudem eine Zunahme und Intensivie-rung von Hitzewellen in Ostasien sowie von Starknieder-schlagsereignissen in Suumld- und Ostasien Auch gehen die Klimamodelle von einem zunehmenden Uumlberflutungsri-siko in einigen der Groszligdeltas ndash z B dem Mekong-Delta ndash infolge des steigenden Meeresspiegels aus In Bang-ladesch wuumlrde bereits ein Meeresspiegelanstieg von ei-nem Meter dazu fuumlhren dass etwa drei Millionen Hektar Land dauerhaft uumlberflutet waumlren Fuumlr 15 bis 20 Millionen wuumlrde dies den Verlust ihrer Heimat bedeuten

n Lateinamerika

Lateinamerika und die Karibik stellen nicht nur hinsicht-lich der groszligen oumlkologischen Reichhaltigkeit sondern auch bezuumlglich der kulturellen Vielfalt eine auszligerge-woumlhnliche Region dar Es ist jedoch auch eine Region in der 44 Prozent der Bevoumllkerung in Armut lebt und wo die Ungleichheit in der Vermoumlgensverteilung zu den Houmlchsten weltweit gehoumlrt Diese Charakteristika ma-chen Lateinamerika und die Karibik zu einer der ver-wundbarsten Regionen uumlberhaupt

Waumlhrend fuumlr das suumldliche Suumldamerika eine Erwaumlrmung entlang des globalen Erwartungswerts projiziert wird werden fuumlr Mittelamerika und die noumlrdlichen Regionen Suumldamerikas dagegen deutlich houmlhere Temperaturen er-wartet Am staumlrksten werden sich dabei voraussichtlich die Amazonasregion sowie Nordmexiko waumlhrend der Sommermonate erwaumlrmen Fuumlr das Amazonasbecken wird zusaumltzlich eine Abnahme der Jahresniederschlaumlge um uumlber 30 Prozent und damit einhergehend eine Um-wandlung tropischer Regenwaumllder in Savannen vorher-gesagt (siehe Abbildung 17) Wuumlstenbildung und Ver-salzung von landwirtschaftlichen Nutzflaumlchen koumlnnten schon innerhalb der kommenden Jahrzehnte zu einem Ruumlckgang der Ertraumlge wichtiger Nutzpflanzen und zu einer Verminderung der Viehhaltung fuumlhren sowie die Nahrungsmittelsicherheit vieler lateinamerikanischer Regionen und von Millionen Menschen erheblich gefaumlhr-den

n Inseln und Atolle

Durch den steigenden Meeresspiegel koumlnnten schon in wenigen Jahren viele kleine Inselstaaten sowohl in den Tropen als auch in den houmlheren Breiten uumlberschwemmt und von den Landkarten verschwunden sein Fuumlr die Zu-kunft erwartet der IPCC im Zuge des steigenden Mee-resspiegels eine Verstaumlrkung von Uumlberflutungen Sturm-fluten und Kuumlstenerosion Zusaumltzlich werden auch die Gewinnung von Trinkwasser und die landwirtschaftliche

Abb 17 Temperatur und Niederschlagsaumlnderungen in Suumldamerika bis 2100Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestempera-turen und Jahresniederschlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999

Besonders das Amazonasgebiet gilt als besonders gefaumlhrdete Region im Zuge des KlimawandelsQuelle Hamburger Bildungsserver nach IPCC 2007b

5030201510

50

-5-10-15-20-30-50

1007050403530252015100500

-05-10

Temperatur-Veraumlnderung (degC) Niederschlags-Veraumlnderung ()

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Info-Kasten 4 Womit wir in Deutschland rechnen muumlssen

Klimawandel geschieht nicht nur in anderen Teilen der Welt sondern auch hier in Deutschland ndash und zwar heute In den vergangenen 100 Jahren wurde hierzulande ein Anstieg der durchschnittlichen Jahrestemperatur um 08-10 degC beobachtet Wet- terextreme wie Hitze wellen Starknieder schlags-ereignisse und Winterstuumlrme traten in den letzten zwei Dekaden vermehrt auf

Fuumlr die Zukunft wird fuumlr Deutschland eine Tem-peraturerhoumlhung zwischen 25-35 degC projiziert Mit der houmlchsten Erwaumlrmung ist dabei in den Wintermonaten in Suumld- und Suumldostdeutschland zu rechnen Nach Norden und Westen in Richtung eines mehr maritim gepraumlgten Klimaregimes verringert sich der Temperaturanstieg zwar dennoch wird auch fuumlr die Kuumlstenregionen eine deutliche Erwaumlrmung vorausgesagt Auch fuumlr den Sommer werden die houmlchsten Temperaturen im Suumlden Deutschlands er-wartet

Die Niederschlagsverhaumlltnisse werden sich regio-nal und saisonal veraumlndern In Suumld- Suumldwest- und Nordostdeutschland ist mit einem bis zu 40-prozen-tigen Ruumlckgang der sommerlichen Niederschlaumlge zu

rechnen waumlhrend sich fuumlr die Wintermonate fast im ganzen Land staumlrkere Niederschlaumlge abzeichnen Durch die Trockenheit waumlhrend der Sommermonate sind in Ost- und Suumldwestdeutschland die landwirt-schaftlichen Ertraumlge gefaumlhrdet die Waldbrandgefahr wird sich erhoumlhen und das sommerliche Wasser-angebot geht zuruumlck Auch die Haumlufigkeit von Hitzewellen wird sehr wahrscheinlich zunehmen

Ferner gilt als sicher dass die Gletscher in den Alpen infolge der Temperaturerhoumlhung weiter an Volumen verlieren werden Nach neuesten Einschaumltzungen koumlnnte bei einem sommerlichen Temperaturanstieg von 3 degC etwa 80 Prozent der 1990 noch vorhande-nen Eismasse bis 2100 verloren gehen Wenn die Sommertemperaturen um 5 degC steigen waumlren die Alpen gegen Ende des Jahrhunderts praktisch eisfrei Auch ist davon auszugehen dass die Winterstuumlrme in Norddeutschland zunehmen werden

An Deutschlands Kuumlsten wird der Meeresspiegel im globalen Vergleich uumlberdurchschnittlich stark an-steigen Dafuumlr sorgen zum einen eine staumlrkere Erwaumlr-mung aber auch eine anhaltende Landabsenkung als Spaumltfolge der ausklingenden Kaltzeit83

Nutzung der Boumlden durch die Versalzung des Grundwas-sers und der Boumlden infolge des steigenden Meerwassers immer schwieriger werden Aus diesem Grund mussten innerhalb der letzten Jahre bereits 3000 Einwohner des pazifischen Inselstaates Tuvalu ihre Heimat verlassen

ndash Hunderttausende auf anderen Inseln werden ihnen folgen muumlssen sollte der zukuumlnftige Anstieg des Mee-resspiegels nicht innerhalb der kommenden Jahrzehnte gebremst werden82

82 Warner K 200983 Germanwatch 2007

41

Extreme Nieder schlaumlge und Uumlber schwemshymungen haben auch in Europa und Deutschshyland in den letzten Jahren immer wieder zu enormen wirtschaft lichen Schaumlden gefuumlhrt wie hier in Steyr Oumlsterreich

In Deutschland wird mit einem Anstieg der Niederschlaumlge im Winter gerechnet

Foto

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42

Wie gezeigt wurde greift der Mensch durch sein Handeln massiv in die chemische Zusammensetzung der Atmosphaumlre ein und ist somit der Hauptverursacher fuumlr den sich verstaumlrkenden Treibhauseffekt der Erde Allerdings war und ist der Beitrag der verschiedenen Staaten und ihrer Bewohner zum Klimawandel sehr ver-schieden ndash v a wegen ihrer unterschiedlichen wirt-schaftlichen sozialen und technologischen Situationen

51 Welche Laumlnder sind die Hauptverursacher von Treibhaus-gasemissionen

Die Frage welche Laumlnder fuumlr welche Mengen an Emissionen verantwortlich sind stellt sich sowohl fuumlr die Vergangenheit als auch fuumlr die Gegenwart und die Zukunft Aus zwei Gruumlnden ist der Blick in die Vergangenheit besonders wichtig Erstens ist CO2 ein uumlber Hunderte Jahre wirksames Treibhausgas d h die Frage nach der Verantwortung fuumlr den heute bereits sichtbaren globalen Klimawandel findet ihre Antwort in den kumu-lierten Emissionen des letzten Jahrhunderts Zweitens ha ben diejenigen Laumlnder die in der Vergangenheit be-sonders viel Energie nutzten ndash vor allem Kohle Oumll und Gas ndash und damit besonders hohe Treibhausgasemissio-nen zu verzeichnen hatten von diesem Verhalten pro-fitiert da sie Infrastruktur Produktionsanlagen und

Kapital aufgebaut haben Dieser Reichtum verschafft ihnen einen deutlich groumlszligeren Handlungsspielraum heute in die Entwicklung und Verbreitung klimafreund-licher Energietechnologien zu investieren als es in ar-men Laumlndern der Fall ist Letz tere erheben hingegen einen Anspruch auf nachholende Entwicklung mit ho-hem Wirtschaftswachstum und erwarten dass sie die Zusatzkosten fuumlr klimafreundliche Technologien vom Norden ganz oder teilweise finanziert bekommen Hieraus ergibt sich die groszlige klimapolitische Heraus-forderung zur Loumlsung des Klimaproblems (s Kapitel 6)

Wenn man die durch den Menschen verursachten CO2-Emissionen des letzten Jahrhunderts betrachtet sind die Industrielaumlnder die Hauptverursacher des anthropoge-nen Treibhauseffekts (siehe Abbildung 18) Mehr als die Haumllfte (58 Prozent) entfielen zwischen 1900 und 1999 allein auf Europa und die USA auf das Konto der ehema-ligen Sowjetunion weitere 137 Prozent Die Gesamtheit der Entwicklungslaumlnder wo rund 80 Prozent der Welt-bevoumllkerung leben war hingegen nur fuumlr 21 Prozent der angehaumluften CO2-Emissionen verantwortlich (siehe Ab-bildung 18) Die Aumlrmsten rund 800 Millionen Menschen vereinen sogar historisch gesehen weniger als 1 Prozent aller kumulierten CO2-Emissionen des 20 Jahrhunderts auf sich84 Natuumlrlich aumlndert sich dieses Bild immer mehr und die Gewichte werden sich zukuumlnftig staumlrker ver-schieben ndash hin zu einem groumlszligeren Beitragsanteil auf Seiten der sogenannten Entwicklungslaumlnder

5 Die Verursacher des Klimawandels

Die Industriestaaten tragen die historische Hauptverantwortung fuumlr den KlimawandelQuelle Eigene Darstellung nach World Resources Institute 2002

Suumld- und Mittelamerika38

Mittlerer Osten26

Afrika25

Europa277

Russland137

Japan37 Kanada

23

Australien11

China Indien und Ent -wicklungslaumlnder Asiens122

USA303

Entwicklungs-laumlnder21

Abb 18 Kumulierte energiebedingte CO2-Emissionen 1900-1999

84 Global Carbon Project 2009

43

Quelle Eigene Darstellung nach US Energy Information Administration wwweiadoegov

52 Absolute und Pro-Kopf-Emissionen heute

Historisch gesehen haben die USA insgesamt durch ihre kumulierten CO2-Emissionen mit Abstand am meisten zum Klimawandel beigetragen Auch im Jahr 2007 gin-gen fast 20 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoszliges noch auf ihr Konto Einzig Chinas Anteil welcher seit 2007 den der USA uumlberholt hat ist noch groumlszliger (208 Prozent) Das Reich der Mitte stoumlszligt mit seinen gut 13 Milliarden Ein-wohnern heute etwa so viel CO2 aus wie die 15 Laumlnder der alten EU mit ihren rund 380 Millionen Einwohnern Tendenz stark ansteigend Damit sind die beiden Ver-schmutzungs-Spitzenreiter China und USA zusammen fuumlr mehr als 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoszliges verantwortlich (siehe Abbildung 19) Ein anderes Bild ergibt sich wenn die CO2-Emissionen aus veraumlnderter Landnutzung die insbesondere Entwaldungsprozesse beinhaltet in der Statistik beruumlcksichtigt werden Dem-nach waumlren nach China den USA und der EU Indonesien und Brasilien die viert- und fuumlnftgroumlszligten Emittenten Ursachen sind in beiden Laumlndern die groszligflaumlchigen Ro-dungen der tropischen Regenwaumllder

Deutschland konnte zwar innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte auch aufgrund der Wiedervereinigung und des damit einhergegangenen Zusammenbruchs der Schwer industrien in der ehemaligen DDR seinen Aus-stoszlig deutlich reduzieren zaumlhlt allerdings nach wie vor zu den weltweit groumlszligten CO2-Emittenten Zum Vergleich Der gesamte afrikanische Kontinent mit rund einer Mil-

liarde Einwohnern traumlgt gegenwaumlrtig etwa so viel zum globalen Treibhausgasausstoszlig bei wie Deutschland mit seinen rund 82 Millionen Einwohnern Dabei sind nur vier Laumlnder naumlmlich Suumldafrika Aumlgypten Nigeria und Algerien fuumlr mehr als drei Viertel der afrikanischen Emis-sionen verantwortlich Werden diese herausgerechnet liegt der Anteil der restlichen afrikanischen Staaten am weltweiten CO2-Ausstoszlig unter einem Prozent

Waumlhrend in einigen Industrielaumlndern die CO2-Emissio-nen innerhalb der letzten zwei Dekaden stabilisiert bzw reduziert wurden stiegen sie insbesondere in den gro-szligen Schwellenlaumlndern der Welt deutlich weiter

Der Vergleich der historischen Emissionen mit dem ak-tuellen CO2-Ausstoszlig der weltweit groumlszligten Emittenten

Abb 19 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen 1992-2009

Der Autoverkehr ist eine weltweit nach wie vor wach-sende Quelle von CO2-Emissionen Foto Dietmar Putscher

ChinaUSAIndienRusslandJapanDeutschlandBrasilien

19921993

19941995

19961997

19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

20082009

Mill

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9000

8000

7000

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2000

1000

0

Jahr

44

verdeutlicht den wachsenden Beitrag der Schwellenlaumln-der vor allem Chinas aber auch Indiens zum Klimawan-del Aber auch in den meisten Entwicklungslaumlndern stei-gen die Treibhausgasemissionen gegenwaumlrtig rasant an

Auch wenn einige Schwellenlaumlnder bei den absoluten CO2-Emissionen vorne liegen so kommen bei den Pro-Kopf-Emissionen ausschlieszliglich Industrielaumlnder auf die vorderen Plaumltze

Waumlhrend in der Statistik der absoluten CO2-Emissionen vor allem populationsstarke Laumlnder auf den vorderen Raumlngen zu finden sind aumlndert sich die Rangfolge wenn der Pro-Kopf-Ausstoszlig betrachtet wird Eine solche Be-trachtungsweise ist insbesondere unter dem Gesichts-punkt der Klimagerechtigkeit und entsprechend der weltweit gemeinsamen aber individuell sehr unter-schiedlichen Verantwortlichkeit fuumlr Ursache und Loumlsung des Klimaproblems von Bedeutung

Abbildung 20 zeigt die Pro-Kopf-Emissionen zwischen 1990 bis 2007 fuumlr ausgewaumlhlte Laumlnder Hier liegen die USA und Kanada mit ca 191 bzw 174 t CO2 im Jahr 2007 deutlich vorn Zu beachten ist allerdings dass ei-nige der arabischen Golfstaaten noch weit houmlhere Pro-Kopf-Werte haben so liegt der Wert in Katar bei ca 60 Tonnen pro Jahr85 In Deutschland und Russland sind mit dem deutlichen Gesamtruumlckgang der absoluten Emis-sionen auch sinkende Pro-Kopf-Emissionen verknuumlpft Nichtsdestotrotz produziert jeder Deutsche im Durch-

schnitt immer noch etwa 97 t CO2 pro Jahr Die Betrach-tung der Pro-Kopf-Werte relativiert die hohen Gesamt-emissionen der beiden bevoumllkerungsreichsten Laumlnder China und Indien Dort werden die Emissionen allerdings uumlberwiegend von einer Minderheit der jeweiligen Bevoumll-kerung erzeugt So werden in China nur etwa 20 Prozent der Bevoumllkerung der globalen Konsumentenklasse zuge-ordnet die durch einen konsum- und ressourcenintensi-ven Lebensstil erhebliche CO2-Emissionen verursacht86 Der Vergleich mit Afrika macht die Pro-Kopf-Verantwor-tung am globalen Treibhauseffekt noch deutlicher Waumlh-rend ein Deutscher pro Jahr durchschnittlich 97 Tonnen CO2 verursacht liegt ein Kenianer nur bei 03 Tonnen

53 Emissionen nach Sektoren

Die derzeitige Erwaumlrmung ist auf eine Reihe von Emissi-onsquellen zuruumlckzufuumlhren Im Folgenden wird zunaumlchst die globale Ebene87 betrachtet bevor auf die Verhaumlltnis-se in Deutschland Bezug genommen wird Hauptfaktor fuumlr den weltweiten Ausstoszlig an Treibhausgasen stellte im Jahr 2004 die Energieversorgung mit ca 259 Prozent vor dem Industriesektor mit 194 Prozent dar88 Eine eindeutige Abgrenzung ist jedoch nicht ganz einfach da die Industrie auch einen groszligen Teil des Stroms aus der Energieversorgung nutzt Darauf folgen der Forst-sektor mit 174 Prozent ndash vor allem durch die Zerstoumlrung von Waumlldern in tropischen Regionen wie Brasilien oder Indonesien ndash und die Landwirtschaft mit 135 Prozent

Quelle Eigene Darstellung nach wwweiadoegov (so)

Abb 20 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen pro Einwohner zwischen 1992 und 2009 fuumlr neun ausgewaumlhlte Laumlnder

19921993

19941995

19961997

19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

20082009

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USAKanadaRusslandDeutschlandSuumldafrikaChinaBrasilienIndienKenia

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85 wwweiadoegov86 GardnerAssadourianSarin 200487 Quelle fuumlr alle Daten hierzu IPCC 2007e

88 IPCC 2007e 2004 ist das letzte Jahr fuumlr das der 4 IPCC-Sachstandbericht alle sechs Kyoto-Gase umfassende Analysen enthaumllt Bei Betrachtung nur der energiebedingten Emissionen sind auch neuere Daten verfuumlgbar

45

Der Verkehrssektor verzeichnet mit 131 Prozent eben-falls enorme Wachstumsraten die vor allem auf den Anstieg im internationalen Schiffs- und Flugverkehr zu-ruumlckzufuumlhren sind

Von den gesamten anthropogenen Treibhausgasemis-sionen die fuumlr die Erderwaumlrmung verantwortlich sind stand CO2 im Jahr 2004 mit einem Anteil von 63 Prozent an vorderster Stelle Der Groszligteil dieser CO2-Emissionen ist energiebedingt aber auch die Freisetzung von CO2 durch die Zerstoumlrung von Waldgebieten (z B durch die Rodung tropischer Regenwaumllder) spielt eine groszlige Rolle Sie ist mit umgerechnet ca 6 Milliarden Tonnen jaumlhrlich freigesetztem CO2 nach dem Verbrennen von fossi-len Energietraumlgern global betrachtet die zweitgroumlszligte CO2-Quelle In vielen Entwicklungslaumlndern stellt sie die groumlszligte Emissionsquelle dar z B in Indonesien mit 834 Prozent und in Brasilien mit 62 Prozent Hauptursache der Waldzerstoumlrung sind landwirtschaftliche Aktivitaumlten wie die Gewinnung von Acker- und Weideflaumlche durch Brandrodung Problematisch ist vor allem die groszligflaumlchi-ge Rodung fuumlr Monokulturen zur Gewinnung von Palm-oumll Zuckerrohr und Soja die auch fuumlr den europaumlischen Markt als Futtermittel oder Agrotreibstoff produziert werden

Der uumlberwiegende Anteil an den weltweiten menschge-machten Methanemissionen entsteht durch Nassreis-feldanbau und Rinderzucht89 In diesem Zusammenhang kann man auch die Frage aufwerfen ob alle Emissionen prinzipiell als qualitativ gleichwertig anzusehen sind oder ob unterschieden werden muss zu welchem Zweck die Emissionen verursacht werden So sollten beispiels-weise die Emissionen die durch Freizeitreiseverkehr

Das Abholzen des Regenwaldes (hier in Brasilien) stellt eine groszlige Gefahr sowohl fuumlr das globale Klima als auch fuumlr die regionale Wirtschaft dar Foto Uwe Bauch pan-thermedianet

89 IPCC 2007a

Der groszlige Anteil des Energiesektors am CO2-Ausstoszlig in Deutschland verdeutlicht das Potenzial von Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz Quelle Umweltbundesamt 2010

Abb 21 Entwicklung der THG-Emissionen in Deutschland nach Sektoren 1990 bis 2008

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19901995

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19981999

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20022003

20042005

20062007

2008

Oslash2008-2012

Ziel 2020

Basisjahr

uumlbrige Emissionen

Haushalte

Verkehr

Gewerbe HandelDienstleistungen

Industrie

Landwirtschaft

Energiewirtschaft

Treibhausgasemissionen ndash Summe

-21 gegenuumlber

Basisjahr

-40 gegenuumlber

1990

493 493 474 471 459 467 474 477 483 480 476 481 491 468

85 8785 84 85 84 84 81 79 81 80 78 77

81

138 135 136 121 113 116 110 106 111 117 112 115 119 116

55 6556 54 50 46 53 50 42 41 41 41 35 42

179 178179 182 187 183 178 176 170 169 161 157 154 154

130 144139

133121 119 132 122 123 114 112 114 89 108

44

597

98

137

72

169

131

44

3935 33

30 28 26

1121 11401104

10781044 1043 1058 1037 1031 1022 1001 1003 981 982

1232 1249

974

749

46

Germanwatch hat mit dem sogenannten Klima schutz- Index ein Instrument entwickelt das die Emissions-entwicklung das Emissionsniveau sowie die Klima-schutzpolitik der Hauptemittenten transparent gegen-uumlberstellt Der Index fungiert als Vergleichsinstrument zwischen den einzelnen Staaten und soll zu effizi-enterem Klimaschutz animieren Tabelle 4 zeigt das Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011 der im Dezember 2010 bei der Klimakonferenz von Cancuacuten vorgstellt wurde Da bisher kein Land ausreichend ambitioniert zur Vermeidung eines gefaumlhrlichen Klimawandels beitraumlgt blieben auch in diesem Jahr die ersten drei Plaumltze des Rankings unbe-setzt

Bei vielen der weltweit groumlszligten CO2-Emittenten spielt Klimaschutz nach wie vor hinter der wirtschaftlichen Entwicklung eine nachrangige Rolle obwohl es ein wachsendes Bewusstsein dafuumlr gibt dass gerade im Klimaschutz auch groszlige wirtschaftliche Potenziale lie-gen

(Luxus-Emissionen) entstehen anders bewertet werden als der Methanausstoszlig den asiatische Bauern durch den fuumlr sie uumlberlebensnotwendigen Reisanbau verursachen (Uumlberlebens-Emissionen)

In Deutschland ist die Energiewirtschaft der Hauptver-ursacher von CO2-Emissionen Aber auch im produzie-renden Gewerbe und im Transportsektor fallen viele Emissionen an Mehr als die Haumllfte der Transportemis-sionen entfallen dabei auf den Automobilverkehr Mit deutlich mehr als 80 Prozent hat CO2 unveraumlndert den groumlszligten Anteil an den deutschen Treibhausgasemissio-nen90

54 Trends bei den Treibhausgas-emissionen

Gerade beim wichtigsten durch den Menschen ver-ursachten Treibhausgas dem Kohlendioxid war der Wachstumstrend auf globaler Ebene in den letzten Jah-ren ungebrochen Zwischen 2000 und 2008 haben sich die weltweiten CO2-Emissionen um 29 Prozent von rund 7 Gigatonnen Kohlenstoff auf rund 9 Gigatonnen seit 1990 (dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls) sogar um 41 Prozent erhoumlht Da 1 kg Kohlenstoff 367 kg CO2 ent-spricht erhoumlht sich der atmosphaumlrische CO2-Gehalt mo-mentan um rund ca 33 Gigatonnen CO2 jaumlhrlich Fuumlr den Zeitraum 2000 bis 2008 betrug der Emissionszuwachs 34 Prozent (insgesamt 19 ppm pro Jahr) im Vergleich zu 10 Prozent (insgesamt 15ppm) im Zeitraum 1990-1999 (siehe Abbildung 22) Seit 2005 hat die Verbrennung von Kohle dabei Oumll als groumlszligte gegenwaumlrtige Treibhausgas-quelle abgeloumlst91

In fast allen Weltregionen ist ein deutlicher Anstieg der Emissionen in dem besagten Zeitraum zu beobach-ten wobei beachtet werden muss dass dieser auf stark unterschiedlichen Ausgangsniveaus aufbaut Waumlhrend sich der Anstieg des Emissionsausstoszliges in den Indus-trie laumlndern im Durch schnitt jedoch verlangsamt hat ha-ben die Entwicklungslaumlnder mittlerweile den schnellsten Anstieg zu verzeichnen92 Rund ein Viertel des Wachs-tums der CO2-Emissionen in den Entwicklungslaumlndern resultiert allerdings aus den Produkten die sie fuumlr an-dere Staaten vor allem die Industrielaumlnder herstellen Es sind insbesondere die exportorientierten Industrien dieser Laumlnder die es einerseits den Laumlndern des globa-len Nordens ermoumlglichen in den Entwicklungslaumlndern produzierte Guumlter zu konsumieren die andererseits maszliggeblich zu den Emissionssteigerungen der letzten Jahren beigetragen haben

Innerhalb der letzten Dekade hat sich der Anstieg der CO2-Emissionen beschleunigt Quelle Le Queacutereacute C et al 2009

Abb 22 Anstiegsrate der CO2-Emissionen

1990 2000 2010

Wachstumsrate 10 pro Jahr

Emis

sion

en a

us fo

ssile

n En

ergi

en

(in G

t CJ

ahr)

9

8

7

6

Wachstumsrate 34 pro Jahr

90 Umweltbundesamt 201091 Global Carbon Project 200992 Global Carbon Project 2009

47

Infokasten 5 Wirtschaftskrise Klimaschutz und bdquogruumlneldquo Konjunkturprogramme

Weltwirtschaft und Treibhausgasausstoszlig sind eng miteinander verknuumlpft Vor diesem Hintergrund hat die Finanz- und Wirtschaftskrise auch ihre gu-te Seite Durch das verringerte Wachstum bei der Industrieproduktion ist es weltweit zu einem ent-sprechenden Ruumlckgang der energiebedingten CO2-Emissionen seit 2008 gekommen Laut den Messungen des Global Carbon Projects einer internationalen Forschungsinstitution die die Entwicklung des glo-balen Kohlenstoffkreislaufs uumlberwacht stieg zwar die atmosphaumlrische CO2-Konzentration auch im Jahr eins der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise um 18 Prozent gegenuumlber 2007 weiter an doch halbierte sich die Anstiegsrate gegenuumlber den Vorjahren (34 Prozent) Im Jahr 2009 lagen die globalen energiebe-dingten Emissionen unter denen des Vorjahres vor allem durch einen Ruumlckgang in den Industrielaumlndern93 In der EU und Deutschland war der Effekt besonders ausgepraumlgt Nach Berechnungen der EU-Kommission ist es jedem europaumlischen Mitgliedsstaat gelungen seine CO2-Emissionen gegenuumlber dem Vorjahr zu ver-ringern Allein Deutschland konnte einen Ruumlckgang seiner energiebedingten CO2-Emissionen um fast 8 Prozent verzeichnen94

Insgesamt bewegt sich der gegenwaumlrtige Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre allerdings immer noch im oberen Bereich der IPCC-Szenarien und wird sich noch verschlimmern sollte der Wachs-

tumsmotor der Weltwirtschaft kuumlnftig wieder an-springen

Es muss angenommen werden dass erneute Investitionen in weitgehend alte Strukturen und Produkte die groszligen Anteil am Kollaps des Welt-finanz systems hatten sich abermals als nicht nach-haltig erweisen werden ndash weder fuumlr die Oumlkonomie noch fuumlr die Oumlkologie Eine nachhaltige Loumlsung der Doppelkrise von Wirtschafts- und Klimasystem wird nur durch einen Investitionszyklus gelin-gen dessen Ziel eine umfassende und vor allem an Nachhaltigkeitsprinzipien orientierende Erneuerung von Wirtschaft und Gesellschaft ist Durch den Einsatz der milliardenschweren Konjunkturpakete zur Wiederbelebung der Weltwirtschaft bietet sich eine solche Chance beide Krisen mit einer Klappe zu schlagen Investitionsanreize fuumlr Energie- und Ressourceneffizienz Erneuerbare Energien und so-zial gerechte Strukturen koumlnnten im Rahmen eines bdquoNew Green Dealsldquo die Weltgemeinschaft gestaumlrkt aus der Finanz- und Wirtschaftskrise hervorgehen las-sen und gleichzeitig den Weg zu einem emissionsfrei-en Wohlstandsmodell bereiten Uumlberraschenderweise haben waumlhrend der Wirtschaftskrise Laumlnder wie China und Suumldkorea zu den Laumlndern gehoumlrt die ihre Konjunkturpakete am staumlrksten auf die Foumlrderung bdquogruumlner Technologienldquo ausgerichtet haben und damit zu einer Trendwende beitragen koumlnnten95

Tabelle 4 Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011

Deutschland 7 (7) 274 273 368 123

Groszligbritannien 8 (6) 174 170 288 092

Indien 10 (9) 486 506 675 1705

Korea Rep 34 (41) 171 185 178 073

Japan 38 (35) 392 404 563 191

Russland 48 (45) 542 560 259 212

Iran 52 (38) 172 165 092 108

USA 54 (53) 1905 1862 1839 455

China 56 (52) 2229 1737 1731 1993

Kanada 57 (59) 188 217 164 050

Summe 6533 6079 6157 5002

copy Quelle Burck 2010energiebedingten

Klimaschutz-Index Platzierung

2011 (2010)

Land Anteil an den weltweiten CO2 -

Emissionen

Anteil am welt-weiten Primaumlr-

energieverbrauch

Anteil am welt-weiten Brutto-inlandsprodukt

Anteil an der Erd -

bevoumllkerung

93 Heinzerling 201094 wwwag-energiebilanzende95 EdenhoferStern 2010

48

Der weltweite CO2-Ausstoszlig haumlngt sehr eng zusammen mit dem globalen Wirtschaftswachstum Quelle Aktualisiert und vereinfacht nach Raupach M et al 2007

Abb 23 Weltweite Entwicklung von Emissionsfaktoren

55 Ursachen fuumlr Veraumlnderungen des CO2-Ausstoszliges

Fuumlr die energiebedingten CO2-Emissionen eines Landes spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle die Zahl der Einwohner die Produktivitaumlt der Volkswirtschaft die Energieintensitaumlt und der Anteil fossiler Energietrauml-ger bei der Bereitstellung von Energie In eine Formel gepackt lassen sich daher die energiebedingten CO2-Emissionen in Marktwirtschaften errechnen als

CO2-Emissionen = Bevoumllkerung x Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf x Energienutzung pro BIP-Einheit x CO2-Ausstoszlig pro Energieeinheit

Moumlchte man ihren zukuumlnftigen Verlauf beeinflussen er-geben sich somit vier Ansatzpunkte Dies gilt gleicher-maszligen fuumlr den Ruumlckblick in die Vergangenheit In den verschiedenen Laumlndern der Welt lassen sich jeweils un-terschiedliche Entwicklungen bei der Veraumlnderung die-ser Faktoren beobachten und ebenso unterschiedliche Erklaumlrungen dafuumlr benennen

So ist beispielsweise der absolute CO2-Ausstoszlig in Deutschland und Groszligbritannien gesunken Der Ruumlck-gang laumlsst sich hier mit einer deutlichen Erhoumlhung der Energieproduktivitaumlt (d h einem verringerten Energie-bedarf pro BIP-Einheit) sowie einer Verringerung der CO2-Intensitaumlt in der Energieversorgung bei stagnieren-der Bevoumllkerungszahl und einem nur moderaten Anstieg des BIP erklaumlren Im Falle von Deutschland wurden etwa 10 Prozent der Emissionen dadurch eingespart dass viele ineffiziente Produktionsanlagen aus der DDR-Zeit stillgelegt und zum Teil durch sehr moderne Anlagen er-setzt wurden Zusaumltzlich wurden aber auch viele weitere Maszlignahmen fuumlr Energieeffizienz und die Nutzung von Erneuerbaren Energien umgesetzt etwa das bdquoErneuer-bare-Energien-Gesetzrdquo (EEG) im Strombereich

In Suumldafrika Indien und den USA hat der CO2-Ausstoszlig hingegen seit 1990 deutlich zugenommen Gleichzeitig sind sowohl in Suumldafrika und Indien als auch in den USA das Bruttosozialprodukt und die Bevoumllkerungszahl deut-lich angestiegen Indien weist eine leichte Verbesserung der Energieproduktivitaumlt auf aber eine relativ deutliche Erhoumlhung des CO2-Ausstoszliges pro Energieeinheit Dies laumlsst sich mit dem verstaumlrkten Einsatz von Kohle und mit einem Wachstum des Verkehrs erklaumlren Der CO2-Ausstoszlig Chinas hat sich seit 1990 mehr als verdreifacht waumlhrend sich das Bruttoinlandsprodukt in Kaufkraftpa-ritaumlten mehr als verzehnfacht hat Diese relative Ent-kopplung des CO2-Ausstoszliges vom Wirtschaftswachs-tum zeugt von einer signifikanten Verringerung der Energieintensitaumlt der Wirtschaft Die CO2-Intensitaumlt der Energienutzung hat sich hingegen trotz umfangreicher Modernisierung und damit verbundener Effizienzver-

besserung zahlreicher Kohlekraftwerke leicht erhoumlht96

Auch wenn China zudem immer staumlrker die Erneuerbaren Energien foumlrdert ist die CO2-Intensitaumlt pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts heute immer noch deutlich houmlher als die Indiens97

Wirft man erneut einen Blick auf die Faktoren in der obi-gen Gleichung so liegen fuumlr die Zukunft groszlige Potenzi-ale einerseits in der Verringerung der Energienutzung pro BIP-Einheit z B durch effizientere Fahrzeuge spar-samere Produktionsanlagen etc und andererseits im CO2-Ausstoszlig pro Energieeinheit z B durch Kraft-Waumlr-me-Kopplung und Nutzung von weniger CO2-intensiven Energietraumlgern bis hin zu Erneuerbaren Energien Wer-den diese beiden Faktoren optimiert so kann selbst bei einem Anstieg von Wirtschaftsleistung und Bevoumllkerung der CO2-Ausstoszlig deutlich verringert werden

Auch auf globaler Ebene laumlsst sich ermitteln welche Faktoren die CO2-Emissionen wie stark beeinflussen (siehe Abbildung 23) Wie bereits in Kapitel 2 aufgezeigt wurde ist der atmosphaumlrische CO2-Gehalt innerhalb der letzten Jahre stark angestiegen (schwarze Linie) Verant-wortlich fuumlr diesen Anstieg sind vor allem die innerhalb der vergangenen Jahre stark gewachsene Weltwirtschaft (gruumlne Linie) und deren erhoumlhte Verwendung fossiler Brennstoffe Waumlhrend lange Zeit die Weltwirtschaft im-mer effizienter wurde ndash die Kohlenstoffintensitaumlt (blaue Linie) die sich auf die pro oumlkonomischer Einheit ausge-stoszligene Menge CO2 bezieht ist stetig zuruumlckgegangen ndash hat sich dieser Trend in den letzten Jahren umgekehrt bzw verlangsamt wozu auch viele neue Kohlekraftwer-

Welt

EmissionenBevoumllkerungBIP pro KopfKohlenstoffintensitaumlt pro BIP

1980 1990 2000 2010

15

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96 Harmeling et al 200797 Vgl auch Germanwatch 2008

49

ke in Indien und China beigetragen haben Mittlerweile sind diese Trendumkehr mit etwa 17 Prozent sowie das Wachstum der Weltwirtschaft mit 65 Prozent die bei-den Hauptursachen warum die Emissionen seit 2000 ca dreimal so schnell steigen wie im Jahrzehnt zuvor98 Faktisch fuumlhrt damit jedes Wirtschaftswachstum wel-ches nicht vom Verbrauch fossiler Rohstoffe entkoppelt ist zu steigenden Emissionen Dies macht die Dringlich-keit einer Klimapolitik die wirtschaftliche Entwicklung mit sinkenden Emissionen vereint umso deutlicher

Ebenso problematisch ist jedoch dass mit den steigen-den Emissionen der Weltwirtschaft gleichzeitig auch die Faumlhigkeit natuumlrlicher Senken zur Aufnahme von CO2 abnimmt So scheinen insbesondere die Meere dazu bei-zutragen dass die Erde momentan ihre Kapazitaumlten zur eigenstaumlndigen Erholung zu verlieren droht Waumlhrend noch vor fuumlnfzig Jahren rund 60 Prozent des vom Men-schen ausgestoszligenen CO2 durch natuumlrliche Senken auf-genommen wurden hat sich der Anteil mittlerweile auf

Waumlhrend Boumlden und Landvegetation als CO2-Senken relativ stabil geblieben sind hat die Aufnahmefaumlhigkeit der Meere fuumlr CO2 innerhalb der letzten 50 Jahre abge-nommen Quelle Canadell JG et al (2007)

Abb 24 Anteil der anthropogenen CO2-Emissionen der in der Atmos-phaumlre und im Ozean verbleibt

Atmosphaumlre

55 Prozent verringert wodurch der verbleibende Emis-sionsanteil auf 45 Prozent angestiegen ist (siehe Abbil-dung 24) Rund 18 Prozent des ploumltzlichen Anstiegs der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre gehen mittler-weile auf die schwindenden Kohlenstoffsenken zuruumlck

Besonders betroffen ist dabei die Aufnahmekapazitaumlt der suumldlichen Ozeane wo erste Saumlttigungstendenzen und eine bereits durch die Klimaerwaumlrmung verursachte Veraumlnderung der Westwinde zur Schwaumlchung der mari-timen Kohlenstoffsenke und somit maszliggeblich zum An-stieg des verbleibenden Emissionsanteils in der Atmo-sphaumlre beitragen (siehe Abb 24) Aber auch die fuumlr eine waumlrmere Welt typische Zunahme von Trockenperioden in den letzten Jahren (bspw die Hitzewelle 2003 in Eu-ropa) hat regional zur Abnahme der weltweiten Senken-faumlhigkeit und somit zur Erhoumlhung der atmosphaumlrischen CO2-Konzentration beigetragen

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Ozean

98 Canadell JG et al 2007

50

Tuvalu gehoumlrt zu den am staumlrksten vom Meeresspiegelanstieg gefaumlhrdeten Inselshystaaten Auch dort leben viele Menschen in aumlrm lichen Verhaumlltnissen die wenig Schutz vor Extremwetterereignissen wie Pazifikshystuumlrmen bieten

Foto

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51

Die globale Erderwaumlrmung und somit der Klimawandel sind ndash wie beschrieben ndash zum groumlszligten Teil menschge-macht Ausloumlser ist die mit fossilen Energietraumlgern vor-angetriebene Industrialisierung Um einen gefaumlhrlichen Klimawandel abzuwenden bedarf es daher nicht nur ein-zelner Klimaschutzmaszlignahmen sondern einer industri-ellen und kulturellen Revolution Das heiszligt es geht um den Aufbau eines neuen Wohlstandsmodells das nicht laumlnger auf fossilen Energietraumlgern basiert und nachhal-tige Entwicklung ermoumlglicht eines Wohlstandsmodells bei dem sich unsere Lebensform stark veraumlndert

Der Klimawandel erfordert die Uumlberwindung von Kurz-sichtigkeit in Politik und Wirtschaft Statt dessen sind Weitblick und an langfristigen Zielen orientierte Wei-chenstellungen gefragt Bisher orientieren sich Politik Wirtschaft und jeder Einzelne jedoch haumlufig nur an ihrem kurzfristigen Wahrnehmungshorizont Wenn Politiker nur in Legislaturperioden von vier Jahren denken und die Wirtschaft nur auf den naumlchsten Quartalsbericht blickt so greift die Planung deutlich zu kurz um Erfolge von Klimaschutzmaszlignahmen messen zu koumlnnen Um den glo-balen Temperaturanstieg auf so weit wie moumlglich unter 2 degC zu begrenzen muumlssen Politik Wirtschaft und Buumlr-ger ihre Handlungsfaumlhigkeit anerkennen und langfristi-ge Entscheidungen treffen

Besonders die Wirtschaftskrise hat noch einmal ver-deutlicht wie wichtig nachhaltiges Handeln als Leitbild ist Die Krise sollte daher als Anlass und Chance gese-hen werden jetzt die Weichen fuumlr oumlkologische soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu stellen Das wird Umbruumlche und Zumutungen aber auch Neuaufbruumlche und Chancen mit sich bringen Das Zusammenspiel ei-ner engagierten nationalen und internationalen Klima-politik beide angetrieben durch Vorreiterkoalitionen in Politik Wirtschaft und Zivilgesellschaft spielt eine entscheidende Rolle um diesen Wandel einzuleiten Damit Gelder im notwendigen Ausmaszlig in den Umbau in-vestiert werden bedarf es langfristiger ambitionierter und rechtlich verbindlicher Rahmenbedingungen (bdquolong loud and legalldquo)

61 Internationale Klimagerechtigkeit Klimagerechtigkeit ist eine Art Leitbegriff geworden sowohl fuumlr die internationale Klimapolitik wie auch fuumlr die Aktivitaumlten vieler Akteure der Nord-Suumld-Zusammen-arbeit Was verbirgt sich dahinter

Es ist offensichtlich nicht gerecht dass die Laumlnder die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben am

staumlrksten von seinen Folgen betroffen sein werden Ins-besondere die kleinen Inselstaaten ndash in der Klimapolitik in der bdquoAlliance of Small Islands States (AOSIS)ldquo zusam-mengeschlossen ndash und die am wenigsten entwickelten Laumlnder (die Least Developed Countries LDCs) gelten als besonders verletzliche Laumlndergruppen Daruumlber hin-aus sind auch Laumlnder in anderen Regionen und Millio-nen arme Menschen in den Schwellenlaumlndern massiven Bedrohungen durch den Klimawandel ausgesetzt Die Pro-Kopf-Emissionen in den aumlrmsten Laumlndern sind mit weniger als einer Tonne CO2 pro Jahr in der Regel um ein Vielfaches geringer als z B die in Deutschland oder den USA (s auch Abbildung 20 S 44) Aumlhnlich groszlig ist der Unterschied der Pro-Kopf-Emissionen zwischen den Eli-ten und den besonders betroffenen Personengruppen in diesen Laumlndern

Die Ungerechtigkeit zwischen historischen und heutigen Verursachern einerseits und bereits Betroffenen des Kli-mawandels andererseits spielt v a auch in den interna-tionalen Verhandlungen um ein Post-2012-Abkommen eine zentrale Rolle Es zeigte sich auf der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 dass Vertrauen in internationalen Klimaschutz und entsprechendes Engagement nur wach-sen koumlnnen wenn das Prinzip der gemeinsamen aber dif-ferenzierten Verantwortlichkeit auf drei Dimensionen der internationalen Klimagerechtigkeit erweitert wird

n 1 Die Uumlberlebenssicherung aller Staaten als Minimum jeder Fairness

Fuumlr die von den Folgen des Klimawandels am meisten betroffenen Laumlnder steht bezuumlglich der Gerechtigkeits-frage das Uumlberleben an erster Stelle Deutlich vertrat beispielsweise der Inselstaat Tuvalu auf dem Kopenha-gener Klimagipfel die Position Klimaschutz (und damit das internationale Klimaabkommen) muumlsse so ambitio-niert gestaltet werden dass das Uumlberleben aller ndash also auch der verletzlichsten Staaten und Voumllkergruppen ndash gewaumlhrleistet werde Die LDCs und AOSIS waren es die zuerst die Forderungen aufstellten den globalen Tem-peraturanstieg auf 15 degC gegenuumlber vorindustriellem Niveau zu begrenzen

n 2 Die faire Lastenverteilung fuumlr Klima-schutz und Anpassung

Das emissionsintensive Wohlstandsmodell der Indust-rielaumlnder laumlsst sich aufgrund der Begrenztheit der Res-sourcen auch der Ressource bdquoKohlenstoffsenke Erdsys-temldquo nicht auf die ganze Welt uumlbertragen Gleichzeitig sind die Bekaumlmpfung der Armut und die wirtschaftliche Entwicklung oberste Prioritaumlt der Regierungen ndash insbe-sondere der Entwicklungslaumlnder Von ihnen den Umbau

6 Herausforderungen fuumlr die Klimapolitik

52

zu einem neuen noch nirgends praktizierten Wohl-standsmodells zu verlangen waumlhrend die Industrielaumln-dern weiter ihren Wohlstand durch fossile Energietraumlger befeuern wird von den Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern verstaumlndlicherweise als ungerecht empfunden Da es bei der Frage der Lastenverteilung der Emissions-reduktionen vor allem um das Gerechtigkeitsverhaumllt-nis ndash wie kann unter der Beruumlcksichtigung von Gerech-tigkeitspraumlmissen die Verantwortung zur Bekaumlmpfung des Klimawandels fair verteilt werden ndash zwischen den maumlchtigsten Staaten der Erde geht hat diese Frage u a den Klimagipfel in Kopenhagen dominiert

Wenn die notwendigen ambitionierten Klimaziele er-reicht werden sollen muumlssen sich sowohl Industrie- als auch Schwellenlaumlnder zu weitgehenden Klimaschutz-maszlignahmen verpflichten Aus Gerechtigkeitsgruumlnden werden die Industrielaumlnder dabei vorangehen und ihre Treibhausgasemissionen bis Mitte des Jahrhunderts praktisch auf Null reduzieren ndash und zugleich den Umbau sowie die Anpassungsmaszlignahmen in Entwicklungslaumln-dern massiv unterstuumltzen muumlssen

n 3 Die gerechte Beteiligung an den Chancen der klimapolitischen Transformation

Eine ungewoumlhnliche Koalition aus besonders betrof-fenen Staaten (wie den Malediven) Schwellenlaumlndern (wie Suumldkorea) einer wachsenden Zahl von Akteuren aus Industrielaumlndern sowie NGOs und Investoren welt-weit weist zunehmend auf die dritte staumlrker in die Zu-kunft gerichtete Dimension der Gerechtigkeit hin Diese immer mehr an Bedeutung gewinnende Gerechtigkeits-frage stellt sich wenn das globale Rennen zu einer kli-mafreundlichen Weltwirtschaft (mit dem 2-degC-Limit als Leitplanke) tatsaumlchlich die notwendige Dynamik auf-nimmt Dies waumlre die groumlszligte wirtschaftliche Revolution seit der Erfindung der Dampfmaschine um deren Ablouml-sung es jetzt geht Die groszlige Gerechtigkeitsfrage wird dann Wer hat welchen Anteil an den Chancen dieser Neugestaltung der gesamten Energie- Verkehrs- In-dustrie- und Gebaumludeinfrastruktur weltweit Hier wer-den Macht Einfluss und Reichtum fuumlr morgen verteilt Aber auch die soziale und kulturelle Transformation die mit einer Entwicklung zur postfossilen Gesellschaft einhergehen muss birgt Gerechtigkeitskomponenten wie die Neugestaltung von Wertesystemen die nicht vernachlaumlssigt werden sollten Diese Dimension macht auch noch einmal deutlich dass die Wahrnehmung von Klimaschutz als Last (s oben) verkuumlrzt ist Es waumlre unge-recht wenn die Menschen die ndash ohne eigenes Verschul-den ndash vom Klimawandel am heftigsten betroffen sind die Armen auf diesem Planeten auch von neuen Wohl-standsmodell ausgeschlossen werden

Die drei Dimensionen der internationalen Klimagerech-tigkeit muumlssen zusammengefuumlhrt werden um eine nach-haltige Loumlsung durch Dynamik in der Gesellschaft in den Kommunen und in der Wirtschaft weltweit zu entfachen und die Menschen die heute in den aumlrmsten Laumlndern wohnen ebenfalls an den Gewinnen der groszligen Trans-formation teilhaben zu lassen

62 Geschichte der Klimapolitik Von Rio uumlber Kyoto nach Kopen-hagen

Uumlber die Frage wer wann die Treibhausgasemission wie stark verringern soll und welchen Anteil des Kli-maschutzes und der Anpassung an die Klimafolgen in Entwicklungslaumlndern die Industrielaumlnder bezahlen ver-handeln die jeweiligen Laumlnder seit Anfang der 1990er Jahre im Rahmen der 1994 in Kraft getretenen Klimarah-menkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change UNFCCC) In dieser Konvention verpflichteten sich die Industrielaumln-der ndash wenn auch nicht rechtsverbindlich ndash ihre Treibh-ausgasemissionen bis zum Jahr 2000 auf das Niveau von 1990 zu reduzieren Wichtiger jedoch war dass sie den Rahmen fuumlr naumlher auszuhandelnde rechtlich verbind-liche Zusatzvertraumlge (Protokolle) mit weitergehenden und verbindlichen Zielsetzungen schufen Daher auch die Bezeichnung bdquoRahmenkonventionldquo Das Kernziel der Rahmenkonvention ist in Artikel 2 ausgedruumlckt Eine gefaumlhrliche Stoumlrung des Klimasystems durch den Men-schen soll vermieden werden

Auf dem Klimagipfel in Kyoto 1997 wurde das erste voumll-kerrechtlich verbindliche Klimaschutzprotokoll verab-schiedet ndash quasi als Konkretisierung der Klimarahmen-konvention ndash nach Verhandlungen die bis zur letzten Minute aumluszligerst zaumlh und dem Scheitern bis auf Haares-breite nahe waren Das Kyoto-Protokoll enthaumllt fuumlr die beteiligten Industriestaaten Emissionsbegrenzungsziele der wichtigsten Treibhausgase von im Durchschnitt 5 Prozent gegenuumlber 1990 fuumlr den Zeitraum 2008 bis 2012 (die sogenannte bdquoerste Verpflichtungsperiodeldquo) Die EU-Staaten muumlssen ihren Ausstoszlig um durchschnittlich 8 Pro-zent verringern (Deutschland minus 21 Prozent) Japan hat sich zu einer Reduktion um 6 Prozent verpflichtet99 Die US-Regierung hatte ein Reduktionsziel von 7 Pro-zent unterzeichnet aber das Kyoto-Protokoll wurde vom US-Parlament letztlich nicht ratifiziert und trat fuumlr die USA damit nicht in Kraft

In der ersten Verpflichtungsperiode uumlbernahmen nur die Industrielaumlnder rechtlich verbindliche Emissionszie-le Gemaumlszlig dem Grundsatz der bdquogemeinsamen aber dif-ferenzierten Verantwortungldquo liegen die Gruumlnde hierfuumlr

99 Der komplette Vertragstext des Protokolls kann unter httpwwwunfcccintresourcedocsconvkpkpgerpdf abgerufen werden ndash dort sind auch die Emissionsziele aller Industriestaaten im Anhang B verzeichnet Die EU hat ihr 8-Ziel allerdings im bdquoBurden Sharing Agreementrdquo modifiziert so dass manche EU-Staaten staumlrkere und andere schwaumlchere Emissionsziele haben (siehe httpwwwclimnetorgresourceseuburdenhtm und httpwwwgermanwatchorgfolieneu-etfolie003htm)

53

vor allem darin dass sie ndash sowohl bezuumlglich der histori-schen Gesamt- als auch der aktuellen Pro-Kopf-Emissio-nen ndash mit Abstand die meisten Treibhausgasemissionen verantworten Hinzu kommt dass sie wirtschaftlich und technologisch leistungsfaumlhiger sind und damit einen groumlszligeren Handlungsspielraum fuumlr Investitionen in Kli-maschutzmaszlignahmen haben

Der Ausstieg der USA aus dem Kyoto-Protokoll unter Praumlsident G W Bush im Maumlrz 2001 war ein herber Ruumlck-schlag aber die internationale Staatengemeinschaft fuumlhrte die Verhandlungen um die Umsetzung des Kyo-to-Protokolls zur Uumlberraschung vieler Beobachter den-noch weiter Die von dem Unternehmerverband e5 dem World Wide Fund for Nature (WWF) und Germanwatch in Gang gebrachte Unternehmerinitiative e-mission55 gab den Verhandlungen in der entscheidenden Phase Ruumlckenwind Uumlber 200 Firmen aus der EU Japan Kana-da und Russland hatten sich unter dem Motto bdquoKyoto into forceldquo (Kyoto in Kraft setzen) zusammengeschlos-sen und damit offen demonstriert dass groszlige Teile der Wirtschaft ndash trotz des Ausscheidens der USA ndash hinter dem Kyoto-Protokoll stehen100 Auf dem Bonner Kli-magipfel im Juli 2001 konnte schlieszliglich eine Einigung uumlber die wichtigsten Streitfragen erzielt werden u a uumlber Detailfragen bezuumlglich der bdquoflexiblen Mechanis-menldquo Der letzte bdquoFeinschliffldquo erfolgte wenige Monate spaumlter auf dem Klimagipfel in Marrakesch Die rechtlich bedeutsamen Ausfuumlhrungsbestimmungen des Kyoto-Protokolls waren nun praumlzise genug ausgestaltet um von den noch zoumlgernden Laumlndern ratifiziert zu werden Fuumlr das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls mussten 55 Staaten die mindestens 55 Prozent der Treibhausgas-emissionen der Industrielaumlnder von 1990 abdeckten das Abkommen ratifizieren Dies wurde erst durch die Rati-fikation Russlands im November 2004 erreicht so dass das Protokoll drei Monate spaumlter am 16 Februar 2005 in Kraft treten konnte

Danach haben die UNFCCC-Verhandlungen insbeson-dere durch die sich aus dem 4 Sachstandsbericht des IPCC ergebende Dringlichkeit im Jahr 2007 an neuer Dynamik gewonnen Beim Klimagipfel im indonesischen Bali (Dezember 2007) wurde die so genannte bdquoBali Road-mapldquo beschlossen bdquoRoadmapldquo deshalb weil sie einen Verhandlungsfahrplan mit dem Ziel einer umfassenden Einigung bis zum Klimagipfel 2009 in Kopenhagen dar-stellte Kern element dieser von allen Mitgliedsstaaten der Konvention mitgetragenen Vereinbarung war der Bali-Aktionsplan101 Er setzte einen intensiven Verhand-lungsprozess zur bdquovollstaumlndigen wirksamen und fort-laufenden Umsetzung der Konvention durch eine lang-fristige kooperative Zusammenarbeit heute bis und jenseits des Jahres 2012ldquo102 in Gang Getragen von der im IPCC-Bericht ausgedruumlckten Dringlichkeit ndash der Ak-tionsplan verweist auf die IPCC-Ausfuumlhrungen dass die Industrielaumlnder ihre Emissionen bis 2020 um 25-40 Pro-

zent gegenuumlber 1990 verringern muumlssten ndash skizzierte er vier Verhandlungsbloumlcke mit jeweils einer Reihe von Un-terthemen Im Zentrum standen dabei gleichgewichtig die Vermeidung von Emissionen (Mitigation) sowie die Anpassung an die Klimafolgen (Adaptation) unterstuumltzt durch Finanzierung und Technologie Fuumlr die Kyoto-Staaten ging es dabei vor allem um die Ausgestaltung der zweiten Verpflichtungsperiode fuumlr den Zeitraum nach 2012 denn es war von Anfang an klar dass Kyoto I (2008 bis 2012) nur ein erster und bei weitem nicht ausreichen-der Schritt sein konnte Fast alle Industriestaaten die Kyoto ratifiziert haben werden aller Voraussicht nach die gesetzten Klimaziele erreichen Nur Kanada verwei-gert das weil sein groszliger Wettbewerber USA nicht mit-macht Eventuell koumlnnte es ndash nach Fukushima ndash auch fuumlr Japan schwierig werden die Klimaziele zu erreichen

Doch hat der IPCC sehr deutlich gemacht dass das 2 degC-Limit alleine durch Klimaschutz in den Kyoto-In-dustrielaumlndern nicht zu erreichen sein wird Ein ganz zentraler Knackpunkt ist daher die Frage zu welcher Art von Verpflichtung sich die USA als damals noch groumlszligter CO2-Emittent und Nicht-Kyoto-Mitglied bereiterklauml-ren wuumlrden und ndash mindestens ebenso wichtig ndash welche Ambition und rechtliche Form der Klimaschutz in den Schwellenlaumlndern und spaumlter auch in anderen Entwick-lungslaumlndern haben wuumlrde Wenngleich der Aktionsplan noch keine Verpflichtung zu Maszlignahmen sondern nur zu Verhandlungen uumlber bestimmte Maszlignahmen darstell-te war er doch maszliggeblich fuumlr den darauf folgenden zweijaumlhrigen Verhandlungsprozess der in der Klimakon-ferenz von Kopenhagen gipfelte

63 Die Klimagipfel von Kopen-hagen und Cancuacuten

Wie nie zuvor bei einer Klimakonferenz richteten sich im Dezember 2009 die Augen der Welt auf Kopenhagen Mit fast 30000 Teilnehmern war es die groumlszligte Klima-konferenz uumlberhaupt Kein anderes Ereignis hat jemals in aumlhnlichem Ausmaszlig dazu beigetragen das Thema auf die Agenda der Regierungschefs weltweit zu setzen Jedoch zeigte sich dass diese hohe Aufmerksamkeit kein Garant fuumlr politischen Erfolg war Zu Beginn der Verhandlungen war bereits klar dass die Chancen auf ein umfassendes rechtlich verbindliches Abkommen in Kopenhagen sehr gering waren Die von den Verhandlern in knapp zwei Jahren ausgehandelten Texte waren umfassend kom-plex und gleichzeitig noch mit Hunderten von Klammern ndash der Ausdruck fuumlr fehlenden Konsens ndash versehen als zunaumlchst die Minister und dann die Staats- und Regie-rungschefs in Kopenhagen eintrafen

Es kam die gesamte politische Fuumlhrungselite der Welt nach Kopenhagen Mehr als 120 Staats- und Regie-

100 Siehe auch Germanwatch 2008101 Der Bali-Aktionsplan kann abgerufen werden unter httpunfcccintresourcedocs2007cop13eng06a01pdfpage=3102 UNFCCC 2007 3

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rungschefs vom US-Praumlsidenten Barack Obama bis hin zu Chinas Ministerpraumlsident Wen Jiabao Von der deut-schen Kanzlerin Angela Merkel bis hin zum Praumlsidenten der Malediven Mohamed Nasheed Der Klimawandel sei bdquoeine der groumlszligten Herausforderungen unserer Zeitldquo heiszligt es dann auch im Kopenhagen-Akkord dem zentra-len Abschlussdokument der Konferenz103 Jetzt sei die Zeit vom Reden zum Handeln uumlberzugehen hatte ein Regierungschef nach dem anderen beschworen Doch mit dem Kopenhagen-Akkord gelang dieser Durchbruch nicht Zum einen da er nur bdquozur Kenntnis genommenldquo und nicht als formelle Entscheidung verabschiedet wurde Denn sowohl aus prozeduralen wie auch aus in-haltlichen Gruumlnden war die Vereinbarung von einigen Laumlndern darunter kleine Inselstaaten wie Tuvalu und la-teinamerikanische Staaten wie Venezuela und Bolivien abgelehnt worden

Schon vor der Konferenz war klar dass drei zentrale Kriterien uumlber Erfolg oder Misserfolg der Konferenz maszliggeblich entscheiden wuumlrden Die Festlegung von Reduzierungszielen die die Erwaumlrmung auf unter 2 Grad oder sogar 15 Grad begrenzen wuumlrden Zusagen fuumlr finanzielle Unterstuumltzung zum Klimaschutz und zur An-passung sowie eine voumllkerrechtlich verbindliche Form des Abkommens In allen Bereichen ist der Kopenhagen-Akkord hinter dem immer dringlicher Notwendigen zu-ruumlckgeblieben

Die Ergebnisse von Kopenhagen muumlssen im Nachhinein in engem Zusammenhang mit dem darauf folgenden Kli-magipfel im mexikanischen Cancuacuten bewertet werden der im Dezember 2010 stattfand Hier ging es vor allem

darum Beschluumlsse von Kopenhagen mindestens auf glei-chem Niveau zu bdquoformalisierenldquo also als offizielle Ent-scheidung durch alle Staaten zu verabschieden in dem klaren Verstaumlndnis dass es eher um eine Absicherung von Minimalverpflichtungen ging als Grundlage fuumlr eine zukuumlnftig groumlszligere Ambition

Was wurde in Cancuacuten im Vergleich zu Kopenhagen er-reicht Schon im Laufe des Jahres 2010 zeichnete sich eine zentrale Grundlage fuumlr die Entscheidungen von Cancuacuten ab naumlmlich die Integration derjenigen Texte die auf Verhandlerebene zu den unterschiedlichsten Themen auch in Kopenhagen diskutiert und in 2010 weiterent wickelt worden waren mit den Inhalten des Kopenhagen-Akkord der von mehr als 140 Laumlndern offi-ziell unterstuumltzt wurde So wurde in Cancuacuten neben vielen Einzelentscheidungen ein umfassendes Dokument auf der Konventionsebene sowie eines auf Kyoto-Ebene an-genommen Die zentralen Ergebnisse waren die folgen-den die maszliggeblich auf den Beschluumlssen von Kopenha-gen aufbauten und zum groszligen Teil in den Folgejahren weiter ausgearbeitet werden muumlssen 104

rarr Es ist gelungen erstmals in einem UN-Konsens der gesamten Staatengemeinschaft das 2 degC-Limit als die Messlatte fuumlr die angestrebten Klimaschutzaktivitaumlten zu verankern Zwar war dies auch schon im Kopenhagen-Akkord enthalten aber eben nicht von allen Staaten formell angenommen worden

rarr Es ist gelungen einige groszlige Klimaschutzpakete zu verabschieden die eigentlich schon in Kopenhagen haumlt-ten verabschiedet werden sollen

Der UN-Klimagipfel 2009 in Kopenhagen Photo IISD

103 S Germanwatch 2009104 Germanwatch 2010a

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nEin Paket zur Anpassung der besonders betroffenen Staaten an die Konsequenzen des Klimawandels Mit dem bdquoCancuacuten Adaptation Frameworkldquo hat man ne-ben grundsaumltzlichen Aspekten wie Prinzipien fuumlr die Umsetzung von Anpassungsmaszlignahmen und einer Liste moumlglicher Aktivitaumlten auch konkrete Prozesse angestoszligen Dazu gehoumlren ein besonderer Unterstuumlt-zungsprozess fuumlr LDCs bei der Anpassungsplanung die Einrichtung einer Institution unter der UNFCCC fuumlr eine kohaumlrentere Behandlung des Themas in den Klimaverhandlungen

nEin Paket zum Schutz des Regenwaldes Aus Kli-maschutzgesichtspunkten ist der Schutz der Waumll-der wegen ihrer Funktion als CO2-Speicher zentral Entwaldung verwandelt den CO2-Speicher in eine CO2-Quelle durch die sich die Temperaturerhoumlhung weiter verschaumlrft Wenngleich in Cancuacuten noch keine konkreten Finanzierungsinstrumente fuumlr den Walder-halt beschlossen wurden hat man sich doch auf wich-tige Grundprinzipien die die soziale und oumlkologische Integritaumlt von Klimaschutz im Waldbereich sichern sollen geeinigt

nEin Paket zur Technologiekooperation das einen Technologiemechanismus unter der UNFCCC beinhal-tet der durch die Etablierung eines Technologie-Ko-mitees und den Aufbau eines Netzwerks von Techno-logiezentren die Technologiekooperation befoumlrdern soll

nEinen Finanzierungsfonds (bdquoGreen Climate Fundldquo) der Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung finanzieren soll Dessen Leitungsgremium (bdquoBoardldquo) wird zur Haumllfte von Industrie- und zur Haumllfte von Ent-wicklungslaumlndern besetzt Mit dem Kopenhagen-Ak-kord hatten die Staats- und Regierungschefs bereits den Weg fuumlr die Gruumlndung dieses Fonds geebnet Jedoch gab es sehr unterschiedliche Vorstellungen daruumlber wie die Verbindung des Fonds zum UNFCCC-Prozess aussehen sollte da insbesondere die USA starke Einwaumlnde gegen einen Fonds unter der Aumlgide des Konventionsprozess hatten Letztendlich hat die Entscheidung einen Mittelweg aufgezeigt Die finan-zielle Groumlszligenordnung steht noch nicht fest jedoch ist klar dass der bdquoGreen Climate Fundldquo nur eine Exis-tenzberechtigung hat wenn er ein sehr viel groumlszligeres Volumen haben wird als bisherige Fonds

nEs ist gelungen die freiwilligen Selbstverpflichtun-gen der Staaten die diese im Kopenhagen-Akkord eingereicht hatten in eine formale UN-Entscheidung zu integrieren Das erhoumlht z B den internationalen Druck auf die US-Regierung trotz politischen Wider-standes zuhause bei ihrem im Kopenhagen-Akkord bestaumltigten nationalen Ziel zu bleiben die Emissionen bis 2020 um 17 Prozent zu senken Eine Entscheidung

eines hohen US-Gerichts in Washington machte prak-tisch zeitgleich mit dem Ende des Cancuacuten-Gipfels den Weg frei fuumlr die ersten CO2-Standards in den USA Die Unternehmen mit dem groumlszligten CO2-Ausstoszlig so-wie der Staat Texas wollten die Klimaschutzregeln verhindern die auf dem Weg zu den notwendigen Re-duktionen einen wichtigen Beitrag spielen koumlnnen

nEs ist in beiden Cancuacuten-Vereinbarungen (als Ergeb-nis der Kyoto- und der Konventionsverhandlungen) festgehalten dass die Staaten ihre freiwilligen Ziele nachbessern sollen Das bedeutet einen Paradigmen-wechsel gegenuumlber der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls die Maximalziele definiert hat Die zunaumlchst vereinbarten Reduktionsziele bis 2020 verstehen sich als Minimalziele die in den kommen-den Jahren angehoben werden sollen Zwischen 2013 und 2015 soll es im Rahmen der Verhandlungen unter der Konvention dann eine Uumlberpruumlfung (bdquoReviewldquo) u a dazu geben mit welcher Strategie die verblei-bende Luumlcke zum 2-degC-Limit geschlossen werden kann Dies ist dringend notwendig da die im Zuge von Kopenhagen gemachten Klimaschutzzusagen der Industrie- und Entwicklungslaumlnder zu einer durch-schnittlichen globalen Temperaturerhoumlhung im Be-reich von 4 degC oder mehr fuumlhren koumlnnten105

nDas Zwischenergebnis fuumlr die Verhandlungen unter dem Kyoto-Protokoll wird fuumlr die Industrielaumlnder noch konkreter Diese sollen ihre Ziele so nachbes-sern dass dies im Durchschnitt 25-40 Prozent Reduk-tion bis 2020 gegenuumlber 1990 ergibt (Der IPCC sieht diese Reduktion als notwendig an um den Tempera-turanstieg mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit auf we-niger als 2 degC begrenzen zu koumlnnen)

nAlle Industrielaumlnder haben sich in Cancuacuten verpflich-tet bdquoLow-Carbon Development Plansldquo (Plaumlne fuumlr eine Entwicklung in Richtung einer CO2-armen Gesell-schaft) oder entsprechende Strategien zu entwickeln ndash allerdings bisher ohne zeitliche Vorgabe

nIm Bereich Langfrist-Finanzierung wurde das in Ko-penhagen gemachte Versprechen der Industrielaumln-der bestaumltigt bis zum Jahr 2020 die Finanzierung fuumlr Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung auf 100 Milliarden Dollar pro Jahr steigen zu lassen Der hierfuumlr aumluszligerst relevante Bericht der von Ban Ki- moon eingesetzten Arbeitsgruppe zur Langfristfi-nanzierung (AGF) wurde von der Konferenz zwar zur Kenntnis genommen106 Es wurde jedoch kein Prozess vereinbart im Jahr 2011 die Einfuumlhrung moumlglicher Finanzierungsinstrumente konkreter zu behandeln

nIm Gegenzug werden die Schwellen- und Entwick-lungslaumlnder aufgefordert so genannte bdquoLow-Carbon-Developmentldquo- Strategien oder -Plaumlne einzureichen

105 UNEP 2010106 Weitere Informationen zum AGF-Bericht siehe wwwgermanwatchorgklikoks46htm

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Diese sollen zeigen was ein Land ohnehin fuumlr den Klimaschutz tut und fuumlr welche Gesetzesvorhaben oder Aktivitaumlten es internationale Unterstuumltzung (Finanzen Technologie Capacity Building) braucht Es wird ein internationales Register aufgebaut das das Zusammenbringen erleichtert zwischen konkre-ten Anfragen (mit geschaumltzten Kosten und Emissions-reduktionen) und dem dafuumlr bestimmten Teil der in-ternationalen Finanzstroumlme

nChina hat in Cancuacuten schlieszliglich auf der Basis eines Vor schlags von Indien in der Frage der internationalen Uumlberpruumlfung der nationalen Klimaschutzaktivitaumlten den Weg zur notwendigen Transparenz der Maszlignah-men in Schwellenlaumlndern frei gemacht Dieses Thema war bereits in Kopenhagen ein zentraler Konflikt ins-besondere zwischen den USA und China gewesen Die Aktivitaumlten werden zwar national gemessen berich-tet und verifiziert aber anhand von unter der Konven-tion vereinbarten Richtlinien Die alle zwei Jahre vom entsprechenden Land vorgelegten Zwischenberichte werden dann international von Experten diskutiert und ein entsprechender Bericht wird vorgelegt

nBeinahe gescheitert waumlre der Gipfel von Cancuacuten an der Frage der zweiten Verpflichtungsperiode fuumlr das Kyoto-Protokoll Ein Kompromiss basierend auf bdquokonstruktiver Zweideutigkeitldquo hat hier den Weg frei gemacht Die Industriestaaten (mit Ausnahme der USA) verhandeln die zweite Verpflichtungsperio-de des Kyoto-Protokolls so zuumlgig zu Ende dass keine Luumlcke nach dem Auslaufen der ersten Verpflich-tungsperiode (2012) entsteht Es bleibt aber zu-naumlchst offen ob die Reduktionsziele dann tatsaumlchlich im Rahmen des Kyoto-Protokolls festgeschrieben werden oder ob die Verhandlungsergebnisse in ei-nem groumlszligeren gemeinsamen Rahmenabkommen an dem auch die Schwellenlaumlnder sowie die USA teilnehmen fixiert werden Angesichts des starken Widerstands von Laumlndern wie Japan Russland und Kanada besteht allerdings kein Grund fuumlr groszligen Optimismus dass es tatsaumlchlich zu einer umfassenden 2 Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls kom-men wird

Die Cancuacuten-Vereinbarungen stellen einen gewissen Teil-erfolg fuumlr den UNFCCC-Prozess dar der allerdings nicht daruumlber hinwegtaumluschen darf dass die Luumlcke zwischen politischer Ambition und wissenschaftlicher Dringlich-keit nach wie vor unakzeptabel groszlig ist Die Welt steuert auf eine Temperaturerhoumlhung von drei bis vier Grad in diesem Jahrhundert zu Es bedarf daher vielfaumlltiger Initi-ativen innerhalb und auszligerhalb des UNFCCC-Prozesses um diese Luumlcke so schnell wie moumlglich zu verkleinern

64 Handeln ndash Verhandeln ndash Koa-litionen Grundlage einer klima-politischen Aufwaumlrtsspirale

Das Verkleinern dieser Luumlcke bedarf eines dynamisches Zusammenspiels von drei Dimensionen Handeln in Poli-tik und Wirtschaft das weitere Verhandeln eines inter-nationalen Rahmens und die Koalition von Akteuren die Dynamik erzeugen wollen bzw koumlnnen

n Erste Dimension Handeln

Waumlhrend der Wirtschaftskrise der vergangenen zwei Jahre waren weltweit Energieeffizienz und Erneuer-bare Energien die Wirtschaftsmotoren Ein Blick auf die Entwicklung der Erneuerbaren Energien zeigt Im Jahr 20082009 wurden sowohl in Europa als auch in den USA Kraftwerke zur Nutzung Erneuerbarer Energien mit einer Stromleistung in Betrieb genommen die die Kapazitaumlt der neuen Kohle- Gas- und Kernkraftwerke des gleichen Zeitraums deutlich uumlbertrifft Im Jahr 2009 machten die Erneuerbaren Energien 60 Prozent der neu zugebauten Kraftwerkskapazitaumlt in Europa aus ndash und be-reits fast 20 Prozent der jaumlhrlichen Stromproduktion In China bdquoexplodiertldquo der Ausbau Erneuerbarer Energien geradezu mit 37 Gigawatt Leistung wurde dort 2009 fast die Haumllfte der neuen weltweiten Kapazitaumlt (80 GW) hinzugebaut Immer mehr spricht dafuumlr dass sich die wirtschaftlichen Chancen der Staaten weltweit maszlig-geblich daran orientieren werden wer bei Energieeffizi-enz und Erneuerbaren Energien die Nase vorne hat Fuumlr viele Entwicklungslaumlnder bietet sich jetzt die Gelegen-heit von vornherein ihre Infrastruktursysteme nachhal-tiger und effizienter aufzubauen als dies bisher in den Industrielaumlndern der Fall war waumlhrend diese mit dem Umbau ihrer existierenden Systeme vor einer enormen Herausforderung stehen Verschiedene Studien zeigen aber dass in der EU und Deutschland die Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien bis Mitte des Jahrhunderts moumlglich ist und dies ohne groszlige Zusatzkosten und bei gleicher Netzsicherheit107 Es gibt keinen Grund fuumlr die Staaten mit dem Handeln zu warten

n Zweite Dimension Verhandeln

Eine internationale Rahmensetzung kann nicht nur die Dynamik internationale Vergleichbarkeit und recht -liche Verbindlichkeit sichern Sie kann auch dafuumlr sor-gen dass nicht allein das Recht des Staumlrkeren den Aus-gang des Wettrennens in das Solarzeitalter bestimmt Sie kann dafuumlr sorgen dass auch die Lahmen und Brem-ser schrittweise mitkommen Sie ist auszligerdem wichtig um auch die internen Bremser in den Vorreiterstaaten uumlberzeugen zu koumlnnen

107 ECF 2010

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n Dritte Dimension Koalitionen

Sowohl zur Beschleunigung des Handelns als auch fuumlr neue Dynamik beim Verhandeln bedarf es neuer Koali-tionen mit den besonders betroffenen Staaten mit den Vorreiterstaaten sowie mit den Schwergewichten unter den Staaten Die Etablierung von neuen Formen der Zu-sammenarbeit die sich in den Klimaverhandlungen ab-zeichnen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin

Cancuacuten hat die in diesen Gipfel gesetzten Erwartungen erfuumlllt Damit wurde in Mexiko zumindest die Grund-lage fuumlr eine dynamisierende Aufwaumlrtsspirale gelegt Zunaumlchst ging es darum ein Mindestfundament einzu-ziehen um die bei den Industrielaumlndern sichtbare Ab-waumlrtsspirale nach Kopenhagen zu stoppen Dies wurde in Cancuacuten geleistet und muss in den folgenden UN-Kli-makonferenzen (z B Suumldafrika 2011) und anderen Pro-zessen ergaumlnzt werden Auch der Rio+20-Gipfel der im Mai 2012 stattfinden soll und Themen wie bdquogruumlne Wirt-schaftldquo und das globale umweltpolitische Institutionen-system auf seiner Agenda haben wird bietet hier eine groszlige politische Chance (Phase 1)

Zugleich wurden die naumlchsten bdquoSpiraldrehungenldquo nach oben vorgezeichnet Dass die Staaten jetzt ihre zu schwachen Ziele nachbessern sollen gehoumlrt zu den auf-

waumlrtstreibenden dynamisierenden Elementen Bis 2015 soll durch einen bdquoReviewldquo-Prozess die dann noch ver-bleibende Luumlcke zum Ziel bdquo2 degCldquo bestimmt werden und der Klimagipfel dann ndash basierend auf dem Review ndash die angemessenen Aktionen beschlieszligen (Phase 3) Das Ende dieses Reviews folgt ein Jahr nach der Veroumlffent-lichung des naumlchsten IPCC-Berichts (fuumlr 2014 geplant) der sehr wahrscheinlich ndash dies zeichnet sich in der wis-senschaftlichen Fachliteratur ab ndash die Dringlichkeit des globalen Klimaschutzes nachdruumlcklich untermauern und so hoffentlich als weiteres dynamisierendes Element ein zusaumltzliches politisches Momentum schaffen wird

65 EU Deutschland und China als Vorreiter

Auch wenn immer mehr Staaten die Chancen des Klima-schutzes sehen ist es fuumlr die internationale klimapoliti-sche Debatte zentral dass es Vorreiter gibt die zeigen dass sie bereits heute den politischen Willen besitzen den notwendigen energiepolitischen Strukturwandel einzuleiten Es geht darum den Nachweis zu fuumlhren dass ein Wohlstandsmodell jenseits der fossilen Ener-gietraumlger moumlglich und zuumlgig umsetzbar ist Um die Emis-sionen bis Mitte des Jahrhunderts um bis zu 95 Prozent

Abb 25 Die drei Phasen der angestrebten Aufwaumlrtsspirale des internationalen Klimaschutzes

Quelle Eigene Darstellung

Phase dreiTop-Down-Ansatzbull Nachbesserung der Reduktions-

und Finanzzielebull Weitere Aktionspakete werden

vereinbartumgesetztbull Rechtlich verbindliche Ziele

Phase einsBottom-Up-Ansatzbull Freiwillige Ziele und Aktions-

pakete werden formalisiertbull Erste Pakete (Regenwald usw)

werden umgesetztbull Phase drei wird angelegt

Phase zweiDynamisierende Elementebull Erste Pakete sind umgesetzt bull China und EU bewegen sich uumlber

Minimalziele hinausbull Vorreiterkoalitionen bilden sichbull Gemeinsame Anrechnungsregeln

und rechtlicher Charakter geklaumlrtbull Langfristfinanzierung gesichertbull Roadmaps vor Rio plus 20bull IPCC betont Dringlichkeit und

Kosten des Wartens

2014-15

2010-11

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in den Industrielaumlndern zu senken bedarf es fruumlhzeitiger wirtschaftspolitischer Weichenstellungen denn viele Investitionen gerade im Energiebereich werden nur auf Basis langfristiger Kalkulationen getaumltigt Werden heute Kohle- oder Atomkraftwerke gebaut sollen sie normalerweise 40 Jahre oder laumlnger betrieben werden Fuumlr eine EU die derzeit recht mutlos nach einer neuen Vision sucht kann dieses neue Wohlstandsmodell ver-bunden mit der Rolle einer bdquosoft powerldquo die statt auf Rohstoffkriege auf internationale Kooperation im Sinne der Klima- und Energiesicherheit setzt ein Aufbruchs-signal sein Die EU und Deutschland koumlnnen hier eine Schluumlsselrolle spielen indem sie jetzt entsprechende Rahmenbedingungen setzen die allen Akteuren in den Bereichen Energie Verkehr Gebaumlude sowie Land- und Fortwirtschaft signalisieren Wir stellen jetzt die Wei-chen fuumlr die notwendige groszlige Transformation

In der Vergangenheit war die EU oft das klimapolitische Zugpferd wenn auch meist nicht mit der notwendigen Dynamik Im Fruumlhjahr 2007 setzte sie sich als erster grouml-szligerer Zusammenschluss von Industrielaumlndern Emissions-minderungsziele fuumlr 2020 20 Prozent Verringerung der Emissionen gegenuumlber 1990 ndash 30 Prozent wenn andere Industrielaumlnder und Schwellenlaumlnder ihren angemesse-nen vergleichbaren Beitrag leisten Dementsprechend wurden im Jahr 2008 auch klimapolitische Gesetzge-bungen beschlossen z B die Reform des Europaumlischen Emissionshandelssystems die Vereinbarung von ndash aller-dings nicht verbindlichen ndash Energieeffizienzzielen sowie von Zielen fuumlr den Ausbau der Erneuerbaren Energien

Nach der Wirtschaftskrise und aufgrund des zuumlgigen Aufbaus von Quellen fuumlr Erneuerbare Energien zeigt sich allerdings dass dieses 20-Prozent-Ziel nicht mehr besonders ambitioniert ist und nicht die notwendigen klimapolitischen Impulse entfaltet Deshalb halten es immer mehr Akteure fuumlr sinnvoll und notwendig dass die EU ihr Emissionsziel auf 30 Prozent erhoumlht unab-haumlngig davon was andere Laumlnder machen So sieht der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung fuumlr Glo-bale Umweltfragen in einem solchen Ziel verknuumlpft mit der Langfristversion einer vollstaumlndig erneuerbaren Energieversorgung nicht nur das Potenzial einer neuen und nachhaltigen Wirtschaftsdynamik Dies wird auch als notwendiger Schritt fuumlr eine bdquoglaubwuumlrdige Basis fuumlr eine Kooperation mit Entwicklungs- und Schwellenlaumln-dernldquo108 gesehen

Ab Mitte 2011 will die Europaumlische Union erneut uumlber das 30-Prozent-Ziel beraten Der Einigung stand zu-naumlchst der Widerstand insbesondere einiger osteuropauml-ischer Laumlnder vor allem Polens entgegen Aufgrund sei-nes extrem hohen Anteils an Stromerzeugung aus Kohle fuumlrchtet das Land wirtschaftliche Lasten aus solch einem Klimaschutzziel Eine engere Zusammenarbeit gerade im

Bereich Energieeffizienz z B zwischen Deutschland und Polen koumlnnte einen Beitrag zu einer Loumlsung dieses politi-schen Problems leisten

Die deutsche Regierung ist in der Frage des 30-Prozent-Ziels zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium um-stritten ndash und leider hat die Bundeskanzlerin von ihrer Richtlinienkompetenz hier bisher keinen konstruktiven Gebrauch gemacht Ohne eine starke Rolle der groumlszligten Energie- und Wirtschaftsnation der EU kann der Durch-bruch fuumlr das 30-Prozent-Ziel jedoch nicht gelingen

Die deutsche Bundesregierung hat im Herbst 2010 ein neues Energiekonzept beschlossen das weit mehr als nur die zu Recht kritisierte Verlaumlngerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke enthaumllt109 Dieses Energiekonzept beinhaltet das Ziel die deutschen CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 und um 80 bis 95 Prozent bis 2050 zu senken (gegenuumlber 1990) Dieses soll durch eine Viel-zahl gesetzlicher Maszlignahmen erreicht werden Laut Bundesregierung sollen die Erneuerbaren Energien bis 2050 etwa 80 Prozent der Stromversorgung und den Hauptteil der Energieversorgung uumlbernehmen obgleich viele Studien zeigen dass auch 100 Prozent im Bereich des Moumlglichen und wirtschaftlich Sinnvollen sind Die Regierung setzt sich erfreulicherweise fuumlr ein moder-nes und leistungsfaumlhiges Stromnetz ein Sie setzt auch deutliche Effizienzziele im Gebaumludebereich auch wenn diese abgeschwaumlcht wurden Die Bundesregierung kuumln-digt damit an den Weg ins erneuerbare Zeitalter einzu-schlagen Gleichzeitig setzt das Konzept allerdings stark auf Atomenergie und auch weiterhin auf Kohle Zudem wurden zahlreiche Maszlignahmen die zur Zielerreichung notwendig waumlren nicht beschlossen

Insgesamt meinen daher viele Akteure dass die gesetz-ten Effizienz- und Klimaziele so nicht erreicht werden koumlnnen110 So sollen die Laufzeitverlaumlngerungen fuumlr Atomkraftwerke ndash neben den Erloumlsen des Emissions-handels ndash einen neuen Klima- und Energiefonds fuumlr den kosteneffizienten Uumlbergang zu Erneuerbaren Energien finanzieren Sie schraumlnken aber zugleich die Einnah-men aus dem Emissionshandel fuumlr den gleichen Zweck ein Die im Rahmen des Energiekonzepts vereinbarte Einrichtung eines Sondervermoumlgens zur dauerhaften Finanzierung von nationalen und internationalen Klima-maszlignahmen war ein weiterer innovativer Schritt der eine groumlszligere Verlaumlsslichkeit der Finanzierung bringen kann Trotz aller Unzulaumlnglichkeiten ist die grundsaumltz-liche Ambition des Energiekonzepts jedoch ein Zeichen dafuumlr dass es immer mehr darum geht wie ambitionier-te Klimaziele erreicht werden sollen und immer weniger darum ob ambitionierter Klimaschutz notwendig ist

Waumlhrend dieser Text geschrieben wird will die Bundes-regierung nun ausgeloumlst durch den Schock der Reaktor-

108 WBGU 2010109 Bundesregierung 2010110 S z B Germanwatch 2010a Wuppertal Institut 2010

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katastrophe in Japan einen beschleunigten Ausstieg aus der Atomkraft sowie einige der fehlenden Maszlignahmen zur Zielerreichung beschlieszligen Es ist derzeit (Mitte April 2011) noch nicht absehbar welche Luumlcke zwischen verkuumlndeten Zielen und beschlossenen Maszlignahmen nach diesen Beschluumlssen noch klaffen wird

Neben den Industriestaaten muumlssen auch Schwellen-laumlnder deren Emissionen aufgrund des mit dem Wirt-schaftswachstum einhergehenden Verbrennens fossiler Energietraumlger schnell zunehmen so bald wie moumlglich ihre Klimaschutz-Ambition erhoumlhen Der groszlige Anstieg der Treibhausgasemissionen findet ganz uumlberwiegend hier statt Eine effektive Klimapolitik ist in den Schwel-lenlaumlndern zum heutigen Zeitpunkt deshalb so wichtig weil in der industriellen Aufbauphase langfristig ent-scheidende Investitionen getaumltigt werden die gerade auch die Energieversorgung des Landes uumlber einen lan-gen Zeitraum festlegen Vom Ausbau der Energieeffizi-enz und der Nutzung Erneuerbarer Energien profitieren Schwellenlaumlnder abgesehen von der verbesserten Luft-qualitaumlt ebenfalls durch die staumlrkere Unabhaumlngigkeit von Rohstoffimporten Eine solche Strategie wirkt sich als Versicherung gegen immer haumlufiger schwankende Energiepreise aus

China ist derzeit sicherlich das klimapolitisch span-nendste und bedeutendste Schwellenland das sich gerade durch seine Widerspruumlchlichkeit auszeichnet Dort werden nach wie vor die meisten Kohlekraftwerke weltweit gebaut und das Milliardenreich hat die USA laumlngst beim Treibhausgasausstoszlig uumlberholt (wenngleich mit einem deutlich geringeren Pro-Kopf-Ausstoszlig) In den Klimaverhandlungen tritt China in gewisser Weise als Gegenpol zu den USA auf wobei der Klimagipfel von Cancuacuten gezeigt hat dass hier konstruktive Fortschritte moumlglich sind Allerdings und das wird in der Oumlffentlich-keit haumlufig unzureichend behandelt hat das Land in den beiden letzten Jahren mehr in Richtung Klimaschutz ge-tan als fast jeder andere Staat der Welt China ist laumlngst zur fuumlhrenden Weltmacht bei der Herstellung und Im-plementierung Erneuerbarer Energien geworden Und es werden nicht nur neue Kraftwerke in Betrieb genom-men Tausende von ineffizienten Kraftwerken und Un-ternehmen sind im Jahr 2010 geschlossen worden ndash mit der Folge groszliger sozialer Probleme ndash um das Land den selbst gesteckten Energieeffizienzzielen naumlher zu brin-gen Staumldten die Effizienzmaszlignahmen nicht umsetzen wird zeitweise der Strom abgeschaltet In den naumlchsten Jahren will China das Zubautempo der Kohlekraftwerke halbieren waumlhrend der Ausbau der Erneuerbaren Ener-gien schneller vorangeht als urspruumlnglich geplant111

Wenn das Land allerdings nicht massenweise neue Koh-lekraftwerke stilllegt lassen sich ernsthafte Klimaziele in China nur erreichen wenn CO2 aus Abgasen heraus-

gefiltert und geologisch tief gelagert wird (so genanntes bdquoCarbon Capture and Storageldquo CCS) Nach der Durch-fuumlhrung von 20 Pilotprojekten haben nun zwei groumlszlige-re Demonstrationsprojekte von 250 bis 400 Megawatt Leistung Prioritaumlt die bis 2016 in Betrieb gehen sollen Die Regierung erwartet ndash und daran kann der ganze Ansatz scheitern ndash dass die Industrielaumlnder die Zusatz-kosten fuumlr CCS schultern Im Nordosten Chinas wurden erste Untersuchungen zu CO2-Speicherstaumltten durchge-fuumlhrt die mit der Identifikation einer Speicherkapazitaumlt von 600 Megatonnen CO2 zu positiven Ergebnissen ka-men Wenn CCS eine groumlszligere Rolle als nur eine Nische ausfuumlllen soll muumlssen weitere Untersuchungen von salz-wasserfuumlhrenden Gesteinsschichten und leeren Oumll- und Gasfeldern folgen

Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt dass es in diesem groszligen vielfaumlltigen Land nicht einfach ist die zentral gesteckten Ziele auf den verschiedenen Ebenen zu erreichen Die Emissionen wachsen weiterhin stark an Das Erreichen der Ziele haumlngt in China daher zum ei-nen von einer besseren Durchsetzung der eingefuumlhrten Gesetze ab In Teilen der chinesischen Regierung setzt sich die Erkenntnis durch dass die massive Nutzung von Energieeffizienz und dezentralen Erneuerbaren Energie-traumlgern ohne eine aktive Zivilgesellschaft nicht gelingen kann ndash eine in mancher Hinsicht spannende Perspektive Zum anderen wird aber auch entscheidend sein in wel-cher Form sich Partnerstaaten gerade auch der Export-weltmeister Deutschland und die EU hier engagieren Durch bilaterale Energie- und Klimaabkommen Techno-logiepartnerschaften Austausch zwischen Niedrigemis-sionsregionen in China und der EU und die Beratung bei der politischen Rahmensetzung koumlnnte der Kurs hin zu Energieeffizienz und Erneuerbaren Energietraumlgern un-termauert werden112

Letzteres gilt natuumlrlich auch fuumlr die Kooperation mit an-deren Schwellenlaumlndern wie Indien Brasilien Mexiko oder Suumldafrika Brasilien spielt vor allem aufgrund des Amazonas-Regenwaldes eine wichtige Rolle fuumlr den Kli-maschutz da die riesigen Waldgebiete enorme Mengen Kohlenstoff speichern die bei ihrer Zerstoumlrung wieder freigesetzt werden Mexiko zeigt sich in der internati-onalen Klimapolitik sehr konstruktiv was nicht zuletzt der Klimagipfel von Cancuacuten gezeigt hat Suumldafrika weist eine ganz eigene Struktur auf Die Pro-Kopf-Emissionen des Landes sind fuumlr ein Schwellenland relativ hoch Zu begruumlnden ist dies mit dem hohen Lebensstandard hauptsaumlchlich der weiszligen Bevoumllkerung Bei den inter-nationalen Verhandlungen spielt das Land in der Regel eine konstruktive Rolle Die Regierung erwaumlgt moumlg-licherweise in Zusammenarbeit mit Deutschland den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Strombereich massiv voranzutreiben Suumldafrika wird Ende 2011 zudem den UNFCCC-Klimagipfel ausrichten

111 S z B httpwwwchinafaqsorg112 S auch Germanwatch 2010c

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66 USA zwischen Ambition und Bremsmanoumlvern

Mit dem Amtsantritt von US-Praumlsident Obama hatte die Welt Hoffnung dass die USA nach Jahren der klimapoli-tischen Verweigerung unter Praumlsident George W Bush zu einer neuen Dynamik in den Klimaverhandlungen beitragen koumlnnte Dass dies nicht in dem Maszlige wie er-hofft zur Realitaumlt geworden ist liegt vor allem an der zunehmenden innenpolitischen Polarisierung zwischen Demokraten und Republikanern zwischen Klimaschutz-befuumlrwortern und solchen die immer noch den anthro-pogenen Klimawandel bezweifeln

Praumlsident Obama hatte zunaumlchst die Ambition die USA schrittweise auf einen Pfad zu fuumlhren der bis zum Jahr 2050 die Emissionen um mehr als 80 Prozent gegenuumlber 2005 verringern wuumlrde Ein zentrales Instrument hier-zu sollte die Einfuumlhrung eines landesweiten Emissions-handelssystems sein bis 2020 sollten die landesweiten Emissionen um 17 Prozent gegenuumlber 2005 verringert werden Der Emissionshandel sollte auch signifikant zur internationalen Klimafinanzierung beitragen

Im Sommer 2009 also noch vor Kopenhagen beschloss dann auch das Repraumlsentantenhaus ein entsprechen-des Klimaschutzgesetz Allerdings ist es dann nicht ge-lungen einen entsprechenden Konsens in der zweiten Entscheidungskammer dem Senat der Vertretung der Bundesstaaten zu erreichen Nachdem sich dort auch noch die Mehrheitsverhaumlltnisse zugunsten der Repub-likaner veraumlndert haben besteht in dieser Legislatur-periode keine Aussicht auf ein entsprechendes Klima-schutzgesetz Zumal es auch unter den Demokraten aus kohle- und oumllproduzierenden Bundesstaaten eine groszlige Skepsis gegen ein Klimagesetz gibt Zwar treten die USA in den internationalen Klimaverhandlungen weiterhin mit dem in Kopenhagen verkuumlndeten 17-Prozent-Ziel (gegenuumlber 2005) auf aber eine klare Strategie wie dieses wirklich erreicht werden soll scheint zu fehlen Ordnungspolitische Vorgaben durch die nationale Um-weltschutzagentur (Environmental Protection Agency EPA) sind im Moment der aussichtsreichste Ansatz um Klimapolitik schrittweise voranzubringen113

Die fehlende einheimische Gesetzgebung macht es der amerikanischen Regierung schwer in den Klimaver-handlungen aktiv und glaubwuumlrdig aufzutreten so dass derzeit von Seiten der USA keine wirklich Grundlage be-steht uumlber ein rechtlich verbindliches und ratifizierba-res Abkommen zu verhandeln Angesichts der zentralen Rolle der USA stellt dies den internationalen klimapoliti-schen Prozess vor groszlige Herausforderungen

Trotzdem zeichnet sich eine gewisse Klimaschutzdyna-mik im Land ab So waumlchst die Zahl der US-Bundesstaa-

ten und Kommunen die mit ernsthaftem Klimaschutz beginnen Auch die Zwischenwahlen in den USA (2010) haben in den entsprechenden Regionen eher den Klima-schutz gestaumlrkt So setzen sich einige Staaten anspruchs-volle CO2-Minderungsziele arbeiten an der Einfuumlhrung von Emissionshandelssystemen und foumlrdern immer staumlr-ker die Erneuerbaren Energien Auch viele Akteure in Finanzmarkt und Industrie setzen inzwischen auf ernst-haften Klimaschutz Sie sehen dass sie sonst in einem ganz groszligen globalen Zukunftsmarkt den Anschluss verlieren Auch durch konjunkturpolitische Maszlignahmen im Zuge der Wirtschaftskrise hat die US-Regierung In-vestition in Erneuerbare Energien und andere Bereiche gefoumlrdert

67 Anpassung an den Klimawandel Neben der Frage des Verringerns von Emissionen wird auch die Anpassung (engl Adaptation) an die negati-ven Auswirkungen des Klimawandels ein zunehmend wichtiges Thema ganz besonders fuumlr die aumlrmsten Ent-wicklungslaumlnder die Least Developed Countries (LDCs) und die kleinen Inselstaaten Die dramatischsten und zukunftsferneren Folgen des Klimawandels koumlnnen zwar durch Minderung von Treibhausgasemissionen begrenzt werden (bdquoVermeidung des Unbewaumlltigbarenldquo) ein Teil der Folgen laumlsst sich aber nicht mehr aufhalten und An-passungsmaszlignahmen sind demzufolge unumgaumlnglich (bdquoBewaumlltigung des Unvermeidbarenldquo) Insbesondere die Entwicklungslaumlnder fragen sich daher zunehmend Wie koumlnnen wir verhindern dass der Klimawandel unsere Entwicklungsziele gefaumlhrdet und bereits erzielte Ent-wicklungserfolge zunichte macht Dies gilt speziell fuumlr besonders klimasensible Bereiche wie die Ernaumlhrungs-sichereit und die Wasserverfuumlgbarkeit aber auch fuumlr Gesundheitsaspekte (s auch vorherige Kapitel zu den Auswirkungen des Klimawandels) Die Anpassung also der Umgang mit den Klimafolgen ist damit kein Selbst-zweck Sie dient vor allem dazu Entwicklung im Zeichen des Klimawandels zukunftsfaumlhig und widerstandsfaumlhig zu machen

Wie auch die vorhergehenden Berichte betont der vier-te Sachstandbericht des IPCC die besondere Anfaumlllig-keit von Entwicklungslaumlndern insbesondere von LCDs und kleinen Inselstaaten fuumlr die Folgen des Klimawan-dels114 Diese hohe Verletzlichkeit (Vulnerabilitaumlt) der aumlrmsten Staaten begruumlndet sich neben einer uumlberdurch-schnittlichen Risikozunahme von Wetterextremen in vielen Regionen des Suumldens aus i) ihrer starken Betrof-fenheit vom Klimawandel und von Wetterextremen ins-besondere durch die uumlberproportionale Bedeutung der witterungsabhaumlngigen Landwirtschaft ii) dem Mangel an finanziellen Ressourcen sowie iii) einem mangelnden Zugang zu Informationen Krediten und anderen Dienst-leistungen Die Folge ist eine geringe Kapazitaumlt zur Be-

113 Wasserman 2010114 IPCC 2007b

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waumlltigung der Herausforderungen die der Klimawandel mit sich bringt

Vor diesem Hintergrund gibt es eine Vielzahl von Ansatz-punkten um die Anpassungsfaumlhigkeit gegenuumlber den Risiken des Klimawandels zu erhoumlhen In der Konzeption des bdquoAnpassungskontinuumsldquo (s Abb 26) bewegen sich diese zwischen sehr konkreten Interventionen zur An-passung an spezifische Klimarisiken auf der einen Seite und der Verringerung der allgemeinen Vulnerabilitaumlt auf der anderen Seite Waumlhrend konkrete Projekte kurzfris-tig zur Anpassung beitragen koumlnnen ist die Integration in politische Planungsprozesse wichtig um eine Gesell-schaft laumlngerfristig auf den Klimawandel vorzubereiten und auch z B langfristige Fehlinvestitionen zu vermei-den In der Entwicklungspolitik z B im Bereich Ernaumlh-rungssicherung koumlnnen dementsprechend spezifische Anpassungsstrategien dazu beitragen die Ernaumlhrungs-sicherungspolitik klimasicherer zu machen

Der Klimagipfel von Cancuacuten hat eine Reihe von Maszlignah-men beschlossen um die Entwicklungslaumlnder staumlrker bei der Anpassung an die Folgen zu unterstuumltzen (s 63) Zu-dem gewinnt dieses Thema auch in der konkreten Ent-wicklungszusammenarbeit immer mehr an Bedeutung

Wichtige Elemente einer Anpassungsstrategie koumlnnen beispielsweise die Nutzung von Langzeitwettervorher-sagen Fruumlhwarnsystemen und oumlffentlich-privaten Ver-sicherungsmaumlrkten (etwa bdquoMicro-Insuranceldquo) zur Verrin-gerung der Risiken durch Wetterextreme sein Duumlrren Uumlberschwemmungen und Stuumlrme bergen besonders fuumlr arme Landbewohner in den Entwicklungslaumlndern die Gefahr das fuumlr die gegenseitige Unterstuumltzung notwen-dige soziale Netzwerk zu zerstoumlren Wettervorhersagen koumlnnen sowohl die Optimierung der Pflanztermine als auch die Planung der Bildung eines Vorrats an Lebens-mitteln vor Duumlrren erleichtern Gerade fuumlr die Aumlrmsten fehlt es bisher weitestgehend an Versicherungssyste-men zum Schutz gegen die finanziellen Folgen von Ex-tremereignissen und ohne Ko-Finanzierung aus den In-dustriestaaten wird die Versicherungswirtschaft diese mangels Kaufkraft der Bevoumllkerung vor Ort auch nicht aufbauen Der Erhalt natuumlrlicher Systeme wie der Koral-len oder der Mangrovenwaumllder die eine wichtige Funk-tion zur Stabilisierung von Kuumlstenstreifen ausuumlben kann als Anpassungsmaszlignahme gegen einen steigenden Mee-resspiegel und gegen Uumlberflutungen verstanden wer-den Im konkreten Notfall koumlnnen solche Maszlignahmen zwar die Katastrophenhilfe nicht ersetzen In langfristi-ger Betrachtung besteht dennoch wenig Zweifel dass

Verringerung der Vulnera bi litaumlt

Aktivitaumlten zur Ver - ring erung der Armut und anderer nicht klimatischer Stress faktoren die Menschen verletzlich machen

Aufbau von Reaktionsfaumlhigkeit

Aktivitaumlten die dem Aufbau robuster Systeme der Problem-loumlsung dienen

Management von Klimarisiken

Aktivitaumlten zum Einbezug von Klima -informationen in Entscheidungs-prozesse

Anpassung an den Klimawandel

Aktivitaumlten zu Aus-wirkungen die direkt auf den Klimawandels zuruumlckzufuumlhren sind

Traditionelle Entwicklungsfinanzierung Neue und zusaumltzliche Anpassungsfinanzierung

VulnerabilitaumltsfokusFokus auf die Auswirkungen

des Klimawandels

Quelle Harmeling 2010

Abb 26 Das bdquoAnpassungskontinuumldquo und Strategien zur Ernaumlhrungssicherung

Nationale Anpassungs-KlimastrategienErnaumlhrungssicherungs- Wasserstrategien

Armutsbekaumlmpfungsstrategien MDG-Aktionsplaumlne

Katastrophen- vorsorgestrategien

Nationale Aktionsprogramme fuumlr Anpassung (NAPA)

Entwicklungspolitik fuumlr klimaresiliente Ernaumlhrungssicherheit

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Info-Kasten 6 Der Wald als Senke und Reservoir von CO2

Eine bdquonatuumlrliche Technologieldquo die zur Verringerung der atmosphaumlrischen Treibhausgaskonzentration bei-tragen kann ist die Senkenfunktion der Vegetation d h die Bindung von CO2 durch Pflanzen insbeson-dere durch Baumlume (siehe 13) Belastend fuumlr das Klima ist die Freisetzung dieses CO2 durch die Vernichtung von Waumlldern wenn diese anschlieszligend nicht wieder nachwachsen bzw aufgeforstet werden Allerdings ist dem Klimaschutz aus vier Gruumlnden nicht gedient wenn das Anpflanzen von Waumlldern auf die Emissi-onsziele des Kyoto-Protokolls oder des europaumlischen Emissionshandels angerechnet werden kann

Erstens wird dadurch weniger Klimaschutz in an-deren Bereichen wie Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz geleistet Diese sind aber im Sinne des notwendigen Umbaus der weltweiten Energie-systeme dringend erforderlich Zweitens bestehen nach wie vor groszlige wissenschaftliche Unsicherhei-ten beim Berechnen der CO2-Menge die netto durch Aufforstung gebunden wird Drittens kann niemand garantieren fuumlr wie viele Jahre geschweige denn Jahrzehnte ein Wald intakt bleiben und damit CO2

binden wird So hat der Amazonasregenwald im letz-ten Jahrzehnt ndash wegen zweier groszliger Duumlrren ndash moumlg-licherweise mehr CO2 freigesetzt als gebunden Und viertens koumlnnen erhebliche soziale und oumlkologische Probleme entstehen wenn Waumllder alleine unter CO2-Aspekten optimiert werden So zeichnet sich ab dass die Artenvielfalt oder der Wasserhaushalt bei Neuan-pflanzungen alleine unter CO2-Aspekten regelmaumlszligig mit Beeintraumlchtigungen zu rechnen haben

Aufforstung sollte also zusaumltzlich zu ndash und nicht an-stelle von ndash Maszlignahmen in den Bereichen Energie-effizienz und Erneuerbare Energien geleistet werden Auszligerdem sollte sie so weit wie moumlglich zum Schutz der Artenvielfalt dienen

Nicht nur zum Klimaschutz auch im Hinblick auf die vielen anderen wertvollen Funktionen des Waldes die zum Teil auch wichtige Beitraumlge fuumlr die Anpas-sung an den Klimawandel leisten koumlnnen bedarf es eines groszligangelegten globalen Konzepts mit wir-kungsvollen Anreizen um die schnelle Entwaldung zu verhindern

vorbeugende Maszlignahmen effektiv sind da sie Verluste mindern und sich finanziell auszahlen Die Kombination von vorbeugenden Maszlignahmen und Katastrophenhilfe verspricht die besten Erfolge bei der Anpassung an den Klimawandel

Politisch relevant ist insbesondere die Frage der Finan-zierung der Anpassungsmaszlignahmen in Entwicklungs-laumlndern Im UN-Kontext sowie durch die bilaterale Ent-wicklungszusammenarbeit gibt es bereits verschiedene Finanzierungsmechanismen die aber alle weit hinter den geschaumltzten Anpassungskosten von mehr als 70 Milliarden US-Dollar pro Jahr in Entwicklungslaumlndern zuruumlckbleiben115 Die kapitalstarken Hauptverursacher des Klimawandels werden besonders gefragt sein die Kosten der Anpassung in Entwicklungslaumlndern zu tra-gen Das beim Klimagipfel in Cancuacuten bestaumlrkte Verspre-chen der Industrielaumlnder fuumlr Klimamaszlignahmen bis 2020 jaumlhrlich 100 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren wird zu einem wesentlichen Teil auch Anpassungsmaszlignah-men finanzieren muumlssen insbesondere durch den neuen Green Climate Fund Eine gewisse Finanzierungsstruk-tur fuumlr Anpassung im UNFCCC-Kontext besteht bereits Insbesondere der Anpassungsfonds unter dem Kyoto-Protokoll ist hier ein wichtiges Instrument das auch neue Wege in der internationalen Klimafinanzierung eingeschlagen hat116 Auf bilateraler Ebene bietet die

Internationale Klimaschutzinitiative der Bundesregie-rung eine innovative Moumlglichkeit Projekte staatlicher und nichtstaatlicher Akteure in Entwicklungslaumlndern zu finanzieren117 Aber auch insgesamt spielt Anpassung in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit Deutsch-lands und anderer Industrielaumlnder eine wachsende Rolle

68 Technologien und Finanzmarkt

Die langfristig notwendige Verringerung der Treibhaus-gasemissionen weltweit ist nur durch die rasche Verbrei-tung und staumlndige Innovationen im Bereich klimafreund-licher Technologien denkbar auch wenn Einsparungen durch Verhaltensaumlnderungen insbesondere in den In-dustrielaumlndern ebenfalls eine wichtige Rolle zukommt Mittel- bis langfristig ruhen die groumlszligten Hoffnungen auf Erneuerbaren Energien in Kombination mit Energieeffi-zienz Natuumlrlich gilt es auch bei deren Nutzung eine um-weltvertraumlgliche effiziente und zukunftsfaumlhige Anwen-dung sicherzustellen Kritische Aspekte (z B im Bereich der Biotreibstoffe) gilt es zu beruumlcksichtigen und gegen ihren klimapolitischen Nutzen abzuwaumlgen So zeichnet sich ab das Biotreibstoffe der ersten Generation selten aus klimapolitischer Sicht sinnvoll sind Bereits heute

115 Siehe z B Weltbank 2010 116 S Harmeling und Kaloga 2010117 S wwwbmu-klimaschutzinitiativede

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wird deutlich dass ihre Gewinnung mit Werten wie Er-naumlhrungssicherung und Artenvielfalt in Konflikt geraumlt Andererseits ist klar dass Biomasse eine wichtige Saumlule einer globalen Klimastrategie ist

Erfreulicherweise setzen immer mehr Laumlnder auf diese erneuerbare Energien und foumlrdern deren Einfuumlhrung durch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingun-gen118 Die Wachstumsraten im Bereich der Erneuerba-ren Energien sind jedoch derzeit insgesamt noch nicht hoch genug um die fossilen Energien weitgehend ab-loumlsen zu koumlnnen Bis Mitte des Jahrhunderts wird dies allerdings in vielen Regionen und Bereichen fuumlr moumlglich gehalten Technologien im Bereich Energieeffizienz koumlnnen einen sehr kurzfristig umsetzbaren und groszligen Beitrag zum Klimaschutz leisten Neben der bdquoAngebots-seiteldquo wie z B im Bereich Kraft-Waumlrme-Kopplung sind groszlige Einsparpotenziale auf der bdquoNachfrageseiteldquo vor-handen beispielsweise durch Waumlrmedaumlmmung von Ge-baumluden zur Reduktion des Heizenergieverbrauchs und effizientere Geraumlte bzw Maschinen und Motoren Dies gilt auch fuumlr den Verkehrssektor wo eine starke Effizi-enzsteigerung von Fahrzeugen dringend notwendig ist Allerdings zeigt sich auch dass ndash wenn die Energiepreise nicht durch eine Oumlkosteuer oder den Emissionshandel steigen ndash die Effizienzgewinne durch groumlszligere oder zahl-reichere Wohnungen Geraumlte Autos usw schnell aufge-fressen werden (bdquorebound effectldquo)

Als neue Technologie im Bereich der Nutzung fossiler Energietraumlger ist die CO2-Abscheidung und -Lagerung (CCS) im Gespraumlch119 Damit soll CO2 im Zuge der Ver-brennung von Kohle Oumll oder Gas abgeschieden und dann unterirdisch an einem geeigneten Ort sicher und dauer-haft gelagert werden Zwar birgt die Lagerung von CO2 in der Geosphaumlre einige Risiken und vor der Verbreitung dieser Technologie muumlssen wichtige Fragen bezuumlglich der oumlkologischen Sicherheit der oumlkonomischen Dimen-sion oder der Haftung im Schadensfall geklaumlrt werden Dennoch kann Abscheidung und unterirdische Lage-rung des CO2 gerade mit Blick auf die Entwicklungen im Energiesektor in China und andere Kohleregionen ndash dort muss weiter mit hohem Kohleverbrauch gerechnet wer-den ndash eine wichtige Bruumlckenloumlsung werden Oumlffentliche Gelder die fuumlr Forschung und Entwicklung von Techno-logien in den Bereichen Energieeffizienz und Erneuerba-re Energien vorgesehen sind sollten allerdings nicht in die CCS-Entwicklung umgeleitet werden

In Deutschland sind die notwendigen CO2-Einsparungen im Energiebereich ohne CCS moumlglich Hier liegt die Not-wendigkeit der Erforschung von CCS eindeutig im Be-reich der industriellen Prozessemissionen aus der Stahl- Zement- und Kalkproduktion wo es weniger Alternati-ven als im Strombereich gibt120 Neue Technologien in diesem Bereich sollten allenfalls getestet werden um sie in China und anderen Schwellenlaumlndern einzusetzen

In Deutschland koumlnnen die Klimaziele besser ohne Kraft-werksneubauten mit oder ohne CCS erreicht werden Insgesamt geht es letztendlich um eine Risiko-Abwauml-gung Energieeffizienz und Erneuerbare Energien soll-ten deshalb generell den Vorrang haben Im Zweifelsfall duumlrfte bei der Kohleverbrennung die Lagerung von CO2 in der Atmosphaumlre ein groumlszligeres Risiko darstellen als un-ter der Erde sollte diese Technologie wirklich funktio-nieren

Klar ist heute dass die Welt das Klimaproblem nur durch einen breiten Technologiemix in den Griff bekommen kann Mit vielen der heute bereits existierenden Tech-nologien koumlnnen CO2- und andere Treibhausgas-Emissi-onen bereits massiv gesenkt werden Gleichzeitig sind in Bezug auf kommende Jahrzehnte deutlich houmlhere Inves-titionen in Forschung und Entwicklung von Erneuerba-ren Energien Energieeffizienz und intelligenten Netzen oder auch fuumlr die Neuausrichtung einer Landwirtschaft die der Ernaumlhrungssicherung und dem Klimaschutz so dient dass sich diese Ziele unterstuumltzen dringend not-wendig In Bezug auf Erneuerbare Energien gilt es auch ganz genau auf die Ressourcenbilanz zu schauen Viele Rohstoffe die fuumlr diese Technologien heute wichtig sind sind nur in begrenztem Maszlige vorhanden

Fuumlr Investitionen in Klimaschutztechnologien sind Rah-menbedingungen notwendig die es fuumlr die Akteure am Finanzmarkt und in anderen Bereichen der Wirtschaft attraktiv machen lieber in diese Technologien zu inves-tieren als in klimaschaumldliche Auch in diesen Kreisen wird Klimawandel immer mehr als Kostenfaktor gesehen zum einen durch die direkten Schaumlden infolge von Wetter-extremen etc So hat Sir Nicholas Stern in einer viel be-achteten Studie geschaumltzt dass die Kosten die bei un-gehemmtem Klimawandel durch dessen Auswirkungen entstehen koumlnnten 5 bis 20 Prozent des jaumlhrlichen glo-balen Bruttoinlandprodukts betragen koumlnnten121 Zum anderen entstehen Kosten durch politische Regulierung wie durch den Emissionshandel oder CO2-Steuern Daruuml-ber hinaus nimmt die Bedeutung der Unternehmensver-antwortung (bdquoCorporate Social Responsibilityldquo) in der Oumlffentlichkeit zu so dass Klimaschutzmaszlignahmen sich zunehmend guumlnstig auf das Unternehmensimage aus-wirken waumlhrend das Unterlassen von Klimaschutzmaszlig-nahmen dem Image schadet Und nicht zuletzt koumlnnte das Risiko von Schadensersatzklagen eine unmittelbare Auswirkung auf den Marktwert eines Unternehmens ha-ben

Doch trotz aller Fortschritte bezuumlglich der Beruumlcksich-tigung des Klimawandels durch den Finanzmarkt In der tatsaumlchlichen Geldanlagepolitik der groszligen Banken Versicherer und Pensionsfonds spielt die Vermeidung von Klimarisiken zwar eine wachsende bisher aber noch untergeordnete Rolle Entsprechend zentral sind lang-fristig verlaumlssliche politische Rahmenbedingungen

118 REN 21 2010 119 CCS = CO2 Capture and Storage Ein umfangreicher Sonderbericht

des IPCC zum Thema CCS ist unter httpwwwipccch abrufbar

120 Germanwatch 2010b121 Stern 2006

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69 Demokratie und die groszlige Trans formation

Der Klimawandel stellt eine enorme Herausforderung fuumlr die heutigen Demokratiemodelle dar Es gibt zumin-dest fuumlnf zentrale Herausforderungen

1 Erstens gelingt es bisher nicht dass Grundprinzip der Demokratie dass die Betroffenen an Entscheidun-gen beteiligt werden sollen zu beruumlcksichtigen So haben die am staumlrksten betroffenen Menschen in Ent-wicklungslaumlndern allenfalls bei UN-Klimaverhandlungen durch ihre Regierungen ein gewisses Mitspracherecht Bei den nationalen Klimaschutzentscheidungen in In-dustrie- und Schwellenlaumlndern und bei G20- bzw G8-Gipfeln sind sie auszligen vor

2 Zweitens neigt die Politik in Demokratien aufgrund der etwa vierjaumlhrigen Wahlzyklen zu einer systemati-schen Vernachlaumlssigung von langfristigen Problemen wie dem Klimawandel Heutige Klimaschutzentschei-

dungen wuumlrden das Klima bis 2030 so gut wie nicht mehr beeinflussen das Klima in den Folgejahrzehnten jedoch gravierend Dann aber sind heutige Politiker laumlngst ab-gewaumlhlt und muumlssen sich nicht mehr dafuumlr verantworten

3 Drittens stellen irreversible Veraumlnderungen die eine Generation uumlber die naumlchste verhaumlngt das demokrati-sche Prinzip der bdquoEntscheidungen auf Zeitldquo in Frage ndash das trifft auf die Nutzung fossiler Energietraumlger und den Kli-mawandel ebenso zu wie auf den Einsatz von Kernkraft

4 Viertens sind die Interessenverbaumlnde der sich auf fossile Traumlger stuumltzenden Energiewirtschaft und der von Kurzfristinteressen gepraumlgten Finanzakteure so gut organisiert dass wichtige Demokratien ndash wie etwa die USA ndash zum Teil wie Marionetten erscheinen

5 Fuumlnftens wird die Handlungsfaumlhigkeit der Demo-kratie angesichts solcher Herausforderungen zu einem zentralen Argument in Diskussionen mit Akteuren wie China die einem aufgeklaumlrtem Autoritarismus das Wort reden

122 Siehe wwwatmosfairde 123 IPCC 1999 8124 Lee et al 2010

Info-Kasten 7 Flugverkehr und Klimaschutz

Die internationale Luft- und Schiffsverkehrsbran-che ist (neben der Landwirtschaft) die einzige treib-hausgasintensive Branche die klimapolitisch nicht reguliert ist da sie nicht durch das Kyoto-Protokoll erfasst wurde Die bisher einzige aber wichtige Aus-nahme ist der Einbezug des Flugverkehrs in den euro-paumlischen Emissionshandel durch den auch Fluumlge au-szligerhalb Europas erfasst werden soweit sie in Europa landen oder aus Europa abgehen Dabei schaumldigt ein Flug das Klima pro zuruumlckgelegtem Kilometer pro Per-son um ein Mehrfaches einer Auto- oder Bahnreise122

Dies liegt vor allem daran dass bei Fluumlgen uumlber 700 km wegen der dann groszligen Flughoumlhe nicht allein das Kohlendioxid klimaschaumldlich wirkt Hinzu kommen u a auch Kondensstreifen und Zirruswolken die sich in groszliger Houmlhe bilden und das regionale Klima beein-flussen koumlnnen

Der IPCC hat daher die gesamte Klimawirkung der verschiedenen Effekte ausgedruumlckt durch den so-genannten bdquoRadiative Forcing Indexldquo (RFI) auf min-destens das Zwei- bis Vierfache des CO2-Ausstoszliges geschaumltzt123 Neuere wissenschaftliche Forschungen deuten darauf hin dass diese Werte noch houmlher lie-gen koumlnnten124 Allerdings bestehen einige wissen-schaftliche Unsicherheiten Der Gesamtanteil am menschgemachten Treibhauseffekt wird auf bis zu 14 Prozent geschaumltzt (im Jahr 2005)125 Besonders problematisch sind die ndash trotz Wirtschaftskrise ndash ins-

gesamt sehr hohen Wachstumsraten die natuumlrlich auch zu einem Anstieg der Emissionen fuumlhren Je nach Szenario koumlnnten sich die Emissionen aus dem Flug-verkehr bis 2050 verdreifachen

Verschiedene Wege sind zudem denkbar wie man die Fluggaumlste und die Branche in die Verantwortung nehmen kann ndash trotz fehlender oder unzureichender politischer Regulierung Am wirkungsvollsten ist es auf unnoumltige Fluumlge zu verzichten Fluggaumlste haben aber auch die Moumlglichkeit bereits jetzt auf freiwil-liger Basis aktiv zu werden durch die Unterstuumltzung von Klimaschutzprojekten die Emissionen in einer Houmlhe einsparen welche aumlquivalent zur Erwaumlrmungs-wirkung des Fluges sind126 Angesichts des im Ver-gleich zur Wachstumsrate des Flugverkehrs recht geringen Potenzials von technischen Verbesserungen ist jedoch eines klar Moumlchte man das Wachstum der Flugverkehrsemissionen zumindest deutlich abbrem-sen so reichen solche freiwilligen Loumlsungen mittel- bis langfristig nicht aus Sie sind nur als Ergaumlnzung zu verbindlichen Regelungen und oumlkonomischen Instrumenten zu sehen Neben dem Einbezug in den Emissionshandel sollten daher auch eine Emissions-abgabe und der Abbau verschiedener Subventionen angestrebt werden insbesondere auch um zu der international notwendigen Klimafinanzierung in Ent-wicklungslaumlndern beizutragen

125 Lee et al 2010126 Siehe z B httpwwwatmosfairde

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Info-Kasten 8 Geo-Engineering

Neben den bisher beschriebenen Ansaumltzen gibt es die Vorstellung der Mensch koumlnne die Entwicklung des Klimasystems gezielt steuern Im Englischen wer-den solche Methoden unter dem Begriff des bdquoGeo-Engineeringldquo zusammengefasst Ein Ansatz an dem zunehmend intensiver geforscht wird besteht darin die CO2-Aufnahmekapazitaumlt der Ozeane zu erhoumlhen ndash durch Duumlngung mit Eisenspaumlnen Eine solche Duumln-gung haumltte ein beschleunigtes Wachstum des Phyto-planktons zur Folge Dies wuumlrde im Prinzip zu einer houmlheren Aufnahme von CO2 fuumlhren Wenn diese Al-gen dann absterben sollen sie auf den Meeresboden sinken und das CO2 quasi mit in die Tiefe nehmen

Der IPCC bemerkt dazu kritisch dass die wenigen bisher durchgefuumlhrten Studien moumlgliche negative Nebeneffekte nicht ausreichend untersucht haumltten Dazu zaumlhlen die erhoumlhte Produktion von CH4 und N2O sowie die moumlglichen Auswirkungen des schnellen Al-genwachstums auf die Oumlkologie der Meere und die Nahrungskette Eine weitere Option besteht darin die Sonneneinstrahlung kuumlnstlich zu verringern und so die Wirkung des Treibhauseffekts abzuschwaumlchen

Einer der Vorschlaumlge die in diese Richtung zielen sieht vor eine Art riesigen etwa 106 Quadratkilome-ter groszligen Spiegel ins All zu transportieren So soll ein Teil der Sonnenstrahlung vom Eintritt in die At-mosphaumlre abhalten werden Ein weiterer Vorschlag sieht vor die kuumlhlende Wirkung stratosphaumlrischer Aerosole wie sie zum Beispiel von Vulkanausbruuml-chen oder Luftverschmutzung bekannt ist kuumlnstlich zu verstaumlrken Groszlige Mengen Schwefel oder andere Aerosole muumlssten dabei in die Stratosphaumlre gebracht werden

Allen diesen Optionen ist gemeinsam dass sie enor-me oumlkologische und klimatische Nebeneffekte mit sich bringen koumlnnten Wie bei einem Menschen der an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen wird wird auch hier die Eigensteuerung des Systems Erde-Klima auszliger Kraft gesetzt Viele Akteure halten des-halb diese Aktivitaumlten insbesondere wenn sie die Strahlungsaktivitaumlt in der Atmosphaumlre verringern fuumlr indiskutabel

Andererseits zeigt sich uumlberall dass die Umsetzung von Energieeffizienz und die dezentrale Nutzung Erneuerba-rer Energien eine aktive Zivilgesellschaft zur Grundvor-aussetzung hat Die Buumlrger draumlngen ndash trotz zunehmen-der Politikverdrossenheit ndash auf staumlrkere Partizipation

Keine Frage die Demokratie wird sich erneuern muumlssen wenn sie auf Herausforderungen von der Groumlszligenord-nung des Klimawandels angemessene Antworten finden will Aber nicht zuletzt die Ereignisse in der arabischen Welt und der Mittelmeerregion zeigen Demokratie ist eine erneuerbare Ressource der Politik ndash und dieses Potenzial sollten wir nutzen Historisch gesehen haben

sich Diktaturen als zu starr erwiesen um auf dynamische Veraumlnderungsanforderungen reagieren zu koumlnnen Die Wahrnehmung der groszligen Transformation als Veraumlnde-rungschance und nicht als Veraumlnderungszumutung ist daher gerade ein Argument fuumlr eine Staumlrkung der Buumlr-gergesellschaft als Schluumlsselinstrument fuumlr mehr Klima-schutz in Demokratien127 Zugleich sollte es ein wichti-ges Entscheidungskriterium fuumlr politisch eingeleitete Klimaschutzmaszlignahmen sein dass sie die Freiheit des Einzelnen nicht einschraumlnken Allerdings endet die Frei-heit wo sie die Freiheit oder gar die Existenz anderer Menschen gefaumlhrdet

127 Vgl Leggewie und Welzer 2010

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Moderne Zugtechnik traumlgt nicht nur in Deutschland immer mehr zum Klimaschutz bei indem sie eine attraktive Alternative zu Kurzstreckenfluumlgen darstellt

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Wer muss handeln

Ein wichtiger Grund dafuumlr dass bisher erforderliche Maszlignahmen trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse nur zoumlgerlich vorankommen ist die mangelnde Uumlbernah-me von Verantwortung Politik Wirtschaft und Buumlrger schieben diese gerne in jeweils andere Bereiche oder gar auf andere Laumlnder ab Das liegt auch darin begruumlndet dass die Klimaproblematik ein Kollektivgutproblem ist da jeder freien Zugang zu der Atmosphaumlre hat selbst wenn er sie stark verschmutzt

Die besondere Verantwortung der industrialisierten Laumlnder beruht jedoch auf der Tatsache dass sie die Hauptverursacher des menschgemachten Treibhausef-fekts sind und uumlber weit groumlszligere finanzielle Moumlglichkei-ten verfuumlgen als die Entwicklungslaumlnder (siehe auch Ka-pitel 4 5 und 6) Letzteres aumlndert sich allerdings seit der Finanzkrise dramatisch ndash und ist inzwischen angesichts der groumlszligeren finanzpolitischen Spielraumlume dort ein wei-teres Argument dafuumlr auch die Schwellenlaumlnder in die Pflicht zu nehmen

Nur wenn Politik Wirtschaft und Buumlrger die erforder-liche Veraumlnderung auch als Chance begreifen ist ein Wandel moumlglich Fuumlr ein neues Wohlstandsmodell und die Vermeidung eines gefaumlhrlichen Klimawandels sind folglich alle gefragt ndash Politik Wirtschaft und Buumlrger

Zugleich kann Deutschland kurz- und langfristig von sei-nem Engagement im Klimaschutz profitieren Einerseits weil die sonst eintretenden Auswirkungen der Erwaumlr-mung auch Deutschland treffen wuumlrden (Extremwetter-ereignisse Meeresspiegelanstieg usw) Andererseits weil durch Klimainvestitionen und die Vorreiterrolle im Klimaschutz Arbeitsplaumltze geschaffen und wirtschaft-liche Zukunftsmaumlrkte erschlossen werden

Deutschland hat als groszlige Industrienation mit uumlber-durchschnittlichem Pro-Kopf-Ausstoszlig an CO2 maszliggeb-lich zur bisherigen Erderwaumlrmung beigetragen Eine Minderung von mindestens 40 Prozent bis zum Jahr 2020 im Vergleich zum Niveau von 1990 ist daher er-forderlich um zur Begrenzung der weltweiten Erwaumlr-mung auf unter 2 degC beizutragen Seine Verantwortung kann Deutschland jedoch nur uumlbernehmen wenn Politik Wirtschaft und Buumlrger diese nicht in die jeweils anderen Bereiche abschieben sondern jeder seinen Beitrag leis-tet Dieses Kapitel fasst zentrale Aufgaben in verschie-denen gesellschaftlichen Bereichen zusammen

71 Was kann die Politik tun

I Internationale Politik

rarr 1 Forderung nach einer globalen Strategie

Eine globale Aufgabe wie der Klimaschutz braucht eine globale Strategie128 ndash nicht zuletzt wegen der Flexibili-taumlt von Unternehmen die den nationalen Regelungen oft durch Standortverlagerungen ausweichen Folglich muumlssen nicht nur auf nationaler sondern auch auf inter-nationaler Ebene Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz ge-troffen werden Die jaumlhrlich stattfindenden Klimagipfel bieten bereits die Moumlglichkeit zur Vereinbarung einer globalen Strategie

Der bedeutendste erste Schritt hin zu einer globalen Strategie war der Abschluss des voumllkerrechtlich ver-bindlichen Kyoto-Protokolls (siehe Kapitel 6) Dieses ist zwar ein erster Schritt kann aber nur einen nachhaltigen Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels leisten wenn er als Basis fuumlr weitaus ehrgeizigere Maszlignahmen in den folgenden Jahren genutzt wird

Nach den schwachen Ergebnissen von Kopenhagen zeigt sich immer staumlrker dass eine globale Strategie im Zu-sammenspiel von Vorreiterkoalitionen und internationa-len Rahmensetzungen die sich wechselseitig dynamisie-ren verstanden werden muss Fuumlr Deutschland heiszligt das auch dass bilaterale Abkommen mit besonders verletz-lichen besonders progressiven und besonders relevan-ten Staaten eine wichtige Bedeutung haben

rarr 2 Vorsorgepolitik betreiben

Um angemessene Antworten auf den Klimawandel zu fin-den und effektive Vorsorgemaszlignahmen zu treffen ist es wichtig dass die Politik Klimaschutzmaszlignahmen als In-vestitionen in bessere Lebensbedingungen erkennt und Vorsorgepolitik betreibt Die bisherigen Anstrengungen der internationalen Politik werden der Herausforde-rung einen gefaumlhrlichen Klimawandel zu vermeiden und gleichzeitig die Anpassung in besonders betroffenen Regionen zu unterstuumltzen nicht gerecht denn mit den bisher angekuumlndigten Emissionsverminderungszielen steuert die Welt weiterhin auf eine Erderwaumlrmung von 3 bis 4 Grad zu ndash wenn alle Vorhaben umgesetzt werden und was keineswegs gesichert ist ndash keine Schlupfloumlcher die Ernsthaftigkeit der Ziele untergraben Bisher spricht wenig dafuumlr dass der globale Scheitelpunkt der Emissi-onsentwicklung vor 2020 erreicht wird ndash und damit duumlrf-te das 2-Grad-Limit auszliger Reichweite geraten Nachdem

7 Maszlignahmen zum Klimaschutz

128 Zur Diskussion der Moumlglichkeiten den Klimaschutz in die Systemlogik von Politik Wirtschaft und Technologie zu uumlbersetzen siehe Bals 2002

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sich die USA in eine Situation der Handlungsunfaumlhigkeit manoumlvriert haben kann die notwendige Dynamik nur entstehen wenn sich die EU und China uumlber ihre Mini-malziele von Kopenhagen hinaus bewegen

rarr 3 Finanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen gerecht regeln

Damit eine angemessene globale Klimaschutzstrategie moumlglich wird muss die internationale Politik entspre-chende Rahmenbedingungen schaffen und die Finan-zierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen gerecht regeln Zum einen geht es darum moumlglichst verursachergerecht ndash etwa durch Erloumlse aus dem Emis-sionshandel und eine Abgabe auf den internationalen Flug- und Schiffsverkehr die notwendigen oumlffentlichen Gelder einzusetzen Zum anderen sollten diese Gelder vor allem soweit es um Gelder fuumlr den Klimaschutz geht mit optimaler Hebelwirkung so fuumlr Rahmenbedingungen und Infrastruktur eingesetzt werden dass ein Vielfaches an privaten Finanzstroumlmen dementsprechend umgelei-tet wird Die Industriestaaten als Hauptverursacher fuumlr Auswirkungen und Schaumlden des Klimawandels tragen die groumlszligte Verantwortung Sie stehen nach dem Verursa-cherprinzip somit in der Pflicht die besonders betroffe-nen Laumlnder und Bevoumllkerungsgruppen bei Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen technisch und finanziell zu unterstuumltzten Eine gerechte und verlaumlssliche Finanzie-rung ist zugleich ein aktiver Beitrag fuumlr eine sicherere Welt und sollte daher im Sinne der Industrienationen sein Aufgrund des zweiten Prinzips der Frage nach der Handlungsfaumlhigkeit der Staaten muss allerdings nach der Finanzkrise auch die Frage nach einer finanziellen Beteiligung der Schwellenlaumlnder gestellt werden

II Nationale Politik

rarr 1 Rahmenbedingungen fuumlr ein klima-freund liches Wohlstandsmodell schaffen

Die Industriestaaten koumlnnen die Rahmenbedingungen fuumlr ein klimafreundliches Wohlstandsmodell vorantrei-ben indem sie klimafreundliche Handlungen foumlrdern und klimaschaumldliche Handlungen einschraumlnken

n Klimafreundliche Handlungen foumlrdern und klima-schaumlndliche Handlungen einschraumlnken

Klimafreundliche Handlungen koumlnnen durch erfolg-reiche Klimaschutzpolitikmodelle Gesetze und Klima-investitionen gefoumlrdert werden Langfristig sind sie schon deshalb fuumlr die Gesellschaft ein finanzieller Ge-winn weil die entstehenden Kosten sehr wahrschein-lich niedriger sein werden als die zu erwartenden Fol-gekosten eines Klimawandels insbesondere wenn man

positive Nebeneffekte von Klimaschutzmaszlignahmen ein bezieht129 Aber auch kurzfristig koumlnnen sich diese Investitionen auszahlen weil Gelder nicht in meist un-demokratische Staaten fuumlr Oumll- und Gas uumlberwiesen son-dern in der Region investiert werden weil Innovationen vorangetrieben Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen geschaffen werden Am Beispiel der Energieversorgung werden im Folgenden konkrete Handlungsmoumlglichkei-ten der Politik veranschaulicht

n Erneuerbare Energien muumlssen ausgebaut und effiziente Energiestrukturen gefoumlrdert werden

Die Politik in Deutschland hat bereits einige wichtige Fortschritte gemacht wie zum Beispiel die Einfuumlhrung des Energieeinspeisegesetzes (EEG) zeigt Das auf einem Ansatz aus dem Jahr 1990 fuszligende im Jahr 2000 offiziell implementierte und fortwaumlhrend weiter entwickelte Ge-setz garantiert Produzenten von Erneuerbaren Energien uumlber einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren einen festen Verguumltungssatz und verpflichtet die Netzbetreiber zur vorrangigen Abnahme der erzeugten Strommengen Innerhalb weniger Jahre ist damit der Anteil der Erneu-erbaren an der Stromversorgung auf ca 17 Prozent ge-stiegen Auch im Bereich der Gebaumludesanierung und der Waumlrmeversorgung aus Erneuerbaren Energien gab es durch verschiedene Foumlrderprogramme bereits beacht-liche Fortschritte doch entscheidende Weichenstellun-gen hin zu einer 100-prozentigen Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien stehen noch aus

Um das 2-Grad-Limit einzuhalten sind daruumlber hinaus noch weitere Maszlignahmen erforderlich wie zum Beispiel ein sich selbst dynamisierendes Foumlrderprogramm fuumlr die Marktfuumlhrer der Energieeffizienz bei verschiedenen Ge-raumlten (Top-Runner-Ansatz) die Forschungsfoumlrderung im Bereich Energieeffizienztechnologien oder die Einfuumlh-rung eines Foumlrdergesetzes fuumlr Erneuerbaren Energien im Bereich Gebaumludeheizung -kuumlhlung und Warmwasserbe-reitung

Am erstrebenswertesten waumlre eine Komplettversorgung mit Oumlkostrom in Europa und angrenzenden Regionen zu sozialvertraumlglichen Kosten Die Idee hinter dem so ge-nannten bdquoSuperSmartGridldquo-Ansatz (SSG) ist die Kombi-nation von zwei Ansaumltzen die all zu oft gegeneinander ausgespielt werden Zum einen das dynamische Voran-treiben von dezentral erzeugten Erneuerbaren Energien Dies hat aus Gruumlnden der regionalen Wertschoumlpfung und der Aufwertung ganzer Regionen der Identifizierung der Buumlrger und Buumlrgerinnen mit ihrer Stromversorgung und der Energiesicherheit viel fuumlr sich Ein Smart Grid ermoumlglich die optimale Abstimmung der dezentralen Er-zeugung mit dem Verbrauch von Wirtschaft und privaten Verbrauchern so dass sich das Problem der fluktuieren-den Verfuumlgbarkeit von Strom relativiert

129 Stern 2006

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Zum anderen aber geht es ndash unter dem Stichwort Super-grid ndash um ein europaweites Stromnetz bei dem jedes Land die besonders effizient nutzbaren und groszligen Po-tenziale nutzt die es bezuumlglich Erneuerbarer Energien hat Wind- und Wasserkraft aus Nordeuropa Biomasse aus Zentraleuropa Solarstrom aus der Sahara usw Die-ses Kontinente uumlbergreifende Stromnetz kann Realitaumlt werden wenn die Politik sich fuumlr folgende Maszlignahmen einsetzt eine massive Foumlrderung Erneuerbarer Ener - gien einen auf Erneuerbare Energien ausgerichteten Stromnetzausbau und eine verbesserte nationale so-wie europauml ische Energierahmengesetzgebung Studien zeigen dass eine entsprechende Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien gemeinsam mit einem starken Schub fuumlr Effizienz mit aumlhnlichen Kosten verbunden waumlre wie wenn man einen hohen Anteil an Kohle- und Atomstrom beibehalten wuumlrde130 Aber wenn es die Vollversorgung Europas mit Erneuerbaren Energien vor 2050 geben soll dann muumlssen jetzt die Weichen dafuumlr gestellt werden

n Abschaffung von klimaschaumldlichen Subventionen ndash keine Foumlrderung von Kohle und Atom

Der Neubau von Kohlekraftwerken ist hochproblema-tisch auch wenn neue Kraftwerke deutlich effizienter sind als aumlltere weil beim Verbrennen von Stein- und Braunkohle im Vergleich zu Oumll und Gas ein Mehrfaches an CO2 entsteht Da die Kohlevorraumlte deutlich groumlszliger sind als die Reserven aller anderen fossilen Energietrauml-ger ist daruumlber Hinaus zu erwarten dass die CO2-Pro-blematik durch entsprechend lange Laufzeiten bis weit in die Zukunft ungeloumlst bliebe Subventionen in Kohle Atom und beim Flugverkehr muumlssen abgeschafft wer-den Milliardensubventionen in diesen Bereichen schauml-digen das Klima einerseits durch den Ausstoszlig von Treib-hausgasen und andererseits weil sie die oumlkonomische Wettbewerbsfaumlhigkeit klimaschonender und generell risikoaumlrmerer Alternativen reduzieren

n RegulierungVerteuerung von klimaschaumldlichen Handlungen

Theoretisch ist unumstritten dass der Markt nur eine gewuumlnschte Lenkungswirkung erzielen kann wenn die Internalisierung externer Kosten gelingt Dabei werden die verursachten Kosten in die Preise klimaschaumldlicher Produkte und Dienstleistungen eingerechnet und somit internalisiert Beispiele dafuumlr sind das Verursacherprin-zip beruumlcksichtigende verbrauchsabhaumlngige Steuern (Oumlkosteuer etc) bzw Abgaben (z B auf Mineraloumll) Der Emissionshandel internalisiert prinzipiell die externen Kosten da er zum einen CO2 einen Preis gibt und da-mit in die Wirtschaftslogik einfuumlhrt und zum anderen weil er die Menge der erlaubten Emissionen nach oben begrenzt Eine volle Internalisierung waumlre das aber nur wenn das Ziel einer 80 bis 95-prozentigen Reduktion von

Treibhausgasen bis 2050 jetzt schon rechtlich verbind-lich den Akteuren vorgegeben wuumlrde Eine Kombination von verbrauchsabhaumlngigen Steuern und Emissionshan-del mit ausreichend scharfen Zielen ndash je nach Sektoren ndash kann einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz leis-ten

rarr 2 Vorreiterrolle im Klimaschutz einnehmen

Auch wenn die internationale Politik fuumlr eine globale Strategie verantwortlich ist kann sich jedes Land und jede Region Deutschlands fuumlr den Klimaschutz enga-gieren Deutschland kann dabei als Exportweltmeister seine Position nutzen und eine Multiplikatoren- bzw Vorreiterrolle hinsichtlich effizienter Klimaschutzpoli-tik einnehmen denn auch erfolgreiche Politikmodelle koumlnnen bdquoexportiertldquo werden Das in Deutschland sehr erfolgreiche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist in mittlerweile in mehr als 45 Laumlndern Vorbild fuumlr gesetz-liche Rahmenbedingungen

Auch einzelne Regionen Deutschlands sind gefragt denn kommunalpolitische Beispiele koumlnnen als Vorbild fuumlr die Bundesebene dienen Wenn Deutschland zeigt dass man auch ohne Kohle und Atom eine international fuumlhrende Volkswirtschaft mit einem attraktiven Wohl-standsmodell bleiben kann waumlre dies ein fundamental wichtiger Beitrag fuumlr die internationale Debatte Viele Laumlnder schauen auf Deutschland ob es gelingt den an-gekuumlndigten beschleunigten Ausstieg aus der Atomener-gie mit den ambitionierten Klimazielen zu kombinieren Wenn dies gelingt kann diese Strategie zum Exportmo-dell werden Im Gegenzug sollten Deutschland und die EU die positiven Erfahrungen nutzen die andere Laumln-der gemacht haben Derzeit wird dabei das japanische bdquoTop-Runner-Modellldquo diskutiert das sich am jeweiligen Effizienzspitzenreiter orientiert und dynamische Effi - zienzstandards fuumlr Energie verbrauchende Geraumlte setzt

rarr 3 Die Politik sollte mit gutem Beispiel vorangehen

Es reicht insgesamt nicht wenn Politiker nur die Rah-menbedingungen fuumlr Klimaschutz schaffen Sie muumlssen den Waumlhlern gegenuumlber offensiv vertreten dass Kli-maschutzmaszlignahmen Investitionen in zukunftsfaumlhige Lebensbedingungen sind Am glaubwuumlrdigsten ist es wenn die Politik und die einzelnen Politiker selbst zu Vorbildern werden Zum Beispiel koumlnnte der Staat mit einer klimafreundlich ausgerichteten oumlffentlichen Be-schaffung Investitionsstroumlme in Richtung nachhaltiger Produkte und Unternehmen lenken131 Etwa im Ver-kehrsbereich ndash von Bussen uumlber Dienstfahrzeuge bis hin zum regelmaumlszligigen hochqualitativen Ausgleich bei Flug-verkehrsreisen ndash bei effizienten Computern oder im Ge-baumludebereich koumlnnte die Marktmacht der oumlffent lichen Hand erhebliche Lenkungswirkung erzielen

130 ECF 2010131 Germanwatch 2010d

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Der Lebensstil von Bundes- oder EU-Politikern ist ndash an-gesichts der Anforderungen an Mobilitaumlt ndash nur schwer wirklich klimavertraumlglich zu gestalten Aber umso mehr koumlnnen sie sichtbare Signale fuumlr einen klimavertraumlg-lichen Lebensstil geben Wichtiger ist jedoch dass sie ihre Unabhaumlngigkeit bewahren und sich nicht von kli-makritischen Lobbygruppen beeinflussen lassen Wer wissenschaftlich abgesicherte Positionen zu einer kaumluf-lichen Ware macht verkauft kuumlnftige Generationen

72 Was kann die Wirtschaft tun

Herausforderungen fuumlr die Wirtschaft

Kaum ein Unternehmen aus dem CO2-intensiven Bereich verfolgt derzeit eine mit dem 2 degC-Limit vertraumlgliche Unternehmensstrategie obwohl sie nach den OECD-Leit linien132 sogar dazu verpflichten sind sich an der er-klaumlrten Politik ihres Landes auszurichten

Der globale Klimawandel birgt fuumlr Wirtschaft und Unter-nehmen erhebliche Risiken wodurch die Wertentwick-lung von Investitionen und Unternehmen nachhaltig bedroht werden kann Eine ernsthafte Klimaschutzstra-tegie bietet zwar auch Risiken aber auf der anderen Seite ndash insbesondere bei klaren langfristigen politischen Rahmensetzungen ndash groszlige Chancen fuumlr die Wirtschaft So entstehen sehr groszlige neue Geschaumlftsfelder wie die Bereiche Zukunftstechnologien (Erneuerbarer Energi-en Energieeffizienz Elektromobilitaumlt etc) sozial-oumlko-logische Stadtplanung oder klimafreundliche Finanz-anlagen Gelingt es den Unternehmen sich an diese neue Situation schnell und umfassend anzupassen kann neben dem effektiven Klimaschutz auch sozialer und oumlkonomischer Mehrwert gesichert werden

Jedes Unternehmen weiszlig Wenn die Weltgesellschaft sich in Richtung Klimaschutz bewegt dann sind die eige-nen Klimaschutzinvestitionen von heute gut angelegtes

Vertreter der Finanzwirtschaft beraten uumlber den EU-Emissionshandel Workshop von UNEP-Finanzinitiative und Germanwatch mit Finanz-Ratingagenturen im April 2004 Foto Gerold Kier

132 Siehe wwwgermanwatchorgcorpuvhtm

Geld Die Strategie der Gegner zielt deshalb darauf ab vor allem in den USA Zweifel an einer solchen Strategie zu saumlen Doch die positiven wenn auch in Geschwin-digkeit und Ausmaszlig nicht ausreichenden Tendenzen in vielen Schwellenlaumlndern zeigen bereits heute Schon mittelfristig gehoumlrt eine ambitionierte Klimaschutzstra-tegie ebenso zur Grundausruumlstung eines erfolgreichen Unternehmens wie dies fuumlr zukunftsfaumlhige Arbeitsplaumltze der Fall ist

rarr Direkte und regulative Finanzrisiken erkennen

Wichtig fuumlr die Unternehmen sind die Identifizierung von Klimarisiken und -chancen sowie ein darauf beru-hendes Risikomanagement Welche direkten Klima- und Wetterrisiken koumlnnten relevant fuumlr uns sein Wo sind wir auf die absehbaren klimapolitischen Rahmensetzungen nicht vorbereitet Welcher Imageschaden droht uns als Klimaschutz-Verweigerer Auf welche Klagen muumlssen wir uns als Verursacher des Klimawandels einstellen Welche Chancen ergeben sich fuumlr uns aus einer aggres-siven Klimaschutzstrategie Wie muumlssen wir uns auf-stellen um diese nutzen zu koumlnnen Dafuumlr bedarf es der Entwicklung von Methoden die ndash moumlglichst modular aufgebaut ndash eine systematische Beruumlcksichtigung von Klimarisiken im Risikomanagement ermoumlglichen

Durch die Anwendung der Methoden wird eine bessere Bewertung der Folgen des Klimawandels und ihrer finan-ziellen Implikationen moumlglich

rarr Chancen des Klimawandels nutzen ndash Investitionen in Zukunftstechnologien

Wenn die Chancen identifiziert sind gilt es diese auch zu nutzen Besonders vielversprechend sind Investi-tionen in Zukunftstechnologien die zugleich einen klimafreundlichen Lebensstil ermoumlglichen Diesbezuumlg-

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lich sind besonders die Bereiche Erneuerbare Energien Effizienztechnologien und Verkehr (Innovative Schie-nenkonzepte Elektromobilitaumlt Hybridtechnologien etc) zukunftstraumlchtig Ganze Branchen setzen ihre Zu-kunft aufs Spiel wenn sie die neuen Trends verpassen So hat die deutsche Automobilindustrie den Trend zum Hybrid- und Elektroauto zunaumlchst verschlafen Das Ge-schaumlftsmodell der groszligen Energieversorger in Deutsch-land hat sich nicht bzw voumlllig unzureichend auf den massiven Ausbau von Energieeffizienz (etwa durch Con-tracting) und Erneuerbaren Energien eingestellt Die Stahl- und Zementindustrie blockiert klimavertraumlgliche Alternativen etwa basierend auf beschichteten Kohlen-stofffasern anstatt diese zuumlgig voranzubringen

rarr Nachhaltiges und klimafreundliches Wirtschaften in Unternehmen

Neben der Wahlmoumlglichkeit von Guumltern die ein Un-ternehmen produziert bzw anbietet koumlnnen Klima-schutzaspekte auch im Unternehmensbetrieb und in der Produktion beruumlcksichtig werden

Betriebliche Oumlkobilanzen oder Nachhaltigkeitsberich-te bieten zum Beispiel die Chance klimafreundliche Einsparungspotenziale zu identifizieren Haumlufig gibt es ndash besonders bei den nicht ganz so energieintensiven Branchen wo schon der Energiepreis ein starker Antrieb ist ndash in den Bereichen Energie Beschaffung Produktion Absatz und Verkehr groumlszligere Einsparpotenziale die den Unternehmern nicht bewusst sind

n Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Im Bereich Energie gilt es auf Erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu setzen Auch der Stromverbrauch im Unternehmen kann haumlufig gesenkt werden wofuumlr es zahlreiche Wege gibt (siehe 73 bdquoBuumlrgerldquo)

Regionale Wirtschaftsfoumlrderung In den Bereichen Beschaffung Produktion und Absatz ist es manchmal wichtig in der Naumlhe zu suchen statt in die Ferne zu schauen Lange Transportwege bewirken einen hohen CO2-Ausstoszlig weshalb von Umweltorganisationen und Verbaumlnden zunehmend die Staumlrkung regionaler Wirt-schaftskreislaumlufe gefordert wird Bei der Produktion mag Outsourcing ins Ausland augenscheinlich erst ein-mal Kosteneinsparungen mit sich bringen Doch mit langen Transportwegen wird haumlufig die Kommunikation und Kontrolle im Unternehmen erschwert und der CO2-Ausstoszlig erhoumlht133

n Nachhaltige Ressourcen

Bei der Produktion und Beschaffung sollte auch auf die Klimabilanz und Nachhaltigkeit der verwendeten Res-sourcen und Produkte geachtet werden Mittlerweile

gibt es fuumlr viele Bereiche (Holz Papier Lebensmittel etc) Zertifizierungen die nachhaltige Produkte kenn-zeichnen

n Nachhaltige Dienstreisetaumltigkeiten

Der Bereich Verkehr umfasst die Dienstreisetaumltigkeiten der Mitarbeiter sowie die bereits erwaumlhnten Bereiche Beschaffung und Absatz Generell gilt es den CO2-Ausstoszlig kleinstmoumlglich zu halten indem man nur den notwendigen Verkehr taumltigt und z B bei routinemaumlszligig abgehaltenen Besprechungen die Nutzung von Video- oder Telefonkonferenzen in Betracht zieht Durch eine systematische Optimierung der Dienstreisetaumltigkeit koumlnnen Unternehmen Geld sparen und zugleich den Aus-stoszlig von Treibhausgasen reduzieren Ein weiterer Weg zur Reduktion des CO2-Ausstoszliges ist die Nutzung von klimafreundlichen Verkehrsmitteln bei gleichzeitigem Verzicht auf klimaschaumldliche Verkehrsmittel wie das Flugzeug Eine Moumlglichkeit fuumlr CO2-freie Dienstreisetauml-tigkeiten bietet die Deutsche Bahn mit ihrem Programm bdquoUmwelt-Plusldquo Dabei wird der Energiebedarf des Rei-sens im Voraus kalkuliert und in Form von Oumlkostrom ins Netz der Bahn eingespeist Die Initiative Atmosfair (wwwatmosfairde) bietet allgemein die Moumlglichkeit getaumltigte Emissionen durch Spenden fuumlr serioumlse Klima-schutzmaszlignahmen auszugleichen

rarr Gemeinsam ihr Interesse am Klimaschutz aussprechen

Neben diesen beschriebenen Maszlignahmen steht es je-dem Unternehmen offen sich gegenuumlber der Politik aktiv fuumlr mehr Klimaschutzmaszlignahmen einzusetzen Einige Unternehmen haben sich bereits in progressiven Unternehmergruppen wie der 2deg-Initiative oder dem Un-ternehmerrat e5 zusammengeschlossen und koumlnnen so gemeinsam die Beruumlcksichtigung ihrer Klimaschutzinter-essen von der Politik einfordern

Solarthermische Anlagen verringern in immer mehr Haumlusern den fossilen Energiebedarf fuumlr Warmwasser und Heizung Foto Dietmar Putscher

133 Einen interessanten Artikel zum Thema Vor- und Nachteile von Outsourcing bietet bdquoDie Zeitrdquo httpwwwzeitde201016Globalisierung

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73 Was koumlnnen die Buumlrger tunNeben Politik und Wirtschaft haben die Buumlrger eine zentrale Bedeutung in der Realisierung der Klimaziele Wie beschrieben erfordert eine nachhaltige Loumlsung der Klimaprobleme eine kulturelle und industrielle Revolu - tion womit der Buumlrgergesellschaft eine viel gewichti-gere Rolle zukommt als wir ndash ihre Mitglieder ndash bislang wahrzunehmen bereit waren Dass Buumlrgerbewegungen viel bewegen koumlnnen zeigt die Geschichte der Bundes-republik in der die meisten kulturellen Veraumlnderungen nicht auf Anstoszlig der professionellen Politik sondern auf Basis der Initiative Einzelner oder kleiner Gruppen ent-standen sind134 Ein Beispiel dafuumlr ist die Frauenbewe-gung welche eine Aumlnderung der Geschlechterverhaumllt-nisse in der Gesellschaft bewirkte lange bevor auch die Politik Genderaspekte (Gleichstellungsgesetze Frauen-quoten usw) aufgriff Auch die Anti-Atombewegung hat den jetzt verkuumlndeten Atomausstieg durch jahrzehnte-langes Engagement gegen eine steinharte industrienahe Mentalitaumlt durchgesetzt Folglich ist Politik nicht nur was die Politiker machen sondern vielmehr auch das was wir Buumlrger bewegen

Handlungsmoumlglichkeiten

Im Allgemeinen stehen uns verschiedene Wege offen zu handeln doch allen voraus steht die Aufgabe sich zu in-formieren womit auch der Bildungsarbeit eine zentrale Rolle zukommt Jede(r) Einzelne sollte sich uumlber die Fol-gen des eigenen Handelns sowie uumlber Klimaschutzmaszlig-nahmen auf dem Laufenden halten Jede kleine Aktion die zum Klimaschutz beitraumlgt ist wichtig In den folgen-den drei Bereichen gibt es besonders effiziente Hand-lungsmoumlglichkeiten

rarr 1 Einfluss auf die Politik ausuumlben

Buumlndnisse und Buumlrgerinitiativen koumlnnen die Politik haumlu-fig beeinflussen weil sie entweder ein Gegengewicht oder auch einen Partner staatlichen Handelns darstel-len koumlnnen Durch die Beruumlcksichtigung von Klima- und Umweltaspekten bei der politischen Wahlentscheidung kann ebenfalls Einfluss auf die Politik genommen wer-den Dies gilt nicht nur fuumlr Bundestags- und Europapar-laments- sondern auch fuumlr Landtags- und Kommunal-wahlen Denn wichtige Entscheidungen fuumlr oder gegen den Klimaschutz werden auf allen Ebenen getroffen Kli-maschutz sollte daher in allen Faumlllen ein wichtiges Wahl-kriterium sein bdquoWahlpruumlfsteineldquo die von Umweltver-baumlnden und Organisationen vor Wahlen veroumlffentlicht werden koumlnnen bei der Entscheidung helfen

rarr 2 Sich vernetzen

Gemeinsam mit anderen Aktiven ist es haumlufig leichter einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten In der klei-

nen Gemeinde Schoumlnau im Schwarzwald begann zum Beispiel eine private Initiative 1998 mit der Investition in Erneuerbare Energien Anfangs mit Wind- und Solar-energie spaumlter mit Kraft-Waumlrme-Koppelung und Bio-masse konnten sie soviel Energie produzieren dass sie das oumlrtliche Stromnetz uumlbernahmen und ein eigenes Elektrizitaumlts-Werk errichteten Heute versorgen sie mehr als 100000 Kunden135 Betriebe und Industrieun-ternehmen im ganzen Bundesgebiet mit Oumlkostrom und investieren die Gewinne wiederum in eine nachhaltige Energieversorgung Ein weiterer nennenswerter Akteur in Sachen Klimaschutz ist die Klima-Allianz136 ein Buumlnd-nis von mehr als 100 Organisationen aus einem breiten gesellschaftlichen Spektrum das sich gemeinsam fuumlr die Schaffung politischer Rahmenbedingungen einsetzt

Gemeinsames Handeln ist haumlufig nicht nur erfolgreich sondern macht auch viel Spaszlig Ist das Interesse ge-weckt Dann schauen Sie mal unter wwwutopiade oder wwwklimaretterinfo

rarr 3 Nachhaltig konsumieren

Die Einflussnahme auf die Politik und die Vernetzung mit anderen Aktiven sind wichtige Beitraumlge zum Klima-schutz Sie entbinden aber nicht von der eigenen Ver-

Auf wwwutopiade findet man viele interessante Hinweise zu klimafreundlichen Leben

Nachhaltigkeitssiegel koumlnnen eine Orientie rung fuumlr den nachhaltigen Konsum geben

134 Eine ausfuumlhrliche Auseinandersetzung mit der Rolle der Buumlrgergesellschaft bieten Leggewie und Welzer 2010135 Siehe httpwwwews-schoenaudeewshtml 136 Siehe httpwwwdie-klima-allianzde

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antwortung Der Buumlrger hat in seiner Verbraucherrolle besonders viel Handlungsspielraum weil exzessiver Konsum fuumlr die Zerstoumlrung der globalen Oumlkosysteme und den Klimawandel mitverantwortlich ist Wie der Bericht des fuumlhrenden US-amerikanischen Umweltin-stituts Worldwatch zeigt uumlbernutzen wir derzeit die natuumlr lichen Kapazitaumlten der Erde um rund ein Drittel wobei die Hauptverantwortung bei den hoch industria-lisierten Laumlndern liegt137 Abhilfe koumlnnte ein Wandel der Konsumkultur ermoumlglichen wenn er auf Nachhaltigkeit abzielt138 Das heiszligt in anderen Worten Wir Buumlrger und Buumlrgerinnen koumlnnen uumlber unser Konsumverhalten die Lebensqualitaumlt steigern und zugleich das Klima schonen

Folgende vier Grundregeln helfen klima freund-licher und nachhaltiger zu konsumieren

Informieren und Vergleichen vor der Kaufentscheidung Mittlerweile gibt es in vielen Bereichen Zertifizierun-gen die umweltfreundliche Produkte und Sparpoten-ziale auszeichnen An ihnen koumlnnen Verbraucher z B besonders energieeffiziente Geraumlte erkennen So gibt es in einigen Bereichen mittlerweile auch Produkte (z B bei Kuumlhlschraumlnken oder Spuumllmaschinen) die noch deutlich effizienter sind als Energieklasse A

Klima-Konsequenzen bei Kaufentscheidungen beruumlcksichtigen Bei fast allen Einkaumlufen koumlnnen wir Klimakonsequenzen beruumlcksichtigen Wenn sie regionale Produkte einkau-fen verhindern sie zum Beispiel lange Transportwege bei den Produkten

Einkaufen nach Bedarf Haumlufig wird mehr konsumiert als notwendig Auch wenn viele Produkte durch Groumlszlige oder neue technische Moumlg-lichkeiten und Raffinessen beeindrucken sollten Sie uumlberlegen welche Funktionen Sie wirklich brauchen und auf welche Sie verzichten koumlnnen Denn fuumlr viele Gerauml-te gilt je leistungsstaumlrker desto houmlher der Energiever-brauch

Sinnvoll sparen Besonders in den Bereichen die besonders klimaschaumld-lich sind und wo es Einsparpotenziale gibt Im privaten Bereich haben den mit Abstand groumlszligten Anteil am direk-ten und indirekten Treibhausgasausstoszlig der Auto- und Flugverkehr das Heizen sowie die Ernaumlhrung

Die moumlglichen Maszlignahmen werden im Fol-genden anhand verschiedener Bereiche veran-schaulicht

1 Was gibtrsquos zu beachten im Bereich Energie und Heizen

n Energetische SanierungDie energetische Sanierung von Gebaumluden und Raumlumen rechnet sich langfristig haumlufig weil die eingesparten Energiekosten die entstehenden Renovierungskosten meistens ausgleichen insbesondere bei steigenden Kosten fuumlr fossile Energien Im Bereich Waumlrmedaumlm-mung Isolierung (Fenster etc) und Heizungsanlage (siehe oben) gibt es besonders hohe EinsparpotenzialeDie staatseigene Kreditanstalt fuumlr Wiederaufbau (KfW wwwkfwde) bietet z B zinsguumlnstige Kredite oder Zu-schuumlsse fuumlr solche Sanierungen Auch ohne Geld gibt es uumlber bdquoContractingldquo die Moumlglichkeit seine Gebaumlude energetisch zu renovieren Die Idee der Zusammenarbeit mittels bdquoContractingldquo ist einfach Ein Unternehmen das sich auf effiziente Waumlrme- und Energietechnik spezia-lisiert hat renoviert Gebaumlude oder Raumlume Kommunen oder Wohnungsbaugesellschaften bezahlen dafuumlr kei-nen Cent mehr als sonst weil der Sanierer fuumlr mehrere Jahre nur das Geld erhaumllt das der jeweilige Besitzer bis-lang fuumlr Oumll Gas und Strom mehr bezahlt hat Eine klassi-sche Win-Win-Situation

Einen Ratgeber fuumlr Energiespar-Contracting in oumlffent-lichen Liegenschaften hat das Umweltbundesamt ver-oumlffentlicht (siehe httpwwwumweltbundesamtdeproduktebeschaffungenergieversorgungcontractinghtml)

n Passivhaumluser und Plus-Energie-Haumluser Besonders energieeffiziente Gebaumlude sind Passivhaumluser oder Plus-Energie-Haumluser Das Passivhaus ist ein Bau-konzept bei dem Waumlrmedaumlmmung und Luftdichtheit im Vordergrund stehen um die Heizkosten zu reduzieren Das Plus-Energie-Haus geht daruumlber hinaus und ist in der Regel ein Passivhaus in Kombination mit Photovoltaik-anlagen das mehr Primaumlrenergie produziert als es an Heizenergie verbraucht

Waumlrmedaumlmmung vermindert effektiv CO2-Emissionen und wird durch Foumlrdermaszlignahmen unterstuumltztFoto Dietmar Putscher

137 Worldwatch Institute 2010138 Die Vereinten Nationen definieren diesen nachhaltigen Konsum als bdquodie Nutzung von Guumltern und Dienstleistungen die ele-

mentare menschliche Beduumlrfnisse befriedigen und eine bessere Lebensqualitaumlt hervorbringen wobei sie gleichzeitig den Einsatz natuumlrlicher Ressourcen toxischer Stoffe und Emissionen von Abfall und Schadstoffen uumlber den Lebenszyklus hinweg minimieren um nicht die Beduumlrfnisbefriedigung kuumlnftiger Generationen zu gefaumlhrdenldquo

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n EnergiepassBei Mietwohnungen erleichtert der Energiepass der seit 01072008 fuumlr alle Vermieter und Verkaumlufer von Immobilien Pflicht ist die Identifizierung von energie-sparenden GebaumludenRaumlumen Als Mieter lohnt es sich den Vermieter nach dem Energiepass zu fragen und auf moumlgliche Maumlngel hinzuweisen

n In Erneuerbare Energie investierenDurch einen Wechsel von Kohle Oumll- und Gas zu Erneu-erbaren Energien koumlnnen die Emissionen im Haushalt stark gesenkt werden

n Bezug von Oumlko-StromIn den meisten Faumlllen sind der Bezug von Strom aus Er-neuerbaren Energien und der Wechsel des Stromversor-gers heute problemlos moumlglich und nur Sache eines ein-zigen Telefonats Guumlnstige Angebote gibt es bei vielen lokalen Stromversorgern aber auch uumlberregional An-bieter mit den Siegeln bdquook-Powerrdquo oder dem bdquoGruumlner-Strom-Labelrdquo sind aus oumlkologischer Sicht zu empfehlen Zudem sollten die Anbieter eigentumsrechtlich unab-haumlngig von den groszligen Energieversorgern sein

Investitionen in gruumlnen Strom koumlnnen langfristig gese-hen haumlufig Geld sparen und als Beitrag zur Altersvorsor-ge betrachtet werden Teilweise koumlnnen Solarpaneele zum Beispiel bis zu 40 Jahre halten und somit langfristig die Stromkosten senken Der Bau oder die Beteiligung an Projekten zur Nutzung Erneuerbarer Energien (z B Solarstrom Windkraft) sind dabei Geldanlagen die Rendite und Klimaschutz verbinden Buumlrgersolarparks ermoumlglichen eine Beteiligung auch mit kleinen Geldbe-traumlgen und auch wenn man kein eigenes Dach besitzt139

Immer mehr Neubauten werden durch geringen Ener-gie verbrauch und Stromproduktion durch Solarzellen zu bdquoPlusenergiehaumlusernldquo die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen Foto fotoliacom Daniel Schoenen

n Effiziente Heiz- und Warmwasseranlagen nutzenEffiziente Heizanlagen sind z B moderne Pelletheizun-gen Waumlrmepumpen oder auch Gas-Brennwertkessel Warmes Wasser laumlsst sich wiederum kostenguumlnstig und klimaschonend durch Solarwaumlrme erzeugen Besonders lohnenswert ist die Koppelung von Heizenergie- und Warmwassererzeugung und die Ergaumlnzung der Anlage durch Sonnenkollektoren (Der Einbau wird derzeit noch staatlich gefoumlrdert)

n Klimakonsequenzen bei Renovierung Neubau oder Umzug beruumlcksichtigenBei der Errichtung von Gebaumluden der Renovierung oder dem Umzug in neue Gebaumlude gibt es viele Energiespar-moumlglichkeiten

n Wohnung und GroumlszligeNeben dem Energiestandard koumlnnen die CO2-Emissio-nen durch die Wohnortwahl und die Groumlszlige der beheiz-ten Wohnflaumlche beeinflusst werden Bei der Wahl des Wohnorts kann man auf folgende Punkte achten die Naumlhe zum Arbeitsort zur Schule und zu Einkaufsmoumlg-lichkeiten sowie auf eine gute Anbindung an oumlffentliche Verkehrsmittel Dadurch kann eine Reduzierung der Au-tonutzung erzielt werden womit CO2- und Gelderspar-nisse einhergehen Zugleich sollte man sich immer fra-gen wie groszlig die Wohnung oder das Haus wirklich sein muumlssen Eine kleine Wohnung hat auch Vorteile denn Je kleiner die Wohnung desto kleiner ist nicht nur der Energieverbrauch sondern auch die StromrechnungWeitere Infos siehe auch CO2-Online wwwco2onlinede oder Institut Wohnen und Umwelt wwwiwude

n Technik im HausBei dem Kauf von Elektrogeraumlten ist die Wahl von klei-nen Energie einsparenden Geraumlten langfristig betrach-tet gut fuumlr die Umwelt und fuumlr den Geldbeutel

n Energieeffizienz beruumlcksichtigenBei dem Kauf von Haushaltsgeraumlten hilft die Beruumlcksich-tigung der Energieeffizienzklasse die Skala reicht von A-G Fuumlr Kuumlhl- und Gefrierge-raumlte gibt es seit Maumlrz 2004 bun-desweit zusaumltzlich die Katego-rien A+ und A++ die besonders sparsame Produkte kennzeich-nen (httpwwwstromeffizi-enzdeeu-labelhtml)

139 Zum Thema Stromwechsel siehe auch wwwgermanwatchorgstromhtm

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n Kuumlhlen und GefrierenKuumlhl- und Gefriergeraumlte die vor mehr als zehn Jahren gekauft wurden sind meist in der Energieeffizienzklas-se B C oder noch schlechter einzustufen Eine Neuan-schaffung rechnet sich fast immer weil demgegenuumlber moderne Spitzengeraumlte deutlich Kilowattstunden pro Jahr einsparen Natuumlrlich ist es auch wichtig die Groumlszlige an den Bedarf anzupassen Als allgemeine Faustregel gilt Ein Ein- bis Zweipersonenhaushalt braucht 100 bis 120 Liter zum Kuumlhlen und 50 bis 80 Liter zum Gefrieren Wenn man auf das Gefrierfach verzichten kann kann noch einmal deutlich eingespart werden

n Waschen und TrocknenAuch bei Waschmaschinen und Trocknern gilt es Ener-gieeffizienz und Groumlszlige zu beruumlcksichtigen Waschma-schinen muumlssen nach der Energieeffizienzklassifizie-rung (ABC) gekennzeichnet sein (z B AAB) Dabei gibt der erste Buchstabe Auskunft uumlber den Energie-verbrauch der zweite uumlber die Waschwirkung und der dritte uumlber die Schleuderwirkung Eine Uumlbersicht uumlber gute Waschmaschinen und Trockner finden Sie unter wwwecotoptende

Trotz guter Effizienzklassen gibt es auch beim Waschver-halten einige Spartipps Generell gilt es auch die WaschTrockentrommel moumlglichst auszunutzen und nicht nur zur Haumllfte zu befuumlllen wobei moderne Maschinen haumlu-fig Sensoren haben so dass Wasser- und Energieeinsatz entsprechend der Beladung angepasst werden

Bei Trocknern ist uumlberhaupt die Frage ob man sie benouml-tigt oder die Waumlsche nicht auf der Leine kann Wo dies nicht moumlglich ist sind Waumlrmepumpentrockner in der Effizienzklasse A zum Teil 40 Prozent sparsamer als die effizientesten Geraumlte der Klasse B

n Kochen und Backen Generell sind Gasherde kostenguumlnstiger und aufgrund geringerer Umwandlungsverluste umweltfreundlicher als Elektroherde zumindest dann wenn diese nicht mit Oumlkostrom laufen Kochfelder mit Gasbrenner oder aus Glaskeramik sind wiederum energiesparender als guss-eiserne Kochplatten Bei elektrischen Herden verbrau-chen die Induktionskochzonen am wenigsten Strom Insgesamt gilt dass es bei der konkreten Nutzung eine Reihe von Verhaltensweisen gibt mit denen man ener-giesparend kochen kann vom Kochen mit Deckel uumlber die Vorerhitzung groumlszligerer Mengen Wasser mit dem Wasserkocher Auch spielt die Qualitaumlt der Toumlpfe und Pfannen eine wichtige Rolle Tipps dazu finden sich un-ter wwwecotoptende

n IT-GeraumlteAuch bei IT-Geraumlten gilt die Faustregel Je groumlszliger und technisierter desto houmlher ist haumlufig der Stromverbrauch

Aktuelle Werte fuumlr Computer und effiziente Buumlrogeraumlte unter wwwoffice-toptende

n Beleuchtung Energiesparlampen werden immer mehr zur Normali-taumlt ihre Qualitaumlt und ihre Vielseitigkeit haben sich in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt In der Regel verbrauchen sie 80 Prozent weniger Strom als Gluumlhbirnen so dass sich der anfangs houmlhere Preis uumlber die Lebensdauer mehr als rechnet Die klassische Gluumlh-birne wird in den naumlchsten Jahren dank der von Deutsch-land mitgetragenen Beschluumlsse auf EU-Ebene komplett vom Markt verschwinden Immer mehr im Kommen sind heutzutage LED-Lampen die ebenfalls sehr sparsam und noch langlebiger als die Energiesparlampen sind Die Anwendungspalette wird immer breiter und es wird mit einem deutlichen Preisruumlckgang gerechnet

2 Mobilitaumlt ndash Umweltbewusst Verkehrsmit-tel nutzen

Der Verkehr ist ein besonderes Sorgenkind im Klima-schutz weil die Emissionen in diesem Bereich trotz bes-serer Techniken weiterhin sehr hoch sind Der private Pkw-Verkehr beeinflusst in groszligem Maszlig das Klima und besteht zum groumlszligeren Teil aus Freizeitverkehr Ein Jahr Autofahren in Deutschland entspricht mit ca 2000 kg CO2 dem jaumlhrlichen CO2-Ausstoszlig eines Menschen in der Dominikanischen Republik Daher sollte man sich zu-naumlchst grundsaumltzlich fragen ob man uumlberhaupt ein Auto braucht und welche Funktionen es erfuumlllen muss oder ob man nicht mit einer Kombination aus oumlffentlichem Personenverkehr Fahrrad und evtl auch Car-Sharing (s u) besser bdquofaumlhrtldquo

Das Argument bdquoich habe das Auto ja ohnehinldquo ver-kehrt sich ins Gegenteil wenn man eine sich schon bei zwei drei weiteren Fahrten pro Jahr rechnende Bahn-card 50 die Jahreskarte fuumlr die Region oder bestimmte

Das Fahhrad als modernes umweltfreundliches Verkehrsmittel Foto Dietmar Putscher

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Strecken oder bei Vielfahrern gar die Bahncard 100 (wwwd-bahnde) nutzt mit der man deutschlandweit mit der Bahn und dem oumlffentlichen Verkehr in den Staumld-ten fahren kann

Wer nicht auf das Auto verzichten kann oder will sollte ein sparsames Fahrverhalten pflegen und beim Autokauf Umweltkriterien beruumlcksichtigen Der Verkehrsclub Deutschland (wwwvcdorg) veroumlffentlicht jedes Jahr im August mit seiner Auto-Umweltliste140 ein ausfuumlhrliches Ranking der Umweltfreundlichkeit neu auf den Markt gekommener Autos und gibt weitere Tipps beim Auto-kauf

Empfehlenswert sind besonders sparsame Autos z B durch einen Hybridantrieb oder Elektroautos so-weit sie mit Strom aus Erneuerbaren Energien betrie-ben werden Je nach Nutzung des Autos gibt es auch sinnvolle Alternativen Fuumlr kurze Strecken bietet sich das Fahrrad an was nicht nur gesuumlnder sondern in der Stadt auch haumlufig schneller ist Wenn man nur sel-ten ein Auto benoumltigt kann man sich zum Car-Sharing (wwwcarsharingde) anmelden oder Mitfahrgelegen-heiten (wwwmitfahrgelegenheitende) nutzen

Fliegen ist das am schnellsten wachsende Klimaproblem Der Flugverkehr ist besonders klimaschaumldlich weil die Abgase in den hohen Schichten der Atmosphaumlre eine zwei- bis sechsmal houmlhere Treibhauswirkungen haben als am Boden Im Sinne des Klimaschutzes gilt es folg-lich das Flugzeug als Transportmittel soweit wie moumlg-lich zu meiden Fuumlr nicht vermeidbare Fluumlge gibt es die Moumlglichkeit die getaumltigten Emissionen durch Spen-den fuumlr serioumlse Klimaschutzmaszlignahmen auszugleichen (wwwatmosfairde)

3 Ernaumlhrung

Da die Produktion von Fleisch und Milchprodukten meist deutlich mehr Energie verbraucht als die Herstellung einer gleichwertigen Menge von Gemuumlse und Obst ist fleischarme Ernaumlhrung ein Beitrag zum Klimaschutz Die Produktion von 1 kg Rindfleisch ist beispielsweise mit etwa 250 km Autofahren gleichzusetzen Auch der Kauf von regionalen saisonalen Produkten ist ein Beitrag zum Klimaschutz weil die CO2-Emissionen mit steigenden Transportwegen zunehmen Die CO2-Last der Ernaumlhrung haumlngt zugleich auch von der Herstellung der Produkte ab Anteile von Duumlngern und Pestiziden der Einsatz von Tranktoren und Transportern usw spielen eine Rolle Im Allgemeinen werden Biolebensmittel umweltschonen-der hergestellt als konventionelle weil der Einsatz von Pestiziden synthetischen Duumlngemitteln und Gentechnik verboten ist Aus Klimasicht ist die Art der Lebensmit-tel (Fleisch oder Gemuumlse) allerdings viel entscheiden-der als der Unterschied zwischen der Art des Anbaus (konventio nell oder oumlko) So verursacht ein Kilo Biorind-fleisch die 90fache Klimabelastung wie ein Kilo frisches Gemuumlse aus konventio nellem Anbau141 Die wichtigste Frage fuumlrs Klima ist folglich Gemuumlse oder Fleisch

4 Geldanlagen

Auch Geld kann man klimaschaumldlich oder klimafreund-lich anlegen Waumlhrend viele Menschen versuchen klima-freundlich Auto zu fahren oder energieeffiziente Geraumlte zu nutzen machen sich die wenigsten daruumlber Gedan-ken was mit ihrem angesparten Geld passiert

Mittlerweile gibt es jedoch eine ganze Reihe von Finanz-angeboten bei denen soziale ethische und oumlkologische Aspekte bei der Geldverwendung beruumlcksichtigt wer-den Eine Moumlglichkeit sein Geld klimafreundlich arbei-

Auch an der Gemuumlsetheke kann man durch den Kauf von Bio-Produkten und von regionalem und saisonalem Gemuumlse einen Beitrag zum Klimaschutz leisten Foto Dietmar Putscher

Der Flugverkehr ndash eines der am schnellsten wachsenden Probleme fuumlr das Weltklima

140 Die Auto-Umweltliste siehe httpwwwbesser-autokaufendeaulihtml 141 Bals et al 2008 S 299

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ten zu lassen sind Anleihen bei denen man einem bdquogruuml-nenldquo Unternehmen einen festen Geldbetrag (z B 1000 Euro) fuumlr mehrere Jahre leiht und dabei eine jaumlhrliche Verzinsung von 6 Prozent oder mehr bekommt Wer sich genauer informieren moumlchte kann auch auf der Home-page des Forums Nachhaltige Geldanlagen schauen ei-nem Zu sammenschluss von knapp 100 Unternehmen und Organisationen die sich fuumlr nachhaltige Geldanlagen einsetzen (wwwforum-ngde)

5 Holz und Papier

Waumllder haben eine wichtige Funktion im Klimaschutz weil Baumlume einerseits CO2 binden und speichern und anderseits Sauerstoff produzieren Als Verbraucher hat man die Moumlglichkeit durch die Wahl der Holzprodukte (Papier Moumlbel usw) die Abholzung von Tropenwaumlldern und borealen (noumlrdlichen) Nadelwaumlldern zu verhindern Bei dem Kauf von Holz oder Holzprodukten sollte man darauf achten dass sie aus regionalen und nachhaltig bewirtschafteten Waumlldern stammen Das heiszligt zugleich dass man auf Gartenmoumlbel aus Tropenholz verzichtet und stattdessen Moumlbel vorzieht die aus heimischen Waumlldern stammen Damit ist auch eine nachhaltige Be-wirtschaftung garantiert weil sich die deutsche Forst-wirtschaft seit Jahrzehnten am Leitbild der Nachhal-tigkeit orientiert Wo doch die Nutzung von Tropenholz als zwingend erachtet wird sollte es zumindest vom Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert sein (s wwwfsc-deutschlandde)

Die Nutzung von Holz im Allgemeinen ist unterstuumltzens-wert weil Holz CO2 bindet und bei der Produktion nur Energie fuumlr die Verarbeitung benoumltigt wird Somit ist zum Beispiel die Verwendung von Holz als Baumaterial umweltschonender als die Nutzung von Stahl Beton Kunststoff usw

Jeder Mensch hat in seinem alltaumlglichen Leben mehr mit Holzprodukten zu tun als es ihm haumlufig bewusst ist Taumlglich benutzen wir Klopapier lesen Zeitung oder entnehmen Produkte ihren Papierverpackungen Wer Recyclingpapier und -taschentuumlcher und allgemein Recyclingmaterialen nutzt kann auf einfache Weise un-sere Waumllder und unser Klima schonen

Wie in diesem Kapitel beschrieben gibt es fuumlr jeden Einzelnen von uns viele Wege einen Beitrag zum Klima-schutz zu leisten und jede Initiative zaumlhlt ndash denn beson-ders wir Buumlrger koumlnnen den Weg zu neuen Lebensstilen und einem neuen Wohlstandsmodell ebnen

Weblinkswwwgermanwatchorgwwwverbraucherfuersklimadewwwdie-klima-allianzdewwwecotoptende

Buchtipps

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Wir sind eine gemeinnuumltzige unabhaumlngige und uumlberpar-teiliche Nord-Suumld-Initiative Seit 1991 enga gieren wir uns in der deutschen europauml ischen und internationalen Nord-Suumld- Handels- und Um welt politik

Ohne strukturelle Veraumlnderungen in den Indus-trielaumlndern des Nordens ist eine sozial gerechte und oumlkologisch vertraumlgliche Entwicklung weltweit nicht moumlglich Wir setzen uns dafuumlr ein die politischen Rahmenbedingungen am Leitbild der sozialen und oumlko-logischen Zukunftsfaumlhigkeit fuumlr Suumld und Nord auszu-richten

Unser Engagement gilt vor allem jenen Menschen im Suumlden die von den negativen Aus wirkungen der Glo-balisierung und den Konse quenzen unseres Lebens- und Wirtschaftsstils besonders betroffen sind Wir treten dafuumlr ein die Globalisierung oumlkologisch und sozial zu gestalten

Germanwatch arbeitet an innovativen und umsetzbaren Loumlsungen fuumlr diese komplexen Proble me Dabei stimmen wir uns eng mit Organi sa tionen in Nord und Suumld ab

Wir stellen regelmaumlszligig ausgewaumlhlte Informationen fuumlr Entscheidungstraumlger und Engagierte zusammen mit Kampagnen sensibilisieren wir die Bevoumllkerung Daruumlber hinaus arbeiten wir in gezielten strategischen Allianzen mit konstruktiven Partnern in Unter nehmen und Gewerkschaften zusammen um intelligente Loumlsungen zu entwickeln und durchzusetzen

Zu den Schwerpunkten unserer Arbeit gehoumlren

nVerantwortungsuumlbernahme fuumlr Klimaschutz und Klimaopfer durch wirkungsvolle gerechte Instru-mente und oumlkonomische Anreize

nGerechter Welthandel und faire Chancen fuumlr Entwicklungslaumlnder durch Abbau von Dumping und Subventionen im Agrarhandel

nEinhaltung sozialer und oumlkologischer Standards durch multinationale Unternehmen

nOumlkologisches und soziales Investment

Moumlchten Sie uns dabei unterstuumltzen Fuumlr unsere Arbeit sind wir auf Spenden und Beitraumlge von Mit gliedern und Foumlrderern angewiesen Spenden und Mitgliedsbeitraumlge sind steuerlich absetzbar

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3 uumlberarbeitete Auflage Dezember 2010

AutorInnen 3 Auflage Boris Schinke Sven Harmeling Rixa Schwarz Soumlnke Kreft Manfred Treber Christoph Bals

RedaktionTobias Rothenbuumlcher Katrin Fillies

LayoutARTBUumlRO Dietmar Putscher Koumllnwwwdietmar-putscherde

Bestellnummer 10-2-20

ISBN 978-3-939846-78-9

Gedruckt auf 100 Recycling-Papier

Abschluss der UN-Klimakonferenz in Bali 15122007

Die Germanwatch-Klimaexpedition zeigt Live-Satelli-ten bilder in Schulen Klimazusammen haumlnge werden so leicht verstaumlndlich und technisch faszinierend darge-stellt

Gefoumlrdert durch

Die Verantwortung fuumlr den Inhalt dieser Veroumlffentlichung liegt bei Germanwatch

3

Inhalt

Einleitung 5

1 Klima und Treibhauseffekt 6 11 Das Klima 6 12 Der natuumlrliche Treibhauseffekt 7 13 Der Kohlenstoffkreislauf 7

2 Klimawandel heute 10 21 Das Klima aumlndert sich 10

Info-Kasten 1 IPCC ndash houmlchste Autoritaumlt der Klimawissenschaft auf dem Pruumlfstand 11 22 Auswirkungen des Klimawandels 13 Info-Kasten 2 Was ist eine Wetterkatastrophe 17 23 Der menschgemachte Treibhauseffekt 20 24 Belege fuumlr den menschlichen Einfluss auf das Klima 22

3 Klimawandel der Zukunft 25 31 Veraumlnderungen der Klimaparameter 26 32 Zunahme von wetterbedingten Extremereignissen 27 33 Anstieg des Meeresspiegels 27 34 Kipp-Elemente des Klimasystems und ihre Folgen 28 Info-Kasten 3 Zwei Grad und nicht mehr 29

4 Opfer und Taumlter des Klimawandels 33 41 Die Betroffenen des Klimawandels Mensch und Umwelt 33 42 Regionale Betroffenheit 37 Info-Kasten 4 Womit wir in Deutschland rechnen muumlssen 40

5 Die Verursacher des Klimawandels 42 51 Welche Laumlnder sind die Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen 42 52 Absolute und Pro-Kopf-Emissionen heute 43 53 Emissionen nach Sektoren 44 54 Trends bei den Treibhausgasemissionen 46 Infokasten 5 Wirtschaftskrise Klimaschutz und bdquogruumlneldquo Konjunkturprogramme 47 55 Ursachen fuumlr Veraumlnderungen des CO2-Ausstoszliges 48

6 Herausforderungen fuumlr die Klimapolitik 51 61 Internationale Klimagerechtigkeit 51 62 Geschichte der Klimapolitik Von Rio uumlber Kyoto nach Kopenhagen 52 63 Die Klimagipfel von Kopenhagen und Cancuacuten 53 64 Handeln ndash Verhandeln ndash Koalitionen Grundlage einer klimapolitischen Aufwaumlrtsspirale 56 65 EU Deutschland und China als Vorreiter 57 66 USA zwischen Ambition und Bremsmanoumlvern 59 67 Anpassung an den Klimawandel 60 Info-Kasten 6 Der Wald als Senke und Reservoir von CO2 62 68 Technologien und Finanzmarkt 62 69 Demokratie und die groszlige Transformation 63 Info-Kasten 7 Flugverkehr und Klimaschutz 64 Info-Kasten 8 Geo-Engineering 65

7 Maszlignahmen zum Klimaschutz 67 71 Was kann die Politik tun 67 72 Was kann die Wirtschaft tun 70 73 Was koumlnnen die Buumlrger tun 72

8 Im Text zitierte Literatur 78

4

Abb 1 Schematische Darstellung des Treibhauseffekts 6Abb 2 Der Kohlenstoffkreislauf 8Abb 3 Gemessene und simulierte Temperaturabweichungen vom langjaumlhrigen

Mittel (1901-1950) seit 1906 fuumlr verschiedene Regionen der Erde 10Abb 4 bdquoReasons for Concernrdquo Vergleich IPCC 2001 mit IPCC 2007 13Abb 5 Veraumlnderung des Vernagtferners in den Oumltztaler Alpen 1844-2001 14Abb 6 Ausdehnung des arktischen Meereises im Vergleich zu 1979-2000 15Abb 7 Ruumlckzug der Aufsetzlinie des Jakobshavn Isbrae 1850-2006 an der Westkuumlste Groumlnlands 16Abb 8 Weltweite Groszligkatastrophen (1950-2009) 18Abb 9 Temperatur- u Treibhausgasentwicklung in den letzten 800000 Jahren 20Abb 10 Temperaturkurven der IPCC-Leitszenarien bis 2100 26Abb 11 Beobachteter Meeresspiegelanstieg seit 1975 28Abb 12 Kipp-Elemente mit Temperaturschwellen (gegenuumlber 1880) die in diesem Jahrhundert angestoszligen

werden koumlnnten 30Abb 13 Erwartete Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme Wasser- und Ernaumlhrungssicherheit

Gesundheit und Wirtschaft bei unterschiedlicher Erwaumlrmung (im Vgl zu 1880) 34Abb 14 Sicherheitsrisiken durch Klimawandel ausgewaumlhlte Brennpunkte 36Abb 15 Betroffenheit von Naturkatastrophen in Entwicklungs- und Industrielaumlndern 38Abb 16 Temperatur- und Niederschlagsaumlnderungen in Afrika bis 2100 Modellsimulation nach dem

Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestemperaturen und Jahresnieder - schlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999 38

Abb 17 Temperatur und Niederschlagsaumlnderungen in Suumldamerika bis 2100 Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestemperaturen und Jahresnieder- schlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999 39

Abb 18 Kumulierte energiebedingte CO2-Emissionen 1900-1999 42Abb 19 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen 1992-2007 (oder 2008) 43Abb 20 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen pro Einwohner zwischen 1990 und 2007

fuumlr neun ausgewaumlhlte Laumlnder 44Abb 21 Entwicklung der THG-Emissionen in Deutschland nach Sektoren 1990 bis 2008 45Abb 22 Anstiegsrate der CO2-Emissionen 46Abb 23 Weltweite Entwicklung von Emissionsfaktoren 48Abb 24 Anteil der anthropogenen CO2-Emissionen der in der Atmosphaumlre und im Ozean verbleibt 49Abb 25 Die drei Phasen der angestrebten Aufwaumlrtsspirale des internationalen Klimaschutzes 57Abb 26 Das bdquoAnpassungskontinuumldquo und Strategien zur Ernaumlhrungssicherung 61

Tabellen

Tabelle 1 Die wichtigsten anthropogenen Treibhausgase 21Tabelle 2 Groszligraumlumig wirksame Klimafaktoren und die zugehoumlrigen Strahlungsantriebe und Temperatur-

signale (seit 1880) 23Tabelle 3 Die zugrundeliegenden Annahmen der Szenarien des IPCC 25Tabelle 4 Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011 47

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

5

Der Klimawandel ist laumlngst keine theoretische Moumlg-lich keit mehr die sich aus den Berechnungen von Computermodellen ergibt Er ist auch kein Problem das sich woanders oder in ferner Zukunft ereignet Im Gegenteil Er findet jetzt und auf unserem Planeten statt Und dass dieser Wandel seit Mitte des vergange-nen Jahrhunderts nicht durch andere Faktoren als das menschliche Handeln erklaumlrbar ist ist eine wissenschaft-liche Tatsache

Die weltweite Zunahme klimatischer Extremereignisse und Folgeerscheinungen bringen umfassende Heraus-forderungen mit sich Veraumlnderte Wettermuster Stark niederschlaumlge Hitzewellen Uumlberschwemmungen Stuumlrme und Duumlrren das Abschmelzen der polaren Eisschilde und vieler Gletscher sowie der Anstieg des Meeresspiegels haben bereits heute handfeste und un-mittelbare Auswirkungen fuumlr Natur und Gesellschaft im Norden genauso wie im Suumlden

Die Erde scheint aus den Fugen zu geraten und auch die Zukunft im Treibhaus ist bedruumlckend Die Welt gemeinschaft befindet sich derzeit auf einem Emissionspfad der ohne entschiedenes Gegensteuern bis Ende des Jahrhunderts in einer Temperaturerhoumlhung von vier bis sechs Grad Celsius muumlnden koumlnnte Wichtige Teilsysteme unseres Planeten drohen umzukippen und koumlnnten den Zustand eines stabilen Klimas schon bald abrupt beenden

Die Konsequenzen fuumlr hunderte Millionen wenn nicht Milliarden von Menschen waumlren dramatisch und Ausdruck enormer Ungerechtigkeit Bereits heute machen Nah-rungsmittelknappheit Was sermangel Krankheiten und Landflucht deutlich dass diejenigen die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben die Hauptlast sei-ner Folgen tragen Betroffen sind vor allem die Armen und Aumlrmsten in den Entwicklungslaumlndern die kleinen Inselstaaten genauso wie die am wenigsten entwickel-ten Laumlnder Der Wohlstand zukuumlnftiger Generationen ist ebenfalls gefaumlhrdet Fuumlr alle steht nichts weniger als die Lebens- und Uumlberlebensperspektive auf dem Spiel

Um einer weiteren gefaumlhrlichen Stoumlrung des Klima-systems vorzubeugen muss eine ernsthafte Klima-schutzpolitik deshalb auf zwei Saumlulen aufbauen

1 Das Unbeherrschbare vermeiden Durch eine deutliche Verminderung des Treibhaus-

gasausstoszliges gilt es den Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf so weit wie moumlglich unter zwei Grad Celsius gegenuumlber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen

2 Das Unvermeidbare beherrschen Da der Klimawandel schon im Gange ist und sich be-

stimmte Auswirkungen nicht mehr verhindern lassen brauchen wir eine umfassende Anpassungstrategie ndash insbesondere fuumlr die besonders verletzlichen Regionen und verwundbaren Menschengruppen

Angesichts des starken Emissionswachstums in den Schwellenlaumlndern lassen sich die Probleme nur mit ihnen gemeinsam loumlsen Die Industrielaumlnder muumlssen jedoch voran gehen Zum einen aufgrund ihrer histori-schen Verantwortung ndash sie haben den groumlszligten Teil der bisher in der Atmosphaumlre angesammelten menschge-machten Treibhausgase zu verantworten Zum anderen aufgrund ihrer politischen technologischen und zum Teil auch finanziellen Moumlglichkeiten Sie muumlssen durch aktives Handeln zu Hause durch eine Vorreiterrolle beim internationalen Verhandeln sowie durch Koalitionen mit Schwellenlaumlndern mit besonders betroffenen Nationen und mit Vorreiterstaaten den Weg zu einem postfossilen Wohlfahrtsmodell bahnen und die Unterstuumltzung be-sonders betroffener Regionen bei der Bewaumlltigung der unvermeidlichen Klimafolgen organisieren

Die Zeit draumlngt Naturgesetze lassen nicht mit sich verhandeln Mit jedem Jahr in dem wir ungebremst die Atmosphaumlre mit langlebigen Treibhausgasen anrei-chern wird eine hinreichend wirkungsvolle Antwort auf die Klimafrage schwieriger und teurer Innerhalb der jetzigen Dekade muss die globale Trendwende bei den Treibhausgasemissionen vollzogen werden damit die Temperaturerhoumlhung unter zwei Grad stabilisiert wird und noch genuumlgend Spielraum fuumlr ein menschenwuumlrdi-ges Leben in einer gesunden Umwelt bleibt Dazu ge-houmlrt auch die Umsetzung von Anpassungsmaszlignahmen Ein einfaches Hinnehmen oder Wegsehen ist keine Alternative

Fuumlr vorangehende Staaten bietet das viele Chan cen Ein Wohlstandsmodell jenseits der fossilen Ener-gietraumlger stellt nicht nur spannende Moumlglich keiten fuumlr Innovationsschuumlbe und fuumlr die Erschlieszligung von Zukunftsmaumlrkten mit neuen Technologien und Arbeits-plaumltzen in Aussicht sondern auch fuumlr einen kultu-rellen Zivilisationsschub Ob dies gelingt haumlngt nicht nur vom politischen Willen einiger Staats- und Regierungschefs dem technischem Erfindungsgeist oder von Unternehmerinitiativen ab sondern vor al-lem auch von der Vision dem Engagement und dem Ruumlckgrat jedes Einzelnen

Einleitung

6

Kurzwellige Lichtstrahlung der Sonne trifft auf die Erdoberflaumlche Langwellige Waumlrmestrahlung wird von der Erdoberflaumlche abgestrahlt und in der Atmosphaumlre von Spurengasen Wasserdampf und Staubpartikeln zu groszligen Teilen absorbiert Insbesondere das Kohlendioxid (CO2) sorgt dafuumlr dass die Waumlrmestrahlung nur teilweise zuruumlck ins All geschickt wird Quelle Harmeling et al 2008

1

3

4

Dadurch erfolgt zusaumltzliche Erwaumlrmung um 33 degC (natuumlrlicher Treibhauseffekt)

2

Spurengase Wasserdampfund Staub werfen teilweiseWaumlrmestrahlung zuruumlck

Erwaumlrmte Erde sendet Waumlrme-strahlung aus

Sonnenstrahlenerwaumlrmendie Erdoberflaumlche

11 Das Klima

Wenn wir den globalen Klimawandel verstehen wol-len muumlssen wir uns zunaumlchst mit dem Vokabular der Klimaforscher vertraut machen Das Klima ist in der Wissenschaft exakt definiert Es beschreibt die Gesamtheit der meteorologischen Erscheinungen (z B Temperatur Niederschlag Wind) die fuumlr eine Dauer von mindestens 30 Jahren den durchschnittlichen Zustand der Atmosphaumlre an einem bestimmten Ort charakterisie-ren Hier unterscheidet sich das Klima grundsaumltzlich vom Wetter Letzteres kennzeichnet nur kurzfristige und lo-kale Erscheinungen wie ein starkes Gewitter oder einen frostigen Wintertag Kurz gesagt Wetter ist das was gerade passiert Klima dagegen ist die Zusammenfas-sung des Wetters uumlber einen Zeitraum von mindestens drei Dekaden (bdquoTrendsldquo)

Das globale Klima ist dabei nicht konstant sondern unterliegt staumlndigen Schwankungen Die Ursache hierfuumlr liegt in mehreren Antriebsmechanismen Die Atmosphaumlre hat dabei den groumlszligten Einfluss steht je-doch in Wechselwirkung mit anderen Systemen wie den Ozeanen und Eisflaumlchen den Landoberflaumlchen und der Biosphaumlre Die Antriebsenergie fuumlr den Austausch zwischen diesen Teilsystemen wird von der Sonne geliefert wobei je nach Breitengrad und Jahreszeit unterschiedlich viel Energie durch die Atmosphaumlre bis zur Erdoberflaumlche dringt Dieses Ungleichgewicht das Temperaturunterschiede und somit Luftdruckgefaumllle ndash insbesondere zwischen dem Aumlquator und den Polen ndash verursacht setzt Ausgleichsprozesse wie zum Beispiel Winde oder Meeresstroumlmungen in Bewegung1

1 vgl Lauer 1995

1 Klima und Treibhauseffekt

Abb 1 Schematische Darstellung des Treibhauseffekts

7

12 Der natuumlrliche Treibhauseffekt

Erst durch den natuumlrlichen Treibhauseffekt und die damit verbundene Erwaumlrmung der Erdoberflaumlche ist Leben auf der Erde moumlglich Der Treibhauseffekt be-zeichnet den Erwaumlrmungseffekt der bodennahen Atmosphaumlre Kurzwellige Sonnenstrahlen koumlnnen die Atmosphaumlre fast ungehindert bis zur Erdoberflaumlche durchdringen Die von der Erdoberflaumlche reflektier-te langwellige Waumlrmestrahlung jedoch wird von so genannten Treibhausgasen zu Teilen absorbiert wieder zur Erde zuruumlck emittiert und dadurch in der Atmosphaumlre gehalten (siehe Abbildung 1) So wird die globale Mitteltemperatur in Bodennaumlhe die ohne das Vorhandensein einer derartigen Atmosphaumlre -18 degC betragen wuumlrde um 33 degC auf ca +15 degC ange hoben2 Ohne diesen bdquoWaumlrmestauldquo waumlre es so kalt auf der Erde dass sich kein houmlheres Leben entwickeln koumlnnte Das Klima der Erde ist somit das Ergebnis einer einfachen Energiebilanz innerhalb derer sich Einstrahlung auf die Erdoberflaumlche und Waumlrmestrahlung zuruumlck ins Weltall im Mittel ausgleichen

Zu den bdquoklimawirksamenldquo Treibhausgasen der Atmos-phaumlre welche die Waumlrmestrahlung absorbieren gehouml-ren vor allem Wasserdampf (H2O) Kohlendioxid (CO2) Distickstoffoxid (N2O) Methan (CH4) und Ozon (O3) Diese Gase sind in unterschiedlicher Konzentration auch ohne menschliches Zutun in der Atmosphaumlre ent-halten und somit fuumlr den natuumlrlichen Treibhauseffekt verantwortlich Aumlndert sich die Zusammensetzung der atmosphaumlrischen Gase so aumlndert sich auch die Durch-laumlssigkeit fuumlr die Waumlrmeabstrahlung der Erde und somit letztendlich auch die Energiebilanz Klimaaumlnderungen sind die Folge

Die einzelnen Treibhausgase unterscheiden sich aller-dings deutlich in ihrer Erwaumlrmungswirkung So hat ein Molekuumll Methan die gleiche Erwaumlrmungswirkung wie etwa 23 Molekuumlle Kohlendioxid (siehe Tabelle 1 S 21) Um diese Effekte besser vergleichbar zu ma-chen und in ihrer Gesamtheit zu berechnen verwen-den die Klimawissenschaftler den Vergleichsmaszligstab der CO2-Aumlquivalente Allen Treibhausgasen werden Werte zugerechnet welche die Erwaumlrmungswirkung in Relation zum CO2 in einer bestimmten Zeitperi-ode etwa 100 Jahre ausdruumlcken Die Wirkung der Treibhausgase wird als eine Veraumlnderung des Strah-lungsantriebs bezeichnet Unter bdquoStrahlungsantriebldquo versteht man das Verhaumlltnis von solarer Einstrahlung und terrestrischer Abstrahlung in der unteren Atmos-phaumlre Er wird in der Regel in Watt pro m2 angegeben (s Tabelle 2 S23) Satellitendaten und Klimamodelle zeigen dass sich die Strahlungsbilanz der Erde gegen-

uumlber dem Weltall derzeit nicht vollstaumlndig im Gleichge-wicht befindet Die im Mittel eingestrahlte Energie von 342 Wm2 ist um etwa 085 Wm2 houmlher als die Abstrah-lung der Erdoberflaumlche Die Konsequenz daraus ist dass die Erde gegenwaumlrtig mehr Energie aufnimmt als sie ans Weltall wieder verliert Dieser Effekt entsteht durch die Ozeane die sich nur traumlge durch den menschgemachten Treibhauseffekt aufwaumlrmen (siehe Kapitel 2)3

13 Der Kohlenstoff kreislauf

Der Anteil kohlenstoffbasierter Treibhausgase wie CO2 und CH4 in der Atmosphaumlre ist fuumlr das Ausmaszlig des Treib-hauseffektes von zentraler Bedeutung und wird durch die Prozesse des Kohlenstoffkreislaufs bestimmt (siehe Abbildung 2) Dieser Kreislauf erstreckt sich uumlber die natuumlrlichen Teilsysteme Ozean Atmosphaumlre und Land-oumlkosysteme zwischen denen ein CO2-Austausch statt-findet Weiterhin funktioniert jedes Teilsystem wie ein eigener Kreislauf in dem Kohlenstoff abgegeben und aufgenommen wird In der Atmosphaumlre befinden sich nach Angaben des UN-Klimawissenschaftlergremiums IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) rund 775 Gigatonnen Kohlenstoff in den Boumlden und der Vegetation rund 2000 Gigatonnen Den groumlszligten Koh-lenstoffspeicher stellen jedoch mit rund 39000 Giga-tonnen die Meere dar4

Die Systemkomponenten aus denen der Atmosphaumlre treibhauswirksame Gase zugefuumlhrt werden bezeichnet man als bdquoQuellenldquo Fossile Energietraumlger wie Erdoumll oder Kohle oder die Zerstoumlrung der tropischen Regenwaumllder sind bdquomenschgemachte Quellenldquo da sie erst durch den Eingriff des Menschen zu atmosphaumlrisch wirksamen Emittenten von Treibhausgasen werden Den Quellen stellt man die sogenannten bdquoSenkenldquo gegenuumlber Sen-ken wie zum Beispiel Ozeane Boumlden oder Pflanzen sind bis zu einem bestimmten Grad in der Lage aus der Atmos phaumlre CO2 aufzunehmen und zu speichern Bei-spielsweise binden Waumllder waumlhrend ihrer Wachstum-sphase in der Regel groszlige Mengen an CO2 in Holz und Boden Wenn dann zu einem spaumlteren Zeitpunkt das Holz verbrannt wird oder es verrottet wird das CO2 wieder in die Atmosphaumlre freigesetzt

Ohne die Faumlhigkeit der Senken Treibhausgase aus der Atmosphaumlre zu binden und uumlber lange Zeitraumlume hinweg zu speichern laumlge die atmosphaumlrische Konzentration von Kohlenstoffdioxid heute um ein Vielfaches uumlber dem gegenwaumlrtigen Wert Doch diese Senkenwirkung funkti-oniert nicht unbegrenzt Klimawandel und Veraumlnderung der Landnutzung koumlnnen zu einer Destabilisierung der CO2-Reservoire fuumlhren und tragen zu einer Reduzierung der Effektivitaumlt von natuumlrlichen CO2-Senken im Ozean und auf dem Land bei

2 vgl Kraus 2004 3 Hansen J et al 20054 IPCC 2000

8

Am Beispiel der Ozeane zeigt sich die Endlichkeit die-ser Senken Die Ozeane spielen im Kohlenstoffkreislauf der Erde als Kohlenstoffsenke eine wichtige Rolle da fast drei Viertel der Erdoberflaumlche von Wasser bedeckt sind5 Etwa 30 Prozent des vom Menschen zusaumltzlich freigesetzten CO2 wird in den Ozeanen gebunden Die Senkenfunktion hat jedoch auch eine Kehrseite Mit steigenden Temperaturen und wachsendem atmosphauml-rischem CO2-Anteil sinkt auch die CO2-Aufnahmefaumlhig-keit der Meere Erste Hinweise deuten daraufhin dass der Prozess einer deutlich abnehmenden Pufferkapazi-taumlt des Meeres fuumlr atmosphaumlrisches Kohlendioxid be-reits eingesetzt hat und der Anteil der Kohlendioxid -

emissionen die vom Meer aufgenommen wurden in den letzten 50 Jahren immer weiter zuruumlckgegangen ist (siehe auch Kapitel 4)6 Die vom Menschen verursachte Erwaumlrmung der Ozeane sowie ein weiter ungebremster Treibhausgasausstoszlig tragen somit zur zusaumltzlichen glo-balen Erwaumlrmung der Atmosphaumlre bei

Zudem erschweren die steigende Wassertemperatur und der sinkende pH-Wert die Schalen- und Skelett-entwicklung zahlreicher Kalk bildender Organismen wie beispielweise der Koralle und gefaumlhrden die Funktions-weise von Meeresoumlkosystemen (siehe auch Kapitel 22)

Abb 2 Der Kohlenstoffkreislauf

Die Abbildung zeigt die Komponenten und Funktionsweise des Kohlenstoffkreislaufs Quelle Harmeling et al 2008

5 IPCC 2007a 6 Schuster U und A J Watson 2007

BodenlebewesenDestruenten

abgestorbenesorganisches

Material

Torf KohleErdoumll Erdgas

TierePflanzen

fossileBrennstoffe

Assimilation durch PflanzenPhotosynthese

Diffusionvon CO2

CO2

Org Material Carbonate

Verbrennung

Dissimilation durchPflanzen und Tiere

Kohlendioxidin der

Atmosphaumlre

AquatischeBakterien

WasserpflanzenAlgen

Cyanobakterien

Photosynthese

1

6

2

5

3

4

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Tornados treten als kleinraumlumige Phaumlnomene auf koumlnnen aber in kuumlrzester Zeit groszlige Schaumlden verursachen

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Globale und kontinentale Temperaturaumlnderungen

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)global global Land global Ozean

Klimamodelle die nur natuumlrliche Antriebskraumlfte beruumlcksichtigen

Klimamodelle die natuumlrliche und menschliche Antriebskraumlfte beruumlcksichtigen

Beobachtungen

21 Das Klima aumlndert sich

Der menschgemachte Klimawandel bedeutet zunaumlchst eine Erhoumlhung der globalen Temperatur Diese setzt das Klimasystem der Erde unter Druck und kann zu einer Veraumlnderung des durchschnittlichen Wetters und somit des Klimas fuumlhren Waumlhrend der letzten 130 Jahre ist die durchschnittliche Lufttemperatur in Bodennaumlhe global um ca 08 degC angestiegen Dieser Anstieg verlief aller-dings weder zeitlich noch regional gleichmaumlszligig Bis 1940

2 Klimawandel heutegab es eine fruumlhe Erwaumlrmungsphase der sich eine kur-ze Stagnation bis in die 1970er Jahre anschloss Seither gibt es einen neuen ungebrochenen Erwaumlrmungstrend dessen Tempo sich zunehmend erhoumlht und mittlerweile ca 02 degC pro Dekade betraumlgt Mehr als zwei Drittel der Erwaumlrmung des vergangenen Jahrhunderts fanden dabei seit 1975 statt Der Temperaturanstieg ist vor allem uumlber den Landflaumlchen und hier besonders uumlber der noumlrdlichen Erdhalbkugel zu beobachten weniger uumlber den sich ver-zoumlgert erwaumlrmenden Ozeanen (siehe Abbildung 3)7

Abb 3 Gemessene und simulierte Temperaturabweichungen vom langjaumlhrigen Mittel (1901-1950) seit 1906 fuumlr verschiedene Regionen der Erde

Schwarze Linie Gemessene Temperaturabweichungen Blaues Band Simulationen nur mit natuumlrlichen Antriebs fak- toren Rotes Band Kombinierte Simulation der natuumlrlichen und anthropogenen Antriebsfaktoren Quelle IPCC 2007a

7 GISS 2010

11

Info-Kasten 1 IPCC ndash houmlchste Autoritaumlt der Klimawissenschaft auf dem Pruumlfstand

Ohne Forschungen unabhaumlngiger Wissenschaftler-Innen kann die Politik keine fundierten und wir-kungsvollen Entscheidungen fuumlr den Klimaschutz treffen Es bedarf folglich einer Institution die den Sachverstand der weltweiten Klimawissenschaft so umfassend und konsensorientiert wie moumlg-lich buumlndelt Zu diesem Zweck gruumlndeten die Weltorganisation fuumlr Meteorologie (WMO) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) 1988 den Zwischenstaatlichen Ausschuss zum Klimawandel (Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC) der auch als bdquoWeltklimaratldquo bezeich-net wird

Seine umfangreichen Sachstands- und Sonderbe-richte wurden zu der zentralen Grundlage fuumlr wissen-schaftlich fundierte klimapolitische Entscheidungen So war der erste Bericht (1990) die wichtigste wissen-schaftliche Grundlage fuumlr die Klimarahmenkonven-tion und der zweite Bericht (1995) hatte diese Funktion fuumlr das Kyoto-Protokoll Die klimawis-senschaftlichen Fakten des dritten Berichts (Third Assessment Report TAR 2001) waren ein hilfreicher Antrieb fuumlr viele Regierungen das Kyoto-Protokoll mit seinen verbindlichen Klimaschutzpflichten zu ratifizieren und damit in Kraft zu setzen Der 2007 erschienene vierte Bericht (Fourth Assessment Report AR4) hat weltweit die oumlffentliche und poli-tische Diskussion uumlber den Klimawandel und seine

Konsequenzen stark befoumlrdert Fuumlr seine Arbeit erhielt der Weltklimarat bestehend aus rund 450 Haupt- und rund 800 Nebenautoren gemeinsam mit dem damaligen US-Vizepraumlsidenten Al Gore im Jahr 2007 den Friedensnobelpreis

Vergleicht man die ersten drei Berichte mit dem jeweils nachfolgenden Bericht so zeigt sich klar Zentrale Aussagen wurden zunaumlchst sehr vorsichtig formuliert und spaumlter durch sicherere bestaumltigt In vielen Faumlllen folgten sogar deutlich dramatischere Feststellungen die sich aus dem zunehmenden wis-senschaftlichen Sachstand ableiten lieszligen (vgl auch Abbildung 4)

Diskussionen um die Arbeit des IPCC dessen letz-ter Sachstandsbericht (2007) rund 18000 wissen-schaftliche Quellen zitierte sind dabei nicht neu wobei ihm dabei von unterschiedlicher Seite sowohl Uumlber- als auch Untertreibung vorgeworfen wird Neu allerdings ist die Heftigkeit und Konzentration mit der die Glaubwuumlrdigkeit des aktuellen Reports seit den Klimaverhandlungen in Kopenhagen Ende 2009 in Frage gestellt wird Dabei ist es jedoch keines-falls der Klimawandel bzw der menschgemachte Einfluss der in Frage gestellt wird Kein einziger ernstzunehmender Wissenschaftler zweifelt an der Realitaumlt des Klimawandels oder dessen Ursachen Vielmehr entzuumlndet sich die juumlngste Kritik an ei-

Das erste Jahrzehnt des 21 Jahrhunderts war mit Ab-stand das waumlrmste weltweit je gemessene Jahrzehnt gefolgt von den 1990er Jahren die wiederum waumlrmer waren als die 1980er Jahre Alle vergangenen zwoumllf Jah-re (1998-2009) zaumlhlen zu den waumlrmsten seit Beginn der Temperaturmessungen im Jahr 18808

Frage Macht die globale Erwaumlrmung seit 1998 eine Pause

Das Jahr 1998 war heiszliger als einige Jahre danach wes-halb manche Beobachter die Frage stellen ob die Er-waumlrmung seit 1998 eine Pause gemacht hat Nein Nach neuesten Messungen der NASA liegt die beobachtete Erwaumlrmung des vergangenen Jahrzehnts weltweit mit 019 degC gleichauf mit der IPCC-Projektion (02 degC) und unterscheidet sich in diesem Zusammenhang nicht von den vorangegangen Jahrzehnten Von einer Unterbre-chung der globalen Erwaumlrmung kann also keineswegs die Rede sein Der Grund fuumlr eine solche Behauptung lag in einem einfachen Datenfehler der die Arktis ndash wo die

Temperaturen in den vergangenen Jahren am staumlrksten angestiegen sind ndash aufgrund luumlckenhafter Messpunkte aus den globalen Temperaturmessungen ausgeschlos-sen hatte (bdquoArktis-Lochldquo) Nachdem das bdquoArktis-Lochldquo geschlossen und in die globale Energiebilanz integriert wurde kann eine Pause des Erwaumlrmungstrends auch fuumlr das erste Jahrzehnt des 21 Jahrhunderts nicht bestauml-tigt werden Neben der Datenluumlcke bdquoArktis-Lochldquo wird ferner auch eine geringere Sonnenaktivitaumlt als Ursache einer moumlglichen Unterbrechung der Erwaumlrmung aus-geschlossen Zwar befindet sich die Sonneneinstrah-lung gegenwaumlrtig auf dem Rekordminimum des letzten Sonnenfleckenzyklus doch wird 2010 mit dem Beginn neuer Sonnenfleckenaktivitaumlten und infolge dessen so-wohl mit einer Zunahme der solaren Leuchtkraft als auch einem weiteren Erwaumlrmungsschub in den kommenden Jahren gerechnet

8 GISS 2010

12

nigen Teilergebnissen der Arbeitsgruppe welche die moumlglichen Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme und Gesellschaften analysiert (Arbeits-gruppe 2)

Da ist erstens ein Zahlendreher in Bezug auf den Zeitpunkt an dem die Himalaya-Gletscher zu einem groszligen Teil abgeschmolzen sein koumlnnten Aus dem Jahr 2350 wurde das Jahr 2035 Dieser Fehler haumlt-te eigentlich durch die Kontrollstandards des IPCC entdeckt werden muumlssen An der Gesamtaussage der Passage aumlndert dies jedoch reichlich wenig Die Gletscher in Asien schmelzen zu Beginn des 21 Jahrhunderts schneller als zuvor

Zweitens die Angabe dass rund 55 Prozent der Niederlande unter dem gegenwaumlrtigen Meeres-spie gel niveau laumlgen Diese Aussage war urspruumlng-lich von der niederlaumlndischen Regie rungsbehoumlrde an den IPCC uumlbermittelt worden Richtig gewe-sen waumlre 55 Prozent der Niederlande sind von Uumlberschwemmungen bedroht 26 Prozent liegen un-ter dem Meeresspiegel und 29 Prozent sind anfaumlllig fuumlr Flusshochwasser

Und drittens dass bis zum Jahr 2020 die landwirt-schaftlichen Ertraumlge im Regenfeldbau in Afrika durch den Klimawandel bzw Wasserknappheit halbiert werden koumlnnten Hier liegt das Problem in einer fehlerhaften Zusammenfassung im Synthesekapitel Richtig heiszligt es im Text des Regionalkapitels zu Afrika dass das Risiko in der Periode 2000-2020 in der die Ernteausfaumllle im Regenfeldbau 50 Prozent betragen durch den Klimawandel verstaumlrkt wird Wissenschaftlich haltbar ist diese Aussage allerdings nur bei drei nordafrikanischen Laumlndern Tunesien Algerien und Marokko9

Diese Fehler wurden mittlerweile allesamt einge-standen und korrigiert In allen drei Faumlllen wurde insbesondere die Verwendung sogenannter grauer Literatur kritisiert Graue Literatur stammt dabei nicht aus dem klassischen Wissenschaftsprozess son-dern etwa von Organisationen oder Unternehmen Es handelt sich also um Publikationen die nicht in wissenschaftlichen Zeitschriften veroumlffentlicht wurden Ohne eine entsprechende wissenschaft-liche Uumlberpruumlfung (Peer-Review) ist die Kritik an den Aussagen grauer Literatur berechtigt Allerdings sind viele der fuumlr den IPCC relevanten Daten nur als graue Literatur verfuumlgbar Manche Forscher halten solche

Quellen fuumlr hilfreich Nur uumlber die Beruumlcksichtigung dieser grauen Literatur ist es beispielsweise moumlglich auch Informationen aus aumlrmeren Laumlndern zu erhalten und das Uumlbergewicht westlicher und englischsprachi-ger Forschung auszubalancieren

Auch wenn die Diskussion uumlber die Fehler wichtig ist um ein Dokument wie den IPCC-Bericht weiter zu verbessern bleibt festzuhalten dass sie nichts an der Bedeutung und den Kernaussagen des Berichtes aumlndern Im Gegenteil Eine so groszlige Gruppe von Wissenschaftlern wie sie an der Erstellung der IPCC-Berichte beteiligt ist wird sich in einem politisch bedeutsamen Dokument grundsaumltzlich auf eher zu konservative Schlussfolgerungen einigen koumlnnen Insbesondere die Zusammenfassungen fuumlr politische Entscheidungstraumlger werden zudem von Vertretern aller Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention ausgehandelt es wird um jede Formulierung gerun-gen Aussagen des IPCC neigen demnach eher zu einer Verharmlosung als zu einer Dramatisierung des aktuellen Sachstands

Die derzeitige Debatte ist somit keine Diskussion uumlber Ursachen und Folgen des Klimawandels wie sie faumllschlicher Weise in den Medien dargestellt wur-de Sie ist auch kein Streit uumlber die Notwendigkeit politischer Gegenmaszlignahmen In erster Linie ist sie eine Kritik an den Strukturen und Arbeitsweisen des IPCC im Allgemeinen Als entsprechende Reaktion und um zukuumlnftige Fehler zu vermeiden wird von nun an eine Gruppe von Wissenschaftlern die Aussagen der Sachstandsberichte uumlberpruumlfen UNO-Generalsekraumlter Ban Ki-moon hat dazu im Februar 2010 den InterAcademy Council (IAC) als Kontrollinstrument des Weltklimarates engagiert Dieser hat den Auswahlprozess der wissenschaft-lichen Quellen und insbesondere die Qualitaumlt grauer Literatur evaluiert ndash mit dem Ziel die Unsicherheiten und Fehler des IPCC zu reduzieren Dies ist insbe-sondere wichtig da die Vorbereitung des 5 Sach-standsberichts der 201314 herausgegeben werden soll bereits anstehen Der im August 2010 vom IAC vorgestellte Bericht bestaumltigt insgesamt eindeu-tig die Ergebnisse und die Rolle des IPCC Er gibt allerdings eine Reihe von Empfehlungen zur Ver-besserung des Managements des IPCC-Prozesses die auch dazu dienen sollen die Einhaltung der selbst gesetzten wissenschaftlichen Richtlinien strenger zu uumlberwachen10

9 S InterAcademy Council (IAC) 201010 IAC 2010

13

Abbildung 4 zeigt dass die Grenze zum gefaumlhrlichen Klimawandel fruumlher uumlberschritten werden koumlnnte und auch die Risiken negativer Auswirkungen auf Mensch und Umwelt heute houmlher eingestuft werden muumlssen als noch von wenigen Jahren angenommen wurde Der Vergleich des aktuellen Sachstandberichts mit dem vorangegan-genen dritten IPCC-Bericht zeigt dass viele Oumlkosysteme viel sensibler auf Temperaturveraumlnderungen reagieren koumlnnten und auch dass die Auswirkungen auf Regionen Bevoumllkerungsgruppen und Wirtschaftssektoren bisher unterschaumltzt wurden (siehe auch Kapitel 41 und 42)11 Mehrere Beispiele deuten darauf hin dass auch der vierte IPCC-Sachstandsbericht in vielerlei Hinsicht sehr vorsichtige konservative Abschaumltzungen praumlsen-tiert Dies gilt u a fuumlr die Annahmen zur weltweiten Emissionsentwicklung und zum Meeresspiegelanstieg (siehe auch Kapitel 34)

Die Klimaforschung wurde von diesen sich beschleuni-genden Entwicklungen uumlberrascht Das IPCC-Prinzip nur sorgfaumlltig uumlberpruumlfte und bestaumltigte Erkenntnisse zu publizieren wird solche Uumlberraschungen auch in Zukunft in Kauf nehmen muumlssen zugunsten ihrer pro-fessionellen Glaubwuumlrdigkeit Das darf aber nicht aus-schlieszligen dass uumlber moumlgliche zukuumlnftige Risiken auch dann informiert wird wenn diese noch nicht im Detail erhaumlrtet sind

11 Smith JB et al 2009

Die Risiken der globalen Erwaumlrmung muumlssen heute houmlher eingeschaumltzt werden als vor zehn JahrenQuelle Smith JB et al 2009

22 Auswirkungen des Klimawandels

Trotz einer sich gering anhoumlrenden globalen Erwaumlrmung (08 degC seit 1880) lassen sich weltweit bereits zahlrei-che physische Auswirkungen des Temperaturanstiegs beobachten Laut des letzten IPCC-Reports weisen von allen Untersuchungen die hinsichtlich moumlgli-cher Veraumlnderungen physikalischer und biologischer Systeme ausgewertet wurden fast 90 Prozent signifi-kante Veraumlnderungen auf die in einer waumlrmeren Welt zu erwarten waumlren Zudem haumlufen sich die empirischen Belege insbesondere in Regionen in denen sich die Temperaturen am staumlrksten erhoumlht haben wodurch na-tuumlrliche Schwankungen als primaumlre Ursache unwahr-scheinlich werden Im Folgenden sollen einige dieser bereits heute beobachtbaren Auswirkungen vorgestellt werden

n Ruumlckzug der Gebirgsgletscher

Zu den bisher am deutlichsten sichtbaren Auswirkungen der Klima erwaumlrmung zaumlhlt der weltweite Ruumlckzug der Gebirgs gletscher Er begann im 19 Jahrhundert und hat sich seitdem drastisch beschleunigt Gletscher werden aufgrund ihrer Sensibilitaumlt gegenuumlber Tem-

Abb 4 bdquoReasons for Concernrdquo Vergleich IPCC 2001 mit IPCC 2007

IPCC 2001 Basierend auf IPCC 2007

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Risiken fuumlr viele

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hoher Anstieg

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in allen Bereichen insgesamt

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in allen Bereichen insgesamt

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Risiken fuumlr einige

Risiken fuumlr einzigartige und bedroh-te Systeme

Haumlufigkeit und Schwere extremer Klimaereig-nisse

Globale Ver- teilung und Ausgleich der Auswir-kungen

Gesamte oumlkono-mische und oumlkologische Auswirkung

Risiken un-um kehr barer weit reichen-der und ploumltz licher Auswirkungen

Risiken fuumlr einzigartige und bedroh-te Systeme

Haumlufigkeit und Schwere extremer Klimaereig-nisse

Globale Ver- teilung und Ausgleich der Auswir-kungen

Gesamte oumlkono-mische und oumlkologische Auswirkung

Risiken un-um kehr barer weit reichen-der und ploumltz licher Auswirkungen

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andere

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14

pe raturveraumlnderungen auch als die bdquoKanarienvoumlgel in der Kohlengrubeldquo des globalen Klimasystems be-zeichnet Auch gibt es deut liche Anzeichen fuumlr das Aufweichen von Permafrostboumlden in Teilen der Polar- und Subpolarregionen12 Der World Glacier Monitoring Service (WGMS Welt-Gletscher-Beobachtungsdienst) kommt zu dem Ergebnis dass sich die Gletscherschmelze fast uumlberall auf der Erde beschleunigt Zusammengefasst schrumpfen die Gletscher mittlerweile viermal so schnell wie noch vor 30 Jahren ndash in den Anden und Alaska ebenso wie im Himalaya und in den Alpen13 In der Alpenregion haben die Gletscher seit Beginn der indus-triellen Revolution mehr als die Haumllfte an Masse verlo-ren14 Waumlhrend die Alpengletscher zwischen 1975 und 2000 noch ein Prozent an Volumen pro Jahr einbuumlszligten hat sich die Verlustrate zu Beginn des 21 Jahrhunderts

fast verdreifacht15 Bis auf wenige Ausnahmen ist ein aumlhnlich weitraumlumiger Verlust in allen alpinen Gebieten der Erde zu beobachten

Gletscher sind fuumlr viele Regionen eine der wichtigsten Trinkwasserquellen da sie im Winter wertvolles Suumlszlig-wasser in Form von Schnee und Eis akkumulieren und dieses im Sommer in Form von Schmelzwasser an die Fluumlsse abgeben Der Ruumlckzug der Eismassen betrifft da-bei insbesondere zahlreiche Staumldte im Einzugsbereich des Himalaya wo das Wasser der Gletscher u a die sieben groumlszligten Fluumlsse Asiens ndash Ganges Indus Brahma-putra Mekong Thanlwin Jangtse und den Gelben Fluss ndash speist und so die Wasserversorgung Hunderter Millio-nen Menschen sichert

Innerhalb der vergangenen zwei Jahrhunderte ist in den Alpen uumlber die Haumllfte des Eises abgeschmolzenQuelle Bayerische Akademie der Wissen-schaften

Abb 5 Veraumlnderung des Vernagtferners in den Oumltztaler Alpen 1844-2001

12 IPCC 2007a13 WGMS 2008

14 Zemp M et al 200615 Haeberli 2007

15

n Ruumlckgang des arktischen Meereises

Die Analyse neuester Satellitenmessungen laumlsst keinen Zweifel zu Das Meereis der Arktis schmilzt Inner-halb der letzten 30 Jahre hat sich die sommerliche Ausdehnung der Eisdecke um mehr als 20 Prozent verringert Besonders dramatisch an der derzeitigen Schrumpfung ist dass sie sich in den letzten Jahren sig - ni fikant beschleunigt hat und die gegenwaumlrtig beob-achteten Verlustraten selbst die Extremwerte voran - gegangener Computersimulationen uumlbertroffen haben Und waumlhrend bis vor kurzem noch 2005 als das Jahr der geringsten jemals gemessenen Eisflaumlche galt uumlber-traf das Jahr 2007 diese Werte in jedem Monat (siehe Abbildung 6)

Von den vormals etwa 78 Millionen km2 Eisflaumlche im Jahr 1979 wurden im September des Rekordjahrs 2007 lediglich noch 413 Millionen km2 erreicht Dies ent-spricht einem Ruumlckgang von etwa 43 Prozent gegenuumlber dem langjaumlhrigen Mittelwert 1979-2000 und ist die ge-ringste je gemessene Eisausdehnung in der Arktis16

Auch in den folgenden Jahren wurde eine aumlhnlich kleine Eisausdehnung auf dem arktischen Nordmeer gemes-sen Mit dem Ergebnis dass 2008 und 2009 erstmals seit Menschengedenken sowohl die Nordwest- als auch die Nordostpassage gleichzeitig eisfrei waren Auch im Jahr 2010 lag die Ausdehnung mit ca 51 Millionen km2 deutlich unter dem langjaumlhrigen Mittelwert

Berichte vom Klimawandel ndash Nepal

bdquoNepal erlebt zurzeit stark schwankende Regenzyklen Im Winter 20082009 gab es gar keinen Regen Auszligerdem hatten wir wenig Schneefall Unser Land braucht in dieser Zeit Regen und Schnee damit Weizen und Mais vor allem auch im Sommer wachsen koumlnnen Die Bauern im Distrikt Rukum sorgen sich zunehmend uumlber kurze aber heftige Niederschlaumlge Schon jetzt sind dort Nahrungsmittel knapp ndash durch den Klimawandel wird das Leid noch groumlszliger Immer mehr Menschen wan-dern nach Indien aus Ebenso gibt es in der Rupandehi-Gemeinde einen Fluss der bis vor 20 Jahren noch aus-reichend Wasser fuumlhrte Jetzt ist er ausgetrocknet Das andere Extrem sind Flusshochwasserwellen waumlhrend der Regenzeit die sich verheerend fuumlr die dort leben-den Menschen auswirken Die groumlszligte Herausforderung fuumlr Nepal ist jedoch die rasche Gletscherschmelze im

Himalaya Dort wo der Gletscher lag bildet sich ein See Bricht der ehemals vom Gletscher aufgescho-bene Erddamm entstehen katastrophale Flutwellen Teile des darunter liegenden Landes werden uumlberflu-tet Dennoch werden wir wohl auf lange Sicht unter Wassermangel leiden Denn die Gletscher verschwinden langsam und koumlnnen bald kein Wasser mehr im Sommer fuumlr die Landwirtschaft liefern Fuumlr ein armes Land wie Nepal das zur Bewaumlsserung in der Landwirtschaft auf Schmelzwasser angewiesen ist ist dieses Problem nicht zu bewaumlltigenldquo

Raju Pandit Chhetri Juristischer Berater United Mission to Nepal (UMN) Kathmandu Nepal

Seit 1979 hat sich die arktische Eisausdehnung um mehr als 20 Prozent verringert Quelle NASA 2007 httpearthobservatorynasagovIOTDviewphpid=8126

Abb 6 Ausdehnung des arktischen Meer eises 2007 im Vergleich zu 1979-2000

16 NSIDC 2008

2005 Minimum

2007 Minimum

1979-2000 Durchschnittliches Minimum

500 km

16 September 2007Konzentration des Meereises (in )

0 50 100

16

n Schrumpfende Festlandeisschilde

Kontinentale Eisschilde groumlszliger als 50000 km2 existie-ren lediglich an zwei Plaumltzen auf der Erde in der Antarktis und auf Groumlnland Wuumlrden sie abschmelzen entspraumlche dies einem globalen Meeresspiegelanstieg von etwa 70 Metern Bis vor einigen Jahren nahmen Wissenschaftler an die Eisschilde wuumlrden auf Klimaveraumlnderungen nur sehr langsam und meist uumlber Jahrtausende reagieren Allerdings muss diese Annahme aufgrund modernster Satellitenmessungen nun revidiert werden Galten bei-de Eisschilde noch bis vor einigen Jahren als bdquoschlafende Riesenldquo legen neueste Erkenntnisse uumlber bis vor kurzem fuumlr unmoumlglich gehaltene Schmelz- und Rutschprozesse die Vermutung nahe die beiden Riesen seien nun aus ihrem tausend Jahre andauernden Tiefschlaf erwacht Beide Eisschilde schmelzen ndash und das mit einem atembe-raubenden Tempo

Noch waumlhrend der 1990er Jahre so belegen Studien be-fand sich der groumlnlaumlndische Eisschild nahezu im Gleich-gewicht ndash Schneeakkumulation und Schneeschmelze glichen sich in etwa aus Waumlhrend dieser Zeit wuchs der Eisschild im Inneren und verlor seine Eismassen an den Raumlndern

Als Folge der schon seit einigen Jahren bekannten ho-hen Sensibilitaumlt der arktischen Region gegenuumlber den Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung hat sich die Situation nun gravierend veraumlndert Waumlhrend der Jah-re 2000-2008 hat sich der Massenverlust auf Groumlnland verdreifacht und trug im Jahr 2008 mit 273 Gigatonnen

zu einem Anstieg des Meeresspiegels um 075 mm pro Jahr bei17 Zwar geht nach wie vor ein groszliger Teil des Eisverlustes auf das Konto der Ausduumlnnung des Eises in den tieferen Lagen Besonders beunruhigend jedoch ist eine andere Beobachtung Denn neben den linearen Abschmelzprozessen spielen dynamische Veraumlnderun-gen des Eisabflusses eine immer bedeutendere Rolle Die Auswertung von Satellitendaten beweist dass die Eisdecke durch die Schmelzvorgaumlnge nicht in erster Linie duumlnner wird ndash sie bewegt sich vielmehr schneller Das groumlnlaumlndische Eis draumlngt dabei immer schneller vom Zentrum des Eispanzers im Landesinneren uumlber die Glet-scher nach auszligen und ins Meer18

Ein aumlhnliches Bild ergibt sich auch in der Antarktis wo innerhalb des Untersuchungszeitraums April 2002 bis Januar 2009 ein jaumlhrlicher Verlust an Eismasse von durchschnittlich 190 (+- 77) Gigatonnen Eis gemessen wurde ndash was umgerechnet einem Meeresspiegelanstieg von rund 04 mmJahr entspricht19 Mehr als zwei Drittel (132 Gt) des Eismassenverlustes betrafen dabei die West antarktis20 Besonders groszlige Sorge bereitet Klimaforschern die enorme Dynamik mit der das Eis der Westantarktis ans Meer verloren geht Entscheidend ist dabei die Rolle der vorgelagerten Schelfeisgebie-te Aumlhnlich wie u a in manchen Kuumlstenregionen Groumln-lands ist ihre Instabilitaumlt die Ursache fuumlr das verstaumlrkte Abflieszligen der westantarktischen Auslassgletscher und Eis stroumlme Denn das Eis schmilzt weniger an Land als vielmehr durch den Kontakt mit waumlrmerem Ozeanwas-ser Normalerweise wird durch die Barriere des Schelf-eises der Abfluss der Auslassgletscher und Eisstroumlme

Immer schneller rutschen die groumlnlaumlndischen Gletscher ins MeerQuelle NASA 2007 httpearthobservatorynasagovFeaturesGreenlandprintallphp

Abb 7 Ruumlckzug der Aufsetzlinie des Jakobshavn Isbrae 1850-2006 an der Westkuumlste Groumlnlands

17 Van den Broeke M et al 200918 Van de Wal RS et al 2008

19 Velicogna I und J Wahr 200920 Chen JL et al 2009

GroumlnlandEisschild

17

gebremst Wird dieses jedoch bruumlchig oder kollabiert so nimmt die Abflussgeschwindigkeit der hinter dem Eisschelf liegenden Gletscher zu und sie koumlnnen nahezu ungebremst ins offene Meer ablaufen Seit dem Wegfall des Larsen-B-Eisschelfs 2002 hat sich der Abfluss der da-hinterliegenden Auslassgletscher deutlich erhoumlht ndash und zwar um das bis zu Achtfache21 Viele der westantarkti-schen Gletscher (z B der Pine Island Gletscher und der Smith Gletscher) haben sich innerhalb der letzten Jahre (2004-2007) enorm beschleunigt und flieszligen mittler-weile mit einer Geschwindigkeit von bis zu neun Metern pro Jahr ins Meer22 27 Kubikkilometer Eis gehen nun jaumlhrlich dort verloren wo sich vor wenigen Jahren noch das Eisschelf befand23 Ein aumlhnliches Schicksal wie das des Larsen-B-Eisschelfs koumlnnte in einer waumlrmeren Zu-kunft auch weitere Eisschelfe ereilen

n Anstieg des Meeresspiegels

Als eine der wichtigsten Folgen des anthropogenen Klimawandels gilt der Anstieg des globalen Meeresspie-gels Im 20 Jahrhundert ist der Meeresspiegel weltweit durchschnittlich zwischen 12-22 cm angestiegen24 Ak-tuelle Satellitenmessungen zeigen dass er sich gegen-waumlrtig um 33 mm pro Jahr erhoumlht25 Dies hat im Wesent-lichen zwei Ursachen Zum einen tragen die veraumlnderten Abflussregime der Gebirgsgletscher sowie die beiden Festlandeisschilde auf Groumlnland und der Antarktis zur Erhoumlhung des Meeresspiegels bei Zum anderen dehnt sich der Wasserkoumlrper als physika lische Reaktion der Erwaumlrmung der Ozeane auch staumlrker aus ndash rund 18 mm gehen momentan auf das Konto dieser thermischen Aus-

dehnung Der gegenwaumlrtige Anstieg des Meeresspiegels mag zurzeit noch harmlos erscheinen aber die Anstiegs-rate wird vermutlich in Zukunft nicht auf ihrem momen-tanen Niveau verweilen Vielmehr wird damit gerechnet dass sie umso rascher ansteigen wird je schneller die Temperaturen die Eismassen zum Schmelzen bringen (siehe auch Kapitel 33)

n Zunahme extremer Wetterereignisse

Die Erkenntnisse der Physik legen nahe dass ein Anstieg der globalen Temperaturen auch zu einer Zunahme wet-terbedingter Extremereignisse in bestimmten Regionen der Erde fuumlhrt Um jedoch eine Antwort auf die Frage zu finden ob im Rahmen des globalen Klimawandels extreme Wetterereignisse zugenommen haben ist es erforderlich Zeitreihen uumlber mehrere Jahrzehnte aus-zuwerten Das Ergebnis Waumlhrend wetterunabhaumlngige Ereignisse wie Erdbeben oder Tsunamis sich im Grunde nicht veraumlndert haben kommen Starkniederschlags-ereignisse heftige Stuumlrme Hochwasser Duumlrren und auszligergewoumlhnliche Hitzeperioden weltweit immer haumlu-figer vor

Es ist niemals moumlglich einen eindeutigen Kausalzusam-menhang zwischen einem einzelnen Extremwetterereig-nis und dem menschgemachten Klimawandel herzustel-len da Aussagen uumlber das Klima die Betrachtung eines mindestens 30-jaumlhrigen Zeitabschnitts voraussetzen Der Trend im Hinblick auf Anzahl Heftigkeit und Ort des Auftretens von Extremwetterereignissen ndash nicht das Einzelereignis fuumlr sich genommen ndash ist fuumlr Beschrei-

Info-Kasten 2 Was ist eine Wetterkatastrophe

Sturm ist nicht gleich Sturm denn die Auswirkungen sind abhaumlngig davon in welcher Region der Sturm stattfindet Ereignet sich ein Sturm in der Wuumlste so wird in der Regel nicht von einer Wetterkatastrophe gesprochen weil Menschen nicht davon betroffen sind Zu einer Katastrophe wird ein Sturm erst dann wenn er Menschen oder deren Sachguumlter in groszligem Maszlige schaumldigt Wetterkatastrophen ereignen sich demnach dort wo extreme Wetterereignisse auf eine dafuumlr anfaumlllige Gesellschaft treffen Eine Zunahme an Wetterkatastrophen kann somit zwei wesentliche Ursachen haben 1 Eine tatsaumlchliche Zunahme extremer Wetter-

ereignisse und 2 eine Erhoumlhung der Vulnerabilitaumlt (Verletzlichkeit)

wegen nicht ausreichend eingefuumlhrter Schutz-maszlignahmen bzw einer nicht angepassten Lebens weise des Menschen an seine Umgebung Dies kann die Besiedlung bisher wenig genutz-

ter oumlkologisch sensibler Raumlume umfassen Um-welteingriffe (z B erosionsanfaumlllige Boumlden nach Abholzung oder groumlszligeres Hochwasserrisiko nach der Begradigung von Fluumlssen) oder aber auch den Anstieg der Bevoumllkerung in Gebieten klimatischer Risikozonen

In den vergangenen 60 Jahren ist dabei nicht nur eine Zunahme wetterbedingter Naturkatastrophen zu be-obachten auch haben die volkswirtschaftlichen bzw versicherten Schaumlden durch extreme Wettereignisse zugenommen (siehe Abbildung 8) Auch wenn die-se Zunahme zum groszligen Teil noch auf soziooumlko-nomischen Veraumlnderungen wie Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum zuruumlckzufuumlhren ist und teil-weise auch das Ergebnis natuumlrlicher Schwankungen sein koumlnnte so ist zu erwarten dass der Klimawandel eine immer entscheidendere Rolle spielen wird26

21 Scambos T et al 200422 Hamish D et al 200923 Rignot E et al 2004

24 IPCC 2007a25 Beckley et al 200726 Munich Re 2010

18

Berichte vom Klimawandel ndash Uganda

bdquoDer Klimawandel ist fuumlr alle Ugander bereits Realitaumlt Wir erleben mittlerweile viel mehr waumlrmere Tage und Naumlchte laumlngere ungewohnte Duumlrren und heftige Regenfaumllle auch auszligerhalb der Regenzeit Unsere Bauern und Verbraucher sind irritiert und zeigen mit anklagendem Finger auf die Wetterdienste Was sie aber benoumltigen sind Informationen und Aufklaumlrung was tatsaumlchlich geschieht und ihnen [den Bauern] zeigt wie wichtig es ist die Treibhausgasemissionen einzudaumlmmen Diese Erkenntnis muss zu allen Be-troffenen durchdringenldquo

Kimera Henry Richard Geschaumlftsfuumlhrer Consumer Education Trust Kampala ndash Uganda

Innerhalb der letzten 60 Jahre ist insgesamt eine Zunahme groszliger wetterbedingter Naturkatastrophen zu beobach-ten Quelle Munich Re 2010

bungen des Klimas relevant In einigen Regionen konnte ein Anstieg der Intensitaumlt von klimatisch bedingten Ex-tremereignissen in den letzten Jahrzehnten festgestellt werden

Bei einer allgemeinen Temperaturerhoumlhung verschiebt sich auch die Haumlufigkeit des Auftretens von Hitzewel-len Wie gefaumlhrlich dies sein kann zeigte sich im Som-mer 2003 in Europa als eine Hitzewelle mit den houmlchsten Sommertemperaturen seit mindestens 500 Jahren uumlber 7000027 Menschenlebenforderte und sich zudem nega-tiv auf die Bereiche Landwirtschaft Waldwachstum und Verkehr auswirkte

Ein anderes Extremereignis war die Elbeflut 2002 die viele Staumldte entlang des Elbe-Flusslaufs uumlberflutete Bruumlcken wegspuumllte und ganze Landstriche verwuumlstete

Eine weitere Art extremer Wetterereignisse die waumlh-rend der letzten Dekaden an Zerstoumlrungskraft gewon-nen hat sind starke Tropen- und Winterstuumlrme wie bei-spielsweise der Hurrikan Katrina in den USA oder wie der Sturm Kyrill in Deutschland Ihre Intensitaumlt hat vor allem bedingt durch houmlhere Temperaturen aber auch aufgrund natuumlrlicher dekadischer Schwankungen stark zugenommen28 Die auszligerordentlich starke Hurrikan-

Abb 8 Groszligkatastrophen weltweit (1950-2009)

Geophysikalische EreignisseErdbeben Vulkanausbruch

Hydrologische EreignisseSturzflut Flussuumlberschwem- mung Sturmflut Massen-bewegung (Erdrutsch)

Trend

Meteorologische EreignisseTropischer Sturm Winter-sturm Unwetter Hagel Tornado Lokaler Sturm

Klimatologische EreignisseHitze- Kaumlltewelle WaldbrandDuumlrre

Anzahl

14

12

10

8

6

4

2

01950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005

27 Robine JM et al 200828 Webster PJ et al 2005

19

Berichte vom Klimawandel ndash Kamerun

bdquoFruumlher startete die Regenzeit gewoumlhnlich Mitte Maumlrz aber heute ist es kaum mehr moumlglich vor-herzusagen wann sie beginnt Manchmal haumllt die Trockenzeit zu lange an das Saatgut vertrocknet in der Erde Wenn aber der Regen zu fruumlh einsetzt und es dann viel zu viel regnet koumlnnen wir den Boden nicht bearbeiten und auch nicht aussaumlen Oder die Ernte verdirbt wenn die Regenzeit zu lange dauert Mais zum Beispiel schimmelt wenn er waumlhrend der Regenzeit nicht richtig trocknen kann Auch der Transport wird durch starke Regenfaumllle sehr schwer Deshalb verdirbt die Ernte haumlufiger schon auf den Farmenldquo

Carole Mboube Sekretaumlrin und Baumluerin ADEID (bdquoAktion fuumlr eine gerechte integre und nach hal-tige Entwicklungldquo Umwelt- und Entwicklungs-organisation) Kamerun

Saison in der Karibik und den USA im Jahr 2005 (u a Hur-rikan Katrina) hat direkte Schaumlden von mehr als 150 Mrd US-Dollar verursacht sowie alleine in den USA mehr als 1000 Menschenleben gefordert Vor der Kuumlste Brasili-ens im Suumldatlantik wurde im Jahr 2004 erstmals ein Hur-rikan in der suumldlichen Hemisphaumlre beobachtet29 Auch wenn innerhalb der kommenden Jahrzehnte immer wie-der einmal natuumlrliche Schwankungen die Intensitaumlt star-ker Sturmereignisse beeinflussen werden so wird damit gerechnet dass sich nach 2050 der Effekt der globalen Erwaumlrmung immer deutlicher von diesen natuumlrlichen Dekadenschwankungen abheben wird30

n Ertragsruumlckgaumlnge in der Landwirtschaft

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Nahrungs-mittelertraumlge der Landwirtschaft ergeben sich sowohl aus den Veraumlnderungen von Temperatur und Nieder-schlag als auch aus der Anpassungsfaumlhigkeit der Land- wirtschaft selbst Der IPCC ist zu dem Ergebnis gekom-men dass sich der hydrologische Kreislauf (Wasserkreis-lauf) infolge des Temperaturanstiegs veraumlndert hat Zum Beispiel kam es in vielen Regionen der Nordhalbku-gel im letzten Jahrhundert zu einer Zunahme der konti-nentalen Niederschlaumlge waumlhrend in anderen Regionen (u a Nord- und Westafrika) ein Ruumlckgang zu beobachten war Durch die sich aumlndernden Anbaubedingungen bzw durch unregelmaumlszligige Niederschlaumlge und hohe Tempe-raturen ist es schon heute in vielen Regionen der Erde sehr schwierig mit traditio nellen Anbaumethoden bzw angebauten Pflanzen die notwendigen Ernteertraumlge

zu steigern bzw zu erhalten Besonders betroffen sind dabei die traditionell trockenen Gebiete in denen eine Unterbrechung der Nahrungsmittelversorgung durch die Landwirtschaft bereits heute zu erheblichen huma-nitaumlren und wirtschaftlichen Problemen fuumlhrt

Diese Anzeichen zeigen einerseits dass der Klimawan-del schon heute deutliche Spuren im Leben der Men-schen hinterlassen hat und stuumltzen damit die nuumlchternen Datenreihen der Wissenschaftler Andererseits sind sie auch erste Vorboten dafuumlr was zukuumlnftig und im Zuge weiter ansteigender Temperaturen noch an Auswirkun-gen des Klimawandels auf uns zukommen kann

n Oumlkosysteme in der Falle

Weltweit findet ein dramatischer Artenschwund in der Tier- und Pflanzenwelt statt der sich waumlhrend der ver-gangenen 50 Jahre stark beschleunigt hat und zu Beginn des 21 Jahrhunderts um den Faktor 100 bis 1000 uumlber dem natuumlrlichen Wert liegt31 Neben direkten mensch-lichen Auswirkungen wie der Umwandlung natuumlrlicher Oumlkosysteme durch eine immer intensiver werdende Landwirtschaft die Zergliederung durch Siedlungen und Verkehrswege sowie den Raubbau natuumlrlicher Res-sourcen hinterlaumlsst auch der Klimawandel in zahlreichen Oumlkosystemen bereits deutliche Spuren Im Zuge der Klimaveraumlnderungen verschieben sich sowohl die Klima- und Vegetationszonen in Richtung der Pole oder in grouml-szligere Houmlhen als auch die klimatischen Jahreszeiten Die Tropen haben sich in 25 Jahren um mehrere Breitengrade ausgedehnt32 Fruumlhlingscharakteristika ndash wie beispiels-weise Blattentfaltung Pflanzenbluumlte Vogelzug und Brutverhalten ndash treten fruumlher ein Um ein Uumlberleben zu ermoumlglichen sind deshalb viele Tier- und Pflanzenarten einerseits gezwungen ihre traditionellen Lebensraumlume aufzugeben und den wandernden Klimazonen zu folgen sowie andererseits auch ihr saisonabhaumlngiges Verhalten an die jahreszeitliche Verschiebung anzupassen

Nicht allen Arten ist jedoch eine derartige Anpassung an die sich veraumlndernden Rahmenbedingungen moumlglich da sie sehr eng an spezifische Klimaregime und arttypische Rhythmen gebunden sind Zu den ersten Opfern gehoumlren insbesondere die artenreichsten Oumlkosysteme wie etwa die Regenwaumllder in Brasilien die Korallenriffe im Suumldpa-zifik oder die Flora und Fauna der alpinen Regionen und der Arktis In diesen Gebieten koumlnnen viele Tiere und Pflanzen mit dem Tempo des Klimawandels nicht mehr mithalten sterben aus und hinterlassen tiefe Luumlcken in Nahrungsketten und natuumlrlichen Gefuumlgen

29 Swiss RE 2004 330 Walsh K 2004

31 Millennium Ecosystem Assessment 200532 Seidel DJ 2008

20

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23 Der menschgemachte Treibhauseffekt

Das Klima unserer Erde hat in der Erdgeschichte immer wieder spektakulaumlre Wandlungen vollzogen Innerhalb der vergangenen zwei bis drei Millionen Jahre pendel-te es beispielsweise regelmaumlszligig zwischen Kalt- und Warmphasen hin und her Diese Pendelbewegung laumlsst sich sehr gut fuumlr die letzten 800000 Jahre anhand von Eisbohrkernen insbesondere aus der Antarktis belegen Sie ist das Ergebnis zyklischer Schwankungen der Erd-umlaufbahn um die Sonne bzw des Neigungswinkels der Erdachse (siehe Abbildung 9) Hier bestaumltigt sich u a die wichtige Rolle des CO2 als Treibhausgas (siehe weiter unten) Da die Umlaufbahn der Erde zudem ellip-tisch ist bringt sie die Erde in regelmaumlszligigen Abstaumlnden sowohl naumlher an die Sonne heran als auch weiter von ihr weg Die Folge Die Intensitaumlt der Sonneneinstrahlung auf der Erde schwankt auch im Jahreslauf In der Vergan-genheit haben vor allem die Kaltphasen laumlnger angehal-ten (90000 Jahre) als die Warmphasen (10000 Jahre)

rarr Frage In der Erdgeschichte stieg zuerst die Tempe-ratur dann die CO2-Konzentration Ist somit der gegen-waumlrtige CO2-Anstieg nicht eher die Folge als die Ursache der Erwaumlrmung

Abbildung 9 zeigt dass es einen direkten Zusammen-hang zwischen Temperatur und CO2-Gehalt in der At-mosphaumlre gibt Ausloumlser der zyklischen Klimaschwan-kungen innerhalb der letzten 800000 Jahre waren dabei in erster Instanz die regelmaumlszligigen Schwankungen der Erdbahnparameter Diese wirken durch die Umvertei-lung der solaren Einstrahlung direkt auf die Temperatur Der Anstieg der CO2-Konzentration kommt erst in einem zweiten Schritt durch eine positive Ruumlckkopplung und mit einer zeitlichen Verzoumlgerung von rund 800 Jahren zum Tragen Durch die steigenden Temperaturen koumln-nen die sich erwaumlrmenden Ozeane weniger CO2 halten und erhoumlhen dadurch den atmosphaumlrischen CO2-Gehalt ndash die Temperaturen steigen weiter an Somit waren in der Vergangenheit die Erdbahnveraumlnderungen der Ausloumlser fruumlherer Temperaturschwankungen allerdings ist die vollstaumlndige Temperaturentwicklung nur im Zusammen-hang mit einer positiven CO2-Ruumlckkopplung zu erklaumlren Der CO2-Anstieg der erdgeschichtlichen Vergangenheit war also sowohl Folge als auch Ursache der Erwaumlrmung Fuumlr die gegenwaumlrtige Situation koumlnnen jedoch Veraumlnde-

Konzentration (in Teilchen pro MillionMilliarde Volumeneinheit ppmvppbv) der beiden Treibhausgase Kohlendioxid (blau) und Methan (gruumln) in der Erdatmosphaumlre waumlhrend der letzten 800000 Jahre im Vergleich mit der Temperaturentwicklung (rot) Quelle Luumlthi D et al 2008

Abb 9 Temperatur- u Treibhausgasentwicklung in den letzten 800000 Jahren

4

0

-4

-8

-12

CH

4 (p

pbv)

CO

2 (p

pmv)

800

300

700

280

600

260

500

240

400

220

200

180

300800 700 600 500 400 300 200 100 0

Alter (1000 Jahre vor heute)

21

rungen der Erdbahnparameter ausgeschlossen und so-mit der globale Temperaturanstieg der letzten 130 Jahre nur durch den menschgemachten Treibhausgasausstoszlig erklaumlrt werden

Waumlhrend uumlber mehrere Jahrtausende vor allem die langperiodischen Variationen der solaren Einstrahlung fuumlr die Wechselhaftigkeit des Klimas verantwortlich waren so werden auf kuumlrzeren Zeitskalen noch wei-tere Einflussfaktoren deutlich Unterschiedlich starke Sonnenflecken aktivitaumlten lassen die Einstrahlung der Sonnenenergie auf die Erdoberflaumlche schwanken Vul-kanausbruumlche koumlnnen eine Abkuumlhlung bewirken wenn groszlige Mengen Asche in die Atmosphaumlre geschleudert werden und dort die Durchlaumlssigkeit der Sonnenein-strahlung verringern Letzteres war beispielsweise in den Jahren 1991-1993 der Fall die in Folge des Aus-bruchs des philippinischen Vulkans Pinatubo relativ kuumlhl waren33 Auch koumlnnen interne Wechselwirkungen und Ruumlckkopplungsmechanismen zwischen Atmosphaumlre und Ozeanen wie z B El-Nintildeo-Ereignisse das globale Klima uumlber mehrere Jahre hinweg beeinflussen Fazit Das Kli-ma der Erde ist ein aumluszligerst sensibles System welches in der Vergangenheit haumlufig schon auf kleine Aumlnderungen der solaren Einstrahlung empfindlich reagiert hat

Aus neuesten wissenschaftlichen Studien leitet sich eine bdquosehr hohe Sicherheitldquo ab (nach IPCC-Definition in mindestens neun von zehn Faumlllen) dass menschliche Ak-tivitaumlten seit Beginn der Industrialisierung groumlszligtenteils die Erhoumlhung der globalen Durchschnittstemperatur verursacht haben muumlssen Das internationale Wissen-schaftlergremium stuumltzt sich in seiner Aussage uumlber den Beitrag des Menschen an der globalen Klimaaumlnderung im Wesentlichen auf drei Pfeiler die menschgemachte Zunahme von Treibhausgasen die hohe Korrelation zwi-schen globaler Mitteltemperatur und der Kohlendioxid-konzentration in der Vergangenheit sowie Hochrech-nungen mit Klimamodellen34

Vor allem fuumlr die Erwaumlrmung in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts gilt mittlerweile der menschgemach-te Anstieg der Treibhausgasemissionen mit 90 bis 99- prozentiger Wahrscheinlichkeit als Hauptursache Die Menschheit setzt heute durch eine Vielzahl von Prozes-sen groszlige Mengen an Treibhausgasen frei und stellt so-mit selbst einen Klimafaktor im System dar Eine groszlige Bedeutung haben in diesem Zusammenhang insbeson-dere die Verbrennung fossiler Energietraumlger (Braun- und Steinkohle Erdoumll Erdgas) die groszligflaumlchige Aumlnderung der Landnutzung (z B Rodung von Waumlldern) landwirt-

Tabelle 1 Die wichtigsten anthropogenen Treibhausgase

33 Schoumlnwiese CD 200434 Graszligl H 1998

Ppmppb (parts per millionbillion = Teilchen pro MillionMilliarde Teilchen) Relative Maszligangabe die in der Klima-wissenschaft beispielsweise das Konzentrationsniveau von Treibhausgasen in der Atmosphaumlre beziffert Eine atmos-phaumlrische Konzentra tion von 387 ppm bedeutet dass das Volumen von 387 Teilchen CO2 im Volumen von einer Millionen Luftteilchen enthalten ist Quelle WMO 2008

Spurengas

Kohlendioxid (CO2)

Methan (CH4)

Distickstoff-oxid (N2O Lach gas)

Anthropogene Herkunft

Verbrennung fossiler Energietraumlger Waldrodungen und Bodenerosion Holzverbrennung

Reisanbau Viehhaltung Erdgaslecks Verbren-nung von Biomasse Muumllldeponien Nut-zung fossiler Energien

Verbrennen von Bio-masse und fossilen Ener gie traumlgern Duumlngemitteleinsatz

Derzeitige (und vorindustrielle) Konzentration

ca 387 (280) ppm

ca 1797 ppb (730 ppb)

319 3218 (270) ppb

Konzentrations-anstieg pro Jahr (Durchschnitt 1998-2008)

193 ppm

25 ppb

0788 ppb

Anteil am an-thropogenen Treibhauseffekt(seit 1750)

635

182

62

Treibhaus-potential pro Teilchen CO2 = 1

1

ca 23

ca 200-300

22

schaftliche Taumltigkeiten (v a Viehwirtschaft und Reis-anbau) und industrielle Prozesse sowie Verkehr Dieser menschliche Einfluss ist verantwortlich fuumlr den signifi-kanten Konzentrationsanstieg von Treibhausgasen in der Atmosphaumlre seit Beginn der Industrialisierung (siehe Tabelle 1) und die dadurch ausgeloumlste Verstaumlrkung des Treibhauseffektes Daher bezeichnet man den Anteil am gesamten Treibhauseffekt den der Mensch durch sein Handeln verursacht als menschgemachten oder anthro-pogenen Treibhauseffekt

Die drei Hauptverursacher des menschgemachten Treib-hauseffektes sind Kohlendioxid Methan und Distick-stoffoxid Das Treibhausgas CO2 ist dabei der Haupt-faktor menschlicher Treibhausgasemissionen und traumlgt mit ca 635 Prozent zum menschgemachten Anteil am Treibhauseffekt bei Der Beitrag von Methan (CH4) liegt bei etwa 182 Prozent (siehe Tabelle 1) Distickstoffoxid (N2O Lachgas) hat einen Anteil von 62 Prozent

Neben diesen Gasen gehoumlren auch industriell erzeugte Gase wie Fluorkohlenwasserstoffe (FKWs) zu den wich-tigsten anthropogenen Treibhausgasen Ozon (O3) wird nicht direkt ausgestoszligen sondern entfaltet seine Wirk-samkeit als Folgeprodukt u a bei der Verbrennung fos-siler Energietraumlger35

rarr Frage Ist nicht Wasserdampf statt CO2 das wich-tigste Treibhausgas

Wasserdampf ist das Treibhausgas mit der houmlchsten na-tuumlrlichen Konzentration in der Atmosphaumlre und mit rund zwei Dritteln am natuumlrlichen Treibhauseffekt beteiligt Riesige Mengen Wasserdampf verdunsten taumlglich aus den Ozeanen in die Atmosphaumlre kondensieren und fallen als Niederschlag wieder zu Boden Innerhalb von nur 10 Tagen wird dabei die gesamte Menge an Wasserdampf auf der Erde einmal ausgetauscht Beim anthropogenen Treibhauseffekt jedoch spielt Wasserdampf kaum eine Rolle Denn anders als es beim CO2 der Fall ist nimmt die Atmosphaumlre in Abhaumlngigkeit von ihrer Temperatur nur eine begrenzte Menge an Wasserdampf auf Der Mensch kann somit den Wasserdampfgehalt der Atmosphaumlre nicht direkt (auszliger durch den Flugverkehr) sondern houmlchstens indirekt durch die Veraumlnderung der Tempe-ratur bzw die erwaumlrmungsbedingte Veraumlnderung des Wasserkreislaufs beeinflussen Steigt die Temperatur steigt auch der Wasserdampfgehalt und es intensiviert sich der Wasserkreislauf Damit wirkt Wasserdampf als Verstaumlrker der globalen Erwaumlrmung und wird deshalb auch in allen Klimamodellen beruumlcksichtigt Allerdings verbleibt der Wasserdampf durch menschliche Aktivitauml-ten ausgeloumlst nur fuumlr kurze Zeit und in vergleichsweise geringen Mengen in der Atmosphaumlre Aus diesen Gruumln-den ist der Anteil von Wasserdampf am anthropogenen Treibhauseffekt vernachlaumlssigbar gering

Bohrungen im antarktischen Eis zeigen (siehe Abbildung 9) dass die CO2-Konzentration der Atmosphaumlre in den vergangenen 800000 Jahren nie uumlber 300 ppm lag36 Seit Beginn der Industrialisierung zum Ende des 19 Jahrhun-derts stieg sie jedoch um 38 Prozent an und betrug 2009 im Jahresmittel bereits 387 ppm Allein innerhalb der letzten Dekade (2000-2008) wuchs der atmosphaumlrische CO2-Anteil mit einer jaumlhrlichen Rate von etwa 19 ppm37

1990-1999 waren es noch durchschnittlich 15 ppm pro Jahr gewesen Die Methankonzentration steigerte sich sogar um 157 Prozent seit Ende des 19 Jahrhunderts38

Allerdings gibt es auch menschliche Handlungen mit ei-nem kuumlhlenden Effekt beispielsweise die industriellen Emissionen von Schwefeldioxid (SO2)39 Dieses reflek-tiert Sonnenlicht zuruumlck in den Weltraum und kann zu-dem die Bildung von Wolken ausloumlsen Beide Prozesse tragen dazu bei dass weniger Sonnenstrahlen die Erd-oberflaumlche erreichen Schwefeldioxid hilft also die Erde direkt oder durch Wolkenbildung indirekt zu kuumlhlen Ins-gesamt aber uumlberwiegt der Ausstoszlig erwaumlrmend wirken-der Treibhausgase deutlich (siehe Tabelle 2)

24 Belege fuumlr den menschlichen Einfluss auf das Klima

Wenn man bei der Simulation der Temperaturentwick-lung der letzten eineinhalb Jahrhunderte sowohl die natuumlrlichen als auch die menschgemachten Faktoren mit einbezieht laumlsst sich der tatsaumlchliche Temperaturver-lauf fuumlr viele Regionen der Erde sehr genau simulieren (siehe Abbildung 3 S10) Die Simulation der natuumlr lichen Entwicklung beschraumlnkt sich dabei auf die Faktoren bdquoVariation der Solarstrahlungrdquo bdquoVulkanausbruumlcherdquo und bdquoEl-Nintildeo-Ereignisserdquo Der menschliche Einfluss auf die Klimaentwicklung hingegen bezieht nur die Faktoren bdquoTreibhausgasemissionenrdquo und bdquoEmissionen von Sulfat-aerosolenrdquo mit ein

Bereits die Simulation der menschgemachten Faktoren wuumlrde eine plausible Erklaumlrung fuumlr den groumlszligten Teil der beobachteten Temperaturentwicklung liefern Die Inte-gration beider Faktorenbuumlndel hingegen stellt eine noch groumlszligere Annaumlherung an die in der Realitaumlt beobachtete Entwicklung dar Allerdings schlieszligt dies nicht prinzi-piell die Moumlglichkeit aus dass noch weitere Faktoren eine begrenzte Rolle fuumlr den Temperaturanstieg gespielt haben koumlnnten

rarr Frage Ist nicht die Aumlnderung der Sonnenstrahlung bedeutender als der menschliche Einfluss

Aumlnderungen der solaren Leuchtkraft sind auf unter-schiedlichen Zeitskalen ein wichtiger Grund von Klima-

35 WMO 2008 36 Luumlthi D et al 200837 Global Carbon Project 2009

38 IPCC 2007a39 IPCC 2001

23

aumlnderungen Relativ geringe Schwankungen der Sonnen-fleckenaktivitaumlt haben das Klima in der Erdgeschichte bedeutend mitgepraumlgt und geringfuumlgige Abschwaumlchun-gen der Strahlungsintensitaumlt wiederholt zu signifikanten Abkuumlhlungserscheinungen gefuumlhrt Als juumlngere Beispie-le des solaren Einflusses gelten die Kleine Eiszeit (1350 bis 1880 n Chr) sowie das Mittelalterliche Waumlrmeopti-mum (950 bis 1250 n Chr) Innerhalb des Zeitraums seit der Industrialisierung bis heute spielen Aumlnderungen der Sonnenstrahlung jedoch eine weniger bedeutende Rol-le Vor allem fuumlr die zweite Haumllfte des 20 Jahrhunderts ist der beobachtete Anstieg der globalen Durchschnitts-temperatur hauptsaumlchlich durch den menschgemachten Treibhausgasausstoszlig verursacht worden (siehe Abbil-dung 3 S10)

Die Betrachtung des Strahlungsantriebs unterschied-licher groszligraumlumig wirksamer Klimafaktoren (Tabelle 2) und die daraus berechneten Temperatursignale unter-stuumltzen die Hypothese dass der Mensch uumlber die Treib - hausgase einen deutlich groumlszligeren Einfluss auf die Tem-peraturveraumlnderung seit 1880 genommen hat als natuumlr-liche Faktoren Insgesamt sind das demnach ca 07 degC was in etwa dem beobachteten Anstieg von 08 degC im 20 Jahrhundert entspricht Die natuumlrlichen Klimasignale sind demgegenuumlber relativ klein und treten episodisch bzw fluktuativ auf haben also zu dem Langfristtrend der letzten 130 Jahre kaum beigetragen

Insgesamt ist die Antwort auf die Frage ob sich das Kli-ma aumlndert und ob der menschgemachte Treibhauseffekt in den letzten Jahrzehnten wesentlicher Antrieb dieser Veraumlnderung war nicht mehr wissenschaftlich umstrit-ten Diskutiert wird lediglich uumlber das genaue Ausmaszlig und die zu erwartenden Konsequenzen in verschiedenen Regionen

40 Die natuumlrlichen internen Schwankungen des Klimas sind das bdquoRauschenrdquo gegenuumlber dem sich Klimaaumlnderungen durch be-stimmte externe Anstoumlszlige ob durch natuumlrliche Ursachen oder den Menschen als bdquoSignalrdquo abheben Will man eine unge-woumlhnliche Klimaaumlnderung wie z B die Erwaumlrmung der letzten Jahrzehnte erklaumlren so muss man zunaumlchst untersuchen ob es sich dabei um ein Phaumlnomen handelt das sich signifikant von

dem natuumlrlichen bdquoRauschenrdquo des Klimas unterscheidet und nicht als natuumlrliche interne Variabilitaumlt erklaumlrt werden kann Falls das so ist muss man in einem zweiten Schritt versuchen die Ursache des bdquoSignalsrdquo herauszufinden also zu bestim-men ob es durch natuumlrliche oder anthropogene externe Antriebsfaktoren bedingt ist Vgl Schoumlnwiese CD 20048

(a) anthropogen Pinatubo-Ausbruch 1991 24 Wm2 1992 32 Wm2 1993 09 Wm2Quellen IPCC 2007a Schoumlnwiese CD 2004

Tabelle 2 Groszligraumlumig wirksame Klimafaktoren und die zugehoumlrigen Strahlungsantriebe und Temperatursignale (seit 1880)

Klimafaktor

Treibhausgase TR (a)

Sulfataerosol SU (a)

Kombiniert TR + SU (a)

Vulkaneruptionen

Sonnenaktivitaumlt

El NintildeoSouthern Oscillation

Strahlungsantrieb

207 bis 253 Wm2

-01 bis -09 Wm2

18 bis 243 Wm2

max -1 bis -3 Wm2

006 bis 03 Wm2

ndash

Signal40

09 bis 13 degC

-02 bis -04 degC

05 bis 07 degC

-01 bis -02 degC

01 bis 02 degC

02 bis 03 degC

Signalstruktur

Progressiver Trend

Uneinheitl Trend

Uneinheitl Trend

Episodisch (1-3 Jahre)

Fluktuativ (+ Trend)

Episodisch

24

Infolge der Erderwaumlrmung geraten immer mehr Eismassen in Arktis und Antarktis ins Schmelzen und rutschen ins Meer

Foto

Ger

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25

Neben den Ursachen und den bereits gegenwaumlrtig beo-bachteten Auswirkungen des Klimawandels sind insbe-sondere Aussagen uumlber das zukuumlnftige Klima von groszliger Wichtigkeit Die zentrale Frage dabei ist Wie veraumlndert sich das globale Klima infolge des weiteren Ausstoszliges von Treibhausgasen und mit welchen Auswirkungen fuumlr Mensch und Natur

Um abschaumltzen zu koumlnnen in welchem Ausmaszlig Treib - hausgasemissionen verringert und Anpassungs maszlig nah-men ergriffen werden sollen werden wissenschaftlich fundierte Aussagen uumlber die zukuumlnftigen Auswirkungen des Klimawandels benoumltigt Klimaforscher stellen hier-fuumlr sogenannte bdquoSzenarienldquo auf Sie legen also zunaumlchst unterschiedliche Grundannahmen uumlber die Entwicklung von Bevoumllkerung Technologien Wirtschaft etc fest und kommen dementsprechend zu einer Vielfalt moumlglicher bdquoZukunftsvorstellungenldquo die dann als bdquoProjektionenldquo bezeichnet werden Bei der Betrachtung dieser Projek-tionen ist zu beachten dass sie auf einer begrenzten Anzahl von Annahmen beruhen also Aussagen uumlber moumlgliche Zukunftstrends Sie koumlnnen demnach keine sicheren Prognosen liefern Trotz ihrer Einschraumlnkung bieten Szenarien jedoch eine gute Grundlage um Wenn-Dann-Entscheidungen zu treffen auch wenn gewisse Unsicherheiten verbleiben

3 Klimawandel der ZukunftTabelle 3 zeigt eine Uumlbersicht uumlber die zentralen Szenarien die die Grundlage der dritten und vier-ten Sachstandsberichte des IPCC waren Aus den Annahmen zu Aspekten wie oumlkonomischer und sozia-ler Entwicklung Bevoumllkerungswachstum Ausbreitung neuer Technologien etc ergibt sich dass die B-Szena-rien grundsaumltzlich einen geringeren Anstieg der CO2-Emissionen projizieren (siehe Abbildung 10) Wenngleich z B die Ausbreitung von klimafreundlichen Energietechnologien in dem fuumlr die Erreichung der opti-mistischen Szenarien notwendigen Ausmaszlig wahrschein-lich auf foumlrderliche politische Rahmenbedingungen an-gewiesen ist beziehen diese Szenarien nicht explizit po-litisch vereinbarte Klimaschutzziele wie die Umsetzung des Kyoto-Protokolls mit ein

Generell kommen alle Szenarien bei der Berechnung der Temperaturaumlnderungen bis etwa 2030 zu aumlhnlichen Ergebnissen und laufen erst danach deutlich auseinan-der Dieser Umstand ist vor allem darin begruumlndet dass sich technische Umbauprozesse des Energie- Verkehrs- und Gebaumludesystems weltweit uumlber Jahrzehnte hinzie-hen und die Atmosphaumlre ndash vor allem wegen der nur lang-samen Erwaumlrmung der Meere ndash auf die Treibhausgase um Jahrzehnte verzoumlgert reagiert41

Szenarien - familie

Leitgedanken Technologien wirtschaftliche Strukturen

Weltbevoumllkerung

A1 Konvergenz zwischen Regionen

Schnelles Wirtschafts wachs tum schnelle Einfuumlhrung effizienter Technologien (A1FI fossil-intensiv A1T nicht-fossil A1B gemischt)

Ab Mitte 21 Jh abnehmend

A2 Heterogene Welt Entwicklung aus eigener Kraft

Technologische Entwicklung und Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen langsam und regional stark unter-schiedlich

Kontinuierlich wachsend

B1 Konvergenz zwischen Regionen Fokus auf Nachhaltigkeit + Gerechtigkeit

Schneller Wandel in Richtung Dienstleistungs- und Informations-oumlkonomie abnehmende Material-intensitaumlt saubere + ressourcen-schonende Technologien

Ab Mitte 21 Jh abnehmend

B2 Heterogene Welt Fokus auf Nachhaltigkeit + Gerechtigkeit

Entwicklung relativ langsam und sehr heterogen

Wachsend (aber langsamer als in A2)

Tabelle 3 Die zugrundeliegenden Annahmen der Szenarien des IPCC

Quelle IPCC 2007a

41 IPCC 2007a

26

31 Veraumlnderungen der Klimaparameter

Die Ergebnisse der IPCC-Szenarienberechnungen zei-gen die Bandbreite der zu erwartenden Entwicklung fuumlr die wichtigsten Klimaparameter ndash Temperatur Niederschlaumlge und Wind ndash sowie den Meeresspiegel und Extremwetterereignisse Laumlngerfristig haumlngt die Veraumlnderung der Klimaparameter dabei sehr stark vom globalen Emissionsausstoszlig und hierbei insbe-sondere von der Entwicklung der weltweiten CO2-Emissionen ab Je groumlszliger die Emissionen und damit der Temperaturanstieg desto groumlszliger die Risiken Im folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der IPCC-Szenarienberechnungen zusammengefasst

n Anstieg der Treibhausgaskonzentration Die CO2- Konzentration wird nach verschiedenen Stabilisierungs-szenarien im Jahr 2100 zwischen 350 und 790 ppm betra-gen (vgl heute 387 ppm siehe Tabelle 1)42 Das Niveau am unteren Ende der Skala wird nur bei sehr drastischem Klimaschutz erreicht werden koumlnnen Um zwei Grad Temperaturanstieg nicht zu uumlberschreiten muumlssten die

globalen Emissionen bis 2050 global um mindestens 80 Prozent gegenuumlber 1990 sinken43 Neben den unter-schiedlichen Grundannahmen der Szenarien ruumlhrt die groszlige Bandbreite der Vorhersagen auch von der Un-sicherheit uumlber die Fortdauer der Senkenfunktion von Ozeanen und des tropischen Regenwaldes her

n Erhoumlhung der weltweiten Durchschnittstemperatur Bis zum Jahr 2100 wird eine Erhoumlhung der mittleren globalen Erdoberflaumlchentemperatur von 11 bis 64 degC gegenuumlber 1990 projiziert44 Diese Werte sind etwa zwei- bis neunmal houmlher als die beobachtete Erwaumlrmung waumlhrend des 20 und beginnenden 21 Jahrhunderts Betrachtet man die am besten gesicherten Schaumltzungen (bdquobest guessldquo) der jeweiligen Szenarien ergibt sich eine Spannbreite von etwa 18 bis 40 degC Der IPCC rechnet damit dass die Klimasensitivitaumlt ndash also der bei Verdop-pelung der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre erwar-tete Temperaturanstieg ndash etwa 3 degC betragen koumlnnte45

Allerdings sind hierbei nicht alle moumlglichen Ruumlckkopp-lungsprozesse beruumlcksichtigt die zum Teil schwer zu quantifizieren sind Einige Studien die auch langfristige Effekte wie die CO2-Aufnahmekapazitaumlt der Ozeane die Veraumlnderungen der Oberflaumlchenalbedo ndash der Anteil der

Die schwarze Linie in der linken Haumllfte des Diagramms zeigt die Messwerte bis zum Jahr 2000 Die drei oberen Linien stehen dabei fuumlr drei standardisierte Szenarien zum weiteren CO2-Ausstoszlig Besonders warm wuumlrde es demnach im A2-Szenario werden (rote Linie) Die orange Linie zeigt den Anstieg der Globaltemperatur selbst wenn alle Emissio-nen im Jahr 2000 gestoppt werden wuumlrden (durch die Traumlgheit des Systems) Die Balken repraumlsentieren die Spannwei-te der Resultate aller IPCC-Klimamodelle Quelle IPCC 2007a

Abb 10 Temperaturkurven der IPCC-Leitszenarien bis 2100

Tem

pera

turauml

nder

ung

(degC

)

60

50

40

30

20

10

00

-10

A2A1BB1Konzentrationsstabilisierung auf dem Niveau des Jahres 200020 Jahrhundert

1900 20002000

Jahr

2100

B1 A1T

B2 A1B

A2

A1F

I

42 IPCC 2007a 43 Meinshausen M et al 2006

44 IPCC 2007a45 IPCC 2007a

27

Sonnenstrahlung der reflektiert wird ndash oder die Veraumln-derung der Eisschilde beruumlcksichtigen halten jedoch auch eine Klimasensitivitaumlt von bis zu 6 degC fuumlr moumlglich46 Die IPCC-Szenarien koumlnnten folglich sogar die moumlg-lichen Erwaumlrmungseffekte unterschaumltzen

In jedem Fall wird die Erwaumlrmung nicht gleichmaumlszligig stattfinden sondern uumlber Landflaumlchen staumlrker ausge-praumlgt sein als uumlber den Ozeanen Auszligerdem ist davon auszugehen dass die Temperaturen in den hohen Brei-ten sowie in Gebirgsregionen vor allem im Winter uumlber-durchschnittlich ansteigen werden

n Intensivierung des hydrologischen Kreislaufs Bei weltweiter Betrachtung ist bis 2100 eine Steigerung der Niederschlagssummen um bis zu 20 Prozent zu erwarten da eine erwaumlrmte Atmosphaumlre auch mehr Wasserdampf aufnehmen kann Gerade beim Niederschlag wird je-doch ein stark raumlumlich differenziertes Bild projiziert Als Faustregel gilt dass in solchen Gebieten die be-reits eine ausreichende Niederschlagsmenge erhalten von einer deutlichen Steigerung auszugehen ist die mit staumlrkeren Schwankungen der Regenmengen zwischen den einzelnen Jahren einhergeht In Regionen die be-reits unter Wassermangel leiden wird hingegen eine Verschaumlrfung erwartet mit einzelnen auszligergewoumlhnlich starken Niederschlagsereignissen Folge des intensi-vierten hydrologischen Kreislaufs wird also insgesamt eine Aumlnderung der Haumlufigkeit Intensitaumlt und Dauer von Starkniederschlaumlgen sein (siehe auch 32)47

n Tropische Wirbelstuumlrme Obgleich Aussagen uumlber die zukuumlnftige Entwicklung tropischer Wirbelstuumlrme mit groszligen Unsicherheiten behaftet sind ist es wahrschein-lich dass zukuumlnftige tropische Wirbelstuumlrme in einer waumlrmeren Welt und in Verbindung mit dem Anstieg der Meeresoberflaumlchentemperaturen in den Tropen intensi-ver werden48

32 Zunahme von wetterbeding-ten Extremereignissen

Bei houmlheren Temperaturen erhoumlht sich auch das Risiko von Starkniederschlaumlgen und Uumlberschwemmungen da waumlrmere Luft mehr Wasser aufnehmen kann Weiter muss damit gerechnet werden dass sich vor allem in bereits trockenen Regionen die Wahrscheinlichkeit von mehr Hitzewellen Duumlrreperioden und Waldbraumlnden erhoumlhen wird Extremwetterereignisse wie z B die Hit-zewelle 2003 in Europa koumlnnten in der zweiten Haumllfte dieses Jahrhunderts schon in jedem zweiten Jahr in Eu-ropa auftreten Auch wird erwartet dass tropische Wir-belstuumlrme in der Karibik und in Suumldasien sowie heftige Winterstuumlrme uumlber Europa in Zukunft mehr Zerstoumlrun-gen anrichten werden49

33 Anstieg des MeeresspiegelsAussagen uumlber den Meeresspiegelanstieg der Zukunft sind mit groszligen Unsicherheiten behaftet Die Modell-projektionen des IPCC ergeben einen Meeresspiegelan-stieg bis zum Jahr 2100 um 18 bis 59 cm je nach Szena-rio und Modell Nicht enthalten ist darin allerdings die Gefahr eines Abrutschens des groumlnlaumlndischen Eisschilds oder des Eispanzers der Westantarktis Dadurch koumlnn-te der Meeresspiegelanstieg deutlich houmlher ausfallen Insbesondere neuere Daten lassen die Vermutung auf-kommen dass der Meeresspiegel schneller reagieren koumlnnte als noch 2007 in den Klimamodellen des IPCC aufgezeigt Seit Anfang der 1990er Jahre ist der Mee-resspiegel jaumlhrlich um 33 mm gestiegen knapp doppelt so schnell wie im Durchschnitt des 20 Jahrhunderts und vom IPCC vorhergesagt (19 mmJahr)50

Diese Ergebnisse zeigen dass die tatsaumlchliche Entwick-lung des Meeresspiegels mittlerweile die pessimistisch-sten Projektionen des IPCC von 2007 uumlbertrifft (siehe Abbildung 11) Im Kontext der signifikanten Beschleuni-gung des Anstiegs wird eines immer deutlicher Je houmlher die Temperaturen steigen umso schneller erhoumlht sich auch der Wasserpegel Vor diesem Hintergrund kommen neuere Studien die die Korrelation von Temperatur und Meeresspiegelanstieg im 20 Jahrhundert in die Zukunft projizieren und dabei sowohl die thermische Ausdeh-nung des Wasserkoumlrpers als auch die Dynamik der gro-szligen Eisschilde beruumlcksichtigen zu einer anderen Aussa-ge Selbst bei einem relativ niedrigen Emissionsszenario mit einer Erwaumlrmung um zwei Grad Celsius bis Ende des 21 Jahrhunderts wird der Meeresspiegel wahrscheinlich um mehr als einen Meter ansteigen Bei ungebremsten Emissionen und einem Temperaturanstieg von mehr als vier Grad Celsius gegen 2100 koumlnnte der Anstieg sogar mehr als 140 cm betragen Werden saumlmtliche Emissions-szenarien und die geschaumltzten Unsicherheiten beruumlck-sichtigt ergeben sich Werte zwischen 75 und 190 cm51 Bereits der Anstieg um einen Meter wuumlrde ndash ohne ent-sprechende Schutzmaszlignahmen ndash in Bangladesch und Vietnam ca 3 Millionen bzw 25 Millionen Hektar Land-flaumlche uumlberfluten In Bangladesch wuumlrden dadurch ca 15-20 Millionen Menschen vertrieben in Vietnam etwa 10 Millionen Menschen52

Der Meeresspiegelanstieg wird dabei an den Kuumlsten der Erde unterschiedlich ausfallen Erstens steigt der abso-lute Meeresspiegel nicht uumlberall gleich da ein regional unterschiedlicher Temperaturanstieg eng verknuumlpft mit Veraumlnderungen der Meeresstroumlmungen die Neigung der Meeresoberflaumlche beeinflusst Zweitens hebt oder senkt sich auch das Land an manchen Kuumlsten An den deutschen Nordseekuumlsten beispielsweise werden beide Effekte dazu beitragen dass der Meeresspiegel mehr als im globalen Mittel ansteigt Entscheidend ist allerdings

46 Hegerl CG et al 200647 IPCC 2007a48 IPCC 2007a

49 IPCC 2007a50 Beckley D et al 2007

51 Vermeer M und S Rahmstorf 200952 Conisbee M und A Simms 2003

28

Abb 11 Beobachteter Meeresspiegelanstieg seit 1975

auch dass der Anstieg nicht mit Erreichen des Jahres 2100 aufhoumlren wird selbst wenn wir den Anstieg der Erwaumlrmung bis dahin gestoppt haben sollten In diesem Zusammenhang erwartet der WBGU fuumlr ein moderates Erwaumlrmungsszenario einen Anstieg um ca 300-500 cm bis zum Jahr 230053

34 Kipp-Elemente des Klima-systems und ihre Folgen

Bisher wurden in dieser Publikation als Folge der Erwaumlr-mung vergleichsweise kontinuierliche und langsame Entwicklungen betrachtet auf deren Konsequenzen sich die betroffenen Staaten der Erde vergleichsweise ein-fach einstellen und dementsprechend reagieren und sich anpassen koumlnnen Allerdings belegen die Klimadaten der Erdgeschichte dass auf dem Planeten Erde nicht immer alles glatt und in geregelten Bahnen verlaumluft Das Klima-system der Erde ist ein komplexes nichtlineares System Bereits kleine Stoumlrungen koumlnnen ploumltzliche und tiefgrei-fende Auswirkungen haben selbst wenn die Triebkraumlfte des Klimawandels ndash menschverursachte Treibhausgase ndash gleichmaumlszligig und stetig ansteigen

Die menschliche Hochzivilisation der letzten 10000 Jahre entstand in einer Phase ungewoumlhnlicher Klimasta-

bilitaumlt Diese Stabilitaumlt war eine der grundlegenden Be-dingungen dafuumlr dass menschliche Hochkulturen ent-standen sind Ob sich die Menschheit in Zukunft weiter auf stabile Klimaverhaumlltnisse verlassen kann ist unge-wiss Denn innerhalb des Klimasystems gibt es Regime und Prozesse die besonders empfindlich auf Klimaveraumln-derungen reagieren Diese sogenannten Kipp-Elemente koumlnnten durch den Klimawandel derart gestoumlrt werden dass sie einen bestimmten Temperaturschwellenwert uumlberschreiten und in der Folge in einen grundlegend an-deren Zustand bdquokippenldquo Ein solches Umkippen koumlnnte bei einigen Kipp-Elementen schon bei einem Tempera-turanstieg von 2-3 degC gegenuumlber dem vorindustriellen Niveau eintreten54 Viele Wissenschaftler halten es da-her fuumlr notwendig den mittleren globalen Temperatur-anstieg auf unter zwei Grad gegenuumlber vorindustriellem Niveau zu begrenzen um einen in groszligem Maszligstab ge-faumlhrlichen Klimawandel zu vermeiden (siehe Info-Kasten 3 S 29)55 Dabei liegt die Temperatur heute um 08 degC uumlber dem vorindustriellen Niveau Weitere 06 bis 09 degC sind durch die verzoumlgerte Reaktion des Klimasystems auf bereits ausgestoszligene Treibhausgase vorprogram-miert Es ist also houmlchste Zeit eine Trendumkehr bei den Emissionen einzuleiten und den so genannten Peak der Emissionen herbeizufuumlhren

Mittlerweile liegt der beobachtete Meeresspiegelanstieg uumlber den IPCC-Projektionen Quelle WBGU 2006

SatellitenmessungenLinearer TrendIPCC-Szenarien

Unsicherheitsbereich der IPCC-Szenarien

Mee

ress

pieg

elan

stie

g (c

m)

1995 2000 2005

Jahr

5

4

3

2

1

0

53 WBGU 200654 Kriegler E et al 200955 WBGU 2007

29

Info-Kasten 3 Zwei Grad und nicht mehr

Die Klimaforschung ist sich einig dass der globale Temperaturmittelwert nicht um mehr als zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit steigen darf um einen gefaumlhrlichen Klimawandel zu verhin-dern Diese Zwei-Grad-Leitplanke laumlsst sich auf viel-faumlltige Weise wissenschaftlich untermauern

Waumlhrend der gesamten Entwicklungsgeschichte des modernen Menschen und der Entstehung von Hochkulturen haben zu keinem Zeitpunkt auf glo-baler Ebene houmlhere Temperaturen geherrscht als vorindustrielles Niveau plus zwei Grad Sollten die Temperaturen nun uumlber zwei Grad hinaus anstei-gen so wird es fuumlr den uumlberwiegenden Teil der Weltgemeinschaft aufgrund seiner landwirtschaft-lichen und infrastrukturellen Abhaumlngigkeiten sehr schwierig bis unmoumlglich mit der dann drohenden Beschleunigung des Klimawandels Schritt zu halten

Zusaumltzlich nimmt die Gefahr selbstverstaumlrkender Ruumlckkopplungen und das Risiko des Umkippens von Kipp-Elementen im Klimasystem ab einem Temperaturanstieg uumlber zwei Grad deutlich zu

Auch aus der Analyse geowissenschaftlicher Daten ergibt sich ein sofortiger Handlungsdruck zur Stabilisierung der globalen Temperatur auf unter zwei Grad Eine um drei Grad waumlrmere Erde mit einer at-mosphaumlrischen CO2-Konzentration von uumlber 400ppm gab es zuletzt vor rund drei Millionen Jahren waumlh-rend des Pliozaumlns Damals war die Nordhemisphaumlre nahezu eisfrei und der Meeresspiegel mindestens sieben Meter houmlher als heute Fuumlnf Grad waumlrmere Temperaturen 800ppm CO2 in der Atmosphaumlre und einen 70 Meter houmlheren Meeresspiegel als heute ndash das gab es vor rund 40 Millionen Jahren Sollte es der Weltgemeinschaft nicht gelingen den CO2-Gehalt in der Atmosphaumlre auf unter 450ppm und die Temperatur auf unter zwei Grad zu stabilisieren so droht der Erde langfristig ein Klimaregime wie vor etwa drei Millionen im schlimmsten Fall sogar wie vor etwa 40 Millionen Jahren Viele der heuti-gen Kuumlstenzonen waumlren dann uumlberschwemmt die kontinentalen Gletscher und polaren Eisschilde ver-schwunden fruchtbare Boumlden ausgetrocknet und mehrere Milliarden Menschen auf der Flucht vor extremen Wettereignissen

Die Wahrscheinlichkeit die Zwei-Grad-Leitplanke zu verfehlen steigt mit der Houmlhe der atmosphaumlrischen CO2-Konzentration Um einen gefaumlhrlichen und in vielerlei Hinsicht unbeherrschbaren Klimawandel zu vermeiden muumlssten die globalen Emissionen inner-halb der naumlchsten 4-10 Jahre zu ihrem Houmlhepunkt gelangen und anschlieszligend weltweit um 80 Prozent bis 2050 gesenkt werden

Jedoch bedeutet das Einhalten der Zwei-Grad-Leit-planke nicht fuumlr alle Laumlnder und Oumlkosysteme eine sichere Welt Daher fordern die verletzlichsten Staaten eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 15 Grad (siehe auch Kapitel zu Klimapolitik S 51ff)

Die Karte der Kipp-Elemente (Seite 30) verleiht einen Uumlberblick uumlber Groszligrisiken deren Eintritts-wahrscheinlichkeit jenseits eines bestimmten Tem-peraturanstiegs ndash des jeweiligen Kipp-Punkts ndash deut-lich erhoumlht wird (siehe Abbildung 12)56 Wuumlrden diese Schwellenwerte uumlberschritten koumlnnten ab-rupte starke und unwiderrufliche Veraumlnderungen einsetzen die durch ihre direkten sowie indirek-ten Folgen regional und auch global unzumutbare Schaumlden fuumlr Mensch und Natur erwarten lieszligen Diese Abschaumltzung betrifft u a die negativen Auswirkun-gen fuumlr Oumlkosysteme die Nahrungsmittelproduktion und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung Es koumlnnte sogar ein galoppierender Treibhauseffekt ausgeloumlst werden wenn sich diese Effekte durch ihre Wechselwirkungen gegenseitig aufschaukeln

Dabei gibt es auch Wechselwirkungen die das Tem-po des Klimawandels abbremsen koumlnnten Groszlige Unsicherheiten herrschen z B bei der Abschaumltzung der Rolle von Wolken Bisher sieht es allerdings so aus als sei die Wahrscheinlichkeit fuumlr positive (d h verstaumlrkende hier waumlrmende) Ruumlckkopplungen deutlich groumlszliger als die fuumlr negative Ruumlckkopplungen Einige ausgewaumlhlte Kipp-Elemente und ihre Konse-quenzen werden im Folgenden naumlher erlaumlutert

56 Schellnhuber HJ und C Jaumlger 2006

30

n Kollaps des groumlnlaumlndischen Eisschilds

Noch in seinem letzten Bericht vermutete der IPCC einen sehr langsamen und uumlber tausend Jahre waumlhren-den Schmelzprozess auf Groumlnland als Reaktion auf den weltweiten Temperaturanstieg der vergangenen 130 Jahre Allerdings wurde diese Einschaumltzung nun wider-legt Das Gleichgewicht zwischen Schneeakkumulation (Niederschlaumlge) und Schneeablation (Schmelzen an der Ober- und Unterseite Abfluss ins Meer) scheint auf Groumlnland vor allem innerhalb der letzten Jahrzehnte dramatisch aus der Balance gebracht worden zu sein (siehe Kapitel 2) Zwar ist der Verlust immer noch ge-ring im Verhaumlltnis zur Gesamtmasse doch sollten sich die aktuellen Schmelzprozesse fortsetzen koumlnnte auf Groumlnland der bdquoKipp-Punktldquo erreicht werden jenseits dessen der Abschmelzprozess explosiv schnell ablaumluft Modellrechnungen haben ergeben dass schon bei ei-nem lokalen Temperaturanstieg von etwa 2-4 Grad (ent-spricht etwa 1-2 Grad global) fuumlr Groumlnland der Punkt uumlberschritten werden koumlnnte ab dem ein womoumlglich stark beschleunigt ablaufender Schmelzprozess des

groumlnlaumlndischen Eispanzers ausgeloumlst werden koumlnnte57 Dieser Vorgang waumlre irreversibel da der wegfallende Albedo-Effekt die Aufheizung der Atmosphaumlre massiv verstaumlrken und die Erholung des Eisschildes nur uumlber sehr lange Zeitraumlume erfolgen koumlnnte Der Abschmelzprozess wuumlrde sich dann vermutlich uumlber mehrere Jahrhunderte (300-1000 Jahre) hinziehen und insgesamt zu einem globalen Anstieg des Meeresspiegels von sieben Metern fuumlhren58 Flache Inseln wie die Malediven verschwaumln-den dann voumlllig Kuumlstenregionen wie etwa die groszligen Flussdeltas des Nil oder des Ganges in denen ein Groszligteil der jeweiligen Landesbevoumllkerung lebt muumlss-ten aufgegeben werden ganze Landstriche waumlren dem sicheren Untergang geweiht

n Kollaps des Amazonas-Regenwaldes

Das moumlgliche Umkippen des Amazonas-Regenwaldes in eine Savannenvegetation ist ein weiteres Groszligrisiko im Klimasystem Dadurch koumlnnte die Region die bis-lang viel CO2 bindet ploumltzlich in enormem Ausmaszlig das Treibhausgas freisetzen Dabei verstaumlrken sich drei

Abschmelzen des groumlnlaumlndischen Eisschilds aufgrund nichtlinearer Abschmelzprozesse und weitere Erwaumlrmung durch Albedo-Effekt

Kollaps des arktischen Meereises und Verschaumlrfung der Erwaumlrmung durch Albedo-Effekt Methanfreisetzung durch

Auftauen des sibirischen Permafrostbodens und weitere Erwaumlrmung

Kollaps der borealen Nadelwaumllder und weitere Erwaumlrmung durch Freisetzung von CO2

Bistabilitaumlt des Indischen Sommermonsuns Abschwaumlchung aufgrund von Luftverschmutzung oder Verstaumlrkung durch globale Erwaumlrmung

Kipp-Punkt vor allem von Albedo abhaumlngig nicht von Temperatur

Unterbrechung der arktischen Nahrungskette und massives Korallen-sterben im Pazifik durch Versauerung und Erwaumlrmung

Bistabilitaumlt der Sahel-Zone zuerst Ergruumlnung dann deutlich trockener

Verlangsamung des Nordatlantikstroms aufgrund von erhoumlhtem Schmelzwassereintrag

Abschmelzen des west-antarktischen Eisschilds aufgrund nichtlinearer Abschmelzprozesse

HeftigereEl-Nintildeo-Ereignisse

Kollaps des Amazonas-Regen-walds aufgrund von Land-nutzung und Klimawandel und weitere Erwaumlrmung durch Umkehr der Senkenfunktion

El-Nintildeo

Westantarktis

Sahel-Zone

Nordatlantikstrom

Amazonas-Regenwald

Indischer Sommermonsun

ArktisGroumlnland Permafrost

Nordische Waumllder

Meere

0 degC 1 degC 2 degC 3 degC 4 degC 5 degC 6 degC

Kipp-Elemente gelten als die Achillesfersen des Klimasystems Sollten sie umkippen droht ein gefaumlhrlicher Klima-wandel Quelle Eigene Darstellung nach Lenton T et al 2008

Abb 12 Kipp-Elemente mit Temperaturschwellen (gegenuumlber 1880) die in diesem Jahrhundert angestoszligen werden koumlnnten

57 Kriegler E et al (2009)58 Polyakov I et al 2002

31

Faktoren wechselseitig 1 die Austrocknung durch einen uumlberproportionalen Temperaturanstieg 2 menschliche Aktivitaumlten wie Landnutzungswandel und Abholzung sowie 3 ein eventuelles zukuumlnftiges Ausbleiben des natuumlrlichen Naumlhrstofftransports durch Sandstuumlrme aus der afrikanischen Sahelzone nach Brasilien Viele Beobachter fragen sich seit der extremen Trockenheit im Amazonasgebiet im Jahr 2004 besorgt ob dies erste Vorzeichen eines solchen Prozesses sein koumlnnten So kommt eine Studie amerikanischer Wissenschaftler zu dem Ergebnis dass nach mehr als zwei Jahren extremer Trockenheit viele Baumlume so stark angegriffen sind dass sie beginnen abzusterben59

Ein Umkippen des Amazonas-Regenwaldes haumltte dras-tische Konsequenzen fuumlr die Artenvielfalt sowie die Lebens situation vieler Millionen Menschen in Suumldame-rika und wuumlrde zudem den globalen Treibhauseffekt durch den Ausstoszlig groszliger Mengen an CO2 weiter an-heizen

Der Amazonas-Regenwald ist nur ein Beispiel fuumlr Oumlkosysteme die vom Klimawandel betroffen sind Die Erwaumlrmung die Verschiebung der Klimazonen sowie der zusaumltzliche Stress durch menschliche Aktivitaumlt gefaumlhr-den zahlreiche Systeme und Arten (siehe auch Kapitel 41)

n Bistabilitaumlt des Indischen Monsuns

In den vergangenen zwei Jahren wird auch verstaumlrkt diskutiert wie sich der Indische Monsun durch den Kli-mawandel veraumlndern koumlnnte In fruumlheren Jahren brach-te er in jedem Jahr relativ verlaumlssliche Niederschlaumlge doch dieser Rhythmus scheint zunehmend an Kontinui-taumlt zu verlieren Ungewoumlhnliche Schwankungen haben in den letzten 30 Jahren in ganz Indien immer wieder zu katastrophalen Hungersnoumlten und verheerenden Uumlber-schwemmungen gefuumlhrt

Mittlerweile werden durch das Zusammenspiel von Kli-mawandel und Abstrahlungsveraumlnderungen (Verhaumlltnis von einfallender Strahlung und Abstrahlung = Albedo) aufgrund von Landnutzungsaumlnderungen und vor allem Luftverschmutzung sowohl eine starke Abschwaumlchung wie auch eine Verstaumlrkung der Niederschlaumlge bzw sogar ein Aufeinanderfolgen dieser Prozesse im Sinne eines Achterbahn-Szenarios fuumlr moumlglich gehalten60 Der Be-griff Bistabilitaumlt bezeichnet in diesem Fall die Situation dass das Indische Monsunsystem an bestimmten Ver-zweigungspunkten zwei sehr gegensaumltzliche Zustaumlnde einnehmen koumlnnte Einer fuumlhrt zu uumlbermaumlszligig starken Niederschlaumlgen der andere zu extremer Trockenheit Bereits heute weiszlig man dass schon eine vergleichs-weise geringe Abweichung von zehn Prozent vom durchschnittlichen Monsunniederschlag schwerwiegen-

de Duumlr ren oder Uumlberschwemmungen ausloumlsen kann Ein schwacher Sommermonsun z B kann zu Ernteeinbruuml-chen Nahrungsmittelknappheit Hunger Verschuldung und Armut der laumlndlichen Bevoumllkerung fuumlhren die zwei Drittel der 13 Mrd Bewohner Indiens ausmacht

n Bistabile Entwicklung in der Sahelzone

Eine bistabile Entwicklung wie fuumlr den Indischen Som-mermonsun wird auch fuumlr die Sahelzone fuumlr moumlglich gehalten Bis zur Mitte des 20 Jahrhunderts erlitt nur etwa ein Viertel des Gebiets ernsthafte Duumlrren Zwi-schen 1970 und 1999 gab es dann eine 20-prozentige Abnahme der Niederschlagsmenge so dass schon die Haumllfte der Region von ernsthaften Duumlrren betroffen war Mittlerweile wird ein enger Zusammenhang zwi-schen dem Niederschlagsruumlckgang und der deutlichen Temperaturerhoumlhung im Indischen Ozean die auf den menschgemachten Treibhauseffekt zuruumlckgefuumlhrt wird gesehen61 Dieser hat zu Veraumlnderungen beim Indischen Monsun gefuumlhrt der die Niederschlagsverhaumlltnisse in Afrika entscheidend beeinflusst Bei einer globalen Er-waumlrmung um 25 degC in den naumlchsten Jahrzehnten wird noch innerhalb dieses Jahrhunderts mit einer Veraumlnde-rung der Niederschlagsbedingungen in Richtung deut-lich haumlufigerer und staumlrkerer Niederschlaumlge in der Sa-helzone gerechnet62 Ein Modell das die Vergangenheit besser als die meisten anderen Modelle abbildet geht allerdings davon aus dass ab einem Verzweigungspunkt Mitte des Jahrhunderts wieder deutlich trockenere Klim-abedingungen folgen koumlnnten noch deutlich regen - aumlrmer als zur Zeit der groszligen Sahel-Duumlrre vor einigen Jahrzehnten

59 Mongabay 200660 Zickfeld et al 2005

61 Flannery 200662 Nyong 2006

32

Uumlberschwemmungen in Folge von schweren Unwettern zerstoumlren immer wieder das Hab und Gut von Millionen armer Menschen weltshyweit Sie sind diesen Gefahren haumlufig schutzlos ausgeliefert

Foto

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33

Die Auswirkungen des Klimawandels werden regional unterschiedlich ausfallen Obwohl die Industrielaumlnder gegenwaumlrtig fuumlr den groumlszligten Anteil der Erderwaumlrmung verantwortlich sind sind es die Aumlrmsten der Welt die die Auswirkungen des Klimawandels schon heute als erstes und am staumlrksten spuumlren und kuumlnftig noch drastischer darunter leiden werden Waumlhrend der Energieverbrauch in den Industrie- und Schwellen-laumlndern auf hohem Niveau verharrt bzw ansteigt haben rund 15 Milliarden Menschen bzw 22 Prozent der Weltbevoumllkerung keinen Zugang zu elektrischem Strom63 Stattdessen lei den sie schon heute erheb-lich unter Duumlrren Uumlber schwemmungen heftigeren Stuumlrmen und Trink was ser verknappung denn die Klima-wandelfolgen sind in aumlqua torialen Regionen wo viele Entwicklungslaumlnder liegen staumlrker Da sie zudem nur sehr begrenzte Kapazitaumlten haben um sich an diese klimatischen Veraumlnderungen anzupassen trifft sie der Klimawandel um ein Vielfaches staumlrker als die Industrienationen So koumlnnen sich die Niederlande bei-spielsweise bis zu einem gewissen Grad an den Anstieg des Meeresspiegels anpassen in Bangladesch sind hierzu jedoch die noumltigen finanziellen und technologi-schen Mittel wesentlichen knapper Dieses umgekehr-te Verhaumlltnis von Verantwortung fuumlr den Klimawandel und Gefaumlhrdung durch dessen Folgen wirft vieler-lei Fragen im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte auf

Im Folgenden soll zunaumlchst auf die Leidtragenden und die erwarteten Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Umwelt eingegangen werden um dann genauer die Verursacher des Klimawandels aufzuzeigen

41 Die Betroffenen des Klima-wandels Umwelt und Mensch

Welche Auswirkungen haben die in Kapitel 3 genann-ten Szenarien nun auf Mensch und Natur Wer sind die Betroffenen des Klimawandels Zu dieser Frage hat die Klimawissenschaft in juumlngster Zeit die meisten Erkenntnisse gesammelt

Unter der Annahme dass Klimaaumlnderungen in Zukunft nicht gemildert und die Anpassungsfaumlhigkeit durch engagierte Maszlignahmen nicht gefoumlrdert werden er-wartet der IPCC fuumlr das 21 Jahrhundert weitreichen-de Auswirkungen fuumlr verschiedene Erdsysteme und Sektoren die fuumlr Mensch und Umwelt relevant sind Einige Systeme Sektoren und Regionen werden beson-ders betroffen sein Eine Auswahl der wesentlichsten

Erkenntnisse des IPCC uumlber die erwarteten Auswirkun-gen auf Oumlkosysteme Ernaumlhrungs- und Wassersicherheit Gesundheit Wirtschaft und Sicherheit sowie die jewei-lige regionale Betroffenheit aufgrund eines zukuumlnftigen Klimawandels bis 2100 wird im Folgenden dargestellt (siehe Abbildung 13)64

n Oumlkosysteme

Viele Oumlkosysteme sind durch menschliche Einfluumlsse z B Landnutzungsaumlnderungen Verschmutzung und Uumlbernutzung natuumlrlicher Ressourcen ohnehin schon stark gestoumlrt (siehe auch Kapitel 22) Durch die bisher einmalige Kombination dieser Stressfaktoren mit Klima-veraumlnderungen ist eine Verschaumlrfung der Situation und somit eine Uumlberlastung zahlreicher Oumlkosysteme noch in diesem Jahrhundert wahrscheinlich Die Auswirkungen auf die Organismen der Oumlkosysteme sowie deren Re-aktionen werden allerdings unterschiedlich sein Einige Pflanzen und Tiere werden sich auf veraumlnderte Lebens-bedingungen einstellen koumlnnen Fuumlr viele Lebensge-meinschaften jedoch laufen die Veraumlnderungen durch den Klimawandel zu schnell ab um sich beispielsweise durch Abwanderung in Richtung der Pole oder in houmlhere Lagen anzupassen so dass in Zukunft bestehende Syste-me zergliedert Arten getrennt und Funktionsketten un-terbrochen werden Als besonders stark bedroht gelten polare und alpine Oumlkosysteme boreale und tropische Waumllder Korallen sowie Mangrovenwaumllder

Eine Temperaturerhoumlhung um 2 bis 3 degC uumlber dem vor-industriellen Niveau wird die Anpassungsfaumlhigkeit vieler Oumlkosysteme uumlbersteigen und zu gravierenden Veraumlnde-rungen in Struktur und Funktionsweise oumlkologischer Le-bensgemeinschaften sowie der oumlkologischen Interaktio-nen und geographischen Verbreitung von Arten fuumlhren Im Durchschnitt koumlnnten zukuumlnftig 20 bis 30 Prozent der houmlheren Pflanzen- und Tierarten dem Tempo der Veraumln-derungen nicht folgen und waumlren von einem erhoumlhten Aussterberisiko bedroht In manchen Regionen wird das Risiko sogar auf 80 Prozent eingeschaumltzt65 Viele ende-mische Arten koumlnnten verdraumlngt bzw vom Aussterben bedroht werden Andere aus anderen Regionen einwan-dernde Arten koumlnnten sich unter den veraumlnderten Be-dingungen staumlrker ausbreiten

Insbesondere die fortschreitende Versauerung der Oze-ane koumlnnte in Verbindung mit der Erwaumlrmung erheb-liche Negativfolgen fuumlr viele marine schalenbildende Lebewesen (vor allem Korallen) aber auch Salzmarschen und Mangroven und die von ihnen abhaumlngigen Tier- und Pflanzenarten haben Sollten die Meerestemperatu-

4 bdquoOpferldquo des Klimawandels

63 IEA 200964 Sofern nicht anders gekennzeichnet sind alle hier dargstellten Ergebnisse dem 4 IPCC-Bericht bdquoKlimaaumlnderungen 2007

Auswir kungen Anpassung Verwundbarkeitenldquo entnommen65 IPCC 2007b

34

ren zwischen 1 und 3 degC ansteigen und gleichzeitig die Versauerung der Ozeane zunehmen erwartet der IPCC eine weitreichende Korallenbleiche und groszligraumlumiges Absterben Ab 3 degC droht ein 30-prozentiger Verlust der weltweiten Kuumlstenfeuchtgebiete66

n Wasserknappheit und ungesicherte Was-serversorgung

Derzeitig haben rund 12 Mrd Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser Diese Situation wird sich durch die Effekte des Klimawandels verschlimmern Mit hoher

Wahrscheinlichkeit werden sich der mittlere Jahresab-fluss und die Wasserverfuumlgbarkeit in den hohen Breiten sowie in einigen tropischen Feuchtgebieten um 10-40 Prozent bis zum Ende des Jahrhunderts erhoumlhen In den mittleren Breiten und trockenen Tropen wo Wasser-mangel schon heute ein groszliges Problem darstellt wird sich die Lage dagegen voraussichtlich noch verschlech-tern Hier werden sich steigende Temperaturen dras-tisch auf die Niederschlagsverhaumlltnisse auswirken und in einer signifikanten Abnahme von Abfluss und Wasser-verfuumlgbarkeit um bis zu 30 Prozent kumulieren was in vielen Regionen zu akuter Wasserknappheit fuumlhren wird Schon bei einem Temperaturanstieg von unter 2 degC ist

Mit steigender Temperatur erhoumlhen sich auch die Risiken fuumlr Mensch und UmweltQuelle WBGU 2007 nach Stern 2006

Abb 13 Erwartete Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme Wasser- und Ernaumlh-rungssicherheit Gesundheit und Wirtschaft bei unterschiedlicher Erwaumlrmung (im Vgl zu 1880)

Nahrungsmittel

Wasser

Oumlkosysteme

Wetterextreme

Risiko eines schnellenKlimawandels und groszligerirreversiblen Auswirkungen

Endguumlltige Temperaturaumlnderung (im Vergleich zum vorindustriellen Niveau)0 degC 1 degC 2 degC 3 degC 4 degC 5 degC

Kleine Berggletscherverschwinden weltweit ndashpotenzielle Bedrohung derWasserversorgung in mehrerenRegionen

Erhebliche Aumlnderungen der Wasserverfuumlgbarkeit

Uumlber 30 Abnahme desOberflaumlchenabflusses in der Mittelmeerregion und imsuumldlichen Afrika

Meeresspiegelanstieg bedrohtgroszlige Staumldte wie London ShanghaiNew York Tokio oder Hong Kong

Korallenriffoumlkosystemeweitgehend und schlieszliglichirreversibel geschaumldigt

Moumlglicher Beginn desZusammenbruchs von Teilenoder des ganzen Amazonas-Regenwaldes

Groszliger Anteil von Oumlkosystemen die ihre derzeitige Gestalt nicht bewahren koumlnnen

Viele Arten vomAussterben bedroht

Steigende Intensitaumlt von Stuumlrmen Waldbraumlnden Duumlrren Uumlberflutungen und Hitzewellen

Bereits geringe Zunahme derHurrikanintensitaumlten verursacht Verdopplung der Schadenskosten in den USA

Gefahr einer Schwaumlchung der natuumlrlichen Kohlenstoffsenken und der atlantischenthermohalinen Zirkulation moumlgliche Zunahme der Freisetzung natuumlrlichen Methans

Beginn irreversiblen Schmelzensdes Groumlnland-Eisschilds

Erhoumlhtes Risiko von abrupten groszligen Verschiebungenim Klimasystem (zB Zusammenbruch der atlantischen thermo-halinen Zirkulation oder des westantarktischen Eisschilds)

Schwerwiegen-de Auswirkungenin der Sahel-Region

Steig Ernteertraumlge in entwickeltenLaumlndern in hohen Breitengradenbei starkem CO2-Duumlngeeffekt

Ruumlckgang der Ertraumlge in vielen entwickeltenRegionen selbst bei starkem CO2-Duumlngeeffekt

Sinkende Ernteertraumlge in vielen Entwicklungsregionen

Steigende Zahl der von Hungerbedrohten Menschen Staumlrkste Zunahmein Afrika und Westasien

Starker Ruumlckgang der Ernteertraumlgein ganzen Regionen (zB bis zu einem Drittel in Afrika)

66 IPCC 2007b

35

davon auszugehen dass bis zu 15 Milliarden Menschen zusaumltzlich von Wasserknappheit betroffen waumlren Zwar sind Verbesserungen hinsichtlich Wasserverbrauchs- und Speicherungstechniken zu erwarten dennoch wird der Klimawandel einen starken Einfluss auf die Wasser-verfuumlgbarkeit und -qualitaumlt haben Besonders bedroht sind Regionen die vom Schmelzwasser groszliger Gletscher abhaumlngig sind und in denen bis zum Ende des Jahrhun-derts mit einer deutlichen Abnahme der in der Eisdecke gespeicherten Wasserreserven gerechnet wird (z B Indien Pakistan Peru) In diesem Zusammenhang gilt eine flaumlchenmaumlszligige Ausweitung von Gebieten die von Trockenheit und Duumlrre betroffen werden in Zukunft als wahrscheinlich Auch prognostiziert der IPCC eine Zu-nahme schwerer Niederschlagsereignisse infolge derer sich auch das Uumlberschwemmungsrisiko vieler Regionen erheblich erhoumlhen wird

n Agrarproduktion und Ernaumlhrungssicherung

Gegenwaumlrtig gelten fast 900 Millionen Menschen als unterernaumlhrt Das Klima ist fuumlr die Nahrungsmittelpro-duktion neben anderen ein wesentlicher Faktor Sowohl die Temperatur aber auch der CO2-Gehalt der Luft be-einflussen die landwirtschaftlichen Ernteertraumlge Die Reaktion landwirtschaftlicher Systeme insgesamt auf Klimaveraumlnderungen wird u a bestimmt durch Tempe-ratur Niederschlag CO2-Duumlngeeffekt und soziooumlkono-mische Rahmenbedingungen wie Marktzugang Techno-logie oder die Verfuumlgbarkeit von Ressourcen die fuumlr die Anpassung notwendig sind67

In den mittleren bis hohen Breiten wird bis zu einem Anstieg der globalen Temperatur auf 3 degC ndash je nach Nutz-pflanzenart ndash eine leichte Zunahme der Ernteertraumlge jedoch ohne Steigerung der Qualitaumlt projiziert ab die-ser Temperaturschwelle jedoch eine Abnahme

In den niederen Breiten und insbesondere in saisonal trockenen Tropengebieten wird selbst bei geringer Er-waumlrmung mit einer Abnahme der Ernteertraumlge gerech-net Verschaumlrfen koumlnnte sich die Situation noch durch eine ebenfalls erwartete Zunahme von wetterbedingten Extremereignissen wie bspw Duumlrren und Uumlberschwem-mungen Ein erhoumlhtes Hungerrisiko waumlre die Folge

Der Klimawandel birgt vielerorts auszligerdem Risiken fuumlr die landwirtschaftliche Produktion die zwar nicht der Ernaumlhrungssicherung im eigenen Land dient aber fuumlr den Export bestimmt ist und damit eine wichtige Einnah-mequelle darstellt Beispielsweise ist bei einem Tempe-raturanstieg von 2 degC zu befuumlrchten dass in Uganda nur noch auf einem sehr kleinen Teil der Landesflaumlche der Anbau von Kaffee ndash Exportgut Nummer eins ndash moumlglich sein wird68

n Gesundheit

Durch den Klimawandel drohen nicht nur steigende Meeresspiegel oder abnehmende Getreideertraumlge houml-here Temperaturen erhoumlhen auch gesundheitliche Risi-ken Zwar koumlnnte eine gewisse Erwaumlrmung vor allem in Gebieten der gemaumlszligigten Breiten einige Vorteile fuumlr die Gesundheit mit sich bringen wie z B einen Ruumlckgang der Kaumlltetodesfaumllle waumlhrend der Wintermonate Insge-samt wird jedoch im Zuge des Klimawandels mit einer erheblichen Beeintraumlchtigung des Gesundheitszustands von Millionen von Menschen gerechnet Besonders be-troffen sind Personen die bereits gesundheitlich vorbe-lastet sind (Alte Kinder u a auch in Industrielaumlndern) und sich nur schwer vor Krankheiten schuumltzen koumlnnen (vor allem Arme und Hungernde in den Entwicklungslaumln-dern) Klimaveraumlnderungen koumlnnen dabei das Risiko fuumlr die Gesundheit auf direkte und indirekte Weise beein-flussen Extremwetterereignisse werden direkt zu einer Zunahme von Todesfaumlllen Krankheiten und Verletzun-gen durch Hitzewellen Uumlberschwemmungen Stuumlrme und Duumlrren auch in Industrielaumlndern fuumlhren

Noch viel bedeutender als die direkten Einfluumlsse sind jedoch die indirekten Auswirkungen Bei einer weiteren Erwaumlrmung koumlnnten sich viele ndash teilweise toumldlich ver-laufende ndash Infektionskrankheiten wie Malaria Dengue-fieber oder auch Uumlbertraumlger anderer Infektionen weiter verbreiten als bisher Hitze und Trockenheit aber auch Stuumlrme und Fluten fuumlhrten zu Ernteverlusten die Man-gelernaumlhrung zu einem noch groumlszligeren Problem werden lieszligen

n Wirtschaft

Auch wenn Aussagen uumlber die Abschaumltzung der Folge-kosten eines ungebremsten Klimawandels mit groszligen Unsicherheiten behaftet sind so schaumltzt das Deutsche Institut fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) dennoch dass bis Mitte des Jahrhunderts ohne ernsthaften Klima-schutz Schaumlden in Houmlhe von 200 Billionen US-Dollar zu erwarten sind69 Auch der 2006 erschienene britische Stern-Report zur Oumlkonomie des Klimawandels kommt zu einem aumlhnlichen Ergebnis Bei Tatenlosigkeit koumlnn-ten die Schaumlden des Klimawandels infolge von Stuumlrmen Uumlberschwemmungen Hitzewellen und Duumlrren zwischen 5 und 20 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts kosten und die Weltgemeinschaft in eine tiefgreifende Rezession stuumlrzen Industrielaumlnder waumlren dann eben-so betroffen wie Entwicklungslaumlnder Touristen wuumlr-den ausbleiben landwirtschaftliche Ertraumlge vor allem in vielen Entwicklungslaumlndern unsicherer werden und die versicherten Schaumlden auch in den Laumlndern des Nor-dens erheblich ansteigen Auch wenn es natuumlrlich auch Regionen gaumlbe die von einem Temperaturanstieg pro-fitierten70 wuumlrden die negativen Auswirkungen beim

67 ECFPIK 2004 68 Simonett O 198969 Kemfert C 2004

70 Beispielsweise wird in den Laumlndern der houmlheren Breiten (z B Skandinavien) mit einer erhoumlhten Pflanzenproduktivitaumlt gerechnet die zu besseren Ernten fuumlhren kann

36

UmweltbedingteMigration

Konfliktkonstellationen in ausgewaumlhlten Brennpunkten

Klimabedingte Zunahme vonSturm- und Flutkatastrophen

Klimabedingte Degradationvon Suumlszligwasserressourcen

Klimabedingter Ruumlckgangder Nahrungsmittelproduktion

Brennpunkt

UmweltbedingteMigration

Konfliktkonstellationen in ausgewaumlhlten Brennpunkten

Klimabedingte Zunahme vonSturm- und Flutkatastrophen

Klimabedingte Degradationvon Suumlszligwasserressourcen

Klimabedingter Ruumlckgangder Nahrungsmittelproduktion

Brennpunkt

Ausbleiben von Klimaschutz weltweit uumlberwiegen Effek - tive Klimaschutzmaszlignahmen dagegen waumlren mit jaumlhr-lichen Kosten von rund einem Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung vergleichbar gering71

n Gefaumlhrdung der Sicherheit

Ein ungebremster Klimawandel stellt eine ernstzuneh-mende Bedrohung fuumlr die humanitaumlre Sicherheit dar Neben der Energie(versorgungs)sicherheit ruumlckt in der Auszligenpolitik zunehmend auch die Klimasicherheit in den Fokus Diesen Begriff fuumlhrte die britische Auszligenminis-terin Beckett in die Debatte ein Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveraumlnde-rungen (WBGU) hat die vier klimabedingten Konflikt-konstellationen Nahrung Suumlszligwasser Sturm und Flut sowie Migration identifiziert die zur Destabilisierung oder gar zum Scheitern von Gesellschaften sowie zu In-stabilitaumlten und Unsicherheit im internationalen System fuumlhren koumlnnen Involviert sein koumlnnten regionale Grup-pen einzelne Laumlnder oder gar groumlszligere Laumlndergruppen Der WBGU sieht etwa den nordafrikanischen Raum die

Sahelzone das suumldliche Afrika Zentralasien die Laumln-dergruppe Indien Pakistan und Bangladesch sowie Chi-na als Regionen an in denen der Klimawandel ein neues Sicherheitsrisiko darstellen koumlnnte (siehe Abbildung 14) 72

Bei der Diskussion um die Auswirkungen des Klima-wandels auf die humanitaumlre Sicherheit geht es nicht ausschlieszliglich um die wachsenden Risiken bewaffneter Konflikte um Rohstoffe Vielmehr werden auch groszlige Risiken fuumlr wirtschaftliche Entwicklung soziale Gerech-tigkeit und Verteilungsgerechtigkeit andere Umwelt-guumlter Demokratisierung Abruumlstung Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit erwartet73 Angesichts des Sicherheitsrisikos Klimawandel bietet sich in erster Linie eine gemeinsam konzertierte praumlventive Strategie an militaumlrische Loumlsungen scheinen dagegen wenig sinnvoll

Im Umgang mit den potenziellen Konfliktverschaumlrfungen und neuen Konflikten bestehen verschiedene Moumlglich-keiten Potenzielle Konflikte duumlrfen nicht unterschaumltzt oder ignoriert sondern bereits in der Entstehung geloumlst werden So sollten sich anbahnende Differenzen fruumlh-

Insbesondere die Suumldhemisphaumlre ist von Sicherheitsrisiken im Rahmen des Klimawandels bedrohtQuelle WBGU 2007

Abb 14 Sicherheitsrisiken durch Klimawandel ausgewaumlhlte Brennpunkte

71 Stern N 200672 WBGU 200773 Annan 2005

37

zeitig erkannt und Kooperationen der beteiligten Partei-en gesucht werden bevor es zu einem Konflikt kommen kann Ein Beispiel hierfuumlr ist das Wassermanagement des Indus Pakistans groumlszligtem Fluss der aber zunaumlchst durch China und Indien flieszligt In einigen Jahrzehnten wird das sommerliche Wasservolumen des Indus durch das Schmelzen der Gletscher im Himalaya deutlich ab-nehmen und damit die Konkurrenz der ohnehin zerstrit-tenen Nachbarstaaten um das knappe zur Verfuumlgung stehende Wasser verschaumlrft Beansprucht Indien das wenige verbleibende Wasser des Indus allein fuumlr sich so stellt dies ein enormes Konfliktpoten zial dar Um einen ernsten Konflikt zwischen den beiden Atommaumlchten zu verhindern braucht es bereits heute eine strategisch ge-schickte Politik der Kooperation zwischen den vom Was-sermangel im Himalaya-Gebiet betroffenen Regionen

Die internationale Politik sollte sich in gleichem ernst-haften Maszlige der wachsenden Herausforderung klima-bedingter Migration annehmen Im Zuge der Klimaver-aumlnderung werden immer mehr Menschen aufgrund von Extremwetterereignissen Duumlrren und Wuumlstenausbrei-tung sowie des Meeresspiegelanstiegs gezwungen sein ihre Heimat zu verlassen Derzeit ist ihr voumllkerrechtlicher Schutz nicht gewaumlhrleistet

42 Regionale Betroffenheit

In einigen Regionen werden die Auswirkungen des Klimawandels staumlrker spuumlrbar werden als in anderen Entwicklungslaumlnder und arme Menschen insbesonde-re in Afrika und Asien sowie kleine Inselstaaten sind besonders betroffen Zum einen lebt der Groszligteil der Bevoumllkerung in Entwicklungslaumlndern unmittelbar von der Landwirtschaft ndash in Afrika sind dies ca 70 Prozent der gesamten Bevoumllkerung74 ndash und ist somit direkt von den Klima- und Wetterbedingungen abhaumlngig Klima-tische Veraumlnderungen haben deshalb oft verheerende Auswirkungen Ein zweiter wesentlicher Grund fuumlr die hohe Anfaumllligkeit gegenuumlber den Folgen des Klimawan-dels ist jedoch auch die Armut selbst So wird durch einen Mangel an Kapazitaumlten (technisch personell und finanziell) eine Anpassung an veraumlnderte Bedingungen und ein Schutz vor den aufgezeigten Risiken erschwert Klimawandel verschaumlrft Armut zerstoumlrt Lebensgrund-lagen und untergraumlbt Entwicklungsmoumlglichkeiten Al-lein im Zeitraum 2000-2004 waren jedes Jahr fast 300 Millionen Menschen von Naturkatastrophen betroffen ndash 98 Prozent davon in Entwicklungslaumlndern Waumlhrend in den entwickelten Laumlndern der OECD nur einer von 1500 Einwohnern durch eine Naturkatastrophe betroffen war lag das Risiko bei Einwohnern aus Entwicklungslaumlndern um den Faktor 79 houmlher ndash einer von 19 war betroffen (siehe Abbildung 15 S 38)75

Schaumltzungen zufolge koumlnnten bei einer ungebremsten globalen Erwaumlrmung im Jahr 2050 25 Millionen Men-schen durch Uumlberflutungen zwischen 180 und 250 Millionen Menschen durch Malaria und weitere 200 bis 300 Millionen Menschen durch Wasserknappheit be-droht sein76 Damit der Klimawandel nicht die Lebens-grundlage von Millionen von Menschen gefaumlhrdet und zu wirtschaftlichem Niedergang sozialer Erosion und Migrationsbewegungen fuumlhrt muss eine nachhaltige Armutsbekaumlmpfung auch als eine Schluumlsselstrategie bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels angese-hen werden77

n Afrika

Nach Einschaumltzungen des IPCC gilt Afrika aufgrund von Mehrfachbelastungen der unmittelbaren Abhaumlngigkeit von der Landwirtschaft und einer niedrigen Anpassungs-kapazitaumlt als einer der verwundbarsten Kontinente ge-genuumlber Klimaaumlnderungen78 Selbst in konservativen Szenarien wird in Afrika mit einem Anstieg der Tempe-ratur um 3-4 degC gegenuumlber der Periode 1980-1999 ge-rechnet79 Besonders hohe Temperaturen werden dabei im nordwestlichen und im suumldlichen Afrika erwartet Hinzu kommt dass die meisten Klimamodelle eine dras-tische Abnahme der Jahresniederschlaumlge fuumlr Afrika bis Ende des 21 Jahrhunderts voraussagen Auch in diesem Fall gelten die genannten Laumlnder Afrikas als besonders betroffen Um bis zu 30 Prozent koumlnnten demnach die Winterniederschlaumlge in Nordafrika zuruumlckgehen In Ost-afrika sowie in Teilen der Sahelzone wird hingegen mit einer Veraumlnderung in Richtung feuchterer Klimaregime gerechnet (siehe Abbildung 16 S 38)

Anders als in anderen landwirtschaftlichen Regionen der Welt gibt es in Afrika nur wenige Regionen in denen die Felder mit dem Wasser aus Fluumlssen oder Stauseen be-waumlssert werden Durch die projizierten Klimaaumlnderun-gen werden deshalb schwerwiegende Beeintraumlchtigun-gen der Nahrungsmittelsicherheit erwartet So schaumltzt man dass der Klimawandel schon in naumlchster Zukunft in einigen Laumlndern Nordafrikas das Risiko von trockenen Jahren in denen die auf Regenfeldbau basierenden land-wirtschaftlichen Ertraumlge um 50 Prozent zuruumlckgehen verstaumlrkt80 Dies wuumlrde die bereits kritische Situation in Afrika erheblich verschaumlrfen und die Unterernaumlhrung auf dem Kontinent verstaumlrken Dem IPCC zufolge werden in Regionen Afrikas suumldlich der Sahara bis 2020 zwischen 75 und 250 Millionen Menschen einem durch den Kli-mawandel verstaumlrkten Wasserstress ausgesetzt sein Verschlimmern koumlnnte sich diese Situation noch durch abnehmende Fischbestaumlnde als Folge von massiver Uumlberfischung verstaumlrkt durch steigende Wassertempe-raturen in Seen und Kuumlstenzonen

74 IPCC 2001b75 UNDP 200776 Parry M et al 2001

77 HarmelingBals 200778 IPCC 2007b

79 IPCC 2007b80 IPCC 2007b

38

n Asien

In fast allen Regionen Asiens wird mit einer deutlichen Erwaumlrmung weit oberhalb des globalen Mittelwerts gerechnet Auszliger in Suumldostasien wo ein Anstieg im Be-reich des globalen Mittelwertes erwartet wird koumlnnten sich die Temperaturen in den uumlbrigen Gebieten um bis zu 4 degC gegenuumlber dem Mittelwert von 1980-1999 erhouml-hen Als Folge waumlrmerer Temperaturen wird vor allem im Himalaya mit einer sich beschleunigt fortsetzenden Gletscherschmelze gerechnet Gletscherseeausbruumlche Uumlberschwemmungen Bergstuumlrze sowie erhebliche Trink wasserknappheit insbesondere in den groszligen Fluss einzugsgebieten koumlnnten sich auf mehr als eine Milliarde Menschen nachteilig auswirken

Entlang der sich veraumlndernden Temperaturmuster wer-den die Niederschlaumlge insgesamt in Asien bis Ende des Jahrhunderts zunehmen Einzige Ausnahme ist Zentral-asien wo ein Ruumlckgang der Sommerniederschlaumlge und erhebliche Trockenheit vor allem waumlhrend der Som-mermonate als wahrscheinlich gelten81 Unklar ist die Entwicklung des Indischen Sommermonsuns welcher fuumlr mehr als zwei Milliarden Menschen in weiten Teilen Asiens eine der Haupttrinkwasserquellen darstellt (siehe auch Kapitel 34)

Waumlhrend in Ost- und Suumldostasien ein moumlglicher Anstieg der landwirtschaftlichen Ertraumlge um bis zu 20 Prozent vorausgesagt wird koumlnnten diese in Zentral- und Suumld-

Risiko von einer Naturkatastrophe betroffen zu sein (auf 100000 Menschen)

Entwicklungslaumlnder

OECD-Laumlnder mit hohem Einkommen

50 von 100000 Menschen

1980-84 2000-04

Aufgrund ihrer geringen Anpassungskapazitaumlten sind Menschen in Entwicklungslaumlndern besonders verwund-bar gegenuumlber Naturkatastrophen Quelle UNDP 2008

Abb 15 Betroffenheit von Natur-katastrophen in Entwicklungs- und Industrielaumlndern

5030201510

50

-5-10-15-20-30-50

Abb 16 Temperatur- und Niederschlagsaumlnderungen in Afrika bis 2100Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestempera-turen und Jahresniederschlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999

Besonders das noumlrdliche und suumldliche Afrika gelten als besonders gefaumlhrdete Regionen im Rahmen des Klimawan-dels Quelle Hamburger Bildungsserver nach IPCC 2007b

1007050403530252015100500

-05-10

Temperatur-Veraumlnderung (degC) Niederschlags-Veraumlnderung ()40degN

20degN

0deg

20degS

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20degN

0deg

20degS

40degS20degW 20degW0deg 0deg20degO 20degO40degO 40degO60degO 60degO

81 IPCC 2007b

39

asien um bis zu 30 Prozent zuruumlckgehen Eine erhebliche Zunahme der Anzahl hungernder Menschen und wirt-schaftliche Konsequenzen waumlren die Folgen und sogar die nationale Sicherheit einzelner Staaten koumlnnte ge-faumlhrdet werden

Der IPCC projiziert zudem eine Zunahme und Intensivie-rung von Hitzewellen in Ostasien sowie von Starknieder-schlagsereignissen in Suumld- und Ostasien Auch gehen die Klimamodelle von einem zunehmenden Uumlberflutungsri-siko in einigen der Groszligdeltas ndash z B dem Mekong-Delta ndash infolge des steigenden Meeresspiegels aus In Bang-ladesch wuumlrde bereits ein Meeresspiegelanstieg von ei-nem Meter dazu fuumlhren dass etwa drei Millionen Hektar Land dauerhaft uumlberflutet waumlren Fuumlr 15 bis 20 Millionen wuumlrde dies den Verlust ihrer Heimat bedeuten

n Lateinamerika

Lateinamerika und die Karibik stellen nicht nur hinsicht-lich der groszligen oumlkologischen Reichhaltigkeit sondern auch bezuumlglich der kulturellen Vielfalt eine auszligerge-woumlhnliche Region dar Es ist jedoch auch eine Region in der 44 Prozent der Bevoumllkerung in Armut lebt und wo die Ungleichheit in der Vermoumlgensverteilung zu den Houmlchsten weltweit gehoumlrt Diese Charakteristika ma-chen Lateinamerika und die Karibik zu einer der ver-wundbarsten Regionen uumlberhaupt

Waumlhrend fuumlr das suumldliche Suumldamerika eine Erwaumlrmung entlang des globalen Erwartungswerts projiziert wird werden fuumlr Mittelamerika und die noumlrdlichen Regionen Suumldamerikas dagegen deutlich houmlhere Temperaturen er-wartet Am staumlrksten werden sich dabei voraussichtlich die Amazonasregion sowie Nordmexiko waumlhrend der Sommermonate erwaumlrmen Fuumlr das Amazonasbecken wird zusaumltzlich eine Abnahme der Jahresniederschlaumlge um uumlber 30 Prozent und damit einhergehend eine Um-wandlung tropischer Regenwaumllder in Savannen vorher-gesagt (siehe Abbildung 17) Wuumlstenbildung und Ver-salzung von landwirtschaftlichen Nutzflaumlchen koumlnnten schon innerhalb der kommenden Jahrzehnte zu einem Ruumlckgang der Ertraumlge wichtiger Nutzpflanzen und zu einer Verminderung der Viehhaltung fuumlhren sowie die Nahrungsmittelsicherheit vieler lateinamerikanischer Regionen und von Millionen Menschen erheblich gefaumlhr-den

n Inseln und Atolle

Durch den steigenden Meeresspiegel koumlnnten schon in wenigen Jahren viele kleine Inselstaaten sowohl in den Tropen als auch in den houmlheren Breiten uumlberschwemmt und von den Landkarten verschwunden sein Fuumlr die Zu-kunft erwartet der IPCC im Zuge des steigenden Mee-resspiegels eine Verstaumlrkung von Uumlberflutungen Sturm-fluten und Kuumlstenerosion Zusaumltzlich werden auch die Gewinnung von Trinkwasser und die landwirtschaftliche

Abb 17 Temperatur und Niederschlagsaumlnderungen in Suumldamerika bis 2100Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestempera-turen und Jahresniederschlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999

Besonders das Amazonasgebiet gilt als besonders gefaumlhrdete Region im Zuge des KlimawandelsQuelle Hamburger Bildungsserver nach IPCC 2007b

5030201510

50

-5-10-15-20-30-50

1007050403530252015100500

-05-10

Temperatur-Veraumlnderung (degC) Niederschlags-Veraumlnderung ()

40

Info-Kasten 4 Womit wir in Deutschland rechnen muumlssen

Klimawandel geschieht nicht nur in anderen Teilen der Welt sondern auch hier in Deutschland ndash und zwar heute In den vergangenen 100 Jahren wurde hierzulande ein Anstieg der durchschnittlichen Jahrestemperatur um 08-10 degC beobachtet Wet- terextreme wie Hitze wellen Starknieder schlags-ereignisse und Winterstuumlrme traten in den letzten zwei Dekaden vermehrt auf

Fuumlr die Zukunft wird fuumlr Deutschland eine Tem-peraturerhoumlhung zwischen 25-35 degC projiziert Mit der houmlchsten Erwaumlrmung ist dabei in den Wintermonaten in Suumld- und Suumldostdeutschland zu rechnen Nach Norden und Westen in Richtung eines mehr maritim gepraumlgten Klimaregimes verringert sich der Temperaturanstieg zwar dennoch wird auch fuumlr die Kuumlstenregionen eine deutliche Erwaumlrmung vorausgesagt Auch fuumlr den Sommer werden die houmlchsten Temperaturen im Suumlden Deutschlands er-wartet

Die Niederschlagsverhaumlltnisse werden sich regio-nal und saisonal veraumlndern In Suumld- Suumldwest- und Nordostdeutschland ist mit einem bis zu 40-prozen-tigen Ruumlckgang der sommerlichen Niederschlaumlge zu

rechnen waumlhrend sich fuumlr die Wintermonate fast im ganzen Land staumlrkere Niederschlaumlge abzeichnen Durch die Trockenheit waumlhrend der Sommermonate sind in Ost- und Suumldwestdeutschland die landwirt-schaftlichen Ertraumlge gefaumlhrdet die Waldbrandgefahr wird sich erhoumlhen und das sommerliche Wasser-angebot geht zuruumlck Auch die Haumlufigkeit von Hitzewellen wird sehr wahrscheinlich zunehmen

Ferner gilt als sicher dass die Gletscher in den Alpen infolge der Temperaturerhoumlhung weiter an Volumen verlieren werden Nach neuesten Einschaumltzungen koumlnnte bei einem sommerlichen Temperaturanstieg von 3 degC etwa 80 Prozent der 1990 noch vorhande-nen Eismasse bis 2100 verloren gehen Wenn die Sommertemperaturen um 5 degC steigen waumlren die Alpen gegen Ende des Jahrhunderts praktisch eisfrei Auch ist davon auszugehen dass die Winterstuumlrme in Norddeutschland zunehmen werden

An Deutschlands Kuumlsten wird der Meeresspiegel im globalen Vergleich uumlberdurchschnittlich stark an-steigen Dafuumlr sorgen zum einen eine staumlrkere Erwaumlr-mung aber auch eine anhaltende Landabsenkung als Spaumltfolge der ausklingenden Kaltzeit83

Nutzung der Boumlden durch die Versalzung des Grundwas-sers und der Boumlden infolge des steigenden Meerwassers immer schwieriger werden Aus diesem Grund mussten innerhalb der letzten Jahre bereits 3000 Einwohner des pazifischen Inselstaates Tuvalu ihre Heimat verlassen

ndash Hunderttausende auf anderen Inseln werden ihnen folgen muumlssen sollte der zukuumlnftige Anstieg des Mee-resspiegels nicht innerhalb der kommenden Jahrzehnte gebremst werden82

82 Warner K 200983 Germanwatch 2007

41

Extreme Nieder schlaumlge und Uumlber schwemshymungen haben auch in Europa und Deutschshyland in den letzten Jahren immer wieder zu enormen wirtschaft lichen Schaumlden gefuumlhrt wie hier in Steyr Oumlsterreich

In Deutschland wird mit einem Anstieg der Niederschlaumlge im Winter gerechnet

Foto

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42

Wie gezeigt wurde greift der Mensch durch sein Handeln massiv in die chemische Zusammensetzung der Atmosphaumlre ein und ist somit der Hauptverursacher fuumlr den sich verstaumlrkenden Treibhauseffekt der Erde Allerdings war und ist der Beitrag der verschiedenen Staaten und ihrer Bewohner zum Klimawandel sehr ver-schieden ndash v a wegen ihrer unterschiedlichen wirt-schaftlichen sozialen und technologischen Situationen

51 Welche Laumlnder sind die Hauptverursacher von Treibhaus-gasemissionen

Die Frage welche Laumlnder fuumlr welche Mengen an Emissionen verantwortlich sind stellt sich sowohl fuumlr die Vergangenheit als auch fuumlr die Gegenwart und die Zukunft Aus zwei Gruumlnden ist der Blick in die Vergangenheit besonders wichtig Erstens ist CO2 ein uumlber Hunderte Jahre wirksames Treibhausgas d h die Frage nach der Verantwortung fuumlr den heute bereits sichtbaren globalen Klimawandel findet ihre Antwort in den kumu-lierten Emissionen des letzten Jahrhunderts Zweitens ha ben diejenigen Laumlnder die in der Vergangenheit be-sonders viel Energie nutzten ndash vor allem Kohle Oumll und Gas ndash und damit besonders hohe Treibhausgasemissio-nen zu verzeichnen hatten von diesem Verhalten pro-fitiert da sie Infrastruktur Produktionsanlagen und

Kapital aufgebaut haben Dieser Reichtum verschafft ihnen einen deutlich groumlszligeren Handlungsspielraum heute in die Entwicklung und Verbreitung klimafreund-licher Energietechnologien zu investieren als es in ar-men Laumlndern der Fall ist Letz tere erheben hingegen einen Anspruch auf nachholende Entwicklung mit ho-hem Wirtschaftswachstum und erwarten dass sie die Zusatzkosten fuumlr klimafreundliche Technologien vom Norden ganz oder teilweise finanziert bekommen Hieraus ergibt sich die groszlige klimapolitische Heraus-forderung zur Loumlsung des Klimaproblems (s Kapitel 6)

Wenn man die durch den Menschen verursachten CO2-Emissionen des letzten Jahrhunderts betrachtet sind die Industrielaumlnder die Hauptverursacher des anthropoge-nen Treibhauseffekts (siehe Abbildung 18) Mehr als die Haumllfte (58 Prozent) entfielen zwischen 1900 und 1999 allein auf Europa und die USA auf das Konto der ehema-ligen Sowjetunion weitere 137 Prozent Die Gesamtheit der Entwicklungslaumlnder wo rund 80 Prozent der Welt-bevoumllkerung leben war hingegen nur fuumlr 21 Prozent der angehaumluften CO2-Emissionen verantwortlich (siehe Ab-bildung 18) Die Aumlrmsten rund 800 Millionen Menschen vereinen sogar historisch gesehen weniger als 1 Prozent aller kumulierten CO2-Emissionen des 20 Jahrhunderts auf sich84 Natuumlrlich aumlndert sich dieses Bild immer mehr und die Gewichte werden sich zukuumlnftig staumlrker ver-schieben ndash hin zu einem groumlszligeren Beitragsanteil auf Seiten der sogenannten Entwicklungslaumlnder

5 Die Verursacher des Klimawandels

Die Industriestaaten tragen die historische Hauptverantwortung fuumlr den KlimawandelQuelle Eigene Darstellung nach World Resources Institute 2002

Suumld- und Mittelamerika38

Mittlerer Osten26

Afrika25

Europa277

Russland137

Japan37 Kanada

23

Australien11

China Indien und Ent -wicklungslaumlnder Asiens122

USA303

Entwicklungs-laumlnder21

Abb 18 Kumulierte energiebedingte CO2-Emissionen 1900-1999

84 Global Carbon Project 2009

43

Quelle Eigene Darstellung nach US Energy Information Administration wwweiadoegov

52 Absolute und Pro-Kopf-Emissionen heute

Historisch gesehen haben die USA insgesamt durch ihre kumulierten CO2-Emissionen mit Abstand am meisten zum Klimawandel beigetragen Auch im Jahr 2007 gin-gen fast 20 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoszliges noch auf ihr Konto Einzig Chinas Anteil welcher seit 2007 den der USA uumlberholt hat ist noch groumlszliger (208 Prozent) Das Reich der Mitte stoumlszligt mit seinen gut 13 Milliarden Ein-wohnern heute etwa so viel CO2 aus wie die 15 Laumlnder der alten EU mit ihren rund 380 Millionen Einwohnern Tendenz stark ansteigend Damit sind die beiden Ver-schmutzungs-Spitzenreiter China und USA zusammen fuumlr mehr als 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoszliges verantwortlich (siehe Abbildung 19) Ein anderes Bild ergibt sich wenn die CO2-Emissionen aus veraumlnderter Landnutzung die insbesondere Entwaldungsprozesse beinhaltet in der Statistik beruumlcksichtigt werden Dem-nach waumlren nach China den USA und der EU Indonesien und Brasilien die viert- und fuumlnftgroumlszligten Emittenten Ursachen sind in beiden Laumlndern die groszligflaumlchigen Ro-dungen der tropischen Regenwaumllder

Deutschland konnte zwar innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte auch aufgrund der Wiedervereinigung und des damit einhergegangenen Zusammenbruchs der Schwer industrien in der ehemaligen DDR seinen Aus-stoszlig deutlich reduzieren zaumlhlt allerdings nach wie vor zu den weltweit groumlszligten CO2-Emittenten Zum Vergleich Der gesamte afrikanische Kontinent mit rund einer Mil-

liarde Einwohnern traumlgt gegenwaumlrtig etwa so viel zum globalen Treibhausgasausstoszlig bei wie Deutschland mit seinen rund 82 Millionen Einwohnern Dabei sind nur vier Laumlnder naumlmlich Suumldafrika Aumlgypten Nigeria und Algerien fuumlr mehr als drei Viertel der afrikanischen Emis-sionen verantwortlich Werden diese herausgerechnet liegt der Anteil der restlichen afrikanischen Staaten am weltweiten CO2-Ausstoszlig unter einem Prozent

Waumlhrend in einigen Industrielaumlndern die CO2-Emissio-nen innerhalb der letzten zwei Dekaden stabilisiert bzw reduziert wurden stiegen sie insbesondere in den gro-szligen Schwellenlaumlndern der Welt deutlich weiter

Der Vergleich der historischen Emissionen mit dem ak-tuellen CO2-Ausstoszlig der weltweit groumlszligten Emittenten

Abb 19 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen 1992-2009

Der Autoverkehr ist eine weltweit nach wie vor wach-sende Quelle von CO2-Emissionen Foto Dietmar Putscher

ChinaUSAIndienRusslandJapanDeutschlandBrasilien

19921993

19941995

19961997

19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

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9000

8000

7000

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1000

0

Jahr

44

verdeutlicht den wachsenden Beitrag der Schwellenlaumln-der vor allem Chinas aber auch Indiens zum Klimawan-del Aber auch in den meisten Entwicklungslaumlndern stei-gen die Treibhausgasemissionen gegenwaumlrtig rasant an

Auch wenn einige Schwellenlaumlnder bei den absoluten CO2-Emissionen vorne liegen so kommen bei den Pro-Kopf-Emissionen ausschlieszliglich Industrielaumlnder auf die vorderen Plaumltze

Waumlhrend in der Statistik der absoluten CO2-Emissionen vor allem populationsstarke Laumlnder auf den vorderen Raumlngen zu finden sind aumlndert sich die Rangfolge wenn der Pro-Kopf-Ausstoszlig betrachtet wird Eine solche Be-trachtungsweise ist insbesondere unter dem Gesichts-punkt der Klimagerechtigkeit und entsprechend der weltweit gemeinsamen aber individuell sehr unter-schiedlichen Verantwortlichkeit fuumlr Ursache und Loumlsung des Klimaproblems von Bedeutung

Abbildung 20 zeigt die Pro-Kopf-Emissionen zwischen 1990 bis 2007 fuumlr ausgewaumlhlte Laumlnder Hier liegen die USA und Kanada mit ca 191 bzw 174 t CO2 im Jahr 2007 deutlich vorn Zu beachten ist allerdings dass ei-nige der arabischen Golfstaaten noch weit houmlhere Pro-Kopf-Werte haben so liegt der Wert in Katar bei ca 60 Tonnen pro Jahr85 In Deutschland und Russland sind mit dem deutlichen Gesamtruumlckgang der absoluten Emis-sionen auch sinkende Pro-Kopf-Emissionen verknuumlpft Nichtsdestotrotz produziert jeder Deutsche im Durch-

schnitt immer noch etwa 97 t CO2 pro Jahr Die Betrach-tung der Pro-Kopf-Werte relativiert die hohen Gesamt-emissionen der beiden bevoumllkerungsreichsten Laumlnder China und Indien Dort werden die Emissionen allerdings uumlberwiegend von einer Minderheit der jeweiligen Bevoumll-kerung erzeugt So werden in China nur etwa 20 Prozent der Bevoumllkerung der globalen Konsumentenklasse zuge-ordnet die durch einen konsum- und ressourcenintensi-ven Lebensstil erhebliche CO2-Emissionen verursacht86 Der Vergleich mit Afrika macht die Pro-Kopf-Verantwor-tung am globalen Treibhauseffekt noch deutlicher Waumlh-rend ein Deutscher pro Jahr durchschnittlich 97 Tonnen CO2 verursacht liegt ein Kenianer nur bei 03 Tonnen

53 Emissionen nach Sektoren

Die derzeitige Erwaumlrmung ist auf eine Reihe von Emissi-onsquellen zuruumlckzufuumlhren Im Folgenden wird zunaumlchst die globale Ebene87 betrachtet bevor auf die Verhaumlltnis-se in Deutschland Bezug genommen wird Hauptfaktor fuumlr den weltweiten Ausstoszlig an Treibhausgasen stellte im Jahr 2004 die Energieversorgung mit ca 259 Prozent vor dem Industriesektor mit 194 Prozent dar88 Eine eindeutige Abgrenzung ist jedoch nicht ganz einfach da die Industrie auch einen groszligen Teil des Stroms aus der Energieversorgung nutzt Darauf folgen der Forst-sektor mit 174 Prozent ndash vor allem durch die Zerstoumlrung von Waumlldern in tropischen Regionen wie Brasilien oder Indonesien ndash und die Landwirtschaft mit 135 Prozent

Quelle Eigene Darstellung nach wwweiadoegov (so)

Abb 20 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen pro Einwohner zwischen 1992 und 2009 fuumlr neun ausgewaumlhlte Laumlnder

19921993

19941995

19961997

19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

20082009

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Jahr

85 wwweiadoegov86 GardnerAssadourianSarin 200487 Quelle fuumlr alle Daten hierzu IPCC 2007e

88 IPCC 2007e 2004 ist das letzte Jahr fuumlr das der 4 IPCC-Sachstandbericht alle sechs Kyoto-Gase umfassende Analysen enthaumllt Bei Betrachtung nur der energiebedingten Emissionen sind auch neuere Daten verfuumlgbar

45

Der Verkehrssektor verzeichnet mit 131 Prozent eben-falls enorme Wachstumsraten die vor allem auf den Anstieg im internationalen Schiffs- und Flugverkehr zu-ruumlckzufuumlhren sind

Von den gesamten anthropogenen Treibhausgasemis-sionen die fuumlr die Erderwaumlrmung verantwortlich sind stand CO2 im Jahr 2004 mit einem Anteil von 63 Prozent an vorderster Stelle Der Groszligteil dieser CO2-Emissionen ist energiebedingt aber auch die Freisetzung von CO2 durch die Zerstoumlrung von Waldgebieten (z B durch die Rodung tropischer Regenwaumllder) spielt eine groszlige Rolle Sie ist mit umgerechnet ca 6 Milliarden Tonnen jaumlhrlich freigesetztem CO2 nach dem Verbrennen von fossi-len Energietraumlgern global betrachtet die zweitgroumlszligte CO2-Quelle In vielen Entwicklungslaumlndern stellt sie die groumlszligte Emissionsquelle dar z B in Indonesien mit 834 Prozent und in Brasilien mit 62 Prozent Hauptursache der Waldzerstoumlrung sind landwirtschaftliche Aktivitaumlten wie die Gewinnung von Acker- und Weideflaumlche durch Brandrodung Problematisch ist vor allem die groszligflaumlchi-ge Rodung fuumlr Monokulturen zur Gewinnung von Palm-oumll Zuckerrohr und Soja die auch fuumlr den europaumlischen Markt als Futtermittel oder Agrotreibstoff produziert werden

Der uumlberwiegende Anteil an den weltweiten menschge-machten Methanemissionen entsteht durch Nassreis-feldanbau und Rinderzucht89 In diesem Zusammenhang kann man auch die Frage aufwerfen ob alle Emissionen prinzipiell als qualitativ gleichwertig anzusehen sind oder ob unterschieden werden muss zu welchem Zweck die Emissionen verursacht werden So sollten beispiels-weise die Emissionen die durch Freizeitreiseverkehr

Das Abholzen des Regenwaldes (hier in Brasilien) stellt eine groszlige Gefahr sowohl fuumlr das globale Klima als auch fuumlr die regionale Wirtschaft dar Foto Uwe Bauch pan-thermedianet

89 IPCC 2007a

Der groszlige Anteil des Energiesektors am CO2-Ausstoszlig in Deutschland verdeutlicht das Potenzial von Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz Quelle Umweltbundesamt 2010

Abb 21 Entwicklung der THG-Emissionen in Deutschland nach Sektoren 1990 bis 2008

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19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

2008

Oslash2008-2012

Ziel 2020

Basisjahr

uumlbrige Emissionen

Haushalte

Verkehr

Gewerbe HandelDienstleistungen

Industrie

Landwirtschaft

Energiewirtschaft

Treibhausgasemissionen ndash Summe

-21 gegenuumlber

Basisjahr

-40 gegenuumlber

1990

493 493 474 471 459 467 474 477 483 480 476 481 491 468

85 8785 84 85 84 84 81 79 81 80 78 77

81

138 135 136 121 113 116 110 106 111 117 112 115 119 116

55 6556 54 50 46 53 50 42 41 41 41 35 42

179 178179 182 187 183 178 176 170 169 161 157 154 154

130 144139

133121 119 132 122 123 114 112 114 89 108

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44

3935 33

30 28 26

1121 11401104

10781044 1043 1058 1037 1031 1022 1001 1003 981 982

1232 1249

974

749

46

Germanwatch hat mit dem sogenannten Klima schutz- Index ein Instrument entwickelt das die Emissions-entwicklung das Emissionsniveau sowie die Klima-schutzpolitik der Hauptemittenten transparent gegen-uumlberstellt Der Index fungiert als Vergleichsinstrument zwischen den einzelnen Staaten und soll zu effizi-enterem Klimaschutz animieren Tabelle 4 zeigt das Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011 der im Dezember 2010 bei der Klimakonferenz von Cancuacuten vorgstellt wurde Da bisher kein Land ausreichend ambitioniert zur Vermeidung eines gefaumlhrlichen Klimawandels beitraumlgt blieben auch in diesem Jahr die ersten drei Plaumltze des Rankings unbe-setzt

Bei vielen der weltweit groumlszligten CO2-Emittenten spielt Klimaschutz nach wie vor hinter der wirtschaftlichen Entwicklung eine nachrangige Rolle obwohl es ein wachsendes Bewusstsein dafuumlr gibt dass gerade im Klimaschutz auch groszlige wirtschaftliche Potenziale lie-gen

(Luxus-Emissionen) entstehen anders bewertet werden als der Methanausstoszlig den asiatische Bauern durch den fuumlr sie uumlberlebensnotwendigen Reisanbau verursachen (Uumlberlebens-Emissionen)

In Deutschland ist die Energiewirtschaft der Hauptver-ursacher von CO2-Emissionen Aber auch im produzie-renden Gewerbe und im Transportsektor fallen viele Emissionen an Mehr als die Haumllfte der Transportemis-sionen entfallen dabei auf den Automobilverkehr Mit deutlich mehr als 80 Prozent hat CO2 unveraumlndert den groumlszligten Anteil an den deutschen Treibhausgasemissio-nen90

54 Trends bei den Treibhausgas-emissionen

Gerade beim wichtigsten durch den Menschen ver-ursachten Treibhausgas dem Kohlendioxid war der Wachstumstrend auf globaler Ebene in den letzten Jah-ren ungebrochen Zwischen 2000 und 2008 haben sich die weltweiten CO2-Emissionen um 29 Prozent von rund 7 Gigatonnen Kohlenstoff auf rund 9 Gigatonnen seit 1990 (dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls) sogar um 41 Prozent erhoumlht Da 1 kg Kohlenstoff 367 kg CO2 ent-spricht erhoumlht sich der atmosphaumlrische CO2-Gehalt mo-mentan um rund ca 33 Gigatonnen CO2 jaumlhrlich Fuumlr den Zeitraum 2000 bis 2008 betrug der Emissionszuwachs 34 Prozent (insgesamt 19 ppm pro Jahr) im Vergleich zu 10 Prozent (insgesamt 15ppm) im Zeitraum 1990-1999 (siehe Abbildung 22) Seit 2005 hat die Verbrennung von Kohle dabei Oumll als groumlszligte gegenwaumlrtige Treibhausgas-quelle abgeloumlst91

In fast allen Weltregionen ist ein deutlicher Anstieg der Emissionen in dem besagten Zeitraum zu beobach-ten wobei beachtet werden muss dass dieser auf stark unterschiedlichen Ausgangsniveaus aufbaut Waumlhrend sich der Anstieg des Emissionsausstoszliges in den Indus-trie laumlndern im Durch schnitt jedoch verlangsamt hat ha-ben die Entwicklungslaumlnder mittlerweile den schnellsten Anstieg zu verzeichnen92 Rund ein Viertel des Wachs-tums der CO2-Emissionen in den Entwicklungslaumlndern resultiert allerdings aus den Produkten die sie fuumlr an-dere Staaten vor allem die Industrielaumlnder herstellen Es sind insbesondere die exportorientierten Industrien dieser Laumlnder die es einerseits den Laumlndern des globa-len Nordens ermoumlglichen in den Entwicklungslaumlndern produzierte Guumlter zu konsumieren die andererseits maszliggeblich zu den Emissionssteigerungen der letzten Jahren beigetragen haben

Innerhalb der letzten Dekade hat sich der Anstieg der CO2-Emissionen beschleunigt Quelle Le Queacutereacute C et al 2009

Abb 22 Anstiegsrate der CO2-Emissionen

1990 2000 2010

Wachstumsrate 10 pro Jahr

Emis

sion

en a

us fo

ssile

n En

ergi

en

(in G

t CJ

ahr)

9

8

7

6

Wachstumsrate 34 pro Jahr

90 Umweltbundesamt 201091 Global Carbon Project 200992 Global Carbon Project 2009

47

Infokasten 5 Wirtschaftskrise Klimaschutz und bdquogruumlneldquo Konjunkturprogramme

Weltwirtschaft und Treibhausgasausstoszlig sind eng miteinander verknuumlpft Vor diesem Hintergrund hat die Finanz- und Wirtschaftskrise auch ihre gu-te Seite Durch das verringerte Wachstum bei der Industrieproduktion ist es weltweit zu einem ent-sprechenden Ruumlckgang der energiebedingten CO2-Emissionen seit 2008 gekommen Laut den Messungen des Global Carbon Projects einer internationalen Forschungsinstitution die die Entwicklung des glo-balen Kohlenstoffkreislaufs uumlberwacht stieg zwar die atmosphaumlrische CO2-Konzentration auch im Jahr eins der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise um 18 Prozent gegenuumlber 2007 weiter an doch halbierte sich die Anstiegsrate gegenuumlber den Vorjahren (34 Prozent) Im Jahr 2009 lagen die globalen energiebe-dingten Emissionen unter denen des Vorjahres vor allem durch einen Ruumlckgang in den Industrielaumlndern93 In der EU und Deutschland war der Effekt besonders ausgepraumlgt Nach Berechnungen der EU-Kommission ist es jedem europaumlischen Mitgliedsstaat gelungen seine CO2-Emissionen gegenuumlber dem Vorjahr zu ver-ringern Allein Deutschland konnte einen Ruumlckgang seiner energiebedingten CO2-Emissionen um fast 8 Prozent verzeichnen94

Insgesamt bewegt sich der gegenwaumlrtige Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre allerdings immer noch im oberen Bereich der IPCC-Szenarien und wird sich noch verschlimmern sollte der Wachs-

tumsmotor der Weltwirtschaft kuumlnftig wieder an-springen

Es muss angenommen werden dass erneute Investitionen in weitgehend alte Strukturen und Produkte die groszligen Anteil am Kollaps des Welt-finanz systems hatten sich abermals als nicht nach-haltig erweisen werden ndash weder fuumlr die Oumlkonomie noch fuumlr die Oumlkologie Eine nachhaltige Loumlsung der Doppelkrise von Wirtschafts- und Klimasystem wird nur durch einen Investitionszyklus gelin-gen dessen Ziel eine umfassende und vor allem an Nachhaltigkeitsprinzipien orientierende Erneuerung von Wirtschaft und Gesellschaft ist Durch den Einsatz der milliardenschweren Konjunkturpakete zur Wiederbelebung der Weltwirtschaft bietet sich eine solche Chance beide Krisen mit einer Klappe zu schlagen Investitionsanreize fuumlr Energie- und Ressourceneffizienz Erneuerbare Energien und so-zial gerechte Strukturen koumlnnten im Rahmen eines bdquoNew Green Dealsldquo die Weltgemeinschaft gestaumlrkt aus der Finanz- und Wirtschaftskrise hervorgehen las-sen und gleichzeitig den Weg zu einem emissionsfrei-en Wohlstandsmodell bereiten Uumlberraschenderweise haben waumlhrend der Wirtschaftskrise Laumlnder wie China und Suumldkorea zu den Laumlndern gehoumlrt die ihre Konjunkturpakete am staumlrksten auf die Foumlrderung bdquogruumlner Technologienldquo ausgerichtet haben und damit zu einer Trendwende beitragen koumlnnten95

Tabelle 4 Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011

Deutschland 7 (7) 274 273 368 123

Groszligbritannien 8 (6) 174 170 288 092

Indien 10 (9) 486 506 675 1705

Korea Rep 34 (41) 171 185 178 073

Japan 38 (35) 392 404 563 191

Russland 48 (45) 542 560 259 212

Iran 52 (38) 172 165 092 108

USA 54 (53) 1905 1862 1839 455

China 56 (52) 2229 1737 1731 1993

Kanada 57 (59) 188 217 164 050

Summe 6533 6079 6157 5002

copy Quelle Burck 2010energiebedingten

Klimaschutz-Index Platzierung

2011 (2010)

Land Anteil an den weltweiten CO2 -

Emissionen

Anteil am welt-weiten Primaumlr-

energieverbrauch

Anteil am welt-weiten Brutto-inlandsprodukt

Anteil an der Erd -

bevoumllkerung

93 Heinzerling 201094 wwwag-energiebilanzende95 EdenhoferStern 2010

48

Der weltweite CO2-Ausstoszlig haumlngt sehr eng zusammen mit dem globalen Wirtschaftswachstum Quelle Aktualisiert und vereinfacht nach Raupach M et al 2007

Abb 23 Weltweite Entwicklung von Emissionsfaktoren

55 Ursachen fuumlr Veraumlnderungen des CO2-Ausstoszliges

Fuumlr die energiebedingten CO2-Emissionen eines Landes spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle die Zahl der Einwohner die Produktivitaumlt der Volkswirtschaft die Energieintensitaumlt und der Anteil fossiler Energietrauml-ger bei der Bereitstellung von Energie In eine Formel gepackt lassen sich daher die energiebedingten CO2-Emissionen in Marktwirtschaften errechnen als

CO2-Emissionen = Bevoumllkerung x Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf x Energienutzung pro BIP-Einheit x CO2-Ausstoszlig pro Energieeinheit

Moumlchte man ihren zukuumlnftigen Verlauf beeinflussen er-geben sich somit vier Ansatzpunkte Dies gilt gleicher-maszligen fuumlr den Ruumlckblick in die Vergangenheit In den verschiedenen Laumlndern der Welt lassen sich jeweils un-terschiedliche Entwicklungen bei der Veraumlnderung die-ser Faktoren beobachten und ebenso unterschiedliche Erklaumlrungen dafuumlr benennen

So ist beispielsweise der absolute CO2-Ausstoszlig in Deutschland und Groszligbritannien gesunken Der Ruumlck-gang laumlsst sich hier mit einer deutlichen Erhoumlhung der Energieproduktivitaumlt (d h einem verringerten Energie-bedarf pro BIP-Einheit) sowie einer Verringerung der CO2-Intensitaumlt in der Energieversorgung bei stagnieren-der Bevoumllkerungszahl und einem nur moderaten Anstieg des BIP erklaumlren Im Falle von Deutschland wurden etwa 10 Prozent der Emissionen dadurch eingespart dass viele ineffiziente Produktionsanlagen aus der DDR-Zeit stillgelegt und zum Teil durch sehr moderne Anlagen er-setzt wurden Zusaumltzlich wurden aber auch viele weitere Maszlignahmen fuumlr Energieeffizienz und die Nutzung von Erneuerbaren Energien umgesetzt etwa das bdquoErneuer-bare-Energien-Gesetzrdquo (EEG) im Strombereich

In Suumldafrika Indien und den USA hat der CO2-Ausstoszlig hingegen seit 1990 deutlich zugenommen Gleichzeitig sind sowohl in Suumldafrika und Indien als auch in den USA das Bruttosozialprodukt und die Bevoumllkerungszahl deut-lich angestiegen Indien weist eine leichte Verbesserung der Energieproduktivitaumlt auf aber eine relativ deutliche Erhoumlhung des CO2-Ausstoszliges pro Energieeinheit Dies laumlsst sich mit dem verstaumlrkten Einsatz von Kohle und mit einem Wachstum des Verkehrs erklaumlren Der CO2-Ausstoszlig Chinas hat sich seit 1990 mehr als verdreifacht waumlhrend sich das Bruttoinlandsprodukt in Kaufkraftpa-ritaumlten mehr als verzehnfacht hat Diese relative Ent-kopplung des CO2-Ausstoszliges vom Wirtschaftswachs-tum zeugt von einer signifikanten Verringerung der Energieintensitaumlt der Wirtschaft Die CO2-Intensitaumlt der Energienutzung hat sich hingegen trotz umfangreicher Modernisierung und damit verbundener Effizienzver-

besserung zahlreicher Kohlekraftwerke leicht erhoumlht96

Auch wenn China zudem immer staumlrker die Erneuerbaren Energien foumlrdert ist die CO2-Intensitaumlt pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts heute immer noch deutlich houmlher als die Indiens97

Wirft man erneut einen Blick auf die Faktoren in der obi-gen Gleichung so liegen fuumlr die Zukunft groszlige Potenzi-ale einerseits in der Verringerung der Energienutzung pro BIP-Einheit z B durch effizientere Fahrzeuge spar-samere Produktionsanlagen etc und andererseits im CO2-Ausstoszlig pro Energieeinheit z B durch Kraft-Waumlr-me-Kopplung und Nutzung von weniger CO2-intensiven Energietraumlgern bis hin zu Erneuerbaren Energien Wer-den diese beiden Faktoren optimiert so kann selbst bei einem Anstieg von Wirtschaftsleistung und Bevoumllkerung der CO2-Ausstoszlig deutlich verringert werden

Auch auf globaler Ebene laumlsst sich ermitteln welche Faktoren die CO2-Emissionen wie stark beeinflussen (siehe Abbildung 23) Wie bereits in Kapitel 2 aufgezeigt wurde ist der atmosphaumlrische CO2-Gehalt innerhalb der letzten Jahre stark angestiegen (schwarze Linie) Verant-wortlich fuumlr diesen Anstieg sind vor allem die innerhalb der vergangenen Jahre stark gewachsene Weltwirtschaft (gruumlne Linie) und deren erhoumlhte Verwendung fossiler Brennstoffe Waumlhrend lange Zeit die Weltwirtschaft im-mer effizienter wurde ndash die Kohlenstoffintensitaumlt (blaue Linie) die sich auf die pro oumlkonomischer Einheit ausge-stoszligene Menge CO2 bezieht ist stetig zuruumlckgegangen ndash hat sich dieser Trend in den letzten Jahren umgekehrt bzw verlangsamt wozu auch viele neue Kohlekraftwer-

Welt

EmissionenBevoumllkerungBIP pro KopfKohlenstoffintensitaumlt pro BIP

1980 1990 2000 2010

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96 Harmeling et al 200797 Vgl auch Germanwatch 2008

49

ke in Indien und China beigetragen haben Mittlerweile sind diese Trendumkehr mit etwa 17 Prozent sowie das Wachstum der Weltwirtschaft mit 65 Prozent die bei-den Hauptursachen warum die Emissionen seit 2000 ca dreimal so schnell steigen wie im Jahrzehnt zuvor98 Faktisch fuumlhrt damit jedes Wirtschaftswachstum wel-ches nicht vom Verbrauch fossiler Rohstoffe entkoppelt ist zu steigenden Emissionen Dies macht die Dringlich-keit einer Klimapolitik die wirtschaftliche Entwicklung mit sinkenden Emissionen vereint umso deutlicher

Ebenso problematisch ist jedoch dass mit den steigen-den Emissionen der Weltwirtschaft gleichzeitig auch die Faumlhigkeit natuumlrlicher Senken zur Aufnahme von CO2 abnimmt So scheinen insbesondere die Meere dazu bei-zutragen dass die Erde momentan ihre Kapazitaumlten zur eigenstaumlndigen Erholung zu verlieren droht Waumlhrend noch vor fuumlnfzig Jahren rund 60 Prozent des vom Men-schen ausgestoszligenen CO2 durch natuumlrliche Senken auf-genommen wurden hat sich der Anteil mittlerweile auf

Waumlhrend Boumlden und Landvegetation als CO2-Senken relativ stabil geblieben sind hat die Aufnahmefaumlhigkeit der Meere fuumlr CO2 innerhalb der letzten 50 Jahre abge-nommen Quelle Canadell JG et al (2007)

Abb 24 Anteil der anthropogenen CO2-Emissionen der in der Atmos-phaumlre und im Ozean verbleibt

Atmosphaumlre

55 Prozent verringert wodurch der verbleibende Emis-sionsanteil auf 45 Prozent angestiegen ist (siehe Abbil-dung 24) Rund 18 Prozent des ploumltzlichen Anstiegs der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre gehen mittler-weile auf die schwindenden Kohlenstoffsenken zuruumlck

Besonders betroffen ist dabei die Aufnahmekapazitaumlt der suumldlichen Ozeane wo erste Saumlttigungstendenzen und eine bereits durch die Klimaerwaumlrmung verursachte Veraumlnderung der Westwinde zur Schwaumlchung der mari-timen Kohlenstoffsenke und somit maszliggeblich zum An-stieg des verbleibenden Emissionsanteils in der Atmo-sphaumlre beitragen (siehe Abb 24) Aber auch die fuumlr eine waumlrmere Welt typische Zunahme von Trockenperioden in den letzten Jahren (bspw die Hitzewelle 2003 in Eu-ropa) hat regional zur Abnahme der weltweiten Senken-faumlhigkeit und somit zur Erhoumlhung der atmosphaumlrischen CO2-Konzentration beigetragen

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Ozean

98 Canadell JG et al 2007

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Tuvalu gehoumlrt zu den am staumlrksten vom Meeresspiegelanstieg gefaumlhrdeten Inselshystaaten Auch dort leben viele Menschen in aumlrm lichen Verhaumlltnissen die wenig Schutz vor Extremwetterereignissen wie Pazifikshystuumlrmen bieten

Foto

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Die globale Erderwaumlrmung und somit der Klimawandel sind ndash wie beschrieben ndash zum groumlszligten Teil menschge-macht Ausloumlser ist die mit fossilen Energietraumlgern vor-angetriebene Industrialisierung Um einen gefaumlhrlichen Klimawandel abzuwenden bedarf es daher nicht nur ein-zelner Klimaschutzmaszlignahmen sondern einer industri-ellen und kulturellen Revolution Das heiszligt es geht um den Aufbau eines neuen Wohlstandsmodells das nicht laumlnger auf fossilen Energietraumlgern basiert und nachhal-tige Entwicklung ermoumlglicht eines Wohlstandsmodells bei dem sich unsere Lebensform stark veraumlndert

Der Klimawandel erfordert die Uumlberwindung von Kurz-sichtigkeit in Politik und Wirtschaft Statt dessen sind Weitblick und an langfristigen Zielen orientierte Wei-chenstellungen gefragt Bisher orientieren sich Politik Wirtschaft und jeder Einzelne jedoch haumlufig nur an ihrem kurzfristigen Wahrnehmungshorizont Wenn Politiker nur in Legislaturperioden von vier Jahren denken und die Wirtschaft nur auf den naumlchsten Quartalsbericht blickt so greift die Planung deutlich zu kurz um Erfolge von Klimaschutzmaszlignahmen messen zu koumlnnen Um den glo-balen Temperaturanstieg auf so weit wie moumlglich unter 2 degC zu begrenzen muumlssen Politik Wirtschaft und Buumlr-ger ihre Handlungsfaumlhigkeit anerkennen und langfristi-ge Entscheidungen treffen

Besonders die Wirtschaftskrise hat noch einmal ver-deutlicht wie wichtig nachhaltiges Handeln als Leitbild ist Die Krise sollte daher als Anlass und Chance gese-hen werden jetzt die Weichen fuumlr oumlkologische soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu stellen Das wird Umbruumlche und Zumutungen aber auch Neuaufbruumlche und Chancen mit sich bringen Das Zusammenspiel ei-ner engagierten nationalen und internationalen Klima-politik beide angetrieben durch Vorreiterkoalitionen in Politik Wirtschaft und Zivilgesellschaft spielt eine entscheidende Rolle um diesen Wandel einzuleiten Damit Gelder im notwendigen Ausmaszlig in den Umbau in-vestiert werden bedarf es langfristiger ambitionierter und rechtlich verbindlicher Rahmenbedingungen (bdquolong loud and legalldquo)

61 Internationale Klimagerechtigkeit Klimagerechtigkeit ist eine Art Leitbegriff geworden sowohl fuumlr die internationale Klimapolitik wie auch fuumlr die Aktivitaumlten vieler Akteure der Nord-Suumld-Zusammen-arbeit Was verbirgt sich dahinter

Es ist offensichtlich nicht gerecht dass die Laumlnder die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben am

staumlrksten von seinen Folgen betroffen sein werden Ins-besondere die kleinen Inselstaaten ndash in der Klimapolitik in der bdquoAlliance of Small Islands States (AOSIS)ldquo zusam-mengeschlossen ndash und die am wenigsten entwickelten Laumlnder (die Least Developed Countries LDCs) gelten als besonders verletzliche Laumlndergruppen Daruumlber hin-aus sind auch Laumlnder in anderen Regionen und Millio-nen arme Menschen in den Schwellenlaumlndern massiven Bedrohungen durch den Klimawandel ausgesetzt Die Pro-Kopf-Emissionen in den aumlrmsten Laumlndern sind mit weniger als einer Tonne CO2 pro Jahr in der Regel um ein Vielfaches geringer als z B die in Deutschland oder den USA (s auch Abbildung 20 S 44) Aumlhnlich groszlig ist der Unterschied der Pro-Kopf-Emissionen zwischen den Eli-ten und den besonders betroffenen Personengruppen in diesen Laumlndern

Die Ungerechtigkeit zwischen historischen und heutigen Verursachern einerseits und bereits Betroffenen des Kli-mawandels andererseits spielt v a auch in den interna-tionalen Verhandlungen um ein Post-2012-Abkommen eine zentrale Rolle Es zeigte sich auf der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 dass Vertrauen in internationalen Klimaschutz und entsprechendes Engagement nur wach-sen koumlnnen wenn das Prinzip der gemeinsamen aber dif-ferenzierten Verantwortlichkeit auf drei Dimensionen der internationalen Klimagerechtigkeit erweitert wird

n 1 Die Uumlberlebenssicherung aller Staaten als Minimum jeder Fairness

Fuumlr die von den Folgen des Klimawandels am meisten betroffenen Laumlnder steht bezuumlglich der Gerechtigkeits-frage das Uumlberleben an erster Stelle Deutlich vertrat beispielsweise der Inselstaat Tuvalu auf dem Kopenha-gener Klimagipfel die Position Klimaschutz (und damit das internationale Klimaabkommen) muumlsse so ambitio-niert gestaltet werden dass das Uumlberleben aller ndash also auch der verletzlichsten Staaten und Voumllkergruppen ndash gewaumlhrleistet werde Die LDCs und AOSIS waren es die zuerst die Forderungen aufstellten den globalen Tem-peraturanstieg auf 15 degC gegenuumlber vorindustriellem Niveau zu begrenzen

n 2 Die faire Lastenverteilung fuumlr Klima-schutz und Anpassung

Das emissionsintensive Wohlstandsmodell der Indust-rielaumlnder laumlsst sich aufgrund der Begrenztheit der Res-sourcen auch der Ressource bdquoKohlenstoffsenke Erdsys-temldquo nicht auf die ganze Welt uumlbertragen Gleichzeitig sind die Bekaumlmpfung der Armut und die wirtschaftliche Entwicklung oberste Prioritaumlt der Regierungen ndash insbe-sondere der Entwicklungslaumlnder Von ihnen den Umbau

6 Herausforderungen fuumlr die Klimapolitik

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zu einem neuen noch nirgends praktizierten Wohl-standsmodells zu verlangen waumlhrend die Industrielaumln-dern weiter ihren Wohlstand durch fossile Energietraumlger befeuern wird von den Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern verstaumlndlicherweise als ungerecht empfunden Da es bei der Frage der Lastenverteilung der Emissions-reduktionen vor allem um das Gerechtigkeitsverhaumllt-nis ndash wie kann unter der Beruumlcksichtigung von Gerech-tigkeitspraumlmissen die Verantwortung zur Bekaumlmpfung des Klimawandels fair verteilt werden ndash zwischen den maumlchtigsten Staaten der Erde geht hat diese Frage u a den Klimagipfel in Kopenhagen dominiert

Wenn die notwendigen ambitionierten Klimaziele er-reicht werden sollen muumlssen sich sowohl Industrie- als auch Schwellenlaumlnder zu weitgehenden Klimaschutz-maszlignahmen verpflichten Aus Gerechtigkeitsgruumlnden werden die Industrielaumlnder dabei vorangehen und ihre Treibhausgasemissionen bis Mitte des Jahrhunderts praktisch auf Null reduzieren ndash und zugleich den Umbau sowie die Anpassungsmaszlignahmen in Entwicklungslaumln-dern massiv unterstuumltzen muumlssen

n 3 Die gerechte Beteiligung an den Chancen der klimapolitischen Transformation

Eine ungewoumlhnliche Koalition aus besonders betrof-fenen Staaten (wie den Malediven) Schwellenlaumlndern (wie Suumldkorea) einer wachsenden Zahl von Akteuren aus Industrielaumlndern sowie NGOs und Investoren welt-weit weist zunehmend auf die dritte staumlrker in die Zu-kunft gerichtete Dimension der Gerechtigkeit hin Diese immer mehr an Bedeutung gewinnende Gerechtigkeits-frage stellt sich wenn das globale Rennen zu einer kli-mafreundlichen Weltwirtschaft (mit dem 2-degC-Limit als Leitplanke) tatsaumlchlich die notwendige Dynamik auf-nimmt Dies waumlre die groumlszligte wirtschaftliche Revolution seit der Erfindung der Dampfmaschine um deren Ablouml-sung es jetzt geht Die groszlige Gerechtigkeitsfrage wird dann Wer hat welchen Anteil an den Chancen dieser Neugestaltung der gesamten Energie- Verkehrs- In-dustrie- und Gebaumludeinfrastruktur weltweit Hier wer-den Macht Einfluss und Reichtum fuumlr morgen verteilt Aber auch die soziale und kulturelle Transformation die mit einer Entwicklung zur postfossilen Gesellschaft einhergehen muss birgt Gerechtigkeitskomponenten wie die Neugestaltung von Wertesystemen die nicht vernachlaumlssigt werden sollten Diese Dimension macht auch noch einmal deutlich dass die Wahrnehmung von Klimaschutz als Last (s oben) verkuumlrzt ist Es waumlre unge-recht wenn die Menschen die ndash ohne eigenes Verschul-den ndash vom Klimawandel am heftigsten betroffen sind die Armen auf diesem Planeten auch von neuen Wohl-standsmodell ausgeschlossen werden

Die drei Dimensionen der internationalen Klimagerech-tigkeit muumlssen zusammengefuumlhrt werden um eine nach-haltige Loumlsung durch Dynamik in der Gesellschaft in den Kommunen und in der Wirtschaft weltweit zu entfachen und die Menschen die heute in den aumlrmsten Laumlndern wohnen ebenfalls an den Gewinnen der groszligen Trans-formation teilhaben zu lassen

62 Geschichte der Klimapolitik Von Rio uumlber Kyoto nach Kopen-hagen

Uumlber die Frage wer wann die Treibhausgasemission wie stark verringern soll und welchen Anteil des Kli-maschutzes und der Anpassung an die Klimafolgen in Entwicklungslaumlndern die Industrielaumlnder bezahlen ver-handeln die jeweiligen Laumlnder seit Anfang der 1990er Jahre im Rahmen der 1994 in Kraft getretenen Klimarah-menkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change UNFCCC) In dieser Konvention verpflichteten sich die Industrielaumln-der ndash wenn auch nicht rechtsverbindlich ndash ihre Treibh-ausgasemissionen bis zum Jahr 2000 auf das Niveau von 1990 zu reduzieren Wichtiger jedoch war dass sie den Rahmen fuumlr naumlher auszuhandelnde rechtlich verbind-liche Zusatzvertraumlge (Protokolle) mit weitergehenden und verbindlichen Zielsetzungen schufen Daher auch die Bezeichnung bdquoRahmenkonventionldquo Das Kernziel der Rahmenkonvention ist in Artikel 2 ausgedruumlckt Eine gefaumlhrliche Stoumlrung des Klimasystems durch den Men-schen soll vermieden werden

Auf dem Klimagipfel in Kyoto 1997 wurde das erste voumll-kerrechtlich verbindliche Klimaschutzprotokoll verab-schiedet ndash quasi als Konkretisierung der Klimarahmen-konvention ndash nach Verhandlungen die bis zur letzten Minute aumluszligerst zaumlh und dem Scheitern bis auf Haares-breite nahe waren Das Kyoto-Protokoll enthaumllt fuumlr die beteiligten Industriestaaten Emissionsbegrenzungsziele der wichtigsten Treibhausgase von im Durchschnitt 5 Prozent gegenuumlber 1990 fuumlr den Zeitraum 2008 bis 2012 (die sogenannte bdquoerste Verpflichtungsperiodeldquo) Die EU-Staaten muumlssen ihren Ausstoszlig um durchschnittlich 8 Pro-zent verringern (Deutschland minus 21 Prozent) Japan hat sich zu einer Reduktion um 6 Prozent verpflichtet99 Die US-Regierung hatte ein Reduktionsziel von 7 Pro-zent unterzeichnet aber das Kyoto-Protokoll wurde vom US-Parlament letztlich nicht ratifiziert und trat fuumlr die USA damit nicht in Kraft

In der ersten Verpflichtungsperiode uumlbernahmen nur die Industrielaumlnder rechtlich verbindliche Emissionszie-le Gemaumlszlig dem Grundsatz der bdquogemeinsamen aber dif-ferenzierten Verantwortungldquo liegen die Gruumlnde hierfuumlr

99 Der komplette Vertragstext des Protokolls kann unter httpwwwunfcccintresourcedocsconvkpkpgerpdf abgerufen werden ndash dort sind auch die Emissionsziele aller Industriestaaten im Anhang B verzeichnet Die EU hat ihr 8-Ziel allerdings im bdquoBurden Sharing Agreementrdquo modifiziert so dass manche EU-Staaten staumlrkere und andere schwaumlchere Emissionsziele haben (siehe httpwwwclimnetorgresourceseuburdenhtm und httpwwwgermanwatchorgfolieneu-etfolie003htm)

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vor allem darin dass sie ndash sowohl bezuumlglich der histori-schen Gesamt- als auch der aktuellen Pro-Kopf-Emissio-nen ndash mit Abstand die meisten Treibhausgasemissionen verantworten Hinzu kommt dass sie wirtschaftlich und technologisch leistungsfaumlhiger sind und damit einen groumlszligeren Handlungsspielraum fuumlr Investitionen in Kli-maschutzmaszlignahmen haben

Der Ausstieg der USA aus dem Kyoto-Protokoll unter Praumlsident G W Bush im Maumlrz 2001 war ein herber Ruumlck-schlag aber die internationale Staatengemeinschaft fuumlhrte die Verhandlungen um die Umsetzung des Kyo-to-Protokolls zur Uumlberraschung vieler Beobachter den-noch weiter Die von dem Unternehmerverband e5 dem World Wide Fund for Nature (WWF) und Germanwatch in Gang gebrachte Unternehmerinitiative e-mission55 gab den Verhandlungen in der entscheidenden Phase Ruumlckenwind Uumlber 200 Firmen aus der EU Japan Kana-da und Russland hatten sich unter dem Motto bdquoKyoto into forceldquo (Kyoto in Kraft setzen) zusammengeschlos-sen und damit offen demonstriert dass groszlige Teile der Wirtschaft ndash trotz des Ausscheidens der USA ndash hinter dem Kyoto-Protokoll stehen100 Auf dem Bonner Kli-magipfel im Juli 2001 konnte schlieszliglich eine Einigung uumlber die wichtigsten Streitfragen erzielt werden u a uumlber Detailfragen bezuumlglich der bdquoflexiblen Mechanis-menldquo Der letzte bdquoFeinschliffldquo erfolgte wenige Monate spaumlter auf dem Klimagipfel in Marrakesch Die rechtlich bedeutsamen Ausfuumlhrungsbestimmungen des Kyoto-Protokolls waren nun praumlzise genug ausgestaltet um von den noch zoumlgernden Laumlndern ratifiziert zu werden Fuumlr das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls mussten 55 Staaten die mindestens 55 Prozent der Treibhausgas-emissionen der Industrielaumlnder von 1990 abdeckten das Abkommen ratifizieren Dies wurde erst durch die Rati-fikation Russlands im November 2004 erreicht so dass das Protokoll drei Monate spaumlter am 16 Februar 2005 in Kraft treten konnte

Danach haben die UNFCCC-Verhandlungen insbeson-dere durch die sich aus dem 4 Sachstandsbericht des IPCC ergebende Dringlichkeit im Jahr 2007 an neuer Dynamik gewonnen Beim Klimagipfel im indonesischen Bali (Dezember 2007) wurde die so genannte bdquoBali Road-mapldquo beschlossen bdquoRoadmapldquo deshalb weil sie einen Verhandlungsfahrplan mit dem Ziel einer umfassenden Einigung bis zum Klimagipfel 2009 in Kopenhagen dar-stellte Kern element dieser von allen Mitgliedsstaaten der Konvention mitgetragenen Vereinbarung war der Bali-Aktionsplan101 Er setzte einen intensiven Verhand-lungsprozess zur bdquovollstaumlndigen wirksamen und fort-laufenden Umsetzung der Konvention durch eine lang-fristige kooperative Zusammenarbeit heute bis und jenseits des Jahres 2012ldquo102 in Gang Getragen von der im IPCC-Bericht ausgedruumlckten Dringlichkeit ndash der Ak-tionsplan verweist auf die IPCC-Ausfuumlhrungen dass die Industrielaumlnder ihre Emissionen bis 2020 um 25-40 Pro-

zent gegenuumlber 1990 verringern muumlssten ndash skizzierte er vier Verhandlungsbloumlcke mit jeweils einer Reihe von Un-terthemen Im Zentrum standen dabei gleichgewichtig die Vermeidung von Emissionen (Mitigation) sowie die Anpassung an die Klimafolgen (Adaptation) unterstuumltzt durch Finanzierung und Technologie Fuumlr die Kyoto-Staaten ging es dabei vor allem um die Ausgestaltung der zweiten Verpflichtungsperiode fuumlr den Zeitraum nach 2012 denn es war von Anfang an klar dass Kyoto I (2008 bis 2012) nur ein erster und bei weitem nicht ausreichen-der Schritt sein konnte Fast alle Industriestaaten die Kyoto ratifiziert haben werden aller Voraussicht nach die gesetzten Klimaziele erreichen Nur Kanada verwei-gert das weil sein groszliger Wettbewerber USA nicht mit-macht Eventuell koumlnnte es ndash nach Fukushima ndash auch fuumlr Japan schwierig werden die Klimaziele zu erreichen

Doch hat der IPCC sehr deutlich gemacht dass das 2 degC-Limit alleine durch Klimaschutz in den Kyoto-In-dustrielaumlndern nicht zu erreichen sein wird Ein ganz zentraler Knackpunkt ist daher die Frage zu welcher Art von Verpflichtung sich die USA als damals noch groumlszligter CO2-Emittent und Nicht-Kyoto-Mitglied bereiterklauml-ren wuumlrden und ndash mindestens ebenso wichtig ndash welche Ambition und rechtliche Form der Klimaschutz in den Schwellenlaumlndern und spaumlter auch in anderen Entwick-lungslaumlndern haben wuumlrde Wenngleich der Aktionsplan noch keine Verpflichtung zu Maszlignahmen sondern nur zu Verhandlungen uumlber bestimmte Maszlignahmen darstell-te war er doch maszliggeblich fuumlr den darauf folgenden zweijaumlhrigen Verhandlungsprozess der in der Klimakon-ferenz von Kopenhagen gipfelte

63 Die Klimagipfel von Kopen-hagen und Cancuacuten

Wie nie zuvor bei einer Klimakonferenz richteten sich im Dezember 2009 die Augen der Welt auf Kopenhagen Mit fast 30000 Teilnehmern war es die groumlszligte Klima-konferenz uumlberhaupt Kein anderes Ereignis hat jemals in aumlhnlichem Ausmaszlig dazu beigetragen das Thema auf die Agenda der Regierungschefs weltweit zu setzen Jedoch zeigte sich dass diese hohe Aufmerksamkeit kein Garant fuumlr politischen Erfolg war Zu Beginn der Verhandlungen war bereits klar dass die Chancen auf ein umfassendes rechtlich verbindliches Abkommen in Kopenhagen sehr gering waren Die von den Verhandlern in knapp zwei Jahren ausgehandelten Texte waren umfassend kom-plex und gleichzeitig noch mit Hunderten von Klammern ndash der Ausdruck fuumlr fehlenden Konsens ndash versehen als zunaumlchst die Minister und dann die Staats- und Regie-rungschefs in Kopenhagen eintrafen

Es kam die gesamte politische Fuumlhrungselite der Welt nach Kopenhagen Mehr als 120 Staats- und Regie-

100 Siehe auch Germanwatch 2008101 Der Bali-Aktionsplan kann abgerufen werden unter httpunfcccintresourcedocs2007cop13eng06a01pdfpage=3102 UNFCCC 2007 3

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rungschefs vom US-Praumlsidenten Barack Obama bis hin zu Chinas Ministerpraumlsident Wen Jiabao Von der deut-schen Kanzlerin Angela Merkel bis hin zum Praumlsidenten der Malediven Mohamed Nasheed Der Klimawandel sei bdquoeine der groumlszligten Herausforderungen unserer Zeitldquo heiszligt es dann auch im Kopenhagen-Akkord dem zentra-len Abschlussdokument der Konferenz103 Jetzt sei die Zeit vom Reden zum Handeln uumlberzugehen hatte ein Regierungschef nach dem anderen beschworen Doch mit dem Kopenhagen-Akkord gelang dieser Durchbruch nicht Zum einen da er nur bdquozur Kenntnis genommenldquo und nicht als formelle Entscheidung verabschiedet wurde Denn sowohl aus prozeduralen wie auch aus in-haltlichen Gruumlnden war die Vereinbarung von einigen Laumlndern darunter kleine Inselstaaten wie Tuvalu und la-teinamerikanische Staaten wie Venezuela und Bolivien abgelehnt worden

Schon vor der Konferenz war klar dass drei zentrale Kriterien uumlber Erfolg oder Misserfolg der Konferenz maszliggeblich entscheiden wuumlrden Die Festlegung von Reduzierungszielen die die Erwaumlrmung auf unter 2 Grad oder sogar 15 Grad begrenzen wuumlrden Zusagen fuumlr finanzielle Unterstuumltzung zum Klimaschutz und zur An-passung sowie eine voumllkerrechtlich verbindliche Form des Abkommens In allen Bereichen ist der Kopenhagen-Akkord hinter dem immer dringlicher Notwendigen zu-ruumlckgeblieben

Die Ergebnisse von Kopenhagen muumlssen im Nachhinein in engem Zusammenhang mit dem darauf folgenden Kli-magipfel im mexikanischen Cancuacuten bewertet werden der im Dezember 2010 stattfand Hier ging es vor allem

darum Beschluumlsse von Kopenhagen mindestens auf glei-chem Niveau zu bdquoformalisierenldquo also als offizielle Ent-scheidung durch alle Staaten zu verabschieden in dem klaren Verstaumlndnis dass es eher um eine Absicherung von Minimalverpflichtungen ging als Grundlage fuumlr eine zukuumlnftig groumlszligere Ambition

Was wurde in Cancuacuten im Vergleich zu Kopenhagen er-reicht Schon im Laufe des Jahres 2010 zeichnete sich eine zentrale Grundlage fuumlr die Entscheidungen von Cancuacuten ab naumlmlich die Integration derjenigen Texte die auf Verhandlerebene zu den unterschiedlichsten Themen auch in Kopenhagen diskutiert und in 2010 weiterent wickelt worden waren mit den Inhalten des Kopenhagen-Akkord der von mehr als 140 Laumlndern offi-ziell unterstuumltzt wurde So wurde in Cancuacuten neben vielen Einzelentscheidungen ein umfassendes Dokument auf der Konventionsebene sowie eines auf Kyoto-Ebene an-genommen Die zentralen Ergebnisse waren die folgen-den die maszliggeblich auf den Beschluumlssen von Kopenha-gen aufbauten und zum groszligen Teil in den Folgejahren weiter ausgearbeitet werden muumlssen 104

rarr Es ist gelungen erstmals in einem UN-Konsens der gesamten Staatengemeinschaft das 2 degC-Limit als die Messlatte fuumlr die angestrebten Klimaschutzaktivitaumlten zu verankern Zwar war dies auch schon im Kopenhagen-Akkord enthalten aber eben nicht von allen Staaten formell angenommen worden

rarr Es ist gelungen einige groszlige Klimaschutzpakete zu verabschieden die eigentlich schon in Kopenhagen haumlt-ten verabschiedet werden sollen

Der UN-Klimagipfel 2009 in Kopenhagen Photo IISD

103 S Germanwatch 2009104 Germanwatch 2010a

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nEin Paket zur Anpassung der besonders betroffenen Staaten an die Konsequenzen des Klimawandels Mit dem bdquoCancuacuten Adaptation Frameworkldquo hat man ne-ben grundsaumltzlichen Aspekten wie Prinzipien fuumlr die Umsetzung von Anpassungsmaszlignahmen und einer Liste moumlglicher Aktivitaumlten auch konkrete Prozesse angestoszligen Dazu gehoumlren ein besonderer Unterstuumlt-zungsprozess fuumlr LDCs bei der Anpassungsplanung die Einrichtung einer Institution unter der UNFCCC fuumlr eine kohaumlrentere Behandlung des Themas in den Klimaverhandlungen

nEin Paket zum Schutz des Regenwaldes Aus Kli-maschutzgesichtspunkten ist der Schutz der Waumll-der wegen ihrer Funktion als CO2-Speicher zentral Entwaldung verwandelt den CO2-Speicher in eine CO2-Quelle durch die sich die Temperaturerhoumlhung weiter verschaumlrft Wenngleich in Cancuacuten noch keine konkreten Finanzierungsinstrumente fuumlr den Walder-halt beschlossen wurden hat man sich doch auf wich-tige Grundprinzipien die die soziale und oumlkologische Integritaumlt von Klimaschutz im Waldbereich sichern sollen geeinigt

nEin Paket zur Technologiekooperation das einen Technologiemechanismus unter der UNFCCC beinhal-tet der durch die Etablierung eines Technologie-Ko-mitees und den Aufbau eines Netzwerks von Techno-logiezentren die Technologiekooperation befoumlrdern soll

nEinen Finanzierungsfonds (bdquoGreen Climate Fundldquo) der Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung finanzieren soll Dessen Leitungsgremium (bdquoBoardldquo) wird zur Haumllfte von Industrie- und zur Haumllfte von Ent-wicklungslaumlndern besetzt Mit dem Kopenhagen-Ak-kord hatten die Staats- und Regierungschefs bereits den Weg fuumlr die Gruumlndung dieses Fonds geebnet Jedoch gab es sehr unterschiedliche Vorstellungen daruumlber wie die Verbindung des Fonds zum UNFCCC-Prozess aussehen sollte da insbesondere die USA starke Einwaumlnde gegen einen Fonds unter der Aumlgide des Konventionsprozess hatten Letztendlich hat die Entscheidung einen Mittelweg aufgezeigt Die finan-zielle Groumlszligenordnung steht noch nicht fest jedoch ist klar dass der bdquoGreen Climate Fundldquo nur eine Exis-tenzberechtigung hat wenn er ein sehr viel groumlszligeres Volumen haben wird als bisherige Fonds

nEs ist gelungen die freiwilligen Selbstverpflichtun-gen der Staaten die diese im Kopenhagen-Akkord eingereicht hatten in eine formale UN-Entscheidung zu integrieren Das erhoumlht z B den internationalen Druck auf die US-Regierung trotz politischen Wider-standes zuhause bei ihrem im Kopenhagen-Akkord bestaumltigten nationalen Ziel zu bleiben die Emissionen bis 2020 um 17 Prozent zu senken Eine Entscheidung

eines hohen US-Gerichts in Washington machte prak-tisch zeitgleich mit dem Ende des Cancuacuten-Gipfels den Weg frei fuumlr die ersten CO2-Standards in den USA Die Unternehmen mit dem groumlszligten CO2-Ausstoszlig so-wie der Staat Texas wollten die Klimaschutzregeln verhindern die auf dem Weg zu den notwendigen Re-duktionen einen wichtigen Beitrag spielen koumlnnen

nEs ist in beiden Cancuacuten-Vereinbarungen (als Ergeb-nis der Kyoto- und der Konventionsverhandlungen) festgehalten dass die Staaten ihre freiwilligen Ziele nachbessern sollen Das bedeutet einen Paradigmen-wechsel gegenuumlber der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls die Maximalziele definiert hat Die zunaumlchst vereinbarten Reduktionsziele bis 2020 verstehen sich als Minimalziele die in den kommen-den Jahren angehoben werden sollen Zwischen 2013 und 2015 soll es im Rahmen der Verhandlungen unter der Konvention dann eine Uumlberpruumlfung (bdquoReviewldquo) u a dazu geben mit welcher Strategie die verblei-bende Luumlcke zum 2-degC-Limit geschlossen werden kann Dies ist dringend notwendig da die im Zuge von Kopenhagen gemachten Klimaschutzzusagen der Industrie- und Entwicklungslaumlnder zu einer durch-schnittlichen globalen Temperaturerhoumlhung im Be-reich von 4 degC oder mehr fuumlhren koumlnnten105

nDas Zwischenergebnis fuumlr die Verhandlungen unter dem Kyoto-Protokoll wird fuumlr die Industrielaumlnder noch konkreter Diese sollen ihre Ziele so nachbes-sern dass dies im Durchschnitt 25-40 Prozent Reduk-tion bis 2020 gegenuumlber 1990 ergibt (Der IPCC sieht diese Reduktion als notwendig an um den Tempera-turanstieg mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit auf we-niger als 2 degC begrenzen zu koumlnnen)

nAlle Industrielaumlnder haben sich in Cancuacuten verpflich-tet bdquoLow-Carbon Development Plansldquo (Plaumlne fuumlr eine Entwicklung in Richtung einer CO2-armen Gesell-schaft) oder entsprechende Strategien zu entwickeln ndash allerdings bisher ohne zeitliche Vorgabe

nIm Bereich Langfrist-Finanzierung wurde das in Ko-penhagen gemachte Versprechen der Industrielaumln-der bestaumltigt bis zum Jahr 2020 die Finanzierung fuumlr Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung auf 100 Milliarden Dollar pro Jahr steigen zu lassen Der hierfuumlr aumluszligerst relevante Bericht der von Ban Ki- moon eingesetzten Arbeitsgruppe zur Langfristfi-nanzierung (AGF) wurde von der Konferenz zwar zur Kenntnis genommen106 Es wurde jedoch kein Prozess vereinbart im Jahr 2011 die Einfuumlhrung moumlglicher Finanzierungsinstrumente konkreter zu behandeln

nIm Gegenzug werden die Schwellen- und Entwick-lungslaumlnder aufgefordert so genannte bdquoLow-Carbon-Developmentldquo- Strategien oder -Plaumlne einzureichen

105 UNEP 2010106 Weitere Informationen zum AGF-Bericht siehe wwwgermanwatchorgklikoks46htm

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Diese sollen zeigen was ein Land ohnehin fuumlr den Klimaschutz tut und fuumlr welche Gesetzesvorhaben oder Aktivitaumlten es internationale Unterstuumltzung (Finanzen Technologie Capacity Building) braucht Es wird ein internationales Register aufgebaut das das Zusammenbringen erleichtert zwischen konkre-ten Anfragen (mit geschaumltzten Kosten und Emissions-reduktionen) und dem dafuumlr bestimmten Teil der in-ternationalen Finanzstroumlme

nChina hat in Cancuacuten schlieszliglich auf der Basis eines Vor schlags von Indien in der Frage der internationalen Uumlberpruumlfung der nationalen Klimaschutzaktivitaumlten den Weg zur notwendigen Transparenz der Maszlignah-men in Schwellenlaumlndern frei gemacht Dieses Thema war bereits in Kopenhagen ein zentraler Konflikt ins-besondere zwischen den USA und China gewesen Die Aktivitaumlten werden zwar national gemessen berich-tet und verifiziert aber anhand von unter der Konven-tion vereinbarten Richtlinien Die alle zwei Jahre vom entsprechenden Land vorgelegten Zwischenberichte werden dann international von Experten diskutiert und ein entsprechender Bericht wird vorgelegt

nBeinahe gescheitert waumlre der Gipfel von Cancuacuten an der Frage der zweiten Verpflichtungsperiode fuumlr das Kyoto-Protokoll Ein Kompromiss basierend auf bdquokonstruktiver Zweideutigkeitldquo hat hier den Weg frei gemacht Die Industriestaaten (mit Ausnahme der USA) verhandeln die zweite Verpflichtungsperio-de des Kyoto-Protokolls so zuumlgig zu Ende dass keine Luumlcke nach dem Auslaufen der ersten Verpflich-tungsperiode (2012) entsteht Es bleibt aber zu-naumlchst offen ob die Reduktionsziele dann tatsaumlchlich im Rahmen des Kyoto-Protokolls festgeschrieben werden oder ob die Verhandlungsergebnisse in ei-nem groumlszligeren gemeinsamen Rahmenabkommen an dem auch die Schwellenlaumlnder sowie die USA teilnehmen fixiert werden Angesichts des starken Widerstands von Laumlndern wie Japan Russland und Kanada besteht allerdings kein Grund fuumlr groszligen Optimismus dass es tatsaumlchlich zu einer umfassenden 2 Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls kom-men wird

Die Cancuacuten-Vereinbarungen stellen einen gewissen Teil-erfolg fuumlr den UNFCCC-Prozess dar der allerdings nicht daruumlber hinwegtaumluschen darf dass die Luumlcke zwischen politischer Ambition und wissenschaftlicher Dringlich-keit nach wie vor unakzeptabel groszlig ist Die Welt steuert auf eine Temperaturerhoumlhung von drei bis vier Grad in diesem Jahrhundert zu Es bedarf daher vielfaumlltiger Initi-ativen innerhalb und auszligerhalb des UNFCCC-Prozesses um diese Luumlcke so schnell wie moumlglich zu verkleinern

64 Handeln ndash Verhandeln ndash Koa-litionen Grundlage einer klima-politischen Aufwaumlrtsspirale

Das Verkleinern dieser Luumlcke bedarf eines dynamisches Zusammenspiels von drei Dimensionen Handeln in Poli-tik und Wirtschaft das weitere Verhandeln eines inter-nationalen Rahmens und die Koalition von Akteuren die Dynamik erzeugen wollen bzw koumlnnen

n Erste Dimension Handeln

Waumlhrend der Wirtschaftskrise der vergangenen zwei Jahre waren weltweit Energieeffizienz und Erneuer-bare Energien die Wirtschaftsmotoren Ein Blick auf die Entwicklung der Erneuerbaren Energien zeigt Im Jahr 20082009 wurden sowohl in Europa als auch in den USA Kraftwerke zur Nutzung Erneuerbarer Energien mit einer Stromleistung in Betrieb genommen die die Kapazitaumlt der neuen Kohle- Gas- und Kernkraftwerke des gleichen Zeitraums deutlich uumlbertrifft Im Jahr 2009 machten die Erneuerbaren Energien 60 Prozent der neu zugebauten Kraftwerkskapazitaumlt in Europa aus ndash und be-reits fast 20 Prozent der jaumlhrlichen Stromproduktion In China bdquoexplodiertldquo der Ausbau Erneuerbarer Energien geradezu mit 37 Gigawatt Leistung wurde dort 2009 fast die Haumllfte der neuen weltweiten Kapazitaumlt (80 GW) hinzugebaut Immer mehr spricht dafuumlr dass sich die wirtschaftlichen Chancen der Staaten weltweit maszlig-geblich daran orientieren werden wer bei Energieeffizi-enz und Erneuerbaren Energien die Nase vorne hat Fuumlr viele Entwicklungslaumlnder bietet sich jetzt die Gelegen-heit von vornherein ihre Infrastruktursysteme nachhal-tiger und effizienter aufzubauen als dies bisher in den Industrielaumlndern der Fall war waumlhrend diese mit dem Umbau ihrer existierenden Systeme vor einer enormen Herausforderung stehen Verschiedene Studien zeigen aber dass in der EU und Deutschland die Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien bis Mitte des Jahrhunderts moumlglich ist und dies ohne groszlige Zusatzkosten und bei gleicher Netzsicherheit107 Es gibt keinen Grund fuumlr die Staaten mit dem Handeln zu warten

n Zweite Dimension Verhandeln

Eine internationale Rahmensetzung kann nicht nur die Dynamik internationale Vergleichbarkeit und recht -liche Verbindlichkeit sichern Sie kann auch dafuumlr sor-gen dass nicht allein das Recht des Staumlrkeren den Aus-gang des Wettrennens in das Solarzeitalter bestimmt Sie kann dafuumlr sorgen dass auch die Lahmen und Brem-ser schrittweise mitkommen Sie ist auszligerdem wichtig um auch die internen Bremser in den Vorreiterstaaten uumlberzeugen zu koumlnnen

107 ECF 2010

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n Dritte Dimension Koalitionen

Sowohl zur Beschleunigung des Handelns als auch fuumlr neue Dynamik beim Verhandeln bedarf es neuer Koali-tionen mit den besonders betroffenen Staaten mit den Vorreiterstaaten sowie mit den Schwergewichten unter den Staaten Die Etablierung von neuen Formen der Zu-sammenarbeit die sich in den Klimaverhandlungen ab-zeichnen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin

Cancuacuten hat die in diesen Gipfel gesetzten Erwartungen erfuumlllt Damit wurde in Mexiko zumindest die Grund-lage fuumlr eine dynamisierende Aufwaumlrtsspirale gelegt Zunaumlchst ging es darum ein Mindestfundament einzu-ziehen um die bei den Industrielaumlndern sichtbare Ab-waumlrtsspirale nach Kopenhagen zu stoppen Dies wurde in Cancuacuten geleistet und muss in den folgenden UN-Kli-makonferenzen (z B Suumldafrika 2011) und anderen Pro-zessen ergaumlnzt werden Auch der Rio+20-Gipfel der im Mai 2012 stattfinden soll und Themen wie bdquogruumlne Wirt-schaftldquo und das globale umweltpolitische Institutionen-system auf seiner Agenda haben wird bietet hier eine groszlige politische Chance (Phase 1)

Zugleich wurden die naumlchsten bdquoSpiraldrehungenldquo nach oben vorgezeichnet Dass die Staaten jetzt ihre zu schwachen Ziele nachbessern sollen gehoumlrt zu den auf-

waumlrtstreibenden dynamisierenden Elementen Bis 2015 soll durch einen bdquoReviewldquo-Prozess die dann noch ver-bleibende Luumlcke zum Ziel bdquo2 degCldquo bestimmt werden und der Klimagipfel dann ndash basierend auf dem Review ndash die angemessenen Aktionen beschlieszligen (Phase 3) Das Ende dieses Reviews folgt ein Jahr nach der Veroumlffent-lichung des naumlchsten IPCC-Berichts (fuumlr 2014 geplant) der sehr wahrscheinlich ndash dies zeichnet sich in der wis-senschaftlichen Fachliteratur ab ndash die Dringlichkeit des globalen Klimaschutzes nachdruumlcklich untermauern und so hoffentlich als weiteres dynamisierendes Element ein zusaumltzliches politisches Momentum schaffen wird

65 EU Deutschland und China als Vorreiter

Auch wenn immer mehr Staaten die Chancen des Klima-schutzes sehen ist es fuumlr die internationale klimapoliti-sche Debatte zentral dass es Vorreiter gibt die zeigen dass sie bereits heute den politischen Willen besitzen den notwendigen energiepolitischen Strukturwandel einzuleiten Es geht darum den Nachweis zu fuumlhren dass ein Wohlstandsmodell jenseits der fossilen Ener-gietraumlger moumlglich und zuumlgig umsetzbar ist Um die Emis-sionen bis Mitte des Jahrhunderts um bis zu 95 Prozent

Abb 25 Die drei Phasen der angestrebten Aufwaumlrtsspirale des internationalen Klimaschutzes

Quelle Eigene Darstellung

Phase dreiTop-Down-Ansatzbull Nachbesserung der Reduktions-

und Finanzzielebull Weitere Aktionspakete werden

vereinbartumgesetztbull Rechtlich verbindliche Ziele

Phase einsBottom-Up-Ansatzbull Freiwillige Ziele und Aktions-

pakete werden formalisiertbull Erste Pakete (Regenwald usw)

werden umgesetztbull Phase drei wird angelegt

Phase zweiDynamisierende Elementebull Erste Pakete sind umgesetzt bull China und EU bewegen sich uumlber

Minimalziele hinausbull Vorreiterkoalitionen bilden sichbull Gemeinsame Anrechnungsregeln

und rechtlicher Charakter geklaumlrtbull Langfristfinanzierung gesichertbull Roadmaps vor Rio plus 20bull IPCC betont Dringlichkeit und

Kosten des Wartens

2014-15

2010-11

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in den Industrielaumlndern zu senken bedarf es fruumlhzeitiger wirtschaftspolitischer Weichenstellungen denn viele Investitionen gerade im Energiebereich werden nur auf Basis langfristiger Kalkulationen getaumltigt Werden heute Kohle- oder Atomkraftwerke gebaut sollen sie normalerweise 40 Jahre oder laumlnger betrieben werden Fuumlr eine EU die derzeit recht mutlos nach einer neuen Vision sucht kann dieses neue Wohlstandsmodell ver-bunden mit der Rolle einer bdquosoft powerldquo die statt auf Rohstoffkriege auf internationale Kooperation im Sinne der Klima- und Energiesicherheit setzt ein Aufbruchs-signal sein Die EU und Deutschland koumlnnen hier eine Schluumlsselrolle spielen indem sie jetzt entsprechende Rahmenbedingungen setzen die allen Akteuren in den Bereichen Energie Verkehr Gebaumlude sowie Land- und Fortwirtschaft signalisieren Wir stellen jetzt die Wei-chen fuumlr die notwendige groszlige Transformation

In der Vergangenheit war die EU oft das klimapolitische Zugpferd wenn auch meist nicht mit der notwendigen Dynamik Im Fruumlhjahr 2007 setzte sie sich als erster grouml-szligerer Zusammenschluss von Industrielaumlndern Emissions-minderungsziele fuumlr 2020 20 Prozent Verringerung der Emissionen gegenuumlber 1990 ndash 30 Prozent wenn andere Industrielaumlnder und Schwellenlaumlnder ihren angemesse-nen vergleichbaren Beitrag leisten Dementsprechend wurden im Jahr 2008 auch klimapolitische Gesetzge-bungen beschlossen z B die Reform des Europaumlischen Emissionshandelssystems die Vereinbarung von ndash aller-dings nicht verbindlichen ndash Energieeffizienzzielen sowie von Zielen fuumlr den Ausbau der Erneuerbaren Energien

Nach der Wirtschaftskrise und aufgrund des zuumlgigen Aufbaus von Quellen fuumlr Erneuerbare Energien zeigt sich allerdings dass dieses 20-Prozent-Ziel nicht mehr besonders ambitioniert ist und nicht die notwendigen klimapolitischen Impulse entfaltet Deshalb halten es immer mehr Akteure fuumlr sinnvoll und notwendig dass die EU ihr Emissionsziel auf 30 Prozent erhoumlht unab-haumlngig davon was andere Laumlnder machen So sieht der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung fuumlr Glo-bale Umweltfragen in einem solchen Ziel verknuumlpft mit der Langfristversion einer vollstaumlndig erneuerbaren Energieversorgung nicht nur das Potenzial einer neuen und nachhaltigen Wirtschaftsdynamik Dies wird auch als notwendiger Schritt fuumlr eine bdquoglaubwuumlrdige Basis fuumlr eine Kooperation mit Entwicklungs- und Schwellenlaumln-dernldquo108 gesehen

Ab Mitte 2011 will die Europaumlische Union erneut uumlber das 30-Prozent-Ziel beraten Der Einigung stand zu-naumlchst der Widerstand insbesondere einiger osteuropauml-ischer Laumlnder vor allem Polens entgegen Aufgrund sei-nes extrem hohen Anteils an Stromerzeugung aus Kohle fuumlrchtet das Land wirtschaftliche Lasten aus solch einem Klimaschutzziel Eine engere Zusammenarbeit gerade im

Bereich Energieeffizienz z B zwischen Deutschland und Polen koumlnnte einen Beitrag zu einer Loumlsung dieses politi-schen Problems leisten

Die deutsche Regierung ist in der Frage des 30-Prozent-Ziels zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium um-stritten ndash und leider hat die Bundeskanzlerin von ihrer Richtlinienkompetenz hier bisher keinen konstruktiven Gebrauch gemacht Ohne eine starke Rolle der groumlszligten Energie- und Wirtschaftsnation der EU kann der Durch-bruch fuumlr das 30-Prozent-Ziel jedoch nicht gelingen

Die deutsche Bundesregierung hat im Herbst 2010 ein neues Energiekonzept beschlossen das weit mehr als nur die zu Recht kritisierte Verlaumlngerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke enthaumllt109 Dieses Energiekonzept beinhaltet das Ziel die deutschen CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 und um 80 bis 95 Prozent bis 2050 zu senken (gegenuumlber 1990) Dieses soll durch eine Viel-zahl gesetzlicher Maszlignahmen erreicht werden Laut Bundesregierung sollen die Erneuerbaren Energien bis 2050 etwa 80 Prozent der Stromversorgung und den Hauptteil der Energieversorgung uumlbernehmen obgleich viele Studien zeigen dass auch 100 Prozent im Bereich des Moumlglichen und wirtschaftlich Sinnvollen sind Die Regierung setzt sich erfreulicherweise fuumlr ein moder-nes und leistungsfaumlhiges Stromnetz ein Sie setzt auch deutliche Effizienzziele im Gebaumludebereich auch wenn diese abgeschwaumlcht wurden Die Bundesregierung kuumln-digt damit an den Weg ins erneuerbare Zeitalter einzu-schlagen Gleichzeitig setzt das Konzept allerdings stark auf Atomenergie und auch weiterhin auf Kohle Zudem wurden zahlreiche Maszlignahmen die zur Zielerreichung notwendig waumlren nicht beschlossen

Insgesamt meinen daher viele Akteure dass die gesetz-ten Effizienz- und Klimaziele so nicht erreicht werden koumlnnen110 So sollen die Laufzeitverlaumlngerungen fuumlr Atomkraftwerke ndash neben den Erloumlsen des Emissions-handels ndash einen neuen Klima- und Energiefonds fuumlr den kosteneffizienten Uumlbergang zu Erneuerbaren Energien finanzieren Sie schraumlnken aber zugleich die Einnah-men aus dem Emissionshandel fuumlr den gleichen Zweck ein Die im Rahmen des Energiekonzepts vereinbarte Einrichtung eines Sondervermoumlgens zur dauerhaften Finanzierung von nationalen und internationalen Klima-maszlignahmen war ein weiterer innovativer Schritt der eine groumlszligere Verlaumlsslichkeit der Finanzierung bringen kann Trotz aller Unzulaumlnglichkeiten ist die grundsaumltz-liche Ambition des Energiekonzepts jedoch ein Zeichen dafuumlr dass es immer mehr darum geht wie ambitionier-te Klimaziele erreicht werden sollen und immer weniger darum ob ambitionierter Klimaschutz notwendig ist

Waumlhrend dieser Text geschrieben wird will die Bundes-regierung nun ausgeloumlst durch den Schock der Reaktor-

108 WBGU 2010109 Bundesregierung 2010110 S z B Germanwatch 2010a Wuppertal Institut 2010

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katastrophe in Japan einen beschleunigten Ausstieg aus der Atomkraft sowie einige der fehlenden Maszlignahmen zur Zielerreichung beschlieszligen Es ist derzeit (Mitte April 2011) noch nicht absehbar welche Luumlcke zwischen verkuumlndeten Zielen und beschlossenen Maszlignahmen nach diesen Beschluumlssen noch klaffen wird

Neben den Industriestaaten muumlssen auch Schwellen-laumlnder deren Emissionen aufgrund des mit dem Wirt-schaftswachstum einhergehenden Verbrennens fossiler Energietraumlger schnell zunehmen so bald wie moumlglich ihre Klimaschutz-Ambition erhoumlhen Der groszlige Anstieg der Treibhausgasemissionen findet ganz uumlberwiegend hier statt Eine effektive Klimapolitik ist in den Schwel-lenlaumlndern zum heutigen Zeitpunkt deshalb so wichtig weil in der industriellen Aufbauphase langfristig ent-scheidende Investitionen getaumltigt werden die gerade auch die Energieversorgung des Landes uumlber einen lan-gen Zeitraum festlegen Vom Ausbau der Energieeffizi-enz und der Nutzung Erneuerbarer Energien profitieren Schwellenlaumlnder abgesehen von der verbesserten Luft-qualitaumlt ebenfalls durch die staumlrkere Unabhaumlngigkeit von Rohstoffimporten Eine solche Strategie wirkt sich als Versicherung gegen immer haumlufiger schwankende Energiepreise aus

China ist derzeit sicherlich das klimapolitisch span-nendste und bedeutendste Schwellenland das sich gerade durch seine Widerspruumlchlichkeit auszeichnet Dort werden nach wie vor die meisten Kohlekraftwerke weltweit gebaut und das Milliardenreich hat die USA laumlngst beim Treibhausgasausstoszlig uumlberholt (wenngleich mit einem deutlich geringeren Pro-Kopf-Ausstoszlig) In den Klimaverhandlungen tritt China in gewisser Weise als Gegenpol zu den USA auf wobei der Klimagipfel von Cancuacuten gezeigt hat dass hier konstruktive Fortschritte moumlglich sind Allerdings und das wird in der Oumlffentlich-keit haumlufig unzureichend behandelt hat das Land in den beiden letzten Jahren mehr in Richtung Klimaschutz ge-tan als fast jeder andere Staat der Welt China ist laumlngst zur fuumlhrenden Weltmacht bei der Herstellung und Im-plementierung Erneuerbarer Energien geworden Und es werden nicht nur neue Kraftwerke in Betrieb genom-men Tausende von ineffizienten Kraftwerken und Un-ternehmen sind im Jahr 2010 geschlossen worden ndash mit der Folge groszliger sozialer Probleme ndash um das Land den selbst gesteckten Energieeffizienzzielen naumlher zu brin-gen Staumldten die Effizienzmaszlignahmen nicht umsetzen wird zeitweise der Strom abgeschaltet In den naumlchsten Jahren will China das Zubautempo der Kohlekraftwerke halbieren waumlhrend der Ausbau der Erneuerbaren Ener-gien schneller vorangeht als urspruumlnglich geplant111

Wenn das Land allerdings nicht massenweise neue Koh-lekraftwerke stilllegt lassen sich ernsthafte Klimaziele in China nur erreichen wenn CO2 aus Abgasen heraus-

gefiltert und geologisch tief gelagert wird (so genanntes bdquoCarbon Capture and Storageldquo CCS) Nach der Durch-fuumlhrung von 20 Pilotprojekten haben nun zwei groumlszlige-re Demonstrationsprojekte von 250 bis 400 Megawatt Leistung Prioritaumlt die bis 2016 in Betrieb gehen sollen Die Regierung erwartet ndash und daran kann der ganze Ansatz scheitern ndash dass die Industrielaumlnder die Zusatz-kosten fuumlr CCS schultern Im Nordosten Chinas wurden erste Untersuchungen zu CO2-Speicherstaumltten durchge-fuumlhrt die mit der Identifikation einer Speicherkapazitaumlt von 600 Megatonnen CO2 zu positiven Ergebnissen ka-men Wenn CCS eine groumlszligere Rolle als nur eine Nische ausfuumlllen soll muumlssen weitere Untersuchungen von salz-wasserfuumlhrenden Gesteinsschichten und leeren Oumll- und Gasfeldern folgen

Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt dass es in diesem groszligen vielfaumlltigen Land nicht einfach ist die zentral gesteckten Ziele auf den verschiedenen Ebenen zu erreichen Die Emissionen wachsen weiterhin stark an Das Erreichen der Ziele haumlngt in China daher zum ei-nen von einer besseren Durchsetzung der eingefuumlhrten Gesetze ab In Teilen der chinesischen Regierung setzt sich die Erkenntnis durch dass die massive Nutzung von Energieeffizienz und dezentralen Erneuerbaren Energie-traumlgern ohne eine aktive Zivilgesellschaft nicht gelingen kann ndash eine in mancher Hinsicht spannende Perspektive Zum anderen wird aber auch entscheidend sein in wel-cher Form sich Partnerstaaten gerade auch der Export-weltmeister Deutschland und die EU hier engagieren Durch bilaterale Energie- und Klimaabkommen Techno-logiepartnerschaften Austausch zwischen Niedrigemis-sionsregionen in China und der EU und die Beratung bei der politischen Rahmensetzung koumlnnte der Kurs hin zu Energieeffizienz und Erneuerbaren Energietraumlgern un-termauert werden112

Letzteres gilt natuumlrlich auch fuumlr die Kooperation mit an-deren Schwellenlaumlndern wie Indien Brasilien Mexiko oder Suumldafrika Brasilien spielt vor allem aufgrund des Amazonas-Regenwaldes eine wichtige Rolle fuumlr den Kli-maschutz da die riesigen Waldgebiete enorme Mengen Kohlenstoff speichern die bei ihrer Zerstoumlrung wieder freigesetzt werden Mexiko zeigt sich in der internati-onalen Klimapolitik sehr konstruktiv was nicht zuletzt der Klimagipfel von Cancuacuten gezeigt hat Suumldafrika weist eine ganz eigene Struktur auf Die Pro-Kopf-Emissionen des Landes sind fuumlr ein Schwellenland relativ hoch Zu begruumlnden ist dies mit dem hohen Lebensstandard hauptsaumlchlich der weiszligen Bevoumllkerung Bei den inter-nationalen Verhandlungen spielt das Land in der Regel eine konstruktive Rolle Die Regierung erwaumlgt moumlg-licherweise in Zusammenarbeit mit Deutschland den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Strombereich massiv voranzutreiben Suumldafrika wird Ende 2011 zudem den UNFCCC-Klimagipfel ausrichten

111 S z B httpwwwchinafaqsorg112 S auch Germanwatch 2010c

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66 USA zwischen Ambition und Bremsmanoumlvern

Mit dem Amtsantritt von US-Praumlsident Obama hatte die Welt Hoffnung dass die USA nach Jahren der klimapoli-tischen Verweigerung unter Praumlsident George W Bush zu einer neuen Dynamik in den Klimaverhandlungen beitragen koumlnnte Dass dies nicht in dem Maszlige wie er-hofft zur Realitaumlt geworden ist liegt vor allem an der zunehmenden innenpolitischen Polarisierung zwischen Demokraten und Republikanern zwischen Klimaschutz-befuumlrwortern und solchen die immer noch den anthro-pogenen Klimawandel bezweifeln

Praumlsident Obama hatte zunaumlchst die Ambition die USA schrittweise auf einen Pfad zu fuumlhren der bis zum Jahr 2050 die Emissionen um mehr als 80 Prozent gegenuumlber 2005 verringern wuumlrde Ein zentrales Instrument hier-zu sollte die Einfuumlhrung eines landesweiten Emissions-handelssystems sein bis 2020 sollten die landesweiten Emissionen um 17 Prozent gegenuumlber 2005 verringert werden Der Emissionshandel sollte auch signifikant zur internationalen Klimafinanzierung beitragen

Im Sommer 2009 also noch vor Kopenhagen beschloss dann auch das Repraumlsentantenhaus ein entsprechen-des Klimaschutzgesetz Allerdings ist es dann nicht ge-lungen einen entsprechenden Konsens in der zweiten Entscheidungskammer dem Senat der Vertretung der Bundesstaaten zu erreichen Nachdem sich dort auch noch die Mehrheitsverhaumlltnisse zugunsten der Repub-likaner veraumlndert haben besteht in dieser Legislatur-periode keine Aussicht auf ein entsprechendes Klima-schutzgesetz Zumal es auch unter den Demokraten aus kohle- und oumllproduzierenden Bundesstaaten eine groszlige Skepsis gegen ein Klimagesetz gibt Zwar treten die USA in den internationalen Klimaverhandlungen weiterhin mit dem in Kopenhagen verkuumlndeten 17-Prozent-Ziel (gegenuumlber 2005) auf aber eine klare Strategie wie dieses wirklich erreicht werden soll scheint zu fehlen Ordnungspolitische Vorgaben durch die nationale Um-weltschutzagentur (Environmental Protection Agency EPA) sind im Moment der aussichtsreichste Ansatz um Klimapolitik schrittweise voranzubringen113

Die fehlende einheimische Gesetzgebung macht es der amerikanischen Regierung schwer in den Klimaver-handlungen aktiv und glaubwuumlrdig aufzutreten so dass derzeit von Seiten der USA keine wirklich Grundlage be-steht uumlber ein rechtlich verbindliches und ratifizierba-res Abkommen zu verhandeln Angesichts der zentralen Rolle der USA stellt dies den internationalen klimapoliti-schen Prozess vor groszlige Herausforderungen

Trotzdem zeichnet sich eine gewisse Klimaschutzdyna-mik im Land ab So waumlchst die Zahl der US-Bundesstaa-

ten und Kommunen die mit ernsthaftem Klimaschutz beginnen Auch die Zwischenwahlen in den USA (2010) haben in den entsprechenden Regionen eher den Klima-schutz gestaumlrkt So setzen sich einige Staaten anspruchs-volle CO2-Minderungsziele arbeiten an der Einfuumlhrung von Emissionshandelssystemen und foumlrdern immer staumlr-ker die Erneuerbaren Energien Auch viele Akteure in Finanzmarkt und Industrie setzen inzwischen auf ernst-haften Klimaschutz Sie sehen dass sie sonst in einem ganz groszligen globalen Zukunftsmarkt den Anschluss verlieren Auch durch konjunkturpolitische Maszlignahmen im Zuge der Wirtschaftskrise hat die US-Regierung In-vestition in Erneuerbare Energien und andere Bereiche gefoumlrdert

67 Anpassung an den Klimawandel Neben der Frage des Verringerns von Emissionen wird auch die Anpassung (engl Adaptation) an die negati-ven Auswirkungen des Klimawandels ein zunehmend wichtiges Thema ganz besonders fuumlr die aumlrmsten Ent-wicklungslaumlnder die Least Developed Countries (LDCs) und die kleinen Inselstaaten Die dramatischsten und zukunftsferneren Folgen des Klimawandels koumlnnen zwar durch Minderung von Treibhausgasemissionen begrenzt werden (bdquoVermeidung des Unbewaumlltigbarenldquo) ein Teil der Folgen laumlsst sich aber nicht mehr aufhalten und An-passungsmaszlignahmen sind demzufolge unumgaumlnglich (bdquoBewaumlltigung des Unvermeidbarenldquo) Insbesondere die Entwicklungslaumlnder fragen sich daher zunehmend Wie koumlnnen wir verhindern dass der Klimawandel unsere Entwicklungsziele gefaumlhrdet und bereits erzielte Ent-wicklungserfolge zunichte macht Dies gilt speziell fuumlr besonders klimasensible Bereiche wie die Ernaumlhrungs-sichereit und die Wasserverfuumlgbarkeit aber auch fuumlr Gesundheitsaspekte (s auch vorherige Kapitel zu den Auswirkungen des Klimawandels) Die Anpassung also der Umgang mit den Klimafolgen ist damit kein Selbst-zweck Sie dient vor allem dazu Entwicklung im Zeichen des Klimawandels zukunftsfaumlhig und widerstandsfaumlhig zu machen

Wie auch die vorhergehenden Berichte betont der vier-te Sachstandbericht des IPCC die besondere Anfaumlllig-keit von Entwicklungslaumlndern insbesondere von LCDs und kleinen Inselstaaten fuumlr die Folgen des Klimawan-dels114 Diese hohe Verletzlichkeit (Vulnerabilitaumlt) der aumlrmsten Staaten begruumlndet sich neben einer uumlberdurch-schnittlichen Risikozunahme von Wetterextremen in vielen Regionen des Suumldens aus i) ihrer starken Betrof-fenheit vom Klimawandel und von Wetterextremen ins-besondere durch die uumlberproportionale Bedeutung der witterungsabhaumlngigen Landwirtschaft ii) dem Mangel an finanziellen Ressourcen sowie iii) einem mangelnden Zugang zu Informationen Krediten und anderen Dienst-leistungen Die Folge ist eine geringe Kapazitaumlt zur Be-

113 Wasserman 2010114 IPCC 2007b

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waumlltigung der Herausforderungen die der Klimawandel mit sich bringt

Vor diesem Hintergrund gibt es eine Vielzahl von Ansatz-punkten um die Anpassungsfaumlhigkeit gegenuumlber den Risiken des Klimawandels zu erhoumlhen In der Konzeption des bdquoAnpassungskontinuumsldquo (s Abb 26) bewegen sich diese zwischen sehr konkreten Interventionen zur An-passung an spezifische Klimarisiken auf der einen Seite und der Verringerung der allgemeinen Vulnerabilitaumlt auf der anderen Seite Waumlhrend konkrete Projekte kurzfris-tig zur Anpassung beitragen koumlnnen ist die Integration in politische Planungsprozesse wichtig um eine Gesell-schaft laumlngerfristig auf den Klimawandel vorzubereiten und auch z B langfristige Fehlinvestitionen zu vermei-den In der Entwicklungspolitik z B im Bereich Ernaumlh-rungssicherung koumlnnen dementsprechend spezifische Anpassungsstrategien dazu beitragen die Ernaumlhrungs-sicherungspolitik klimasicherer zu machen

Der Klimagipfel von Cancuacuten hat eine Reihe von Maszlignah-men beschlossen um die Entwicklungslaumlnder staumlrker bei der Anpassung an die Folgen zu unterstuumltzen (s 63) Zu-dem gewinnt dieses Thema auch in der konkreten Ent-wicklungszusammenarbeit immer mehr an Bedeutung

Wichtige Elemente einer Anpassungsstrategie koumlnnen beispielsweise die Nutzung von Langzeitwettervorher-sagen Fruumlhwarnsystemen und oumlffentlich-privaten Ver-sicherungsmaumlrkten (etwa bdquoMicro-Insuranceldquo) zur Verrin-gerung der Risiken durch Wetterextreme sein Duumlrren Uumlberschwemmungen und Stuumlrme bergen besonders fuumlr arme Landbewohner in den Entwicklungslaumlndern die Gefahr das fuumlr die gegenseitige Unterstuumltzung notwen-dige soziale Netzwerk zu zerstoumlren Wettervorhersagen koumlnnen sowohl die Optimierung der Pflanztermine als auch die Planung der Bildung eines Vorrats an Lebens-mitteln vor Duumlrren erleichtern Gerade fuumlr die Aumlrmsten fehlt es bisher weitestgehend an Versicherungssyste-men zum Schutz gegen die finanziellen Folgen von Ex-tremereignissen und ohne Ko-Finanzierung aus den In-dustriestaaten wird die Versicherungswirtschaft diese mangels Kaufkraft der Bevoumllkerung vor Ort auch nicht aufbauen Der Erhalt natuumlrlicher Systeme wie der Koral-len oder der Mangrovenwaumllder die eine wichtige Funk-tion zur Stabilisierung von Kuumlstenstreifen ausuumlben kann als Anpassungsmaszlignahme gegen einen steigenden Mee-resspiegel und gegen Uumlberflutungen verstanden wer-den Im konkreten Notfall koumlnnen solche Maszlignahmen zwar die Katastrophenhilfe nicht ersetzen In langfristi-ger Betrachtung besteht dennoch wenig Zweifel dass

Verringerung der Vulnera bi litaumlt

Aktivitaumlten zur Ver - ring erung der Armut und anderer nicht klimatischer Stress faktoren die Menschen verletzlich machen

Aufbau von Reaktionsfaumlhigkeit

Aktivitaumlten die dem Aufbau robuster Systeme der Problem-loumlsung dienen

Management von Klimarisiken

Aktivitaumlten zum Einbezug von Klima -informationen in Entscheidungs-prozesse

Anpassung an den Klimawandel

Aktivitaumlten zu Aus-wirkungen die direkt auf den Klimawandels zuruumlckzufuumlhren sind

Traditionelle Entwicklungsfinanzierung Neue und zusaumltzliche Anpassungsfinanzierung

VulnerabilitaumltsfokusFokus auf die Auswirkungen

des Klimawandels

Quelle Harmeling 2010

Abb 26 Das bdquoAnpassungskontinuumldquo und Strategien zur Ernaumlhrungssicherung

Nationale Anpassungs-KlimastrategienErnaumlhrungssicherungs- Wasserstrategien

Armutsbekaumlmpfungsstrategien MDG-Aktionsplaumlne

Katastrophen- vorsorgestrategien

Nationale Aktionsprogramme fuumlr Anpassung (NAPA)

Entwicklungspolitik fuumlr klimaresiliente Ernaumlhrungssicherheit

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Info-Kasten 6 Der Wald als Senke und Reservoir von CO2

Eine bdquonatuumlrliche Technologieldquo die zur Verringerung der atmosphaumlrischen Treibhausgaskonzentration bei-tragen kann ist die Senkenfunktion der Vegetation d h die Bindung von CO2 durch Pflanzen insbeson-dere durch Baumlume (siehe 13) Belastend fuumlr das Klima ist die Freisetzung dieses CO2 durch die Vernichtung von Waumlldern wenn diese anschlieszligend nicht wieder nachwachsen bzw aufgeforstet werden Allerdings ist dem Klimaschutz aus vier Gruumlnden nicht gedient wenn das Anpflanzen von Waumlldern auf die Emissi-onsziele des Kyoto-Protokolls oder des europaumlischen Emissionshandels angerechnet werden kann

Erstens wird dadurch weniger Klimaschutz in an-deren Bereichen wie Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz geleistet Diese sind aber im Sinne des notwendigen Umbaus der weltweiten Energie-systeme dringend erforderlich Zweitens bestehen nach wie vor groszlige wissenschaftliche Unsicherhei-ten beim Berechnen der CO2-Menge die netto durch Aufforstung gebunden wird Drittens kann niemand garantieren fuumlr wie viele Jahre geschweige denn Jahrzehnte ein Wald intakt bleiben und damit CO2

binden wird So hat der Amazonasregenwald im letz-ten Jahrzehnt ndash wegen zweier groszliger Duumlrren ndash moumlg-licherweise mehr CO2 freigesetzt als gebunden Und viertens koumlnnen erhebliche soziale und oumlkologische Probleme entstehen wenn Waumllder alleine unter CO2-Aspekten optimiert werden So zeichnet sich ab dass die Artenvielfalt oder der Wasserhaushalt bei Neuan-pflanzungen alleine unter CO2-Aspekten regelmaumlszligig mit Beeintraumlchtigungen zu rechnen haben

Aufforstung sollte also zusaumltzlich zu ndash und nicht an-stelle von ndash Maszlignahmen in den Bereichen Energie-effizienz und Erneuerbare Energien geleistet werden Auszligerdem sollte sie so weit wie moumlglich zum Schutz der Artenvielfalt dienen

Nicht nur zum Klimaschutz auch im Hinblick auf die vielen anderen wertvollen Funktionen des Waldes die zum Teil auch wichtige Beitraumlge fuumlr die Anpas-sung an den Klimawandel leisten koumlnnen bedarf es eines groszligangelegten globalen Konzepts mit wir-kungsvollen Anreizen um die schnelle Entwaldung zu verhindern

vorbeugende Maszlignahmen effektiv sind da sie Verluste mindern und sich finanziell auszahlen Die Kombination von vorbeugenden Maszlignahmen und Katastrophenhilfe verspricht die besten Erfolge bei der Anpassung an den Klimawandel

Politisch relevant ist insbesondere die Frage der Finan-zierung der Anpassungsmaszlignahmen in Entwicklungs-laumlndern Im UN-Kontext sowie durch die bilaterale Ent-wicklungszusammenarbeit gibt es bereits verschiedene Finanzierungsmechanismen die aber alle weit hinter den geschaumltzten Anpassungskosten von mehr als 70 Milliarden US-Dollar pro Jahr in Entwicklungslaumlndern zuruumlckbleiben115 Die kapitalstarken Hauptverursacher des Klimawandels werden besonders gefragt sein die Kosten der Anpassung in Entwicklungslaumlndern zu tra-gen Das beim Klimagipfel in Cancuacuten bestaumlrkte Verspre-chen der Industrielaumlnder fuumlr Klimamaszlignahmen bis 2020 jaumlhrlich 100 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren wird zu einem wesentlichen Teil auch Anpassungsmaszlignah-men finanzieren muumlssen insbesondere durch den neuen Green Climate Fund Eine gewisse Finanzierungsstruk-tur fuumlr Anpassung im UNFCCC-Kontext besteht bereits Insbesondere der Anpassungsfonds unter dem Kyoto-Protokoll ist hier ein wichtiges Instrument das auch neue Wege in der internationalen Klimafinanzierung eingeschlagen hat116 Auf bilateraler Ebene bietet die

Internationale Klimaschutzinitiative der Bundesregie-rung eine innovative Moumlglichkeit Projekte staatlicher und nichtstaatlicher Akteure in Entwicklungslaumlndern zu finanzieren117 Aber auch insgesamt spielt Anpassung in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit Deutsch-lands und anderer Industrielaumlnder eine wachsende Rolle

68 Technologien und Finanzmarkt

Die langfristig notwendige Verringerung der Treibhaus-gasemissionen weltweit ist nur durch die rasche Verbrei-tung und staumlndige Innovationen im Bereich klimafreund-licher Technologien denkbar auch wenn Einsparungen durch Verhaltensaumlnderungen insbesondere in den In-dustrielaumlndern ebenfalls eine wichtige Rolle zukommt Mittel- bis langfristig ruhen die groumlszligten Hoffnungen auf Erneuerbaren Energien in Kombination mit Energieeffi-zienz Natuumlrlich gilt es auch bei deren Nutzung eine um-weltvertraumlgliche effiziente und zukunftsfaumlhige Anwen-dung sicherzustellen Kritische Aspekte (z B im Bereich der Biotreibstoffe) gilt es zu beruumlcksichtigen und gegen ihren klimapolitischen Nutzen abzuwaumlgen So zeichnet sich ab das Biotreibstoffe der ersten Generation selten aus klimapolitischer Sicht sinnvoll sind Bereits heute

115 Siehe z B Weltbank 2010 116 S Harmeling und Kaloga 2010117 S wwwbmu-klimaschutzinitiativede

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wird deutlich dass ihre Gewinnung mit Werten wie Er-naumlhrungssicherung und Artenvielfalt in Konflikt geraumlt Andererseits ist klar dass Biomasse eine wichtige Saumlule einer globalen Klimastrategie ist

Erfreulicherweise setzen immer mehr Laumlnder auf diese erneuerbare Energien und foumlrdern deren Einfuumlhrung durch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingun-gen118 Die Wachstumsraten im Bereich der Erneuerba-ren Energien sind jedoch derzeit insgesamt noch nicht hoch genug um die fossilen Energien weitgehend ab-loumlsen zu koumlnnen Bis Mitte des Jahrhunderts wird dies allerdings in vielen Regionen und Bereichen fuumlr moumlglich gehalten Technologien im Bereich Energieeffizienz koumlnnen einen sehr kurzfristig umsetzbaren und groszligen Beitrag zum Klimaschutz leisten Neben der bdquoAngebots-seiteldquo wie z B im Bereich Kraft-Waumlrme-Kopplung sind groszlige Einsparpotenziale auf der bdquoNachfrageseiteldquo vor-handen beispielsweise durch Waumlrmedaumlmmung von Ge-baumluden zur Reduktion des Heizenergieverbrauchs und effizientere Geraumlte bzw Maschinen und Motoren Dies gilt auch fuumlr den Verkehrssektor wo eine starke Effizi-enzsteigerung von Fahrzeugen dringend notwendig ist Allerdings zeigt sich auch dass ndash wenn die Energiepreise nicht durch eine Oumlkosteuer oder den Emissionshandel steigen ndash die Effizienzgewinne durch groumlszligere oder zahl-reichere Wohnungen Geraumlte Autos usw schnell aufge-fressen werden (bdquorebound effectldquo)

Als neue Technologie im Bereich der Nutzung fossiler Energietraumlger ist die CO2-Abscheidung und -Lagerung (CCS) im Gespraumlch119 Damit soll CO2 im Zuge der Ver-brennung von Kohle Oumll oder Gas abgeschieden und dann unterirdisch an einem geeigneten Ort sicher und dauer-haft gelagert werden Zwar birgt die Lagerung von CO2 in der Geosphaumlre einige Risiken und vor der Verbreitung dieser Technologie muumlssen wichtige Fragen bezuumlglich der oumlkologischen Sicherheit der oumlkonomischen Dimen-sion oder der Haftung im Schadensfall geklaumlrt werden Dennoch kann Abscheidung und unterirdische Lage-rung des CO2 gerade mit Blick auf die Entwicklungen im Energiesektor in China und andere Kohleregionen ndash dort muss weiter mit hohem Kohleverbrauch gerechnet wer-den ndash eine wichtige Bruumlckenloumlsung werden Oumlffentliche Gelder die fuumlr Forschung und Entwicklung von Techno-logien in den Bereichen Energieeffizienz und Erneuerba-re Energien vorgesehen sind sollten allerdings nicht in die CCS-Entwicklung umgeleitet werden

In Deutschland sind die notwendigen CO2-Einsparungen im Energiebereich ohne CCS moumlglich Hier liegt die Not-wendigkeit der Erforschung von CCS eindeutig im Be-reich der industriellen Prozessemissionen aus der Stahl- Zement- und Kalkproduktion wo es weniger Alternati-ven als im Strombereich gibt120 Neue Technologien in diesem Bereich sollten allenfalls getestet werden um sie in China und anderen Schwellenlaumlndern einzusetzen

In Deutschland koumlnnen die Klimaziele besser ohne Kraft-werksneubauten mit oder ohne CCS erreicht werden Insgesamt geht es letztendlich um eine Risiko-Abwauml-gung Energieeffizienz und Erneuerbare Energien soll-ten deshalb generell den Vorrang haben Im Zweifelsfall duumlrfte bei der Kohleverbrennung die Lagerung von CO2 in der Atmosphaumlre ein groumlszligeres Risiko darstellen als un-ter der Erde sollte diese Technologie wirklich funktio-nieren

Klar ist heute dass die Welt das Klimaproblem nur durch einen breiten Technologiemix in den Griff bekommen kann Mit vielen der heute bereits existierenden Tech-nologien koumlnnen CO2- und andere Treibhausgas-Emissi-onen bereits massiv gesenkt werden Gleichzeitig sind in Bezug auf kommende Jahrzehnte deutlich houmlhere Inves-titionen in Forschung und Entwicklung von Erneuerba-ren Energien Energieeffizienz und intelligenten Netzen oder auch fuumlr die Neuausrichtung einer Landwirtschaft die der Ernaumlhrungssicherung und dem Klimaschutz so dient dass sich diese Ziele unterstuumltzen dringend not-wendig In Bezug auf Erneuerbare Energien gilt es auch ganz genau auf die Ressourcenbilanz zu schauen Viele Rohstoffe die fuumlr diese Technologien heute wichtig sind sind nur in begrenztem Maszlige vorhanden

Fuumlr Investitionen in Klimaschutztechnologien sind Rah-menbedingungen notwendig die es fuumlr die Akteure am Finanzmarkt und in anderen Bereichen der Wirtschaft attraktiv machen lieber in diese Technologien zu inves-tieren als in klimaschaumldliche Auch in diesen Kreisen wird Klimawandel immer mehr als Kostenfaktor gesehen zum einen durch die direkten Schaumlden infolge von Wetter-extremen etc So hat Sir Nicholas Stern in einer viel be-achteten Studie geschaumltzt dass die Kosten die bei un-gehemmtem Klimawandel durch dessen Auswirkungen entstehen koumlnnten 5 bis 20 Prozent des jaumlhrlichen glo-balen Bruttoinlandprodukts betragen koumlnnten121 Zum anderen entstehen Kosten durch politische Regulierung wie durch den Emissionshandel oder CO2-Steuern Daruuml-ber hinaus nimmt die Bedeutung der Unternehmensver-antwortung (bdquoCorporate Social Responsibilityldquo) in der Oumlffentlichkeit zu so dass Klimaschutzmaszlignahmen sich zunehmend guumlnstig auf das Unternehmensimage aus-wirken waumlhrend das Unterlassen von Klimaschutzmaszlig-nahmen dem Image schadet Und nicht zuletzt koumlnnte das Risiko von Schadensersatzklagen eine unmittelbare Auswirkung auf den Marktwert eines Unternehmens ha-ben

Doch trotz aller Fortschritte bezuumlglich der Beruumlcksich-tigung des Klimawandels durch den Finanzmarkt In der tatsaumlchlichen Geldanlagepolitik der groszligen Banken Versicherer und Pensionsfonds spielt die Vermeidung von Klimarisiken zwar eine wachsende bisher aber noch untergeordnete Rolle Entsprechend zentral sind lang-fristig verlaumlssliche politische Rahmenbedingungen

118 REN 21 2010 119 CCS = CO2 Capture and Storage Ein umfangreicher Sonderbericht

des IPCC zum Thema CCS ist unter httpwwwipccch abrufbar

120 Germanwatch 2010b121 Stern 2006

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69 Demokratie und die groszlige Trans formation

Der Klimawandel stellt eine enorme Herausforderung fuumlr die heutigen Demokratiemodelle dar Es gibt zumin-dest fuumlnf zentrale Herausforderungen

1 Erstens gelingt es bisher nicht dass Grundprinzip der Demokratie dass die Betroffenen an Entscheidun-gen beteiligt werden sollen zu beruumlcksichtigen So haben die am staumlrksten betroffenen Menschen in Ent-wicklungslaumlndern allenfalls bei UN-Klimaverhandlungen durch ihre Regierungen ein gewisses Mitspracherecht Bei den nationalen Klimaschutzentscheidungen in In-dustrie- und Schwellenlaumlndern und bei G20- bzw G8-Gipfeln sind sie auszligen vor

2 Zweitens neigt die Politik in Demokratien aufgrund der etwa vierjaumlhrigen Wahlzyklen zu einer systemati-schen Vernachlaumlssigung von langfristigen Problemen wie dem Klimawandel Heutige Klimaschutzentschei-

dungen wuumlrden das Klima bis 2030 so gut wie nicht mehr beeinflussen das Klima in den Folgejahrzehnten jedoch gravierend Dann aber sind heutige Politiker laumlngst ab-gewaumlhlt und muumlssen sich nicht mehr dafuumlr verantworten

3 Drittens stellen irreversible Veraumlnderungen die eine Generation uumlber die naumlchste verhaumlngt das demokrati-sche Prinzip der bdquoEntscheidungen auf Zeitldquo in Frage ndash das trifft auf die Nutzung fossiler Energietraumlger und den Kli-mawandel ebenso zu wie auf den Einsatz von Kernkraft

4 Viertens sind die Interessenverbaumlnde der sich auf fossile Traumlger stuumltzenden Energiewirtschaft und der von Kurzfristinteressen gepraumlgten Finanzakteure so gut organisiert dass wichtige Demokratien ndash wie etwa die USA ndash zum Teil wie Marionetten erscheinen

5 Fuumlnftens wird die Handlungsfaumlhigkeit der Demo-kratie angesichts solcher Herausforderungen zu einem zentralen Argument in Diskussionen mit Akteuren wie China die einem aufgeklaumlrtem Autoritarismus das Wort reden

122 Siehe wwwatmosfairde 123 IPCC 1999 8124 Lee et al 2010

Info-Kasten 7 Flugverkehr und Klimaschutz

Die internationale Luft- und Schiffsverkehrsbran-che ist (neben der Landwirtschaft) die einzige treib-hausgasintensive Branche die klimapolitisch nicht reguliert ist da sie nicht durch das Kyoto-Protokoll erfasst wurde Die bisher einzige aber wichtige Aus-nahme ist der Einbezug des Flugverkehrs in den euro-paumlischen Emissionshandel durch den auch Fluumlge au-szligerhalb Europas erfasst werden soweit sie in Europa landen oder aus Europa abgehen Dabei schaumldigt ein Flug das Klima pro zuruumlckgelegtem Kilometer pro Per-son um ein Mehrfaches einer Auto- oder Bahnreise122

Dies liegt vor allem daran dass bei Fluumlgen uumlber 700 km wegen der dann groszligen Flughoumlhe nicht allein das Kohlendioxid klimaschaumldlich wirkt Hinzu kommen u a auch Kondensstreifen und Zirruswolken die sich in groszliger Houmlhe bilden und das regionale Klima beein-flussen koumlnnen

Der IPCC hat daher die gesamte Klimawirkung der verschiedenen Effekte ausgedruumlckt durch den so-genannten bdquoRadiative Forcing Indexldquo (RFI) auf min-destens das Zwei- bis Vierfache des CO2-Ausstoszliges geschaumltzt123 Neuere wissenschaftliche Forschungen deuten darauf hin dass diese Werte noch houmlher lie-gen koumlnnten124 Allerdings bestehen einige wissen-schaftliche Unsicherheiten Der Gesamtanteil am menschgemachten Treibhauseffekt wird auf bis zu 14 Prozent geschaumltzt (im Jahr 2005)125 Besonders problematisch sind die ndash trotz Wirtschaftskrise ndash ins-

gesamt sehr hohen Wachstumsraten die natuumlrlich auch zu einem Anstieg der Emissionen fuumlhren Je nach Szenario koumlnnten sich die Emissionen aus dem Flug-verkehr bis 2050 verdreifachen

Verschiedene Wege sind zudem denkbar wie man die Fluggaumlste und die Branche in die Verantwortung nehmen kann ndash trotz fehlender oder unzureichender politischer Regulierung Am wirkungsvollsten ist es auf unnoumltige Fluumlge zu verzichten Fluggaumlste haben aber auch die Moumlglichkeit bereits jetzt auf freiwil-liger Basis aktiv zu werden durch die Unterstuumltzung von Klimaschutzprojekten die Emissionen in einer Houmlhe einsparen welche aumlquivalent zur Erwaumlrmungs-wirkung des Fluges sind126 Angesichts des im Ver-gleich zur Wachstumsrate des Flugverkehrs recht geringen Potenzials von technischen Verbesserungen ist jedoch eines klar Moumlchte man das Wachstum der Flugverkehrsemissionen zumindest deutlich abbrem-sen so reichen solche freiwilligen Loumlsungen mittel- bis langfristig nicht aus Sie sind nur als Ergaumlnzung zu verbindlichen Regelungen und oumlkonomischen Instrumenten zu sehen Neben dem Einbezug in den Emissionshandel sollten daher auch eine Emissions-abgabe und der Abbau verschiedener Subventionen angestrebt werden insbesondere auch um zu der international notwendigen Klimafinanzierung in Ent-wicklungslaumlndern beizutragen

125 Lee et al 2010126 Siehe z B httpwwwatmosfairde

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Info-Kasten 8 Geo-Engineering

Neben den bisher beschriebenen Ansaumltzen gibt es die Vorstellung der Mensch koumlnne die Entwicklung des Klimasystems gezielt steuern Im Englischen wer-den solche Methoden unter dem Begriff des bdquoGeo-Engineeringldquo zusammengefasst Ein Ansatz an dem zunehmend intensiver geforscht wird besteht darin die CO2-Aufnahmekapazitaumlt der Ozeane zu erhoumlhen ndash durch Duumlngung mit Eisenspaumlnen Eine solche Duumln-gung haumltte ein beschleunigtes Wachstum des Phyto-planktons zur Folge Dies wuumlrde im Prinzip zu einer houmlheren Aufnahme von CO2 fuumlhren Wenn diese Al-gen dann absterben sollen sie auf den Meeresboden sinken und das CO2 quasi mit in die Tiefe nehmen

Der IPCC bemerkt dazu kritisch dass die wenigen bisher durchgefuumlhrten Studien moumlgliche negative Nebeneffekte nicht ausreichend untersucht haumltten Dazu zaumlhlen die erhoumlhte Produktion von CH4 und N2O sowie die moumlglichen Auswirkungen des schnellen Al-genwachstums auf die Oumlkologie der Meere und die Nahrungskette Eine weitere Option besteht darin die Sonneneinstrahlung kuumlnstlich zu verringern und so die Wirkung des Treibhauseffekts abzuschwaumlchen

Einer der Vorschlaumlge die in diese Richtung zielen sieht vor eine Art riesigen etwa 106 Quadratkilome-ter groszligen Spiegel ins All zu transportieren So soll ein Teil der Sonnenstrahlung vom Eintritt in die At-mosphaumlre abhalten werden Ein weiterer Vorschlag sieht vor die kuumlhlende Wirkung stratosphaumlrischer Aerosole wie sie zum Beispiel von Vulkanausbruuml-chen oder Luftverschmutzung bekannt ist kuumlnstlich zu verstaumlrken Groszlige Mengen Schwefel oder andere Aerosole muumlssten dabei in die Stratosphaumlre gebracht werden

Allen diesen Optionen ist gemeinsam dass sie enor-me oumlkologische und klimatische Nebeneffekte mit sich bringen koumlnnten Wie bei einem Menschen der an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen wird wird auch hier die Eigensteuerung des Systems Erde-Klima auszliger Kraft gesetzt Viele Akteure halten des-halb diese Aktivitaumlten insbesondere wenn sie die Strahlungsaktivitaumlt in der Atmosphaumlre verringern fuumlr indiskutabel

Andererseits zeigt sich uumlberall dass die Umsetzung von Energieeffizienz und die dezentrale Nutzung Erneuerba-rer Energien eine aktive Zivilgesellschaft zur Grundvor-aussetzung hat Die Buumlrger draumlngen ndash trotz zunehmen-der Politikverdrossenheit ndash auf staumlrkere Partizipation

Keine Frage die Demokratie wird sich erneuern muumlssen wenn sie auf Herausforderungen von der Groumlszligenord-nung des Klimawandels angemessene Antworten finden will Aber nicht zuletzt die Ereignisse in der arabischen Welt und der Mittelmeerregion zeigen Demokratie ist eine erneuerbare Ressource der Politik ndash und dieses Potenzial sollten wir nutzen Historisch gesehen haben

sich Diktaturen als zu starr erwiesen um auf dynamische Veraumlnderungsanforderungen reagieren zu koumlnnen Die Wahrnehmung der groszligen Transformation als Veraumlnde-rungschance und nicht als Veraumlnderungszumutung ist daher gerade ein Argument fuumlr eine Staumlrkung der Buumlr-gergesellschaft als Schluumlsselinstrument fuumlr mehr Klima-schutz in Demokratien127 Zugleich sollte es ein wichti-ges Entscheidungskriterium fuumlr politisch eingeleitete Klimaschutzmaszlignahmen sein dass sie die Freiheit des Einzelnen nicht einschraumlnken Allerdings endet die Frei-heit wo sie die Freiheit oder gar die Existenz anderer Menschen gefaumlhrdet

127 Vgl Leggewie und Welzer 2010

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Moderne Zugtechnik traumlgt nicht nur in Deutschland immer mehr zum Klimaschutz bei indem sie eine attraktive Alternative zu Kurzstreckenfluumlgen darstellt

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Wer muss handeln

Ein wichtiger Grund dafuumlr dass bisher erforderliche Maszlignahmen trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse nur zoumlgerlich vorankommen ist die mangelnde Uumlbernah-me von Verantwortung Politik Wirtschaft und Buumlrger schieben diese gerne in jeweils andere Bereiche oder gar auf andere Laumlnder ab Das liegt auch darin begruumlndet dass die Klimaproblematik ein Kollektivgutproblem ist da jeder freien Zugang zu der Atmosphaumlre hat selbst wenn er sie stark verschmutzt

Die besondere Verantwortung der industrialisierten Laumlnder beruht jedoch auf der Tatsache dass sie die Hauptverursacher des menschgemachten Treibhausef-fekts sind und uumlber weit groumlszligere finanzielle Moumlglichkei-ten verfuumlgen als die Entwicklungslaumlnder (siehe auch Ka-pitel 4 5 und 6) Letzteres aumlndert sich allerdings seit der Finanzkrise dramatisch ndash und ist inzwischen angesichts der groumlszligeren finanzpolitischen Spielraumlume dort ein wei-teres Argument dafuumlr auch die Schwellenlaumlnder in die Pflicht zu nehmen

Nur wenn Politik Wirtschaft und Buumlrger die erforder-liche Veraumlnderung auch als Chance begreifen ist ein Wandel moumlglich Fuumlr ein neues Wohlstandsmodell und die Vermeidung eines gefaumlhrlichen Klimawandels sind folglich alle gefragt ndash Politik Wirtschaft und Buumlrger

Zugleich kann Deutschland kurz- und langfristig von sei-nem Engagement im Klimaschutz profitieren Einerseits weil die sonst eintretenden Auswirkungen der Erwaumlr-mung auch Deutschland treffen wuumlrden (Extremwetter-ereignisse Meeresspiegelanstieg usw) Andererseits weil durch Klimainvestitionen und die Vorreiterrolle im Klimaschutz Arbeitsplaumltze geschaffen und wirtschaft-liche Zukunftsmaumlrkte erschlossen werden

Deutschland hat als groszlige Industrienation mit uumlber-durchschnittlichem Pro-Kopf-Ausstoszlig an CO2 maszliggeb-lich zur bisherigen Erderwaumlrmung beigetragen Eine Minderung von mindestens 40 Prozent bis zum Jahr 2020 im Vergleich zum Niveau von 1990 ist daher er-forderlich um zur Begrenzung der weltweiten Erwaumlr-mung auf unter 2 degC beizutragen Seine Verantwortung kann Deutschland jedoch nur uumlbernehmen wenn Politik Wirtschaft und Buumlrger diese nicht in die jeweils anderen Bereiche abschieben sondern jeder seinen Beitrag leis-tet Dieses Kapitel fasst zentrale Aufgaben in verschie-denen gesellschaftlichen Bereichen zusammen

71 Was kann die Politik tun

I Internationale Politik

rarr 1 Forderung nach einer globalen Strategie

Eine globale Aufgabe wie der Klimaschutz braucht eine globale Strategie128 ndash nicht zuletzt wegen der Flexibili-taumlt von Unternehmen die den nationalen Regelungen oft durch Standortverlagerungen ausweichen Folglich muumlssen nicht nur auf nationaler sondern auch auf inter-nationaler Ebene Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz ge-troffen werden Die jaumlhrlich stattfindenden Klimagipfel bieten bereits die Moumlglichkeit zur Vereinbarung einer globalen Strategie

Der bedeutendste erste Schritt hin zu einer globalen Strategie war der Abschluss des voumllkerrechtlich ver-bindlichen Kyoto-Protokolls (siehe Kapitel 6) Dieses ist zwar ein erster Schritt kann aber nur einen nachhaltigen Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels leisten wenn er als Basis fuumlr weitaus ehrgeizigere Maszlignahmen in den folgenden Jahren genutzt wird

Nach den schwachen Ergebnissen von Kopenhagen zeigt sich immer staumlrker dass eine globale Strategie im Zu-sammenspiel von Vorreiterkoalitionen und internationa-len Rahmensetzungen die sich wechselseitig dynamisie-ren verstanden werden muss Fuumlr Deutschland heiszligt das auch dass bilaterale Abkommen mit besonders verletz-lichen besonders progressiven und besonders relevan-ten Staaten eine wichtige Bedeutung haben

rarr 2 Vorsorgepolitik betreiben

Um angemessene Antworten auf den Klimawandel zu fin-den und effektive Vorsorgemaszlignahmen zu treffen ist es wichtig dass die Politik Klimaschutzmaszlignahmen als In-vestitionen in bessere Lebensbedingungen erkennt und Vorsorgepolitik betreibt Die bisherigen Anstrengungen der internationalen Politik werden der Herausforde-rung einen gefaumlhrlichen Klimawandel zu vermeiden und gleichzeitig die Anpassung in besonders betroffenen Regionen zu unterstuumltzen nicht gerecht denn mit den bisher angekuumlndigten Emissionsverminderungszielen steuert die Welt weiterhin auf eine Erderwaumlrmung von 3 bis 4 Grad zu ndash wenn alle Vorhaben umgesetzt werden und was keineswegs gesichert ist ndash keine Schlupfloumlcher die Ernsthaftigkeit der Ziele untergraben Bisher spricht wenig dafuumlr dass der globale Scheitelpunkt der Emissi-onsentwicklung vor 2020 erreicht wird ndash und damit duumlrf-te das 2-Grad-Limit auszliger Reichweite geraten Nachdem

7 Maszlignahmen zum Klimaschutz

128 Zur Diskussion der Moumlglichkeiten den Klimaschutz in die Systemlogik von Politik Wirtschaft und Technologie zu uumlbersetzen siehe Bals 2002

68

sich die USA in eine Situation der Handlungsunfaumlhigkeit manoumlvriert haben kann die notwendige Dynamik nur entstehen wenn sich die EU und China uumlber ihre Mini-malziele von Kopenhagen hinaus bewegen

rarr 3 Finanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen gerecht regeln

Damit eine angemessene globale Klimaschutzstrategie moumlglich wird muss die internationale Politik entspre-chende Rahmenbedingungen schaffen und die Finan-zierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen gerecht regeln Zum einen geht es darum moumlglichst verursachergerecht ndash etwa durch Erloumlse aus dem Emis-sionshandel und eine Abgabe auf den internationalen Flug- und Schiffsverkehr die notwendigen oumlffentlichen Gelder einzusetzen Zum anderen sollten diese Gelder vor allem soweit es um Gelder fuumlr den Klimaschutz geht mit optimaler Hebelwirkung so fuumlr Rahmenbedingungen und Infrastruktur eingesetzt werden dass ein Vielfaches an privaten Finanzstroumlmen dementsprechend umgelei-tet wird Die Industriestaaten als Hauptverursacher fuumlr Auswirkungen und Schaumlden des Klimawandels tragen die groumlszligte Verantwortung Sie stehen nach dem Verursa-cherprinzip somit in der Pflicht die besonders betroffe-nen Laumlnder und Bevoumllkerungsgruppen bei Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen technisch und finanziell zu unterstuumltzten Eine gerechte und verlaumlssliche Finanzie-rung ist zugleich ein aktiver Beitrag fuumlr eine sicherere Welt und sollte daher im Sinne der Industrienationen sein Aufgrund des zweiten Prinzips der Frage nach der Handlungsfaumlhigkeit der Staaten muss allerdings nach der Finanzkrise auch die Frage nach einer finanziellen Beteiligung der Schwellenlaumlnder gestellt werden

II Nationale Politik

rarr 1 Rahmenbedingungen fuumlr ein klima-freund liches Wohlstandsmodell schaffen

Die Industriestaaten koumlnnen die Rahmenbedingungen fuumlr ein klimafreundliches Wohlstandsmodell vorantrei-ben indem sie klimafreundliche Handlungen foumlrdern und klimaschaumldliche Handlungen einschraumlnken

n Klimafreundliche Handlungen foumlrdern und klima-schaumlndliche Handlungen einschraumlnken

Klimafreundliche Handlungen koumlnnen durch erfolg-reiche Klimaschutzpolitikmodelle Gesetze und Klima-investitionen gefoumlrdert werden Langfristig sind sie schon deshalb fuumlr die Gesellschaft ein finanzieller Ge-winn weil die entstehenden Kosten sehr wahrschein-lich niedriger sein werden als die zu erwartenden Fol-gekosten eines Klimawandels insbesondere wenn man

positive Nebeneffekte von Klimaschutzmaszlignahmen ein bezieht129 Aber auch kurzfristig koumlnnen sich diese Investitionen auszahlen weil Gelder nicht in meist un-demokratische Staaten fuumlr Oumll- und Gas uumlberwiesen son-dern in der Region investiert werden weil Innovationen vorangetrieben Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen geschaffen werden Am Beispiel der Energieversorgung werden im Folgenden konkrete Handlungsmoumlglichkei-ten der Politik veranschaulicht

n Erneuerbare Energien muumlssen ausgebaut und effiziente Energiestrukturen gefoumlrdert werden

Die Politik in Deutschland hat bereits einige wichtige Fortschritte gemacht wie zum Beispiel die Einfuumlhrung des Energieeinspeisegesetzes (EEG) zeigt Das auf einem Ansatz aus dem Jahr 1990 fuszligende im Jahr 2000 offiziell implementierte und fortwaumlhrend weiter entwickelte Ge-setz garantiert Produzenten von Erneuerbaren Energien uumlber einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren einen festen Verguumltungssatz und verpflichtet die Netzbetreiber zur vorrangigen Abnahme der erzeugten Strommengen Innerhalb weniger Jahre ist damit der Anteil der Erneu-erbaren an der Stromversorgung auf ca 17 Prozent ge-stiegen Auch im Bereich der Gebaumludesanierung und der Waumlrmeversorgung aus Erneuerbaren Energien gab es durch verschiedene Foumlrderprogramme bereits beacht-liche Fortschritte doch entscheidende Weichenstellun-gen hin zu einer 100-prozentigen Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien stehen noch aus

Um das 2-Grad-Limit einzuhalten sind daruumlber hinaus noch weitere Maszlignahmen erforderlich wie zum Beispiel ein sich selbst dynamisierendes Foumlrderprogramm fuumlr die Marktfuumlhrer der Energieeffizienz bei verschiedenen Ge-raumlten (Top-Runner-Ansatz) die Forschungsfoumlrderung im Bereich Energieeffizienztechnologien oder die Einfuumlh-rung eines Foumlrdergesetzes fuumlr Erneuerbaren Energien im Bereich Gebaumludeheizung -kuumlhlung und Warmwasserbe-reitung

Am erstrebenswertesten waumlre eine Komplettversorgung mit Oumlkostrom in Europa und angrenzenden Regionen zu sozialvertraumlglichen Kosten Die Idee hinter dem so ge-nannten bdquoSuperSmartGridldquo-Ansatz (SSG) ist die Kombi-nation von zwei Ansaumltzen die all zu oft gegeneinander ausgespielt werden Zum einen das dynamische Voran-treiben von dezentral erzeugten Erneuerbaren Energien Dies hat aus Gruumlnden der regionalen Wertschoumlpfung und der Aufwertung ganzer Regionen der Identifizierung der Buumlrger und Buumlrgerinnen mit ihrer Stromversorgung und der Energiesicherheit viel fuumlr sich Ein Smart Grid ermoumlglich die optimale Abstimmung der dezentralen Er-zeugung mit dem Verbrauch von Wirtschaft und privaten Verbrauchern so dass sich das Problem der fluktuieren-den Verfuumlgbarkeit von Strom relativiert

129 Stern 2006

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Zum anderen aber geht es ndash unter dem Stichwort Super-grid ndash um ein europaweites Stromnetz bei dem jedes Land die besonders effizient nutzbaren und groszligen Po-tenziale nutzt die es bezuumlglich Erneuerbarer Energien hat Wind- und Wasserkraft aus Nordeuropa Biomasse aus Zentraleuropa Solarstrom aus der Sahara usw Die-ses Kontinente uumlbergreifende Stromnetz kann Realitaumlt werden wenn die Politik sich fuumlr folgende Maszlignahmen einsetzt eine massive Foumlrderung Erneuerbarer Ener - gien einen auf Erneuerbare Energien ausgerichteten Stromnetzausbau und eine verbesserte nationale so-wie europauml ische Energierahmengesetzgebung Studien zeigen dass eine entsprechende Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien gemeinsam mit einem starken Schub fuumlr Effizienz mit aumlhnlichen Kosten verbunden waumlre wie wenn man einen hohen Anteil an Kohle- und Atomstrom beibehalten wuumlrde130 Aber wenn es die Vollversorgung Europas mit Erneuerbaren Energien vor 2050 geben soll dann muumlssen jetzt die Weichen dafuumlr gestellt werden

n Abschaffung von klimaschaumldlichen Subventionen ndash keine Foumlrderung von Kohle und Atom

Der Neubau von Kohlekraftwerken ist hochproblema-tisch auch wenn neue Kraftwerke deutlich effizienter sind als aumlltere weil beim Verbrennen von Stein- und Braunkohle im Vergleich zu Oumll und Gas ein Mehrfaches an CO2 entsteht Da die Kohlevorraumlte deutlich groumlszliger sind als die Reserven aller anderen fossilen Energietrauml-ger ist daruumlber Hinaus zu erwarten dass die CO2-Pro-blematik durch entsprechend lange Laufzeiten bis weit in die Zukunft ungeloumlst bliebe Subventionen in Kohle Atom und beim Flugverkehr muumlssen abgeschafft wer-den Milliardensubventionen in diesen Bereichen schauml-digen das Klima einerseits durch den Ausstoszlig von Treib-hausgasen und andererseits weil sie die oumlkonomische Wettbewerbsfaumlhigkeit klimaschonender und generell risikoaumlrmerer Alternativen reduzieren

n RegulierungVerteuerung von klimaschaumldlichen Handlungen

Theoretisch ist unumstritten dass der Markt nur eine gewuumlnschte Lenkungswirkung erzielen kann wenn die Internalisierung externer Kosten gelingt Dabei werden die verursachten Kosten in die Preise klimaschaumldlicher Produkte und Dienstleistungen eingerechnet und somit internalisiert Beispiele dafuumlr sind das Verursacherprin-zip beruumlcksichtigende verbrauchsabhaumlngige Steuern (Oumlkosteuer etc) bzw Abgaben (z B auf Mineraloumll) Der Emissionshandel internalisiert prinzipiell die externen Kosten da er zum einen CO2 einen Preis gibt und da-mit in die Wirtschaftslogik einfuumlhrt und zum anderen weil er die Menge der erlaubten Emissionen nach oben begrenzt Eine volle Internalisierung waumlre das aber nur wenn das Ziel einer 80 bis 95-prozentigen Reduktion von

Treibhausgasen bis 2050 jetzt schon rechtlich verbind-lich den Akteuren vorgegeben wuumlrde Eine Kombination von verbrauchsabhaumlngigen Steuern und Emissionshan-del mit ausreichend scharfen Zielen ndash je nach Sektoren ndash kann einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz leis-ten

rarr 2 Vorreiterrolle im Klimaschutz einnehmen

Auch wenn die internationale Politik fuumlr eine globale Strategie verantwortlich ist kann sich jedes Land und jede Region Deutschlands fuumlr den Klimaschutz enga-gieren Deutschland kann dabei als Exportweltmeister seine Position nutzen und eine Multiplikatoren- bzw Vorreiterrolle hinsichtlich effizienter Klimaschutzpoli-tik einnehmen denn auch erfolgreiche Politikmodelle koumlnnen bdquoexportiertldquo werden Das in Deutschland sehr erfolgreiche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist in mittlerweile in mehr als 45 Laumlndern Vorbild fuumlr gesetz-liche Rahmenbedingungen

Auch einzelne Regionen Deutschlands sind gefragt denn kommunalpolitische Beispiele koumlnnen als Vorbild fuumlr die Bundesebene dienen Wenn Deutschland zeigt dass man auch ohne Kohle und Atom eine international fuumlhrende Volkswirtschaft mit einem attraktiven Wohl-standsmodell bleiben kann waumlre dies ein fundamental wichtiger Beitrag fuumlr die internationale Debatte Viele Laumlnder schauen auf Deutschland ob es gelingt den an-gekuumlndigten beschleunigten Ausstieg aus der Atomener-gie mit den ambitionierten Klimazielen zu kombinieren Wenn dies gelingt kann diese Strategie zum Exportmo-dell werden Im Gegenzug sollten Deutschland und die EU die positiven Erfahrungen nutzen die andere Laumln-der gemacht haben Derzeit wird dabei das japanische bdquoTop-Runner-Modellldquo diskutiert das sich am jeweiligen Effizienzspitzenreiter orientiert und dynamische Effi - zienzstandards fuumlr Energie verbrauchende Geraumlte setzt

rarr 3 Die Politik sollte mit gutem Beispiel vorangehen

Es reicht insgesamt nicht wenn Politiker nur die Rah-menbedingungen fuumlr Klimaschutz schaffen Sie muumlssen den Waumlhlern gegenuumlber offensiv vertreten dass Kli-maschutzmaszlignahmen Investitionen in zukunftsfaumlhige Lebensbedingungen sind Am glaubwuumlrdigsten ist es wenn die Politik und die einzelnen Politiker selbst zu Vorbildern werden Zum Beispiel koumlnnte der Staat mit einer klimafreundlich ausgerichteten oumlffentlichen Be-schaffung Investitionsstroumlme in Richtung nachhaltiger Produkte und Unternehmen lenken131 Etwa im Ver-kehrsbereich ndash von Bussen uumlber Dienstfahrzeuge bis hin zum regelmaumlszligigen hochqualitativen Ausgleich bei Flug-verkehrsreisen ndash bei effizienten Computern oder im Ge-baumludebereich koumlnnte die Marktmacht der oumlffent lichen Hand erhebliche Lenkungswirkung erzielen

130 ECF 2010131 Germanwatch 2010d

70

Der Lebensstil von Bundes- oder EU-Politikern ist ndash an-gesichts der Anforderungen an Mobilitaumlt ndash nur schwer wirklich klimavertraumlglich zu gestalten Aber umso mehr koumlnnen sie sichtbare Signale fuumlr einen klimavertraumlg-lichen Lebensstil geben Wichtiger ist jedoch dass sie ihre Unabhaumlngigkeit bewahren und sich nicht von kli-makritischen Lobbygruppen beeinflussen lassen Wer wissenschaftlich abgesicherte Positionen zu einer kaumluf-lichen Ware macht verkauft kuumlnftige Generationen

72 Was kann die Wirtschaft tun

Herausforderungen fuumlr die Wirtschaft

Kaum ein Unternehmen aus dem CO2-intensiven Bereich verfolgt derzeit eine mit dem 2 degC-Limit vertraumlgliche Unternehmensstrategie obwohl sie nach den OECD-Leit linien132 sogar dazu verpflichten sind sich an der er-klaumlrten Politik ihres Landes auszurichten

Der globale Klimawandel birgt fuumlr Wirtschaft und Unter-nehmen erhebliche Risiken wodurch die Wertentwick-lung von Investitionen und Unternehmen nachhaltig bedroht werden kann Eine ernsthafte Klimaschutzstra-tegie bietet zwar auch Risiken aber auf der anderen Seite ndash insbesondere bei klaren langfristigen politischen Rahmensetzungen ndash groszlige Chancen fuumlr die Wirtschaft So entstehen sehr groszlige neue Geschaumlftsfelder wie die Bereiche Zukunftstechnologien (Erneuerbarer Energi-en Energieeffizienz Elektromobilitaumlt etc) sozial-oumlko-logische Stadtplanung oder klimafreundliche Finanz-anlagen Gelingt es den Unternehmen sich an diese neue Situation schnell und umfassend anzupassen kann neben dem effektiven Klimaschutz auch sozialer und oumlkonomischer Mehrwert gesichert werden

Jedes Unternehmen weiszlig Wenn die Weltgesellschaft sich in Richtung Klimaschutz bewegt dann sind die eige-nen Klimaschutzinvestitionen von heute gut angelegtes

Vertreter der Finanzwirtschaft beraten uumlber den EU-Emissionshandel Workshop von UNEP-Finanzinitiative und Germanwatch mit Finanz-Ratingagenturen im April 2004 Foto Gerold Kier

132 Siehe wwwgermanwatchorgcorpuvhtm

Geld Die Strategie der Gegner zielt deshalb darauf ab vor allem in den USA Zweifel an einer solchen Strategie zu saumlen Doch die positiven wenn auch in Geschwin-digkeit und Ausmaszlig nicht ausreichenden Tendenzen in vielen Schwellenlaumlndern zeigen bereits heute Schon mittelfristig gehoumlrt eine ambitionierte Klimaschutzstra-tegie ebenso zur Grundausruumlstung eines erfolgreichen Unternehmens wie dies fuumlr zukunftsfaumlhige Arbeitsplaumltze der Fall ist

rarr Direkte und regulative Finanzrisiken erkennen

Wichtig fuumlr die Unternehmen sind die Identifizierung von Klimarisiken und -chancen sowie ein darauf beru-hendes Risikomanagement Welche direkten Klima- und Wetterrisiken koumlnnten relevant fuumlr uns sein Wo sind wir auf die absehbaren klimapolitischen Rahmensetzungen nicht vorbereitet Welcher Imageschaden droht uns als Klimaschutz-Verweigerer Auf welche Klagen muumlssen wir uns als Verursacher des Klimawandels einstellen Welche Chancen ergeben sich fuumlr uns aus einer aggres-siven Klimaschutzstrategie Wie muumlssen wir uns auf-stellen um diese nutzen zu koumlnnen Dafuumlr bedarf es der Entwicklung von Methoden die ndash moumlglichst modular aufgebaut ndash eine systematische Beruumlcksichtigung von Klimarisiken im Risikomanagement ermoumlglichen

Durch die Anwendung der Methoden wird eine bessere Bewertung der Folgen des Klimawandels und ihrer finan-ziellen Implikationen moumlglich

rarr Chancen des Klimawandels nutzen ndash Investitionen in Zukunftstechnologien

Wenn die Chancen identifiziert sind gilt es diese auch zu nutzen Besonders vielversprechend sind Investi-tionen in Zukunftstechnologien die zugleich einen klimafreundlichen Lebensstil ermoumlglichen Diesbezuumlg-

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lich sind besonders die Bereiche Erneuerbare Energien Effizienztechnologien und Verkehr (Innovative Schie-nenkonzepte Elektromobilitaumlt Hybridtechnologien etc) zukunftstraumlchtig Ganze Branchen setzen ihre Zu-kunft aufs Spiel wenn sie die neuen Trends verpassen So hat die deutsche Automobilindustrie den Trend zum Hybrid- und Elektroauto zunaumlchst verschlafen Das Ge-schaumlftsmodell der groszligen Energieversorger in Deutsch-land hat sich nicht bzw voumlllig unzureichend auf den massiven Ausbau von Energieeffizienz (etwa durch Con-tracting) und Erneuerbaren Energien eingestellt Die Stahl- und Zementindustrie blockiert klimavertraumlgliche Alternativen etwa basierend auf beschichteten Kohlen-stofffasern anstatt diese zuumlgig voranzubringen

rarr Nachhaltiges und klimafreundliches Wirtschaften in Unternehmen

Neben der Wahlmoumlglichkeit von Guumltern die ein Un-ternehmen produziert bzw anbietet koumlnnen Klima-schutzaspekte auch im Unternehmensbetrieb und in der Produktion beruumlcksichtig werden

Betriebliche Oumlkobilanzen oder Nachhaltigkeitsberich-te bieten zum Beispiel die Chance klimafreundliche Einsparungspotenziale zu identifizieren Haumlufig gibt es ndash besonders bei den nicht ganz so energieintensiven Branchen wo schon der Energiepreis ein starker Antrieb ist ndash in den Bereichen Energie Beschaffung Produktion Absatz und Verkehr groumlszligere Einsparpotenziale die den Unternehmern nicht bewusst sind

n Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Im Bereich Energie gilt es auf Erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu setzen Auch der Stromverbrauch im Unternehmen kann haumlufig gesenkt werden wofuumlr es zahlreiche Wege gibt (siehe 73 bdquoBuumlrgerldquo)

Regionale Wirtschaftsfoumlrderung In den Bereichen Beschaffung Produktion und Absatz ist es manchmal wichtig in der Naumlhe zu suchen statt in die Ferne zu schauen Lange Transportwege bewirken einen hohen CO2-Ausstoszlig weshalb von Umweltorganisationen und Verbaumlnden zunehmend die Staumlrkung regionaler Wirt-schaftskreislaumlufe gefordert wird Bei der Produktion mag Outsourcing ins Ausland augenscheinlich erst ein-mal Kosteneinsparungen mit sich bringen Doch mit langen Transportwegen wird haumlufig die Kommunikation und Kontrolle im Unternehmen erschwert und der CO2-Ausstoszlig erhoumlht133

n Nachhaltige Ressourcen

Bei der Produktion und Beschaffung sollte auch auf die Klimabilanz und Nachhaltigkeit der verwendeten Res-sourcen und Produkte geachtet werden Mittlerweile

gibt es fuumlr viele Bereiche (Holz Papier Lebensmittel etc) Zertifizierungen die nachhaltige Produkte kenn-zeichnen

n Nachhaltige Dienstreisetaumltigkeiten

Der Bereich Verkehr umfasst die Dienstreisetaumltigkeiten der Mitarbeiter sowie die bereits erwaumlhnten Bereiche Beschaffung und Absatz Generell gilt es den CO2-Ausstoszlig kleinstmoumlglich zu halten indem man nur den notwendigen Verkehr taumltigt und z B bei routinemaumlszligig abgehaltenen Besprechungen die Nutzung von Video- oder Telefonkonferenzen in Betracht zieht Durch eine systematische Optimierung der Dienstreisetaumltigkeit koumlnnen Unternehmen Geld sparen und zugleich den Aus-stoszlig von Treibhausgasen reduzieren Ein weiterer Weg zur Reduktion des CO2-Ausstoszliges ist die Nutzung von klimafreundlichen Verkehrsmitteln bei gleichzeitigem Verzicht auf klimaschaumldliche Verkehrsmittel wie das Flugzeug Eine Moumlglichkeit fuumlr CO2-freie Dienstreisetauml-tigkeiten bietet die Deutsche Bahn mit ihrem Programm bdquoUmwelt-Plusldquo Dabei wird der Energiebedarf des Rei-sens im Voraus kalkuliert und in Form von Oumlkostrom ins Netz der Bahn eingespeist Die Initiative Atmosfair (wwwatmosfairde) bietet allgemein die Moumlglichkeit getaumltigte Emissionen durch Spenden fuumlr serioumlse Klima-schutzmaszlignahmen auszugleichen

rarr Gemeinsam ihr Interesse am Klimaschutz aussprechen

Neben diesen beschriebenen Maszlignahmen steht es je-dem Unternehmen offen sich gegenuumlber der Politik aktiv fuumlr mehr Klimaschutzmaszlignahmen einzusetzen Einige Unternehmen haben sich bereits in progressiven Unternehmergruppen wie der 2deg-Initiative oder dem Un-ternehmerrat e5 zusammengeschlossen und koumlnnen so gemeinsam die Beruumlcksichtigung ihrer Klimaschutzinter-essen von der Politik einfordern

Solarthermische Anlagen verringern in immer mehr Haumlusern den fossilen Energiebedarf fuumlr Warmwasser und Heizung Foto Dietmar Putscher

133 Einen interessanten Artikel zum Thema Vor- und Nachteile von Outsourcing bietet bdquoDie Zeitrdquo httpwwwzeitde201016Globalisierung

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73 Was koumlnnen die Buumlrger tunNeben Politik und Wirtschaft haben die Buumlrger eine zentrale Bedeutung in der Realisierung der Klimaziele Wie beschrieben erfordert eine nachhaltige Loumlsung der Klimaprobleme eine kulturelle und industrielle Revolu - tion womit der Buumlrgergesellschaft eine viel gewichti-gere Rolle zukommt als wir ndash ihre Mitglieder ndash bislang wahrzunehmen bereit waren Dass Buumlrgerbewegungen viel bewegen koumlnnen zeigt die Geschichte der Bundes-republik in der die meisten kulturellen Veraumlnderungen nicht auf Anstoszlig der professionellen Politik sondern auf Basis der Initiative Einzelner oder kleiner Gruppen ent-standen sind134 Ein Beispiel dafuumlr ist die Frauenbewe-gung welche eine Aumlnderung der Geschlechterverhaumllt-nisse in der Gesellschaft bewirkte lange bevor auch die Politik Genderaspekte (Gleichstellungsgesetze Frauen-quoten usw) aufgriff Auch die Anti-Atombewegung hat den jetzt verkuumlndeten Atomausstieg durch jahrzehnte-langes Engagement gegen eine steinharte industrienahe Mentalitaumlt durchgesetzt Folglich ist Politik nicht nur was die Politiker machen sondern vielmehr auch das was wir Buumlrger bewegen

Handlungsmoumlglichkeiten

Im Allgemeinen stehen uns verschiedene Wege offen zu handeln doch allen voraus steht die Aufgabe sich zu in-formieren womit auch der Bildungsarbeit eine zentrale Rolle zukommt Jede(r) Einzelne sollte sich uumlber die Fol-gen des eigenen Handelns sowie uumlber Klimaschutzmaszlig-nahmen auf dem Laufenden halten Jede kleine Aktion die zum Klimaschutz beitraumlgt ist wichtig In den folgen-den drei Bereichen gibt es besonders effiziente Hand-lungsmoumlglichkeiten

rarr 1 Einfluss auf die Politik ausuumlben

Buumlndnisse und Buumlrgerinitiativen koumlnnen die Politik haumlu-fig beeinflussen weil sie entweder ein Gegengewicht oder auch einen Partner staatlichen Handelns darstel-len koumlnnen Durch die Beruumlcksichtigung von Klima- und Umweltaspekten bei der politischen Wahlentscheidung kann ebenfalls Einfluss auf die Politik genommen wer-den Dies gilt nicht nur fuumlr Bundestags- und Europapar-laments- sondern auch fuumlr Landtags- und Kommunal-wahlen Denn wichtige Entscheidungen fuumlr oder gegen den Klimaschutz werden auf allen Ebenen getroffen Kli-maschutz sollte daher in allen Faumlllen ein wichtiges Wahl-kriterium sein bdquoWahlpruumlfsteineldquo die von Umweltver-baumlnden und Organisationen vor Wahlen veroumlffentlicht werden koumlnnen bei der Entscheidung helfen

rarr 2 Sich vernetzen

Gemeinsam mit anderen Aktiven ist es haumlufig leichter einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten In der klei-

nen Gemeinde Schoumlnau im Schwarzwald begann zum Beispiel eine private Initiative 1998 mit der Investition in Erneuerbare Energien Anfangs mit Wind- und Solar-energie spaumlter mit Kraft-Waumlrme-Koppelung und Bio-masse konnten sie soviel Energie produzieren dass sie das oumlrtliche Stromnetz uumlbernahmen und ein eigenes Elektrizitaumlts-Werk errichteten Heute versorgen sie mehr als 100000 Kunden135 Betriebe und Industrieun-ternehmen im ganzen Bundesgebiet mit Oumlkostrom und investieren die Gewinne wiederum in eine nachhaltige Energieversorgung Ein weiterer nennenswerter Akteur in Sachen Klimaschutz ist die Klima-Allianz136 ein Buumlnd-nis von mehr als 100 Organisationen aus einem breiten gesellschaftlichen Spektrum das sich gemeinsam fuumlr die Schaffung politischer Rahmenbedingungen einsetzt

Gemeinsames Handeln ist haumlufig nicht nur erfolgreich sondern macht auch viel Spaszlig Ist das Interesse ge-weckt Dann schauen Sie mal unter wwwutopiade oder wwwklimaretterinfo

rarr 3 Nachhaltig konsumieren

Die Einflussnahme auf die Politik und die Vernetzung mit anderen Aktiven sind wichtige Beitraumlge zum Klima-schutz Sie entbinden aber nicht von der eigenen Ver-

Auf wwwutopiade findet man viele interessante Hinweise zu klimafreundlichen Leben

Nachhaltigkeitssiegel koumlnnen eine Orientie rung fuumlr den nachhaltigen Konsum geben

134 Eine ausfuumlhrliche Auseinandersetzung mit der Rolle der Buumlrgergesellschaft bieten Leggewie und Welzer 2010135 Siehe httpwwwews-schoenaudeewshtml 136 Siehe httpwwwdie-klima-allianzde

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antwortung Der Buumlrger hat in seiner Verbraucherrolle besonders viel Handlungsspielraum weil exzessiver Konsum fuumlr die Zerstoumlrung der globalen Oumlkosysteme und den Klimawandel mitverantwortlich ist Wie der Bericht des fuumlhrenden US-amerikanischen Umweltin-stituts Worldwatch zeigt uumlbernutzen wir derzeit die natuumlr lichen Kapazitaumlten der Erde um rund ein Drittel wobei die Hauptverantwortung bei den hoch industria-lisierten Laumlndern liegt137 Abhilfe koumlnnte ein Wandel der Konsumkultur ermoumlglichen wenn er auf Nachhaltigkeit abzielt138 Das heiszligt in anderen Worten Wir Buumlrger und Buumlrgerinnen koumlnnen uumlber unser Konsumverhalten die Lebensqualitaumlt steigern und zugleich das Klima schonen

Folgende vier Grundregeln helfen klima freund-licher und nachhaltiger zu konsumieren

Informieren und Vergleichen vor der Kaufentscheidung Mittlerweile gibt es in vielen Bereichen Zertifizierun-gen die umweltfreundliche Produkte und Sparpoten-ziale auszeichnen An ihnen koumlnnen Verbraucher z B besonders energieeffiziente Geraumlte erkennen So gibt es in einigen Bereichen mittlerweile auch Produkte (z B bei Kuumlhlschraumlnken oder Spuumllmaschinen) die noch deutlich effizienter sind als Energieklasse A

Klima-Konsequenzen bei Kaufentscheidungen beruumlcksichtigen Bei fast allen Einkaumlufen koumlnnen wir Klimakonsequenzen beruumlcksichtigen Wenn sie regionale Produkte einkau-fen verhindern sie zum Beispiel lange Transportwege bei den Produkten

Einkaufen nach Bedarf Haumlufig wird mehr konsumiert als notwendig Auch wenn viele Produkte durch Groumlszlige oder neue technische Moumlg-lichkeiten und Raffinessen beeindrucken sollten Sie uumlberlegen welche Funktionen Sie wirklich brauchen und auf welche Sie verzichten koumlnnen Denn fuumlr viele Gerauml-te gilt je leistungsstaumlrker desto houmlher der Energiever-brauch

Sinnvoll sparen Besonders in den Bereichen die besonders klimaschaumld-lich sind und wo es Einsparpotenziale gibt Im privaten Bereich haben den mit Abstand groumlszligten Anteil am direk-ten und indirekten Treibhausgasausstoszlig der Auto- und Flugverkehr das Heizen sowie die Ernaumlhrung

Die moumlglichen Maszlignahmen werden im Fol-genden anhand verschiedener Bereiche veran-schaulicht

1 Was gibtrsquos zu beachten im Bereich Energie und Heizen

n Energetische SanierungDie energetische Sanierung von Gebaumluden und Raumlumen rechnet sich langfristig haumlufig weil die eingesparten Energiekosten die entstehenden Renovierungskosten meistens ausgleichen insbesondere bei steigenden Kosten fuumlr fossile Energien Im Bereich Waumlrmedaumlm-mung Isolierung (Fenster etc) und Heizungsanlage (siehe oben) gibt es besonders hohe EinsparpotenzialeDie staatseigene Kreditanstalt fuumlr Wiederaufbau (KfW wwwkfwde) bietet z B zinsguumlnstige Kredite oder Zu-schuumlsse fuumlr solche Sanierungen Auch ohne Geld gibt es uumlber bdquoContractingldquo die Moumlglichkeit seine Gebaumlude energetisch zu renovieren Die Idee der Zusammenarbeit mittels bdquoContractingldquo ist einfach Ein Unternehmen das sich auf effiziente Waumlrme- und Energietechnik spezia-lisiert hat renoviert Gebaumlude oder Raumlume Kommunen oder Wohnungsbaugesellschaften bezahlen dafuumlr kei-nen Cent mehr als sonst weil der Sanierer fuumlr mehrere Jahre nur das Geld erhaumllt das der jeweilige Besitzer bis-lang fuumlr Oumll Gas und Strom mehr bezahlt hat Eine klassi-sche Win-Win-Situation

Einen Ratgeber fuumlr Energiespar-Contracting in oumlffent-lichen Liegenschaften hat das Umweltbundesamt ver-oumlffentlicht (siehe httpwwwumweltbundesamtdeproduktebeschaffungenergieversorgungcontractinghtml)

n Passivhaumluser und Plus-Energie-Haumluser Besonders energieeffiziente Gebaumlude sind Passivhaumluser oder Plus-Energie-Haumluser Das Passivhaus ist ein Bau-konzept bei dem Waumlrmedaumlmmung und Luftdichtheit im Vordergrund stehen um die Heizkosten zu reduzieren Das Plus-Energie-Haus geht daruumlber hinaus und ist in der Regel ein Passivhaus in Kombination mit Photovoltaik-anlagen das mehr Primaumlrenergie produziert als es an Heizenergie verbraucht

Waumlrmedaumlmmung vermindert effektiv CO2-Emissionen und wird durch Foumlrdermaszlignahmen unterstuumltztFoto Dietmar Putscher

137 Worldwatch Institute 2010138 Die Vereinten Nationen definieren diesen nachhaltigen Konsum als bdquodie Nutzung von Guumltern und Dienstleistungen die ele-

mentare menschliche Beduumlrfnisse befriedigen und eine bessere Lebensqualitaumlt hervorbringen wobei sie gleichzeitig den Einsatz natuumlrlicher Ressourcen toxischer Stoffe und Emissionen von Abfall und Schadstoffen uumlber den Lebenszyklus hinweg minimieren um nicht die Beduumlrfnisbefriedigung kuumlnftiger Generationen zu gefaumlhrdenldquo

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n EnergiepassBei Mietwohnungen erleichtert der Energiepass der seit 01072008 fuumlr alle Vermieter und Verkaumlufer von Immobilien Pflicht ist die Identifizierung von energie-sparenden GebaumludenRaumlumen Als Mieter lohnt es sich den Vermieter nach dem Energiepass zu fragen und auf moumlgliche Maumlngel hinzuweisen

n In Erneuerbare Energie investierenDurch einen Wechsel von Kohle Oumll- und Gas zu Erneu-erbaren Energien koumlnnen die Emissionen im Haushalt stark gesenkt werden

n Bezug von Oumlko-StromIn den meisten Faumlllen sind der Bezug von Strom aus Er-neuerbaren Energien und der Wechsel des Stromversor-gers heute problemlos moumlglich und nur Sache eines ein-zigen Telefonats Guumlnstige Angebote gibt es bei vielen lokalen Stromversorgern aber auch uumlberregional An-bieter mit den Siegeln bdquook-Powerrdquo oder dem bdquoGruumlner-Strom-Labelrdquo sind aus oumlkologischer Sicht zu empfehlen Zudem sollten die Anbieter eigentumsrechtlich unab-haumlngig von den groszligen Energieversorgern sein

Investitionen in gruumlnen Strom koumlnnen langfristig gese-hen haumlufig Geld sparen und als Beitrag zur Altersvorsor-ge betrachtet werden Teilweise koumlnnen Solarpaneele zum Beispiel bis zu 40 Jahre halten und somit langfristig die Stromkosten senken Der Bau oder die Beteiligung an Projekten zur Nutzung Erneuerbarer Energien (z B Solarstrom Windkraft) sind dabei Geldanlagen die Rendite und Klimaschutz verbinden Buumlrgersolarparks ermoumlglichen eine Beteiligung auch mit kleinen Geldbe-traumlgen und auch wenn man kein eigenes Dach besitzt139

Immer mehr Neubauten werden durch geringen Ener-gie verbrauch und Stromproduktion durch Solarzellen zu bdquoPlusenergiehaumlusernldquo die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen Foto fotoliacom Daniel Schoenen

n Effiziente Heiz- und Warmwasseranlagen nutzenEffiziente Heizanlagen sind z B moderne Pelletheizun-gen Waumlrmepumpen oder auch Gas-Brennwertkessel Warmes Wasser laumlsst sich wiederum kostenguumlnstig und klimaschonend durch Solarwaumlrme erzeugen Besonders lohnenswert ist die Koppelung von Heizenergie- und Warmwassererzeugung und die Ergaumlnzung der Anlage durch Sonnenkollektoren (Der Einbau wird derzeit noch staatlich gefoumlrdert)

n Klimakonsequenzen bei Renovierung Neubau oder Umzug beruumlcksichtigenBei der Errichtung von Gebaumluden der Renovierung oder dem Umzug in neue Gebaumlude gibt es viele Energiespar-moumlglichkeiten

n Wohnung und GroumlszligeNeben dem Energiestandard koumlnnen die CO2-Emissio-nen durch die Wohnortwahl und die Groumlszlige der beheiz-ten Wohnflaumlche beeinflusst werden Bei der Wahl des Wohnorts kann man auf folgende Punkte achten die Naumlhe zum Arbeitsort zur Schule und zu Einkaufsmoumlg-lichkeiten sowie auf eine gute Anbindung an oumlffentliche Verkehrsmittel Dadurch kann eine Reduzierung der Au-tonutzung erzielt werden womit CO2- und Gelderspar-nisse einhergehen Zugleich sollte man sich immer fra-gen wie groszlig die Wohnung oder das Haus wirklich sein muumlssen Eine kleine Wohnung hat auch Vorteile denn Je kleiner die Wohnung desto kleiner ist nicht nur der Energieverbrauch sondern auch die StromrechnungWeitere Infos siehe auch CO2-Online wwwco2onlinede oder Institut Wohnen und Umwelt wwwiwude

n Technik im HausBei dem Kauf von Elektrogeraumlten ist die Wahl von klei-nen Energie einsparenden Geraumlten langfristig betrach-tet gut fuumlr die Umwelt und fuumlr den Geldbeutel

n Energieeffizienz beruumlcksichtigenBei dem Kauf von Haushaltsgeraumlten hilft die Beruumlcksich-tigung der Energieeffizienzklasse die Skala reicht von A-G Fuumlr Kuumlhl- und Gefrierge-raumlte gibt es seit Maumlrz 2004 bun-desweit zusaumltzlich die Katego-rien A+ und A++ die besonders sparsame Produkte kennzeich-nen (httpwwwstromeffizi-enzdeeu-labelhtml)

139 Zum Thema Stromwechsel siehe auch wwwgermanwatchorgstromhtm

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n Kuumlhlen und GefrierenKuumlhl- und Gefriergeraumlte die vor mehr als zehn Jahren gekauft wurden sind meist in der Energieeffizienzklas-se B C oder noch schlechter einzustufen Eine Neuan-schaffung rechnet sich fast immer weil demgegenuumlber moderne Spitzengeraumlte deutlich Kilowattstunden pro Jahr einsparen Natuumlrlich ist es auch wichtig die Groumlszlige an den Bedarf anzupassen Als allgemeine Faustregel gilt Ein Ein- bis Zweipersonenhaushalt braucht 100 bis 120 Liter zum Kuumlhlen und 50 bis 80 Liter zum Gefrieren Wenn man auf das Gefrierfach verzichten kann kann noch einmal deutlich eingespart werden

n Waschen und TrocknenAuch bei Waschmaschinen und Trocknern gilt es Ener-gieeffizienz und Groumlszlige zu beruumlcksichtigen Waschma-schinen muumlssen nach der Energieeffizienzklassifizie-rung (ABC) gekennzeichnet sein (z B AAB) Dabei gibt der erste Buchstabe Auskunft uumlber den Energie-verbrauch der zweite uumlber die Waschwirkung und der dritte uumlber die Schleuderwirkung Eine Uumlbersicht uumlber gute Waschmaschinen und Trockner finden Sie unter wwwecotoptende

Trotz guter Effizienzklassen gibt es auch beim Waschver-halten einige Spartipps Generell gilt es auch die WaschTrockentrommel moumlglichst auszunutzen und nicht nur zur Haumllfte zu befuumlllen wobei moderne Maschinen haumlu-fig Sensoren haben so dass Wasser- und Energieeinsatz entsprechend der Beladung angepasst werden

Bei Trocknern ist uumlberhaupt die Frage ob man sie benouml-tigt oder die Waumlsche nicht auf der Leine kann Wo dies nicht moumlglich ist sind Waumlrmepumpentrockner in der Effizienzklasse A zum Teil 40 Prozent sparsamer als die effizientesten Geraumlte der Klasse B

n Kochen und Backen Generell sind Gasherde kostenguumlnstiger und aufgrund geringerer Umwandlungsverluste umweltfreundlicher als Elektroherde zumindest dann wenn diese nicht mit Oumlkostrom laufen Kochfelder mit Gasbrenner oder aus Glaskeramik sind wiederum energiesparender als guss-eiserne Kochplatten Bei elektrischen Herden verbrau-chen die Induktionskochzonen am wenigsten Strom Insgesamt gilt dass es bei der konkreten Nutzung eine Reihe von Verhaltensweisen gibt mit denen man ener-giesparend kochen kann vom Kochen mit Deckel uumlber die Vorerhitzung groumlszligerer Mengen Wasser mit dem Wasserkocher Auch spielt die Qualitaumlt der Toumlpfe und Pfannen eine wichtige Rolle Tipps dazu finden sich un-ter wwwecotoptende

n IT-GeraumlteAuch bei IT-Geraumlten gilt die Faustregel Je groumlszliger und technisierter desto houmlher ist haumlufig der Stromverbrauch

Aktuelle Werte fuumlr Computer und effiziente Buumlrogeraumlte unter wwwoffice-toptende

n Beleuchtung Energiesparlampen werden immer mehr zur Normali-taumlt ihre Qualitaumlt und ihre Vielseitigkeit haben sich in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt In der Regel verbrauchen sie 80 Prozent weniger Strom als Gluumlhbirnen so dass sich der anfangs houmlhere Preis uumlber die Lebensdauer mehr als rechnet Die klassische Gluumlh-birne wird in den naumlchsten Jahren dank der von Deutsch-land mitgetragenen Beschluumlsse auf EU-Ebene komplett vom Markt verschwinden Immer mehr im Kommen sind heutzutage LED-Lampen die ebenfalls sehr sparsam und noch langlebiger als die Energiesparlampen sind Die Anwendungspalette wird immer breiter und es wird mit einem deutlichen Preisruumlckgang gerechnet

2 Mobilitaumlt ndash Umweltbewusst Verkehrsmit-tel nutzen

Der Verkehr ist ein besonderes Sorgenkind im Klima-schutz weil die Emissionen in diesem Bereich trotz bes-serer Techniken weiterhin sehr hoch sind Der private Pkw-Verkehr beeinflusst in groszligem Maszlig das Klima und besteht zum groumlszligeren Teil aus Freizeitverkehr Ein Jahr Autofahren in Deutschland entspricht mit ca 2000 kg CO2 dem jaumlhrlichen CO2-Ausstoszlig eines Menschen in der Dominikanischen Republik Daher sollte man sich zu-naumlchst grundsaumltzlich fragen ob man uumlberhaupt ein Auto braucht und welche Funktionen es erfuumlllen muss oder ob man nicht mit einer Kombination aus oumlffentlichem Personenverkehr Fahrrad und evtl auch Car-Sharing (s u) besser bdquofaumlhrtldquo

Das Argument bdquoich habe das Auto ja ohnehinldquo ver-kehrt sich ins Gegenteil wenn man eine sich schon bei zwei drei weiteren Fahrten pro Jahr rechnende Bahn-card 50 die Jahreskarte fuumlr die Region oder bestimmte

Das Fahhrad als modernes umweltfreundliches Verkehrsmittel Foto Dietmar Putscher

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Strecken oder bei Vielfahrern gar die Bahncard 100 (wwwd-bahnde) nutzt mit der man deutschlandweit mit der Bahn und dem oumlffentlichen Verkehr in den Staumld-ten fahren kann

Wer nicht auf das Auto verzichten kann oder will sollte ein sparsames Fahrverhalten pflegen und beim Autokauf Umweltkriterien beruumlcksichtigen Der Verkehrsclub Deutschland (wwwvcdorg) veroumlffentlicht jedes Jahr im August mit seiner Auto-Umweltliste140 ein ausfuumlhrliches Ranking der Umweltfreundlichkeit neu auf den Markt gekommener Autos und gibt weitere Tipps beim Auto-kauf

Empfehlenswert sind besonders sparsame Autos z B durch einen Hybridantrieb oder Elektroautos so-weit sie mit Strom aus Erneuerbaren Energien betrie-ben werden Je nach Nutzung des Autos gibt es auch sinnvolle Alternativen Fuumlr kurze Strecken bietet sich das Fahrrad an was nicht nur gesuumlnder sondern in der Stadt auch haumlufig schneller ist Wenn man nur sel-ten ein Auto benoumltigt kann man sich zum Car-Sharing (wwwcarsharingde) anmelden oder Mitfahrgelegen-heiten (wwwmitfahrgelegenheitende) nutzen

Fliegen ist das am schnellsten wachsende Klimaproblem Der Flugverkehr ist besonders klimaschaumldlich weil die Abgase in den hohen Schichten der Atmosphaumlre eine zwei- bis sechsmal houmlhere Treibhauswirkungen haben als am Boden Im Sinne des Klimaschutzes gilt es folg-lich das Flugzeug als Transportmittel soweit wie moumlg-lich zu meiden Fuumlr nicht vermeidbare Fluumlge gibt es die Moumlglichkeit die getaumltigten Emissionen durch Spen-den fuumlr serioumlse Klimaschutzmaszlignahmen auszugleichen (wwwatmosfairde)

3 Ernaumlhrung

Da die Produktion von Fleisch und Milchprodukten meist deutlich mehr Energie verbraucht als die Herstellung einer gleichwertigen Menge von Gemuumlse und Obst ist fleischarme Ernaumlhrung ein Beitrag zum Klimaschutz Die Produktion von 1 kg Rindfleisch ist beispielsweise mit etwa 250 km Autofahren gleichzusetzen Auch der Kauf von regionalen saisonalen Produkten ist ein Beitrag zum Klimaschutz weil die CO2-Emissionen mit steigenden Transportwegen zunehmen Die CO2-Last der Ernaumlhrung haumlngt zugleich auch von der Herstellung der Produkte ab Anteile von Duumlngern und Pestiziden der Einsatz von Tranktoren und Transportern usw spielen eine Rolle Im Allgemeinen werden Biolebensmittel umweltschonen-der hergestellt als konventionelle weil der Einsatz von Pestiziden synthetischen Duumlngemitteln und Gentechnik verboten ist Aus Klimasicht ist die Art der Lebensmit-tel (Fleisch oder Gemuumlse) allerdings viel entscheiden-der als der Unterschied zwischen der Art des Anbaus (konventio nell oder oumlko) So verursacht ein Kilo Biorind-fleisch die 90fache Klimabelastung wie ein Kilo frisches Gemuumlse aus konventio nellem Anbau141 Die wichtigste Frage fuumlrs Klima ist folglich Gemuumlse oder Fleisch

4 Geldanlagen

Auch Geld kann man klimaschaumldlich oder klimafreund-lich anlegen Waumlhrend viele Menschen versuchen klima-freundlich Auto zu fahren oder energieeffiziente Geraumlte zu nutzen machen sich die wenigsten daruumlber Gedan-ken was mit ihrem angesparten Geld passiert

Mittlerweile gibt es jedoch eine ganze Reihe von Finanz-angeboten bei denen soziale ethische und oumlkologische Aspekte bei der Geldverwendung beruumlcksichtigt wer-den Eine Moumlglichkeit sein Geld klimafreundlich arbei-

Auch an der Gemuumlsetheke kann man durch den Kauf von Bio-Produkten und von regionalem und saisonalem Gemuumlse einen Beitrag zum Klimaschutz leisten Foto Dietmar Putscher

Der Flugverkehr ndash eines der am schnellsten wachsenden Probleme fuumlr das Weltklima

140 Die Auto-Umweltliste siehe httpwwwbesser-autokaufendeaulihtml 141 Bals et al 2008 S 299

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ten zu lassen sind Anleihen bei denen man einem bdquogruuml-nenldquo Unternehmen einen festen Geldbetrag (z B 1000 Euro) fuumlr mehrere Jahre leiht und dabei eine jaumlhrliche Verzinsung von 6 Prozent oder mehr bekommt Wer sich genauer informieren moumlchte kann auch auf der Home-page des Forums Nachhaltige Geldanlagen schauen ei-nem Zu sammenschluss von knapp 100 Unternehmen und Organisationen die sich fuumlr nachhaltige Geldanlagen einsetzen (wwwforum-ngde)

5 Holz und Papier

Waumllder haben eine wichtige Funktion im Klimaschutz weil Baumlume einerseits CO2 binden und speichern und anderseits Sauerstoff produzieren Als Verbraucher hat man die Moumlglichkeit durch die Wahl der Holzprodukte (Papier Moumlbel usw) die Abholzung von Tropenwaumlldern und borealen (noumlrdlichen) Nadelwaumlldern zu verhindern Bei dem Kauf von Holz oder Holzprodukten sollte man darauf achten dass sie aus regionalen und nachhaltig bewirtschafteten Waumlldern stammen Das heiszligt zugleich dass man auf Gartenmoumlbel aus Tropenholz verzichtet und stattdessen Moumlbel vorzieht die aus heimischen Waumlldern stammen Damit ist auch eine nachhaltige Be-wirtschaftung garantiert weil sich die deutsche Forst-wirtschaft seit Jahrzehnten am Leitbild der Nachhal-tigkeit orientiert Wo doch die Nutzung von Tropenholz als zwingend erachtet wird sollte es zumindest vom Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert sein (s wwwfsc-deutschlandde)

Die Nutzung von Holz im Allgemeinen ist unterstuumltzens-wert weil Holz CO2 bindet und bei der Produktion nur Energie fuumlr die Verarbeitung benoumltigt wird Somit ist zum Beispiel die Verwendung von Holz als Baumaterial umweltschonender als die Nutzung von Stahl Beton Kunststoff usw

Jeder Mensch hat in seinem alltaumlglichen Leben mehr mit Holzprodukten zu tun als es ihm haumlufig bewusst ist Taumlglich benutzen wir Klopapier lesen Zeitung oder entnehmen Produkte ihren Papierverpackungen Wer Recyclingpapier und -taschentuumlcher und allgemein Recyclingmaterialen nutzt kann auf einfache Weise un-sere Waumllder und unser Klima schonen

Wie in diesem Kapitel beschrieben gibt es fuumlr jeden Einzelnen von uns viele Wege einen Beitrag zum Klima-schutz zu leisten und jede Initiative zaumlhlt ndash denn beson-ders wir Buumlrger koumlnnen den Weg zu neuen Lebensstilen und einem neuen Wohlstandsmodell ebnen

Weblinkswwwgermanwatchorgwwwverbraucherfuersklimadewwwdie-klima-allianzdewwwecotoptende

Buchtipps

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Wir sind eine gemeinnuumltzige unabhaumlngige und uumlberpar-teiliche Nord-Suumld-Initiative Seit 1991 enga gieren wir uns in der deutschen europauml ischen und internationalen Nord-Suumld- Handels- und Um welt politik

Ohne strukturelle Veraumlnderungen in den Indus-trielaumlndern des Nordens ist eine sozial gerechte und oumlkologisch vertraumlgliche Entwicklung weltweit nicht moumlglich Wir setzen uns dafuumlr ein die politischen Rahmenbedingungen am Leitbild der sozialen und oumlko-logischen Zukunftsfaumlhigkeit fuumlr Suumld und Nord auszu-richten

Unser Engagement gilt vor allem jenen Menschen im Suumlden die von den negativen Aus wirkungen der Glo-balisierung und den Konse quenzen unseres Lebens- und Wirtschaftsstils besonders betroffen sind Wir treten dafuumlr ein die Globalisierung oumlkologisch und sozial zu gestalten

Germanwatch arbeitet an innovativen und umsetzbaren Loumlsungen fuumlr diese komplexen Proble me Dabei stimmen wir uns eng mit Organi sa tionen in Nord und Suumld ab

Wir stellen regelmaumlszligig ausgewaumlhlte Informationen fuumlr Entscheidungstraumlger und Engagierte zusammen mit Kampagnen sensibilisieren wir die Bevoumllkerung Daruumlber hinaus arbeiten wir in gezielten strategischen Allianzen mit konstruktiven Partnern in Unter nehmen und Gewerkschaften zusammen um intelligente Loumlsungen zu entwickeln und durchzusetzen

Zu den Schwerpunkten unserer Arbeit gehoumlren

nVerantwortungsuumlbernahme fuumlr Klimaschutz und Klimaopfer durch wirkungsvolle gerechte Instru-mente und oumlkonomische Anreize

nGerechter Welthandel und faire Chancen fuumlr Entwicklungslaumlnder durch Abbau von Dumping und Subventionen im Agrarhandel

nEinhaltung sozialer und oumlkologischer Standards durch multinationale Unternehmen

nOumlkologisches und soziales Investment

Moumlchten Sie uns dabei unterstuumltzen Fuumlr unsere Arbeit sind wir auf Spenden und Beitraumlge von Mit gliedern und Foumlrderern angewiesen Spenden und Mitgliedsbeitraumlge sind steuerlich absetzbar

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Weitere Informationen erhalten Sie unterwwwgermanwatchorg oder bei einem unserer beiden Buumlros

Germanwatch Buumlro BonnDrWerner-Schuster-HausKaiserstr 201D-53113 BonnTelefon +49 (0)228 60492-0 Fax -19

Germanwatch Buumlro BerlinSchiffbauerdamm 15D-10117 BerlinTelefon +49 (0)30 288 8356-0 Fax -1

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Inhalt

Einleitung 5

1 Klima und Treibhauseffekt 6 11 Das Klima 6 12 Der natuumlrliche Treibhauseffekt 7 13 Der Kohlenstoffkreislauf 7

2 Klimawandel heute 10 21 Das Klima aumlndert sich 10

Info-Kasten 1 IPCC ndash houmlchste Autoritaumlt der Klimawissenschaft auf dem Pruumlfstand 11 22 Auswirkungen des Klimawandels 13 Info-Kasten 2 Was ist eine Wetterkatastrophe 17 23 Der menschgemachte Treibhauseffekt 20 24 Belege fuumlr den menschlichen Einfluss auf das Klima 22

3 Klimawandel der Zukunft 25 31 Veraumlnderungen der Klimaparameter 26 32 Zunahme von wetterbedingten Extremereignissen 27 33 Anstieg des Meeresspiegels 27 34 Kipp-Elemente des Klimasystems und ihre Folgen 28 Info-Kasten 3 Zwei Grad und nicht mehr 29

4 Opfer und Taumlter des Klimawandels 33 41 Die Betroffenen des Klimawandels Mensch und Umwelt 33 42 Regionale Betroffenheit 37 Info-Kasten 4 Womit wir in Deutschland rechnen muumlssen 40

5 Die Verursacher des Klimawandels 42 51 Welche Laumlnder sind die Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen 42 52 Absolute und Pro-Kopf-Emissionen heute 43 53 Emissionen nach Sektoren 44 54 Trends bei den Treibhausgasemissionen 46 Infokasten 5 Wirtschaftskrise Klimaschutz und bdquogruumlneldquo Konjunkturprogramme 47 55 Ursachen fuumlr Veraumlnderungen des CO2-Ausstoszliges 48

6 Herausforderungen fuumlr die Klimapolitik 51 61 Internationale Klimagerechtigkeit 51 62 Geschichte der Klimapolitik Von Rio uumlber Kyoto nach Kopenhagen 52 63 Die Klimagipfel von Kopenhagen und Cancuacuten 53 64 Handeln ndash Verhandeln ndash Koalitionen Grundlage einer klimapolitischen Aufwaumlrtsspirale 56 65 EU Deutschland und China als Vorreiter 57 66 USA zwischen Ambition und Bremsmanoumlvern 59 67 Anpassung an den Klimawandel 60 Info-Kasten 6 Der Wald als Senke und Reservoir von CO2 62 68 Technologien und Finanzmarkt 62 69 Demokratie und die groszlige Transformation 63 Info-Kasten 7 Flugverkehr und Klimaschutz 64 Info-Kasten 8 Geo-Engineering 65

7 Maszlignahmen zum Klimaschutz 67 71 Was kann die Politik tun 67 72 Was kann die Wirtschaft tun 70 73 Was koumlnnen die Buumlrger tun 72

8 Im Text zitierte Literatur 78

4

Abb 1 Schematische Darstellung des Treibhauseffekts 6Abb 2 Der Kohlenstoffkreislauf 8Abb 3 Gemessene und simulierte Temperaturabweichungen vom langjaumlhrigen

Mittel (1901-1950) seit 1906 fuumlr verschiedene Regionen der Erde 10Abb 4 bdquoReasons for Concernrdquo Vergleich IPCC 2001 mit IPCC 2007 13Abb 5 Veraumlnderung des Vernagtferners in den Oumltztaler Alpen 1844-2001 14Abb 6 Ausdehnung des arktischen Meereises im Vergleich zu 1979-2000 15Abb 7 Ruumlckzug der Aufsetzlinie des Jakobshavn Isbrae 1850-2006 an der Westkuumlste Groumlnlands 16Abb 8 Weltweite Groszligkatastrophen (1950-2009) 18Abb 9 Temperatur- u Treibhausgasentwicklung in den letzten 800000 Jahren 20Abb 10 Temperaturkurven der IPCC-Leitszenarien bis 2100 26Abb 11 Beobachteter Meeresspiegelanstieg seit 1975 28Abb 12 Kipp-Elemente mit Temperaturschwellen (gegenuumlber 1880) die in diesem Jahrhundert angestoszligen

werden koumlnnten 30Abb 13 Erwartete Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme Wasser- und Ernaumlhrungssicherheit

Gesundheit und Wirtschaft bei unterschiedlicher Erwaumlrmung (im Vgl zu 1880) 34Abb 14 Sicherheitsrisiken durch Klimawandel ausgewaumlhlte Brennpunkte 36Abb 15 Betroffenheit von Naturkatastrophen in Entwicklungs- und Industrielaumlndern 38Abb 16 Temperatur- und Niederschlagsaumlnderungen in Afrika bis 2100 Modellsimulation nach dem

Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestemperaturen und Jahresnieder - schlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999 38

Abb 17 Temperatur und Niederschlagsaumlnderungen in Suumldamerika bis 2100 Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestemperaturen und Jahresnieder- schlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999 39

Abb 18 Kumulierte energiebedingte CO2-Emissionen 1900-1999 42Abb 19 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen 1992-2007 (oder 2008) 43Abb 20 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen pro Einwohner zwischen 1990 und 2007

fuumlr neun ausgewaumlhlte Laumlnder 44Abb 21 Entwicklung der THG-Emissionen in Deutschland nach Sektoren 1990 bis 2008 45Abb 22 Anstiegsrate der CO2-Emissionen 46Abb 23 Weltweite Entwicklung von Emissionsfaktoren 48Abb 24 Anteil der anthropogenen CO2-Emissionen der in der Atmosphaumlre und im Ozean verbleibt 49Abb 25 Die drei Phasen der angestrebten Aufwaumlrtsspirale des internationalen Klimaschutzes 57Abb 26 Das bdquoAnpassungskontinuumldquo und Strategien zur Ernaumlhrungssicherung 61

Tabellen

Tabelle 1 Die wichtigsten anthropogenen Treibhausgase 21Tabelle 2 Groszligraumlumig wirksame Klimafaktoren und die zugehoumlrigen Strahlungsantriebe und Temperatur-

signale (seit 1880) 23Tabelle 3 Die zugrundeliegenden Annahmen der Szenarien des IPCC 25Tabelle 4 Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011 47

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

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Der Klimawandel ist laumlngst keine theoretische Moumlg-lich keit mehr die sich aus den Berechnungen von Computermodellen ergibt Er ist auch kein Problem das sich woanders oder in ferner Zukunft ereignet Im Gegenteil Er findet jetzt und auf unserem Planeten statt Und dass dieser Wandel seit Mitte des vergange-nen Jahrhunderts nicht durch andere Faktoren als das menschliche Handeln erklaumlrbar ist ist eine wissenschaft-liche Tatsache

Die weltweite Zunahme klimatischer Extremereignisse und Folgeerscheinungen bringen umfassende Heraus-forderungen mit sich Veraumlnderte Wettermuster Stark niederschlaumlge Hitzewellen Uumlberschwemmungen Stuumlrme und Duumlrren das Abschmelzen der polaren Eisschilde und vieler Gletscher sowie der Anstieg des Meeresspiegels haben bereits heute handfeste und un-mittelbare Auswirkungen fuumlr Natur und Gesellschaft im Norden genauso wie im Suumlden

Die Erde scheint aus den Fugen zu geraten und auch die Zukunft im Treibhaus ist bedruumlckend Die Welt gemeinschaft befindet sich derzeit auf einem Emissionspfad der ohne entschiedenes Gegensteuern bis Ende des Jahrhunderts in einer Temperaturerhoumlhung von vier bis sechs Grad Celsius muumlnden koumlnnte Wichtige Teilsysteme unseres Planeten drohen umzukippen und koumlnnten den Zustand eines stabilen Klimas schon bald abrupt beenden

Die Konsequenzen fuumlr hunderte Millionen wenn nicht Milliarden von Menschen waumlren dramatisch und Ausdruck enormer Ungerechtigkeit Bereits heute machen Nah-rungsmittelknappheit Was sermangel Krankheiten und Landflucht deutlich dass diejenigen die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben die Hauptlast sei-ner Folgen tragen Betroffen sind vor allem die Armen und Aumlrmsten in den Entwicklungslaumlndern die kleinen Inselstaaten genauso wie die am wenigsten entwickel-ten Laumlnder Der Wohlstand zukuumlnftiger Generationen ist ebenfalls gefaumlhrdet Fuumlr alle steht nichts weniger als die Lebens- und Uumlberlebensperspektive auf dem Spiel

Um einer weiteren gefaumlhrlichen Stoumlrung des Klima-systems vorzubeugen muss eine ernsthafte Klima-schutzpolitik deshalb auf zwei Saumlulen aufbauen

1 Das Unbeherrschbare vermeiden Durch eine deutliche Verminderung des Treibhaus-

gasausstoszliges gilt es den Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf so weit wie moumlglich unter zwei Grad Celsius gegenuumlber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen

2 Das Unvermeidbare beherrschen Da der Klimawandel schon im Gange ist und sich be-

stimmte Auswirkungen nicht mehr verhindern lassen brauchen wir eine umfassende Anpassungstrategie ndash insbesondere fuumlr die besonders verletzlichen Regionen und verwundbaren Menschengruppen

Angesichts des starken Emissionswachstums in den Schwellenlaumlndern lassen sich die Probleme nur mit ihnen gemeinsam loumlsen Die Industrielaumlnder muumlssen jedoch voran gehen Zum einen aufgrund ihrer histori-schen Verantwortung ndash sie haben den groumlszligten Teil der bisher in der Atmosphaumlre angesammelten menschge-machten Treibhausgase zu verantworten Zum anderen aufgrund ihrer politischen technologischen und zum Teil auch finanziellen Moumlglichkeiten Sie muumlssen durch aktives Handeln zu Hause durch eine Vorreiterrolle beim internationalen Verhandeln sowie durch Koalitionen mit Schwellenlaumlndern mit besonders betroffenen Nationen und mit Vorreiterstaaten den Weg zu einem postfossilen Wohlfahrtsmodell bahnen und die Unterstuumltzung be-sonders betroffener Regionen bei der Bewaumlltigung der unvermeidlichen Klimafolgen organisieren

Die Zeit draumlngt Naturgesetze lassen nicht mit sich verhandeln Mit jedem Jahr in dem wir ungebremst die Atmosphaumlre mit langlebigen Treibhausgasen anrei-chern wird eine hinreichend wirkungsvolle Antwort auf die Klimafrage schwieriger und teurer Innerhalb der jetzigen Dekade muss die globale Trendwende bei den Treibhausgasemissionen vollzogen werden damit die Temperaturerhoumlhung unter zwei Grad stabilisiert wird und noch genuumlgend Spielraum fuumlr ein menschenwuumlrdi-ges Leben in einer gesunden Umwelt bleibt Dazu ge-houmlrt auch die Umsetzung von Anpassungsmaszlignahmen Ein einfaches Hinnehmen oder Wegsehen ist keine Alternative

Fuumlr vorangehende Staaten bietet das viele Chan cen Ein Wohlstandsmodell jenseits der fossilen Ener-gietraumlger stellt nicht nur spannende Moumlglich keiten fuumlr Innovationsschuumlbe und fuumlr die Erschlieszligung von Zukunftsmaumlrkten mit neuen Technologien und Arbeits-plaumltzen in Aussicht sondern auch fuumlr einen kultu-rellen Zivilisationsschub Ob dies gelingt haumlngt nicht nur vom politischen Willen einiger Staats- und Regierungschefs dem technischem Erfindungsgeist oder von Unternehmerinitiativen ab sondern vor al-lem auch von der Vision dem Engagement und dem Ruumlckgrat jedes Einzelnen

Einleitung

6

Kurzwellige Lichtstrahlung der Sonne trifft auf die Erdoberflaumlche Langwellige Waumlrmestrahlung wird von der Erdoberflaumlche abgestrahlt und in der Atmosphaumlre von Spurengasen Wasserdampf und Staubpartikeln zu groszligen Teilen absorbiert Insbesondere das Kohlendioxid (CO2) sorgt dafuumlr dass die Waumlrmestrahlung nur teilweise zuruumlck ins All geschickt wird Quelle Harmeling et al 2008

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3

4

Dadurch erfolgt zusaumltzliche Erwaumlrmung um 33 degC (natuumlrlicher Treibhauseffekt)

2

Spurengase Wasserdampfund Staub werfen teilweiseWaumlrmestrahlung zuruumlck

Erwaumlrmte Erde sendet Waumlrme-strahlung aus

Sonnenstrahlenerwaumlrmendie Erdoberflaumlche

11 Das Klima

Wenn wir den globalen Klimawandel verstehen wol-len muumlssen wir uns zunaumlchst mit dem Vokabular der Klimaforscher vertraut machen Das Klima ist in der Wissenschaft exakt definiert Es beschreibt die Gesamtheit der meteorologischen Erscheinungen (z B Temperatur Niederschlag Wind) die fuumlr eine Dauer von mindestens 30 Jahren den durchschnittlichen Zustand der Atmosphaumlre an einem bestimmten Ort charakterisie-ren Hier unterscheidet sich das Klima grundsaumltzlich vom Wetter Letzteres kennzeichnet nur kurzfristige und lo-kale Erscheinungen wie ein starkes Gewitter oder einen frostigen Wintertag Kurz gesagt Wetter ist das was gerade passiert Klima dagegen ist die Zusammenfas-sung des Wetters uumlber einen Zeitraum von mindestens drei Dekaden (bdquoTrendsldquo)

Das globale Klima ist dabei nicht konstant sondern unterliegt staumlndigen Schwankungen Die Ursache hierfuumlr liegt in mehreren Antriebsmechanismen Die Atmosphaumlre hat dabei den groumlszligten Einfluss steht je-doch in Wechselwirkung mit anderen Systemen wie den Ozeanen und Eisflaumlchen den Landoberflaumlchen und der Biosphaumlre Die Antriebsenergie fuumlr den Austausch zwischen diesen Teilsystemen wird von der Sonne geliefert wobei je nach Breitengrad und Jahreszeit unterschiedlich viel Energie durch die Atmosphaumlre bis zur Erdoberflaumlche dringt Dieses Ungleichgewicht das Temperaturunterschiede und somit Luftdruckgefaumllle ndash insbesondere zwischen dem Aumlquator und den Polen ndash verursacht setzt Ausgleichsprozesse wie zum Beispiel Winde oder Meeresstroumlmungen in Bewegung1

1 vgl Lauer 1995

1 Klima und Treibhauseffekt

Abb 1 Schematische Darstellung des Treibhauseffekts

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12 Der natuumlrliche Treibhauseffekt

Erst durch den natuumlrlichen Treibhauseffekt und die damit verbundene Erwaumlrmung der Erdoberflaumlche ist Leben auf der Erde moumlglich Der Treibhauseffekt be-zeichnet den Erwaumlrmungseffekt der bodennahen Atmosphaumlre Kurzwellige Sonnenstrahlen koumlnnen die Atmosphaumlre fast ungehindert bis zur Erdoberflaumlche durchdringen Die von der Erdoberflaumlche reflektier-te langwellige Waumlrmestrahlung jedoch wird von so genannten Treibhausgasen zu Teilen absorbiert wieder zur Erde zuruumlck emittiert und dadurch in der Atmosphaumlre gehalten (siehe Abbildung 1) So wird die globale Mitteltemperatur in Bodennaumlhe die ohne das Vorhandensein einer derartigen Atmosphaumlre -18 degC betragen wuumlrde um 33 degC auf ca +15 degC ange hoben2 Ohne diesen bdquoWaumlrmestauldquo waumlre es so kalt auf der Erde dass sich kein houmlheres Leben entwickeln koumlnnte Das Klima der Erde ist somit das Ergebnis einer einfachen Energiebilanz innerhalb derer sich Einstrahlung auf die Erdoberflaumlche und Waumlrmestrahlung zuruumlck ins Weltall im Mittel ausgleichen

Zu den bdquoklimawirksamenldquo Treibhausgasen der Atmos-phaumlre welche die Waumlrmestrahlung absorbieren gehouml-ren vor allem Wasserdampf (H2O) Kohlendioxid (CO2) Distickstoffoxid (N2O) Methan (CH4) und Ozon (O3) Diese Gase sind in unterschiedlicher Konzentration auch ohne menschliches Zutun in der Atmosphaumlre ent-halten und somit fuumlr den natuumlrlichen Treibhauseffekt verantwortlich Aumlndert sich die Zusammensetzung der atmosphaumlrischen Gase so aumlndert sich auch die Durch-laumlssigkeit fuumlr die Waumlrmeabstrahlung der Erde und somit letztendlich auch die Energiebilanz Klimaaumlnderungen sind die Folge

Die einzelnen Treibhausgase unterscheiden sich aller-dings deutlich in ihrer Erwaumlrmungswirkung So hat ein Molekuumll Methan die gleiche Erwaumlrmungswirkung wie etwa 23 Molekuumlle Kohlendioxid (siehe Tabelle 1 S 21) Um diese Effekte besser vergleichbar zu ma-chen und in ihrer Gesamtheit zu berechnen verwen-den die Klimawissenschaftler den Vergleichsmaszligstab der CO2-Aumlquivalente Allen Treibhausgasen werden Werte zugerechnet welche die Erwaumlrmungswirkung in Relation zum CO2 in einer bestimmten Zeitperi-ode etwa 100 Jahre ausdruumlcken Die Wirkung der Treibhausgase wird als eine Veraumlnderung des Strah-lungsantriebs bezeichnet Unter bdquoStrahlungsantriebldquo versteht man das Verhaumlltnis von solarer Einstrahlung und terrestrischer Abstrahlung in der unteren Atmos-phaumlre Er wird in der Regel in Watt pro m2 angegeben (s Tabelle 2 S23) Satellitendaten und Klimamodelle zeigen dass sich die Strahlungsbilanz der Erde gegen-

uumlber dem Weltall derzeit nicht vollstaumlndig im Gleichge-wicht befindet Die im Mittel eingestrahlte Energie von 342 Wm2 ist um etwa 085 Wm2 houmlher als die Abstrah-lung der Erdoberflaumlche Die Konsequenz daraus ist dass die Erde gegenwaumlrtig mehr Energie aufnimmt als sie ans Weltall wieder verliert Dieser Effekt entsteht durch die Ozeane die sich nur traumlge durch den menschgemachten Treibhauseffekt aufwaumlrmen (siehe Kapitel 2)3

13 Der Kohlenstoff kreislauf

Der Anteil kohlenstoffbasierter Treibhausgase wie CO2 und CH4 in der Atmosphaumlre ist fuumlr das Ausmaszlig des Treib-hauseffektes von zentraler Bedeutung und wird durch die Prozesse des Kohlenstoffkreislaufs bestimmt (siehe Abbildung 2) Dieser Kreislauf erstreckt sich uumlber die natuumlrlichen Teilsysteme Ozean Atmosphaumlre und Land-oumlkosysteme zwischen denen ein CO2-Austausch statt-findet Weiterhin funktioniert jedes Teilsystem wie ein eigener Kreislauf in dem Kohlenstoff abgegeben und aufgenommen wird In der Atmosphaumlre befinden sich nach Angaben des UN-Klimawissenschaftlergremiums IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) rund 775 Gigatonnen Kohlenstoff in den Boumlden und der Vegetation rund 2000 Gigatonnen Den groumlszligten Koh-lenstoffspeicher stellen jedoch mit rund 39000 Giga-tonnen die Meere dar4

Die Systemkomponenten aus denen der Atmosphaumlre treibhauswirksame Gase zugefuumlhrt werden bezeichnet man als bdquoQuellenldquo Fossile Energietraumlger wie Erdoumll oder Kohle oder die Zerstoumlrung der tropischen Regenwaumllder sind bdquomenschgemachte Quellenldquo da sie erst durch den Eingriff des Menschen zu atmosphaumlrisch wirksamen Emittenten von Treibhausgasen werden Den Quellen stellt man die sogenannten bdquoSenkenldquo gegenuumlber Sen-ken wie zum Beispiel Ozeane Boumlden oder Pflanzen sind bis zu einem bestimmten Grad in der Lage aus der Atmos phaumlre CO2 aufzunehmen und zu speichern Bei-spielsweise binden Waumllder waumlhrend ihrer Wachstum-sphase in der Regel groszlige Mengen an CO2 in Holz und Boden Wenn dann zu einem spaumlteren Zeitpunkt das Holz verbrannt wird oder es verrottet wird das CO2 wieder in die Atmosphaumlre freigesetzt

Ohne die Faumlhigkeit der Senken Treibhausgase aus der Atmosphaumlre zu binden und uumlber lange Zeitraumlume hinweg zu speichern laumlge die atmosphaumlrische Konzentration von Kohlenstoffdioxid heute um ein Vielfaches uumlber dem gegenwaumlrtigen Wert Doch diese Senkenwirkung funkti-oniert nicht unbegrenzt Klimawandel und Veraumlnderung der Landnutzung koumlnnen zu einer Destabilisierung der CO2-Reservoire fuumlhren und tragen zu einer Reduzierung der Effektivitaumlt von natuumlrlichen CO2-Senken im Ozean und auf dem Land bei

2 vgl Kraus 2004 3 Hansen J et al 20054 IPCC 2000

8

Am Beispiel der Ozeane zeigt sich die Endlichkeit die-ser Senken Die Ozeane spielen im Kohlenstoffkreislauf der Erde als Kohlenstoffsenke eine wichtige Rolle da fast drei Viertel der Erdoberflaumlche von Wasser bedeckt sind5 Etwa 30 Prozent des vom Menschen zusaumltzlich freigesetzten CO2 wird in den Ozeanen gebunden Die Senkenfunktion hat jedoch auch eine Kehrseite Mit steigenden Temperaturen und wachsendem atmosphauml-rischem CO2-Anteil sinkt auch die CO2-Aufnahmefaumlhig-keit der Meere Erste Hinweise deuten daraufhin dass der Prozess einer deutlich abnehmenden Pufferkapazi-taumlt des Meeres fuumlr atmosphaumlrisches Kohlendioxid be-reits eingesetzt hat und der Anteil der Kohlendioxid -

emissionen die vom Meer aufgenommen wurden in den letzten 50 Jahren immer weiter zuruumlckgegangen ist (siehe auch Kapitel 4)6 Die vom Menschen verursachte Erwaumlrmung der Ozeane sowie ein weiter ungebremster Treibhausgasausstoszlig tragen somit zur zusaumltzlichen glo-balen Erwaumlrmung der Atmosphaumlre bei

Zudem erschweren die steigende Wassertemperatur und der sinkende pH-Wert die Schalen- und Skelett-entwicklung zahlreicher Kalk bildender Organismen wie beispielweise der Koralle und gefaumlhrden die Funktions-weise von Meeresoumlkosystemen (siehe auch Kapitel 22)

Abb 2 Der Kohlenstoffkreislauf

Die Abbildung zeigt die Komponenten und Funktionsweise des Kohlenstoffkreislaufs Quelle Harmeling et al 2008

5 IPCC 2007a 6 Schuster U und A J Watson 2007

BodenlebewesenDestruenten

abgestorbenesorganisches

Material

Torf KohleErdoumll Erdgas

TierePflanzen

fossileBrennstoffe

Assimilation durch PflanzenPhotosynthese

Diffusionvon CO2

CO2

Org Material Carbonate

Verbrennung

Dissimilation durchPflanzen und Tiere

Kohlendioxidin der

Atmosphaumlre

AquatischeBakterien

WasserpflanzenAlgen

Cyanobakterien

Photosynthese

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Tornados treten als kleinraumlumige Phaumlnomene auf koumlnnen aber in kuumlrzester Zeit groszlige Schaumlden verursachen

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Globale und kontinentale Temperaturaumlnderungen

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)global global Land global Ozean

Klimamodelle die nur natuumlrliche Antriebskraumlfte beruumlcksichtigen

Klimamodelle die natuumlrliche und menschliche Antriebskraumlfte beruumlcksichtigen

Beobachtungen

21 Das Klima aumlndert sich

Der menschgemachte Klimawandel bedeutet zunaumlchst eine Erhoumlhung der globalen Temperatur Diese setzt das Klimasystem der Erde unter Druck und kann zu einer Veraumlnderung des durchschnittlichen Wetters und somit des Klimas fuumlhren Waumlhrend der letzten 130 Jahre ist die durchschnittliche Lufttemperatur in Bodennaumlhe global um ca 08 degC angestiegen Dieser Anstieg verlief aller-dings weder zeitlich noch regional gleichmaumlszligig Bis 1940

2 Klimawandel heutegab es eine fruumlhe Erwaumlrmungsphase der sich eine kur-ze Stagnation bis in die 1970er Jahre anschloss Seither gibt es einen neuen ungebrochenen Erwaumlrmungstrend dessen Tempo sich zunehmend erhoumlht und mittlerweile ca 02 degC pro Dekade betraumlgt Mehr als zwei Drittel der Erwaumlrmung des vergangenen Jahrhunderts fanden dabei seit 1975 statt Der Temperaturanstieg ist vor allem uumlber den Landflaumlchen und hier besonders uumlber der noumlrdlichen Erdhalbkugel zu beobachten weniger uumlber den sich ver-zoumlgert erwaumlrmenden Ozeanen (siehe Abbildung 3)7

Abb 3 Gemessene und simulierte Temperaturabweichungen vom langjaumlhrigen Mittel (1901-1950) seit 1906 fuumlr verschiedene Regionen der Erde

Schwarze Linie Gemessene Temperaturabweichungen Blaues Band Simulationen nur mit natuumlrlichen Antriebs fak- toren Rotes Band Kombinierte Simulation der natuumlrlichen und anthropogenen Antriebsfaktoren Quelle IPCC 2007a

7 GISS 2010

11

Info-Kasten 1 IPCC ndash houmlchste Autoritaumlt der Klimawissenschaft auf dem Pruumlfstand

Ohne Forschungen unabhaumlngiger Wissenschaftler-Innen kann die Politik keine fundierten und wir-kungsvollen Entscheidungen fuumlr den Klimaschutz treffen Es bedarf folglich einer Institution die den Sachverstand der weltweiten Klimawissenschaft so umfassend und konsensorientiert wie moumlg-lich buumlndelt Zu diesem Zweck gruumlndeten die Weltorganisation fuumlr Meteorologie (WMO) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) 1988 den Zwischenstaatlichen Ausschuss zum Klimawandel (Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC) der auch als bdquoWeltklimaratldquo bezeich-net wird

Seine umfangreichen Sachstands- und Sonderbe-richte wurden zu der zentralen Grundlage fuumlr wissen-schaftlich fundierte klimapolitische Entscheidungen So war der erste Bericht (1990) die wichtigste wissen-schaftliche Grundlage fuumlr die Klimarahmenkonven-tion und der zweite Bericht (1995) hatte diese Funktion fuumlr das Kyoto-Protokoll Die klimawis-senschaftlichen Fakten des dritten Berichts (Third Assessment Report TAR 2001) waren ein hilfreicher Antrieb fuumlr viele Regierungen das Kyoto-Protokoll mit seinen verbindlichen Klimaschutzpflichten zu ratifizieren und damit in Kraft zu setzen Der 2007 erschienene vierte Bericht (Fourth Assessment Report AR4) hat weltweit die oumlffentliche und poli-tische Diskussion uumlber den Klimawandel und seine

Konsequenzen stark befoumlrdert Fuumlr seine Arbeit erhielt der Weltklimarat bestehend aus rund 450 Haupt- und rund 800 Nebenautoren gemeinsam mit dem damaligen US-Vizepraumlsidenten Al Gore im Jahr 2007 den Friedensnobelpreis

Vergleicht man die ersten drei Berichte mit dem jeweils nachfolgenden Bericht so zeigt sich klar Zentrale Aussagen wurden zunaumlchst sehr vorsichtig formuliert und spaumlter durch sicherere bestaumltigt In vielen Faumlllen folgten sogar deutlich dramatischere Feststellungen die sich aus dem zunehmenden wis-senschaftlichen Sachstand ableiten lieszligen (vgl auch Abbildung 4)

Diskussionen um die Arbeit des IPCC dessen letz-ter Sachstandsbericht (2007) rund 18000 wissen-schaftliche Quellen zitierte sind dabei nicht neu wobei ihm dabei von unterschiedlicher Seite sowohl Uumlber- als auch Untertreibung vorgeworfen wird Neu allerdings ist die Heftigkeit und Konzentration mit der die Glaubwuumlrdigkeit des aktuellen Reports seit den Klimaverhandlungen in Kopenhagen Ende 2009 in Frage gestellt wird Dabei ist es jedoch keines-falls der Klimawandel bzw der menschgemachte Einfluss der in Frage gestellt wird Kein einziger ernstzunehmender Wissenschaftler zweifelt an der Realitaumlt des Klimawandels oder dessen Ursachen Vielmehr entzuumlndet sich die juumlngste Kritik an ei-

Das erste Jahrzehnt des 21 Jahrhunderts war mit Ab-stand das waumlrmste weltweit je gemessene Jahrzehnt gefolgt von den 1990er Jahren die wiederum waumlrmer waren als die 1980er Jahre Alle vergangenen zwoumllf Jah-re (1998-2009) zaumlhlen zu den waumlrmsten seit Beginn der Temperaturmessungen im Jahr 18808

Frage Macht die globale Erwaumlrmung seit 1998 eine Pause

Das Jahr 1998 war heiszliger als einige Jahre danach wes-halb manche Beobachter die Frage stellen ob die Er-waumlrmung seit 1998 eine Pause gemacht hat Nein Nach neuesten Messungen der NASA liegt die beobachtete Erwaumlrmung des vergangenen Jahrzehnts weltweit mit 019 degC gleichauf mit der IPCC-Projektion (02 degC) und unterscheidet sich in diesem Zusammenhang nicht von den vorangegangen Jahrzehnten Von einer Unterbre-chung der globalen Erwaumlrmung kann also keineswegs die Rede sein Der Grund fuumlr eine solche Behauptung lag in einem einfachen Datenfehler der die Arktis ndash wo die

Temperaturen in den vergangenen Jahren am staumlrksten angestiegen sind ndash aufgrund luumlckenhafter Messpunkte aus den globalen Temperaturmessungen ausgeschlos-sen hatte (bdquoArktis-Lochldquo) Nachdem das bdquoArktis-Lochldquo geschlossen und in die globale Energiebilanz integriert wurde kann eine Pause des Erwaumlrmungstrends auch fuumlr das erste Jahrzehnt des 21 Jahrhunderts nicht bestauml-tigt werden Neben der Datenluumlcke bdquoArktis-Lochldquo wird ferner auch eine geringere Sonnenaktivitaumlt als Ursache einer moumlglichen Unterbrechung der Erwaumlrmung aus-geschlossen Zwar befindet sich die Sonneneinstrah-lung gegenwaumlrtig auf dem Rekordminimum des letzten Sonnenfleckenzyklus doch wird 2010 mit dem Beginn neuer Sonnenfleckenaktivitaumlten und infolge dessen so-wohl mit einer Zunahme der solaren Leuchtkraft als auch einem weiteren Erwaumlrmungsschub in den kommenden Jahren gerechnet

8 GISS 2010

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nigen Teilergebnissen der Arbeitsgruppe welche die moumlglichen Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme und Gesellschaften analysiert (Arbeits-gruppe 2)

Da ist erstens ein Zahlendreher in Bezug auf den Zeitpunkt an dem die Himalaya-Gletscher zu einem groszligen Teil abgeschmolzen sein koumlnnten Aus dem Jahr 2350 wurde das Jahr 2035 Dieser Fehler haumlt-te eigentlich durch die Kontrollstandards des IPCC entdeckt werden muumlssen An der Gesamtaussage der Passage aumlndert dies jedoch reichlich wenig Die Gletscher in Asien schmelzen zu Beginn des 21 Jahrhunderts schneller als zuvor

Zweitens die Angabe dass rund 55 Prozent der Niederlande unter dem gegenwaumlrtigen Meeres-spie gel niveau laumlgen Diese Aussage war urspruumlng-lich von der niederlaumlndischen Regie rungsbehoumlrde an den IPCC uumlbermittelt worden Richtig gewe-sen waumlre 55 Prozent der Niederlande sind von Uumlberschwemmungen bedroht 26 Prozent liegen un-ter dem Meeresspiegel und 29 Prozent sind anfaumlllig fuumlr Flusshochwasser

Und drittens dass bis zum Jahr 2020 die landwirt-schaftlichen Ertraumlge im Regenfeldbau in Afrika durch den Klimawandel bzw Wasserknappheit halbiert werden koumlnnten Hier liegt das Problem in einer fehlerhaften Zusammenfassung im Synthesekapitel Richtig heiszligt es im Text des Regionalkapitels zu Afrika dass das Risiko in der Periode 2000-2020 in der die Ernteausfaumllle im Regenfeldbau 50 Prozent betragen durch den Klimawandel verstaumlrkt wird Wissenschaftlich haltbar ist diese Aussage allerdings nur bei drei nordafrikanischen Laumlndern Tunesien Algerien und Marokko9

Diese Fehler wurden mittlerweile allesamt einge-standen und korrigiert In allen drei Faumlllen wurde insbesondere die Verwendung sogenannter grauer Literatur kritisiert Graue Literatur stammt dabei nicht aus dem klassischen Wissenschaftsprozess son-dern etwa von Organisationen oder Unternehmen Es handelt sich also um Publikationen die nicht in wissenschaftlichen Zeitschriften veroumlffentlicht wurden Ohne eine entsprechende wissenschaft-liche Uumlberpruumlfung (Peer-Review) ist die Kritik an den Aussagen grauer Literatur berechtigt Allerdings sind viele der fuumlr den IPCC relevanten Daten nur als graue Literatur verfuumlgbar Manche Forscher halten solche

Quellen fuumlr hilfreich Nur uumlber die Beruumlcksichtigung dieser grauen Literatur ist es beispielsweise moumlglich auch Informationen aus aumlrmeren Laumlndern zu erhalten und das Uumlbergewicht westlicher und englischsprachi-ger Forschung auszubalancieren

Auch wenn die Diskussion uumlber die Fehler wichtig ist um ein Dokument wie den IPCC-Bericht weiter zu verbessern bleibt festzuhalten dass sie nichts an der Bedeutung und den Kernaussagen des Berichtes aumlndern Im Gegenteil Eine so groszlige Gruppe von Wissenschaftlern wie sie an der Erstellung der IPCC-Berichte beteiligt ist wird sich in einem politisch bedeutsamen Dokument grundsaumltzlich auf eher zu konservative Schlussfolgerungen einigen koumlnnen Insbesondere die Zusammenfassungen fuumlr politische Entscheidungstraumlger werden zudem von Vertretern aller Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention ausgehandelt es wird um jede Formulierung gerun-gen Aussagen des IPCC neigen demnach eher zu einer Verharmlosung als zu einer Dramatisierung des aktuellen Sachstands

Die derzeitige Debatte ist somit keine Diskussion uumlber Ursachen und Folgen des Klimawandels wie sie faumllschlicher Weise in den Medien dargestellt wur-de Sie ist auch kein Streit uumlber die Notwendigkeit politischer Gegenmaszlignahmen In erster Linie ist sie eine Kritik an den Strukturen und Arbeitsweisen des IPCC im Allgemeinen Als entsprechende Reaktion und um zukuumlnftige Fehler zu vermeiden wird von nun an eine Gruppe von Wissenschaftlern die Aussagen der Sachstandsberichte uumlberpruumlfen UNO-Generalsekraumlter Ban Ki-moon hat dazu im Februar 2010 den InterAcademy Council (IAC) als Kontrollinstrument des Weltklimarates engagiert Dieser hat den Auswahlprozess der wissenschaft-lichen Quellen und insbesondere die Qualitaumlt grauer Literatur evaluiert ndash mit dem Ziel die Unsicherheiten und Fehler des IPCC zu reduzieren Dies ist insbe-sondere wichtig da die Vorbereitung des 5 Sach-standsberichts der 201314 herausgegeben werden soll bereits anstehen Der im August 2010 vom IAC vorgestellte Bericht bestaumltigt insgesamt eindeu-tig die Ergebnisse und die Rolle des IPCC Er gibt allerdings eine Reihe von Empfehlungen zur Ver-besserung des Managements des IPCC-Prozesses die auch dazu dienen sollen die Einhaltung der selbst gesetzten wissenschaftlichen Richtlinien strenger zu uumlberwachen10

9 S InterAcademy Council (IAC) 201010 IAC 2010

13

Abbildung 4 zeigt dass die Grenze zum gefaumlhrlichen Klimawandel fruumlher uumlberschritten werden koumlnnte und auch die Risiken negativer Auswirkungen auf Mensch und Umwelt heute houmlher eingestuft werden muumlssen als noch von wenigen Jahren angenommen wurde Der Vergleich des aktuellen Sachstandberichts mit dem vorangegan-genen dritten IPCC-Bericht zeigt dass viele Oumlkosysteme viel sensibler auf Temperaturveraumlnderungen reagieren koumlnnten und auch dass die Auswirkungen auf Regionen Bevoumllkerungsgruppen und Wirtschaftssektoren bisher unterschaumltzt wurden (siehe auch Kapitel 41 und 42)11 Mehrere Beispiele deuten darauf hin dass auch der vierte IPCC-Sachstandsbericht in vielerlei Hinsicht sehr vorsichtige konservative Abschaumltzungen praumlsen-tiert Dies gilt u a fuumlr die Annahmen zur weltweiten Emissionsentwicklung und zum Meeresspiegelanstieg (siehe auch Kapitel 34)

Die Klimaforschung wurde von diesen sich beschleuni-genden Entwicklungen uumlberrascht Das IPCC-Prinzip nur sorgfaumlltig uumlberpruumlfte und bestaumltigte Erkenntnisse zu publizieren wird solche Uumlberraschungen auch in Zukunft in Kauf nehmen muumlssen zugunsten ihrer pro-fessionellen Glaubwuumlrdigkeit Das darf aber nicht aus-schlieszligen dass uumlber moumlgliche zukuumlnftige Risiken auch dann informiert wird wenn diese noch nicht im Detail erhaumlrtet sind

11 Smith JB et al 2009

Die Risiken der globalen Erwaumlrmung muumlssen heute houmlher eingeschaumltzt werden als vor zehn JahrenQuelle Smith JB et al 2009

22 Auswirkungen des Klimawandels

Trotz einer sich gering anhoumlrenden globalen Erwaumlrmung (08 degC seit 1880) lassen sich weltweit bereits zahlrei-che physische Auswirkungen des Temperaturanstiegs beobachten Laut des letzten IPCC-Reports weisen von allen Untersuchungen die hinsichtlich moumlgli-cher Veraumlnderungen physikalischer und biologischer Systeme ausgewertet wurden fast 90 Prozent signifi-kante Veraumlnderungen auf die in einer waumlrmeren Welt zu erwarten waumlren Zudem haumlufen sich die empirischen Belege insbesondere in Regionen in denen sich die Temperaturen am staumlrksten erhoumlht haben wodurch na-tuumlrliche Schwankungen als primaumlre Ursache unwahr-scheinlich werden Im Folgenden sollen einige dieser bereits heute beobachtbaren Auswirkungen vorgestellt werden

n Ruumlckzug der Gebirgsgletscher

Zu den bisher am deutlichsten sichtbaren Auswirkungen der Klima erwaumlrmung zaumlhlt der weltweite Ruumlckzug der Gebirgs gletscher Er begann im 19 Jahrhundert und hat sich seitdem drastisch beschleunigt Gletscher werden aufgrund ihrer Sensibilitaumlt gegenuumlber Tem-

Abb 4 bdquoReasons for Concernrdquo Vergleich IPCC 2001 mit IPCC 2007

IPCC 2001 Basierend auf IPCC 2007

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Risiken fuumlr einzigartige und bedroh-te Systeme

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pe raturveraumlnderungen auch als die bdquoKanarienvoumlgel in der Kohlengrubeldquo des globalen Klimasystems be-zeichnet Auch gibt es deut liche Anzeichen fuumlr das Aufweichen von Permafrostboumlden in Teilen der Polar- und Subpolarregionen12 Der World Glacier Monitoring Service (WGMS Welt-Gletscher-Beobachtungsdienst) kommt zu dem Ergebnis dass sich die Gletscherschmelze fast uumlberall auf der Erde beschleunigt Zusammengefasst schrumpfen die Gletscher mittlerweile viermal so schnell wie noch vor 30 Jahren ndash in den Anden und Alaska ebenso wie im Himalaya und in den Alpen13 In der Alpenregion haben die Gletscher seit Beginn der indus-triellen Revolution mehr als die Haumllfte an Masse verlo-ren14 Waumlhrend die Alpengletscher zwischen 1975 und 2000 noch ein Prozent an Volumen pro Jahr einbuumlszligten hat sich die Verlustrate zu Beginn des 21 Jahrhunderts

fast verdreifacht15 Bis auf wenige Ausnahmen ist ein aumlhnlich weitraumlumiger Verlust in allen alpinen Gebieten der Erde zu beobachten

Gletscher sind fuumlr viele Regionen eine der wichtigsten Trinkwasserquellen da sie im Winter wertvolles Suumlszlig-wasser in Form von Schnee und Eis akkumulieren und dieses im Sommer in Form von Schmelzwasser an die Fluumlsse abgeben Der Ruumlckzug der Eismassen betrifft da-bei insbesondere zahlreiche Staumldte im Einzugsbereich des Himalaya wo das Wasser der Gletscher u a die sieben groumlszligten Fluumlsse Asiens ndash Ganges Indus Brahma-putra Mekong Thanlwin Jangtse und den Gelben Fluss ndash speist und so die Wasserversorgung Hunderter Millio-nen Menschen sichert

Innerhalb der vergangenen zwei Jahrhunderte ist in den Alpen uumlber die Haumllfte des Eises abgeschmolzenQuelle Bayerische Akademie der Wissen-schaften

Abb 5 Veraumlnderung des Vernagtferners in den Oumltztaler Alpen 1844-2001

12 IPCC 2007a13 WGMS 2008

14 Zemp M et al 200615 Haeberli 2007

15

n Ruumlckgang des arktischen Meereises

Die Analyse neuester Satellitenmessungen laumlsst keinen Zweifel zu Das Meereis der Arktis schmilzt Inner-halb der letzten 30 Jahre hat sich die sommerliche Ausdehnung der Eisdecke um mehr als 20 Prozent verringert Besonders dramatisch an der derzeitigen Schrumpfung ist dass sie sich in den letzten Jahren sig - ni fikant beschleunigt hat und die gegenwaumlrtig beob-achteten Verlustraten selbst die Extremwerte voran - gegangener Computersimulationen uumlbertroffen haben Und waumlhrend bis vor kurzem noch 2005 als das Jahr der geringsten jemals gemessenen Eisflaumlche galt uumlber-traf das Jahr 2007 diese Werte in jedem Monat (siehe Abbildung 6)

Von den vormals etwa 78 Millionen km2 Eisflaumlche im Jahr 1979 wurden im September des Rekordjahrs 2007 lediglich noch 413 Millionen km2 erreicht Dies ent-spricht einem Ruumlckgang von etwa 43 Prozent gegenuumlber dem langjaumlhrigen Mittelwert 1979-2000 und ist die ge-ringste je gemessene Eisausdehnung in der Arktis16

Auch in den folgenden Jahren wurde eine aumlhnlich kleine Eisausdehnung auf dem arktischen Nordmeer gemes-sen Mit dem Ergebnis dass 2008 und 2009 erstmals seit Menschengedenken sowohl die Nordwest- als auch die Nordostpassage gleichzeitig eisfrei waren Auch im Jahr 2010 lag die Ausdehnung mit ca 51 Millionen km2 deutlich unter dem langjaumlhrigen Mittelwert

Berichte vom Klimawandel ndash Nepal

bdquoNepal erlebt zurzeit stark schwankende Regenzyklen Im Winter 20082009 gab es gar keinen Regen Auszligerdem hatten wir wenig Schneefall Unser Land braucht in dieser Zeit Regen und Schnee damit Weizen und Mais vor allem auch im Sommer wachsen koumlnnen Die Bauern im Distrikt Rukum sorgen sich zunehmend uumlber kurze aber heftige Niederschlaumlge Schon jetzt sind dort Nahrungsmittel knapp ndash durch den Klimawandel wird das Leid noch groumlszliger Immer mehr Menschen wan-dern nach Indien aus Ebenso gibt es in der Rupandehi-Gemeinde einen Fluss der bis vor 20 Jahren noch aus-reichend Wasser fuumlhrte Jetzt ist er ausgetrocknet Das andere Extrem sind Flusshochwasserwellen waumlhrend der Regenzeit die sich verheerend fuumlr die dort leben-den Menschen auswirken Die groumlszligte Herausforderung fuumlr Nepal ist jedoch die rasche Gletscherschmelze im

Himalaya Dort wo der Gletscher lag bildet sich ein See Bricht der ehemals vom Gletscher aufgescho-bene Erddamm entstehen katastrophale Flutwellen Teile des darunter liegenden Landes werden uumlberflu-tet Dennoch werden wir wohl auf lange Sicht unter Wassermangel leiden Denn die Gletscher verschwinden langsam und koumlnnen bald kein Wasser mehr im Sommer fuumlr die Landwirtschaft liefern Fuumlr ein armes Land wie Nepal das zur Bewaumlsserung in der Landwirtschaft auf Schmelzwasser angewiesen ist ist dieses Problem nicht zu bewaumlltigenldquo

Raju Pandit Chhetri Juristischer Berater United Mission to Nepal (UMN) Kathmandu Nepal

Seit 1979 hat sich die arktische Eisausdehnung um mehr als 20 Prozent verringert Quelle NASA 2007 httpearthobservatorynasagovIOTDviewphpid=8126

Abb 6 Ausdehnung des arktischen Meer eises 2007 im Vergleich zu 1979-2000

16 NSIDC 2008

2005 Minimum

2007 Minimum

1979-2000 Durchschnittliches Minimum

500 km

16 September 2007Konzentration des Meereises (in )

0 50 100

16

n Schrumpfende Festlandeisschilde

Kontinentale Eisschilde groumlszliger als 50000 km2 existie-ren lediglich an zwei Plaumltzen auf der Erde in der Antarktis und auf Groumlnland Wuumlrden sie abschmelzen entspraumlche dies einem globalen Meeresspiegelanstieg von etwa 70 Metern Bis vor einigen Jahren nahmen Wissenschaftler an die Eisschilde wuumlrden auf Klimaveraumlnderungen nur sehr langsam und meist uumlber Jahrtausende reagieren Allerdings muss diese Annahme aufgrund modernster Satellitenmessungen nun revidiert werden Galten bei-de Eisschilde noch bis vor einigen Jahren als bdquoschlafende Riesenldquo legen neueste Erkenntnisse uumlber bis vor kurzem fuumlr unmoumlglich gehaltene Schmelz- und Rutschprozesse die Vermutung nahe die beiden Riesen seien nun aus ihrem tausend Jahre andauernden Tiefschlaf erwacht Beide Eisschilde schmelzen ndash und das mit einem atembe-raubenden Tempo

Noch waumlhrend der 1990er Jahre so belegen Studien be-fand sich der groumlnlaumlndische Eisschild nahezu im Gleich-gewicht ndash Schneeakkumulation und Schneeschmelze glichen sich in etwa aus Waumlhrend dieser Zeit wuchs der Eisschild im Inneren und verlor seine Eismassen an den Raumlndern

Als Folge der schon seit einigen Jahren bekannten ho-hen Sensibilitaumlt der arktischen Region gegenuumlber den Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung hat sich die Situation nun gravierend veraumlndert Waumlhrend der Jah-re 2000-2008 hat sich der Massenverlust auf Groumlnland verdreifacht und trug im Jahr 2008 mit 273 Gigatonnen

zu einem Anstieg des Meeresspiegels um 075 mm pro Jahr bei17 Zwar geht nach wie vor ein groszliger Teil des Eisverlustes auf das Konto der Ausduumlnnung des Eises in den tieferen Lagen Besonders beunruhigend jedoch ist eine andere Beobachtung Denn neben den linearen Abschmelzprozessen spielen dynamische Veraumlnderun-gen des Eisabflusses eine immer bedeutendere Rolle Die Auswertung von Satellitendaten beweist dass die Eisdecke durch die Schmelzvorgaumlnge nicht in erster Linie duumlnner wird ndash sie bewegt sich vielmehr schneller Das groumlnlaumlndische Eis draumlngt dabei immer schneller vom Zentrum des Eispanzers im Landesinneren uumlber die Glet-scher nach auszligen und ins Meer18

Ein aumlhnliches Bild ergibt sich auch in der Antarktis wo innerhalb des Untersuchungszeitraums April 2002 bis Januar 2009 ein jaumlhrlicher Verlust an Eismasse von durchschnittlich 190 (+- 77) Gigatonnen Eis gemessen wurde ndash was umgerechnet einem Meeresspiegelanstieg von rund 04 mmJahr entspricht19 Mehr als zwei Drittel (132 Gt) des Eismassenverlustes betrafen dabei die West antarktis20 Besonders groszlige Sorge bereitet Klimaforschern die enorme Dynamik mit der das Eis der Westantarktis ans Meer verloren geht Entscheidend ist dabei die Rolle der vorgelagerten Schelfeisgebie-te Aumlhnlich wie u a in manchen Kuumlstenregionen Groumln-lands ist ihre Instabilitaumlt die Ursache fuumlr das verstaumlrkte Abflieszligen der westantarktischen Auslassgletscher und Eis stroumlme Denn das Eis schmilzt weniger an Land als vielmehr durch den Kontakt mit waumlrmerem Ozeanwas-ser Normalerweise wird durch die Barriere des Schelf-eises der Abfluss der Auslassgletscher und Eisstroumlme

Immer schneller rutschen die groumlnlaumlndischen Gletscher ins MeerQuelle NASA 2007 httpearthobservatorynasagovFeaturesGreenlandprintallphp

Abb 7 Ruumlckzug der Aufsetzlinie des Jakobshavn Isbrae 1850-2006 an der Westkuumlste Groumlnlands

17 Van den Broeke M et al 200918 Van de Wal RS et al 2008

19 Velicogna I und J Wahr 200920 Chen JL et al 2009

GroumlnlandEisschild

17

gebremst Wird dieses jedoch bruumlchig oder kollabiert so nimmt die Abflussgeschwindigkeit der hinter dem Eisschelf liegenden Gletscher zu und sie koumlnnen nahezu ungebremst ins offene Meer ablaufen Seit dem Wegfall des Larsen-B-Eisschelfs 2002 hat sich der Abfluss der da-hinterliegenden Auslassgletscher deutlich erhoumlht ndash und zwar um das bis zu Achtfache21 Viele der westantarkti-schen Gletscher (z B der Pine Island Gletscher und der Smith Gletscher) haben sich innerhalb der letzten Jahre (2004-2007) enorm beschleunigt und flieszligen mittler-weile mit einer Geschwindigkeit von bis zu neun Metern pro Jahr ins Meer22 27 Kubikkilometer Eis gehen nun jaumlhrlich dort verloren wo sich vor wenigen Jahren noch das Eisschelf befand23 Ein aumlhnliches Schicksal wie das des Larsen-B-Eisschelfs koumlnnte in einer waumlrmeren Zu-kunft auch weitere Eisschelfe ereilen

n Anstieg des Meeresspiegels

Als eine der wichtigsten Folgen des anthropogenen Klimawandels gilt der Anstieg des globalen Meeresspie-gels Im 20 Jahrhundert ist der Meeresspiegel weltweit durchschnittlich zwischen 12-22 cm angestiegen24 Ak-tuelle Satellitenmessungen zeigen dass er sich gegen-waumlrtig um 33 mm pro Jahr erhoumlht25 Dies hat im Wesent-lichen zwei Ursachen Zum einen tragen die veraumlnderten Abflussregime der Gebirgsgletscher sowie die beiden Festlandeisschilde auf Groumlnland und der Antarktis zur Erhoumlhung des Meeresspiegels bei Zum anderen dehnt sich der Wasserkoumlrper als physika lische Reaktion der Erwaumlrmung der Ozeane auch staumlrker aus ndash rund 18 mm gehen momentan auf das Konto dieser thermischen Aus-

dehnung Der gegenwaumlrtige Anstieg des Meeresspiegels mag zurzeit noch harmlos erscheinen aber die Anstiegs-rate wird vermutlich in Zukunft nicht auf ihrem momen-tanen Niveau verweilen Vielmehr wird damit gerechnet dass sie umso rascher ansteigen wird je schneller die Temperaturen die Eismassen zum Schmelzen bringen (siehe auch Kapitel 33)

n Zunahme extremer Wetterereignisse

Die Erkenntnisse der Physik legen nahe dass ein Anstieg der globalen Temperaturen auch zu einer Zunahme wet-terbedingter Extremereignisse in bestimmten Regionen der Erde fuumlhrt Um jedoch eine Antwort auf die Frage zu finden ob im Rahmen des globalen Klimawandels extreme Wetterereignisse zugenommen haben ist es erforderlich Zeitreihen uumlber mehrere Jahrzehnte aus-zuwerten Das Ergebnis Waumlhrend wetterunabhaumlngige Ereignisse wie Erdbeben oder Tsunamis sich im Grunde nicht veraumlndert haben kommen Starkniederschlags-ereignisse heftige Stuumlrme Hochwasser Duumlrren und auszligergewoumlhnliche Hitzeperioden weltweit immer haumlu-figer vor

Es ist niemals moumlglich einen eindeutigen Kausalzusam-menhang zwischen einem einzelnen Extremwetterereig-nis und dem menschgemachten Klimawandel herzustel-len da Aussagen uumlber das Klima die Betrachtung eines mindestens 30-jaumlhrigen Zeitabschnitts voraussetzen Der Trend im Hinblick auf Anzahl Heftigkeit und Ort des Auftretens von Extremwetterereignissen ndash nicht das Einzelereignis fuumlr sich genommen ndash ist fuumlr Beschrei-

Info-Kasten 2 Was ist eine Wetterkatastrophe

Sturm ist nicht gleich Sturm denn die Auswirkungen sind abhaumlngig davon in welcher Region der Sturm stattfindet Ereignet sich ein Sturm in der Wuumlste so wird in der Regel nicht von einer Wetterkatastrophe gesprochen weil Menschen nicht davon betroffen sind Zu einer Katastrophe wird ein Sturm erst dann wenn er Menschen oder deren Sachguumlter in groszligem Maszlige schaumldigt Wetterkatastrophen ereignen sich demnach dort wo extreme Wetterereignisse auf eine dafuumlr anfaumlllige Gesellschaft treffen Eine Zunahme an Wetterkatastrophen kann somit zwei wesentliche Ursachen haben 1 Eine tatsaumlchliche Zunahme extremer Wetter-

ereignisse und 2 eine Erhoumlhung der Vulnerabilitaumlt (Verletzlichkeit)

wegen nicht ausreichend eingefuumlhrter Schutz-maszlignahmen bzw einer nicht angepassten Lebens weise des Menschen an seine Umgebung Dies kann die Besiedlung bisher wenig genutz-

ter oumlkologisch sensibler Raumlume umfassen Um-welteingriffe (z B erosionsanfaumlllige Boumlden nach Abholzung oder groumlszligeres Hochwasserrisiko nach der Begradigung von Fluumlssen) oder aber auch den Anstieg der Bevoumllkerung in Gebieten klimatischer Risikozonen

In den vergangenen 60 Jahren ist dabei nicht nur eine Zunahme wetterbedingter Naturkatastrophen zu be-obachten auch haben die volkswirtschaftlichen bzw versicherten Schaumlden durch extreme Wettereignisse zugenommen (siehe Abbildung 8) Auch wenn die-se Zunahme zum groszligen Teil noch auf soziooumlko-nomischen Veraumlnderungen wie Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum zuruumlckzufuumlhren ist und teil-weise auch das Ergebnis natuumlrlicher Schwankungen sein koumlnnte so ist zu erwarten dass der Klimawandel eine immer entscheidendere Rolle spielen wird26

21 Scambos T et al 200422 Hamish D et al 200923 Rignot E et al 2004

24 IPCC 2007a25 Beckley et al 200726 Munich Re 2010

18

Berichte vom Klimawandel ndash Uganda

bdquoDer Klimawandel ist fuumlr alle Ugander bereits Realitaumlt Wir erleben mittlerweile viel mehr waumlrmere Tage und Naumlchte laumlngere ungewohnte Duumlrren und heftige Regenfaumllle auch auszligerhalb der Regenzeit Unsere Bauern und Verbraucher sind irritiert und zeigen mit anklagendem Finger auf die Wetterdienste Was sie aber benoumltigen sind Informationen und Aufklaumlrung was tatsaumlchlich geschieht und ihnen [den Bauern] zeigt wie wichtig es ist die Treibhausgasemissionen einzudaumlmmen Diese Erkenntnis muss zu allen Be-troffenen durchdringenldquo

Kimera Henry Richard Geschaumlftsfuumlhrer Consumer Education Trust Kampala ndash Uganda

Innerhalb der letzten 60 Jahre ist insgesamt eine Zunahme groszliger wetterbedingter Naturkatastrophen zu beobach-ten Quelle Munich Re 2010

bungen des Klimas relevant In einigen Regionen konnte ein Anstieg der Intensitaumlt von klimatisch bedingten Ex-tremereignissen in den letzten Jahrzehnten festgestellt werden

Bei einer allgemeinen Temperaturerhoumlhung verschiebt sich auch die Haumlufigkeit des Auftretens von Hitzewel-len Wie gefaumlhrlich dies sein kann zeigte sich im Som-mer 2003 in Europa als eine Hitzewelle mit den houmlchsten Sommertemperaturen seit mindestens 500 Jahren uumlber 7000027 Menschenlebenforderte und sich zudem nega-tiv auf die Bereiche Landwirtschaft Waldwachstum und Verkehr auswirkte

Ein anderes Extremereignis war die Elbeflut 2002 die viele Staumldte entlang des Elbe-Flusslaufs uumlberflutete Bruumlcken wegspuumllte und ganze Landstriche verwuumlstete

Eine weitere Art extremer Wetterereignisse die waumlh-rend der letzten Dekaden an Zerstoumlrungskraft gewon-nen hat sind starke Tropen- und Winterstuumlrme wie bei-spielsweise der Hurrikan Katrina in den USA oder wie der Sturm Kyrill in Deutschland Ihre Intensitaumlt hat vor allem bedingt durch houmlhere Temperaturen aber auch aufgrund natuumlrlicher dekadischer Schwankungen stark zugenommen28 Die auszligerordentlich starke Hurrikan-

Abb 8 Groszligkatastrophen weltweit (1950-2009)

Geophysikalische EreignisseErdbeben Vulkanausbruch

Hydrologische EreignisseSturzflut Flussuumlberschwem- mung Sturmflut Massen-bewegung (Erdrutsch)

Trend

Meteorologische EreignisseTropischer Sturm Winter-sturm Unwetter Hagel Tornado Lokaler Sturm

Klimatologische EreignisseHitze- Kaumlltewelle WaldbrandDuumlrre

Anzahl

14

12

10

8

6

4

2

01950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005

27 Robine JM et al 200828 Webster PJ et al 2005

19

Berichte vom Klimawandel ndash Kamerun

bdquoFruumlher startete die Regenzeit gewoumlhnlich Mitte Maumlrz aber heute ist es kaum mehr moumlglich vor-herzusagen wann sie beginnt Manchmal haumllt die Trockenzeit zu lange an das Saatgut vertrocknet in der Erde Wenn aber der Regen zu fruumlh einsetzt und es dann viel zu viel regnet koumlnnen wir den Boden nicht bearbeiten und auch nicht aussaumlen Oder die Ernte verdirbt wenn die Regenzeit zu lange dauert Mais zum Beispiel schimmelt wenn er waumlhrend der Regenzeit nicht richtig trocknen kann Auch der Transport wird durch starke Regenfaumllle sehr schwer Deshalb verdirbt die Ernte haumlufiger schon auf den Farmenldquo

Carole Mboube Sekretaumlrin und Baumluerin ADEID (bdquoAktion fuumlr eine gerechte integre und nach hal-tige Entwicklungldquo Umwelt- und Entwicklungs-organisation) Kamerun

Saison in der Karibik und den USA im Jahr 2005 (u a Hur-rikan Katrina) hat direkte Schaumlden von mehr als 150 Mrd US-Dollar verursacht sowie alleine in den USA mehr als 1000 Menschenleben gefordert Vor der Kuumlste Brasili-ens im Suumldatlantik wurde im Jahr 2004 erstmals ein Hur-rikan in der suumldlichen Hemisphaumlre beobachtet29 Auch wenn innerhalb der kommenden Jahrzehnte immer wie-der einmal natuumlrliche Schwankungen die Intensitaumlt star-ker Sturmereignisse beeinflussen werden so wird damit gerechnet dass sich nach 2050 der Effekt der globalen Erwaumlrmung immer deutlicher von diesen natuumlrlichen Dekadenschwankungen abheben wird30

n Ertragsruumlckgaumlnge in der Landwirtschaft

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Nahrungs-mittelertraumlge der Landwirtschaft ergeben sich sowohl aus den Veraumlnderungen von Temperatur und Nieder-schlag als auch aus der Anpassungsfaumlhigkeit der Land- wirtschaft selbst Der IPCC ist zu dem Ergebnis gekom-men dass sich der hydrologische Kreislauf (Wasserkreis-lauf) infolge des Temperaturanstiegs veraumlndert hat Zum Beispiel kam es in vielen Regionen der Nordhalbku-gel im letzten Jahrhundert zu einer Zunahme der konti-nentalen Niederschlaumlge waumlhrend in anderen Regionen (u a Nord- und Westafrika) ein Ruumlckgang zu beobachten war Durch die sich aumlndernden Anbaubedingungen bzw durch unregelmaumlszligige Niederschlaumlge und hohe Tempe-raturen ist es schon heute in vielen Regionen der Erde sehr schwierig mit traditio nellen Anbaumethoden bzw angebauten Pflanzen die notwendigen Ernteertraumlge

zu steigern bzw zu erhalten Besonders betroffen sind dabei die traditionell trockenen Gebiete in denen eine Unterbrechung der Nahrungsmittelversorgung durch die Landwirtschaft bereits heute zu erheblichen huma-nitaumlren und wirtschaftlichen Problemen fuumlhrt

Diese Anzeichen zeigen einerseits dass der Klimawan-del schon heute deutliche Spuren im Leben der Men-schen hinterlassen hat und stuumltzen damit die nuumlchternen Datenreihen der Wissenschaftler Andererseits sind sie auch erste Vorboten dafuumlr was zukuumlnftig und im Zuge weiter ansteigender Temperaturen noch an Auswirkun-gen des Klimawandels auf uns zukommen kann

n Oumlkosysteme in der Falle

Weltweit findet ein dramatischer Artenschwund in der Tier- und Pflanzenwelt statt der sich waumlhrend der ver-gangenen 50 Jahre stark beschleunigt hat und zu Beginn des 21 Jahrhunderts um den Faktor 100 bis 1000 uumlber dem natuumlrlichen Wert liegt31 Neben direkten mensch-lichen Auswirkungen wie der Umwandlung natuumlrlicher Oumlkosysteme durch eine immer intensiver werdende Landwirtschaft die Zergliederung durch Siedlungen und Verkehrswege sowie den Raubbau natuumlrlicher Res-sourcen hinterlaumlsst auch der Klimawandel in zahlreichen Oumlkosystemen bereits deutliche Spuren Im Zuge der Klimaveraumlnderungen verschieben sich sowohl die Klima- und Vegetationszonen in Richtung der Pole oder in grouml-szligere Houmlhen als auch die klimatischen Jahreszeiten Die Tropen haben sich in 25 Jahren um mehrere Breitengrade ausgedehnt32 Fruumlhlingscharakteristika ndash wie beispiels-weise Blattentfaltung Pflanzenbluumlte Vogelzug und Brutverhalten ndash treten fruumlher ein Um ein Uumlberleben zu ermoumlglichen sind deshalb viele Tier- und Pflanzenarten einerseits gezwungen ihre traditionellen Lebensraumlume aufzugeben und den wandernden Klimazonen zu folgen sowie andererseits auch ihr saisonabhaumlngiges Verhalten an die jahreszeitliche Verschiebung anzupassen

Nicht allen Arten ist jedoch eine derartige Anpassung an die sich veraumlndernden Rahmenbedingungen moumlglich da sie sehr eng an spezifische Klimaregime und arttypische Rhythmen gebunden sind Zu den ersten Opfern gehoumlren insbesondere die artenreichsten Oumlkosysteme wie etwa die Regenwaumllder in Brasilien die Korallenriffe im Suumldpa-zifik oder die Flora und Fauna der alpinen Regionen und der Arktis In diesen Gebieten koumlnnen viele Tiere und Pflanzen mit dem Tempo des Klimawandels nicht mehr mithalten sterben aus und hinterlassen tiefe Luumlcken in Nahrungsketten und natuumlrlichen Gefuumlgen

29 Swiss RE 2004 330 Walsh K 2004

31 Millennium Ecosystem Assessment 200532 Seidel DJ 2008

20

Tem

pera

turauml

nder

ung

Ant

arkt

is (deg

C)

23 Der menschgemachte Treibhauseffekt

Das Klima unserer Erde hat in der Erdgeschichte immer wieder spektakulaumlre Wandlungen vollzogen Innerhalb der vergangenen zwei bis drei Millionen Jahre pendel-te es beispielsweise regelmaumlszligig zwischen Kalt- und Warmphasen hin und her Diese Pendelbewegung laumlsst sich sehr gut fuumlr die letzten 800000 Jahre anhand von Eisbohrkernen insbesondere aus der Antarktis belegen Sie ist das Ergebnis zyklischer Schwankungen der Erd-umlaufbahn um die Sonne bzw des Neigungswinkels der Erdachse (siehe Abbildung 9) Hier bestaumltigt sich u a die wichtige Rolle des CO2 als Treibhausgas (siehe weiter unten) Da die Umlaufbahn der Erde zudem ellip-tisch ist bringt sie die Erde in regelmaumlszligigen Abstaumlnden sowohl naumlher an die Sonne heran als auch weiter von ihr weg Die Folge Die Intensitaumlt der Sonneneinstrahlung auf der Erde schwankt auch im Jahreslauf In der Vergan-genheit haben vor allem die Kaltphasen laumlnger angehal-ten (90000 Jahre) als die Warmphasen (10000 Jahre)

rarr Frage In der Erdgeschichte stieg zuerst die Tempe-ratur dann die CO2-Konzentration Ist somit der gegen-waumlrtige CO2-Anstieg nicht eher die Folge als die Ursache der Erwaumlrmung

Abbildung 9 zeigt dass es einen direkten Zusammen-hang zwischen Temperatur und CO2-Gehalt in der At-mosphaumlre gibt Ausloumlser der zyklischen Klimaschwan-kungen innerhalb der letzten 800000 Jahre waren dabei in erster Instanz die regelmaumlszligigen Schwankungen der Erdbahnparameter Diese wirken durch die Umvertei-lung der solaren Einstrahlung direkt auf die Temperatur Der Anstieg der CO2-Konzentration kommt erst in einem zweiten Schritt durch eine positive Ruumlckkopplung und mit einer zeitlichen Verzoumlgerung von rund 800 Jahren zum Tragen Durch die steigenden Temperaturen koumln-nen die sich erwaumlrmenden Ozeane weniger CO2 halten und erhoumlhen dadurch den atmosphaumlrischen CO2-Gehalt ndash die Temperaturen steigen weiter an Somit waren in der Vergangenheit die Erdbahnveraumlnderungen der Ausloumlser fruumlherer Temperaturschwankungen allerdings ist die vollstaumlndige Temperaturentwicklung nur im Zusammen-hang mit einer positiven CO2-Ruumlckkopplung zu erklaumlren Der CO2-Anstieg der erdgeschichtlichen Vergangenheit war also sowohl Folge als auch Ursache der Erwaumlrmung Fuumlr die gegenwaumlrtige Situation koumlnnen jedoch Veraumlnde-

Konzentration (in Teilchen pro MillionMilliarde Volumeneinheit ppmvppbv) der beiden Treibhausgase Kohlendioxid (blau) und Methan (gruumln) in der Erdatmosphaumlre waumlhrend der letzten 800000 Jahre im Vergleich mit der Temperaturentwicklung (rot) Quelle Luumlthi D et al 2008

Abb 9 Temperatur- u Treibhausgasentwicklung in den letzten 800000 Jahren

4

0

-4

-8

-12

CH

4 (p

pbv)

CO

2 (p

pmv)

800

300

700

280

600

260

500

240

400

220

200

180

300800 700 600 500 400 300 200 100 0

Alter (1000 Jahre vor heute)

21

rungen der Erdbahnparameter ausgeschlossen und so-mit der globale Temperaturanstieg der letzten 130 Jahre nur durch den menschgemachten Treibhausgasausstoszlig erklaumlrt werden

Waumlhrend uumlber mehrere Jahrtausende vor allem die langperiodischen Variationen der solaren Einstrahlung fuumlr die Wechselhaftigkeit des Klimas verantwortlich waren so werden auf kuumlrzeren Zeitskalen noch wei-tere Einflussfaktoren deutlich Unterschiedlich starke Sonnenflecken aktivitaumlten lassen die Einstrahlung der Sonnenenergie auf die Erdoberflaumlche schwanken Vul-kanausbruumlche koumlnnen eine Abkuumlhlung bewirken wenn groszlige Mengen Asche in die Atmosphaumlre geschleudert werden und dort die Durchlaumlssigkeit der Sonnenein-strahlung verringern Letzteres war beispielsweise in den Jahren 1991-1993 der Fall die in Folge des Aus-bruchs des philippinischen Vulkans Pinatubo relativ kuumlhl waren33 Auch koumlnnen interne Wechselwirkungen und Ruumlckkopplungsmechanismen zwischen Atmosphaumlre und Ozeanen wie z B El-Nintildeo-Ereignisse das globale Klima uumlber mehrere Jahre hinweg beeinflussen Fazit Das Kli-ma der Erde ist ein aumluszligerst sensibles System welches in der Vergangenheit haumlufig schon auf kleine Aumlnderungen der solaren Einstrahlung empfindlich reagiert hat

Aus neuesten wissenschaftlichen Studien leitet sich eine bdquosehr hohe Sicherheitldquo ab (nach IPCC-Definition in mindestens neun von zehn Faumlllen) dass menschliche Ak-tivitaumlten seit Beginn der Industrialisierung groumlszligtenteils die Erhoumlhung der globalen Durchschnittstemperatur verursacht haben muumlssen Das internationale Wissen-schaftlergremium stuumltzt sich in seiner Aussage uumlber den Beitrag des Menschen an der globalen Klimaaumlnderung im Wesentlichen auf drei Pfeiler die menschgemachte Zunahme von Treibhausgasen die hohe Korrelation zwi-schen globaler Mitteltemperatur und der Kohlendioxid-konzentration in der Vergangenheit sowie Hochrech-nungen mit Klimamodellen34

Vor allem fuumlr die Erwaumlrmung in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts gilt mittlerweile der menschgemach-te Anstieg der Treibhausgasemissionen mit 90 bis 99- prozentiger Wahrscheinlichkeit als Hauptursache Die Menschheit setzt heute durch eine Vielzahl von Prozes-sen groszlige Mengen an Treibhausgasen frei und stellt so-mit selbst einen Klimafaktor im System dar Eine groszlige Bedeutung haben in diesem Zusammenhang insbeson-dere die Verbrennung fossiler Energietraumlger (Braun- und Steinkohle Erdoumll Erdgas) die groszligflaumlchige Aumlnderung der Landnutzung (z B Rodung von Waumlldern) landwirt-

Tabelle 1 Die wichtigsten anthropogenen Treibhausgase

33 Schoumlnwiese CD 200434 Graszligl H 1998

Ppmppb (parts per millionbillion = Teilchen pro MillionMilliarde Teilchen) Relative Maszligangabe die in der Klima-wissenschaft beispielsweise das Konzentrationsniveau von Treibhausgasen in der Atmosphaumlre beziffert Eine atmos-phaumlrische Konzentra tion von 387 ppm bedeutet dass das Volumen von 387 Teilchen CO2 im Volumen von einer Millionen Luftteilchen enthalten ist Quelle WMO 2008

Spurengas

Kohlendioxid (CO2)

Methan (CH4)

Distickstoff-oxid (N2O Lach gas)

Anthropogene Herkunft

Verbrennung fossiler Energietraumlger Waldrodungen und Bodenerosion Holzverbrennung

Reisanbau Viehhaltung Erdgaslecks Verbren-nung von Biomasse Muumllldeponien Nut-zung fossiler Energien

Verbrennen von Bio-masse und fossilen Ener gie traumlgern Duumlngemitteleinsatz

Derzeitige (und vorindustrielle) Konzentration

ca 387 (280) ppm

ca 1797 ppb (730 ppb)

319 3218 (270) ppb

Konzentrations-anstieg pro Jahr (Durchschnitt 1998-2008)

193 ppm

25 ppb

0788 ppb

Anteil am an-thropogenen Treibhauseffekt(seit 1750)

635

182

62

Treibhaus-potential pro Teilchen CO2 = 1

1

ca 23

ca 200-300

22

schaftliche Taumltigkeiten (v a Viehwirtschaft und Reis-anbau) und industrielle Prozesse sowie Verkehr Dieser menschliche Einfluss ist verantwortlich fuumlr den signifi-kanten Konzentrationsanstieg von Treibhausgasen in der Atmosphaumlre seit Beginn der Industrialisierung (siehe Tabelle 1) und die dadurch ausgeloumlste Verstaumlrkung des Treibhauseffektes Daher bezeichnet man den Anteil am gesamten Treibhauseffekt den der Mensch durch sein Handeln verursacht als menschgemachten oder anthro-pogenen Treibhauseffekt

Die drei Hauptverursacher des menschgemachten Treib-hauseffektes sind Kohlendioxid Methan und Distick-stoffoxid Das Treibhausgas CO2 ist dabei der Haupt-faktor menschlicher Treibhausgasemissionen und traumlgt mit ca 635 Prozent zum menschgemachten Anteil am Treibhauseffekt bei Der Beitrag von Methan (CH4) liegt bei etwa 182 Prozent (siehe Tabelle 1) Distickstoffoxid (N2O Lachgas) hat einen Anteil von 62 Prozent

Neben diesen Gasen gehoumlren auch industriell erzeugte Gase wie Fluorkohlenwasserstoffe (FKWs) zu den wich-tigsten anthropogenen Treibhausgasen Ozon (O3) wird nicht direkt ausgestoszligen sondern entfaltet seine Wirk-samkeit als Folgeprodukt u a bei der Verbrennung fos-siler Energietraumlger35

rarr Frage Ist nicht Wasserdampf statt CO2 das wich-tigste Treibhausgas

Wasserdampf ist das Treibhausgas mit der houmlchsten na-tuumlrlichen Konzentration in der Atmosphaumlre und mit rund zwei Dritteln am natuumlrlichen Treibhauseffekt beteiligt Riesige Mengen Wasserdampf verdunsten taumlglich aus den Ozeanen in die Atmosphaumlre kondensieren und fallen als Niederschlag wieder zu Boden Innerhalb von nur 10 Tagen wird dabei die gesamte Menge an Wasserdampf auf der Erde einmal ausgetauscht Beim anthropogenen Treibhauseffekt jedoch spielt Wasserdampf kaum eine Rolle Denn anders als es beim CO2 der Fall ist nimmt die Atmosphaumlre in Abhaumlngigkeit von ihrer Temperatur nur eine begrenzte Menge an Wasserdampf auf Der Mensch kann somit den Wasserdampfgehalt der Atmosphaumlre nicht direkt (auszliger durch den Flugverkehr) sondern houmlchstens indirekt durch die Veraumlnderung der Tempe-ratur bzw die erwaumlrmungsbedingte Veraumlnderung des Wasserkreislaufs beeinflussen Steigt die Temperatur steigt auch der Wasserdampfgehalt und es intensiviert sich der Wasserkreislauf Damit wirkt Wasserdampf als Verstaumlrker der globalen Erwaumlrmung und wird deshalb auch in allen Klimamodellen beruumlcksichtigt Allerdings verbleibt der Wasserdampf durch menschliche Aktivitauml-ten ausgeloumlst nur fuumlr kurze Zeit und in vergleichsweise geringen Mengen in der Atmosphaumlre Aus diesen Gruumln-den ist der Anteil von Wasserdampf am anthropogenen Treibhauseffekt vernachlaumlssigbar gering

Bohrungen im antarktischen Eis zeigen (siehe Abbildung 9) dass die CO2-Konzentration der Atmosphaumlre in den vergangenen 800000 Jahren nie uumlber 300 ppm lag36 Seit Beginn der Industrialisierung zum Ende des 19 Jahrhun-derts stieg sie jedoch um 38 Prozent an und betrug 2009 im Jahresmittel bereits 387 ppm Allein innerhalb der letzten Dekade (2000-2008) wuchs der atmosphaumlrische CO2-Anteil mit einer jaumlhrlichen Rate von etwa 19 ppm37

1990-1999 waren es noch durchschnittlich 15 ppm pro Jahr gewesen Die Methankonzentration steigerte sich sogar um 157 Prozent seit Ende des 19 Jahrhunderts38

Allerdings gibt es auch menschliche Handlungen mit ei-nem kuumlhlenden Effekt beispielsweise die industriellen Emissionen von Schwefeldioxid (SO2)39 Dieses reflek-tiert Sonnenlicht zuruumlck in den Weltraum und kann zu-dem die Bildung von Wolken ausloumlsen Beide Prozesse tragen dazu bei dass weniger Sonnenstrahlen die Erd-oberflaumlche erreichen Schwefeldioxid hilft also die Erde direkt oder durch Wolkenbildung indirekt zu kuumlhlen Ins-gesamt aber uumlberwiegt der Ausstoszlig erwaumlrmend wirken-der Treibhausgase deutlich (siehe Tabelle 2)

24 Belege fuumlr den menschlichen Einfluss auf das Klima

Wenn man bei der Simulation der Temperaturentwick-lung der letzten eineinhalb Jahrhunderte sowohl die natuumlrlichen als auch die menschgemachten Faktoren mit einbezieht laumlsst sich der tatsaumlchliche Temperaturver-lauf fuumlr viele Regionen der Erde sehr genau simulieren (siehe Abbildung 3 S10) Die Simulation der natuumlr lichen Entwicklung beschraumlnkt sich dabei auf die Faktoren bdquoVariation der Solarstrahlungrdquo bdquoVulkanausbruumlcherdquo und bdquoEl-Nintildeo-Ereignisserdquo Der menschliche Einfluss auf die Klimaentwicklung hingegen bezieht nur die Faktoren bdquoTreibhausgasemissionenrdquo und bdquoEmissionen von Sulfat-aerosolenrdquo mit ein

Bereits die Simulation der menschgemachten Faktoren wuumlrde eine plausible Erklaumlrung fuumlr den groumlszligten Teil der beobachteten Temperaturentwicklung liefern Die Inte-gration beider Faktorenbuumlndel hingegen stellt eine noch groumlszligere Annaumlherung an die in der Realitaumlt beobachtete Entwicklung dar Allerdings schlieszligt dies nicht prinzi-piell die Moumlglichkeit aus dass noch weitere Faktoren eine begrenzte Rolle fuumlr den Temperaturanstieg gespielt haben koumlnnten

rarr Frage Ist nicht die Aumlnderung der Sonnenstrahlung bedeutender als der menschliche Einfluss

Aumlnderungen der solaren Leuchtkraft sind auf unter-schiedlichen Zeitskalen ein wichtiger Grund von Klima-

35 WMO 2008 36 Luumlthi D et al 200837 Global Carbon Project 2009

38 IPCC 2007a39 IPCC 2001

23

aumlnderungen Relativ geringe Schwankungen der Sonnen-fleckenaktivitaumlt haben das Klima in der Erdgeschichte bedeutend mitgepraumlgt und geringfuumlgige Abschwaumlchun-gen der Strahlungsintensitaumlt wiederholt zu signifikanten Abkuumlhlungserscheinungen gefuumlhrt Als juumlngere Beispie-le des solaren Einflusses gelten die Kleine Eiszeit (1350 bis 1880 n Chr) sowie das Mittelalterliche Waumlrmeopti-mum (950 bis 1250 n Chr) Innerhalb des Zeitraums seit der Industrialisierung bis heute spielen Aumlnderungen der Sonnenstrahlung jedoch eine weniger bedeutende Rol-le Vor allem fuumlr die zweite Haumllfte des 20 Jahrhunderts ist der beobachtete Anstieg der globalen Durchschnitts-temperatur hauptsaumlchlich durch den menschgemachten Treibhausgasausstoszlig verursacht worden (siehe Abbil-dung 3 S10)

Die Betrachtung des Strahlungsantriebs unterschied-licher groszligraumlumig wirksamer Klimafaktoren (Tabelle 2) und die daraus berechneten Temperatursignale unter-stuumltzen die Hypothese dass der Mensch uumlber die Treib - hausgase einen deutlich groumlszligeren Einfluss auf die Tem-peraturveraumlnderung seit 1880 genommen hat als natuumlr-liche Faktoren Insgesamt sind das demnach ca 07 degC was in etwa dem beobachteten Anstieg von 08 degC im 20 Jahrhundert entspricht Die natuumlrlichen Klimasignale sind demgegenuumlber relativ klein und treten episodisch bzw fluktuativ auf haben also zu dem Langfristtrend der letzten 130 Jahre kaum beigetragen

Insgesamt ist die Antwort auf die Frage ob sich das Kli-ma aumlndert und ob der menschgemachte Treibhauseffekt in den letzten Jahrzehnten wesentlicher Antrieb dieser Veraumlnderung war nicht mehr wissenschaftlich umstrit-ten Diskutiert wird lediglich uumlber das genaue Ausmaszlig und die zu erwartenden Konsequenzen in verschiedenen Regionen

40 Die natuumlrlichen internen Schwankungen des Klimas sind das bdquoRauschenrdquo gegenuumlber dem sich Klimaaumlnderungen durch be-stimmte externe Anstoumlszlige ob durch natuumlrliche Ursachen oder den Menschen als bdquoSignalrdquo abheben Will man eine unge-woumlhnliche Klimaaumlnderung wie z B die Erwaumlrmung der letzten Jahrzehnte erklaumlren so muss man zunaumlchst untersuchen ob es sich dabei um ein Phaumlnomen handelt das sich signifikant von

dem natuumlrlichen bdquoRauschenrdquo des Klimas unterscheidet und nicht als natuumlrliche interne Variabilitaumlt erklaumlrt werden kann Falls das so ist muss man in einem zweiten Schritt versuchen die Ursache des bdquoSignalsrdquo herauszufinden also zu bestim-men ob es durch natuumlrliche oder anthropogene externe Antriebsfaktoren bedingt ist Vgl Schoumlnwiese CD 20048

(a) anthropogen Pinatubo-Ausbruch 1991 24 Wm2 1992 32 Wm2 1993 09 Wm2Quellen IPCC 2007a Schoumlnwiese CD 2004

Tabelle 2 Groszligraumlumig wirksame Klimafaktoren und die zugehoumlrigen Strahlungsantriebe und Temperatursignale (seit 1880)

Klimafaktor

Treibhausgase TR (a)

Sulfataerosol SU (a)

Kombiniert TR + SU (a)

Vulkaneruptionen

Sonnenaktivitaumlt

El NintildeoSouthern Oscillation

Strahlungsantrieb

207 bis 253 Wm2

-01 bis -09 Wm2

18 bis 243 Wm2

max -1 bis -3 Wm2

006 bis 03 Wm2

ndash

Signal40

09 bis 13 degC

-02 bis -04 degC

05 bis 07 degC

-01 bis -02 degC

01 bis 02 degC

02 bis 03 degC

Signalstruktur

Progressiver Trend

Uneinheitl Trend

Uneinheitl Trend

Episodisch (1-3 Jahre)

Fluktuativ (+ Trend)

Episodisch

24

Infolge der Erderwaumlrmung geraten immer mehr Eismassen in Arktis und Antarktis ins Schmelzen und rutschen ins Meer

Foto

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25

Neben den Ursachen und den bereits gegenwaumlrtig beo-bachteten Auswirkungen des Klimawandels sind insbe-sondere Aussagen uumlber das zukuumlnftige Klima von groszliger Wichtigkeit Die zentrale Frage dabei ist Wie veraumlndert sich das globale Klima infolge des weiteren Ausstoszliges von Treibhausgasen und mit welchen Auswirkungen fuumlr Mensch und Natur

Um abschaumltzen zu koumlnnen in welchem Ausmaszlig Treib - hausgasemissionen verringert und Anpassungs maszlig nah-men ergriffen werden sollen werden wissenschaftlich fundierte Aussagen uumlber die zukuumlnftigen Auswirkungen des Klimawandels benoumltigt Klimaforscher stellen hier-fuumlr sogenannte bdquoSzenarienldquo auf Sie legen also zunaumlchst unterschiedliche Grundannahmen uumlber die Entwicklung von Bevoumllkerung Technologien Wirtschaft etc fest und kommen dementsprechend zu einer Vielfalt moumlglicher bdquoZukunftsvorstellungenldquo die dann als bdquoProjektionenldquo bezeichnet werden Bei der Betrachtung dieser Projek-tionen ist zu beachten dass sie auf einer begrenzten Anzahl von Annahmen beruhen also Aussagen uumlber moumlgliche Zukunftstrends Sie koumlnnen demnach keine sicheren Prognosen liefern Trotz ihrer Einschraumlnkung bieten Szenarien jedoch eine gute Grundlage um Wenn-Dann-Entscheidungen zu treffen auch wenn gewisse Unsicherheiten verbleiben

3 Klimawandel der ZukunftTabelle 3 zeigt eine Uumlbersicht uumlber die zentralen Szenarien die die Grundlage der dritten und vier-ten Sachstandsberichte des IPCC waren Aus den Annahmen zu Aspekten wie oumlkonomischer und sozia-ler Entwicklung Bevoumllkerungswachstum Ausbreitung neuer Technologien etc ergibt sich dass die B-Szena-rien grundsaumltzlich einen geringeren Anstieg der CO2-Emissionen projizieren (siehe Abbildung 10) Wenngleich z B die Ausbreitung von klimafreundlichen Energietechnologien in dem fuumlr die Erreichung der opti-mistischen Szenarien notwendigen Ausmaszlig wahrschein-lich auf foumlrderliche politische Rahmenbedingungen an-gewiesen ist beziehen diese Szenarien nicht explizit po-litisch vereinbarte Klimaschutzziele wie die Umsetzung des Kyoto-Protokolls mit ein

Generell kommen alle Szenarien bei der Berechnung der Temperaturaumlnderungen bis etwa 2030 zu aumlhnlichen Ergebnissen und laufen erst danach deutlich auseinan-der Dieser Umstand ist vor allem darin begruumlndet dass sich technische Umbauprozesse des Energie- Verkehrs- und Gebaumludesystems weltweit uumlber Jahrzehnte hinzie-hen und die Atmosphaumlre ndash vor allem wegen der nur lang-samen Erwaumlrmung der Meere ndash auf die Treibhausgase um Jahrzehnte verzoumlgert reagiert41

Szenarien - familie

Leitgedanken Technologien wirtschaftliche Strukturen

Weltbevoumllkerung

A1 Konvergenz zwischen Regionen

Schnelles Wirtschafts wachs tum schnelle Einfuumlhrung effizienter Technologien (A1FI fossil-intensiv A1T nicht-fossil A1B gemischt)

Ab Mitte 21 Jh abnehmend

A2 Heterogene Welt Entwicklung aus eigener Kraft

Technologische Entwicklung und Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen langsam und regional stark unter-schiedlich

Kontinuierlich wachsend

B1 Konvergenz zwischen Regionen Fokus auf Nachhaltigkeit + Gerechtigkeit

Schneller Wandel in Richtung Dienstleistungs- und Informations-oumlkonomie abnehmende Material-intensitaumlt saubere + ressourcen-schonende Technologien

Ab Mitte 21 Jh abnehmend

B2 Heterogene Welt Fokus auf Nachhaltigkeit + Gerechtigkeit

Entwicklung relativ langsam und sehr heterogen

Wachsend (aber langsamer als in A2)

Tabelle 3 Die zugrundeliegenden Annahmen der Szenarien des IPCC

Quelle IPCC 2007a

41 IPCC 2007a

26

31 Veraumlnderungen der Klimaparameter

Die Ergebnisse der IPCC-Szenarienberechnungen zei-gen die Bandbreite der zu erwartenden Entwicklung fuumlr die wichtigsten Klimaparameter ndash Temperatur Niederschlaumlge und Wind ndash sowie den Meeresspiegel und Extremwetterereignisse Laumlngerfristig haumlngt die Veraumlnderung der Klimaparameter dabei sehr stark vom globalen Emissionsausstoszlig und hierbei insbe-sondere von der Entwicklung der weltweiten CO2-Emissionen ab Je groumlszliger die Emissionen und damit der Temperaturanstieg desto groumlszliger die Risiken Im folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der IPCC-Szenarienberechnungen zusammengefasst

n Anstieg der Treibhausgaskonzentration Die CO2- Konzentration wird nach verschiedenen Stabilisierungs-szenarien im Jahr 2100 zwischen 350 und 790 ppm betra-gen (vgl heute 387 ppm siehe Tabelle 1)42 Das Niveau am unteren Ende der Skala wird nur bei sehr drastischem Klimaschutz erreicht werden koumlnnen Um zwei Grad Temperaturanstieg nicht zu uumlberschreiten muumlssten die

globalen Emissionen bis 2050 global um mindestens 80 Prozent gegenuumlber 1990 sinken43 Neben den unter-schiedlichen Grundannahmen der Szenarien ruumlhrt die groszlige Bandbreite der Vorhersagen auch von der Un-sicherheit uumlber die Fortdauer der Senkenfunktion von Ozeanen und des tropischen Regenwaldes her

n Erhoumlhung der weltweiten Durchschnittstemperatur Bis zum Jahr 2100 wird eine Erhoumlhung der mittleren globalen Erdoberflaumlchentemperatur von 11 bis 64 degC gegenuumlber 1990 projiziert44 Diese Werte sind etwa zwei- bis neunmal houmlher als die beobachtete Erwaumlrmung waumlhrend des 20 und beginnenden 21 Jahrhunderts Betrachtet man die am besten gesicherten Schaumltzungen (bdquobest guessldquo) der jeweiligen Szenarien ergibt sich eine Spannbreite von etwa 18 bis 40 degC Der IPCC rechnet damit dass die Klimasensitivitaumlt ndash also der bei Verdop-pelung der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre erwar-tete Temperaturanstieg ndash etwa 3 degC betragen koumlnnte45

Allerdings sind hierbei nicht alle moumlglichen Ruumlckkopp-lungsprozesse beruumlcksichtigt die zum Teil schwer zu quantifizieren sind Einige Studien die auch langfristige Effekte wie die CO2-Aufnahmekapazitaumlt der Ozeane die Veraumlnderungen der Oberflaumlchenalbedo ndash der Anteil der

Die schwarze Linie in der linken Haumllfte des Diagramms zeigt die Messwerte bis zum Jahr 2000 Die drei oberen Linien stehen dabei fuumlr drei standardisierte Szenarien zum weiteren CO2-Ausstoszlig Besonders warm wuumlrde es demnach im A2-Szenario werden (rote Linie) Die orange Linie zeigt den Anstieg der Globaltemperatur selbst wenn alle Emissio-nen im Jahr 2000 gestoppt werden wuumlrden (durch die Traumlgheit des Systems) Die Balken repraumlsentieren die Spannwei-te der Resultate aller IPCC-Klimamodelle Quelle IPCC 2007a

Abb 10 Temperaturkurven der IPCC-Leitszenarien bis 2100

Tem

pera

turauml

nder

ung

(degC

)

60

50

40

30

20

10

00

-10

A2A1BB1Konzentrationsstabilisierung auf dem Niveau des Jahres 200020 Jahrhundert

1900 20002000

Jahr

2100

B1 A1T

B2 A1B

A2

A1F

I

42 IPCC 2007a 43 Meinshausen M et al 2006

44 IPCC 2007a45 IPCC 2007a

27

Sonnenstrahlung der reflektiert wird ndash oder die Veraumln-derung der Eisschilde beruumlcksichtigen halten jedoch auch eine Klimasensitivitaumlt von bis zu 6 degC fuumlr moumlglich46 Die IPCC-Szenarien koumlnnten folglich sogar die moumlg-lichen Erwaumlrmungseffekte unterschaumltzen

In jedem Fall wird die Erwaumlrmung nicht gleichmaumlszligig stattfinden sondern uumlber Landflaumlchen staumlrker ausge-praumlgt sein als uumlber den Ozeanen Auszligerdem ist davon auszugehen dass die Temperaturen in den hohen Brei-ten sowie in Gebirgsregionen vor allem im Winter uumlber-durchschnittlich ansteigen werden

n Intensivierung des hydrologischen Kreislaufs Bei weltweiter Betrachtung ist bis 2100 eine Steigerung der Niederschlagssummen um bis zu 20 Prozent zu erwarten da eine erwaumlrmte Atmosphaumlre auch mehr Wasserdampf aufnehmen kann Gerade beim Niederschlag wird je-doch ein stark raumlumlich differenziertes Bild projiziert Als Faustregel gilt dass in solchen Gebieten die be-reits eine ausreichende Niederschlagsmenge erhalten von einer deutlichen Steigerung auszugehen ist die mit staumlrkeren Schwankungen der Regenmengen zwischen den einzelnen Jahren einhergeht In Regionen die be-reits unter Wassermangel leiden wird hingegen eine Verschaumlrfung erwartet mit einzelnen auszligergewoumlhnlich starken Niederschlagsereignissen Folge des intensi-vierten hydrologischen Kreislaufs wird also insgesamt eine Aumlnderung der Haumlufigkeit Intensitaumlt und Dauer von Starkniederschlaumlgen sein (siehe auch 32)47

n Tropische Wirbelstuumlrme Obgleich Aussagen uumlber die zukuumlnftige Entwicklung tropischer Wirbelstuumlrme mit groszligen Unsicherheiten behaftet sind ist es wahrschein-lich dass zukuumlnftige tropische Wirbelstuumlrme in einer waumlrmeren Welt und in Verbindung mit dem Anstieg der Meeresoberflaumlchentemperaturen in den Tropen intensi-ver werden48

32 Zunahme von wetterbeding-ten Extremereignissen

Bei houmlheren Temperaturen erhoumlht sich auch das Risiko von Starkniederschlaumlgen und Uumlberschwemmungen da waumlrmere Luft mehr Wasser aufnehmen kann Weiter muss damit gerechnet werden dass sich vor allem in bereits trockenen Regionen die Wahrscheinlichkeit von mehr Hitzewellen Duumlrreperioden und Waldbraumlnden erhoumlhen wird Extremwetterereignisse wie z B die Hit-zewelle 2003 in Europa koumlnnten in der zweiten Haumllfte dieses Jahrhunderts schon in jedem zweiten Jahr in Eu-ropa auftreten Auch wird erwartet dass tropische Wir-belstuumlrme in der Karibik und in Suumldasien sowie heftige Winterstuumlrme uumlber Europa in Zukunft mehr Zerstoumlrun-gen anrichten werden49

33 Anstieg des MeeresspiegelsAussagen uumlber den Meeresspiegelanstieg der Zukunft sind mit groszligen Unsicherheiten behaftet Die Modell-projektionen des IPCC ergeben einen Meeresspiegelan-stieg bis zum Jahr 2100 um 18 bis 59 cm je nach Szena-rio und Modell Nicht enthalten ist darin allerdings die Gefahr eines Abrutschens des groumlnlaumlndischen Eisschilds oder des Eispanzers der Westantarktis Dadurch koumlnn-te der Meeresspiegelanstieg deutlich houmlher ausfallen Insbesondere neuere Daten lassen die Vermutung auf-kommen dass der Meeresspiegel schneller reagieren koumlnnte als noch 2007 in den Klimamodellen des IPCC aufgezeigt Seit Anfang der 1990er Jahre ist der Mee-resspiegel jaumlhrlich um 33 mm gestiegen knapp doppelt so schnell wie im Durchschnitt des 20 Jahrhunderts und vom IPCC vorhergesagt (19 mmJahr)50

Diese Ergebnisse zeigen dass die tatsaumlchliche Entwick-lung des Meeresspiegels mittlerweile die pessimistisch-sten Projektionen des IPCC von 2007 uumlbertrifft (siehe Abbildung 11) Im Kontext der signifikanten Beschleuni-gung des Anstiegs wird eines immer deutlicher Je houmlher die Temperaturen steigen umso schneller erhoumlht sich auch der Wasserpegel Vor diesem Hintergrund kommen neuere Studien die die Korrelation von Temperatur und Meeresspiegelanstieg im 20 Jahrhundert in die Zukunft projizieren und dabei sowohl die thermische Ausdeh-nung des Wasserkoumlrpers als auch die Dynamik der gro-szligen Eisschilde beruumlcksichtigen zu einer anderen Aussa-ge Selbst bei einem relativ niedrigen Emissionsszenario mit einer Erwaumlrmung um zwei Grad Celsius bis Ende des 21 Jahrhunderts wird der Meeresspiegel wahrscheinlich um mehr als einen Meter ansteigen Bei ungebremsten Emissionen und einem Temperaturanstieg von mehr als vier Grad Celsius gegen 2100 koumlnnte der Anstieg sogar mehr als 140 cm betragen Werden saumlmtliche Emissions-szenarien und die geschaumltzten Unsicherheiten beruumlck-sichtigt ergeben sich Werte zwischen 75 und 190 cm51 Bereits der Anstieg um einen Meter wuumlrde ndash ohne ent-sprechende Schutzmaszlignahmen ndash in Bangladesch und Vietnam ca 3 Millionen bzw 25 Millionen Hektar Land-flaumlche uumlberfluten In Bangladesch wuumlrden dadurch ca 15-20 Millionen Menschen vertrieben in Vietnam etwa 10 Millionen Menschen52

Der Meeresspiegelanstieg wird dabei an den Kuumlsten der Erde unterschiedlich ausfallen Erstens steigt der abso-lute Meeresspiegel nicht uumlberall gleich da ein regional unterschiedlicher Temperaturanstieg eng verknuumlpft mit Veraumlnderungen der Meeresstroumlmungen die Neigung der Meeresoberflaumlche beeinflusst Zweitens hebt oder senkt sich auch das Land an manchen Kuumlsten An den deutschen Nordseekuumlsten beispielsweise werden beide Effekte dazu beitragen dass der Meeresspiegel mehr als im globalen Mittel ansteigt Entscheidend ist allerdings

46 Hegerl CG et al 200647 IPCC 2007a48 IPCC 2007a

49 IPCC 2007a50 Beckley D et al 2007

51 Vermeer M und S Rahmstorf 200952 Conisbee M und A Simms 2003

28

Abb 11 Beobachteter Meeresspiegelanstieg seit 1975

auch dass der Anstieg nicht mit Erreichen des Jahres 2100 aufhoumlren wird selbst wenn wir den Anstieg der Erwaumlrmung bis dahin gestoppt haben sollten In diesem Zusammenhang erwartet der WBGU fuumlr ein moderates Erwaumlrmungsszenario einen Anstieg um ca 300-500 cm bis zum Jahr 230053

34 Kipp-Elemente des Klima-systems und ihre Folgen

Bisher wurden in dieser Publikation als Folge der Erwaumlr-mung vergleichsweise kontinuierliche und langsame Entwicklungen betrachtet auf deren Konsequenzen sich die betroffenen Staaten der Erde vergleichsweise ein-fach einstellen und dementsprechend reagieren und sich anpassen koumlnnen Allerdings belegen die Klimadaten der Erdgeschichte dass auf dem Planeten Erde nicht immer alles glatt und in geregelten Bahnen verlaumluft Das Klima-system der Erde ist ein komplexes nichtlineares System Bereits kleine Stoumlrungen koumlnnen ploumltzliche und tiefgrei-fende Auswirkungen haben selbst wenn die Triebkraumlfte des Klimawandels ndash menschverursachte Treibhausgase ndash gleichmaumlszligig und stetig ansteigen

Die menschliche Hochzivilisation der letzten 10000 Jahre entstand in einer Phase ungewoumlhnlicher Klimasta-

bilitaumlt Diese Stabilitaumlt war eine der grundlegenden Be-dingungen dafuumlr dass menschliche Hochkulturen ent-standen sind Ob sich die Menschheit in Zukunft weiter auf stabile Klimaverhaumlltnisse verlassen kann ist unge-wiss Denn innerhalb des Klimasystems gibt es Regime und Prozesse die besonders empfindlich auf Klimaveraumln-derungen reagieren Diese sogenannten Kipp-Elemente koumlnnten durch den Klimawandel derart gestoumlrt werden dass sie einen bestimmten Temperaturschwellenwert uumlberschreiten und in der Folge in einen grundlegend an-deren Zustand bdquokippenldquo Ein solches Umkippen koumlnnte bei einigen Kipp-Elementen schon bei einem Tempera-turanstieg von 2-3 degC gegenuumlber dem vorindustriellen Niveau eintreten54 Viele Wissenschaftler halten es da-her fuumlr notwendig den mittleren globalen Temperatur-anstieg auf unter zwei Grad gegenuumlber vorindustriellem Niveau zu begrenzen um einen in groszligem Maszligstab ge-faumlhrlichen Klimawandel zu vermeiden (siehe Info-Kasten 3 S 29)55 Dabei liegt die Temperatur heute um 08 degC uumlber dem vorindustriellen Niveau Weitere 06 bis 09 degC sind durch die verzoumlgerte Reaktion des Klimasystems auf bereits ausgestoszligene Treibhausgase vorprogram-miert Es ist also houmlchste Zeit eine Trendumkehr bei den Emissionen einzuleiten und den so genannten Peak der Emissionen herbeizufuumlhren

Mittlerweile liegt der beobachtete Meeresspiegelanstieg uumlber den IPCC-Projektionen Quelle WBGU 2006

SatellitenmessungenLinearer TrendIPCC-Szenarien

Unsicherheitsbereich der IPCC-Szenarien

Mee

ress

pieg

elan

stie

g (c

m)

1995 2000 2005

Jahr

5

4

3

2

1

0

53 WBGU 200654 Kriegler E et al 200955 WBGU 2007

29

Info-Kasten 3 Zwei Grad und nicht mehr

Die Klimaforschung ist sich einig dass der globale Temperaturmittelwert nicht um mehr als zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit steigen darf um einen gefaumlhrlichen Klimawandel zu verhin-dern Diese Zwei-Grad-Leitplanke laumlsst sich auf viel-faumlltige Weise wissenschaftlich untermauern

Waumlhrend der gesamten Entwicklungsgeschichte des modernen Menschen und der Entstehung von Hochkulturen haben zu keinem Zeitpunkt auf glo-baler Ebene houmlhere Temperaturen geherrscht als vorindustrielles Niveau plus zwei Grad Sollten die Temperaturen nun uumlber zwei Grad hinaus anstei-gen so wird es fuumlr den uumlberwiegenden Teil der Weltgemeinschaft aufgrund seiner landwirtschaft-lichen und infrastrukturellen Abhaumlngigkeiten sehr schwierig bis unmoumlglich mit der dann drohenden Beschleunigung des Klimawandels Schritt zu halten

Zusaumltzlich nimmt die Gefahr selbstverstaumlrkender Ruumlckkopplungen und das Risiko des Umkippens von Kipp-Elementen im Klimasystem ab einem Temperaturanstieg uumlber zwei Grad deutlich zu

Auch aus der Analyse geowissenschaftlicher Daten ergibt sich ein sofortiger Handlungsdruck zur Stabilisierung der globalen Temperatur auf unter zwei Grad Eine um drei Grad waumlrmere Erde mit einer at-mosphaumlrischen CO2-Konzentration von uumlber 400ppm gab es zuletzt vor rund drei Millionen Jahren waumlh-rend des Pliozaumlns Damals war die Nordhemisphaumlre nahezu eisfrei und der Meeresspiegel mindestens sieben Meter houmlher als heute Fuumlnf Grad waumlrmere Temperaturen 800ppm CO2 in der Atmosphaumlre und einen 70 Meter houmlheren Meeresspiegel als heute ndash das gab es vor rund 40 Millionen Jahren Sollte es der Weltgemeinschaft nicht gelingen den CO2-Gehalt in der Atmosphaumlre auf unter 450ppm und die Temperatur auf unter zwei Grad zu stabilisieren so droht der Erde langfristig ein Klimaregime wie vor etwa drei Millionen im schlimmsten Fall sogar wie vor etwa 40 Millionen Jahren Viele der heuti-gen Kuumlstenzonen waumlren dann uumlberschwemmt die kontinentalen Gletscher und polaren Eisschilde ver-schwunden fruchtbare Boumlden ausgetrocknet und mehrere Milliarden Menschen auf der Flucht vor extremen Wettereignissen

Die Wahrscheinlichkeit die Zwei-Grad-Leitplanke zu verfehlen steigt mit der Houmlhe der atmosphaumlrischen CO2-Konzentration Um einen gefaumlhrlichen und in vielerlei Hinsicht unbeherrschbaren Klimawandel zu vermeiden muumlssten die globalen Emissionen inner-halb der naumlchsten 4-10 Jahre zu ihrem Houmlhepunkt gelangen und anschlieszligend weltweit um 80 Prozent bis 2050 gesenkt werden

Jedoch bedeutet das Einhalten der Zwei-Grad-Leit-planke nicht fuumlr alle Laumlnder und Oumlkosysteme eine sichere Welt Daher fordern die verletzlichsten Staaten eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 15 Grad (siehe auch Kapitel zu Klimapolitik S 51ff)

Die Karte der Kipp-Elemente (Seite 30) verleiht einen Uumlberblick uumlber Groszligrisiken deren Eintritts-wahrscheinlichkeit jenseits eines bestimmten Tem-peraturanstiegs ndash des jeweiligen Kipp-Punkts ndash deut-lich erhoumlht wird (siehe Abbildung 12)56 Wuumlrden diese Schwellenwerte uumlberschritten koumlnnten ab-rupte starke und unwiderrufliche Veraumlnderungen einsetzen die durch ihre direkten sowie indirek-ten Folgen regional und auch global unzumutbare Schaumlden fuumlr Mensch und Natur erwarten lieszligen Diese Abschaumltzung betrifft u a die negativen Auswirkun-gen fuumlr Oumlkosysteme die Nahrungsmittelproduktion und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung Es koumlnnte sogar ein galoppierender Treibhauseffekt ausgeloumlst werden wenn sich diese Effekte durch ihre Wechselwirkungen gegenseitig aufschaukeln

Dabei gibt es auch Wechselwirkungen die das Tem-po des Klimawandels abbremsen koumlnnten Groszlige Unsicherheiten herrschen z B bei der Abschaumltzung der Rolle von Wolken Bisher sieht es allerdings so aus als sei die Wahrscheinlichkeit fuumlr positive (d h verstaumlrkende hier waumlrmende) Ruumlckkopplungen deutlich groumlszliger als die fuumlr negative Ruumlckkopplungen Einige ausgewaumlhlte Kipp-Elemente und ihre Konse-quenzen werden im Folgenden naumlher erlaumlutert

56 Schellnhuber HJ und C Jaumlger 2006

30

n Kollaps des groumlnlaumlndischen Eisschilds

Noch in seinem letzten Bericht vermutete der IPCC einen sehr langsamen und uumlber tausend Jahre waumlhren-den Schmelzprozess auf Groumlnland als Reaktion auf den weltweiten Temperaturanstieg der vergangenen 130 Jahre Allerdings wurde diese Einschaumltzung nun wider-legt Das Gleichgewicht zwischen Schneeakkumulation (Niederschlaumlge) und Schneeablation (Schmelzen an der Ober- und Unterseite Abfluss ins Meer) scheint auf Groumlnland vor allem innerhalb der letzten Jahrzehnte dramatisch aus der Balance gebracht worden zu sein (siehe Kapitel 2) Zwar ist der Verlust immer noch ge-ring im Verhaumlltnis zur Gesamtmasse doch sollten sich die aktuellen Schmelzprozesse fortsetzen koumlnnte auf Groumlnland der bdquoKipp-Punktldquo erreicht werden jenseits dessen der Abschmelzprozess explosiv schnell ablaumluft Modellrechnungen haben ergeben dass schon bei ei-nem lokalen Temperaturanstieg von etwa 2-4 Grad (ent-spricht etwa 1-2 Grad global) fuumlr Groumlnland der Punkt uumlberschritten werden koumlnnte ab dem ein womoumlglich stark beschleunigt ablaufender Schmelzprozess des

groumlnlaumlndischen Eispanzers ausgeloumlst werden koumlnnte57 Dieser Vorgang waumlre irreversibel da der wegfallende Albedo-Effekt die Aufheizung der Atmosphaumlre massiv verstaumlrken und die Erholung des Eisschildes nur uumlber sehr lange Zeitraumlume erfolgen koumlnnte Der Abschmelzprozess wuumlrde sich dann vermutlich uumlber mehrere Jahrhunderte (300-1000 Jahre) hinziehen und insgesamt zu einem globalen Anstieg des Meeresspiegels von sieben Metern fuumlhren58 Flache Inseln wie die Malediven verschwaumln-den dann voumlllig Kuumlstenregionen wie etwa die groszligen Flussdeltas des Nil oder des Ganges in denen ein Groszligteil der jeweiligen Landesbevoumllkerung lebt muumlss-ten aufgegeben werden ganze Landstriche waumlren dem sicheren Untergang geweiht

n Kollaps des Amazonas-Regenwaldes

Das moumlgliche Umkippen des Amazonas-Regenwaldes in eine Savannenvegetation ist ein weiteres Groszligrisiko im Klimasystem Dadurch koumlnnte die Region die bis-lang viel CO2 bindet ploumltzlich in enormem Ausmaszlig das Treibhausgas freisetzen Dabei verstaumlrken sich drei

Abschmelzen des groumlnlaumlndischen Eisschilds aufgrund nichtlinearer Abschmelzprozesse und weitere Erwaumlrmung durch Albedo-Effekt

Kollaps des arktischen Meereises und Verschaumlrfung der Erwaumlrmung durch Albedo-Effekt Methanfreisetzung durch

Auftauen des sibirischen Permafrostbodens und weitere Erwaumlrmung

Kollaps der borealen Nadelwaumllder und weitere Erwaumlrmung durch Freisetzung von CO2

Bistabilitaumlt des Indischen Sommermonsuns Abschwaumlchung aufgrund von Luftverschmutzung oder Verstaumlrkung durch globale Erwaumlrmung

Kipp-Punkt vor allem von Albedo abhaumlngig nicht von Temperatur

Unterbrechung der arktischen Nahrungskette und massives Korallen-sterben im Pazifik durch Versauerung und Erwaumlrmung

Bistabilitaumlt der Sahel-Zone zuerst Ergruumlnung dann deutlich trockener

Verlangsamung des Nordatlantikstroms aufgrund von erhoumlhtem Schmelzwassereintrag

Abschmelzen des west-antarktischen Eisschilds aufgrund nichtlinearer Abschmelzprozesse

HeftigereEl-Nintildeo-Ereignisse

Kollaps des Amazonas-Regen-walds aufgrund von Land-nutzung und Klimawandel und weitere Erwaumlrmung durch Umkehr der Senkenfunktion

El-Nintildeo

Westantarktis

Sahel-Zone

Nordatlantikstrom

Amazonas-Regenwald

Indischer Sommermonsun

ArktisGroumlnland Permafrost

Nordische Waumllder

Meere

0 degC 1 degC 2 degC 3 degC 4 degC 5 degC 6 degC

Kipp-Elemente gelten als die Achillesfersen des Klimasystems Sollten sie umkippen droht ein gefaumlhrlicher Klima-wandel Quelle Eigene Darstellung nach Lenton T et al 2008

Abb 12 Kipp-Elemente mit Temperaturschwellen (gegenuumlber 1880) die in diesem Jahrhundert angestoszligen werden koumlnnten

57 Kriegler E et al (2009)58 Polyakov I et al 2002

31

Faktoren wechselseitig 1 die Austrocknung durch einen uumlberproportionalen Temperaturanstieg 2 menschliche Aktivitaumlten wie Landnutzungswandel und Abholzung sowie 3 ein eventuelles zukuumlnftiges Ausbleiben des natuumlrlichen Naumlhrstofftransports durch Sandstuumlrme aus der afrikanischen Sahelzone nach Brasilien Viele Beobachter fragen sich seit der extremen Trockenheit im Amazonasgebiet im Jahr 2004 besorgt ob dies erste Vorzeichen eines solchen Prozesses sein koumlnnten So kommt eine Studie amerikanischer Wissenschaftler zu dem Ergebnis dass nach mehr als zwei Jahren extremer Trockenheit viele Baumlume so stark angegriffen sind dass sie beginnen abzusterben59

Ein Umkippen des Amazonas-Regenwaldes haumltte dras-tische Konsequenzen fuumlr die Artenvielfalt sowie die Lebens situation vieler Millionen Menschen in Suumldame-rika und wuumlrde zudem den globalen Treibhauseffekt durch den Ausstoszlig groszliger Mengen an CO2 weiter an-heizen

Der Amazonas-Regenwald ist nur ein Beispiel fuumlr Oumlkosysteme die vom Klimawandel betroffen sind Die Erwaumlrmung die Verschiebung der Klimazonen sowie der zusaumltzliche Stress durch menschliche Aktivitaumlt gefaumlhr-den zahlreiche Systeme und Arten (siehe auch Kapitel 41)

n Bistabilitaumlt des Indischen Monsuns

In den vergangenen zwei Jahren wird auch verstaumlrkt diskutiert wie sich der Indische Monsun durch den Kli-mawandel veraumlndern koumlnnte In fruumlheren Jahren brach-te er in jedem Jahr relativ verlaumlssliche Niederschlaumlge doch dieser Rhythmus scheint zunehmend an Kontinui-taumlt zu verlieren Ungewoumlhnliche Schwankungen haben in den letzten 30 Jahren in ganz Indien immer wieder zu katastrophalen Hungersnoumlten und verheerenden Uumlber-schwemmungen gefuumlhrt

Mittlerweile werden durch das Zusammenspiel von Kli-mawandel und Abstrahlungsveraumlnderungen (Verhaumlltnis von einfallender Strahlung und Abstrahlung = Albedo) aufgrund von Landnutzungsaumlnderungen und vor allem Luftverschmutzung sowohl eine starke Abschwaumlchung wie auch eine Verstaumlrkung der Niederschlaumlge bzw sogar ein Aufeinanderfolgen dieser Prozesse im Sinne eines Achterbahn-Szenarios fuumlr moumlglich gehalten60 Der Be-griff Bistabilitaumlt bezeichnet in diesem Fall die Situation dass das Indische Monsunsystem an bestimmten Ver-zweigungspunkten zwei sehr gegensaumltzliche Zustaumlnde einnehmen koumlnnte Einer fuumlhrt zu uumlbermaumlszligig starken Niederschlaumlgen der andere zu extremer Trockenheit Bereits heute weiszlig man dass schon eine vergleichs-weise geringe Abweichung von zehn Prozent vom durchschnittlichen Monsunniederschlag schwerwiegen-

de Duumlr ren oder Uumlberschwemmungen ausloumlsen kann Ein schwacher Sommermonsun z B kann zu Ernteeinbruuml-chen Nahrungsmittelknappheit Hunger Verschuldung und Armut der laumlndlichen Bevoumllkerung fuumlhren die zwei Drittel der 13 Mrd Bewohner Indiens ausmacht

n Bistabile Entwicklung in der Sahelzone

Eine bistabile Entwicklung wie fuumlr den Indischen Som-mermonsun wird auch fuumlr die Sahelzone fuumlr moumlglich gehalten Bis zur Mitte des 20 Jahrhunderts erlitt nur etwa ein Viertel des Gebiets ernsthafte Duumlrren Zwi-schen 1970 und 1999 gab es dann eine 20-prozentige Abnahme der Niederschlagsmenge so dass schon die Haumllfte der Region von ernsthaften Duumlrren betroffen war Mittlerweile wird ein enger Zusammenhang zwi-schen dem Niederschlagsruumlckgang und der deutlichen Temperaturerhoumlhung im Indischen Ozean die auf den menschgemachten Treibhauseffekt zuruumlckgefuumlhrt wird gesehen61 Dieser hat zu Veraumlnderungen beim Indischen Monsun gefuumlhrt der die Niederschlagsverhaumlltnisse in Afrika entscheidend beeinflusst Bei einer globalen Er-waumlrmung um 25 degC in den naumlchsten Jahrzehnten wird noch innerhalb dieses Jahrhunderts mit einer Veraumlnde-rung der Niederschlagsbedingungen in Richtung deut-lich haumlufigerer und staumlrkerer Niederschlaumlge in der Sa-helzone gerechnet62 Ein Modell das die Vergangenheit besser als die meisten anderen Modelle abbildet geht allerdings davon aus dass ab einem Verzweigungspunkt Mitte des Jahrhunderts wieder deutlich trockenere Klim-abedingungen folgen koumlnnten noch deutlich regen - aumlrmer als zur Zeit der groszligen Sahel-Duumlrre vor einigen Jahrzehnten

59 Mongabay 200660 Zickfeld et al 2005

61 Flannery 200662 Nyong 2006

32

Uumlberschwemmungen in Folge von schweren Unwettern zerstoumlren immer wieder das Hab und Gut von Millionen armer Menschen weltshyweit Sie sind diesen Gefahren haumlufig schutzlos ausgeliefert

Foto

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33

Die Auswirkungen des Klimawandels werden regional unterschiedlich ausfallen Obwohl die Industrielaumlnder gegenwaumlrtig fuumlr den groumlszligten Anteil der Erderwaumlrmung verantwortlich sind sind es die Aumlrmsten der Welt die die Auswirkungen des Klimawandels schon heute als erstes und am staumlrksten spuumlren und kuumlnftig noch drastischer darunter leiden werden Waumlhrend der Energieverbrauch in den Industrie- und Schwellen-laumlndern auf hohem Niveau verharrt bzw ansteigt haben rund 15 Milliarden Menschen bzw 22 Prozent der Weltbevoumllkerung keinen Zugang zu elektrischem Strom63 Stattdessen lei den sie schon heute erheb-lich unter Duumlrren Uumlber schwemmungen heftigeren Stuumlrmen und Trink was ser verknappung denn die Klima-wandelfolgen sind in aumlqua torialen Regionen wo viele Entwicklungslaumlnder liegen staumlrker Da sie zudem nur sehr begrenzte Kapazitaumlten haben um sich an diese klimatischen Veraumlnderungen anzupassen trifft sie der Klimawandel um ein Vielfaches staumlrker als die Industrienationen So koumlnnen sich die Niederlande bei-spielsweise bis zu einem gewissen Grad an den Anstieg des Meeresspiegels anpassen in Bangladesch sind hierzu jedoch die noumltigen finanziellen und technologi-schen Mittel wesentlichen knapper Dieses umgekehr-te Verhaumlltnis von Verantwortung fuumlr den Klimawandel und Gefaumlhrdung durch dessen Folgen wirft vieler-lei Fragen im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte auf

Im Folgenden soll zunaumlchst auf die Leidtragenden und die erwarteten Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Umwelt eingegangen werden um dann genauer die Verursacher des Klimawandels aufzuzeigen

41 Die Betroffenen des Klima-wandels Umwelt und Mensch

Welche Auswirkungen haben die in Kapitel 3 genann-ten Szenarien nun auf Mensch und Natur Wer sind die Betroffenen des Klimawandels Zu dieser Frage hat die Klimawissenschaft in juumlngster Zeit die meisten Erkenntnisse gesammelt

Unter der Annahme dass Klimaaumlnderungen in Zukunft nicht gemildert und die Anpassungsfaumlhigkeit durch engagierte Maszlignahmen nicht gefoumlrdert werden er-wartet der IPCC fuumlr das 21 Jahrhundert weitreichen-de Auswirkungen fuumlr verschiedene Erdsysteme und Sektoren die fuumlr Mensch und Umwelt relevant sind Einige Systeme Sektoren und Regionen werden beson-ders betroffen sein Eine Auswahl der wesentlichsten

Erkenntnisse des IPCC uumlber die erwarteten Auswirkun-gen auf Oumlkosysteme Ernaumlhrungs- und Wassersicherheit Gesundheit Wirtschaft und Sicherheit sowie die jewei-lige regionale Betroffenheit aufgrund eines zukuumlnftigen Klimawandels bis 2100 wird im Folgenden dargestellt (siehe Abbildung 13)64

n Oumlkosysteme

Viele Oumlkosysteme sind durch menschliche Einfluumlsse z B Landnutzungsaumlnderungen Verschmutzung und Uumlbernutzung natuumlrlicher Ressourcen ohnehin schon stark gestoumlrt (siehe auch Kapitel 22) Durch die bisher einmalige Kombination dieser Stressfaktoren mit Klima-veraumlnderungen ist eine Verschaumlrfung der Situation und somit eine Uumlberlastung zahlreicher Oumlkosysteme noch in diesem Jahrhundert wahrscheinlich Die Auswirkungen auf die Organismen der Oumlkosysteme sowie deren Re-aktionen werden allerdings unterschiedlich sein Einige Pflanzen und Tiere werden sich auf veraumlnderte Lebens-bedingungen einstellen koumlnnen Fuumlr viele Lebensge-meinschaften jedoch laufen die Veraumlnderungen durch den Klimawandel zu schnell ab um sich beispielsweise durch Abwanderung in Richtung der Pole oder in houmlhere Lagen anzupassen so dass in Zukunft bestehende Syste-me zergliedert Arten getrennt und Funktionsketten un-terbrochen werden Als besonders stark bedroht gelten polare und alpine Oumlkosysteme boreale und tropische Waumllder Korallen sowie Mangrovenwaumllder

Eine Temperaturerhoumlhung um 2 bis 3 degC uumlber dem vor-industriellen Niveau wird die Anpassungsfaumlhigkeit vieler Oumlkosysteme uumlbersteigen und zu gravierenden Veraumlnde-rungen in Struktur und Funktionsweise oumlkologischer Le-bensgemeinschaften sowie der oumlkologischen Interaktio-nen und geographischen Verbreitung von Arten fuumlhren Im Durchschnitt koumlnnten zukuumlnftig 20 bis 30 Prozent der houmlheren Pflanzen- und Tierarten dem Tempo der Veraumln-derungen nicht folgen und waumlren von einem erhoumlhten Aussterberisiko bedroht In manchen Regionen wird das Risiko sogar auf 80 Prozent eingeschaumltzt65 Viele ende-mische Arten koumlnnten verdraumlngt bzw vom Aussterben bedroht werden Andere aus anderen Regionen einwan-dernde Arten koumlnnten sich unter den veraumlnderten Be-dingungen staumlrker ausbreiten

Insbesondere die fortschreitende Versauerung der Oze-ane koumlnnte in Verbindung mit der Erwaumlrmung erheb-liche Negativfolgen fuumlr viele marine schalenbildende Lebewesen (vor allem Korallen) aber auch Salzmarschen und Mangroven und die von ihnen abhaumlngigen Tier- und Pflanzenarten haben Sollten die Meerestemperatu-

4 bdquoOpferldquo des Klimawandels

63 IEA 200964 Sofern nicht anders gekennzeichnet sind alle hier dargstellten Ergebnisse dem 4 IPCC-Bericht bdquoKlimaaumlnderungen 2007

Auswir kungen Anpassung Verwundbarkeitenldquo entnommen65 IPCC 2007b

34

ren zwischen 1 und 3 degC ansteigen und gleichzeitig die Versauerung der Ozeane zunehmen erwartet der IPCC eine weitreichende Korallenbleiche und groszligraumlumiges Absterben Ab 3 degC droht ein 30-prozentiger Verlust der weltweiten Kuumlstenfeuchtgebiete66

n Wasserknappheit und ungesicherte Was-serversorgung

Derzeitig haben rund 12 Mrd Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser Diese Situation wird sich durch die Effekte des Klimawandels verschlimmern Mit hoher

Wahrscheinlichkeit werden sich der mittlere Jahresab-fluss und die Wasserverfuumlgbarkeit in den hohen Breiten sowie in einigen tropischen Feuchtgebieten um 10-40 Prozent bis zum Ende des Jahrhunderts erhoumlhen In den mittleren Breiten und trockenen Tropen wo Wasser-mangel schon heute ein groszliges Problem darstellt wird sich die Lage dagegen voraussichtlich noch verschlech-tern Hier werden sich steigende Temperaturen dras-tisch auf die Niederschlagsverhaumlltnisse auswirken und in einer signifikanten Abnahme von Abfluss und Wasser-verfuumlgbarkeit um bis zu 30 Prozent kumulieren was in vielen Regionen zu akuter Wasserknappheit fuumlhren wird Schon bei einem Temperaturanstieg von unter 2 degC ist

Mit steigender Temperatur erhoumlhen sich auch die Risiken fuumlr Mensch und UmweltQuelle WBGU 2007 nach Stern 2006

Abb 13 Erwartete Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme Wasser- und Ernaumlh-rungssicherheit Gesundheit und Wirtschaft bei unterschiedlicher Erwaumlrmung (im Vgl zu 1880)

Nahrungsmittel

Wasser

Oumlkosysteme

Wetterextreme

Risiko eines schnellenKlimawandels und groszligerirreversiblen Auswirkungen

Endguumlltige Temperaturaumlnderung (im Vergleich zum vorindustriellen Niveau)0 degC 1 degC 2 degC 3 degC 4 degC 5 degC

Kleine Berggletscherverschwinden weltweit ndashpotenzielle Bedrohung derWasserversorgung in mehrerenRegionen

Erhebliche Aumlnderungen der Wasserverfuumlgbarkeit

Uumlber 30 Abnahme desOberflaumlchenabflusses in der Mittelmeerregion und imsuumldlichen Afrika

Meeresspiegelanstieg bedrohtgroszlige Staumldte wie London ShanghaiNew York Tokio oder Hong Kong

Korallenriffoumlkosystemeweitgehend und schlieszliglichirreversibel geschaumldigt

Moumlglicher Beginn desZusammenbruchs von Teilenoder des ganzen Amazonas-Regenwaldes

Groszliger Anteil von Oumlkosystemen die ihre derzeitige Gestalt nicht bewahren koumlnnen

Viele Arten vomAussterben bedroht

Steigende Intensitaumlt von Stuumlrmen Waldbraumlnden Duumlrren Uumlberflutungen und Hitzewellen

Bereits geringe Zunahme derHurrikanintensitaumlten verursacht Verdopplung der Schadenskosten in den USA

Gefahr einer Schwaumlchung der natuumlrlichen Kohlenstoffsenken und der atlantischenthermohalinen Zirkulation moumlgliche Zunahme der Freisetzung natuumlrlichen Methans

Beginn irreversiblen Schmelzensdes Groumlnland-Eisschilds

Erhoumlhtes Risiko von abrupten groszligen Verschiebungenim Klimasystem (zB Zusammenbruch der atlantischen thermo-halinen Zirkulation oder des westantarktischen Eisschilds)

Schwerwiegen-de Auswirkungenin der Sahel-Region

Steig Ernteertraumlge in entwickeltenLaumlndern in hohen Breitengradenbei starkem CO2-Duumlngeeffekt

Ruumlckgang der Ertraumlge in vielen entwickeltenRegionen selbst bei starkem CO2-Duumlngeeffekt

Sinkende Ernteertraumlge in vielen Entwicklungsregionen

Steigende Zahl der von Hungerbedrohten Menschen Staumlrkste Zunahmein Afrika und Westasien

Starker Ruumlckgang der Ernteertraumlgein ganzen Regionen (zB bis zu einem Drittel in Afrika)

66 IPCC 2007b

35

davon auszugehen dass bis zu 15 Milliarden Menschen zusaumltzlich von Wasserknappheit betroffen waumlren Zwar sind Verbesserungen hinsichtlich Wasserverbrauchs- und Speicherungstechniken zu erwarten dennoch wird der Klimawandel einen starken Einfluss auf die Wasser-verfuumlgbarkeit und -qualitaumlt haben Besonders bedroht sind Regionen die vom Schmelzwasser groszliger Gletscher abhaumlngig sind und in denen bis zum Ende des Jahrhun-derts mit einer deutlichen Abnahme der in der Eisdecke gespeicherten Wasserreserven gerechnet wird (z B Indien Pakistan Peru) In diesem Zusammenhang gilt eine flaumlchenmaumlszligige Ausweitung von Gebieten die von Trockenheit und Duumlrre betroffen werden in Zukunft als wahrscheinlich Auch prognostiziert der IPCC eine Zu-nahme schwerer Niederschlagsereignisse infolge derer sich auch das Uumlberschwemmungsrisiko vieler Regionen erheblich erhoumlhen wird

n Agrarproduktion und Ernaumlhrungssicherung

Gegenwaumlrtig gelten fast 900 Millionen Menschen als unterernaumlhrt Das Klima ist fuumlr die Nahrungsmittelpro-duktion neben anderen ein wesentlicher Faktor Sowohl die Temperatur aber auch der CO2-Gehalt der Luft be-einflussen die landwirtschaftlichen Ernteertraumlge Die Reaktion landwirtschaftlicher Systeme insgesamt auf Klimaveraumlnderungen wird u a bestimmt durch Tempe-ratur Niederschlag CO2-Duumlngeeffekt und soziooumlkono-mische Rahmenbedingungen wie Marktzugang Techno-logie oder die Verfuumlgbarkeit von Ressourcen die fuumlr die Anpassung notwendig sind67

In den mittleren bis hohen Breiten wird bis zu einem Anstieg der globalen Temperatur auf 3 degC ndash je nach Nutz-pflanzenart ndash eine leichte Zunahme der Ernteertraumlge jedoch ohne Steigerung der Qualitaumlt projiziert ab die-ser Temperaturschwelle jedoch eine Abnahme

In den niederen Breiten und insbesondere in saisonal trockenen Tropengebieten wird selbst bei geringer Er-waumlrmung mit einer Abnahme der Ernteertraumlge gerech-net Verschaumlrfen koumlnnte sich die Situation noch durch eine ebenfalls erwartete Zunahme von wetterbedingten Extremereignissen wie bspw Duumlrren und Uumlberschwem-mungen Ein erhoumlhtes Hungerrisiko waumlre die Folge

Der Klimawandel birgt vielerorts auszligerdem Risiken fuumlr die landwirtschaftliche Produktion die zwar nicht der Ernaumlhrungssicherung im eigenen Land dient aber fuumlr den Export bestimmt ist und damit eine wichtige Einnah-mequelle darstellt Beispielsweise ist bei einem Tempe-raturanstieg von 2 degC zu befuumlrchten dass in Uganda nur noch auf einem sehr kleinen Teil der Landesflaumlche der Anbau von Kaffee ndash Exportgut Nummer eins ndash moumlglich sein wird68

n Gesundheit

Durch den Klimawandel drohen nicht nur steigende Meeresspiegel oder abnehmende Getreideertraumlge houml-here Temperaturen erhoumlhen auch gesundheitliche Risi-ken Zwar koumlnnte eine gewisse Erwaumlrmung vor allem in Gebieten der gemaumlszligigten Breiten einige Vorteile fuumlr die Gesundheit mit sich bringen wie z B einen Ruumlckgang der Kaumlltetodesfaumllle waumlhrend der Wintermonate Insge-samt wird jedoch im Zuge des Klimawandels mit einer erheblichen Beeintraumlchtigung des Gesundheitszustands von Millionen von Menschen gerechnet Besonders be-troffen sind Personen die bereits gesundheitlich vorbe-lastet sind (Alte Kinder u a auch in Industrielaumlndern) und sich nur schwer vor Krankheiten schuumltzen koumlnnen (vor allem Arme und Hungernde in den Entwicklungslaumln-dern) Klimaveraumlnderungen koumlnnen dabei das Risiko fuumlr die Gesundheit auf direkte und indirekte Weise beein-flussen Extremwetterereignisse werden direkt zu einer Zunahme von Todesfaumlllen Krankheiten und Verletzun-gen durch Hitzewellen Uumlberschwemmungen Stuumlrme und Duumlrren auch in Industrielaumlndern fuumlhren

Noch viel bedeutender als die direkten Einfluumlsse sind jedoch die indirekten Auswirkungen Bei einer weiteren Erwaumlrmung koumlnnten sich viele ndash teilweise toumldlich ver-laufende ndash Infektionskrankheiten wie Malaria Dengue-fieber oder auch Uumlbertraumlger anderer Infektionen weiter verbreiten als bisher Hitze und Trockenheit aber auch Stuumlrme und Fluten fuumlhrten zu Ernteverlusten die Man-gelernaumlhrung zu einem noch groumlszligeren Problem werden lieszligen

n Wirtschaft

Auch wenn Aussagen uumlber die Abschaumltzung der Folge-kosten eines ungebremsten Klimawandels mit groszligen Unsicherheiten behaftet sind so schaumltzt das Deutsche Institut fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) dennoch dass bis Mitte des Jahrhunderts ohne ernsthaften Klima-schutz Schaumlden in Houmlhe von 200 Billionen US-Dollar zu erwarten sind69 Auch der 2006 erschienene britische Stern-Report zur Oumlkonomie des Klimawandels kommt zu einem aumlhnlichen Ergebnis Bei Tatenlosigkeit koumlnn-ten die Schaumlden des Klimawandels infolge von Stuumlrmen Uumlberschwemmungen Hitzewellen und Duumlrren zwischen 5 und 20 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts kosten und die Weltgemeinschaft in eine tiefgreifende Rezession stuumlrzen Industrielaumlnder waumlren dann eben-so betroffen wie Entwicklungslaumlnder Touristen wuumlr-den ausbleiben landwirtschaftliche Ertraumlge vor allem in vielen Entwicklungslaumlndern unsicherer werden und die versicherten Schaumlden auch in den Laumlndern des Nor-dens erheblich ansteigen Auch wenn es natuumlrlich auch Regionen gaumlbe die von einem Temperaturanstieg pro-fitierten70 wuumlrden die negativen Auswirkungen beim

67 ECFPIK 2004 68 Simonett O 198969 Kemfert C 2004

70 Beispielsweise wird in den Laumlndern der houmlheren Breiten (z B Skandinavien) mit einer erhoumlhten Pflanzenproduktivitaumlt gerechnet die zu besseren Ernten fuumlhren kann

36

UmweltbedingteMigration

Konfliktkonstellationen in ausgewaumlhlten Brennpunkten

Klimabedingte Zunahme vonSturm- und Flutkatastrophen

Klimabedingte Degradationvon Suumlszligwasserressourcen

Klimabedingter Ruumlckgangder Nahrungsmittelproduktion

Brennpunkt

UmweltbedingteMigration

Konfliktkonstellationen in ausgewaumlhlten Brennpunkten

Klimabedingte Zunahme vonSturm- und Flutkatastrophen

Klimabedingte Degradationvon Suumlszligwasserressourcen

Klimabedingter Ruumlckgangder Nahrungsmittelproduktion

Brennpunkt

Ausbleiben von Klimaschutz weltweit uumlberwiegen Effek - tive Klimaschutzmaszlignahmen dagegen waumlren mit jaumlhr-lichen Kosten von rund einem Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung vergleichbar gering71

n Gefaumlhrdung der Sicherheit

Ein ungebremster Klimawandel stellt eine ernstzuneh-mende Bedrohung fuumlr die humanitaumlre Sicherheit dar Neben der Energie(versorgungs)sicherheit ruumlckt in der Auszligenpolitik zunehmend auch die Klimasicherheit in den Fokus Diesen Begriff fuumlhrte die britische Auszligenminis-terin Beckett in die Debatte ein Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveraumlnde-rungen (WBGU) hat die vier klimabedingten Konflikt-konstellationen Nahrung Suumlszligwasser Sturm und Flut sowie Migration identifiziert die zur Destabilisierung oder gar zum Scheitern von Gesellschaften sowie zu In-stabilitaumlten und Unsicherheit im internationalen System fuumlhren koumlnnen Involviert sein koumlnnten regionale Grup-pen einzelne Laumlnder oder gar groumlszligere Laumlndergruppen Der WBGU sieht etwa den nordafrikanischen Raum die

Sahelzone das suumldliche Afrika Zentralasien die Laumln-dergruppe Indien Pakistan und Bangladesch sowie Chi-na als Regionen an in denen der Klimawandel ein neues Sicherheitsrisiko darstellen koumlnnte (siehe Abbildung 14) 72

Bei der Diskussion um die Auswirkungen des Klima-wandels auf die humanitaumlre Sicherheit geht es nicht ausschlieszliglich um die wachsenden Risiken bewaffneter Konflikte um Rohstoffe Vielmehr werden auch groszlige Risiken fuumlr wirtschaftliche Entwicklung soziale Gerech-tigkeit und Verteilungsgerechtigkeit andere Umwelt-guumlter Demokratisierung Abruumlstung Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit erwartet73 Angesichts des Sicherheitsrisikos Klimawandel bietet sich in erster Linie eine gemeinsam konzertierte praumlventive Strategie an militaumlrische Loumlsungen scheinen dagegen wenig sinnvoll

Im Umgang mit den potenziellen Konfliktverschaumlrfungen und neuen Konflikten bestehen verschiedene Moumlglich-keiten Potenzielle Konflikte duumlrfen nicht unterschaumltzt oder ignoriert sondern bereits in der Entstehung geloumlst werden So sollten sich anbahnende Differenzen fruumlh-

Insbesondere die Suumldhemisphaumlre ist von Sicherheitsrisiken im Rahmen des Klimawandels bedrohtQuelle WBGU 2007

Abb 14 Sicherheitsrisiken durch Klimawandel ausgewaumlhlte Brennpunkte

71 Stern N 200672 WBGU 200773 Annan 2005

37

zeitig erkannt und Kooperationen der beteiligten Partei-en gesucht werden bevor es zu einem Konflikt kommen kann Ein Beispiel hierfuumlr ist das Wassermanagement des Indus Pakistans groumlszligtem Fluss der aber zunaumlchst durch China und Indien flieszligt In einigen Jahrzehnten wird das sommerliche Wasservolumen des Indus durch das Schmelzen der Gletscher im Himalaya deutlich ab-nehmen und damit die Konkurrenz der ohnehin zerstrit-tenen Nachbarstaaten um das knappe zur Verfuumlgung stehende Wasser verschaumlrft Beansprucht Indien das wenige verbleibende Wasser des Indus allein fuumlr sich so stellt dies ein enormes Konfliktpoten zial dar Um einen ernsten Konflikt zwischen den beiden Atommaumlchten zu verhindern braucht es bereits heute eine strategisch ge-schickte Politik der Kooperation zwischen den vom Was-sermangel im Himalaya-Gebiet betroffenen Regionen

Die internationale Politik sollte sich in gleichem ernst-haften Maszlige der wachsenden Herausforderung klima-bedingter Migration annehmen Im Zuge der Klimaver-aumlnderung werden immer mehr Menschen aufgrund von Extremwetterereignissen Duumlrren und Wuumlstenausbrei-tung sowie des Meeresspiegelanstiegs gezwungen sein ihre Heimat zu verlassen Derzeit ist ihr voumllkerrechtlicher Schutz nicht gewaumlhrleistet

42 Regionale Betroffenheit

In einigen Regionen werden die Auswirkungen des Klimawandels staumlrker spuumlrbar werden als in anderen Entwicklungslaumlnder und arme Menschen insbesonde-re in Afrika und Asien sowie kleine Inselstaaten sind besonders betroffen Zum einen lebt der Groszligteil der Bevoumllkerung in Entwicklungslaumlndern unmittelbar von der Landwirtschaft ndash in Afrika sind dies ca 70 Prozent der gesamten Bevoumllkerung74 ndash und ist somit direkt von den Klima- und Wetterbedingungen abhaumlngig Klima-tische Veraumlnderungen haben deshalb oft verheerende Auswirkungen Ein zweiter wesentlicher Grund fuumlr die hohe Anfaumllligkeit gegenuumlber den Folgen des Klimawan-dels ist jedoch auch die Armut selbst So wird durch einen Mangel an Kapazitaumlten (technisch personell und finanziell) eine Anpassung an veraumlnderte Bedingungen und ein Schutz vor den aufgezeigten Risiken erschwert Klimawandel verschaumlrft Armut zerstoumlrt Lebensgrund-lagen und untergraumlbt Entwicklungsmoumlglichkeiten Al-lein im Zeitraum 2000-2004 waren jedes Jahr fast 300 Millionen Menschen von Naturkatastrophen betroffen ndash 98 Prozent davon in Entwicklungslaumlndern Waumlhrend in den entwickelten Laumlndern der OECD nur einer von 1500 Einwohnern durch eine Naturkatastrophe betroffen war lag das Risiko bei Einwohnern aus Entwicklungslaumlndern um den Faktor 79 houmlher ndash einer von 19 war betroffen (siehe Abbildung 15 S 38)75

Schaumltzungen zufolge koumlnnten bei einer ungebremsten globalen Erwaumlrmung im Jahr 2050 25 Millionen Men-schen durch Uumlberflutungen zwischen 180 und 250 Millionen Menschen durch Malaria und weitere 200 bis 300 Millionen Menschen durch Wasserknappheit be-droht sein76 Damit der Klimawandel nicht die Lebens-grundlage von Millionen von Menschen gefaumlhrdet und zu wirtschaftlichem Niedergang sozialer Erosion und Migrationsbewegungen fuumlhrt muss eine nachhaltige Armutsbekaumlmpfung auch als eine Schluumlsselstrategie bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels angese-hen werden77

n Afrika

Nach Einschaumltzungen des IPCC gilt Afrika aufgrund von Mehrfachbelastungen der unmittelbaren Abhaumlngigkeit von der Landwirtschaft und einer niedrigen Anpassungs-kapazitaumlt als einer der verwundbarsten Kontinente ge-genuumlber Klimaaumlnderungen78 Selbst in konservativen Szenarien wird in Afrika mit einem Anstieg der Tempe-ratur um 3-4 degC gegenuumlber der Periode 1980-1999 ge-rechnet79 Besonders hohe Temperaturen werden dabei im nordwestlichen und im suumldlichen Afrika erwartet Hinzu kommt dass die meisten Klimamodelle eine dras-tische Abnahme der Jahresniederschlaumlge fuumlr Afrika bis Ende des 21 Jahrhunderts voraussagen Auch in diesem Fall gelten die genannten Laumlnder Afrikas als besonders betroffen Um bis zu 30 Prozent koumlnnten demnach die Winterniederschlaumlge in Nordafrika zuruumlckgehen In Ost-afrika sowie in Teilen der Sahelzone wird hingegen mit einer Veraumlnderung in Richtung feuchterer Klimaregime gerechnet (siehe Abbildung 16 S 38)

Anders als in anderen landwirtschaftlichen Regionen der Welt gibt es in Afrika nur wenige Regionen in denen die Felder mit dem Wasser aus Fluumlssen oder Stauseen be-waumlssert werden Durch die projizierten Klimaaumlnderun-gen werden deshalb schwerwiegende Beeintraumlchtigun-gen der Nahrungsmittelsicherheit erwartet So schaumltzt man dass der Klimawandel schon in naumlchster Zukunft in einigen Laumlndern Nordafrikas das Risiko von trockenen Jahren in denen die auf Regenfeldbau basierenden land-wirtschaftlichen Ertraumlge um 50 Prozent zuruumlckgehen verstaumlrkt80 Dies wuumlrde die bereits kritische Situation in Afrika erheblich verschaumlrfen und die Unterernaumlhrung auf dem Kontinent verstaumlrken Dem IPCC zufolge werden in Regionen Afrikas suumldlich der Sahara bis 2020 zwischen 75 und 250 Millionen Menschen einem durch den Kli-mawandel verstaumlrkten Wasserstress ausgesetzt sein Verschlimmern koumlnnte sich diese Situation noch durch abnehmende Fischbestaumlnde als Folge von massiver Uumlberfischung verstaumlrkt durch steigende Wassertempe-raturen in Seen und Kuumlstenzonen

74 IPCC 2001b75 UNDP 200776 Parry M et al 2001

77 HarmelingBals 200778 IPCC 2007b

79 IPCC 2007b80 IPCC 2007b

38

n Asien

In fast allen Regionen Asiens wird mit einer deutlichen Erwaumlrmung weit oberhalb des globalen Mittelwerts gerechnet Auszliger in Suumldostasien wo ein Anstieg im Be-reich des globalen Mittelwertes erwartet wird koumlnnten sich die Temperaturen in den uumlbrigen Gebieten um bis zu 4 degC gegenuumlber dem Mittelwert von 1980-1999 erhouml-hen Als Folge waumlrmerer Temperaturen wird vor allem im Himalaya mit einer sich beschleunigt fortsetzenden Gletscherschmelze gerechnet Gletscherseeausbruumlche Uumlberschwemmungen Bergstuumlrze sowie erhebliche Trink wasserknappheit insbesondere in den groszligen Fluss einzugsgebieten koumlnnten sich auf mehr als eine Milliarde Menschen nachteilig auswirken

Entlang der sich veraumlndernden Temperaturmuster wer-den die Niederschlaumlge insgesamt in Asien bis Ende des Jahrhunderts zunehmen Einzige Ausnahme ist Zentral-asien wo ein Ruumlckgang der Sommerniederschlaumlge und erhebliche Trockenheit vor allem waumlhrend der Som-mermonate als wahrscheinlich gelten81 Unklar ist die Entwicklung des Indischen Sommermonsuns welcher fuumlr mehr als zwei Milliarden Menschen in weiten Teilen Asiens eine der Haupttrinkwasserquellen darstellt (siehe auch Kapitel 34)

Waumlhrend in Ost- und Suumldostasien ein moumlglicher Anstieg der landwirtschaftlichen Ertraumlge um bis zu 20 Prozent vorausgesagt wird koumlnnten diese in Zentral- und Suumld-

Risiko von einer Naturkatastrophe betroffen zu sein (auf 100000 Menschen)

Entwicklungslaumlnder

OECD-Laumlnder mit hohem Einkommen

50 von 100000 Menschen

1980-84 2000-04

Aufgrund ihrer geringen Anpassungskapazitaumlten sind Menschen in Entwicklungslaumlndern besonders verwund-bar gegenuumlber Naturkatastrophen Quelle UNDP 2008

Abb 15 Betroffenheit von Natur-katastrophen in Entwicklungs- und Industrielaumlndern

5030201510

50

-5-10-15-20-30-50

Abb 16 Temperatur- und Niederschlagsaumlnderungen in Afrika bis 2100Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestempera-turen und Jahresniederschlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999

Besonders das noumlrdliche und suumldliche Afrika gelten als besonders gefaumlhrdete Regionen im Rahmen des Klimawan-dels Quelle Hamburger Bildungsserver nach IPCC 2007b

1007050403530252015100500

-05-10

Temperatur-Veraumlnderung (degC) Niederschlags-Veraumlnderung ()40degN

20degN

0deg

20degS

40degS

40degN

20degN

0deg

20degS

40degS20degW 20degW0deg 0deg20degO 20degO40degO 40degO60degO 60degO

81 IPCC 2007b

39

asien um bis zu 30 Prozent zuruumlckgehen Eine erhebliche Zunahme der Anzahl hungernder Menschen und wirt-schaftliche Konsequenzen waumlren die Folgen und sogar die nationale Sicherheit einzelner Staaten koumlnnte ge-faumlhrdet werden

Der IPCC projiziert zudem eine Zunahme und Intensivie-rung von Hitzewellen in Ostasien sowie von Starknieder-schlagsereignissen in Suumld- und Ostasien Auch gehen die Klimamodelle von einem zunehmenden Uumlberflutungsri-siko in einigen der Groszligdeltas ndash z B dem Mekong-Delta ndash infolge des steigenden Meeresspiegels aus In Bang-ladesch wuumlrde bereits ein Meeresspiegelanstieg von ei-nem Meter dazu fuumlhren dass etwa drei Millionen Hektar Land dauerhaft uumlberflutet waumlren Fuumlr 15 bis 20 Millionen wuumlrde dies den Verlust ihrer Heimat bedeuten

n Lateinamerika

Lateinamerika und die Karibik stellen nicht nur hinsicht-lich der groszligen oumlkologischen Reichhaltigkeit sondern auch bezuumlglich der kulturellen Vielfalt eine auszligerge-woumlhnliche Region dar Es ist jedoch auch eine Region in der 44 Prozent der Bevoumllkerung in Armut lebt und wo die Ungleichheit in der Vermoumlgensverteilung zu den Houmlchsten weltweit gehoumlrt Diese Charakteristika ma-chen Lateinamerika und die Karibik zu einer der ver-wundbarsten Regionen uumlberhaupt

Waumlhrend fuumlr das suumldliche Suumldamerika eine Erwaumlrmung entlang des globalen Erwartungswerts projiziert wird werden fuumlr Mittelamerika und die noumlrdlichen Regionen Suumldamerikas dagegen deutlich houmlhere Temperaturen er-wartet Am staumlrksten werden sich dabei voraussichtlich die Amazonasregion sowie Nordmexiko waumlhrend der Sommermonate erwaumlrmen Fuumlr das Amazonasbecken wird zusaumltzlich eine Abnahme der Jahresniederschlaumlge um uumlber 30 Prozent und damit einhergehend eine Um-wandlung tropischer Regenwaumllder in Savannen vorher-gesagt (siehe Abbildung 17) Wuumlstenbildung und Ver-salzung von landwirtschaftlichen Nutzflaumlchen koumlnnten schon innerhalb der kommenden Jahrzehnte zu einem Ruumlckgang der Ertraumlge wichtiger Nutzpflanzen und zu einer Verminderung der Viehhaltung fuumlhren sowie die Nahrungsmittelsicherheit vieler lateinamerikanischer Regionen und von Millionen Menschen erheblich gefaumlhr-den

n Inseln und Atolle

Durch den steigenden Meeresspiegel koumlnnten schon in wenigen Jahren viele kleine Inselstaaten sowohl in den Tropen als auch in den houmlheren Breiten uumlberschwemmt und von den Landkarten verschwunden sein Fuumlr die Zu-kunft erwartet der IPCC im Zuge des steigenden Mee-resspiegels eine Verstaumlrkung von Uumlberflutungen Sturm-fluten und Kuumlstenerosion Zusaumltzlich werden auch die Gewinnung von Trinkwasser und die landwirtschaftliche

Abb 17 Temperatur und Niederschlagsaumlnderungen in Suumldamerika bis 2100Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestempera-turen und Jahresniederschlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999

Besonders das Amazonasgebiet gilt als besonders gefaumlhrdete Region im Zuge des KlimawandelsQuelle Hamburger Bildungsserver nach IPCC 2007b

5030201510

50

-5-10-15-20-30-50

1007050403530252015100500

-05-10

Temperatur-Veraumlnderung (degC) Niederschlags-Veraumlnderung ()

40

Info-Kasten 4 Womit wir in Deutschland rechnen muumlssen

Klimawandel geschieht nicht nur in anderen Teilen der Welt sondern auch hier in Deutschland ndash und zwar heute In den vergangenen 100 Jahren wurde hierzulande ein Anstieg der durchschnittlichen Jahrestemperatur um 08-10 degC beobachtet Wet- terextreme wie Hitze wellen Starknieder schlags-ereignisse und Winterstuumlrme traten in den letzten zwei Dekaden vermehrt auf

Fuumlr die Zukunft wird fuumlr Deutschland eine Tem-peraturerhoumlhung zwischen 25-35 degC projiziert Mit der houmlchsten Erwaumlrmung ist dabei in den Wintermonaten in Suumld- und Suumldostdeutschland zu rechnen Nach Norden und Westen in Richtung eines mehr maritim gepraumlgten Klimaregimes verringert sich der Temperaturanstieg zwar dennoch wird auch fuumlr die Kuumlstenregionen eine deutliche Erwaumlrmung vorausgesagt Auch fuumlr den Sommer werden die houmlchsten Temperaturen im Suumlden Deutschlands er-wartet

Die Niederschlagsverhaumlltnisse werden sich regio-nal und saisonal veraumlndern In Suumld- Suumldwest- und Nordostdeutschland ist mit einem bis zu 40-prozen-tigen Ruumlckgang der sommerlichen Niederschlaumlge zu

rechnen waumlhrend sich fuumlr die Wintermonate fast im ganzen Land staumlrkere Niederschlaumlge abzeichnen Durch die Trockenheit waumlhrend der Sommermonate sind in Ost- und Suumldwestdeutschland die landwirt-schaftlichen Ertraumlge gefaumlhrdet die Waldbrandgefahr wird sich erhoumlhen und das sommerliche Wasser-angebot geht zuruumlck Auch die Haumlufigkeit von Hitzewellen wird sehr wahrscheinlich zunehmen

Ferner gilt als sicher dass die Gletscher in den Alpen infolge der Temperaturerhoumlhung weiter an Volumen verlieren werden Nach neuesten Einschaumltzungen koumlnnte bei einem sommerlichen Temperaturanstieg von 3 degC etwa 80 Prozent der 1990 noch vorhande-nen Eismasse bis 2100 verloren gehen Wenn die Sommertemperaturen um 5 degC steigen waumlren die Alpen gegen Ende des Jahrhunderts praktisch eisfrei Auch ist davon auszugehen dass die Winterstuumlrme in Norddeutschland zunehmen werden

An Deutschlands Kuumlsten wird der Meeresspiegel im globalen Vergleich uumlberdurchschnittlich stark an-steigen Dafuumlr sorgen zum einen eine staumlrkere Erwaumlr-mung aber auch eine anhaltende Landabsenkung als Spaumltfolge der ausklingenden Kaltzeit83

Nutzung der Boumlden durch die Versalzung des Grundwas-sers und der Boumlden infolge des steigenden Meerwassers immer schwieriger werden Aus diesem Grund mussten innerhalb der letzten Jahre bereits 3000 Einwohner des pazifischen Inselstaates Tuvalu ihre Heimat verlassen

ndash Hunderttausende auf anderen Inseln werden ihnen folgen muumlssen sollte der zukuumlnftige Anstieg des Mee-resspiegels nicht innerhalb der kommenden Jahrzehnte gebremst werden82

82 Warner K 200983 Germanwatch 2007

41

Extreme Nieder schlaumlge und Uumlber schwemshymungen haben auch in Europa und Deutschshyland in den letzten Jahren immer wieder zu enormen wirtschaft lichen Schaumlden gefuumlhrt wie hier in Steyr Oumlsterreich

In Deutschland wird mit einem Anstieg der Niederschlaumlge im Winter gerechnet

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42

Wie gezeigt wurde greift der Mensch durch sein Handeln massiv in die chemische Zusammensetzung der Atmosphaumlre ein und ist somit der Hauptverursacher fuumlr den sich verstaumlrkenden Treibhauseffekt der Erde Allerdings war und ist der Beitrag der verschiedenen Staaten und ihrer Bewohner zum Klimawandel sehr ver-schieden ndash v a wegen ihrer unterschiedlichen wirt-schaftlichen sozialen und technologischen Situationen

51 Welche Laumlnder sind die Hauptverursacher von Treibhaus-gasemissionen

Die Frage welche Laumlnder fuumlr welche Mengen an Emissionen verantwortlich sind stellt sich sowohl fuumlr die Vergangenheit als auch fuumlr die Gegenwart und die Zukunft Aus zwei Gruumlnden ist der Blick in die Vergangenheit besonders wichtig Erstens ist CO2 ein uumlber Hunderte Jahre wirksames Treibhausgas d h die Frage nach der Verantwortung fuumlr den heute bereits sichtbaren globalen Klimawandel findet ihre Antwort in den kumu-lierten Emissionen des letzten Jahrhunderts Zweitens ha ben diejenigen Laumlnder die in der Vergangenheit be-sonders viel Energie nutzten ndash vor allem Kohle Oumll und Gas ndash und damit besonders hohe Treibhausgasemissio-nen zu verzeichnen hatten von diesem Verhalten pro-fitiert da sie Infrastruktur Produktionsanlagen und

Kapital aufgebaut haben Dieser Reichtum verschafft ihnen einen deutlich groumlszligeren Handlungsspielraum heute in die Entwicklung und Verbreitung klimafreund-licher Energietechnologien zu investieren als es in ar-men Laumlndern der Fall ist Letz tere erheben hingegen einen Anspruch auf nachholende Entwicklung mit ho-hem Wirtschaftswachstum und erwarten dass sie die Zusatzkosten fuumlr klimafreundliche Technologien vom Norden ganz oder teilweise finanziert bekommen Hieraus ergibt sich die groszlige klimapolitische Heraus-forderung zur Loumlsung des Klimaproblems (s Kapitel 6)

Wenn man die durch den Menschen verursachten CO2-Emissionen des letzten Jahrhunderts betrachtet sind die Industrielaumlnder die Hauptverursacher des anthropoge-nen Treibhauseffekts (siehe Abbildung 18) Mehr als die Haumllfte (58 Prozent) entfielen zwischen 1900 und 1999 allein auf Europa und die USA auf das Konto der ehema-ligen Sowjetunion weitere 137 Prozent Die Gesamtheit der Entwicklungslaumlnder wo rund 80 Prozent der Welt-bevoumllkerung leben war hingegen nur fuumlr 21 Prozent der angehaumluften CO2-Emissionen verantwortlich (siehe Ab-bildung 18) Die Aumlrmsten rund 800 Millionen Menschen vereinen sogar historisch gesehen weniger als 1 Prozent aller kumulierten CO2-Emissionen des 20 Jahrhunderts auf sich84 Natuumlrlich aumlndert sich dieses Bild immer mehr und die Gewichte werden sich zukuumlnftig staumlrker ver-schieben ndash hin zu einem groumlszligeren Beitragsanteil auf Seiten der sogenannten Entwicklungslaumlnder

5 Die Verursacher des Klimawandels

Die Industriestaaten tragen die historische Hauptverantwortung fuumlr den KlimawandelQuelle Eigene Darstellung nach World Resources Institute 2002

Suumld- und Mittelamerika38

Mittlerer Osten26

Afrika25

Europa277

Russland137

Japan37 Kanada

23

Australien11

China Indien und Ent -wicklungslaumlnder Asiens122

USA303

Entwicklungs-laumlnder21

Abb 18 Kumulierte energiebedingte CO2-Emissionen 1900-1999

84 Global Carbon Project 2009

43

Quelle Eigene Darstellung nach US Energy Information Administration wwweiadoegov

52 Absolute und Pro-Kopf-Emissionen heute

Historisch gesehen haben die USA insgesamt durch ihre kumulierten CO2-Emissionen mit Abstand am meisten zum Klimawandel beigetragen Auch im Jahr 2007 gin-gen fast 20 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoszliges noch auf ihr Konto Einzig Chinas Anteil welcher seit 2007 den der USA uumlberholt hat ist noch groumlszliger (208 Prozent) Das Reich der Mitte stoumlszligt mit seinen gut 13 Milliarden Ein-wohnern heute etwa so viel CO2 aus wie die 15 Laumlnder der alten EU mit ihren rund 380 Millionen Einwohnern Tendenz stark ansteigend Damit sind die beiden Ver-schmutzungs-Spitzenreiter China und USA zusammen fuumlr mehr als 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoszliges verantwortlich (siehe Abbildung 19) Ein anderes Bild ergibt sich wenn die CO2-Emissionen aus veraumlnderter Landnutzung die insbesondere Entwaldungsprozesse beinhaltet in der Statistik beruumlcksichtigt werden Dem-nach waumlren nach China den USA und der EU Indonesien und Brasilien die viert- und fuumlnftgroumlszligten Emittenten Ursachen sind in beiden Laumlndern die groszligflaumlchigen Ro-dungen der tropischen Regenwaumllder

Deutschland konnte zwar innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte auch aufgrund der Wiedervereinigung und des damit einhergegangenen Zusammenbruchs der Schwer industrien in der ehemaligen DDR seinen Aus-stoszlig deutlich reduzieren zaumlhlt allerdings nach wie vor zu den weltweit groumlszligten CO2-Emittenten Zum Vergleich Der gesamte afrikanische Kontinent mit rund einer Mil-

liarde Einwohnern traumlgt gegenwaumlrtig etwa so viel zum globalen Treibhausgasausstoszlig bei wie Deutschland mit seinen rund 82 Millionen Einwohnern Dabei sind nur vier Laumlnder naumlmlich Suumldafrika Aumlgypten Nigeria und Algerien fuumlr mehr als drei Viertel der afrikanischen Emis-sionen verantwortlich Werden diese herausgerechnet liegt der Anteil der restlichen afrikanischen Staaten am weltweiten CO2-Ausstoszlig unter einem Prozent

Waumlhrend in einigen Industrielaumlndern die CO2-Emissio-nen innerhalb der letzten zwei Dekaden stabilisiert bzw reduziert wurden stiegen sie insbesondere in den gro-szligen Schwellenlaumlndern der Welt deutlich weiter

Der Vergleich der historischen Emissionen mit dem ak-tuellen CO2-Ausstoszlig der weltweit groumlszligten Emittenten

Abb 19 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen 1992-2009

Der Autoverkehr ist eine weltweit nach wie vor wach-sende Quelle von CO2-Emissionen Foto Dietmar Putscher

ChinaUSAIndienRusslandJapanDeutschlandBrasilien

19921993

19941995

19961997

19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

20082009

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Jahr

44

verdeutlicht den wachsenden Beitrag der Schwellenlaumln-der vor allem Chinas aber auch Indiens zum Klimawan-del Aber auch in den meisten Entwicklungslaumlndern stei-gen die Treibhausgasemissionen gegenwaumlrtig rasant an

Auch wenn einige Schwellenlaumlnder bei den absoluten CO2-Emissionen vorne liegen so kommen bei den Pro-Kopf-Emissionen ausschlieszliglich Industrielaumlnder auf die vorderen Plaumltze

Waumlhrend in der Statistik der absoluten CO2-Emissionen vor allem populationsstarke Laumlnder auf den vorderen Raumlngen zu finden sind aumlndert sich die Rangfolge wenn der Pro-Kopf-Ausstoszlig betrachtet wird Eine solche Be-trachtungsweise ist insbesondere unter dem Gesichts-punkt der Klimagerechtigkeit und entsprechend der weltweit gemeinsamen aber individuell sehr unter-schiedlichen Verantwortlichkeit fuumlr Ursache und Loumlsung des Klimaproblems von Bedeutung

Abbildung 20 zeigt die Pro-Kopf-Emissionen zwischen 1990 bis 2007 fuumlr ausgewaumlhlte Laumlnder Hier liegen die USA und Kanada mit ca 191 bzw 174 t CO2 im Jahr 2007 deutlich vorn Zu beachten ist allerdings dass ei-nige der arabischen Golfstaaten noch weit houmlhere Pro-Kopf-Werte haben so liegt der Wert in Katar bei ca 60 Tonnen pro Jahr85 In Deutschland und Russland sind mit dem deutlichen Gesamtruumlckgang der absoluten Emis-sionen auch sinkende Pro-Kopf-Emissionen verknuumlpft Nichtsdestotrotz produziert jeder Deutsche im Durch-

schnitt immer noch etwa 97 t CO2 pro Jahr Die Betrach-tung der Pro-Kopf-Werte relativiert die hohen Gesamt-emissionen der beiden bevoumllkerungsreichsten Laumlnder China und Indien Dort werden die Emissionen allerdings uumlberwiegend von einer Minderheit der jeweiligen Bevoumll-kerung erzeugt So werden in China nur etwa 20 Prozent der Bevoumllkerung der globalen Konsumentenklasse zuge-ordnet die durch einen konsum- und ressourcenintensi-ven Lebensstil erhebliche CO2-Emissionen verursacht86 Der Vergleich mit Afrika macht die Pro-Kopf-Verantwor-tung am globalen Treibhauseffekt noch deutlicher Waumlh-rend ein Deutscher pro Jahr durchschnittlich 97 Tonnen CO2 verursacht liegt ein Kenianer nur bei 03 Tonnen

53 Emissionen nach Sektoren

Die derzeitige Erwaumlrmung ist auf eine Reihe von Emissi-onsquellen zuruumlckzufuumlhren Im Folgenden wird zunaumlchst die globale Ebene87 betrachtet bevor auf die Verhaumlltnis-se in Deutschland Bezug genommen wird Hauptfaktor fuumlr den weltweiten Ausstoszlig an Treibhausgasen stellte im Jahr 2004 die Energieversorgung mit ca 259 Prozent vor dem Industriesektor mit 194 Prozent dar88 Eine eindeutige Abgrenzung ist jedoch nicht ganz einfach da die Industrie auch einen groszligen Teil des Stroms aus der Energieversorgung nutzt Darauf folgen der Forst-sektor mit 174 Prozent ndash vor allem durch die Zerstoumlrung von Waumlldern in tropischen Regionen wie Brasilien oder Indonesien ndash und die Landwirtschaft mit 135 Prozent

Quelle Eigene Darstellung nach wwweiadoegov (so)

Abb 20 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen pro Einwohner zwischen 1992 und 2009 fuumlr neun ausgewaumlhlte Laumlnder

19921993

19941995

19961997

19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

20082009

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USAKanadaRusslandDeutschlandSuumldafrikaChinaBrasilienIndienKenia

Jahr

85 wwweiadoegov86 GardnerAssadourianSarin 200487 Quelle fuumlr alle Daten hierzu IPCC 2007e

88 IPCC 2007e 2004 ist das letzte Jahr fuumlr das der 4 IPCC-Sachstandbericht alle sechs Kyoto-Gase umfassende Analysen enthaumllt Bei Betrachtung nur der energiebedingten Emissionen sind auch neuere Daten verfuumlgbar

45

Der Verkehrssektor verzeichnet mit 131 Prozent eben-falls enorme Wachstumsraten die vor allem auf den Anstieg im internationalen Schiffs- und Flugverkehr zu-ruumlckzufuumlhren sind

Von den gesamten anthropogenen Treibhausgasemis-sionen die fuumlr die Erderwaumlrmung verantwortlich sind stand CO2 im Jahr 2004 mit einem Anteil von 63 Prozent an vorderster Stelle Der Groszligteil dieser CO2-Emissionen ist energiebedingt aber auch die Freisetzung von CO2 durch die Zerstoumlrung von Waldgebieten (z B durch die Rodung tropischer Regenwaumllder) spielt eine groszlige Rolle Sie ist mit umgerechnet ca 6 Milliarden Tonnen jaumlhrlich freigesetztem CO2 nach dem Verbrennen von fossi-len Energietraumlgern global betrachtet die zweitgroumlszligte CO2-Quelle In vielen Entwicklungslaumlndern stellt sie die groumlszligte Emissionsquelle dar z B in Indonesien mit 834 Prozent und in Brasilien mit 62 Prozent Hauptursache der Waldzerstoumlrung sind landwirtschaftliche Aktivitaumlten wie die Gewinnung von Acker- und Weideflaumlche durch Brandrodung Problematisch ist vor allem die groszligflaumlchi-ge Rodung fuumlr Monokulturen zur Gewinnung von Palm-oumll Zuckerrohr und Soja die auch fuumlr den europaumlischen Markt als Futtermittel oder Agrotreibstoff produziert werden

Der uumlberwiegende Anteil an den weltweiten menschge-machten Methanemissionen entsteht durch Nassreis-feldanbau und Rinderzucht89 In diesem Zusammenhang kann man auch die Frage aufwerfen ob alle Emissionen prinzipiell als qualitativ gleichwertig anzusehen sind oder ob unterschieden werden muss zu welchem Zweck die Emissionen verursacht werden So sollten beispiels-weise die Emissionen die durch Freizeitreiseverkehr

Das Abholzen des Regenwaldes (hier in Brasilien) stellt eine groszlige Gefahr sowohl fuumlr das globale Klima als auch fuumlr die regionale Wirtschaft dar Foto Uwe Bauch pan-thermedianet

89 IPCC 2007a

Der groszlige Anteil des Energiesektors am CO2-Ausstoszlig in Deutschland verdeutlicht das Potenzial von Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz Quelle Umweltbundesamt 2010

Abb 21 Entwicklung der THG-Emissionen in Deutschland nach Sektoren 1990 bis 2008

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19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

2008

Oslash2008-2012

Ziel 2020

Basisjahr

uumlbrige Emissionen

Haushalte

Verkehr

Gewerbe HandelDienstleistungen

Industrie

Landwirtschaft

Energiewirtschaft

Treibhausgasemissionen ndash Summe

-21 gegenuumlber

Basisjahr

-40 gegenuumlber

1990

493 493 474 471 459 467 474 477 483 480 476 481 491 468

85 8785 84 85 84 84 81 79 81 80 78 77

81

138 135 136 121 113 116 110 106 111 117 112 115 119 116

55 6556 54 50 46 53 50 42 41 41 41 35 42

179 178179 182 187 183 178 176 170 169 161 157 154 154

130 144139

133121 119 132 122 123 114 112 114 89 108

44

597

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44

3935 33

30 28 26

1121 11401104

10781044 1043 1058 1037 1031 1022 1001 1003 981 982

1232 1249

974

749

46

Germanwatch hat mit dem sogenannten Klima schutz- Index ein Instrument entwickelt das die Emissions-entwicklung das Emissionsniveau sowie die Klima-schutzpolitik der Hauptemittenten transparent gegen-uumlberstellt Der Index fungiert als Vergleichsinstrument zwischen den einzelnen Staaten und soll zu effizi-enterem Klimaschutz animieren Tabelle 4 zeigt das Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011 der im Dezember 2010 bei der Klimakonferenz von Cancuacuten vorgstellt wurde Da bisher kein Land ausreichend ambitioniert zur Vermeidung eines gefaumlhrlichen Klimawandels beitraumlgt blieben auch in diesem Jahr die ersten drei Plaumltze des Rankings unbe-setzt

Bei vielen der weltweit groumlszligten CO2-Emittenten spielt Klimaschutz nach wie vor hinter der wirtschaftlichen Entwicklung eine nachrangige Rolle obwohl es ein wachsendes Bewusstsein dafuumlr gibt dass gerade im Klimaschutz auch groszlige wirtschaftliche Potenziale lie-gen

(Luxus-Emissionen) entstehen anders bewertet werden als der Methanausstoszlig den asiatische Bauern durch den fuumlr sie uumlberlebensnotwendigen Reisanbau verursachen (Uumlberlebens-Emissionen)

In Deutschland ist die Energiewirtschaft der Hauptver-ursacher von CO2-Emissionen Aber auch im produzie-renden Gewerbe und im Transportsektor fallen viele Emissionen an Mehr als die Haumllfte der Transportemis-sionen entfallen dabei auf den Automobilverkehr Mit deutlich mehr als 80 Prozent hat CO2 unveraumlndert den groumlszligten Anteil an den deutschen Treibhausgasemissio-nen90

54 Trends bei den Treibhausgas-emissionen

Gerade beim wichtigsten durch den Menschen ver-ursachten Treibhausgas dem Kohlendioxid war der Wachstumstrend auf globaler Ebene in den letzten Jah-ren ungebrochen Zwischen 2000 und 2008 haben sich die weltweiten CO2-Emissionen um 29 Prozent von rund 7 Gigatonnen Kohlenstoff auf rund 9 Gigatonnen seit 1990 (dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls) sogar um 41 Prozent erhoumlht Da 1 kg Kohlenstoff 367 kg CO2 ent-spricht erhoumlht sich der atmosphaumlrische CO2-Gehalt mo-mentan um rund ca 33 Gigatonnen CO2 jaumlhrlich Fuumlr den Zeitraum 2000 bis 2008 betrug der Emissionszuwachs 34 Prozent (insgesamt 19 ppm pro Jahr) im Vergleich zu 10 Prozent (insgesamt 15ppm) im Zeitraum 1990-1999 (siehe Abbildung 22) Seit 2005 hat die Verbrennung von Kohle dabei Oumll als groumlszligte gegenwaumlrtige Treibhausgas-quelle abgeloumlst91

In fast allen Weltregionen ist ein deutlicher Anstieg der Emissionen in dem besagten Zeitraum zu beobach-ten wobei beachtet werden muss dass dieser auf stark unterschiedlichen Ausgangsniveaus aufbaut Waumlhrend sich der Anstieg des Emissionsausstoszliges in den Indus-trie laumlndern im Durch schnitt jedoch verlangsamt hat ha-ben die Entwicklungslaumlnder mittlerweile den schnellsten Anstieg zu verzeichnen92 Rund ein Viertel des Wachs-tums der CO2-Emissionen in den Entwicklungslaumlndern resultiert allerdings aus den Produkten die sie fuumlr an-dere Staaten vor allem die Industrielaumlnder herstellen Es sind insbesondere die exportorientierten Industrien dieser Laumlnder die es einerseits den Laumlndern des globa-len Nordens ermoumlglichen in den Entwicklungslaumlndern produzierte Guumlter zu konsumieren die andererseits maszliggeblich zu den Emissionssteigerungen der letzten Jahren beigetragen haben

Innerhalb der letzten Dekade hat sich der Anstieg der CO2-Emissionen beschleunigt Quelle Le Queacutereacute C et al 2009

Abb 22 Anstiegsrate der CO2-Emissionen

1990 2000 2010

Wachstumsrate 10 pro Jahr

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9

8

7

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Wachstumsrate 34 pro Jahr

90 Umweltbundesamt 201091 Global Carbon Project 200992 Global Carbon Project 2009

47

Infokasten 5 Wirtschaftskrise Klimaschutz und bdquogruumlneldquo Konjunkturprogramme

Weltwirtschaft und Treibhausgasausstoszlig sind eng miteinander verknuumlpft Vor diesem Hintergrund hat die Finanz- und Wirtschaftskrise auch ihre gu-te Seite Durch das verringerte Wachstum bei der Industrieproduktion ist es weltweit zu einem ent-sprechenden Ruumlckgang der energiebedingten CO2-Emissionen seit 2008 gekommen Laut den Messungen des Global Carbon Projects einer internationalen Forschungsinstitution die die Entwicklung des glo-balen Kohlenstoffkreislaufs uumlberwacht stieg zwar die atmosphaumlrische CO2-Konzentration auch im Jahr eins der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise um 18 Prozent gegenuumlber 2007 weiter an doch halbierte sich die Anstiegsrate gegenuumlber den Vorjahren (34 Prozent) Im Jahr 2009 lagen die globalen energiebe-dingten Emissionen unter denen des Vorjahres vor allem durch einen Ruumlckgang in den Industrielaumlndern93 In der EU und Deutschland war der Effekt besonders ausgepraumlgt Nach Berechnungen der EU-Kommission ist es jedem europaumlischen Mitgliedsstaat gelungen seine CO2-Emissionen gegenuumlber dem Vorjahr zu ver-ringern Allein Deutschland konnte einen Ruumlckgang seiner energiebedingten CO2-Emissionen um fast 8 Prozent verzeichnen94

Insgesamt bewegt sich der gegenwaumlrtige Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre allerdings immer noch im oberen Bereich der IPCC-Szenarien und wird sich noch verschlimmern sollte der Wachs-

tumsmotor der Weltwirtschaft kuumlnftig wieder an-springen

Es muss angenommen werden dass erneute Investitionen in weitgehend alte Strukturen und Produkte die groszligen Anteil am Kollaps des Welt-finanz systems hatten sich abermals als nicht nach-haltig erweisen werden ndash weder fuumlr die Oumlkonomie noch fuumlr die Oumlkologie Eine nachhaltige Loumlsung der Doppelkrise von Wirtschafts- und Klimasystem wird nur durch einen Investitionszyklus gelin-gen dessen Ziel eine umfassende und vor allem an Nachhaltigkeitsprinzipien orientierende Erneuerung von Wirtschaft und Gesellschaft ist Durch den Einsatz der milliardenschweren Konjunkturpakete zur Wiederbelebung der Weltwirtschaft bietet sich eine solche Chance beide Krisen mit einer Klappe zu schlagen Investitionsanreize fuumlr Energie- und Ressourceneffizienz Erneuerbare Energien und so-zial gerechte Strukturen koumlnnten im Rahmen eines bdquoNew Green Dealsldquo die Weltgemeinschaft gestaumlrkt aus der Finanz- und Wirtschaftskrise hervorgehen las-sen und gleichzeitig den Weg zu einem emissionsfrei-en Wohlstandsmodell bereiten Uumlberraschenderweise haben waumlhrend der Wirtschaftskrise Laumlnder wie China und Suumldkorea zu den Laumlndern gehoumlrt die ihre Konjunkturpakete am staumlrksten auf die Foumlrderung bdquogruumlner Technologienldquo ausgerichtet haben und damit zu einer Trendwende beitragen koumlnnten95

Tabelle 4 Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011

Deutschland 7 (7) 274 273 368 123

Groszligbritannien 8 (6) 174 170 288 092

Indien 10 (9) 486 506 675 1705

Korea Rep 34 (41) 171 185 178 073

Japan 38 (35) 392 404 563 191

Russland 48 (45) 542 560 259 212

Iran 52 (38) 172 165 092 108

USA 54 (53) 1905 1862 1839 455

China 56 (52) 2229 1737 1731 1993

Kanada 57 (59) 188 217 164 050

Summe 6533 6079 6157 5002

copy Quelle Burck 2010energiebedingten

Klimaschutz-Index Platzierung

2011 (2010)

Land Anteil an den weltweiten CO2 -

Emissionen

Anteil am welt-weiten Primaumlr-

energieverbrauch

Anteil am welt-weiten Brutto-inlandsprodukt

Anteil an der Erd -

bevoumllkerung

93 Heinzerling 201094 wwwag-energiebilanzende95 EdenhoferStern 2010

48

Der weltweite CO2-Ausstoszlig haumlngt sehr eng zusammen mit dem globalen Wirtschaftswachstum Quelle Aktualisiert und vereinfacht nach Raupach M et al 2007

Abb 23 Weltweite Entwicklung von Emissionsfaktoren

55 Ursachen fuumlr Veraumlnderungen des CO2-Ausstoszliges

Fuumlr die energiebedingten CO2-Emissionen eines Landes spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle die Zahl der Einwohner die Produktivitaumlt der Volkswirtschaft die Energieintensitaumlt und der Anteil fossiler Energietrauml-ger bei der Bereitstellung von Energie In eine Formel gepackt lassen sich daher die energiebedingten CO2-Emissionen in Marktwirtschaften errechnen als

CO2-Emissionen = Bevoumllkerung x Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf x Energienutzung pro BIP-Einheit x CO2-Ausstoszlig pro Energieeinheit

Moumlchte man ihren zukuumlnftigen Verlauf beeinflussen er-geben sich somit vier Ansatzpunkte Dies gilt gleicher-maszligen fuumlr den Ruumlckblick in die Vergangenheit In den verschiedenen Laumlndern der Welt lassen sich jeweils un-terschiedliche Entwicklungen bei der Veraumlnderung die-ser Faktoren beobachten und ebenso unterschiedliche Erklaumlrungen dafuumlr benennen

So ist beispielsweise der absolute CO2-Ausstoszlig in Deutschland und Groszligbritannien gesunken Der Ruumlck-gang laumlsst sich hier mit einer deutlichen Erhoumlhung der Energieproduktivitaumlt (d h einem verringerten Energie-bedarf pro BIP-Einheit) sowie einer Verringerung der CO2-Intensitaumlt in der Energieversorgung bei stagnieren-der Bevoumllkerungszahl und einem nur moderaten Anstieg des BIP erklaumlren Im Falle von Deutschland wurden etwa 10 Prozent der Emissionen dadurch eingespart dass viele ineffiziente Produktionsanlagen aus der DDR-Zeit stillgelegt und zum Teil durch sehr moderne Anlagen er-setzt wurden Zusaumltzlich wurden aber auch viele weitere Maszlignahmen fuumlr Energieeffizienz und die Nutzung von Erneuerbaren Energien umgesetzt etwa das bdquoErneuer-bare-Energien-Gesetzrdquo (EEG) im Strombereich

In Suumldafrika Indien und den USA hat der CO2-Ausstoszlig hingegen seit 1990 deutlich zugenommen Gleichzeitig sind sowohl in Suumldafrika und Indien als auch in den USA das Bruttosozialprodukt und die Bevoumllkerungszahl deut-lich angestiegen Indien weist eine leichte Verbesserung der Energieproduktivitaumlt auf aber eine relativ deutliche Erhoumlhung des CO2-Ausstoszliges pro Energieeinheit Dies laumlsst sich mit dem verstaumlrkten Einsatz von Kohle und mit einem Wachstum des Verkehrs erklaumlren Der CO2-Ausstoszlig Chinas hat sich seit 1990 mehr als verdreifacht waumlhrend sich das Bruttoinlandsprodukt in Kaufkraftpa-ritaumlten mehr als verzehnfacht hat Diese relative Ent-kopplung des CO2-Ausstoszliges vom Wirtschaftswachs-tum zeugt von einer signifikanten Verringerung der Energieintensitaumlt der Wirtschaft Die CO2-Intensitaumlt der Energienutzung hat sich hingegen trotz umfangreicher Modernisierung und damit verbundener Effizienzver-

besserung zahlreicher Kohlekraftwerke leicht erhoumlht96

Auch wenn China zudem immer staumlrker die Erneuerbaren Energien foumlrdert ist die CO2-Intensitaumlt pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts heute immer noch deutlich houmlher als die Indiens97

Wirft man erneut einen Blick auf die Faktoren in der obi-gen Gleichung so liegen fuumlr die Zukunft groszlige Potenzi-ale einerseits in der Verringerung der Energienutzung pro BIP-Einheit z B durch effizientere Fahrzeuge spar-samere Produktionsanlagen etc und andererseits im CO2-Ausstoszlig pro Energieeinheit z B durch Kraft-Waumlr-me-Kopplung und Nutzung von weniger CO2-intensiven Energietraumlgern bis hin zu Erneuerbaren Energien Wer-den diese beiden Faktoren optimiert so kann selbst bei einem Anstieg von Wirtschaftsleistung und Bevoumllkerung der CO2-Ausstoszlig deutlich verringert werden

Auch auf globaler Ebene laumlsst sich ermitteln welche Faktoren die CO2-Emissionen wie stark beeinflussen (siehe Abbildung 23) Wie bereits in Kapitel 2 aufgezeigt wurde ist der atmosphaumlrische CO2-Gehalt innerhalb der letzten Jahre stark angestiegen (schwarze Linie) Verant-wortlich fuumlr diesen Anstieg sind vor allem die innerhalb der vergangenen Jahre stark gewachsene Weltwirtschaft (gruumlne Linie) und deren erhoumlhte Verwendung fossiler Brennstoffe Waumlhrend lange Zeit die Weltwirtschaft im-mer effizienter wurde ndash die Kohlenstoffintensitaumlt (blaue Linie) die sich auf die pro oumlkonomischer Einheit ausge-stoszligene Menge CO2 bezieht ist stetig zuruumlckgegangen ndash hat sich dieser Trend in den letzten Jahren umgekehrt bzw verlangsamt wozu auch viele neue Kohlekraftwer-

Welt

EmissionenBevoumllkerungBIP pro KopfKohlenstoffintensitaumlt pro BIP

1980 1990 2000 2010

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96 Harmeling et al 200797 Vgl auch Germanwatch 2008

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ke in Indien und China beigetragen haben Mittlerweile sind diese Trendumkehr mit etwa 17 Prozent sowie das Wachstum der Weltwirtschaft mit 65 Prozent die bei-den Hauptursachen warum die Emissionen seit 2000 ca dreimal so schnell steigen wie im Jahrzehnt zuvor98 Faktisch fuumlhrt damit jedes Wirtschaftswachstum wel-ches nicht vom Verbrauch fossiler Rohstoffe entkoppelt ist zu steigenden Emissionen Dies macht die Dringlich-keit einer Klimapolitik die wirtschaftliche Entwicklung mit sinkenden Emissionen vereint umso deutlicher

Ebenso problematisch ist jedoch dass mit den steigen-den Emissionen der Weltwirtschaft gleichzeitig auch die Faumlhigkeit natuumlrlicher Senken zur Aufnahme von CO2 abnimmt So scheinen insbesondere die Meere dazu bei-zutragen dass die Erde momentan ihre Kapazitaumlten zur eigenstaumlndigen Erholung zu verlieren droht Waumlhrend noch vor fuumlnfzig Jahren rund 60 Prozent des vom Men-schen ausgestoszligenen CO2 durch natuumlrliche Senken auf-genommen wurden hat sich der Anteil mittlerweile auf

Waumlhrend Boumlden und Landvegetation als CO2-Senken relativ stabil geblieben sind hat die Aufnahmefaumlhigkeit der Meere fuumlr CO2 innerhalb der letzten 50 Jahre abge-nommen Quelle Canadell JG et al (2007)

Abb 24 Anteil der anthropogenen CO2-Emissionen der in der Atmos-phaumlre und im Ozean verbleibt

Atmosphaumlre

55 Prozent verringert wodurch der verbleibende Emis-sionsanteil auf 45 Prozent angestiegen ist (siehe Abbil-dung 24) Rund 18 Prozent des ploumltzlichen Anstiegs der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre gehen mittler-weile auf die schwindenden Kohlenstoffsenken zuruumlck

Besonders betroffen ist dabei die Aufnahmekapazitaumlt der suumldlichen Ozeane wo erste Saumlttigungstendenzen und eine bereits durch die Klimaerwaumlrmung verursachte Veraumlnderung der Westwinde zur Schwaumlchung der mari-timen Kohlenstoffsenke und somit maszliggeblich zum An-stieg des verbleibenden Emissionsanteils in der Atmo-sphaumlre beitragen (siehe Abb 24) Aber auch die fuumlr eine waumlrmere Welt typische Zunahme von Trockenperioden in den letzten Jahren (bspw die Hitzewelle 2003 in Eu-ropa) hat regional zur Abnahme der weltweiten Senken-faumlhigkeit und somit zur Erhoumlhung der atmosphaumlrischen CO2-Konzentration beigetragen

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Ozean

98 Canadell JG et al 2007

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Tuvalu gehoumlrt zu den am staumlrksten vom Meeresspiegelanstieg gefaumlhrdeten Inselshystaaten Auch dort leben viele Menschen in aumlrm lichen Verhaumlltnissen die wenig Schutz vor Extremwetterereignissen wie Pazifikshystuumlrmen bieten

Foto

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Die globale Erderwaumlrmung und somit der Klimawandel sind ndash wie beschrieben ndash zum groumlszligten Teil menschge-macht Ausloumlser ist die mit fossilen Energietraumlgern vor-angetriebene Industrialisierung Um einen gefaumlhrlichen Klimawandel abzuwenden bedarf es daher nicht nur ein-zelner Klimaschutzmaszlignahmen sondern einer industri-ellen und kulturellen Revolution Das heiszligt es geht um den Aufbau eines neuen Wohlstandsmodells das nicht laumlnger auf fossilen Energietraumlgern basiert und nachhal-tige Entwicklung ermoumlglicht eines Wohlstandsmodells bei dem sich unsere Lebensform stark veraumlndert

Der Klimawandel erfordert die Uumlberwindung von Kurz-sichtigkeit in Politik und Wirtschaft Statt dessen sind Weitblick und an langfristigen Zielen orientierte Wei-chenstellungen gefragt Bisher orientieren sich Politik Wirtschaft und jeder Einzelne jedoch haumlufig nur an ihrem kurzfristigen Wahrnehmungshorizont Wenn Politiker nur in Legislaturperioden von vier Jahren denken und die Wirtschaft nur auf den naumlchsten Quartalsbericht blickt so greift die Planung deutlich zu kurz um Erfolge von Klimaschutzmaszlignahmen messen zu koumlnnen Um den glo-balen Temperaturanstieg auf so weit wie moumlglich unter 2 degC zu begrenzen muumlssen Politik Wirtschaft und Buumlr-ger ihre Handlungsfaumlhigkeit anerkennen und langfristi-ge Entscheidungen treffen

Besonders die Wirtschaftskrise hat noch einmal ver-deutlicht wie wichtig nachhaltiges Handeln als Leitbild ist Die Krise sollte daher als Anlass und Chance gese-hen werden jetzt die Weichen fuumlr oumlkologische soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu stellen Das wird Umbruumlche und Zumutungen aber auch Neuaufbruumlche und Chancen mit sich bringen Das Zusammenspiel ei-ner engagierten nationalen und internationalen Klima-politik beide angetrieben durch Vorreiterkoalitionen in Politik Wirtschaft und Zivilgesellschaft spielt eine entscheidende Rolle um diesen Wandel einzuleiten Damit Gelder im notwendigen Ausmaszlig in den Umbau in-vestiert werden bedarf es langfristiger ambitionierter und rechtlich verbindlicher Rahmenbedingungen (bdquolong loud and legalldquo)

61 Internationale Klimagerechtigkeit Klimagerechtigkeit ist eine Art Leitbegriff geworden sowohl fuumlr die internationale Klimapolitik wie auch fuumlr die Aktivitaumlten vieler Akteure der Nord-Suumld-Zusammen-arbeit Was verbirgt sich dahinter

Es ist offensichtlich nicht gerecht dass die Laumlnder die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben am

staumlrksten von seinen Folgen betroffen sein werden Ins-besondere die kleinen Inselstaaten ndash in der Klimapolitik in der bdquoAlliance of Small Islands States (AOSIS)ldquo zusam-mengeschlossen ndash und die am wenigsten entwickelten Laumlnder (die Least Developed Countries LDCs) gelten als besonders verletzliche Laumlndergruppen Daruumlber hin-aus sind auch Laumlnder in anderen Regionen und Millio-nen arme Menschen in den Schwellenlaumlndern massiven Bedrohungen durch den Klimawandel ausgesetzt Die Pro-Kopf-Emissionen in den aumlrmsten Laumlndern sind mit weniger als einer Tonne CO2 pro Jahr in der Regel um ein Vielfaches geringer als z B die in Deutschland oder den USA (s auch Abbildung 20 S 44) Aumlhnlich groszlig ist der Unterschied der Pro-Kopf-Emissionen zwischen den Eli-ten und den besonders betroffenen Personengruppen in diesen Laumlndern

Die Ungerechtigkeit zwischen historischen und heutigen Verursachern einerseits und bereits Betroffenen des Kli-mawandels andererseits spielt v a auch in den interna-tionalen Verhandlungen um ein Post-2012-Abkommen eine zentrale Rolle Es zeigte sich auf der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 dass Vertrauen in internationalen Klimaschutz und entsprechendes Engagement nur wach-sen koumlnnen wenn das Prinzip der gemeinsamen aber dif-ferenzierten Verantwortlichkeit auf drei Dimensionen der internationalen Klimagerechtigkeit erweitert wird

n 1 Die Uumlberlebenssicherung aller Staaten als Minimum jeder Fairness

Fuumlr die von den Folgen des Klimawandels am meisten betroffenen Laumlnder steht bezuumlglich der Gerechtigkeits-frage das Uumlberleben an erster Stelle Deutlich vertrat beispielsweise der Inselstaat Tuvalu auf dem Kopenha-gener Klimagipfel die Position Klimaschutz (und damit das internationale Klimaabkommen) muumlsse so ambitio-niert gestaltet werden dass das Uumlberleben aller ndash also auch der verletzlichsten Staaten und Voumllkergruppen ndash gewaumlhrleistet werde Die LDCs und AOSIS waren es die zuerst die Forderungen aufstellten den globalen Tem-peraturanstieg auf 15 degC gegenuumlber vorindustriellem Niveau zu begrenzen

n 2 Die faire Lastenverteilung fuumlr Klima-schutz und Anpassung

Das emissionsintensive Wohlstandsmodell der Indust-rielaumlnder laumlsst sich aufgrund der Begrenztheit der Res-sourcen auch der Ressource bdquoKohlenstoffsenke Erdsys-temldquo nicht auf die ganze Welt uumlbertragen Gleichzeitig sind die Bekaumlmpfung der Armut und die wirtschaftliche Entwicklung oberste Prioritaumlt der Regierungen ndash insbe-sondere der Entwicklungslaumlnder Von ihnen den Umbau

6 Herausforderungen fuumlr die Klimapolitik

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zu einem neuen noch nirgends praktizierten Wohl-standsmodells zu verlangen waumlhrend die Industrielaumln-dern weiter ihren Wohlstand durch fossile Energietraumlger befeuern wird von den Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern verstaumlndlicherweise als ungerecht empfunden Da es bei der Frage der Lastenverteilung der Emissions-reduktionen vor allem um das Gerechtigkeitsverhaumllt-nis ndash wie kann unter der Beruumlcksichtigung von Gerech-tigkeitspraumlmissen die Verantwortung zur Bekaumlmpfung des Klimawandels fair verteilt werden ndash zwischen den maumlchtigsten Staaten der Erde geht hat diese Frage u a den Klimagipfel in Kopenhagen dominiert

Wenn die notwendigen ambitionierten Klimaziele er-reicht werden sollen muumlssen sich sowohl Industrie- als auch Schwellenlaumlnder zu weitgehenden Klimaschutz-maszlignahmen verpflichten Aus Gerechtigkeitsgruumlnden werden die Industrielaumlnder dabei vorangehen und ihre Treibhausgasemissionen bis Mitte des Jahrhunderts praktisch auf Null reduzieren ndash und zugleich den Umbau sowie die Anpassungsmaszlignahmen in Entwicklungslaumln-dern massiv unterstuumltzen muumlssen

n 3 Die gerechte Beteiligung an den Chancen der klimapolitischen Transformation

Eine ungewoumlhnliche Koalition aus besonders betrof-fenen Staaten (wie den Malediven) Schwellenlaumlndern (wie Suumldkorea) einer wachsenden Zahl von Akteuren aus Industrielaumlndern sowie NGOs und Investoren welt-weit weist zunehmend auf die dritte staumlrker in die Zu-kunft gerichtete Dimension der Gerechtigkeit hin Diese immer mehr an Bedeutung gewinnende Gerechtigkeits-frage stellt sich wenn das globale Rennen zu einer kli-mafreundlichen Weltwirtschaft (mit dem 2-degC-Limit als Leitplanke) tatsaumlchlich die notwendige Dynamik auf-nimmt Dies waumlre die groumlszligte wirtschaftliche Revolution seit der Erfindung der Dampfmaschine um deren Ablouml-sung es jetzt geht Die groszlige Gerechtigkeitsfrage wird dann Wer hat welchen Anteil an den Chancen dieser Neugestaltung der gesamten Energie- Verkehrs- In-dustrie- und Gebaumludeinfrastruktur weltweit Hier wer-den Macht Einfluss und Reichtum fuumlr morgen verteilt Aber auch die soziale und kulturelle Transformation die mit einer Entwicklung zur postfossilen Gesellschaft einhergehen muss birgt Gerechtigkeitskomponenten wie die Neugestaltung von Wertesystemen die nicht vernachlaumlssigt werden sollten Diese Dimension macht auch noch einmal deutlich dass die Wahrnehmung von Klimaschutz als Last (s oben) verkuumlrzt ist Es waumlre unge-recht wenn die Menschen die ndash ohne eigenes Verschul-den ndash vom Klimawandel am heftigsten betroffen sind die Armen auf diesem Planeten auch von neuen Wohl-standsmodell ausgeschlossen werden

Die drei Dimensionen der internationalen Klimagerech-tigkeit muumlssen zusammengefuumlhrt werden um eine nach-haltige Loumlsung durch Dynamik in der Gesellschaft in den Kommunen und in der Wirtschaft weltweit zu entfachen und die Menschen die heute in den aumlrmsten Laumlndern wohnen ebenfalls an den Gewinnen der groszligen Trans-formation teilhaben zu lassen

62 Geschichte der Klimapolitik Von Rio uumlber Kyoto nach Kopen-hagen

Uumlber die Frage wer wann die Treibhausgasemission wie stark verringern soll und welchen Anteil des Kli-maschutzes und der Anpassung an die Klimafolgen in Entwicklungslaumlndern die Industrielaumlnder bezahlen ver-handeln die jeweiligen Laumlnder seit Anfang der 1990er Jahre im Rahmen der 1994 in Kraft getretenen Klimarah-menkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change UNFCCC) In dieser Konvention verpflichteten sich die Industrielaumln-der ndash wenn auch nicht rechtsverbindlich ndash ihre Treibh-ausgasemissionen bis zum Jahr 2000 auf das Niveau von 1990 zu reduzieren Wichtiger jedoch war dass sie den Rahmen fuumlr naumlher auszuhandelnde rechtlich verbind-liche Zusatzvertraumlge (Protokolle) mit weitergehenden und verbindlichen Zielsetzungen schufen Daher auch die Bezeichnung bdquoRahmenkonventionldquo Das Kernziel der Rahmenkonvention ist in Artikel 2 ausgedruumlckt Eine gefaumlhrliche Stoumlrung des Klimasystems durch den Men-schen soll vermieden werden

Auf dem Klimagipfel in Kyoto 1997 wurde das erste voumll-kerrechtlich verbindliche Klimaschutzprotokoll verab-schiedet ndash quasi als Konkretisierung der Klimarahmen-konvention ndash nach Verhandlungen die bis zur letzten Minute aumluszligerst zaumlh und dem Scheitern bis auf Haares-breite nahe waren Das Kyoto-Protokoll enthaumllt fuumlr die beteiligten Industriestaaten Emissionsbegrenzungsziele der wichtigsten Treibhausgase von im Durchschnitt 5 Prozent gegenuumlber 1990 fuumlr den Zeitraum 2008 bis 2012 (die sogenannte bdquoerste Verpflichtungsperiodeldquo) Die EU-Staaten muumlssen ihren Ausstoszlig um durchschnittlich 8 Pro-zent verringern (Deutschland minus 21 Prozent) Japan hat sich zu einer Reduktion um 6 Prozent verpflichtet99 Die US-Regierung hatte ein Reduktionsziel von 7 Pro-zent unterzeichnet aber das Kyoto-Protokoll wurde vom US-Parlament letztlich nicht ratifiziert und trat fuumlr die USA damit nicht in Kraft

In der ersten Verpflichtungsperiode uumlbernahmen nur die Industrielaumlnder rechtlich verbindliche Emissionszie-le Gemaumlszlig dem Grundsatz der bdquogemeinsamen aber dif-ferenzierten Verantwortungldquo liegen die Gruumlnde hierfuumlr

99 Der komplette Vertragstext des Protokolls kann unter httpwwwunfcccintresourcedocsconvkpkpgerpdf abgerufen werden ndash dort sind auch die Emissionsziele aller Industriestaaten im Anhang B verzeichnet Die EU hat ihr 8-Ziel allerdings im bdquoBurden Sharing Agreementrdquo modifiziert so dass manche EU-Staaten staumlrkere und andere schwaumlchere Emissionsziele haben (siehe httpwwwclimnetorgresourceseuburdenhtm und httpwwwgermanwatchorgfolieneu-etfolie003htm)

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vor allem darin dass sie ndash sowohl bezuumlglich der histori-schen Gesamt- als auch der aktuellen Pro-Kopf-Emissio-nen ndash mit Abstand die meisten Treibhausgasemissionen verantworten Hinzu kommt dass sie wirtschaftlich und technologisch leistungsfaumlhiger sind und damit einen groumlszligeren Handlungsspielraum fuumlr Investitionen in Kli-maschutzmaszlignahmen haben

Der Ausstieg der USA aus dem Kyoto-Protokoll unter Praumlsident G W Bush im Maumlrz 2001 war ein herber Ruumlck-schlag aber die internationale Staatengemeinschaft fuumlhrte die Verhandlungen um die Umsetzung des Kyo-to-Protokolls zur Uumlberraschung vieler Beobachter den-noch weiter Die von dem Unternehmerverband e5 dem World Wide Fund for Nature (WWF) und Germanwatch in Gang gebrachte Unternehmerinitiative e-mission55 gab den Verhandlungen in der entscheidenden Phase Ruumlckenwind Uumlber 200 Firmen aus der EU Japan Kana-da und Russland hatten sich unter dem Motto bdquoKyoto into forceldquo (Kyoto in Kraft setzen) zusammengeschlos-sen und damit offen demonstriert dass groszlige Teile der Wirtschaft ndash trotz des Ausscheidens der USA ndash hinter dem Kyoto-Protokoll stehen100 Auf dem Bonner Kli-magipfel im Juli 2001 konnte schlieszliglich eine Einigung uumlber die wichtigsten Streitfragen erzielt werden u a uumlber Detailfragen bezuumlglich der bdquoflexiblen Mechanis-menldquo Der letzte bdquoFeinschliffldquo erfolgte wenige Monate spaumlter auf dem Klimagipfel in Marrakesch Die rechtlich bedeutsamen Ausfuumlhrungsbestimmungen des Kyoto-Protokolls waren nun praumlzise genug ausgestaltet um von den noch zoumlgernden Laumlndern ratifiziert zu werden Fuumlr das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls mussten 55 Staaten die mindestens 55 Prozent der Treibhausgas-emissionen der Industrielaumlnder von 1990 abdeckten das Abkommen ratifizieren Dies wurde erst durch die Rati-fikation Russlands im November 2004 erreicht so dass das Protokoll drei Monate spaumlter am 16 Februar 2005 in Kraft treten konnte

Danach haben die UNFCCC-Verhandlungen insbeson-dere durch die sich aus dem 4 Sachstandsbericht des IPCC ergebende Dringlichkeit im Jahr 2007 an neuer Dynamik gewonnen Beim Klimagipfel im indonesischen Bali (Dezember 2007) wurde die so genannte bdquoBali Road-mapldquo beschlossen bdquoRoadmapldquo deshalb weil sie einen Verhandlungsfahrplan mit dem Ziel einer umfassenden Einigung bis zum Klimagipfel 2009 in Kopenhagen dar-stellte Kern element dieser von allen Mitgliedsstaaten der Konvention mitgetragenen Vereinbarung war der Bali-Aktionsplan101 Er setzte einen intensiven Verhand-lungsprozess zur bdquovollstaumlndigen wirksamen und fort-laufenden Umsetzung der Konvention durch eine lang-fristige kooperative Zusammenarbeit heute bis und jenseits des Jahres 2012ldquo102 in Gang Getragen von der im IPCC-Bericht ausgedruumlckten Dringlichkeit ndash der Ak-tionsplan verweist auf die IPCC-Ausfuumlhrungen dass die Industrielaumlnder ihre Emissionen bis 2020 um 25-40 Pro-

zent gegenuumlber 1990 verringern muumlssten ndash skizzierte er vier Verhandlungsbloumlcke mit jeweils einer Reihe von Un-terthemen Im Zentrum standen dabei gleichgewichtig die Vermeidung von Emissionen (Mitigation) sowie die Anpassung an die Klimafolgen (Adaptation) unterstuumltzt durch Finanzierung und Technologie Fuumlr die Kyoto-Staaten ging es dabei vor allem um die Ausgestaltung der zweiten Verpflichtungsperiode fuumlr den Zeitraum nach 2012 denn es war von Anfang an klar dass Kyoto I (2008 bis 2012) nur ein erster und bei weitem nicht ausreichen-der Schritt sein konnte Fast alle Industriestaaten die Kyoto ratifiziert haben werden aller Voraussicht nach die gesetzten Klimaziele erreichen Nur Kanada verwei-gert das weil sein groszliger Wettbewerber USA nicht mit-macht Eventuell koumlnnte es ndash nach Fukushima ndash auch fuumlr Japan schwierig werden die Klimaziele zu erreichen

Doch hat der IPCC sehr deutlich gemacht dass das 2 degC-Limit alleine durch Klimaschutz in den Kyoto-In-dustrielaumlndern nicht zu erreichen sein wird Ein ganz zentraler Knackpunkt ist daher die Frage zu welcher Art von Verpflichtung sich die USA als damals noch groumlszligter CO2-Emittent und Nicht-Kyoto-Mitglied bereiterklauml-ren wuumlrden und ndash mindestens ebenso wichtig ndash welche Ambition und rechtliche Form der Klimaschutz in den Schwellenlaumlndern und spaumlter auch in anderen Entwick-lungslaumlndern haben wuumlrde Wenngleich der Aktionsplan noch keine Verpflichtung zu Maszlignahmen sondern nur zu Verhandlungen uumlber bestimmte Maszlignahmen darstell-te war er doch maszliggeblich fuumlr den darauf folgenden zweijaumlhrigen Verhandlungsprozess der in der Klimakon-ferenz von Kopenhagen gipfelte

63 Die Klimagipfel von Kopen-hagen und Cancuacuten

Wie nie zuvor bei einer Klimakonferenz richteten sich im Dezember 2009 die Augen der Welt auf Kopenhagen Mit fast 30000 Teilnehmern war es die groumlszligte Klima-konferenz uumlberhaupt Kein anderes Ereignis hat jemals in aumlhnlichem Ausmaszlig dazu beigetragen das Thema auf die Agenda der Regierungschefs weltweit zu setzen Jedoch zeigte sich dass diese hohe Aufmerksamkeit kein Garant fuumlr politischen Erfolg war Zu Beginn der Verhandlungen war bereits klar dass die Chancen auf ein umfassendes rechtlich verbindliches Abkommen in Kopenhagen sehr gering waren Die von den Verhandlern in knapp zwei Jahren ausgehandelten Texte waren umfassend kom-plex und gleichzeitig noch mit Hunderten von Klammern ndash der Ausdruck fuumlr fehlenden Konsens ndash versehen als zunaumlchst die Minister und dann die Staats- und Regie-rungschefs in Kopenhagen eintrafen

Es kam die gesamte politische Fuumlhrungselite der Welt nach Kopenhagen Mehr als 120 Staats- und Regie-

100 Siehe auch Germanwatch 2008101 Der Bali-Aktionsplan kann abgerufen werden unter httpunfcccintresourcedocs2007cop13eng06a01pdfpage=3102 UNFCCC 2007 3

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rungschefs vom US-Praumlsidenten Barack Obama bis hin zu Chinas Ministerpraumlsident Wen Jiabao Von der deut-schen Kanzlerin Angela Merkel bis hin zum Praumlsidenten der Malediven Mohamed Nasheed Der Klimawandel sei bdquoeine der groumlszligten Herausforderungen unserer Zeitldquo heiszligt es dann auch im Kopenhagen-Akkord dem zentra-len Abschlussdokument der Konferenz103 Jetzt sei die Zeit vom Reden zum Handeln uumlberzugehen hatte ein Regierungschef nach dem anderen beschworen Doch mit dem Kopenhagen-Akkord gelang dieser Durchbruch nicht Zum einen da er nur bdquozur Kenntnis genommenldquo und nicht als formelle Entscheidung verabschiedet wurde Denn sowohl aus prozeduralen wie auch aus in-haltlichen Gruumlnden war die Vereinbarung von einigen Laumlndern darunter kleine Inselstaaten wie Tuvalu und la-teinamerikanische Staaten wie Venezuela und Bolivien abgelehnt worden

Schon vor der Konferenz war klar dass drei zentrale Kriterien uumlber Erfolg oder Misserfolg der Konferenz maszliggeblich entscheiden wuumlrden Die Festlegung von Reduzierungszielen die die Erwaumlrmung auf unter 2 Grad oder sogar 15 Grad begrenzen wuumlrden Zusagen fuumlr finanzielle Unterstuumltzung zum Klimaschutz und zur An-passung sowie eine voumllkerrechtlich verbindliche Form des Abkommens In allen Bereichen ist der Kopenhagen-Akkord hinter dem immer dringlicher Notwendigen zu-ruumlckgeblieben

Die Ergebnisse von Kopenhagen muumlssen im Nachhinein in engem Zusammenhang mit dem darauf folgenden Kli-magipfel im mexikanischen Cancuacuten bewertet werden der im Dezember 2010 stattfand Hier ging es vor allem

darum Beschluumlsse von Kopenhagen mindestens auf glei-chem Niveau zu bdquoformalisierenldquo also als offizielle Ent-scheidung durch alle Staaten zu verabschieden in dem klaren Verstaumlndnis dass es eher um eine Absicherung von Minimalverpflichtungen ging als Grundlage fuumlr eine zukuumlnftig groumlszligere Ambition

Was wurde in Cancuacuten im Vergleich zu Kopenhagen er-reicht Schon im Laufe des Jahres 2010 zeichnete sich eine zentrale Grundlage fuumlr die Entscheidungen von Cancuacuten ab naumlmlich die Integration derjenigen Texte die auf Verhandlerebene zu den unterschiedlichsten Themen auch in Kopenhagen diskutiert und in 2010 weiterent wickelt worden waren mit den Inhalten des Kopenhagen-Akkord der von mehr als 140 Laumlndern offi-ziell unterstuumltzt wurde So wurde in Cancuacuten neben vielen Einzelentscheidungen ein umfassendes Dokument auf der Konventionsebene sowie eines auf Kyoto-Ebene an-genommen Die zentralen Ergebnisse waren die folgen-den die maszliggeblich auf den Beschluumlssen von Kopenha-gen aufbauten und zum groszligen Teil in den Folgejahren weiter ausgearbeitet werden muumlssen 104

rarr Es ist gelungen erstmals in einem UN-Konsens der gesamten Staatengemeinschaft das 2 degC-Limit als die Messlatte fuumlr die angestrebten Klimaschutzaktivitaumlten zu verankern Zwar war dies auch schon im Kopenhagen-Akkord enthalten aber eben nicht von allen Staaten formell angenommen worden

rarr Es ist gelungen einige groszlige Klimaschutzpakete zu verabschieden die eigentlich schon in Kopenhagen haumlt-ten verabschiedet werden sollen

Der UN-Klimagipfel 2009 in Kopenhagen Photo IISD

103 S Germanwatch 2009104 Germanwatch 2010a

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nEin Paket zur Anpassung der besonders betroffenen Staaten an die Konsequenzen des Klimawandels Mit dem bdquoCancuacuten Adaptation Frameworkldquo hat man ne-ben grundsaumltzlichen Aspekten wie Prinzipien fuumlr die Umsetzung von Anpassungsmaszlignahmen und einer Liste moumlglicher Aktivitaumlten auch konkrete Prozesse angestoszligen Dazu gehoumlren ein besonderer Unterstuumlt-zungsprozess fuumlr LDCs bei der Anpassungsplanung die Einrichtung einer Institution unter der UNFCCC fuumlr eine kohaumlrentere Behandlung des Themas in den Klimaverhandlungen

nEin Paket zum Schutz des Regenwaldes Aus Kli-maschutzgesichtspunkten ist der Schutz der Waumll-der wegen ihrer Funktion als CO2-Speicher zentral Entwaldung verwandelt den CO2-Speicher in eine CO2-Quelle durch die sich die Temperaturerhoumlhung weiter verschaumlrft Wenngleich in Cancuacuten noch keine konkreten Finanzierungsinstrumente fuumlr den Walder-halt beschlossen wurden hat man sich doch auf wich-tige Grundprinzipien die die soziale und oumlkologische Integritaumlt von Klimaschutz im Waldbereich sichern sollen geeinigt

nEin Paket zur Technologiekooperation das einen Technologiemechanismus unter der UNFCCC beinhal-tet der durch die Etablierung eines Technologie-Ko-mitees und den Aufbau eines Netzwerks von Techno-logiezentren die Technologiekooperation befoumlrdern soll

nEinen Finanzierungsfonds (bdquoGreen Climate Fundldquo) der Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung finanzieren soll Dessen Leitungsgremium (bdquoBoardldquo) wird zur Haumllfte von Industrie- und zur Haumllfte von Ent-wicklungslaumlndern besetzt Mit dem Kopenhagen-Ak-kord hatten die Staats- und Regierungschefs bereits den Weg fuumlr die Gruumlndung dieses Fonds geebnet Jedoch gab es sehr unterschiedliche Vorstellungen daruumlber wie die Verbindung des Fonds zum UNFCCC-Prozess aussehen sollte da insbesondere die USA starke Einwaumlnde gegen einen Fonds unter der Aumlgide des Konventionsprozess hatten Letztendlich hat die Entscheidung einen Mittelweg aufgezeigt Die finan-zielle Groumlszligenordnung steht noch nicht fest jedoch ist klar dass der bdquoGreen Climate Fundldquo nur eine Exis-tenzberechtigung hat wenn er ein sehr viel groumlszligeres Volumen haben wird als bisherige Fonds

nEs ist gelungen die freiwilligen Selbstverpflichtun-gen der Staaten die diese im Kopenhagen-Akkord eingereicht hatten in eine formale UN-Entscheidung zu integrieren Das erhoumlht z B den internationalen Druck auf die US-Regierung trotz politischen Wider-standes zuhause bei ihrem im Kopenhagen-Akkord bestaumltigten nationalen Ziel zu bleiben die Emissionen bis 2020 um 17 Prozent zu senken Eine Entscheidung

eines hohen US-Gerichts in Washington machte prak-tisch zeitgleich mit dem Ende des Cancuacuten-Gipfels den Weg frei fuumlr die ersten CO2-Standards in den USA Die Unternehmen mit dem groumlszligten CO2-Ausstoszlig so-wie der Staat Texas wollten die Klimaschutzregeln verhindern die auf dem Weg zu den notwendigen Re-duktionen einen wichtigen Beitrag spielen koumlnnen

nEs ist in beiden Cancuacuten-Vereinbarungen (als Ergeb-nis der Kyoto- und der Konventionsverhandlungen) festgehalten dass die Staaten ihre freiwilligen Ziele nachbessern sollen Das bedeutet einen Paradigmen-wechsel gegenuumlber der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls die Maximalziele definiert hat Die zunaumlchst vereinbarten Reduktionsziele bis 2020 verstehen sich als Minimalziele die in den kommen-den Jahren angehoben werden sollen Zwischen 2013 und 2015 soll es im Rahmen der Verhandlungen unter der Konvention dann eine Uumlberpruumlfung (bdquoReviewldquo) u a dazu geben mit welcher Strategie die verblei-bende Luumlcke zum 2-degC-Limit geschlossen werden kann Dies ist dringend notwendig da die im Zuge von Kopenhagen gemachten Klimaschutzzusagen der Industrie- und Entwicklungslaumlnder zu einer durch-schnittlichen globalen Temperaturerhoumlhung im Be-reich von 4 degC oder mehr fuumlhren koumlnnten105

nDas Zwischenergebnis fuumlr die Verhandlungen unter dem Kyoto-Protokoll wird fuumlr die Industrielaumlnder noch konkreter Diese sollen ihre Ziele so nachbes-sern dass dies im Durchschnitt 25-40 Prozent Reduk-tion bis 2020 gegenuumlber 1990 ergibt (Der IPCC sieht diese Reduktion als notwendig an um den Tempera-turanstieg mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit auf we-niger als 2 degC begrenzen zu koumlnnen)

nAlle Industrielaumlnder haben sich in Cancuacuten verpflich-tet bdquoLow-Carbon Development Plansldquo (Plaumlne fuumlr eine Entwicklung in Richtung einer CO2-armen Gesell-schaft) oder entsprechende Strategien zu entwickeln ndash allerdings bisher ohne zeitliche Vorgabe

nIm Bereich Langfrist-Finanzierung wurde das in Ko-penhagen gemachte Versprechen der Industrielaumln-der bestaumltigt bis zum Jahr 2020 die Finanzierung fuumlr Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung auf 100 Milliarden Dollar pro Jahr steigen zu lassen Der hierfuumlr aumluszligerst relevante Bericht der von Ban Ki- moon eingesetzten Arbeitsgruppe zur Langfristfi-nanzierung (AGF) wurde von der Konferenz zwar zur Kenntnis genommen106 Es wurde jedoch kein Prozess vereinbart im Jahr 2011 die Einfuumlhrung moumlglicher Finanzierungsinstrumente konkreter zu behandeln

nIm Gegenzug werden die Schwellen- und Entwick-lungslaumlnder aufgefordert so genannte bdquoLow-Carbon-Developmentldquo- Strategien oder -Plaumlne einzureichen

105 UNEP 2010106 Weitere Informationen zum AGF-Bericht siehe wwwgermanwatchorgklikoks46htm

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Diese sollen zeigen was ein Land ohnehin fuumlr den Klimaschutz tut und fuumlr welche Gesetzesvorhaben oder Aktivitaumlten es internationale Unterstuumltzung (Finanzen Technologie Capacity Building) braucht Es wird ein internationales Register aufgebaut das das Zusammenbringen erleichtert zwischen konkre-ten Anfragen (mit geschaumltzten Kosten und Emissions-reduktionen) und dem dafuumlr bestimmten Teil der in-ternationalen Finanzstroumlme

nChina hat in Cancuacuten schlieszliglich auf der Basis eines Vor schlags von Indien in der Frage der internationalen Uumlberpruumlfung der nationalen Klimaschutzaktivitaumlten den Weg zur notwendigen Transparenz der Maszlignah-men in Schwellenlaumlndern frei gemacht Dieses Thema war bereits in Kopenhagen ein zentraler Konflikt ins-besondere zwischen den USA und China gewesen Die Aktivitaumlten werden zwar national gemessen berich-tet und verifiziert aber anhand von unter der Konven-tion vereinbarten Richtlinien Die alle zwei Jahre vom entsprechenden Land vorgelegten Zwischenberichte werden dann international von Experten diskutiert und ein entsprechender Bericht wird vorgelegt

nBeinahe gescheitert waumlre der Gipfel von Cancuacuten an der Frage der zweiten Verpflichtungsperiode fuumlr das Kyoto-Protokoll Ein Kompromiss basierend auf bdquokonstruktiver Zweideutigkeitldquo hat hier den Weg frei gemacht Die Industriestaaten (mit Ausnahme der USA) verhandeln die zweite Verpflichtungsperio-de des Kyoto-Protokolls so zuumlgig zu Ende dass keine Luumlcke nach dem Auslaufen der ersten Verpflich-tungsperiode (2012) entsteht Es bleibt aber zu-naumlchst offen ob die Reduktionsziele dann tatsaumlchlich im Rahmen des Kyoto-Protokolls festgeschrieben werden oder ob die Verhandlungsergebnisse in ei-nem groumlszligeren gemeinsamen Rahmenabkommen an dem auch die Schwellenlaumlnder sowie die USA teilnehmen fixiert werden Angesichts des starken Widerstands von Laumlndern wie Japan Russland und Kanada besteht allerdings kein Grund fuumlr groszligen Optimismus dass es tatsaumlchlich zu einer umfassenden 2 Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls kom-men wird

Die Cancuacuten-Vereinbarungen stellen einen gewissen Teil-erfolg fuumlr den UNFCCC-Prozess dar der allerdings nicht daruumlber hinwegtaumluschen darf dass die Luumlcke zwischen politischer Ambition und wissenschaftlicher Dringlich-keit nach wie vor unakzeptabel groszlig ist Die Welt steuert auf eine Temperaturerhoumlhung von drei bis vier Grad in diesem Jahrhundert zu Es bedarf daher vielfaumlltiger Initi-ativen innerhalb und auszligerhalb des UNFCCC-Prozesses um diese Luumlcke so schnell wie moumlglich zu verkleinern

64 Handeln ndash Verhandeln ndash Koa-litionen Grundlage einer klima-politischen Aufwaumlrtsspirale

Das Verkleinern dieser Luumlcke bedarf eines dynamisches Zusammenspiels von drei Dimensionen Handeln in Poli-tik und Wirtschaft das weitere Verhandeln eines inter-nationalen Rahmens und die Koalition von Akteuren die Dynamik erzeugen wollen bzw koumlnnen

n Erste Dimension Handeln

Waumlhrend der Wirtschaftskrise der vergangenen zwei Jahre waren weltweit Energieeffizienz und Erneuer-bare Energien die Wirtschaftsmotoren Ein Blick auf die Entwicklung der Erneuerbaren Energien zeigt Im Jahr 20082009 wurden sowohl in Europa als auch in den USA Kraftwerke zur Nutzung Erneuerbarer Energien mit einer Stromleistung in Betrieb genommen die die Kapazitaumlt der neuen Kohle- Gas- und Kernkraftwerke des gleichen Zeitraums deutlich uumlbertrifft Im Jahr 2009 machten die Erneuerbaren Energien 60 Prozent der neu zugebauten Kraftwerkskapazitaumlt in Europa aus ndash und be-reits fast 20 Prozent der jaumlhrlichen Stromproduktion In China bdquoexplodiertldquo der Ausbau Erneuerbarer Energien geradezu mit 37 Gigawatt Leistung wurde dort 2009 fast die Haumllfte der neuen weltweiten Kapazitaumlt (80 GW) hinzugebaut Immer mehr spricht dafuumlr dass sich die wirtschaftlichen Chancen der Staaten weltweit maszlig-geblich daran orientieren werden wer bei Energieeffizi-enz und Erneuerbaren Energien die Nase vorne hat Fuumlr viele Entwicklungslaumlnder bietet sich jetzt die Gelegen-heit von vornherein ihre Infrastruktursysteme nachhal-tiger und effizienter aufzubauen als dies bisher in den Industrielaumlndern der Fall war waumlhrend diese mit dem Umbau ihrer existierenden Systeme vor einer enormen Herausforderung stehen Verschiedene Studien zeigen aber dass in der EU und Deutschland die Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien bis Mitte des Jahrhunderts moumlglich ist und dies ohne groszlige Zusatzkosten und bei gleicher Netzsicherheit107 Es gibt keinen Grund fuumlr die Staaten mit dem Handeln zu warten

n Zweite Dimension Verhandeln

Eine internationale Rahmensetzung kann nicht nur die Dynamik internationale Vergleichbarkeit und recht -liche Verbindlichkeit sichern Sie kann auch dafuumlr sor-gen dass nicht allein das Recht des Staumlrkeren den Aus-gang des Wettrennens in das Solarzeitalter bestimmt Sie kann dafuumlr sorgen dass auch die Lahmen und Brem-ser schrittweise mitkommen Sie ist auszligerdem wichtig um auch die internen Bremser in den Vorreiterstaaten uumlberzeugen zu koumlnnen

107 ECF 2010

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n Dritte Dimension Koalitionen

Sowohl zur Beschleunigung des Handelns als auch fuumlr neue Dynamik beim Verhandeln bedarf es neuer Koali-tionen mit den besonders betroffenen Staaten mit den Vorreiterstaaten sowie mit den Schwergewichten unter den Staaten Die Etablierung von neuen Formen der Zu-sammenarbeit die sich in den Klimaverhandlungen ab-zeichnen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin

Cancuacuten hat die in diesen Gipfel gesetzten Erwartungen erfuumlllt Damit wurde in Mexiko zumindest die Grund-lage fuumlr eine dynamisierende Aufwaumlrtsspirale gelegt Zunaumlchst ging es darum ein Mindestfundament einzu-ziehen um die bei den Industrielaumlndern sichtbare Ab-waumlrtsspirale nach Kopenhagen zu stoppen Dies wurde in Cancuacuten geleistet und muss in den folgenden UN-Kli-makonferenzen (z B Suumldafrika 2011) und anderen Pro-zessen ergaumlnzt werden Auch der Rio+20-Gipfel der im Mai 2012 stattfinden soll und Themen wie bdquogruumlne Wirt-schaftldquo und das globale umweltpolitische Institutionen-system auf seiner Agenda haben wird bietet hier eine groszlige politische Chance (Phase 1)

Zugleich wurden die naumlchsten bdquoSpiraldrehungenldquo nach oben vorgezeichnet Dass die Staaten jetzt ihre zu schwachen Ziele nachbessern sollen gehoumlrt zu den auf-

waumlrtstreibenden dynamisierenden Elementen Bis 2015 soll durch einen bdquoReviewldquo-Prozess die dann noch ver-bleibende Luumlcke zum Ziel bdquo2 degCldquo bestimmt werden und der Klimagipfel dann ndash basierend auf dem Review ndash die angemessenen Aktionen beschlieszligen (Phase 3) Das Ende dieses Reviews folgt ein Jahr nach der Veroumlffent-lichung des naumlchsten IPCC-Berichts (fuumlr 2014 geplant) der sehr wahrscheinlich ndash dies zeichnet sich in der wis-senschaftlichen Fachliteratur ab ndash die Dringlichkeit des globalen Klimaschutzes nachdruumlcklich untermauern und so hoffentlich als weiteres dynamisierendes Element ein zusaumltzliches politisches Momentum schaffen wird

65 EU Deutschland und China als Vorreiter

Auch wenn immer mehr Staaten die Chancen des Klima-schutzes sehen ist es fuumlr die internationale klimapoliti-sche Debatte zentral dass es Vorreiter gibt die zeigen dass sie bereits heute den politischen Willen besitzen den notwendigen energiepolitischen Strukturwandel einzuleiten Es geht darum den Nachweis zu fuumlhren dass ein Wohlstandsmodell jenseits der fossilen Ener-gietraumlger moumlglich und zuumlgig umsetzbar ist Um die Emis-sionen bis Mitte des Jahrhunderts um bis zu 95 Prozent

Abb 25 Die drei Phasen der angestrebten Aufwaumlrtsspirale des internationalen Klimaschutzes

Quelle Eigene Darstellung

Phase dreiTop-Down-Ansatzbull Nachbesserung der Reduktions-

und Finanzzielebull Weitere Aktionspakete werden

vereinbartumgesetztbull Rechtlich verbindliche Ziele

Phase einsBottom-Up-Ansatzbull Freiwillige Ziele und Aktions-

pakete werden formalisiertbull Erste Pakete (Regenwald usw)

werden umgesetztbull Phase drei wird angelegt

Phase zweiDynamisierende Elementebull Erste Pakete sind umgesetzt bull China und EU bewegen sich uumlber

Minimalziele hinausbull Vorreiterkoalitionen bilden sichbull Gemeinsame Anrechnungsregeln

und rechtlicher Charakter geklaumlrtbull Langfristfinanzierung gesichertbull Roadmaps vor Rio plus 20bull IPCC betont Dringlichkeit und

Kosten des Wartens

2014-15

2010-11

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in den Industrielaumlndern zu senken bedarf es fruumlhzeitiger wirtschaftspolitischer Weichenstellungen denn viele Investitionen gerade im Energiebereich werden nur auf Basis langfristiger Kalkulationen getaumltigt Werden heute Kohle- oder Atomkraftwerke gebaut sollen sie normalerweise 40 Jahre oder laumlnger betrieben werden Fuumlr eine EU die derzeit recht mutlos nach einer neuen Vision sucht kann dieses neue Wohlstandsmodell ver-bunden mit der Rolle einer bdquosoft powerldquo die statt auf Rohstoffkriege auf internationale Kooperation im Sinne der Klima- und Energiesicherheit setzt ein Aufbruchs-signal sein Die EU und Deutschland koumlnnen hier eine Schluumlsselrolle spielen indem sie jetzt entsprechende Rahmenbedingungen setzen die allen Akteuren in den Bereichen Energie Verkehr Gebaumlude sowie Land- und Fortwirtschaft signalisieren Wir stellen jetzt die Wei-chen fuumlr die notwendige groszlige Transformation

In der Vergangenheit war die EU oft das klimapolitische Zugpferd wenn auch meist nicht mit der notwendigen Dynamik Im Fruumlhjahr 2007 setzte sie sich als erster grouml-szligerer Zusammenschluss von Industrielaumlndern Emissions-minderungsziele fuumlr 2020 20 Prozent Verringerung der Emissionen gegenuumlber 1990 ndash 30 Prozent wenn andere Industrielaumlnder und Schwellenlaumlnder ihren angemesse-nen vergleichbaren Beitrag leisten Dementsprechend wurden im Jahr 2008 auch klimapolitische Gesetzge-bungen beschlossen z B die Reform des Europaumlischen Emissionshandelssystems die Vereinbarung von ndash aller-dings nicht verbindlichen ndash Energieeffizienzzielen sowie von Zielen fuumlr den Ausbau der Erneuerbaren Energien

Nach der Wirtschaftskrise und aufgrund des zuumlgigen Aufbaus von Quellen fuumlr Erneuerbare Energien zeigt sich allerdings dass dieses 20-Prozent-Ziel nicht mehr besonders ambitioniert ist und nicht die notwendigen klimapolitischen Impulse entfaltet Deshalb halten es immer mehr Akteure fuumlr sinnvoll und notwendig dass die EU ihr Emissionsziel auf 30 Prozent erhoumlht unab-haumlngig davon was andere Laumlnder machen So sieht der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung fuumlr Glo-bale Umweltfragen in einem solchen Ziel verknuumlpft mit der Langfristversion einer vollstaumlndig erneuerbaren Energieversorgung nicht nur das Potenzial einer neuen und nachhaltigen Wirtschaftsdynamik Dies wird auch als notwendiger Schritt fuumlr eine bdquoglaubwuumlrdige Basis fuumlr eine Kooperation mit Entwicklungs- und Schwellenlaumln-dernldquo108 gesehen

Ab Mitte 2011 will die Europaumlische Union erneut uumlber das 30-Prozent-Ziel beraten Der Einigung stand zu-naumlchst der Widerstand insbesondere einiger osteuropauml-ischer Laumlnder vor allem Polens entgegen Aufgrund sei-nes extrem hohen Anteils an Stromerzeugung aus Kohle fuumlrchtet das Land wirtschaftliche Lasten aus solch einem Klimaschutzziel Eine engere Zusammenarbeit gerade im

Bereich Energieeffizienz z B zwischen Deutschland und Polen koumlnnte einen Beitrag zu einer Loumlsung dieses politi-schen Problems leisten

Die deutsche Regierung ist in der Frage des 30-Prozent-Ziels zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium um-stritten ndash und leider hat die Bundeskanzlerin von ihrer Richtlinienkompetenz hier bisher keinen konstruktiven Gebrauch gemacht Ohne eine starke Rolle der groumlszligten Energie- und Wirtschaftsnation der EU kann der Durch-bruch fuumlr das 30-Prozent-Ziel jedoch nicht gelingen

Die deutsche Bundesregierung hat im Herbst 2010 ein neues Energiekonzept beschlossen das weit mehr als nur die zu Recht kritisierte Verlaumlngerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke enthaumllt109 Dieses Energiekonzept beinhaltet das Ziel die deutschen CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 und um 80 bis 95 Prozent bis 2050 zu senken (gegenuumlber 1990) Dieses soll durch eine Viel-zahl gesetzlicher Maszlignahmen erreicht werden Laut Bundesregierung sollen die Erneuerbaren Energien bis 2050 etwa 80 Prozent der Stromversorgung und den Hauptteil der Energieversorgung uumlbernehmen obgleich viele Studien zeigen dass auch 100 Prozent im Bereich des Moumlglichen und wirtschaftlich Sinnvollen sind Die Regierung setzt sich erfreulicherweise fuumlr ein moder-nes und leistungsfaumlhiges Stromnetz ein Sie setzt auch deutliche Effizienzziele im Gebaumludebereich auch wenn diese abgeschwaumlcht wurden Die Bundesregierung kuumln-digt damit an den Weg ins erneuerbare Zeitalter einzu-schlagen Gleichzeitig setzt das Konzept allerdings stark auf Atomenergie und auch weiterhin auf Kohle Zudem wurden zahlreiche Maszlignahmen die zur Zielerreichung notwendig waumlren nicht beschlossen

Insgesamt meinen daher viele Akteure dass die gesetz-ten Effizienz- und Klimaziele so nicht erreicht werden koumlnnen110 So sollen die Laufzeitverlaumlngerungen fuumlr Atomkraftwerke ndash neben den Erloumlsen des Emissions-handels ndash einen neuen Klima- und Energiefonds fuumlr den kosteneffizienten Uumlbergang zu Erneuerbaren Energien finanzieren Sie schraumlnken aber zugleich die Einnah-men aus dem Emissionshandel fuumlr den gleichen Zweck ein Die im Rahmen des Energiekonzepts vereinbarte Einrichtung eines Sondervermoumlgens zur dauerhaften Finanzierung von nationalen und internationalen Klima-maszlignahmen war ein weiterer innovativer Schritt der eine groumlszligere Verlaumlsslichkeit der Finanzierung bringen kann Trotz aller Unzulaumlnglichkeiten ist die grundsaumltz-liche Ambition des Energiekonzepts jedoch ein Zeichen dafuumlr dass es immer mehr darum geht wie ambitionier-te Klimaziele erreicht werden sollen und immer weniger darum ob ambitionierter Klimaschutz notwendig ist

Waumlhrend dieser Text geschrieben wird will die Bundes-regierung nun ausgeloumlst durch den Schock der Reaktor-

108 WBGU 2010109 Bundesregierung 2010110 S z B Germanwatch 2010a Wuppertal Institut 2010

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katastrophe in Japan einen beschleunigten Ausstieg aus der Atomkraft sowie einige der fehlenden Maszlignahmen zur Zielerreichung beschlieszligen Es ist derzeit (Mitte April 2011) noch nicht absehbar welche Luumlcke zwischen verkuumlndeten Zielen und beschlossenen Maszlignahmen nach diesen Beschluumlssen noch klaffen wird

Neben den Industriestaaten muumlssen auch Schwellen-laumlnder deren Emissionen aufgrund des mit dem Wirt-schaftswachstum einhergehenden Verbrennens fossiler Energietraumlger schnell zunehmen so bald wie moumlglich ihre Klimaschutz-Ambition erhoumlhen Der groszlige Anstieg der Treibhausgasemissionen findet ganz uumlberwiegend hier statt Eine effektive Klimapolitik ist in den Schwel-lenlaumlndern zum heutigen Zeitpunkt deshalb so wichtig weil in der industriellen Aufbauphase langfristig ent-scheidende Investitionen getaumltigt werden die gerade auch die Energieversorgung des Landes uumlber einen lan-gen Zeitraum festlegen Vom Ausbau der Energieeffizi-enz und der Nutzung Erneuerbarer Energien profitieren Schwellenlaumlnder abgesehen von der verbesserten Luft-qualitaumlt ebenfalls durch die staumlrkere Unabhaumlngigkeit von Rohstoffimporten Eine solche Strategie wirkt sich als Versicherung gegen immer haumlufiger schwankende Energiepreise aus

China ist derzeit sicherlich das klimapolitisch span-nendste und bedeutendste Schwellenland das sich gerade durch seine Widerspruumlchlichkeit auszeichnet Dort werden nach wie vor die meisten Kohlekraftwerke weltweit gebaut und das Milliardenreich hat die USA laumlngst beim Treibhausgasausstoszlig uumlberholt (wenngleich mit einem deutlich geringeren Pro-Kopf-Ausstoszlig) In den Klimaverhandlungen tritt China in gewisser Weise als Gegenpol zu den USA auf wobei der Klimagipfel von Cancuacuten gezeigt hat dass hier konstruktive Fortschritte moumlglich sind Allerdings und das wird in der Oumlffentlich-keit haumlufig unzureichend behandelt hat das Land in den beiden letzten Jahren mehr in Richtung Klimaschutz ge-tan als fast jeder andere Staat der Welt China ist laumlngst zur fuumlhrenden Weltmacht bei der Herstellung und Im-plementierung Erneuerbarer Energien geworden Und es werden nicht nur neue Kraftwerke in Betrieb genom-men Tausende von ineffizienten Kraftwerken und Un-ternehmen sind im Jahr 2010 geschlossen worden ndash mit der Folge groszliger sozialer Probleme ndash um das Land den selbst gesteckten Energieeffizienzzielen naumlher zu brin-gen Staumldten die Effizienzmaszlignahmen nicht umsetzen wird zeitweise der Strom abgeschaltet In den naumlchsten Jahren will China das Zubautempo der Kohlekraftwerke halbieren waumlhrend der Ausbau der Erneuerbaren Ener-gien schneller vorangeht als urspruumlnglich geplant111

Wenn das Land allerdings nicht massenweise neue Koh-lekraftwerke stilllegt lassen sich ernsthafte Klimaziele in China nur erreichen wenn CO2 aus Abgasen heraus-

gefiltert und geologisch tief gelagert wird (so genanntes bdquoCarbon Capture and Storageldquo CCS) Nach der Durch-fuumlhrung von 20 Pilotprojekten haben nun zwei groumlszlige-re Demonstrationsprojekte von 250 bis 400 Megawatt Leistung Prioritaumlt die bis 2016 in Betrieb gehen sollen Die Regierung erwartet ndash und daran kann der ganze Ansatz scheitern ndash dass die Industrielaumlnder die Zusatz-kosten fuumlr CCS schultern Im Nordosten Chinas wurden erste Untersuchungen zu CO2-Speicherstaumltten durchge-fuumlhrt die mit der Identifikation einer Speicherkapazitaumlt von 600 Megatonnen CO2 zu positiven Ergebnissen ka-men Wenn CCS eine groumlszligere Rolle als nur eine Nische ausfuumlllen soll muumlssen weitere Untersuchungen von salz-wasserfuumlhrenden Gesteinsschichten und leeren Oumll- und Gasfeldern folgen

Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt dass es in diesem groszligen vielfaumlltigen Land nicht einfach ist die zentral gesteckten Ziele auf den verschiedenen Ebenen zu erreichen Die Emissionen wachsen weiterhin stark an Das Erreichen der Ziele haumlngt in China daher zum ei-nen von einer besseren Durchsetzung der eingefuumlhrten Gesetze ab In Teilen der chinesischen Regierung setzt sich die Erkenntnis durch dass die massive Nutzung von Energieeffizienz und dezentralen Erneuerbaren Energie-traumlgern ohne eine aktive Zivilgesellschaft nicht gelingen kann ndash eine in mancher Hinsicht spannende Perspektive Zum anderen wird aber auch entscheidend sein in wel-cher Form sich Partnerstaaten gerade auch der Export-weltmeister Deutschland und die EU hier engagieren Durch bilaterale Energie- und Klimaabkommen Techno-logiepartnerschaften Austausch zwischen Niedrigemis-sionsregionen in China und der EU und die Beratung bei der politischen Rahmensetzung koumlnnte der Kurs hin zu Energieeffizienz und Erneuerbaren Energietraumlgern un-termauert werden112

Letzteres gilt natuumlrlich auch fuumlr die Kooperation mit an-deren Schwellenlaumlndern wie Indien Brasilien Mexiko oder Suumldafrika Brasilien spielt vor allem aufgrund des Amazonas-Regenwaldes eine wichtige Rolle fuumlr den Kli-maschutz da die riesigen Waldgebiete enorme Mengen Kohlenstoff speichern die bei ihrer Zerstoumlrung wieder freigesetzt werden Mexiko zeigt sich in der internati-onalen Klimapolitik sehr konstruktiv was nicht zuletzt der Klimagipfel von Cancuacuten gezeigt hat Suumldafrika weist eine ganz eigene Struktur auf Die Pro-Kopf-Emissionen des Landes sind fuumlr ein Schwellenland relativ hoch Zu begruumlnden ist dies mit dem hohen Lebensstandard hauptsaumlchlich der weiszligen Bevoumllkerung Bei den inter-nationalen Verhandlungen spielt das Land in der Regel eine konstruktive Rolle Die Regierung erwaumlgt moumlg-licherweise in Zusammenarbeit mit Deutschland den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Strombereich massiv voranzutreiben Suumldafrika wird Ende 2011 zudem den UNFCCC-Klimagipfel ausrichten

111 S z B httpwwwchinafaqsorg112 S auch Germanwatch 2010c

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66 USA zwischen Ambition und Bremsmanoumlvern

Mit dem Amtsantritt von US-Praumlsident Obama hatte die Welt Hoffnung dass die USA nach Jahren der klimapoli-tischen Verweigerung unter Praumlsident George W Bush zu einer neuen Dynamik in den Klimaverhandlungen beitragen koumlnnte Dass dies nicht in dem Maszlige wie er-hofft zur Realitaumlt geworden ist liegt vor allem an der zunehmenden innenpolitischen Polarisierung zwischen Demokraten und Republikanern zwischen Klimaschutz-befuumlrwortern und solchen die immer noch den anthro-pogenen Klimawandel bezweifeln

Praumlsident Obama hatte zunaumlchst die Ambition die USA schrittweise auf einen Pfad zu fuumlhren der bis zum Jahr 2050 die Emissionen um mehr als 80 Prozent gegenuumlber 2005 verringern wuumlrde Ein zentrales Instrument hier-zu sollte die Einfuumlhrung eines landesweiten Emissions-handelssystems sein bis 2020 sollten die landesweiten Emissionen um 17 Prozent gegenuumlber 2005 verringert werden Der Emissionshandel sollte auch signifikant zur internationalen Klimafinanzierung beitragen

Im Sommer 2009 also noch vor Kopenhagen beschloss dann auch das Repraumlsentantenhaus ein entsprechen-des Klimaschutzgesetz Allerdings ist es dann nicht ge-lungen einen entsprechenden Konsens in der zweiten Entscheidungskammer dem Senat der Vertretung der Bundesstaaten zu erreichen Nachdem sich dort auch noch die Mehrheitsverhaumlltnisse zugunsten der Repub-likaner veraumlndert haben besteht in dieser Legislatur-periode keine Aussicht auf ein entsprechendes Klima-schutzgesetz Zumal es auch unter den Demokraten aus kohle- und oumllproduzierenden Bundesstaaten eine groszlige Skepsis gegen ein Klimagesetz gibt Zwar treten die USA in den internationalen Klimaverhandlungen weiterhin mit dem in Kopenhagen verkuumlndeten 17-Prozent-Ziel (gegenuumlber 2005) auf aber eine klare Strategie wie dieses wirklich erreicht werden soll scheint zu fehlen Ordnungspolitische Vorgaben durch die nationale Um-weltschutzagentur (Environmental Protection Agency EPA) sind im Moment der aussichtsreichste Ansatz um Klimapolitik schrittweise voranzubringen113

Die fehlende einheimische Gesetzgebung macht es der amerikanischen Regierung schwer in den Klimaver-handlungen aktiv und glaubwuumlrdig aufzutreten so dass derzeit von Seiten der USA keine wirklich Grundlage be-steht uumlber ein rechtlich verbindliches und ratifizierba-res Abkommen zu verhandeln Angesichts der zentralen Rolle der USA stellt dies den internationalen klimapoliti-schen Prozess vor groszlige Herausforderungen

Trotzdem zeichnet sich eine gewisse Klimaschutzdyna-mik im Land ab So waumlchst die Zahl der US-Bundesstaa-

ten und Kommunen die mit ernsthaftem Klimaschutz beginnen Auch die Zwischenwahlen in den USA (2010) haben in den entsprechenden Regionen eher den Klima-schutz gestaumlrkt So setzen sich einige Staaten anspruchs-volle CO2-Minderungsziele arbeiten an der Einfuumlhrung von Emissionshandelssystemen und foumlrdern immer staumlr-ker die Erneuerbaren Energien Auch viele Akteure in Finanzmarkt und Industrie setzen inzwischen auf ernst-haften Klimaschutz Sie sehen dass sie sonst in einem ganz groszligen globalen Zukunftsmarkt den Anschluss verlieren Auch durch konjunkturpolitische Maszlignahmen im Zuge der Wirtschaftskrise hat die US-Regierung In-vestition in Erneuerbare Energien und andere Bereiche gefoumlrdert

67 Anpassung an den Klimawandel Neben der Frage des Verringerns von Emissionen wird auch die Anpassung (engl Adaptation) an die negati-ven Auswirkungen des Klimawandels ein zunehmend wichtiges Thema ganz besonders fuumlr die aumlrmsten Ent-wicklungslaumlnder die Least Developed Countries (LDCs) und die kleinen Inselstaaten Die dramatischsten und zukunftsferneren Folgen des Klimawandels koumlnnen zwar durch Minderung von Treibhausgasemissionen begrenzt werden (bdquoVermeidung des Unbewaumlltigbarenldquo) ein Teil der Folgen laumlsst sich aber nicht mehr aufhalten und An-passungsmaszlignahmen sind demzufolge unumgaumlnglich (bdquoBewaumlltigung des Unvermeidbarenldquo) Insbesondere die Entwicklungslaumlnder fragen sich daher zunehmend Wie koumlnnen wir verhindern dass der Klimawandel unsere Entwicklungsziele gefaumlhrdet und bereits erzielte Ent-wicklungserfolge zunichte macht Dies gilt speziell fuumlr besonders klimasensible Bereiche wie die Ernaumlhrungs-sichereit und die Wasserverfuumlgbarkeit aber auch fuumlr Gesundheitsaspekte (s auch vorherige Kapitel zu den Auswirkungen des Klimawandels) Die Anpassung also der Umgang mit den Klimafolgen ist damit kein Selbst-zweck Sie dient vor allem dazu Entwicklung im Zeichen des Klimawandels zukunftsfaumlhig und widerstandsfaumlhig zu machen

Wie auch die vorhergehenden Berichte betont der vier-te Sachstandbericht des IPCC die besondere Anfaumlllig-keit von Entwicklungslaumlndern insbesondere von LCDs und kleinen Inselstaaten fuumlr die Folgen des Klimawan-dels114 Diese hohe Verletzlichkeit (Vulnerabilitaumlt) der aumlrmsten Staaten begruumlndet sich neben einer uumlberdurch-schnittlichen Risikozunahme von Wetterextremen in vielen Regionen des Suumldens aus i) ihrer starken Betrof-fenheit vom Klimawandel und von Wetterextremen ins-besondere durch die uumlberproportionale Bedeutung der witterungsabhaumlngigen Landwirtschaft ii) dem Mangel an finanziellen Ressourcen sowie iii) einem mangelnden Zugang zu Informationen Krediten und anderen Dienst-leistungen Die Folge ist eine geringe Kapazitaumlt zur Be-

113 Wasserman 2010114 IPCC 2007b

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waumlltigung der Herausforderungen die der Klimawandel mit sich bringt

Vor diesem Hintergrund gibt es eine Vielzahl von Ansatz-punkten um die Anpassungsfaumlhigkeit gegenuumlber den Risiken des Klimawandels zu erhoumlhen In der Konzeption des bdquoAnpassungskontinuumsldquo (s Abb 26) bewegen sich diese zwischen sehr konkreten Interventionen zur An-passung an spezifische Klimarisiken auf der einen Seite und der Verringerung der allgemeinen Vulnerabilitaumlt auf der anderen Seite Waumlhrend konkrete Projekte kurzfris-tig zur Anpassung beitragen koumlnnen ist die Integration in politische Planungsprozesse wichtig um eine Gesell-schaft laumlngerfristig auf den Klimawandel vorzubereiten und auch z B langfristige Fehlinvestitionen zu vermei-den In der Entwicklungspolitik z B im Bereich Ernaumlh-rungssicherung koumlnnen dementsprechend spezifische Anpassungsstrategien dazu beitragen die Ernaumlhrungs-sicherungspolitik klimasicherer zu machen

Der Klimagipfel von Cancuacuten hat eine Reihe von Maszlignah-men beschlossen um die Entwicklungslaumlnder staumlrker bei der Anpassung an die Folgen zu unterstuumltzen (s 63) Zu-dem gewinnt dieses Thema auch in der konkreten Ent-wicklungszusammenarbeit immer mehr an Bedeutung

Wichtige Elemente einer Anpassungsstrategie koumlnnen beispielsweise die Nutzung von Langzeitwettervorher-sagen Fruumlhwarnsystemen und oumlffentlich-privaten Ver-sicherungsmaumlrkten (etwa bdquoMicro-Insuranceldquo) zur Verrin-gerung der Risiken durch Wetterextreme sein Duumlrren Uumlberschwemmungen und Stuumlrme bergen besonders fuumlr arme Landbewohner in den Entwicklungslaumlndern die Gefahr das fuumlr die gegenseitige Unterstuumltzung notwen-dige soziale Netzwerk zu zerstoumlren Wettervorhersagen koumlnnen sowohl die Optimierung der Pflanztermine als auch die Planung der Bildung eines Vorrats an Lebens-mitteln vor Duumlrren erleichtern Gerade fuumlr die Aumlrmsten fehlt es bisher weitestgehend an Versicherungssyste-men zum Schutz gegen die finanziellen Folgen von Ex-tremereignissen und ohne Ko-Finanzierung aus den In-dustriestaaten wird die Versicherungswirtschaft diese mangels Kaufkraft der Bevoumllkerung vor Ort auch nicht aufbauen Der Erhalt natuumlrlicher Systeme wie der Koral-len oder der Mangrovenwaumllder die eine wichtige Funk-tion zur Stabilisierung von Kuumlstenstreifen ausuumlben kann als Anpassungsmaszlignahme gegen einen steigenden Mee-resspiegel und gegen Uumlberflutungen verstanden wer-den Im konkreten Notfall koumlnnen solche Maszlignahmen zwar die Katastrophenhilfe nicht ersetzen In langfristi-ger Betrachtung besteht dennoch wenig Zweifel dass

Verringerung der Vulnera bi litaumlt

Aktivitaumlten zur Ver - ring erung der Armut und anderer nicht klimatischer Stress faktoren die Menschen verletzlich machen

Aufbau von Reaktionsfaumlhigkeit

Aktivitaumlten die dem Aufbau robuster Systeme der Problem-loumlsung dienen

Management von Klimarisiken

Aktivitaumlten zum Einbezug von Klima -informationen in Entscheidungs-prozesse

Anpassung an den Klimawandel

Aktivitaumlten zu Aus-wirkungen die direkt auf den Klimawandels zuruumlckzufuumlhren sind

Traditionelle Entwicklungsfinanzierung Neue und zusaumltzliche Anpassungsfinanzierung

VulnerabilitaumltsfokusFokus auf die Auswirkungen

des Klimawandels

Quelle Harmeling 2010

Abb 26 Das bdquoAnpassungskontinuumldquo und Strategien zur Ernaumlhrungssicherung

Nationale Anpassungs-KlimastrategienErnaumlhrungssicherungs- Wasserstrategien

Armutsbekaumlmpfungsstrategien MDG-Aktionsplaumlne

Katastrophen- vorsorgestrategien

Nationale Aktionsprogramme fuumlr Anpassung (NAPA)

Entwicklungspolitik fuumlr klimaresiliente Ernaumlhrungssicherheit

62

Info-Kasten 6 Der Wald als Senke und Reservoir von CO2

Eine bdquonatuumlrliche Technologieldquo die zur Verringerung der atmosphaumlrischen Treibhausgaskonzentration bei-tragen kann ist die Senkenfunktion der Vegetation d h die Bindung von CO2 durch Pflanzen insbeson-dere durch Baumlume (siehe 13) Belastend fuumlr das Klima ist die Freisetzung dieses CO2 durch die Vernichtung von Waumlldern wenn diese anschlieszligend nicht wieder nachwachsen bzw aufgeforstet werden Allerdings ist dem Klimaschutz aus vier Gruumlnden nicht gedient wenn das Anpflanzen von Waumlldern auf die Emissi-onsziele des Kyoto-Protokolls oder des europaumlischen Emissionshandels angerechnet werden kann

Erstens wird dadurch weniger Klimaschutz in an-deren Bereichen wie Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz geleistet Diese sind aber im Sinne des notwendigen Umbaus der weltweiten Energie-systeme dringend erforderlich Zweitens bestehen nach wie vor groszlige wissenschaftliche Unsicherhei-ten beim Berechnen der CO2-Menge die netto durch Aufforstung gebunden wird Drittens kann niemand garantieren fuumlr wie viele Jahre geschweige denn Jahrzehnte ein Wald intakt bleiben und damit CO2

binden wird So hat der Amazonasregenwald im letz-ten Jahrzehnt ndash wegen zweier groszliger Duumlrren ndash moumlg-licherweise mehr CO2 freigesetzt als gebunden Und viertens koumlnnen erhebliche soziale und oumlkologische Probleme entstehen wenn Waumllder alleine unter CO2-Aspekten optimiert werden So zeichnet sich ab dass die Artenvielfalt oder der Wasserhaushalt bei Neuan-pflanzungen alleine unter CO2-Aspekten regelmaumlszligig mit Beeintraumlchtigungen zu rechnen haben

Aufforstung sollte also zusaumltzlich zu ndash und nicht an-stelle von ndash Maszlignahmen in den Bereichen Energie-effizienz und Erneuerbare Energien geleistet werden Auszligerdem sollte sie so weit wie moumlglich zum Schutz der Artenvielfalt dienen

Nicht nur zum Klimaschutz auch im Hinblick auf die vielen anderen wertvollen Funktionen des Waldes die zum Teil auch wichtige Beitraumlge fuumlr die Anpas-sung an den Klimawandel leisten koumlnnen bedarf es eines groszligangelegten globalen Konzepts mit wir-kungsvollen Anreizen um die schnelle Entwaldung zu verhindern

vorbeugende Maszlignahmen effektiv sind da sie Verluste mindern und sich finanziell auszahlen Die Kombination von vorbeugenden Maszlignahmen und Katastrophenhilfe verspricht die besten Erfolge bei der Anpassung an den Klimawandel

Politisch relevant ist insbesondere die Frage der Finan-zierung der Anpassungsmaszlignahmen in Entwicklungs-laumlndern Im UN-Kontext sowie durch die bilaterale Ent-wicklungszusammenarbeit gibt es bereits verschiedene Finanzierungsmechanismen die aber alle weit hinter den geschaumltzten Anpassungskosten von mehr als 70 Milliarden US-Dollar pro Jahr in Entwicklungslaumlndern zuruumlckbleiben115 Die kapitalstarken Hauptverursacher des Klimawandels werden besonders gefragt sein die Kosten der Anpassung in Entwicklungslaumlndern zu tra-gen Das beim Klimagipfel in Cancuacuten bestaumlrkte Verspre-chen der Industrielaumlnder fuumlr Klimamaszlignahmen bis 2020 jaumlhrlich 100 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren wird zu einem wesentlichen Teil auch Anpassungsmaszlignah-men finanzieren muumlssen insbesondere durch den neuen Green Climate Fund Eine gewisse Finanzierungsstruk-tur fuumlr Anpassung im UNFCCC-Kontext besteht bereits Insbesondere der Anpassungsfonds unter dem Kyoto-Protokoll ist hier ein wichtiges Instrument das auch neue Wege in der internationalen Klimafinanzierung eingeschlagen hat116 Auf bilateraler Ebene bietet die

Internationale Klimaschutzinitiative der Bundesregie-rung eine innovative Moumlglichkeit Projekte staatlicher und nichtstaatlicher Akteure in Entwicklungslaumlndern zu finanzieren117 Aber auch insgesamt spielt Anpassung in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit Deutsch-lands und anderer Industrielaumlnder eine wachsende Rolle

68 Technologien und Finanzmarkt

Die langfristig notwendige Verringerung der Treibhaus-gasemissionen weltweit ist nur durch die rasche Verbrei-tung und staumlndige Innovationen im Bereich klimafreund-licher Technologien denkbar auch wenn Einsparungen durch Verhaltensaumlnderungen insbesondere in den In-dustrielaumlndern ebenfalls eine wichtige Rolle zukommt Mittel- bis langfristig ruhen die groumlszligten Hoffnungen auf Erneuerbaren Energien in Kombination mit Energieeffi-zienz Natuumlrlich gilt es auch bei deren Nutzung eine um-weltvertraumlgliche effiziente und zukunftsfaumlhige Anwen-dung sicherzustellen Kritische Aspekte (z B im Bereich der Biotreibstoffe) gilt es zu beruumlcksichtigen und gegen ihren klimapolitischen Nutzen abzuwaumlgen So zeichnet sich ab das Biotreibstoffe der ersten Generation selten aus klimapolitischer Sicht sinnvoll sind Bereits heute

115 Siehe z B Weltbank 2010 116 S Harmeling und Kaloga 2010117 S wwwbmu-klimaschutzinitiativede

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wird deutlich dass ihre Gewinnung mit Werten wie Er-naumlhrungssicherung und Artenvielfalt in Konflikt geraumlt Andererseits ist klar dass Biomasse eine wichtige Saumlule einer globalen Klimastrategie ist

Erfreulicherweise setzen immer mehr Laumlnder auf diese erneuerbare Energien und foumlrdern deren Einfuumlhrung durch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingun-gen118 Die Wachstumsraten im Bereich der Erneuerba-ren Energien sind jedoch derzeit insgesamt noch nicht hoch genug um die fossilen Energien weitgehend ab-loumlsen zu koumlnnen Bis Mitte des Jahrhunderts wird dies allerdings in vielen Regionen und Bereichen fuumlr moumlglich gehalten Technologien im Bereich Energieeffizienz koumlnnen einen sehr kurzfristig umsetzbaren und groszligen Beitrag zum Klimaschutz leisten Neben der bdquoAngebots-seiteldquo wie z B im Bereich Kraft-Waumlrme-Kopplung sind groszlige Einsparpotenziale auf der bdquoNachfrageseiteldquo vor-handen beispielsweise durch Waumlrmedaumlmmung von Ge-baumluden zur Reduktion des Heizenergieverbrauchs und effizientere Geraumlte bzw Maschinen und Motoren Dies gilt auch fuumlr den Verkehrssektor wo eine starke Effizi-enzsteigerung von Fahrzeugen dringend notwendig ist Allerdings zeigt sich auch dass ndash wenn die Energiepreise nicht durch eine Oumlkosteuer oder den Emissionshandel steigen ndash die Effizienzgewinne durch groumlszligere oder zahl-reichere Wohnungen Geraumlte Autos usw schnell aufge-fressen werden (bdquorebound effectldquo)

Als neue Technologie im Bereich der Nutzung fossiler Energietraumlger ist die CO2-Abscheidung und -Lagerung (CCS) im Gespraumlch119 Damit soll CO2 im Zuge der Ver-brennung von Kohle Oumll oder Gas abgeschieden und dann unterirdisch an einem geeigneten Ort sicher und dauer-haft gelagert werden Zwar birgt die Lagerung von CO2 in der Geosphaumlre einige Risiken und vor der Verbreitung dieser Technologie muumlssen wichtige Fragen bezuumlglich der oumlkologischen Sicherheit der oumlkonomischen Dimen-sion oder der Haftung im Schadensfall geklaumlrt werden Dennoch kann Abscheidung und unterirdische Lage-rung des CO2 gerade mit Blick auf die Entwicklungen im Energiesektor in China und andere Kohleregionen ndash dort muss weiter mit hohem Kohleverbrauch gerechnet wer-den ndash eine wichtige Bruumlckenloumlsung werden Oumlffentliche Gelder die fuumlr Forschung und Entwicklung von Techno-logien in den Bereichen Energieeffizienz und Erneuerba-re Energien vorgesehen sind sollten allerdings nicht in die CCS-Entwicklung umgeleitet werden

In Deutschland sind die notwendigen CO2-Einsparungen im Energiebereich ohne CCS moumlglich Hier liegt die Not-wendigkeit der Erforschung von CCS eindeutig im Be-reich der industriellen Prozessemissionen aus der Stahl- Zement- und Kalkproduktion wo es weniger Alternati-ven als im Strombereich gibt120 Neue Technologien in diesem Bereich sollten allenfalls getestet werden um sie in China und anderen Schwellenlaumlndern einzusetzen

In Deutschland koumlnnen die Klimaziele besser ohne Kraft-werksneubauten mit oder ohne CCS erreicht werden Insgesamt geht es letztendlich um eine Risiko-Abwauml-gung Energieeffizienz und Erneuerbare Energien soll-ten deshalb generell den Vorrang haben Im Zweifelsfall duumlrfte bei der Kohleverbrennung die Lagerung von CO2 in der Atmosphaumlre ein groumlszligeres Risiko darstellen als un-ter der Erde sollte diese Technologie wirklich funktio-nieren

Klar ist heute dass die Welt das Klimaproblem nur durch einen breiten Technologiemix in den Griff bekommen kann Mit vielen der heute bereits existierenden Tech-nologien koumlnnen CO2- und andere Treibhausgas-Emissi-onen bereits massiv gesenkt werden Gleichzeitig sind in Bezug auf kommende Jahrzehnte deutlich houmlhere Inves-titionen in Forschung und Entwicklung von Erneuerba-ren Energien Energieeffizienz und intelligenten Netzen oder auch fuumlr die Neuausrichtung einer Landwirtschaft die der Ernaumlhrungssicherung und dem Klimaschutz so dient dass sich diese Ziele unterstuumltzen dringend not-wendig In Bezug auf Erneuerbare Energien gilt es auch ganz genau auf die Ressourcenbilanz zu schauen Viele Rohstoffe die fuumlr diese Technologien heute wichtig sind sind nur in begrenztem Maszlige vorhanden

Fuumlr Investitionen in Klimaschutztechnologien sind Rah-menbedingungen notwendig die es fuumlr die Akteure am Finanzmarkt und in anderen Bereichen der Wirtschaft attraktiv machen lieber in diese Technologien zu inves-tieren als in klimaschaumldliche Auch in diesen Kreisen wird Klimawandel immer mehr als Kostenfaktor gesehen zum einen durch die direkten Schaumlden infolge von Wetter-extremen etc So hat Sir Nicholas Stern in einer viel be-achteten Studie geschaumltzt dass die Kosten die bei un-gehemmtem Klimawandel durch dessen Auswirkungen entstehen koumlnnten 5 bis 20 Prozent des jaumlhrlichen glo-balen Bruttoinlandprodukts betragen koumlnnten121 Zum anderen entstehen Kosten durch politische Regulierung wie durch den Emissionshandel oder CO2-Steuern Daruuml-ber hinaus nimmt die Bedeutung der Unternehmensver-antwortung (bdquoCorporate Social Responsibilityldquo) in der Oumlffentlichkeit zu so dass Klimaschutzmaszlignahmen sich zunehmend guumlnstig auf das Unternehmensimage aus-wirken waumlhrend das Unterlassen von Klimaschutzmaszlig-nahmen dem Image schadet Und nicht zuletzt koumlnnte das Risiko von Schadensersatzklagen eine unmittelbare Auswirkung auf den Marktwert eines Unternehmens ha-ben

Doch trotz aller Fortschritte bezuumlglich der Beruumlcksich-tigung des Klimawandels durch den Finanzmarkt In der tatsaumlchlichen Geldanlagepolitik der groszligen Banken Versicherer und Pensionsfonds spielt die Vermeidung von Klimarisiken zwar eine wachsende bisher aber noch untergeordnete Rolle Entsprechend zentral sind lang-fristig verlaumlssliche politische Rahmenbedingungen

118 REN 21 2010 119 CCS = CO2 Capture and Storage Ein umfangreicher Sonderbericht

des IPCC zum Thema CCS ist unter httpwwwipccch abrufbar

120 Germanwatch 2010b121 Stern 2006

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69 Demokratie und die groszlige Trans formation

Der Klimawandel stellt eine enorme Herausforderung fuumlr die heutigen Demokratiemodelle dar Es gibt zumin-dest fuumlnf zentrale Herausforderungen

1 Erstens gelingt es bisher nicht dass Grundprinzip der Demokratie dass die Betroffenen an Entscheidun-gen beteiligt werden sollen zu beruumlcksichtigen So haben die am staumlrksten betroffenen Menschen in Ent-wicklungslaumlndern allenfalls bei UN-Klimaverhandlungen durch ihre Regierungen ein gewisses Mitspracherecht Bei den nationalen Klimaschutzentscheidungen in In-dustrie- und Schwellenlaumlndern und bei G20- bzw G8-Gipfeln sind sie auszligen vor

2 Zweitens neigt die Politik in Demokratien aufgrund der etwa vierjaumlhrigen Wahlzyklen zu einer systemati-schen Vernachlaumlssigung von langfristigen Problemen wie dem Klimawandel Heutige Klimaschutzentschei-

dungen wuumlrden das Klima bis 2030 so gut wie nicht mehr beeinflussen das Klima in den Folgejahrzehnten jedoch gravierend Dann aber sind heutige Politiker laumlngst ab-gewaumlhlt und muumlssen sich nicht mehr dafuumlr verantworten

3 Drittens stellen irreversible Veraumlnderungen die eine Generation uumlber die naumlchste verhaumlngt das demokrati-sche Prinzip der bdquoEntscheidungen auf Zeitldquo in Frage ndash das trifft auf die Nutzung fossiler Energietraumlger und den Kli-mawandel ebenso zu wie auf den Einsatz von Kernkraft

4 Viertens sind die Interessenverbaumlnde der sich auf fossile Traumlger stuumltzenden Energiewirtschaft und der von Kurzfristinteressen gepraumlgten Finanzakteure so gut organisiert dass wichtige Demokratien ndash wie etwa die USA ndash zum Teil wie Marionetten erscheinen

5 Fuumlnftens wird die Handlungsfaumlhigkeit der Demo-kratie angesichts solcher Herausforderungen zu einem zentralen Argument in Diskussionen mit Akteuren wie China die einem aufgeklaumlrtem Autoritarismus das Wort reden

122 Siehe wwwatmosfairde 123 IPCC 1999 8124 Lee et al 2010

Info-Kasten 7 Flugverkehr und Klimaschutz

Die internationale Luft- und Schiffsverkehrsbran-che ist (neben der Landwirtschaft) die einzige treib-hausgasintensive Branche die klimapolitisch nicht reguliert ist da sie nicht durch das Kyoto-Protokoll erfasst wurde Die bisher einzige aber wichtige Aus-nahme ist der Einbezug des Flugverkehrs in den euro-paumlischen Emissionshandel durch den auch Fluumlge au-szligerhalb Europas erfasst werden soweit sie in Europa landen oder aus Europa abgehen Dabei schaumldigt ein Flug das Klima pro zuruumlckgelegtem Kilometer pro Per-son um ein Mehrfaches einer Auto- oder Bahnreise122

Dies liegt vor allem daran dass bei Fluumlgen uumlber 700 km wegen der dann groszligen Flughoumlhe nicht allein das Kohlendioxid klimaschaumldlich wirkt Hinzu kommen u a auch Kondensstreifen und Zirruswolken die sich in groszliger Houmlhe bilden und das regionale Klima beein-flussen koumlnnen

Der IPCC hat daher die gesamte Klimawirkung der verschiedenen Effekte ausgedruumlckt durch den so-genannten bdquoRadiative Forcing Indexldquo (RFI) auf min-destens das Zwei- bis Vierfache des CO2-Ausstoszliges geschaumltzt123 Neuere wissenschaftliche Forschungen deuten darauf hin dass diese Werte noch houmlher lie-gen koumlnnten124 Allerdings bestehen einige wissen-schaftliche Unsicherheiten Der Gesamtanteil am menschgemachten Treibhauseffekt wird auf bis zu 14 Prozent geschaumltzt (im Jahr 2005)125 Besonders problematisch sind die ndash trotz Wirtschaftskrise ndash ins-

gesamt sehr hohen Wachstumsraten die natuumlrlich auch zu einem Anstieg der Emissionen fuumlhren Je nach Szenario koumlnnten sich die Emissionen aus dem Flug-verkehr bis 2050 verdreifachen

Verschiedene Wege sind zudem denkbar wie man die Fluggaumlste und die Branche in die Verantwortung nehmen kann ndash trotz fehlender oder unzureichender politischer Regulierung Am wirkungsvollsten ist es auf unnoumltige Fluumlge zu verzichten Fluggaumlste haben aber auch die Moumlglichkeit bereits jetzt auf freiwil-liger Basis aktiv zu werden durch die Unterstuumltzung von Klimaschutzprojekten die Emissionen in einer Houmlhe einsparen welche aumlquivalent zur Erwaumlrmungs-wirkung des Fluges sind126 Angesichts des im Ver-gleich zur Wachstumsrate des Flugverkehrs recht geringen Potenzials von technischen Verbesserungen ist jedoch eines klar Moumlchte man das Wachstum der Flugverkehrsemissionen zumindest deutlich abbrem-sen so reichen solche freiwilligen Loumlsungen mittel- bis langfristig nicht aus Sie sind nur als Ergaumlnzung zu verbindlichen Regelungen und oumlkonomischen Instrumenten zu sehen Neben dem Einbezug in den Emissionshandel sollten daher auch eine Emissions-abgabe und der Abbau verschiedener Subventionen angestrebt werden insbesondere auch um zu der international notwendigen Klimafinanzierung in Ent-wicklungslaumlndern beizutragen

125 Lee et al 2010126 Siehe z B httpwwwatmosfairde

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Info-Kasten 8 Geo-Engineering

Neben den bisher beschriebenen Ansaumltzen gibt es die Vorstellung der Mensch koumlnne die Entwicklung des Klimasystems gezielt steuern Im Englischen wer-den solche Methoden unter dem Begriff des bdquoGeo-Engineeringldquo zusammengefasst Ein Ansatz an dem zunehmend intensiver geforscht wird besteht darin die CO2-Aufnahmekapazitaumlt der Ozeane zu erhoumlhen ndash durch Duumlngung mit Eisenspaumlnen Eine solche Duumln-gung haumltte ein beschleunigtes Wachstum des Phyto-planktons zur Folge Dies wuumlrde im Prinzip zu einer houmlheren Aufnahme von CO2 fuumlhren Wenn diese Al-gen dann absterben sollen sie auf den Meeresboden sinken und das CO2 quasi mit in die Tiefe nehmen

Der IPCC bemerkt dazu kritisch dass die wenigen bisher durchgefuumlhrten Studien moumlgliche negative Nebeneffekte nicht ausreichend untersucht haumltten Dazu zaumlhlen die erhoumlhte Produktion von CH4 und N2O sowie die moumlglichen Auswirkungen des schnellen Al-genwachstums auf die Oumlkologie der Meere und die Nahrungskette Eine weitere Option besteht darin die Sonneneinstrahlung kuumlnstlich zu verringern und so die Wirkung des Treibhauseffekts abzuschwaumlchen

Einer der Vorschlaumlge die in diese Richtung zielen sieht vor eine Art riesigen etwa 106 Quadratkilome-ter groszligen Spiegel ins All zu transportieren So soll ein Teil der Sonnenstrahlung vom Eintritt in die At-mosphaumlre abhalten werden Ein weiterer Vorschlag sieht vor die kuumlhlende Wirkung stratosphaumlrischer Aerosole wie sie zum Beispiel von Vulkanausbruuml-chen oder Luftverschmutzung bekannt ist kuumlnstlich zu verstaumlrken Groszlige Mengen Schwefel oder andere Aerosole muumlssten dabei in die Stratosphaumlre gebracht werden

Allen diesen Optionen ist gemeinsam dass sie enor-me oumlkologische und klimatische Nebeneffekte mit sich bringen koumlnnten Wie bei einem Menschen der an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen wird wird auch hier die Eigensteuerung des Systems Erde-Klima auszliger Kraft gesetzt Viele Akteure halten des-halb diese Aktivitaumlten insbesondere wenn sie die Strahlungsaktivitaumlt in der Atmosphaumlre verringern fuumlr indiskutabel

Andererseits zeigt sich uumlberall dass die Umsetzung von Energieeffizienz und die dezentrale Nutzung Erneuerba-rer Energien eine aktive Zivilgesellschaft zur Grundvor-aussetzung hat Die Buumlrger draumlngen ndash trotz zunehmen-der Politikverdrossenheit ndash auf staumlrkere Partizipation

Keine Frage die Demokratie wird sich erneuern muumlssen wenn sie auf Herausforderungen von der Groumlszligenord-nung des Klimawandels angemessene Antworten finden will Aber nicht zuletzt die Ereignisse in der arabischen Welt und der Mittelmeerregion zeigen Demokratie ist eine erneuerbare Ressource der Politik ndash und dieses Potenzial sollten wir nutzen Historisch gesehen haben

sich Diktaturen als zu starr erwiesen um auf dynamische Veraumlnderungsanforderungen reagieren zu koumlnnen Die Wahrnehmung der groszligen Transformation als Veraumlnde-rungschance und nicht als Veraumlnderungszumutung ist daher gerade ein Argument fuumlr eine Staumlrkung der Buumlr-gergesellschaft als Schluumlsselinstrument fuumlr mehr Klima-schutz in Demokratien127 Zugleich sollte es ein wichti-ges Entscheidungskriterium fuumlr politisch eingeleitete Klimaschutzmaszlignahmen sein dass sie die Freiheit des Einzelnen nicht einschraumlnken Allerdings endet die Frei-heit wo sie die Freiheit oder gar die Existenz anderer Menschen gefaumlhrdet

127 Vgl Leggewie und Welzer 2010

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Moderne Zugtechnik traumlgt nicht nur in Deutschland immer mehr zum Klimaschutz bei indem sie eine attraktive Alternative zu Kurzstreckenfluumlgen darstellt

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Wer muss handeln

Ein wichtiger Grund dafuumlr dass bisher erforderliche Maszlignahmen trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse nur zoumlgerlich vorankommen ist die mangelnde Uumlbernah-me von Verantwortung Politik Wirtschaft und Buumlrger schieben diese gerne in jeweils andere Bereiche oder gar auf andere Laumlnder ab Das liegt auch darin begruumlndet dass die Klimaproblematik ein Kollektivgutproblem ist da jeder freien Zugang zu der Atmosphaumlre hat selbst wenn er sie stark verschmutzt

Die besondere Verantwortung der industrialisierten Laumlnder beruht jedoch auf der Tatsache dass sie die Hauptverursacher des menschgemachten Treibhausef-fekts sind und uumlber weit groumlszligere finanzielle Moumlglichkei-ten verfuumlgen als die Entwicklungslaumlnder (siehe auch Ka-pitel 4 5 und 6) Letzteres aumlndert sich allerdings seit der Finanzkrise dramatisch ndash und ist inzwischen angesichts der groumlszligeren finanzpolitischen Spielraumlume dort ein wei-teres Argument dafuumlr auch die Schwellenlaumlnder in die Pflicht zu nehmen

Nur wenn Politik Wirtschaft und Buumlrger die erforder-liche Veraumlnderung auch als Chance begreifen ist ein Wandel moumlglich Fuumlr ein neues Wohlstandsmodell und die Vermeidung eines gefaumlhrlichen Klimawandels sind folglich alle gefragt ndash Politik Wirtschaft und Buumlrger

Zugleich kann Deutschland kurz- und langfristig von sei-nem Engagement im Klimaschutz profitieren Einerseits weil die sonst eintretenden Auswirkungen der Erwaumlr-mung auch Deutschland treffen wuumlrden (Extremwetter-ereignisse Meeresspiegelanstieg usw) Andererseits weil durch Klimainvestitionen und die Vorreiterrolle im Klimaschutz Arbeitsplaumltze geschaffen und wirtschaft-liche Zukunftsmaumlrkte erschlossen werden

Deutschland hat als groszlige Industrienation mit uumlber-durchschnittlichem Pro-Kopf-Ausstoszlig an CO2 maszliggeb-lich zur bisherigen Erderwaumlrmung beigetragen Eine Minderung von mindestens 40 Prozent bis zum Jahr 2020 im Vergleich zum Niveau von 1990 ist daher er-forderlich um zur Begrenzung der weltweiten Erwaumlr-mung auf unter 2 degC beizutragen Seine Verantwortung kann Deutschland jedoch nur uumlbernehmen wenn Politik Wirtschaft und Buumlrger diese nicht in die jeweils anderen Bereiche abschieben sondern jeder seinen Beitrag leis-tet Dieses Kapitel fasst zentrale Aufgaben in verschie-denen gesellschaftlichen Bereichen zusammen

71 Was kann die Politik tun

I Internationale Politik

rarr 1 Forderung nach einer globalen Strategie

Eine globale Aufgabe wie der Klimaschutz braucht eine globale Strategie128 ndash nicht zuletzt wegen der Flexibili-taumlt von Unternehmen die den nationalen Regelungen oft durch Standortverlagerungen ausweichen Folglich muumlssen nicht nur auf nationaler sondern auch auf inter-nationaler Ebene Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz ge-troffen werden Die jaumlhrlich stattfindenden Klimagipfel bieten bereits die Moumlglichkeit zur Vereinbarung einer globalen Strategie

Der bedeutendste erste Schritt hin zu einer globalen Strategie war der Abschluss des voumllkerrechtlich ver-bindlichen Kyoto-Protokolls (siehe Kapitel 6) Dieses ist zwar ein erster Schritt kann aber nur einen nachhaltigen Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels leisten wenn er als Basis fuumlr weitaus ehrgeizigere Maszlignahmen in den folgenden Jahren genutzt wird

Nach den schwachen Ergebnissen von Kopenhagen zeigt sich immer staumlrker dass eine globale Strategie im Zu-sammenspiel von Vorreiterkoalitionen und internationa-len Rahmensetzungen die sich wechselseitig dynamisie-ren verstanden werden muss Fuumlr Deutschland heiszligt das auch dass bilaterale Abkommen mit besonders verletz-lichen besonders progressiven und besonders relevan-ten Staaten eine wichtige Bedeutung haben

rarr 2 Vorsorgepolitik betreiben

Um angemessene Antworten auf den Klimawandel zu fin-den und effektive Vorsorgemaszlignahmen zu treffen ist es wichtig dass die Politik Klimaschutzmaszlignahmen als In-vestitionen in bessere Lebensbedingungen erkennt und Vorsorgepolitik betreibt Die bisherigen Anstrengungen der internationalen Politik werden der Herausforde-rung einen gefaumlhrlichen Klimawandel zu vermeiden und gleichzeitig die Anpassung in besonders betroffenen Regionen zu unterstuumltzen nicht gerecht denn mit den bisher angekuumlndigten Emissionsverminderungszielen steuert die Welt weiterhin auf eine Erderwaumlrmung von 3 bis 4 Grad zu ndash wenn alle Vorhaben umgesetzt werden und was keineswegs gesichert ist ndash keine Schlupfloumlcher die Ernsthaftigkeit der Ziele untergraben Bisher spricht wenig dafuumlr dass der globale Scheitelpunkt der Emissi-onsentwicklung vor 2020 erreicht wird ndash und damit duumlrf-te das 2-Grad-Limit auszliger Reichweite geraten Nachdem

7 Maszlignahmen zum Klimaschutz

128 Zur Diskussion der Moumlglichkeiten den Klimaschutz in die Systemlogik von Politik Wirtschaft und Technologie zu uumlbersetzen siehe Bals 2002

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sich die USA in eine Situation der Handlungsunfaumlhigkeit manoumlvriert haben kann die notwendige Dynamik nur entstehen wenn sich die EU und China uumlber ihre Mini-malziele von Kopenhagen hinaus bewegen

rarr 3 Finanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen gerecht regeln

Damit eine angemessene globale Klimaschutzstrategie moumlglich wird muss die internationale Politik entspre-chende Rahmenbedingungen schaffen und die Finan-zierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen gerecht regeln Zum einen geht es darum moumlglichst verursachergerecht ndash etwa durch Erloumlse aus dem Emis-sionshandel und eine Abgabe auf den internationalen Flug- und Schiffsverkehr die notwendigen oumlffentlichen Gelder einzusetzen Zum anderen sollten diese Gelder vor allem soweit es um Gelder fuumlr den Klimaschutz geht mit optimaler Hebelwirkung so fuumlr Rahmenbedingungen und Infrastruktur eingesetzt werden dass ein Vielfaches an privaten Finanzstroumlmen dementsprechend umgelei-tet wird Die Industriestaaten als Hauptverursacher fuumlr Auswirkungen und Schaumlden des Klimawandels tragen die groumlszligte Verantwortung Sie stehen nach dem Verursa-cherprinzip somit in der Pflicht die besonders betroffe-nen Laumlnder und Bevoumllkerungsgruppen bei Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen technisch und finanziell zu unterstuumltzten Eine gerechte und verlaumlssliche Finanzie-rung ist zugleich ein aktiver Beitrag fuumlr eine sicherere Welt und sollte daher im Sinne der Industrienationen sein Aufgrund des zweiten Prinzips der Frage nach der Handlungsfaumlhigkeit der Staaten muss allerdings nach der Finanzkrise auch die Frage nach einer finanziellen Beteiligung der Schwellenlaumlnder gestellt werden

II Nationale Politik

rarr 1 Rahmenbedingungen fuumlr ein klima-freund liches Wohlstandsmodell schaffen

Die Industriestaaten koumlnnen die Rahmenbedingungen fuumlr ein klimafreundliches Wohlstandsmodell vorantrei-ben indem sie klimafreundliche Handlungen foumlrdern und klimaschaumldliche Handlungen einschraumlnken

n Klimafreundliche Handlungen foumlrdern und klima-schaumlndliche Handlungen einschraumlnken

Klimafreundliche Handlungen koumlnnen durch erfolg-reiche Klimaschutzpolitikmodelle Gesetze und Klima-investitionen gefoumlrdert werden Langfristig sind sie schon deshalb fuumlr die Gesellschaft ein finanzieller Ge-winn weil die entstehenden Kosten sehr wahrschein-lich niedriger sein werden als die zu erwartenden Fol-gekosten eines Klimawandels insbesondere wenn man

positive Nebeneffekte von Klimaschutzmaszlignahmen ein bezieht129 Aber auch kurzfristig koumlnnen sich diese Investitionen auszahlen weil Gelder nicht in meist un-demokratische Staaten fuumlr Oumll- und Gas uumlberwiesen son-dern in der Region investiert werden weil Innovationen vorangetrieben Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen geschaffen werden Am Beispiel der Energieversorgung werden im Folgenden konkrete Handlungsmoumlglichkei-ten der Politik veranschaulicht

n Erneuerbare Energien muumlssen ausgebaut und effiziente Energiestrukturen gefoumlrdert werden

Die Politik in Deutschland hat bereits einige wichtige Fortschritte gemacht wie zum Beispiel die Einfuumlhrung des Energieeinspeisegesetzes (EEG) zeigt Das auf einem Ansatz aus dem Jahr 1990 fuszligende im Jahr 2000 offiziell implementierte und fortwaumlhrend weiter entwickelte Ge-setz garantiert Produzenten von Erneuerbaren Energien uumlber einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren einen festen Verguumltungssatz und verpflichtet die Netzbetreiber zur vorrangigen Abnahme der erzeugten Strommengen Innerhalb weniger Jahre ist damit der Anteil der Erneu-erbaren an der Stromversorgung auf ca 17 Prozent ge-stiegen Auch im Bereich der Gebaumludesanierung und der Waumlrmeversorgung aus Erneuerbaren Energien gab es durch verschiedene Foumlrderprogramme bereits beacht-liche Fortschritte doch entscheidende Weichenstellun-gen hin zu einer 100-prozentigen Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien stehen noch aus

Um das 2-Grad-Limit einzuhalten sind daruumlber hinaus noch weitere Maszlignahmen erforderlich wie zum Beispiel ein sich selbst dynamisierendes Foumlrderprogramm fuumlr die Marktfuumlhrer der Energieeffizienz bei verschiedenen Ge-raumlten (Top-Runner-Ansatz) die Forschungsfoumlrderung im Bereich Energieeffizienztechnologien oder die Einfuumlh-rung eines Foumlrdergesetzes fuumlr Erneuerbaren Energien im Bereich Gebaumludeheizung -kuumlhlung und Warmwasserbe-reitung

Am erstrebenswertesten waumlre eine Komplettversorgung mit Oumlkostrom in Europa und angrenzenden Regionen zu sozialvertraumlglichen Kosten Die Idee hinter dem so ge-nannten bdquoSuperSmartGridldquo-Ansatz (SSG) ist die Kombi-nation von zwei Ansaumltzen die all zu oft gegeneinander ausgespielt werden Zum einen das dynamische Voran-treiben von dezentral erzeugten Erneuerbaren Energien Dies hat aus Gruumlnden der regionalen Wertschoumlpfung und der Aufwertung ganzer Regionen der Identifizierung der Buumlrger und Buumlrgerinnen mit ihrer Stromversorgung und der Energiesicherheit viel fuumlr sich Ein Smart Grid ermoumlglich die optimale Abstimmung der dezentralen Er-zeugung mit dem Verbrauch von Wirtschaft und privaten Verbrauchern so dass sich das Problem der fluktuieren-den Verfuumlgbarkeit von Strom relativiert

129 Stern 2006

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Zum anderen aber geht es ndash unter dem Stichwort Super-grid ndash um ein europaweites Stromnetz bei dem jedes Land die besonders effizient nutzbaren und groszligen Po-tenziale nutzt die es bezuumlglich Erneuerbarer Energien hat Wind- und Wasserkraft aus Nordeuropa Biomasse aus Zentraleuropa Solarstrom aus der Sahara usw Die-ses Kontinente uumlbergreifende Stromnetz kann Realitaumlt werden wenn die Politik sich fuumlr folgende Maszlignahmen einsetzt eine massive Foumlrderung Erneuerbarer Ener - gien einen auf Erneuerbare Energien ausgerichteten Stromnetzausbau und eine verbesserte nationale so-wie europauml ische Energierahmengesetzgebung Studien zeigen dass eine entsprechende Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien gemeinsam mit einem starken Schub fuumlr Effizienz mit aumlhnlichen Kosten verbunden waumlre wie wenn man einen hohen Anteil an Kohle- und Atomstrom beibehalten wuumlrde130 Aber wenn es die Vollversorgung Europas mit Erneuerbaren Energien vor 2050 geben soll dann muumlssen jetzt die Weichen dafuumlr gestellt werden

n Abschaffung von klimaschaumldlichen Subventionen ndash keine Foumlrderung von Kohle und Atom

Der Neubau von Kohlekraftwerken ist hochproblema-tisch auch wenn neue Kraftwerke deutlich effizienter sind als aumlltere weil beim Verbrennen von Stein- und Braunkohle im Vergleich zu Oumll und Gas ein Mehrfaches an CO2 entsteht Da die Kohlevorraumlte deutlich groumlszliger sind als die Reserven aller anderen fossilen Energietrauml-ger ist daruumlber Hinaus zu erwarten dass die CO2-Pro-blematik durch entsprechend lange Laufzeiten bis weit in die Zukunft ungeloumlst bliebe Subventionen in Kohle Atom und beim Flugverkehr muumlssen abgeschafft wer-den Milliardensubventionen in diesen Bereichen schauml-digen das Klima einerseits durch den Ausstoszlig von Treib-hausgasen und andererseits weil sie die oumlkonomische Wettbewerbsfaumlhigkeit klimaschonender und generell risikoaumlrmerer Alternativen reduzieren

n RegulierungVerteuerung von klimaschaumldlichen Handlungen

Theoretisch ist unumstritten dass der Markt nur eine gewuumlnschte Lenkungswirkung erzielen kann wenn die Internalisierung externer Kosten gelingt Dabei werden die verursachten Kosten in die Preise klimaschaumldlicher Produkte und Dienstleistungen eingerechnet und somit internalisiert Beispiele dafuumlr sind das Verursacherprin-zip beruumlcksichtigende verbrauchsabhaumlngige Steuern (Oumlkosteuer etc) bzw Abgaben (z B auf Mineraloumll) Der Emissionshandel internalisiert prinzipiell die externen Kosten da er zum einen CO2 einen Preis gibt und da-mit in die Wirtschaftslogik einfuumlhrt und zum anderen weil er die Menge der erlaubten Emissionen nach oben begrenzt Eine volle Internalisierung waumlre das aber nur wenn das Ziel einer 80 bis 95-prozentigen Reduktion von

Treibhausgasen bis 2050 jetzt schon rechtlich verbind-lich den Akteuren vorgegeben wuumlrde Eine Kombination von verbrauchsabhaumlngigen Steuern und Emissionshan-del mit ausreichend scharfen Zielen ndash je nach Sektoren ndash kann einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz leis-ten

rarr 2 Vorreiterrolle im Klimaschutz einnehmen

Auch wenn die internationale Politik fuumlr eine globale Strategie verantwortlich ist kann sich jedes Land und jede Region Deutschlands fuumlr den Klimaschutz enga-gieren Deutschland kann dabei als Exportweltmeister seine Position nutzen und eine Multiplikatoren- bzw Vorreiterrolle hinsichtlich effizienter Klimaschutzpoli-tik einnehmen denn auch erfolgreiche Politikmodelle koumlnnen bdquoexportiertldquo werden Das in Deutschland sehr erfolgreiche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist in mittlerweile in mehr als 45 Laumlndern Vorbild fuumlr gesetz-liche Rahmenbedingungen

Auch einzelne Regionen Deutschlands sind gefragt denn kommunalpolitische Beispiele koumlnnen als Vorbild fuumlr die Bundesebene dienen Wenn Deutschland zeigt dass man auch ohne Kohle und Atom eine international fuumlhrende Volkswirtschaft mit einem attraktiven Wohl-standsmodell bleiben kann waumlre dies ein fundamental wichtiger Beitrag fuumlr die internationale Debatte Viele Laumlnder schauen auf Deutschland ob es gelingt den an-gekuumlndigten beschleunigten Ausstieg aus der Atomener-gie mit den ambitionierten Klimazielen zu kombinieren Wenn dies gelingt kann diese Strategie zum Exportmo-dell werden Im Gegenzug sollten Deutschland und die EU die positiven Erfahrungen nutzen die andere Laumln-der gemacht haben Derzeit wird dabei das japanische bdquoTop-Runner-Modellldquo diskutiert das sich am jeweiligen Effizienzspitzenreiter orientiert und dynamische Effi - zienzstandards fuumlr Energie verbrauchende Geraumlte setzt

rarr 3 Die Politik sollte mit gutem Beispiel vorangehen

Es reicht insgesamt nicht wenn Politiker nur die Rah-menbedingungen fuumlr Klimaschutz schaffen Sie muumlssen den Waumlhlern gegenuumlber offensiv vertreten dass Kli-maschutzmaszlignahmen Investitionen in zukunftsfaumlhige Lebensbedingungen sind Am glaubwuumlrdigsten ist es wenn die Politik und die einzelnen Politiker selbst zu Vorbildern werden Zum Beispiel koumlnnte der Staat mit einer klimafreundlich ausgerichteten oumlffentlichen Be-schaffung Investitionsstroumlme in Richtung nachhaltiger Produkte und Unternehmen lenken131 Etwa im Ver-kehrsbereich ndash von Bussen uumlber Dienstfahrzeuge bis hin zum regelmaumlszligigen hochqualitativen Ausgleich bei Flug-verkehrsreisen ndash bei effizienten Computern oder im Ge-baumludebereich koumlnnte die Marktmacht der oumlffent lichen Hand erhebliche Lenkungswirkung erzielen

130 ECF 2010131 Germanwatch 2010d

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Der Lebensstil von Bundes- oder EU-Politikern ist ndash an-gesichts der Anforderungen an Mobilitaumlt ndash nur schwer wirklich klimavertraumlglich zu gestalten Aber umso mehr koumlnnen sie sichtbare Signale fuumlr einen klimavertraumlg-lichen Lebensstil geben Wichtiger ist jedoch dass sie ihre Unabhaumlngigkeit bewahren und sich nicht von kli-makritischen Lobbygruppen beeinflussen lassen Wer wissenschaftlich abgesicherte Positionen zu einer kaumluf-lichen Ware macht verkauft kuumlnftige Generationen

72 Was kann die Wirtschaft tun

Herausforderungen fuumlr die Wirtschaft

Kaum ein Unternehmen aus dem CO2-intensiven Bereich verfolgt derzeit eine mit dem 2 degC-Limit vertraumlgliche Unternehmensstrategie obwohl sie nach den OECD-Leit linien132 sogar dazu verpflichten sind sich an der er-klaumlrten Politik ihres Landes auszurichten

Der globale Klimawandel birgt fuumlr Wirtschaft und Unter-nehmen erhebliche Risiken wodurch die Wertentwick-lung von Investitionen und Unternehmen nachhaltig bedroht werden kann Eine ernsthafte Klimaschutzstra-tegie bietet zwar auch Risiken aber auf der anderen Seite ndash insbesondere bei klaren langfristigen politischen Rahmensetzungen ndash groszlige Chancen fuumlr die Wirtschaft So entstehen sehr groszlige neue Geschaumlftsfelder wie die Bereiche Zukunftstechnologien (Erneuerbarer Energi-en Energieeffizienz Elektromobilitaumlt etc) sozial-oumlko-logische Stadtplanung oder klimafreundliche Finanz-anlagen Gelingt es den Unternehmen sich an diese neue Situation schnell und umfassend anzupassen kann neben dem effektiven Klimaschutz auch sozialer und oumlkonomischer Mehrwert gesichert werden

Jedes Unternehmen weiszlig Wenn die Weltgesellschaft sich in Richtung Klimaschutz bewegt dann sind die eige-nen Klimaschutzinvestitionen von heute gut angelegtes

Vertreter der Finanzwirtschaft beraten uumlber den EU-Emissionshandel Workshop von UNEP-Finanzinitiative und Germanwatch mit Finanz-Ratingagenturen im April 2004 Foto Gerold Kier

132 Siehe wwwgermanwatchorgcorpuvhtm

Geld Die Strategie der Gegner zielt deshalb darauf ab vor allem in den USA Zweifel an einer solchen Strategie zu saumlen Doch die positiven wenn auch in Geschwin-digkeit und Ausmaszlig nicht ausreichenden Tendenzen in vielen Schwellenlaumlndern zeigen bereits heute Schon mittelfristig gehoumlrt eine ambitionierte Klimaschutzstra-tegie ebenso zur Grundausruumlstung eines erfolgreichen Unternehmens wie dies fuumlr zukunftsfaumlhige Arbeitsplaumltze der Fall ist

rarr Direkte und regulative Finanzrisiken erkennen

Wichtig fuumlr die Unternehmen sind die Identifizierung von Klimarisiken und -chancen sowie ein darauf beru-hendes Risikomanagement Welche direkten Klima- und Wetterrisiken koumlnnten relevant fuumlr uns sein Wo sind wir auf die absehbaren klimapolitischen Rahmensetzungen nicht vorbereitet Welcher Imageschaden droht uns als Klimaschutz-Verweigerer Auf welche Klagen muumlssen wir uns als Verursacher des Klimawandels einstellen Welche Chancen ergeben sich fuumlr uns aus einer aggres-siven Klimaschutzstrategie Wie muumlssen wir uns auf-stellen um diese nutzen zu koumlnnen Dafuumlr bedarf es der Entwicklung von Methoden die ndash moumlglichst modular aufgebaut ndash eine systematische Beruumlcksichtigung von Klimarisiken im Risikomanagement ermoumlglichen

Durch die Anwendung der Methoden wird eine bessere Bewertung der Folgen des Klimawandels und ihrer finan-ziellen Implikationen moumlglich

rarr Chancen des Klimawandels nutzen ndash Investitionen in Zukunftstechnologien

Wenn die Chancen identifiziert sind gilt es diese auch zu nutzen Besonders vielversprechend sind Investi-tionen in Zukunftstechnologien die zugleich einen klimafreundlichen Lebensstil ermoumlglichen Diesbezuumlg-

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lich sind besonders die Bereiche Erneuerbare Energien Effizienztechnologien und Verkehr (Innovative Schie-nenkonzepte Elektromobilitaumlt Hybridtechnologien etc) zukunftstraumlchtig Ganze Branchen setzen ihre Zu-kunft aufs Spiel wenn sie die neuen Trends verpassen So hat die deutsche Automobilindustrie den Trend zum Hybrid- und Elektroauto zunaumlchst verschlafen Das Ge-schaumlftsmodell der groszligen Energieversorger in Deutsch-land hat sich nicht bzw voumlllig unzureichend auf den massiven Ausbau von Energieeffizienz (etwa durch Con-tracting) und Erneuerbaren Energien eingestellt Die Stahl- und Zementindustrie blockiert klimavertraumlgliche Alternativen etwa basierend auf beschichteten Kohlen-stofffasern anstatt diese zuumlgig voranzubringen

rarr Nachhaltiges und klimafreundliches Wirtschaften in Unternehmen

Neben der Wahlmoumlglichkeit von Guumltern die ein Un-ternehmen produziert bzw anbietet koumlnnen Klima-schutzaspekte auch im Unternehmensbetrieb und in der Produktion beruumlcksichtig werden

Betriebliche Oumlkobilanzen oder Nachhaltigkeitsberich-te bieten zum Beispiel die Chance klimafreundliche Einsparungspotenziale zu identifizieren Haumlufig gibt es ndash besonders bei den nicht ganz so energieintensiven Branchen wo schon der Energiepreis ein starker Antrieb ist ndash in den Bereichen Energie Beschaffung Produktion Absatz und Verkehr groumlszligere Einsparpotenziale die den Unternehmern nicht bewusst sind

n Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Im Bereich Energie gilt es auf Erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu setzen Auch der Stromverbrauch im Unternehmen kann haumlufig gesenkt werden wofuumlr es zahlreiche Wege gibt (siehe 73 bdquoBuumlrgerldquo)

Regionale Wirtschaftsfoumlrderung In den Bereichen Beschaffung Produktion und Absatz ist es manchmal wichtig in der Naumlhe zu suchen statt in die Ferne zu schauen Lange Transportwege bewirken einen hohen CO2-Ausstoszlig weshalb von Umweltorganisationen und Verbaumlnden zunehmend die Staumlrkung regionaler Wirt-schaftskreislaumlufe gefordert wird Bei der Produktion mag Outsourcing ins Ausland augenscheinlich erst ein-mal Kosteneinsparungen mit sich bringen Doch mit langen Transportwegen wird haumlufig die Kommunikation und Kontrolle im Unternehmen erschwert und der CO2-Ausstoszlig erhoumlht133

n Nachhaltige Ressourcen

Bei der Produktion und Beschaffung sollte auch auf die Klimabilanz und Nachhaltigkeit der verwendeten Res-sourcen und Produkte geachtet werden Mittlerweile

gibt es fuumlr viele Bereiche (Holz Papier Lebensmittel etc) Zertifizierungen die nachhaltige Produkte kenn-zeichnen

n Nachhaltige Dienstreisetaumltigkeiten

Der Bereich Verkehr umfasst die Dienstreisetaumltigkeiten der Mitarbeiter sowie die bereits erwaumlhnten Bereiche Beschaffung und Absatz Generell gilt es den CO2-Ausstoszlig kleinstmoumlglich zu halten indem man nur den notwendigen Verkehr taumltigt und z B bei routinemaumlszligig abgehaltenen Besprechungen die Nutzung von Video- oder Telefonkonferenzen in Betracht zieht Durch eine systematische Optimierung der Dienstreisetaumltigkeit koumlnnen Unternehmen Geld sparen und zugleich den Aus-stoszlig von Treibhausgasen reduzieren Ein weiterer Weg zur Reduktion des CO2-Ausstoszliges ist die Nutzung von klimafreundlichen Verkehrsmitteln bei gleichzeitigem Verzicht auf klimaschaumldliche Verkehrsmittel wie das Flugzeug Eine Moumlglichkeit fuumlr CO2-freie Dienstreisetauml-tigkeiten bietet die Deutsche Bahn mit ihrem Programm bdquoUmwelt-Plusldquo Dabei wird der Energiebedarf des Rei-sens im Voraus kalkuliert und in Form von Oumlkostrom ins Netz der Bahn eingespeist Die Initiative Atmosfair (wwwatmosfairde) bietet allgemein die Moumlglichkeit getaumltigte Emissionen durch Spenden fuumlr serioumlse Klima-schutzmaszlignahmen auszugleichen

rarr Gemeinsam ihr Interesse am Klimaschutz aussprechen

Neben diesen beschriebenen Maszlignahmen steht es je-dem Unternehmen offen sich gegenuumlber der Politik aktiv fuumlr mehr Klimaschutzmaszlignahmen einzusetzen Einige Unternehmen haben sich bereits in progressiven Unternehmergruppen wie der 2deg-Initiative oder dem Un-ternehmerrat e5 zusammengeschlossen und koumlnnen so gemeinsam die Beruumlcksichtigung ihrer Klimaschutzinter-essen von der Politik einfordern

Solarthermische Anlagen verringern in immer mehr Haumlusern den fossilen Energiebedarf fuumlr Warmwasser und Heizung Foto Dietmar Putscher

133 Einen interessanten Artikel zum Thema Vor- und Nachteile von Outsourcing bietet bdquoDie Zeitrdquo httpwwwzeitde201016Globalisierung

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73 Was koumlnnen die Buumlrger tunNeben Politik und Wirtschaft haben die Buumlrger eine zentrale Bedeutung in der Realisierung der Klimaziele Wie beschrieben erfordert eine nachhaltige Loumlsung der Klimaprobleme eine kulturelle und industrielle Revolu - tion womit der Buumlrgergesellschaft eine viel gewichti-gere Rolle zukommt als wir ndash ihre Mitglieder ndash bislang wahrzunehmen bereit waren Dass Buumlrgerbewegungen viel bewegen koumlnnen zeigt die Geschichte der Bundes-republik in der die meisten kulturellen Veraumlnderungen nicht auf Anstoszlig der professionellen Politik sondern auf Basis der Initiative Einzelner oder kleiner Gruppen ent-standen sind134 Ein Beispiel dafuumlr ist die Frauenbewe-gung welche eine Aumlnderung der Geschlechterverhaumllt-nisse in der Gesellschaft bewirkte lange bevor auch die Politik Genderaspekte (Gleichstellungsgesetze Frauen-quoten usw) aufgriff Auch die Anti-Atombewegung hat den jetzt verkuumlndeten Atomausstieg durch jahrzehnte-langes Engagement gegen eine steinharte industrienahe Mentalitaumlt durchgesetzt Folglich ist Politik nicht nur was die Politiker machen sondern vielmehr auch das was wir Buumlrger bewegen

Handlungsmoumlglichkeiten

Im Allgemeinen stehen uns verschiedene Wege offen zu handeln doch allen voraus steht die Aufgabe sich zu in-formieren womit auch der Bildungsarbeit eine zentrale Rolle zukommt Jede(r) Einzelne sollte sich uumlber die Fol-gen des eigenen Handelns sowie uumlber Klimaschutzmaszlig-nahmen auf dem Laufenden halten Jede kleine Aktion die zum Klimaschutz beitraumlgt ist wichtig In den folgen-den drei Bereichen gibt es besonders effiziente Hand-lungsmoumlglichkeiten

rarr 1 Einfluss auf die Politik ausuumlben

Buumlndnisse und Buumlrgerinitiativen koumlnnen die Politik haumlu-fig beeinflussen weil sie entweder ein Gegengewicht oder auch einen Partner staatlichen Handelns darstel-len koumlnnen Durch die Beruumlcksichtigung von Klima- und Umweltaspekten bei der politischen Wahlentscheidung kann ebenfalls Einfluss auf die Politik genommen wer-den Dies gilt nicht nur fuumlr Bundestags- und Europapar-laments- sondern auch fuumlr Landtags- und Kommunal-wahlen Denn wichtige Entscheidungen fuumlr oder gegen den Klimaschutz werden auf allen Ebenen getroffen Kli-maschutz sollte daher in allen Faumlllen ein wichtiges Wahl-kriterium sein bdquoWahlpruumlfsteineldquo die von Umweltver-baumlnden und Organisationen vor Wahlen veroumlffentlicht werden koumlnnen bei der Entscheidung helfen

rarr 2 Sich vernetzen

Gemeinsam mit anderen Aktiven ist es haumlufig leichter einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten In der klei-

nen Gemeinde Schoumlnau im Schwarzwald begann zum Beispiel eine private Initiative 1998 mit der Investition in Erneuerbare Energien Anfangs mit Wind- und Solar-energie spaumlter mit Kraft-Waumlrme-Koppelung und Bio-masse konnten sie soviel Energie produzieren dass sie das oumlrtliche Stromnetz uumlbernahmen und ein eigenes Elektrizitaumlts-Werk errichteten Heute versorgen sie mehr als 100000 Kunden135 Betriebe und Industrieun-ternehmen im ganzen Bundesgebiet mit Oumlkostrom und investieren die Gewinne wiederum in eine nachhaltige Energieversorgung Ein weiterer nennenswerter Akteur in Sachen Klimaschutz ist die Klima-Allianz136 ein Buumlnd-nis von mehr als 100 Organisationen aus einem breiten gesellschaftlichen Spektrum das sich gemeinsam fuumlr die Schaffung politischer Rahmenbedingungen einsetzt

Gemeinsames Handeln ist haumlufig nicht nur erfolgreich sondern macht auch viel Spaszlig Ist das Interesse ge-weckt Dann schauen Sie mal unter wwwutopiade oder wwwklimaretterinfo

rarr 3 Nachhaltig konsumieren

Die Einflussnahme auf die Politik und die Vernetzung mit anderen Aktiven sind wichtige Beitraumlge zum Klima-schutz Sie entbinden aber nicht von der eigenen Ver-

Auf wwwutopiade findet man viele interessante Hinweise zu klimafreundlichen Leben

Nachhaltigkeitssiegel koumlnnen eine Orientie rung fuumlr den nachhaltigen Konsum geben

134 Eine ausfuumlhrliche Auseinandersetzung mit der Rolle der Buumlrgergesellschaft bieten Leggewie und Welzer 2010135 Siehe httpwwwews-schoenaudeewshtml 136 Siehe httpwwwdie-klima-allianzde

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antwortung Der Buumlrger hat in seiner Verbraucherrolle besonders viel Handlungsspielraum weil exzessiver Konsum fuumlr die Zerstoumlrung der globalen Oumlkosysteme und den Klimawandel mitverantwortlich ist Wie der Bericht des fuumlhrenden US-amerikanischen Umweltin-stituts Worldwatch zeigt uumlbernutzen wir derzeit die natuumlr lichen Kapazitaumlten der Erde um rund ein Drittel wobei die Hauptverantwortung bei den hoch industria-lisierten Laumlndern liegt137 Abhilfe koumlnnte ein Wandel der Konsumkultur ermoumlglichen wenn er auf Nachhaltigkeit abzielt138 Das heiszligt in anderen Worten Wir Buumlrger und Buumlrgerinnen koumlnnen uumlber unser Konsumverhalten die Lebensqualitaumlt steigern und zugleich das Klima schonen

Folgende vier Grundregeln helfen klima freund-licher und nachhaltiger zu konsumieren

Informieren und Vergleichen vor der Kaufentscheidung Mittlerweile gibt es in vielen Bereichen Zertifizierun-gen die umweltfreundliche Produkte und Sparpoten-ziale auszeichnen An ihnen koumlnnen Verbraucher z B besonders energieeffiziente Geraumlte erkennen So gibt es in einigen Bereichen mittlerweile auch Produkte (z B bei Kuumlhlschraumlnken oder Spuumllmaschinen) die noch deutlich effizienter sind als Energieklasse A

Klima-Konsequenzen bei Kaufentscheidungen beruumlcksichtigen Bei fast allen Einkaumlufen koumlnnen wir Klimakonsequenzen beruumlcksichtigen Wenn sie regionale Produkte einkau-fen verhindern sie zum Beispiel lange Transportwege bei den Produkten

Einkaufen nach Bedarf Haumlufig wird mehr konsumiert als notwendig Auch wenn viele Produkte durch Groumlszlige oder neue technische Moumlg-lichkeiten und Raffinessen beeindrucken sollten Sie uumlberlegen welche Funktionen Sie wirklich brauchen und auf welche Sie verzichten koumlnnen Denn fuumlr viele Gerauml-te gilt je leistungsstaumlrker desto houmlher der Energiever-brauch

Sinnvoll sparen Besonders in den Bereichen die besonders klimaschaumld-lich sind und wo es Einsparpotenziale gibt Im privaten Bereich haben den mit Abstand groumlszligten Anteil am direk-ten und indirekten Treibhausgasausstoszlig der Auto- und Flugverkehr das Heizen sowie die Ernaumlhrung

Die moumlglichen Maszlignahmen werden im Fol-genden anhand verschiedener Bereiche veran-schaulicht

1 Was gibtrsquos zu beachten im Bereich Energie und Heizen

n Energetische SanierungDie energetische Sanierung von Gebaumluden und Raumlumen rechnet sich langfristig haumlufig weil die eingesparten Energiekosten die entstehenden Renovierungskosten meistens ausgleichen insbesondere bei steigenden Kosten fuumlr fossile Energien Im Bereich Waumlrmedaumlm-mung Isolierung (Fenster etc) und Heizungsanlage (siehe oben) gibt es besonders hohe EinsparpotenzialeDie staatseigene Kreditanstalt fuumlr Wiederaufbau (KfW wwwkfwde) bietet z B zinsguumlnstige Kredite oder Zu-schuumlsse fuumlr solche Sanierungen Auch ohne Geld gibt es uumlber bdquoContractingldquo die Moumlglichkeit seine Gebaumlude energetisch zu renovieren Die Idee der Zusammenarbeit mittels bdquoContractingldquo ist einfach Ein Unternehmen das sich auf effiziente Waumlrme- und Energietechnik spezia-lisiert hat renoviert Gebaumlude oder Raumlume Kommunen oder Wohnungsbaugesellschaften bezahlen dafuumlr kei-nen Cent mehr als sonst weil der Sanierer fuumlr mehrere Jahre nur das Geld erhaumllt das der jeweilige Besitzer bis-lang fuumlr Oumll Gas und Strom mehr bezahlt hat Eine klassi-sche Win-Win-Situation

Einen Ratgeber fuumlr Energiespar-Contracting in oumlffent-lichen Liegenschaften hat das Umweltbundesamt ver-oumlffentlicht (siehe httpwwwumweltbundesamtdeproduktebeschaffungenergieversorgungcontractinghtml)

n Passivhaumluser und Plus-Energie-Haumluser Besonders energieeffiziente Gebaumlude sind Passivhaumluser oder Plus-Energie-Haumluser Das Passivhaus ist ein Bau-konzept bei dem Waumlrmedaumlmmung und Luftdichtheit im Vordergrund stehen um die Heizkosten zu reduzieren Das Plus-Energie-Haus geht daruumlber hinaus und ist in der Regel ein Passivhaus in Kombination mit Photovoltaik-anlagen das mehr Primaumlrenergie produziert als es an Heizenergie verbraucht

Waumlrmedaumlmmung vermindert effektiv CO2-Emissionen und wird durch Foumlrdermaszlignahmen unterstuumltztFoto Dietmar Putscher

137 Worldwatch Institute 2010138 Die Vereinten Nationen definieren diesen nachhaltigen Konsum als bdquodie Nutzung von Guumltern und Dienstleistungen die ele-

mentare menschliche Beduumlrfnisse befriedigen und eine bessere Lebensqualitaumlt hervorbringen wobei sie gleichzeitig den Einsatz natuumlrlicher Ressourcen toxischer Stoffe und Emissionen von Abfall und Schadstoffen uumlber den Lebenszyklus hinweg minimieren um nicht die Beduumlrfnisbefriedigung kuumlnftiger Generationen zu gefaumlhrdenldquo

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n EnergiepassBei Mietwohnungen erleichtert der Energiepass der seit 01072008 fuumlr alle Vermieter und Verkaumlufer von Immobilien Pflicht ist die Identifizierung von energie-sparenden GebaumludenRaumlumen Als Mieter lohnt es sich den Vermieter nach dem Energiepass zu fragen und auf moumlgliche Maumlngel hinzuweisen

n In Erneuerbare Energie investierenDurch einen Wechsel von Kohle Oumll- und Gas zu Erneu-erbaren Energien koumlnnen die Emissionen im Haushalt stark gesenkt werden

n Bezug von Oumlko-StromIn den meisten Faumlllen sind der Bezug von Strom aus Er-neuerbaren Energien und der Wechsel des Stromversor-gers heute problemlos moumlglich und nur Sache eines ein-zigen Telefonats Guumlnstige Angebote gibt es bei vielen lokalen Stromversorgern aber auch uumlberregional An-bieter mit den Siegeln bdquook-Powerrdquo oder dem bdquoGruumlner-Strom-Labelrdquo sind aus oumlkologischer Sicht zu empfehlen Zudem sollten die Anbieter eigentumsrechtlich unab-haumlngig von den groszligen Energieversorgern sein

Investitionen in gruumlnen Strom koumlnnen langfristig gese-hen haumlufig Geld sparen und als Beitrag zur Altersvorsor-ge betrachtet werden Teilweise koumlnnen Solarpaneele zum Beispiel bis zu 40 Jahre halten und somit langfristig die Stromkosten senken Der Bau oder die Beteiligung an Projekten zur Nutzung Erneuerbarer Energien (z B Solarstrom Windkraft) sind dabei Geldanlagen die Rendite und Klimaschutz verbinden Buumlrgersolarparks ermoumlglichen eine Beteiligung auch mit kleinen Geldbe-traumlgen und auch wenn man kein eigenes Dach besitzt139

Immer mehr Neubauten werden durch geringen Ener-gie verbrauch und Stromproduktion durch Solarzellen zu bdquoPlusenergiehaumlusernldquo die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen Foto fotoliacom Daniel Schoenen

n Effiziente Heiz- und Warmwasseranlagen nutzenEffiziente Heizanlagen sind z B moderne Pelletheizun-gen Waumlrmepumpen oder auch Gas-Brennwertkessel Warmes Wasser laumlsst sich wiederum kostenguumlnstig und klimaschonend durch Solarwaumlrme erzeugen Besonders lohnenswert ist die Koppelung von Heizenergie- und Warmwassererzeugung und die Ergaumlnzung der Anlage durch Sonnenkollektoren (Der Einbau wird derzeit noch staatlich gefoumlrdert)

n Klimakonsequenzen bei Renovierung Neubau oder Umzug beruumlcksichtigenBei der Errichtung von Gebaumluden der Renovierung oder dem Umzug in neue Gebaumlude gibt es viele Energiespar-moumlglichkeiten

n Wohnung und GroumlszligeNeben dem Energiestandard koumlnnen die CO2-Emissio-nen durch die Wohnortwahl und die Groumlszlige der beheiz-ten Wohnflaumlche beeinflusst werden Bei der Wahl des Wohnorts kann man auf folgende Punkte achten die Naumlhe zum Arbeitsort zur Schule und zu Einkaufsmoumlg-lichkeiten sowie auf eine gute Anbindung an oumlffentliche Verkehrsmittel Dadurch kann eine Reduzierung der Au-tonutzung erzielt werden womit CO2- und Gelderspar-nisse einhergehen Zugleich sollte man sich immer fra-gen wie groszlig die Wohnung oder das Haus wirklich sein muumlssen Eine kleine Wohnung hat auch Vorteile denn Je kleiner die Wohnung desto kleiner ist nicht nur der Energieverbrauch sondern auch die StromrechnungWeitere Infos siehe auch CO2-Online wwwco2onlinede oder Institut Wohnen und Umwelt wwwiwude

n Technik im HausBei dem Kauf von Elektrogeraumlten ist die Wahl von klei-nen Energie einsparenden Geraumlten langfristig betrach-tet gut fuumlr die Umwelt und fuumlr den Geldbeutel

n Energieeffizienz beruumlcksichtigenBei dem Kauf von Haushaltsgeraumlten hilft die Beruumlcksich-tigung der Energieeffizienzklasse die Skala reicht von A-G Fuumlr Kuumlhl- und Gefrierge-raumlte gibt es seit Maumlrz 2004 bun-desweit zusaumltzlich die Katego-rien A+ und A++ die besonders sparsame Produkte kennzeich-nen (httpwwwstromeffizi-enzdeeu-labelhtml)

139 Zum Thema Stromwechsel siehe auch wwwgermanwatchorgstromhtm

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n Kuumlhlen und GefrierenKuumlhl- und Gefriergeraumlte die vor mehr als zehn Jahren gekauft wurden sind meist in der Energieeffizienzklas-se B C oder noch schlechter einzustufen Eine Neuan-schaffung rechnet sich fast immer weil demgegenuumlber moderne Spitzengeraumlte deutlich Kilowattstunden pro Jahr einsparen Natuumlrlich ist es auch wichtig die Groumlszlige an den Bedarf anzupassen Als allgemeine Faustregel gilt Ein Ein- bis Zweipersonenhaushalt braucht 100 bis 120 Liter zum Kuumlhlen und 50 bis 80 Liter zum Gefrieren Wenn man auf das Gefrierfach verzichten kann kann noch einmal deutlich eingespart werden

n Waschen und TrocknenAuch bei Waschmaschinen und Trocknern gilt es Ener-gieeffizienz und Groumlszlige zu beruumlcksichtigen Waschma-schinen muumlssen nach der Energieeffizienzklassifizie-rung (ABC) gekennzeichnet sein (z B AAB) Dabei gibt der erste Buchstabe Auskunft uumlber den Energie-verbrauch der zweite uumlber die Waschwirkung und der dritte uumlber die Schleuderwirkung Eine Uumlbersicht uumlber gute Waschmaschinen und Trockner finden Sie unter wwwecotoptende

Trotz guter Effizienzklassen gibt es auch beim Waschver-halten einige Spartipps Generell gilt es auch die WaschTrockentrommel moumlglichst auszunutzen und nicht nur zur Haumllfte zu befuumlllen wobei moderne Maschinen haumlu-fig Sensoren haben so dass Wasser- und Energieeinsatz entsprechend der Beladung angepasst werden

Bei Trocknern ist uumlberhaupt die Frage ob man sie benouml-tigt oder die Waumlsche nicht auf der Leine kann Wo dies nicht moumlglich ist sind Waumlrmepumpentrockner in der Effizienzklasse A zum Teil 40 Prozent sparsamer als die effizientesten Geraumlte der Klasse B

n Kochen und Backen Generell sind Gasherde kostenguumlnstiger und aufgrund geringerer Umwandlungsverluste umweltfreundlicher als Elektroherde zumindest dann wenn diese nicht mit Oumlkostrom laufen Kochfelder mit Gasbrenner oder aus Glaskeramik sind wiederum energiesparender als guss-eiserne Kochplatten Bei elektrischen Herden verbrau-chen die Induktionskochzonen am wenigsten Strom Insgesamt gilt dass es bei der konkreten Nutzung eine Reihe von Verhaltensweisen gibt mit denen man ener-giesparend kochen kann vom Kochen mit Deckel uumlber die Vorerhitzung groumlszligerer Mengen Wasser mit dem Wasserkocher Auch spielt die Qualitaumlt der Toumlpfe und Pfannen eine wichtige Rolle Tipps dazu finden sich un-ter wwwecotoptende

n IT-GeraumlteAuch bei IT-Geraumlten gilt die Faustregel Je groumlszliger und technisierter desto houmlher ist haumlufig der Stromverbrauch

Aktuelle Werte fuumlr Computer und effiziente Buumlrogeraumlte unter wwwoffice-toptende

n Beleuchtung Energiesparlampen werden immer mehr zur Normali-taumlt ihre Qualitaumlt und ihre Vielseitigkeit haben sich in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt In der Regel verbrauchen sie 80 Prozent weniger Strom als Gluumlhbirnen so dass sich der anfangs houmlhere Preis uumlber die Lebensdauer mehr als rechnet Die klassische Gluumlh-birne wird in den naumlchsten Jahren dank der von Deutsch-land mitgetragenen Beschluumlsse auf EU-Ebene komplett vom Markt verschwinden Immer mehr im Kommen sind heutzutage LED-Lampen die ebenfalls sehr sparsam und noch langlebiger als die Energiesparlampen sind Die Anwendungspalette wird immer breiter und es wird mit einem deutlichen Preisruumlckgang gerechnet

2 Mobilitaumlt ndash Umweltbewusst Verkehrsmit-tel nutzen

Der Verkehr ist ein besonderes Sorgenkind im Klima-schutz weil die Emissionen in diesem Bereich trotz bes-serer Techniken weiterhin sehr hoch sind Der private Pkw-Verkehr beeinflusst in groszligem Maszlig das Klima und besteht zum groumlszligeren Teil aus Freizeitverkehr Ein Jahr Autofahren in Deutschland entspricht mit ca 2000 kg CO2 dem jaumlhrlichen CO2-Ausstoszlig eines Menschen in der Dominikanischen Republik Daher sollte man sich zu-naumlchst grundsaumltzlich fragen ob man uumlberhaupt ein Auto braucht und welche Funktionen es erfuumlllen muss oder ob man nicht mit einer Kombination aus oumlffentlichem Personenverkehr Fahrrad und evtl auch Car-Sharing (s u) besser bdquofaumlhrtldquo

Das Argument bdquoich habe das Auto ja ohnehinldquo ver-kehrt sich ins Gegenteil wenn man eine sich schon bei zwei drei weiteren Fahrten pro Jahr rechnende Bahn-card 50 die Jahreskarte fuumlr die Region oder bestimmte

Das Fahhrad als modernes umweltfreundliches Verkehrsmittel Foto Dietmar Putscher

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Strecken oder bei Vielfahrern gar die Bahncard 100 (wwwd-bahnde) nutzt mit der man deutschlandweit mit der Bahn und dem oumlffentlichen Verkehr in den Staumld-ten fahren kann

Wer nicht auf das Auto verzichten kann oder will sollte ein sparsames Fahrverhalten pflegen und beim Autokauf Umweltkriterien beruumlcksichtigen Der Verkehrsclub Deutschland (wwwvcdorg) veroumlffentlicht jedes Jahr im August mit seiner Auto-Umweltliste140 ein ausfuumlhrliches Ranking der Umweltfreundlichkeit neu auf den Markt gekommener Autos und gibt weitere Tipps beim Auto-kauf

Empfehlenswert sind besonders sparsame Autos z B durch einen Hybridantrieb oder Elektroautos so-weit sie mit Strom aus Erneuerbaren Energien betrie-ben werden Je nach Nutzung des Autos gibt es auch sinnvolle Alternativen Fuumlr kurze Strecken bietet sich das Fahrrad an was nicht nur gesuumlnder sondern in der Stadt auch haumlufig schneller ist Wenn man nur sel-ten ein Auto benoumltigt kann man sich zum Car-Sharing (wwwcarsharingde) anmelden oder Mitfahrgelegen-heiten (wwwmitfahrgelegenheitende) nutzen

Fliegen ist das am schnellsten wachsende Klimaproblem Der Flugverkehr ist besonders klimaschaumldlich weil die Abgase in den hohen Schichten der Atmosphaumlre eine zwei- bis sechsmal houmlhere Treibhauswirkungen haben als am Boden Im Sinne des Klimaschutzes gilt es folg-lich das Flugzeug als Transportmittel soweit wie moumlg-lich zu meiden Fuumlr nicht vermeidbare Fluumlge gibt es die Moumlglichkeit die getaumltigten Emissionen durch Spen-den fuumlr serioumlse Klimaschutzmaszlignahmen auszugleichen (wwwatmosfairde)

3 Ernaumlhrung

Da die Produktion von Fleisch und Milchprodukten meist deutlich mehr Energie verbraucht als die Herstellung einer gleichwertigen Menge von Gemuumlse und Obst ist fleischarme Ernaumlhrung ein Beitrag zum Klimaschutz Die Produktion von 1 kg Rindfleisch ist beispielsweise mit etwa 250 km Autofahren gleichzusetzen Auch der Kauf von regionalen saisonalen Produkten ist ein Beitrag zum Klimaschutz weil die CO2-Emissionen mit steigenden Transportwegen zunehmen Die CO2-Last der Ernaumlhrung haumlngt zugleich auch von der Herstellung der Produkte ab Anteile von Duumlngern und Pestiziden der Einsatz von Tranktoren und Transportern usw spielen eine Rolle Im Allgemeinen werden Biolebensmittel umweltschonen-der hergestellt als konventionelle weil der Einsatz von Pestiziden synthetischen Duumlngemitteln und Gentechnik verboten ist Aus Klimasicht ist die Art der Lebensmit-tel (Fleisch oder Gemuumlse) allerdings viel entscheiden-der als der Unterschied zwischen der Art des Anbaus (konventio nell oder oumlko) So verursacht ein Kilo Biorind-fleisch die 90fache Klimabelastung wie ein Kilo frisches Gemuumlse aus konventio nellem Anbau141 Die wichtigste Frage fuumlrs Klima ist folglich Gemuumlse oder Fleisch

4 Geldanlagen

Auch Geld kann man klimaschaumldlich oder klimafreund-lich anlegen Waumlhrend viele Menschen versuchen klima-freundlich Auto zu fahren oder energieeffiziente Geraumlte zu nutzen machen sich die wenigsten daruumlber Gedan-ken was mit ihrem angesparten Geld passiert

Mittlerweile gibt es jedoch eine ganze Reihe von Finanz-angeboten bei denen soziale ethische und oumlkologische Aspekte bei der Geldverwendung beruumlcksichtigt wer-den Eine Moumlglichkeit sein Geld klimafreundlich arbei-

Auch an der Gemuumlsetheke kann man durch den Kauf von Bio-Produkten und von regionalem und saisonalem Gemuumlse einen Beitrag zum Klimaschutz leisten Foto Dietmar Putscher

Der Flugverkehr ndash eines der am schnellsten wachsenden Probleme fuumlr das Weltklima

140 Die Auto-Umweltliste siehe httpwwwbesser-autokaufendeaulihtml 141 Bals et al 2008 S 299

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ten zu lassen sind Anleihen bei denen man einem bdquogruuml-nenldquo Unternehmen einen festen Geldbetrag (z B 1000 Euro) fuumlr mehrere Jahre leiht und dabei eine jaumlhrliche Verzinsung von 6 Prozent oder mehr bekommt Wer sich genauer informieren moumlchte kann auch auf der Home-page des Forums Nachhaltige Geldanlagen schauen ei-nem Zu sammenschluss von knapp 100 Unternehmen und Organisationen die sich fuumlr nachhaltige Geldanlagen einsetzen (wwwforum-ngde)

5 Holz und Papier

Waumllder haben eine wichtige Funktion im Klimaschutz weil Baumlume einerseits CO2 binden und speichern und anderseits Sauerstoff produzieren Als Verbraucher hat man die Moumlglichkeit durch die Wahl der Holzprodukte (Papier Moumlbel usw) die Abholzung von Tropenwaumlldern und borealen (noumlrdlichen) Nadelwaumlldern zu verhindern Bei dem Kauf von Holz oder Holzprodukten sollte man darauf achten dass sie aus regionalen und nachhaltig bewirtschafteten Waumlldern stammen Das heiszligt zugleich dass man auf Gartenmoumlbel aus Tropenholz verzichtet und stattdessen Moumlbel vorzieht die aus heimischen Waumlldern stammen Damit ist auch eine nachhaltige Be-wirtschaftung garantiert weil sich die deutsche Forst-wirtschaft seit Jahrzehnten am Leitbild der Nachhal-tigkeit orientiert Wo doch die Nutzung von Tropenholz als zwingend erachtet wird sollte es zumindest vom Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert sein (s wwwfsc-deutschlandde)

Die Nutzung von Holz im Allgemeinen ist unterstuumltzens-wert weil Holz CO2 bindet und bei der Produktion nur Energie fuumlr die Verarbeitung benoumltigt wird Somit ist zum Beispiel die Verwendung von Holz als Baumaterial umweltschonender als die Nutzung von Stahl Beton Kunststoff usw

Jeder Mensch hat in seinem alltaumlglichen Leben mehr mit Holzprodukten zu tun als es ihm haumlufig bewusst ist Taumlglich benutzen wir Klopapier lesen Zeitung oder entnehmen Produkte ihren Papierverpackungen Wer Recyclingpapier und -taschentuumlcher und allgemein Recyclingmaterialen nutzt kann auf einfache Weise un-sere Waumllder und unser Klima schonen

Wie in diesem Kapitel beschrieben gibt es fuumlr jeden Einzelnen von uns viele Wege einen Beitrag zum Klima-schutz zu leisten und jede Initiative zaumlhlt ndash denn beson-ders wir Buumlrger koumlnnen den Weg zu neuen Lebensstilen und einem neuen Wohlstandsmodell ebnen

Weblinkswwwgermanwatchorgwwwverbraucherfuersklimadewwwdie-klima-allianzdewwwecotoptende

Buchtipps

nBals Christoph Horst Hamm Ilona Jerger amp Klaus Milke (2008) Die Welt am Scheideweg Wie retten wir das Klima Hamburg Rowohlt Verlag ISBN 978-3-498-00653-2

nHarmeling S et al (2008) Globaler Klimawandel Diercke Spezial ndash Ausgabe 2008 fuumlr die Sekundar-stufe II Westermann Verlag ISBN 978-3-14-151053-9

nLeggewie Blaus amp Harald Welzer (2009) Das Ende der Welt wie wir sie kannten Klima Zukunft und die Chancen der Demokratie Frankfurt am Main Fischer

nPendo (2007) Einfach das Klima veraumlndern Muumlnchen Pendo Verlag ISBN 978-3-86612-123-2

nPendo (2007) Pendos CO2-Zaumlhler Muumlnchen Pendo Verlag ISBN 978-3-86612-141-6

nRainer Grieszlighammer (2007) Der Klima-Knigge Berlin Booklett-Verlag ISBN 978-3940153029

Mit der Kampagne bdquo100 Prozent Zukunftldquo engagiert sich Germanwatch gemeinsam mit anderen Organisationen fuumlr einen klimafreundlichen Umbau der deutschen Stromversorgung

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8 LiteraturAnnan K (2005) Towards a culture of peace Letters to future generationshttpwwwunescoorgopi2lettresTextAnglaisAnnanEhtml

Bals C (2002) Zukunftsfaumlhige Gestaltung der Globalisierung Am Beispiel einer Strategie fuumlr eine nachhaltige Klimapolitik In Zur Lage der Welt 2002 Fischer Verlag httpwwwgermanwatchorgriocb02sowpdf

Bals et al (2008) Die Welt am Scheideweg Wie retten wir das Klima Rowohlt Verlag

Beckley B et al (2007) A reassessment of global rise and regional mean sea level trends from TOPEX and Jason-1 altimetry based on revised reference frame and orbits In Geophysical Ressearch Letters Vol 34

Bundesregierung (2010) Energiekonzept der Bundesregierung Langfristige Strategie fuumlr die kuumlnftige Energieversorgung httpwwwbmudeenergiekonzeptdoc46394php

Burck J (2010) Der Klimaschutz-Index Ergebnisse 2011 Germanwatch Bonn httpwwwgermanwatchorgccpihtm

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Conisbee M und A Simms (2003) Environmental Refugees The Case for Recognition New Economics FoundationhttpwwwneweconomicsorgsitesneweconomicsorgfilesEnvironmental_Refugeespdf

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Wir sind eine gemeinnuumltzige unabhaumlngige und uumlberpar-teiliche Nord-Suumld-Initiative Seit 1991 enga gieren wir uns in der deutschen europauml ischen und internationalen Nord-Suumld- Handels- und Um welt politik

Ohne strukturelle Veraumlnderungen in den Indus-trielaumlndern des Nordens ist eine sozial gerechte und oumlkologisch vertraumlgliche Entwicklung weltweit nicht moumlglich Wir setzen uns dafuumlr ein die politischen Rahmenbedingungen am Leitbild der sozialen und oumlko-logischen Zukunftsfaumlhigkeit fuumlr Suumld und Nord auszu-richten

Unser Engagement gilt vor allem jenen Menschen im Suumlden die von den negativen Aus wirkungen der Glo-balisierung und den Konse quenzen unseres Lebens- und Wirtschaftsstils besonders betroffen sind Wir treten dafuumlr ein die Globalisierung oumlkologisch und sozial zu gestalten

Germanwatch arbeitet an innovativen und umsetzbaren Loumlsungen fuumlr diese komplexen Proble me Dabei stimmen wir uns eng mit Organi sa tionen in Nord und Suumld ab

Wir stellen regelmaumlszligig ausgewaumlhlte Informationen fuumlr Entscheidungstraumlger und Engagierte zusammen mit Kampagnen sensibilisieren wir die Bevoumllkerung Daruumlber hinaus arbeiten wir in gezielten strategischen Allianzen mit konstruktiven Partnern in Unter nehmen und Gewerkschaften zusammen um intelligente Loumlsungen zu entwickeln und durchzusetzen

Zu den Schwerpunkten unserer Arbeit gehoumlren

nVerantwortungsuumlbernahme fuumlr Klimaschutz und Klimaopfer durch wirkungsvolle gerechte Instru-mente und oumlkonomische Anreize

nGerechter Welthandel und faire Chancen fuumlr Entwicklungslaumlnder durch Abbau von Dumping und Subventionen im Agrarhandel

nEinhaltung sozialer und oumlkologischer Standards durch multinationale Unternehmen

nOumlkologisches und soziales Investment

Moumlchten Sie uns dabei unterstuumltzen Fuumlr unsere Arbeit sind wir auf Spenden und Beitraumlge von Mit gliedern und Foumlrderern angewiesen Spenden und Mitgliedsbeitraumlge sind steuerlich absetzbar

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Abb 1 Schematische Darstellung des Treibhauseffekts 6Abb 2 Der Kohlenstoffkreislauf 8Abb 3 Gemessene und simulierte Temperaturabweichungen vom langjaumlhrigen

Mittel (1901-1950) seit 1906 fuumlr verschiedene Regionen der Erde 10Abb 4 bdquoReasons for Concernrdquo Vergleich IPCC 2001 mit IPCC 2007 13Abb 5 Veraumlnderung des Vernagtferners in den Oumltztaler Alpen 1844-2001 14Abb 6 Ausdehnung des arktischen Meereises im Vergleich zu 1979-2000 15Abb 7 Ruumlckzug der Aufsetzlinie des Jakobshavn Isbrae 1850-2006 an der Westkuumlste Groumlnlands 16Abb 8 Weltweite Groszligkatastrophen (1950-2009) 18Abb 9 Temperatur- u Treibhausgasentwicklung in den letzten 800000 Jahren 20Abb 10 Temperaturkurven der IPCC-Leitszenarien bis 2100 26Abb 11 Beobachteter Meeresspiegelanstieg seit 1975 28Abb 12 Kipp-Elemente mit Temperaturschwellen (gegenuumlber 1880) die in diesem Jahrhundert angestoszligen

werden koumlnnten 30Abb 13 Erwartete Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme Wasser- und Ernaumlhrungssicherheit

Gesundheit und Wirtschaft bei unterschiedlicher Erwaumlrmung (im Vgl zu 1880) 34Abb 14 Sicherheitsrisiken durch Klimawandel ausgewaumlhlte Brennpunkte 36Abb 15 Betroffenheit von Naturkatastrophen in Entwicklungs- und Industrielaumlndern 38Abb 16 Temperatur- und Niederschlagsaumlnderungen in Afrika bis 2100 Modellsimulation nach dem

Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestemperaturen und Jahresnieder - schlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999 38

Abb 17 Temperatur und Niederschlagsaumlnderungen in Suumldamerika bis 2100 Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestemperaturen und Jahresnieder- schlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999 39

Abb 18 Kumulierte energiebedingte CO2-Emissionen 1900-1999 42Abb 19 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen 1992-2007 (oder 2008) 43Abb 20 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen pro Einwohner zwischen 1990 und 2007

fuumlr neun ausgewaumlhlte Laumlnder 44Abb 21 Entwicklung der THG-Emissionen in Deutschland nach Sektoren 1990 bis 2008 45Abb 22 Anstiegsrate der CO2-Emissionen 46Abb 23 Weltweite Entwicklung von Emissionsfaktoren 48Abb 24 Anteil der anthropogenen CO2-Emissionen der in der Atmosphaumlre und im Ozean verbleibt 49Abb 25 Die drei Phasen der angestrebten Aufwaumlrtsspirale des internationalen Klimaschutzes 57Abb 26 Das bdquoAnpassungskontinuumldquo und Strategien zur Ernaumlhrungssicherung 61

Tabellen

Tabelle 1 Die wichtigsten anthropogenen Treibhausgase 21Tabelle 2 Groszligraumlumig wirksame Klimafaktoren und die zugehoumlrigen Strahlungsantriebe und Temperatur-

signale (seit 1880) 23Tabelle 3 Die zugrundeliegenden Annahmen der Szenarien des IPCC 25Tabelle 4 Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011 47

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

5

Der Klimawandel ist laumlngst keine theoretische Moumlg-lich keit mehr die sich aus den Berechnungen von Computermodellen ergibt Er ist auch kein Problem das sich woanders oder in ferner Zukunft ereignet Im Gegenteil Er findet jetzt und auf unserem Planeten statt Und dass dieser Wandel seit Mitte des vergange-nen Jahrhunderts nicht durch andere Faktoren als das menschliche Handeln erklaumlrbar ist ist eine wissenschaft-liche Tatsache

Die weltweite Zunahme klimatischer Extremereignisse und Folgeerscheinungen bringen umfassende Heraus-forderungen mit sich Veraumlnderte Wettermuster Stark niederschlaumlge Hitzewellen Uumlberschwemmungen Stuumlrme und Duumlrren das Abschmelzen der polaren Eisschilde und vieler Gletscher sowie der Anstieg des Meeresspiegels haben bereits heute handfeste und un-mittelbare Auswirkungen fuumlr Natur und Gesellschaft im Norden genauso wie im Suumlden

Die Erde scheint aus den Fugen zu geraten und auch die Zukunft im Treibhaus ist bedruumlckend Die Welt gemeinschaft befindet sich derzeit auf einem Emissionspfad der ohne entschiedenes Gegensteuern bis Ende des Jahrhunderts in einer Temperaturerhoumlhung von vier bis sechs Grad Celsius muumlnden koumlnnte Wichtige Teilsysteme unseres Planeten drohen umzukippen und koumlnnten den Zustand eines stabilen Klimas schon bald abrupt beenden

Die Konsequenzen fuumlr hunderte Millionen wenn nicht Milliarden von Menschen waumlren dramatisch und Ausdruck enormer Ungerechtigkeit Bereits heute machen Nah-rungsmittelknappheit Was sermangel Krankheiten und Landflucht deutlich dass diejenigen die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben die Hauptlast sei-ner Folgen tragen Betroffen sind vor allem die Armen und Aumlrmsten in den Entwicklungslaumlndern die kleinen Inselstaaten genauso wie die am wenigsten entwickel-ten Laumlnder Der Wohlstand zukuumlnftiger Generationen ist ebenfalls gefaumlhrdet Fuumlr alle steht nichts weniger als die Lebens- und Uumlberlebensperspektive auf dem Spiel

Um einer weiteren gefaumlhrlichen Stoumlrung des Klima-systems vorzubeugen muss eine ernsthafte Klima-schutzpolitik deshalb auf zwei Saumlulen aufbauen

1 Das Unbeherrschbare vermeiden Durch eine deutliche Verminderung des Treibhaus-

gasausstoszliges gilt es den Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf so weit wie moumlglich unter zwei Grad Celsius gegenuumlber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen

2 Das Unvermeidbare beherrschen Da der Klimawandel schon im Gange ist und sich be-

stimmte Auswirkungen nicht mehr verhindern lassen brauchen wir eine umfassende Anpassungstrategie ndash insbesondere fuumlr die besonders verletzlichen Regionen und verwundbaren Menschengruppen

Angesichts des starken Emissionswachstums in den Schwellenlaumlndern lassen sich die Probleme nur mit ihnen gemeinsam loumlsen Die Industrielaumlnder muumlssen jedoch voran gehen Zum einen aufgrund ihrer histori-schen Verantwortung ndash sie haben den groumlszligten Teil der bisher in der Atmosphaumlre angesammelten menschge-machten Treibhausgase zu verantworten Zum anderen aufgrund ihrer politischen technologischen und zum Teil auch finanziellen Moumlglichkeiten Sie muumlssen durch aktives Handeln zu Hause durch eine Vorreiterrolle beim internationalen Verhandeln sowie durch Koalitionen mit Schwellenlaumlndern mit besonders betroffenen Nationen und mit Vorreiterstaaten den Weg zu einem postfossilen Wohlfahrtsmodell bahnen und die Unterstuumltzung be-sonders betroffener Regionen bei der Bewaumlltigung der unvermeidlichen Klimafolgen organisieren

Die Zeit draumlngt Naturgesetze lassen nicht mit sich verhandeln Mit jedem Jahr in dem wir ungebremst die Atmosphaumlre mit langlebigen Treibhausgasen anrei-chern wird eine hinreichend wirkungsvolle Antwort auf die Klimafrage schwieriger und teurer Innerhalb der jetzigen Dekade muss die globale Trendwende bei den Treibhausgasemissionen vollzogen werden damit die Temperaturerhoumlhung unter zwei Grad stabilisiert wird und noch genuumlgend Spielraum fuumlr ein menschenwuumlrdi-ges Leben in einer gesunden Umwelt bleibt Dazu ge-houmlrt auch die Umsetzung von Anpassungsmaszlignahmen Ein einfaches Hinnehmen oder Wegsehen ist keine Alternative

Fuumlr vorangehende Staaten bietet das viele Chan cen Ein Wohlstandsmodell jenseits der fossilen Ener-gietraumlger stellt nicht nur spannende Moumlglich keiten fuumlr Innovationsschuumlbe und fuumlr die Erschlieszligung von Zukunftsmaumlrkten mit neuen Technologien und Arbeits-plaumltzen in Aussicht sondern auch fuumlr einen kultu-rellen Zivilisationsschub Ob dies gelingt haumlngt nicht nur vom politischen Willen einiger Staats- und Regierungschefs dem technischem Erfindungsgeist oder von Unternehmerinitiativen ab sondern vor al-lem auch von der Vision dem Engagement und dem Ruumlckgrat jedes Einzelnen

Einleitung

6

Kurzwellige Lichtstrahlung der Sonne trifft auf die Erdoberflaumlche Langwellige Waumlrmestrahlung wird von der Erdoberflaumlche abgestrahlt und in der Atmosphaumlre von Spurengasen Wasserdampf und Staubpartikeln zu groszligen Teilen absorbiert Insbesondere das Kohlendioxid (CO2) sorgt dafuumlr dass die Waumlrmestrahlung nur teilweise zuruumlck ins All geschickt wird Quelle Harmeling et al 2008

1

3

4

Dadurch erfolgt zusaumltzliche Erwaumlrmung um 33 degC (natuumlrlicher Treibhauseffekt)

2

Spurengase Wasserdampfund Staub werfen teilweiseWaumlrmestrahlung zuruumlck

Erwaumlrmte Erde sendet Waumlrme-strahlung aus

Sonnenstrahlenerwaumlrmendie Erdoberflaumlche

11 Das Klima

Wenn wir den globalen Klimawandel verstehen wol-len muumlssen wir uns zunaumlchst mit dem Vokabular der Klimaforscher vertraut machen Das Klima ist in der Wissenschaft exakt definiert Es beschreibt die Gesamtheit der meteorologischen Erscheinungen (z B Temperatur Niederschlag Wind) die fuumlr eine Dauer von mindestens 30 Jahren den durchschnittlichen Zustand der Atmosphaumlre an einem bestimmten Ort charakterisie-ren Hier unterscheidet sich das Klima grundsaumltzlich vom Wetter Letzteres kennzeichnet nur kurzfristige und lo-kale Erscheinungen wie ein starkes Gewitter oder einen frostigen Wintertag Kurz gesagt Wetter ist das was gerade passiert Klima dagegen ist die Zusammenfas-sung des Wetters uumlber einen Zeitraum von mindestens drei Dekaden (bdquoTrendsldquo)

Das globale Klima ist dabei nicht konstant sondern unterliegt staumlndigen Schwankungen Die Ursache hierfuumlr liegt in mehreren Antriebsmechanismen Die Atmosphaumlre hat dabei den groumlszligten Einfluss steht je-doch in Wechselwirkung mit anderen Systemen wie den Ozeanen und Eisflaumlchen den Landoberflaumlchen und der Biosphaumlre Die Antriebsenergie fuumlr den Austausch zwischen diesen Teilsystemen wird von der Sonne geliefert wobei je nach Breitengrad und Jahreszeit unterschiedlich viel Energie durch die Atmosphaumlre bis zur Erdoberflaumlche dringt Dieses Ungleichgewicht das Temperaturunterschiede und somit Luftdruckgefaumllle ndash insbesondere zwischen dem Aumlquator und den Polen ndash verursacht setzt Ausgleichsprozesse wie zum Beispiel Winde oder Meeresstroumlmungen in Bewegung1

1 vgl Lauer 1995

1 Klima und Treibhauseffekt

Abb 1 Schematische Darstellung des Treibhauseffekts

7

12 Der natuumlrliche Treibhauseffekt

Erst durch den natuumlrlichen Treibhauseffekt und die damit verbundene Erwaumlrmung der Erdoberflaumlche ist Leben auf der Erde moumlglich Der Treibhauseffekt be-zeichnet den Erwaumlrmungseffekt der bodennahen Atmosphaumlre Kurzwellige Sonnenstrahlen koumlnnen die Atmosphaumlre fast ungehindert bis zur Erdoberflaumlche durchdringen Die von der Erdoberflaumlche reflektier-te langwellige Waumlrmestrahlung jedoch wird von so genannten Treibhausgasen zu Teilen absorbiert wieder zur Erde zuruumlck emittiert und dadurch in der Atmosphaumlre gehalten (siehe Abbildung 1) So wird die globale Mitteltemperatur in Bodennaumlhe die ohne das Vorhandensein einer derartigen Atmosphaumlre -18 degC betragen wuumlrde um 33 degC auf ca +15 degC ange hoben2 Ohne diesen bdquoWaumlrmestauldquo waumlre es so kalt auf der Erde dass sich kein houmlheres Leben entwickeln koumlnnte Das Klima der Erde ist somit das Ergebnis einer einfachen Energiebilanz innerhalb derer sich Einstrahlung auf die Erdoberflaumlche und Waumlrmestrahlung zuruumlck ins Weltall im Mittel ausgleichen

Zu den bdquoklimawirksamenldquo Treibhausgasen der Atmos-phaumlre welche die Waumlrmestrahlung absorbieren gehouml-ren vor allem Wasserdampf (H2O) Kohlendioxid (CO2) Distickstoffoxid (N2O) Methan (CH4) und Ozon (O3) Diese Gase sind in unterschiedlicher Konzentration auch ohne menschliches Zutun in der Atmosphaumlre ent-halten und somit fuumlr den natuumlrlichen Treibhauseffekt verantwortlich Aumlndert sich die Zusammensetzung der atmosphaumlrischen Gase so aumlndert sich auch die Durch-laumlssigkeit fuumlr die Waumlrmeabstrahlung der Erde und somit letztendlich auch die Energiebilanz Klimaaumlnderungen sind die Folge

Die einzelnen Treibhausgase unterscheiden sich aller-dings deutlich in ihrer Erwaumlrmungswirkung So hat ein Molekuumll Methan die gleiche Erwaumlrmungswirkung wie etwa 23 Molekuumlle Kohlendioxid (siehe Tabelle 1 S 21) Um diese Effekte besser vergleichbar zu ma-chen und in ihrer Gesamtheit zu berechnen verwen-den die Klimawissenschaftler den Vergleichsmaszligstab der CO2-Aumlquivalente Allen Treibhausgasen werden Werte zugerechnet welche die Erwaumlrmungswirkung in Relation zum CO2 in einer bestimmten Zeitperi-ode etwa 100 Jahre ausdruumlcken Die Wirkung der Treibhausgase wird als eine Veraumlnderung des Strah-lungsantriebs bezeichnet Unter bdquoStrahlungsantriebldquo versteht man das Verhaumlltnis von solarer Einstrahlung und terrestrischer Abstrahlung in der unteren Atmos-phaumlre Er wird in der Regel in Watt pro m2 angegeben (s Tabelle 2 S23) Satellitendaten und Klimamodelle zeigen dass sich die Strahlungsbilanz der Erde gegen-

uumlber dem Weltall derzeit nicht vollstaumlndig im Gleichge-wicht befindet Die im Mittel eingestrahlte Energie von 342 Wm2 ist um etwa 085 Wm2 houmlher als die Abstrah-lung der Erdoberflaumlche Die Konsequenz daraus ist dass die Erde gegenwaumlrtig mehr Energie aufnimmt als sie ans Weltall wieder verliert Dieser Effekt entsteht durch die Ozeane die sich nur traumlge durch den menschgemachten Treibhauseffekt aufwaumlrmen (siehe Kapitel 2)3

13 Der Kohlenstoff kreislauf

Der Anteil kohlenstoffbasierter Treibhausgase wie CO2 und CH4 in der Atmosphaumlre ist fuumlr das Ausmaszlig des Treib-hauseffektes von zentraler Bedeutung und wird durch die Prozesse des Kohlenstoffkreislaufs bestimmt (siehe Abbildung 2) Dieser Kreislauf erstreckt sich uumlber die natuumlrlichen Teilsysteme Ozean Atmosphaumlre und Land-oumlkosysteme zwischen denen ein CO2-Austausch statt-findet Weiterhin funktioniert jedes Teilsystem wie ein eigener Kreislauf in dem Kohlenstoff abgegeben und aufgenommen wird In der Atmosphaumlre befinden sich nach Angaben des UN-Klimawissenschaftlergremiums IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) rund 775 Gigatonnen Kohlenstoff in den Boumlden und der Vegetation rund 2000 Gigatonnen Den groumlszligten Koh-lenstoffspeicher stellen jedoch mit rund 39000 Giga-tonnen die Meere dar4

Die Systemkomponenten aus denen der Atmosphaumlre treibhauswirksame Gase zugefuumlhrt werden bezeichnet man als bdquoQuellenldquo Fossile Energietraumlger wie Erdoumll oder Kohle oder die Zerstoumlrung der tropischen Regenwaumllder sind bdquomenschgemachte Quellenldquo da sie erst durch den Eingriff des Menschen zu atmosphaumlrisch wirksamen Emittenten von Treibhausgasen werden Den Quellen stellt man die sogenannten bdquoSenkenldquo gegenuumlber Sen-ken wie zum Beispiel Ozeane Boumlden oder Pflanzen sind bis zu einem bestimmten Grad in der Lage aus der Atmos phaumlre CO2 aufzunehmen und zu speichern Bei-spielsweise binden Waumllder waumlhrend ihrer Wachstum-sphase in der Regel groszlige Mengen an CO2 in Holz und Boden Wenn dann zu einem spaumlteren Zeitpunkt das Holz verbrannt wird oder es verrottet wird das CO2 wieder in die Atmosphaumlre freigesetzt

Ohne die Faumlhigkeit der Senken Treibhausgase aus der Atmosphaumlre zu binden und uumlber lange Zeitraumlume hinweg zu speichern laumlge die atmosphaumlrische Konzentration von Kohlenstoffdioxid heute um ein Vielfaches uumlber dem gegenwaumlrtigen Wert Doch diese Senkenwirkung funkti-oniert nicht unbegrenzt Klimawandel und Veraumlnderung der Landnutzung koumlnnen zu einer Destabilisierung der CO2-Reservoire fuumlhren und tragen zu einer Reduzierung der Effektivitaumlt von natuumlrlichen CO2-Senken im Ozean und auf dem Land bei

2 vgl Kraus 2004 3 Hansen J et al 20054 IPCC 2000

8

Am Beispiel der Ozeane zeigt sich die Endlichkeit die-ser Senken Die Ozeane spielen im Kohlenstoffkreislauf der Erde als Kohlenstoffsenke eine wichtige Rolle da fast drei Viertel der Erdoberflaumlche von Wasser bedeckt sind5 Etwa 30 Prozent des vom Menschen zusaumltzlich freigesetzten CO2 wird in den Ozeanen gebunden Die Senkenfunktion hat jedoch auch eine Kehrseite Mit steigenden Temperaturen und wachsendem atmosphauml-rischem CO2-Anteil sinkt auch die CO2-Aufnahmefaumlhig-keit der Meere Erste Hinweise deuten daraufhin dass der Prozess einer deutlich abnehmenden Pufferkapazi-taumlt des Meeres fuumlr atmosphaumlrisches Kohlendioxid be-reits eingesetzt hat und der Anteil der Kohlendioxid -

emissionen die vom Meer aufgenommen wurden in den letzten 50 Jahren immer weiter zuruumlckgegangen ist (siehe auch Kapitel 4)6 Die vom Menschen verursachte Erwaumlrmung der Ozeane sowie ein weiter ungebremster Treibhausgasausstoszlig tragen somit zur zusaumltzlichen glo-balen Erwaumlrmung der Atmosphaumlre bei

Zudem erschweren die steigende Wassertemperatur und der sinkende pH-Wert die Schalen- und Skelett-entwicklung zahlreicher Kalk bildender Organismen wie beispielweise der Koralle und gefaumlhrden die Funktions-weise von Meeresoumlkosystemen (siehe auch Kapitel 22)

Abb 2 Der Kohlenstoffkreislauf

Die Abbildung zeigt die Komponenten und Funktionsweise des Kohlenstoffkreislaufs Quelle Harmeling et al 2008

5 IPCC 2007a 6 Schuster U und A J Watson 2007

BodenlebewesenDestruenten

abgestorbenesorganisches

Material

Torf KohleErdoumll Erdgas

TierePflanzen

fossileBrennstoffe

Assimilation durch PflanzenPhotosynthese

Diffusionvon CO2

CO2

Org Material Carbonate

Verbrennung

Dissimilation durchPflanzen und Tiere

Kohlendioxidin der

Atmosphaumlre

AquatischeBakterien

WasserpflanzenAlgen

Cyanobakterien

Photosynthese

1

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Tornados treten als kleinraumlumige Phaumlnomene auf koumlnnen aber in kuumlrzester Zeit groszlige Schaumlden verursachen

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Globale und kontinentale Temperaturaumlnderungen

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Klimamodelle die nur natuumlrliche Antriebskraumlfte beruumlcksichtigen

Klimamodelle die natuumlrliche und menschliche Antriebskraumlfte beruumlcksichtigen

Beobachtungen

21 Das Klima aumlndert sich

Der menschgemachte Klimawandel bedeutet zunaumlchst eine Erhoumlhung der globalen Temperatur Diese setzt das Klimasystem der Erde unter Druck und kann zu einer Veraumlnderung des durchschnittlichen Wetters und somit des Klimas fuumlhren Waumlhrend der letzten 130 Jahre ist die durchschnittliche Lufttemperatur in Bodennaumlhe global um ca 08 degC angestiegen Dieser Anstieg verlief aller-dings weder zeitlich noch regional gleichmaumlszligig Bis 1940

2 Klimawandel heutegab es eine fruumlhe Erwaumlrmungsphase der sich eine kur-ze Stagnation bis in die 1970er Jahre anschloss Seither gibt es einen neuen ungebrochenen Erwaumlrmungstrend dessen Tempo sich zunehmend erhoumlht und mittlerweile ca 02 degC pro Dekade betraumlgt Mehr als zwei Drittel der Erwaumlrmung des vergangenen Jahrhunderts fanden dabei seit 1975 statt Der Temperaturanstieg ist vor allem uumlber den Landflaumlchen und hier besonders uumlber der noumlrdlichen Erdhalbkugel zu beobachten weniger uumlber den sich ver-zoumlgert erwaumlrmenden Ozeanen (siehe Abbildung 3)7

Abb 3 Gemessene und simulierte Temperaturabweichungen vom langjaumlhrigen Mittel (1901-1950) seit 1906 fuumlr verschiedene Regionen der Erde

Schwarze Linie Gemessene Temperaturabweichungen Blaues Band Simulationen nur mit natuumlrlichen Antriebs fak- toren Rotes Band Kombinierte Simulation der natuumlrlichen und anthropogenen Antriebsfaktoren Quelle IPCC 2007a

7 GISS 2010

11

Info-Kasten 1 IPCC ndash houmlchste Autoritaumlt der Klimawissenschaft auf dem Pruumlfstand

Ohne Forschungen unabhaumlngiger Wissenschaftler-Innen kann die Politik keine fundierten und wir-kungsvollen Entscheidungen fuumlr den Klimaschutz treffen Es bedarf folglich einer Institution die den Sachverstand der weltweiten Klimawissenschaft so umfassend und konsensorientiert wie moumlg-lich buumlndelt Zu diesem Zweck gruumlndeten die Weltorganisation fuumlr Meteorologie (WMO) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) 1988 den Zwischenstaatlichen Ausschuss zum Klimawandel (Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC) der auch als bdquoWeltklimaratldquo bezeich-net wird

Seine umfangreichen Sachstands- und Sonderbe-richte wurden zu der zentralen Grundlage fuumlr wissen-schaftlich fundierte klimapolitische Entscheidungen So war der erste Bericht (1990) die wichtigste wissen-schaftliche Grundlage fuumlr die Klimarahmenkonven-tion und der zweite Bericht (1995) hatte diese Funktion fuumlr das Kyoto-Protokoll Die klimawis-senschaftlichen Fakten des dritten Berichts (Third Assessment Report TAR 2001) waren ein hilfreicher Antrieb fuumlr viele Regierungen das Kyoto-Protokoll mit seinen verbindlichen Klimaschutzpflichten zu ratifizieren und damit in Kraft zu setzen Der 2007 erschienene vierte Bericht (Fourth Assessment Report AR4) hat weltweit die oumlffentliche und poli-tische Diskussion uumlber den Klimawandel und seine

Konsequenzen stark befoumlrdert Fuumlr seine Arbeit erhielt der Weltklimarat bestehend aus rund 450 Haupt- und rund 800 Nebenautoren gemeinsam mit dem damaligen US-Vizepraumlsidenten Al Gore im Jahr 2007 den Friedensnobelpreis

Vergleicht man die ersten drei Berichte mit dem jeweils nachfolgenden Bericht so zeigt sich klar Zentrale Aussagen wurden zunaumlchst sehr vorsichtig formuliert und spaumlter durch sicherere bestaumltigt In vielen Faumlllen folgten sogar deutlich dramatischere Feststellungen die sich aus dem zunehmenden wis-senschaftlichen Sachstand ableiten lieszligen (vgl auch Abbildung 4)

Diskussionen um die Arbeit des IPCC dessen letz-ter Sachstandsbericht (2007) rund 18000 wissen-schaftliche Quellen zitierte sind dabei nicht neu wobei ihm dabei von unterschiedlicher Seite sowohl Uumlber- als auch Untertreibung vorgeworfen wird Neu allerdings ist die Heftigkeit und Konzentration mit der die Glaubwuumlrdigkeit des aktuellen Reports seit den Klimaverhandlungen in Kopenhagen Ende 2009 in Frage gestellt wird Dabei ist es jedoch keines-falls der Klimawandel bzw der menschgemachte Einfluss der in Frage gestellt wird Kein einziger ernstzunehmender Wissenschaftler zweifelt an der Realitaumlt des Klimawandels oder dessen Ursachen Vielmehr entzuumlndet sich die juumlngste Kritik an ei-

Das erste Jahrzehnt des 21 Jahrhunderts war mit Ab-stand das waumlrmste weltweit je gemessene Jahrzehnt gefolgt von den 1990er Jahren die wiederum waumlrmer waren als die 1980er Jahre Alle vergangenen zwoumllf Jah-re (1998-2009) zaumlhlen zu den waumlrmsten seit Beginn der Temperaturmessungen im Jahr 18808

Frage Macht die globale Erwaumlrmung seit 1998 eine Pause

Das Jahr 1998 war heiszliger als einige Jahre danach wes-halb manche Beobachter die Frage stellen ob die Er-waumlrmung seit 1998 eine Pause gemacht hat Nein Nach neuesten Messungen der NASA liegt die beobachtete Erwaumlrmung des vergangenen Jahrzehnts weltweit mit 019 degC gleichauf mit der IPCC-Projektion (02 degC) und unterscheidet sich in diesem Zusammenhang nicht von den vorangegangen Jahrzehnten Von einer Unterbre-chung der globalen Erwaumlrmung kann also keineswegs die Rede sein Der Grund fuumlr eine solche Behauptung lag in einem einfachen Datenfehler der die Arktis ndash wo die

Temperaturen in den vergangenen Jahren am staumlrksten angestiegen sind ndash aufgrund luumlckenhafter Messpunkte aus den globalen Temperaturmessungen ausgeschlos-sen hatte (bdquoArktis-Lochldquo) Nachdem das bdquoArktis-Lochldquo geschlossen und in die globale Energiebilanz integriert wurde kann eine Pause des Erwaumlrmungstrends auch fuumlr das erste Jahrzehnt des 21 Jahrhunderts nicht bestauml-tigt werden Neben der Datenluumlcke bdquoArktis-Lochldquo wird ferner auch eine geringere Sonnenaktivitaumlt als Ursache einer moumlglichen Unterbrechung der Erwaumlrmung aus-geschlossen Zwar befindet sich die Sonneneinstrah-lung gegenwaumlrtig auf dem Rekordminimum des letzten Sonnenfleckenzyklus doch wird 2010 mit dem Beginn neuer Sonnenfleckenaktivitaumlten und infolge dessen so-wohl mit einer Zunahme der solaren Leuchtkraft als auch einem weiteren Erwaumlrmungsschub in den kommenden Jahren gerechnet

8 GISS 2010

12

nigen Teilergebnissen der Arbeitsgruppe welche die moumlglichen Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme und Gesellschaften analysiert (Arbeits-gruppe 2)

Da ist erstens ein Zahlendreher in Bezug auf den Zeitpunkt an dem die Himalaya-Gletscher zu einem groszligen Teil abgeschmolzen sein koumlnnten Aus dem Jahr 2350 wurde das Jahr 2035 Dieser Fehler haumlt-te eigentlich durch die Kontrollstandards des IPCC entdeckt werden muumlssen An der Gesamtaussage der Passage aumlndert dies jedoch reichlich wenig Die Gletscher in Asien schmelzen zu Beginn des 21 Jahrhunderts schneller als zuvor

Zweitens die Angabe dass rund 55 Prozent der Niederlande unter dem gegenwaumlrtigen Meeres-spie gel niveau laumlgen Diese Aussage war urspruumlng-lich von der niederlaumlndischen Regie rungsbehoumlrde an den IPCC uumlbermittelt worden Richtig gewe-sen waumlre 55 Prozent der Niederlande sind von Uumlberschwemmungen bedroht 26 Prozent liegen un-ter dem Meeresspiegel und 29 Prozent sind anfaumlllig fuumlr Flusshochwasser

Und drittens dass bis zum Jahr 2020 die landwirt-schaftlichen Ertraumlge im Regenfeldbau in Afrika durch den Klimawandel bzw Wasserknappheit halbiert werden koumlnnten Hier liegt das Problem in einer fehlerhaften Zusammenfassung im Synthesekapitel Richtig heiszligt es im Text des Regionalkapitels zu Afrika dass das Risiko in der Periode 2000-2020 in der die Ernteausfaumllle im Regenfeldbau 50 Prozent betragen durch den Klimawandel verstaumlrkt wird Wissenschaftlich haltbar ist diese Aussage allerdings nur bei drei nordafrikanischen Laumlndern Tunesien Algerien und Marokko9

Diese Fehler wurden mittlerweile allesamt einge-standen und korrigiert In allen drei Faumlllen wurde insbesondere die Verwendung sogenannter grauer Literatur kritisiert Graue Literatur stammt dabei nicht aus dem klassischen Wissenschaftsprozess son-dern etwa von Organisationen oder Unternehmen Es handelt sich also um Publikationen die nicht in wissenschaftlichen Zeitschriften veroumlffentlicht wurden Ohne eine entsprechende wissenschaft-liche Uumlberpruumlfung (Peer-Review) ist die Kritik an den Aussagen grauer Literatur berechtigt Allerdings sind viele der fuumlr den IPCC relevanten Daten nur als graue Literatur verfuumlgbar Manche Forscher halten solche

Quellen fuumlr hilfreich Nur uumlber die Beruumlcksichtigung dieser grauen Literatur ist es beispielsweise moumlglich auch Informationen aus aumlrmeren Laumlndern zu erhalten und das Uumlbergewicht westlicher und englischsprachi-ger Forschung auszubalancieren

Auch wenn die Diskussion uumlber die Fehler wichtig ist um ein Dokument wie den IPCC-Bericht weiter zu verbessern bleibt festzuhalten dass sie nichts an der Bedeutung und den Kernaussagen des Berichtes aumlndern Im Gegenteil Eine so groszlige Gruppe von Wissenschaftlern wie sie an der Erstellung der IPCC-Berichte beteiligt ist wird sich in einem politisch bedeutsamen Dokument grundsaumltzlich auf eher zu konservative Schlussfolgerungen einigen koumlnnen Insbesondere die Zusammenfassungen fuumlr politische Entscheidungstraumlger werden zudem von Vertretern aller Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention ausgehandelt es wird um jede Formulierung gerun-gen Aussagen des IPCC neigen demnach eher zu einer Verharmlosung als zu einer Dramatisierung des aktuellen Sachstands

Die derzeitige Debatte ist somit keine Diskussion uumlber Ursachen und Folgen des Klimawandels wie sie faumllschlicher Weise in den Medien dargestellt wur-de Sie ist auch kein Streit uumlber die Notwendigkeit politischer Gegenmaszlignahmen In erster Linie ist sie eine Kritik an den Strukturen und Arbeitsweisen des IPCC im Allgemeinen Als entsprechende Reaktion und um zukuumlnftige Fehler zu vermeiden wird von nun an eine Gruppe von Wissenschaftlern die Aussagen der Sachstandsberichte uumlberpruumlfen UNO-Generalsekraumlter Ban Ki-moon hat dazu im Februar 2010 den InterAcademy Council (IAC) als Kontrollinstrument des Weltklimarates engagiert Dieser hat den Auswahlprozess der wissenschaft-lichen Quellen und insbesondere die Qualitaumlt grauer Literatur evaluiert ndash mit dem Ziel die Unsicherheiten und Fehler des IPCC zu reduzieren Dies ist insbe-sondere wichtig da die Vorbereitung des 5 Sach-standsberichts der 201314 herausgegeben werden soll bereits anstehen Der im August 2010 vom IAC vorgestellte Bericht bestaumltigt insgesamt eindeu-tig die Ergebnisse und die Rolle des IPCC Er gibt allerdings eine Reihe von Empfehlungen zur Ver-besserung des Managements des IPCC-Prozesses die auch dazu dienen sollen die Einhaltung der selbst gesetzten wissenschaftlichen Richtlinien strenger zu uumlberwachen10

9 S InterAcademy Council (IAC) 201010 IAC 2010

13

Abbildung 4 zeigt dass die Grenze zum gefaumlhrlichen Klimawandel fruumlher uumlberschritten werden koumlnnte und auch die Risiken negativer Auswirkungen auf Mensch und Umwelt heute houmlher eingestuft werden muumlssen als noch von wenigen Jahren angenommen wurde Der Vergleich des aktuellen Sachstandberichts mit dem vorangegan-genen dritten IPCC-Bericht zeigt dass viele Oumlkosysteme viel sensibler auf Temperaturveraumlnderungen reagieren koumlnnten und auch dass die Auswirkungen auf Regionen Bevoumllkerungsgruppen und Wirtschaftssektoren bisher unterschaumltzt wurden (siehe auch Kapitel 41 und 42)11 Mehrere Beispiele deuten darauf hin dass auch der vierte IPCC-Sachstandsbericht in vielerlei Hinsicht sehr vorsichtige konservative Abschaumltzungen praumlsen-tiert Dies gilt u a fuumlr die Annahmen zur weltweiten Emissionsentwicklung und zum Meeresspiegelanstieg (siehe auch Kapitel 34)

Die Klimaforschung wurde von diesen sich beschleuni-genden Entwicklungen uumlberrascht Das IPCC-Prinzip nur sorgfaumlltig uumlberpruumlfte und bestaumltigte Erkenntnisse zu publizieren wird solche Uumlberraschungen auch in Zukunft in Kauf nehmen muumlssen zugunsten ihrer pro-fessionellen Glaubwuumlrdigkeit Das darf aber nicht aus-schlieszligen dass uumlber moumlgliche zukuumlnftige Risiken auch dann informiert wird wenn diese noch nicht im Detail erhaumlrtet sind

11 Smith JB et al 2009

Die Risiken der globalen Erwaumlrmung muumlssen heute houmlher eingeschaumltzt werden als vor zehn JahrenQuelle Smith JB et al 2009

22 Auswirkungen des Klimawandels

Trotz einer sich gering anhoumlrenden globalen Erwaumlrmung (08 degC seit 1880) lassen sich weltweit bereits zahlrei-che physische Auswirkungen des Temperaturanstiegs beobachten Laut des letzten IPCC-Reports weisen von allen Untersuchungen die hinsichtlich moumlgli-cher Veraumlnderungen physikalischer und biologischer Systeme ausgewertet wurden fast 90 Prozent signifi-kante Veraumlnderungen auf die in einer waumlrmeren Welt zu erwarten waumlren Zudem haumlufen sich die empirischen Belege insbesondere in Regionen in denen sich die Temperaturen am staumlrksten erhoumlht haben wodurch na-tuumlrliche Schwankungen als primaumlre Ursache unwahr-scheinlich werden Im Folgenden sollen einige dieser bereits heute beobachtbaren Auswirkungen vorgestellt werden

n Ruumlckzug der Gebirgsgletscher

Zu den bisher am deutlichsten sichtbaren Auswirkungen der Klima erwaumlrmung zaumlhlt der weltweite Ruumlckzug der Gebirgs gletscher Er begann im 19 Jahrhundert und hat sich seitdem drastisch beschleunigt Gletscher werden aufgrund ihrer Sensibilitaumlt gegenuumlber Tem-

Abb 4 bdquoReasons for Concernrdquo Vergleich IPCC 2001 mit IPCC 2007

IPCC 2001 Basierend auf IPCC 2007

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pe raturveraumlnderungen auch als die bdquoKanarienvoumlgel in der Kohlengrubeldquo des globalen Klimasystems be-zeichnet Auch gibt es deut liche Anzeichen fuumlr das Aufweichen von Permafrostboumlden in Teilen der Polar- und Subpolarregionen12 Der World Glacier Monitoring Service (WGMS Welt-Gletscher-Beobachtungsdienst) kommt zu dem Ergebnis dass sich die Gletscherschmelze fast uumlberall auf der Erde beschleunigt Zusammengefasst schrumpfen die Gletscher mittlerweile viermal so schnell wie noch vor 30 Jahren ndash in den Anden und Alaska ebenso wie im Himalaya und in den Alpen13 In der Alpenregion haben die Gletscher seit Beginn der indus-triellen Revolution mehr als die Haumllfte an Masse verlo-ren14 Waumlhrend die Alpengletscher zwischen 1975 und 2000 noch ein Prozent an Volumen pro Jahr einbuumlszligten hat sich die Verlustrate zu Beginn des 21 Jahrhunderts

fast verdreifacht15 Bis auf wenige Ausnahmen ist ein aumlhnlich weitraumlumiger Verlust in allen alpinen Gebieten der Erde zu beobachten

Gletscher sind fuumlr viele Regionen eine der wichtigsten Trinkwasserquellen da sie im Winter wertvolles Suumlszlig-wasser in Form von Schnee und Eis akkumulieren und dieses im Sommer in Form von Schmelzwasser an die Fluumlsse abgeben Der Ruumlckzug der Eismassen betrifft da-bei insbesondere zahlreiche Staumldte im Einzugsbereich des Himalaya wo das Wasser der Gletscher u a die sieben groumlszligten Fluumlsse Asiens ndash Ganges Indus Brahma-putra Mekong Thanlwin Jangtse und den Gelben Fluss ndash speist und so die Wasserversorgung Hunderter Millio-nen Menschen sichert

Innerhalb der vergangenen zwei Jahrhunderte ist in den Alpen uumlber die Haumllfte des Eises abgeschmolzenQuelle Bayerische Akademie der Wissen-schaften

Abb 5 Veraumlnderung des Vernagtferners in den Oumltztaler Alpen 1844-2001

12 IPCC 2007a13 WGMS 2008

14 Zemp M et al 200615 Haeberli 2007

15

n Ruumlckgang des arktischen Meereises

Die Analyse neuester Satellitenmessungen laumlsst keinen Zweifel zu Das Meereis der Arktis schmilzt Inner-halb der letzten 30 Jahre hat sich die sommerliche Ausdehnung der Eisdecke um mehr als 20 Prozent verringert Besonders dramatisch an der derzeitigen Schrumpfung ist dass sie sich in den letzten Jahren sig - ni fikant beschleunigt hat und die gegenwaumlrtig beob-achteten Verlustraten selbst die Extremwerte voran - gegangener Computersimulationen uumlbertroffen haben Und waumlhrend bis vor kurzem noch 2005 als das Jahr der geringsten jemals gemessenen Eisflaumlche galt uumlber-traf das Jahr 2007 diese Werte in jedem Monat (siehe Abbildung 6)

Von den vormals etwa 78 Millionen km2 Eisflaumlche im Jahr 1979 wurden im September des Rekordjahrs 2007 lediglich noch 413 Millionen km2 erreicht Dies ent-spricht einem Ruumlckgang von etwa 43 Prozent gegenuumlber dem langjaumlhrigen Mittelwert 1979-2000 und ist die ge-ringste je gemessene Eisausdehnung in der Arktis16

Auch in den folgenden Jahren wurde eine aumlhnlich kleine Eisausdehnung auf dem arktischen Nordmeer gemes-sen Mit dem Ergebnis dass 2008 und 2009 erstmals seit Menschengedenken sowohl die Nordwest- als auch die Nordostpassage gleichzeitig eisfrei waren Auch im Jahr 2010 lag die Ausdehnung mit ca 51 Millionen km2 deutlich unter dem langjaumlhrigen Mittelwert

Berichte vom Klimawandel ndash Nepal

bdquoNepal erlebt zurzeit stark schwankende Regenzyklen Im Winter 20082009 gab es gar keinen Regen Auszligerdem hatten wir wenig Schneefall Unser Land braucht in dieser Zeit Regen und Schnee damit Weizen und Mais vor allem auch im Sommer wachsen koumlnnen Die Bauern im Distrikt Rukum sorgen sich zunehmend uumlber kurze aber heftige Niederschlaumlge Schon jetzt sind dort Nahrungsmittel knapp ndash durch den Klimawandel wird das Leid noch groumlszliger Immer mehr Menschen wan-dern nach Indien aus Ebenso gibt es in der Rupandehi-Gemeinde einen Fluss der bis vor 20 Jahren noch aus-reichend Wasser fuumlhrte Jetzt ist er ausgetrocknet Das andere Extrem sind Flusshochwasserwellen waumlhrend der Regenzeit die sich verheerend fuumlr die dort leben-den Menschen auswirken Die groumlszligte Herausforderung fuumlr Nepal ist jedoch die rasche Gletscherschmelze im

Himalaya Dort wo der Gletscher lag bildet sich ein See Bricht der ehemals vom Gletscher aufgescho-bene Erddamm entstehen katastrophale Flutwellen Teile des darunter liegenden Landes werden uumlberflu-tet Dennoch werden wir wohl auf lange Sicht unter Wassermangel leiden Denn die Gletscher verschwinden langsam und koumlnnen bald kein Wasser mehr im Sommer fuumlr die Landwirtschaft liefern Fuumlr ein armes Land wie Nepal das zur Bewaumlsserung in der Landwirtschaft auf Schmelzwasser angewiesen ist ist dieses Problem nicht zu bewaumlltigenldquo

Raju Pandit Chhetri Juristischer Berater United Mission to Nepal (UMN) Kathmandu Nepal

Seit 1979 hat sich die arktische Eisausdehnung um mehr als 20 Prozent verringert Quelle NASA 2007 httpearthobservatorynasagovIOTDviewphpid=8126

Abb 6 Ausdehnung des arktischen Meer eises 2007 im Vergleich zu 1979-2000

16 NSIDC 2008

2005 Minimum

2007 Minimum

1979-2000 Durchschnittliches Minimum

500 km

16 September 2007Konzentration des Meereises (in )

0 50 100

16

n Schrumpfende Festlandeisschilde

Kontinentale Eisschilde groumlszliger als 50000 km2 existie-ren lediglich an zwei Plaumltzen auf der Erde in der Antarktis und auf Groumlnland Wuumlrden sie abschmelzen entspraumlche dies einem globalen Meeresspiegelanstieg von etwa 70 Metern Bis vor einigen Jahren nahmen Wissenschaftler an die Eisschilde wuumlrden auf Klimaveraumlnderungen nur sehr langsam und meist uumlber Jahrtausende reagieren Allerdings muss diese Annahme aufgrund modernster Satellitenmessungen nun revidiert werden Galten bei-de Eisschilde noch bis vor einigen Jahren als bdquoschlafende Riesenldquo legen neueste Erkenntnisse uumlber bis vor kurzem fuumlr unmoumlglich gehaltene Schmelz- und Rutschprozesse die Vermutung nahe die beiden Riesen seien nun aus ihrem tausend Jahre andauernden Tiefschlaf erwacht Beide Eisschilde schmelzen ndash und das mit einem atembe-raubenden Tempo

Noch waumlhrend der 1990er Jahre so belegen Studien be-fand sich der groumlnlaumlndische Eisschild nahezu im Gleich-gewicht ndash Schneeakkumulation und Schneeschmelze glichen sich in etwa aus Waumlhrend dieser Zeit wuchs der Eisschild im Inneren und verlor seine Eismassen an den Raumlndern

Als Folge der schon seit einigen Jahren bekannten ho-hen Sensibilitaumlt der arktischen Region gegenuumlber den Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung hat sich die Situation nun gravierend veraumlndert Waumlhrend der Jah-re 2000-2008 hat sich der Massenverlust auf Groumlnland verdreifacht und trug im Jahr 2008 mit 273 Gigatonnen

zu einem Anstieg des Meeresspiegels um 075 mm pro Jahr bei17 Zwar geht nach wie vor ein groszliger Teil des Eisverlustes auf das Konto der Ausduumlnnung des Eises in den tieferen Lagen Besonders beunruhigend jedoch ist eine andere Beobachtung Denn neben den linearen Abschmelzprozessen spielen dynamische Veraumlnderun-gen des Eisabflusses eine immer bedeutendere Rolle Die Auswertung von Satellitendaten beweist dass die Eisdecke durch die Schmelzvorgaumlnge nicht in erster Linie duumlnner wird ndash sie bewegt sich vielmehr schneller Das groumlnlaumlndische Eis draumlngt dabei immer schneller vom Zentrum des Eispanzers im Landesinneren uumlber die Glet-scher nach auszligen und ins Meer18

Ein aumlhnliches Bild ergibt sich auch in der Antarktis wo innerhalb des Untersuchungszeitraums April 2002 bis Januar 2009 ein jaumlhrlicher Verlust an Eismasse von durchschnittlich 190 (+- 77) Gigatonnen Eis gemessen wurde ndash was umgerechnet einem Meeresspiegelanstieg von rund 04 mmJahr entspricht19 Mehr als zwei Drittel (132 Gt) des Eismassenverlustes betrafen dabei die West antarktis20 Besonders groszlige Sorge bereitet Klimaforschern die enorme Dynamik mit der das Eis der Westantarktis ans Meer verloren geht Entscheidend ist dabei die Rolle der vorgelagerten Schelfeisgebie-te Aumlhnlich wie u a in manchen Kuumlstenregionen Groumln-lands ist ihre Instabilitaumlt die Ursache fuumlr das verstaumlrkte Abflieszligen der westantarktischen Auslassgletscher und Eis stroumlme Denn das Eis schmilzt weniger an Land als vielmehr durch den Kontakt mit waumlrmerem Ozeanwas-ser Normalerweise wird durch die Barriere des Schelf-eises der Abfluss der Auslassgletscher und Eisstroumlme

Immer schneller rutschen die groumlnlaumlndischen Gletscher ins MeerQuelle NASA 2007 httpearthobservatorynasagovFeaturesGreenlandprintallphp

Abb 7 Ruumlckzug der Aufsetzlinie des Jakobshavn Isbrae 1850-2006 an der Westkuumlste Groumlnlands

17 Van den Broeke M et al 200918 Van de Wal RS et al 2008

19 Velicogna I und J Wahr 200920 Chen JL et al 2009

GroumlnlandEisschild

17

gebremst Wird dieses jedoch bruumlchig oder kollabiert so nimmt die Abflussgeschwindigkeit der hinter dem Eisschelf liegenden Gletscher zu und sie koumlnnen nahezu ungebremst ins offene Meer ablaufen Seit dem Wegfall des Larsen-B-Eisschelfs 2002 hat sich der Abfluss der da-hinterliegenden Auslassgletscher deutlich erhoumlht ndash und zwar um das bis zu Achtfache21 Viele der westantarkti-schen Gletscher (z B der Pine Island Gletscher und der Smith Gletscher) haben sich innerhalb der letzten Jahre (2004-2007) enorm beschleunigt und flieszligen mittler-weile mit einer Geschwindigkeit von bis zu neun Metern pro Jahr ins Meer22 27 Kubikkilometer Eis gehen nun jaumlhrlich dort verloren wo sich vor wenigen Jahren noch das Eisschelf befand23 Ein aumlhnliches Schicksal wie das des Larsen-B-Eisschelfs koumlnnte in einer waumlrmeren Zu-kunft auch weitere Eisschelfe ereilen

n Anstieg des Meeresspiegels

Als eine der wichtigsten Folgen des anthropogenen Klimawandels gilt der Anstieg des globalen Meeresspie-gels Im 20 Jahrhundert ist der Meeresspiegel weltweit durchschnittlich zwischen 12-22 cm angestiegen24 Ak-tuelle Satellitenmessungen zeigen dass er sich gegen-waumlrtig um 33 mm pro Jahr erhoumlht25 Dies hat im Wesent-lichen zwei Ursachen Zum einen tragen die veraumlnderten Abflussregime der Gebirgsgletscher sowie die beiden Festlandeisschilde auf Groumlnland und der Antarktis zur Erhoumlhung des Meeresspiegels bei Zum anderen dehnt sich der Wasserkoumlrper als physika lische Reaktion der Erwaumlrmung der Ozeane auch staumlrker aus ndash rund 18 mm gehen momentan auf das Konto dieser thermischen Aus-

dehnung Der gegenwaumlrtige Anstieg des Meeresspiegels mag zurzeit noch harmlos erscheinen aber die Anstiegs-rate wird vermutlich in Zukunft nicht auf ihrem momen-tanen Niveau verweilen Vielmehr wird damit gerechnet dass sie umso rascher ansteigen wird je schneller die Temperaturen die Eismassen zum Schmelzen bringen (siehe auch Kapitel 33)

n Zunahme extremer Wetterereignisse

Die Erkenntnisse der Physik legen nahe dass ein Anstieg der globalen Temperaturen auch zu einer Zunahme wet-terbedingter Extremereignisse in bestimmten Regionen der Erde fuumlhrt Um jedoch eine Antwort auf die Frage zu finden ob im Rahmen des globalen Klimawandels extreme Wetterereignisse zugenommen haben ist es erforderlich Zeitreihen uumlber mehrere Jahrzehnte aus-zuwerten Das Ergebnis Waumlhrend wetterunabhaumlngige Ereignisse wie Erdbeben oder Tsunamis sich im Grunde nicht veraumlndert haben kommen Starkniederschlags-ereignisse heftige Stuumlrme Hochwasser Duumlrren und auszligergewoumlhnliche Hitzeperioden weltweit immer haumlu-figer vor

Es ist niemals moumlglich einen eindeutigen Kausalzusam-menhang zwischen einem einzelnen Extremwetterereig-nis und dem menschgemachten Klimawandel herzustel-len da Aussagen uumlber das Klima die Betrachtung eines mindestens 30-jaumlhrigen Zeitabschnitts voraussetzen Der Trend im Hinblick auf Anzahl Heftigkeit und Ort des Auftretens von Extremwetterereignissen ndash nicht das Einzelereignis fuumlr sich genommen ndash ist fuumlr Beschrei-

Info-Kasten 2 Was ist eine Wetterkatastrophe

Sturm ist nicht gleich Sturm denn die Auswirkungen sind abhaumlngig davon in welcher Region der Sturm stattfindet Ereignet sich ein Sturm in der Wuumlste so wird in der Regel nicht von einer Wetterkatastrophe gesprochen weil Menschen nicht davon betroffen sind Zu einer Katastrophe wird ein Sturm erst dann wenn er Menschen oder deren Sachguumlter in groszligem Maszlige schaumldigt Wetterkatastrophen ereignen sich demnach dort wo extreme Wetterereignisse auf eine dafuumlr anfaumlllige Gesellschaft treffen Eine Zunahme an Wetterkatastrophen kann somit zwei wesentliche Ursachen haben 1 Eine tatsaumlchliche Zunahme extremer Wetter-

ereignisse und 2 eine Erhoumlhung der Vulnerabilitaumlt (Verletzlichkeit)

wegen nicht ausreichend eingefuumlhrter Schutz-maszlignahmen bzw einer nicht angepassten Lebens weise des Menschen an seine Umgebung Dies kann die Besiedlung bisher wenig genutz-

ter oumlkologisch sensibler Raumlume umfassen Um-welteingriffe (z B erosionsanfaumlllige Boumlden nach Abholzung oder groumlszligeres Hochwasserrisiko nach der Begradigung von Fluumlssen) oder aber auch den Anstieg der Bevoumllkerung in Gebieten klimatischer Risikozonen

In den vergangenen 60 Jahren ist dabei nicht nur eine Zunahme wetterbedingter Naturkatastrophen zu be-obachten auch haben die volkswirtschaftlichen bzw versicherten Schaumlden durch extreme Wettereignisse zugenommen (siehe Abbildung 8) Auch wenn die-se Zunahme zum groszligen Teil noch auf soziooumlko-nomischen Veraumlnderungen wie Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum zuruumlckzufuumlhren ist und teil-weise auch das Ergebnis natuumlrlicher Schwankungen sein koumlnnte so ist zu erwarten dass der Klimawandel eine immer entscheidendere Rolle spielen wird26

21 Scambos T et al 200422 Hamish D et al 200923 Rignot E et al 2004

24 IPCC 2007a25 Beckley et al 200726 Munich Re 2010

18

Berichte vom Klimawandel ndash Uganda

bdquoDer Klimawandel ist fuumlr alle Ugander bereits Realitaumlt Wir erleben mittlerweile viel mehr waumlrmere Tage und Naumlchte laumlngere ungewohnte Duumlrren und heftige Regenfaumllle auch auszligerhalb der Regenzeit Unsere Bauern und Verbraucher sind irritiert und zeigen mit anklagendem Finger auf die Wetterdienste Was sie aber benoumltigen sind Informationen und Aufklaumlrung was tatsaumlchlich geschieht und ihnen [den Bauern] zeigt wie wichtig es ist die Treibhausgasemissionen einzudaumlmmen Diese Erkenntnis muss zu allen Be-troffenen durchdringenldquo

Kimera Henry Richard Geschaumlftsfuumlhrer Consumer Education Trust Kampala ndash Uganda

Innerhalb der letzten 60 Jahre ist insgesamt eine Zunahme groszliger wetterbedingter Naturkatastrophen zu beobach-ten Quelle Munich Re 2010

bungen des Klimas relevant In einigen Regionen konnte ein Anstieg der Intensitaumlt von klimatisch bedingten Ex-tremereignissen in den letzten Jahrzehnten festgestellt werden

Bei einer allgemeinen Temperaturerhoumlhung verschiebt sich auch die Haumlufigkeit des Auftretens von Hitzewel-len Wie gefaumlhrlich dies sein kann zeigte sich im Som-mer 2003 in Europa als eine Hitzewelle mit den houmlchsten Sommertemperaturen seit mindestens 500 Jahren uumlber 7000027 Menschenlebenforderte und sich zudem nega-tiv auf die Bereiche Landwirtschaft Waldwachstum und Verkehr auswirkte

Ein anderes Extremereignis war die Elbeflut 2002 die viele Staumldte entlang des Elbe-Flusslaufs uumlberflutete Bruumlcken wegspuumllte und ganze Landstriche verwuumlstete

Eine weitere Art extremer Wetterereignisse die waumlh-rend der letzten Dekaden an Zerstoumlrungskraft gewon-nen hat sind starke Tropen- und Winterstuumlrme wie bei-spielsweise der Hurrikan Katrina in den USA oder wie der Sturm Kyrill in Deutschland Ihre Intensitaumlt hat vor allem bedingt durch houmlhere Temperaturen aber auch aufgrund natuumlrlicher dekadischer Schwankungen stark zugenommen28 Die auszligerordentlich starke Hurrikan-

Abb 8 Groszligkatastrophen weltweit (1950-2009)

Geophysikalische EreignisseErdbeben Vulkanausbruch

Hydrologische EreignisseSturzflut Flussuumlberschwem- mung Sturmflut Massen-bewegung (Erdrutsch)

Trend

Meteorologische EreignisseTropischer Sturm Winter-sturm Unwetter Hagel Tornado Lokaler Sturm

Klimatologische EreignisseHitze- Kaumlltewelle WaldbrandDuumlrre

Anzahl

14

12

10

8

6

4

2

01950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005

27 Robine JM et al 200828 Webster PJ et al 2005

19

Berichte vom Klimawandel ndash Kamerun

bdquoFruumlher startete die Regenzeit gewoumlhnlich Mitte Maumlrz aber heute ist es kaum mehr moumlglich vor-herzusagen wann sie beginnt Manchmal haumllt die Trockenzeit zu lange an das Saatgut vertrocknet in der Erde Wenn aber der Regen zu fruumlh einsetzt und es dann viel zu viel regnet koumlnnen wir den Boden nicht bearbeiten und auch nicht aussaumlen Oder die Ernte verdirbt wenn die Regenzeit zu lange dauert Mais zum Beispiel schimmelt wenn er waumlhrend der Regenzeit nicht richtig trocknen kann Auch der Transport wird durch starke Regenfaumllle sehr schwer Deshalb verdirbt die Ernte haumlufiger schon auf den Farmenldquo

Carole Mboube Sekretaumlrin und Baumluerin ADEID (bdquoAktion fuumlr eine gerechte integre und nach hal-tige Entwicklungldquo Umwelt- und Entwicklungs-organisation) Kamerun

Saison in der Karibik und den USA im Jahr 2005 (u a Hur-rikan Katrina) hat direkte Schaumlden von mehr als 150 Mrd US-Dollar verursacht sowie alleine in den USA mehr als 1000 Menschenleben gefordert Vor der Kuumlste Brasili-ens im Suumldatlantik wurde im Jahr 2004 erstmals ein Hur-rikan in der suumldlichen Hemisphaumlre beobachtet29 Auch wenn innerhalb der kommenden Jahrzehnte immer wie-der einmal natuumlrliche Schwankungen die Intensitaumlt star-ker Sturmereignisse beeinflussen werden so wird damit gerechnet dass sich nach 2050 der Effekt der globalen Erwaumlrmung immer deutlicher von diesen natuumlrlichen Dekadenschwankungen abheben wird30

n Ertragsruumlckgaumlnge in der Landwirtschaft

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Nahrungs-mittelertraumlge der Landwirtschaft ergeben sich sowohl aus den Veraumlnderungen von Temperatur und Nieder-schlag als auch aus der Anpassungsfaumlhigkeit der Land- wirtschaft selbst Der IPCC ist zu dem Ergebnis gekom-men dass sich der hydrologische Kreislauf (Wasserkreis-lauf) infolge des Temperaturanstiegs veraumlndert hat Zum Beispiel kam es in vielen Regionen der Nordhalbku-gel im letzten Jahrhundert zu einer Zunahme der konti-nentalen Niederschlaumlge waumlhrend in anderen Regionen (u a Nord- und Westafrika) ein Ruumlckgang zu beobachten war Durch die sich aumlndernden Anbaubedingungen bzw durch unregelmaumlszligige Niederschlaumlge und hohe Tempe-raturen ist es schon heute in vielen Regionen der Erde sehr schwierig mit traditio nellen Anbaumethoden bzw angebauten Pflanzen die notwendigen Ernteertraumlge

zu steigern bzw zu erhalten Besonders betroffen sind dabei die traditionell trockenen Gebiete in denen eine Unterbrechung der Nahrungsmittelversorgung durch die Landwirtschaft bereits heute zu erheblichen huma-nitaumlren und wirtschaftlichen Problemen fuumlhrt

Diese Anzeichen zeigen einerseits dass der Klimawan-del schon heute deutliche Spuren im Leben der Men-schen hinterlassen hat und stuumltzen damit die nuumlchternen Datenreihen der Wissenschaftler Andererseits sind sie auch erste Vorboten dafuumlr was zukuumlnftig und im Zuge weiter ansteigender Temperaturen noch an Auswirkun-gen des Klimawandels auf uns zukommen kann

n Oumlkosysteme in der Falle

Weltweit findet ein dramatischer Artenschwund in der Tier- und Pflanzenwelt statt der sich waumlhrend der ver-gangenen 50 Jahre stark beschleunigt hat und zu Beginn des 21 Jahrhunderts um den Faktor 100 bis 1000 uumlber dem natuumlrlichen Wert liegt31 Neben direkten mensch-lichen Auswirkungen wie der Umwandlung natuumlrlicher Oumlkosysteme durch eine immer intensiver werdende Landwirtschaft die Zergliederung durch Siedlungen und Verkehrswege sowie den Raubbau natuumlrlicher Res-sourcen hinterlaumlsst auch der Klimawandel in zahlreichen Oumlkosystemen bereits deutliche Spuren Im Zuge der Klimaveraumlnderungen verschieben sich sowohl die Klima- und Vegetationszonen in Richtung der Pole oder in grouml-szligere Houmlhen als auch die klimatischen Jahreszeiten Die Tropen haben sich in 25 Jahren um mehrere Breitengrade ausgedehnt32 Fruumlhlingscharakteristika ndash wie beispiels-weise Blattentfaltung Pflanzenbluumlte Vogelzug und Brutverhalten ndash treten fruumlher ein Um ein Uumlberleben zu ermoumlglichen sind deshalb viele Tier- und Pflanzenarten einerseits gezwungen ihre traditionellen Lebensraumlume aufzugeben und den wandernden Klimazonen zu folgen sowie andererseits auch ihr saisonabhaumlngiges Verhalten an die jahreszeitliche Verschiebung anzupassen

Nicht allen Arten ist jedoch eine derartige Anpassung an die sich veraumlndernden Rahmenbedingungen moumlglich da sie sehr eng an spezifische Klimaregime und arttypische Rhythmen gebunden sind Zu den ersten Opfern gehoumlren insbesondere die artenreichsten Oumlkosysteme wie etwa die Regenwaumllder in Brasilien die Korallenriffe im Suumldpa-zifik oder die Flora und Fauna der alpinen Regionen und der Arktis In diesen Gebieten koumlnnen viele Tiere und Pflanzen mit dem Tempo des Klimawandels nicht mehr mithalten sterben aus und hinterlassen tiefe Luumlcken in Nahrungsketten und natuumlrlichen Gefuumlgen

29 Swiss RE 2004 330 Walsh K 2004

31 Millennium Ecosystem Assessment 200532 Seidel DJ 2008

20

Tem

pera

turauml

nder

ung

Ant

arkt

is (deg

C)

23 Der menschgemachte Treibhauseffekt

Das Klima unserer Erde hat in der Erdgeschichte immer wieder spektakulaumlre Wandlungen vollzogen Innerhalb der vergangenen zwei bis drei Millionen Jahre pendel-te es beispielsweise regelmaumlszligig zwischen Kalt- und Warmphasen hin und her Diese Pendelbewegung laumlsst sich sehr gut fuumlr die letzten 800000 Jahre anhand von Eisbohrkernen insbesondere aus der Antarktis belegen Sie ist das Ergebnis zyklischer Schwankungen der Erd-umlaufbahn um die Sonne bzw des Neigungswinkels der Erdachse (siehe Abbildung 9) Hier bestaumltigt sich u a die wichtige Rolle des CO2 als Treibhausgas (siehe weiter unten) Da die Umlaufbahn der Erde zudem ellip-tisch ist bringt sie die Erde in regelmaumlszligigen Abstaumlnden sowohl naumlher an die Sonne heran als auch weiter von ihr weg Die Folge Die Intensitaumlt der Sonneneinstrahlung auf der Erde schwankt auch im Jahreslauf In der Vergan-genheit haben vor allem die Kaltphasen laumlnger angehal-ten (90000 Jahre) als die Warmphasen (10000 Jahre)

rarr Frage In der Erdgeschichte stieg zuerst die Tempe-ratur dann die CO2-Konzentration Ist somit der gegen-waumlrtige CO2-Anstieg nicht eher die Folge als die Ursache der Erwaumlrmung

Abbildung 9 zeigt dass es einen direkten Zusammen-hang zwischen Temperatur und CO2-Gehalt in der At-mosphaumlre gibt Ausloumlser der zyklischen Klimaschwan-kungen innerhalb der letzten 800000 Jahre waren dabei in erster Instanz die regelmaumlszligigen Schwankungen der Erdbahnparameter Diese wirken durch die Umvertei-lung der solaren Einstrahlung direkt auf die Temperatur Der Anstieg der CO2-Konzentration kommt erst in einem zweiten Schritt durch eine positive Ruumlckkopplung und mit einer zeitlichen Verzoumlgerung von rund 800 Jahren zum Tragen Durch die steigenden Temperaturen koumln-nen die sich erwaumlrmenden Ozeane weniger CO2 halten und erhoumlhen dadurch den atmosphaumlrischen CO2-Gehalt ndash die Temperaturen steigen weiter an Somit waren in der Vergangenheit die Erdbahnveraumlnderungen der Ausloumlser fruumlherer Temperaturschwankungen allerdings ist die vollstaumlndige Temperaturentwicklung nur im Zusammen-hang mit einer positiven CO2-Ruumlckkopplung zu erklaumlren Der CO2-Anstieg der erdgeschichtlichen Vergangenheit war also sowohl Folge als auch Ursache der Erwaumlrmung Fuumlr die gegenwaumlrtige Situation koumlnnen jedoch Veraumlnde-

Konzentration (in Teilchen pro MillionMilliarde Volumeneinheit ppmvppbv) der beiden Treibhausgase Kohlendioxid (blau) und Methan (gruumln) in der Erdatmosphaumlre waumlhrend der letzten 800000 Jahre im Vergleich mit der Temperaturentwicklung (rot) Quelle Luumlthi D et al 2008

Abb 9 Temperatur- u Treibhausgasentwicklung in den letzten 800000 Jahren

4

0

-4

-8

-12

CH

4 (p

pbv)

CO

2 (p

pmv)

800

300

700

280

600

260

500

240

400

220

200

180

300800 700 600 500 400 300 200 100 0

Alter (1000 Jahre vor heute)

21

rungen der Erdbahnparameter ausgeschlossen und so-mit der globale Temperaturanstieg der letzten 130 Jahre nur durch den menschgemachten Treibhausgasausstoszlig erklaumlrt werden

Waumlhrend uumlber mehrere Jahrtausende vor allem die langperiodischen Variationen der solaren Einstrahlung fuumlr die Wechselhaftigkeit des Klimas verantwortlich waren so werden auf kuumlrzeren Zeitskalen noch wei-tere Einflussfaktoren deutlich Unterschiedlich starke Sonnenflecken aktivitaumlten lassen die Einstrahlung der Sonnenenergie auf die Erdoberflaumlche schwanken Vul-kanausbruumlche koumlnnen eine Abkuumlhlung bewirken wenn groszlige Mengen Asche in die Atmosphaumlre geschleudert werden und dort die Durchlaumlssigkeit der Sonnenein-strahlung verringern Letzteres war beispielsweise in den Jahren 1991-1993 der Fall die in Folge des Aus-bruchs des philippinischen Vulkans Pinatubo relativ kuumlhl waren33 Auch koumlnnen interne Wechselwirkungen und Ruumlckkopplungsmechanismen zwischen Atmosphaumlre und Ozeanen wie z B El-Nintildeo-Ereignisse das globale Klima uumlber mehrere Jahre hinweg beeinflussen Fazit Das Kli-ma der Erde ist ein aumluszligerst sensibles System welches in der Vergangenheit haumlufig schon auf kleine Aumlnderungen der solaren Einstrahlung empfindlich reagiert hat

Aus neuesten wissenschaftlichen Studien leitet sich eine bdquosehr hohe Sicherheitldquo ab (nach IPCC-Definition in mindestens neun von zehn Faumlllen) dass menschliche Ak-tivitaumlten seit Beginn der Industrialisierung groumlszligtenteils die Erhoumlhung der globalen Durchschnittstemperatur verursacht haben muumlssen Das internationale Wissen-schaftlergremium stuumltzt sich in seiner Aussage uumlber den Beitrag des Menschen an der globalen Klimaaumlnderung im Wesentlichen auf drei Pfeiler die menschgemachte Zunahme von Treibhausgasen die hohe Korrelation zwi-schen globaler Mitteltemperatur und der Kohlendioxid-konzentration in der Vergangenheit sowie Hochrech-nungen mit Klimamodellen34

Vor allem fuumlr die Erwaumlrmung in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts gilt mittlerweile der menschgemach-te Anstieg der Treibhausgasemissionen mit 90 bis 99- prozentiger Wahrscheinlichkeit als Hauptursache Die Menschheit setzt heute durch eine Vielzahl von Prozes-sen groszlige Mengen an Treibhausgasen frei und stellt so-mit selbst einen Klimafaktor im System dar Eine groszlige Bedeutung haben in diesem Zusammenhang insbeson-dere die Verbrennung fossiler Energietraumlger (Braun- und Steinkohle Erdoumll Erdgas) die groszligflaumlchige Aumlnderung der Landnutzung (z B Rodung von Waumlldern) landwirt-

Tabelle 1 Die wichtigsten anthropogenen Treibhausgase

33 Schoumlnwiese CD 200434 Graszligl H 1998

Ppmppb (parts per millionbillion = Teilchen pro MillionMilliarde Teilchen) Relative Maszligangabe die in der Klima-wissenschaft beispielsweise das Konzentrationsniveau von Treibhausgasen in der Atmosphaumlre beziffert Eine atmos-phaumlrische Konzentra tion von 387 ppm bedeutet dass das Volumen von 387 Teilchen CO2 im Volumen von einer Millionen Luftteilchen enthalten ist Quelle WMO 2008

Spurengas

Kohlendioxid (CO2)

Methan (CH4)

Distickstoff-oxid (N2O Lach gas)

Anthropogene Herkunft

Verbrennung fossiler Energietraumlger Waldrodungen und Bodenerosion Holzverbrennung

Reisanbau Viehhaltung Erdgaslecks Verbren-nung von Biomasse Muumllldeponien Nut-zung fossiler Energien

Verbrennen von Bio-masse und fossilen Ener gie traumlgern Duumlngemitteleinsatz

Derzeitige (und vorindustrielle) Konzentration

ca 387 (280) ppm

ca 1797 ppb (730 ppb)

319 3218 (270) ppb

Konzentrations-anstieg pro Jahr (Durchschnitt 1998-2008)

193 ppm

25 ppb

0788 ppb

Anteil am an-thropogenen Treibhauseffekt(seit 1750)

635

182

62

Treibhaus-potential pro Teilchen CO2 = 1

1

ca 23

ca 200-300

22

schaftliche Taumltigkeiten (v a Viehwirtschaft und Reis-anbau) und industrielle Prozesse sowie Verkehr Dieser menschliche Einfluss ist verantwortlich fuumlr den signifi-kanten Konzentrationsanstieg von Treibhausgasen in der Atmosphaumlre seit Beginn der Industrialisierung (siehe Tabelle 1) und die dadurch ausgeloumlste Verstaumlrkung des Treibhauseffektes Daher bezeichnet man den Anteil am gesamten Treibhauseffekt den der Mensch durch sein Handeln verursacht als menschgemachten oder anthro-pogenen Treibhauseffekt

Die drei Hauptverursacher des menschgemachten Treib-hauseffektes sind Kohlendioxid Methan und Distick-stoffoxid Das Treibhausgas CO2 ist dabei der Haupt-faktor menschlicher Treibhausgasemissionen und traumlgt mit ca 635 Prozent zum menschgemachten Anteil am Treibhauseffekt bei Der Beitrag von Methan (CH4) liegt bei etwa 182 Prozent (siehe Tabelle 1) Distickstoffoxid (N2O Lachgas) hat einen Anteil von 62 Prozent

Neben diesen Gasen gehoumlren auch industriell erzeugte Gase wie Fluorkohlenwasserstoffe (FKWs) zu den wich-tigsten anthropogenen Treibhausgasen Ozon (O3) wird nicht direkt ausgestoszligen sondern entfaltet seine Wirk-samkeit als Folgeprodukt u a bei der Verbrennung fos-siler Energietraumlger35

rarr Frage Ist nicht Wasserdampf statt CO2 das wich-tigste Treibhausgas

Wasserdampf ist das Treibhausgas mit der houmlchsten na-tuumlrlichen Konzentration in der Atmosphaumlre und mit rund zwei Dritteln am natuumlrlichen Treibhauseffekt beteiligt Riesige Mengen Wasserdampf verdunsten taumlglich aus den Ozeanen in die Atmosphaumlre kondensieren und fallen als Niederschlag wieder zu Boden Innerhalb von nur 10 Tagen wird dabei die gesamte Menge an Wasserdampf auf der Erde einmal ausgetauscht Beim anthropogenen Treibhauseffekt jedoch spielt Wasserdampf kaum eine Rolle Denn anders als es beim CO2 der Fall ist nimmt die Atmosphaumlre in Abhaumlngigkeit von ihrer Temperatur nur eine begrenzte Menge an Wasserdampf auf Der Mensch kann somit den Wasserdampfgehalt der Atmosphaumlre nicht direkt (auszliger durch den Flugverkehr) sondern houmlchstens indirekt durch die Veraumlnderung der Tempe-ratur bzw die erwaumlrmungsbedingte Veraumlnderung des Wasserkreislaufs beeinflussen Steigt die Temperatur steigt auch der Wasserdampfgehalt und es intensiviert sich der Wasserkreislauf Damit wirkt Wasserdampf als Verstaumlrker der globalen Erwaumlrmung und wird deshalb auch in allen Klimamodellen beruumlcksichtigt Allerdings verbleibt der Wasserdampf durch menschliche Aktivitauml-ten ausgeloumlst nur fuumlr kurze Zeit und in vergleichsweise geringen Mengen in der Atmosphaumlre Aus diesen Gruumln-den ist der Anteil von Wasserdampf am anthropogenen Treibhauseffekt vernachlaumlssigbar gering

Bohrungen im antarktischen Eis zeigen (siehe Abbildung 9) dass die CO2-Konzentration der Atmosphaumlre in den vergangenen 800000 Jahren nie uumlber 300 ppm lag36 Seit Beginn der Industrialisierung zum Ende des 19 Jahrhun-derts stieg sie jedoch um 38 Prozent an und betrug 2009 im Jahresmittel bereits 387 ppm Allein innerhalb der letzten Dekade (2000-2008) wuchs der atmosphaumlrische CO2-Anteil mit einer jaumlhrlichen Rate von etwa 19 ppm37

1990-1999 waren es noch durchschnittlich 15 ppm pro Jahr gewesen Die Methankonzentration steigerte sich sogar um 157 Prozent seit Ende des 19 Jahrhunderts38

Allerdings gibt es auch menschliche Handlungen mit ei-nem kuumlhlenden Effekt beispielsweise die industriellen Emissionen von Schwefeldioxid (SO2)39 Dieses reflek-tiert Sonnenlicht zuruumlck in den Weltraum und kann zu-dem die Bildung von Wolken ausloumlsen Beide Prozesse tragen dazu bei dass weniger Sonnenstrahlen die Erd-oberflaumlche erreichen Schwefeldioxid hilft also die Erde direkt oder durch Wolkenbildung indirekt zu kuumlhlen Ins-gesamt aber uumlberwiegt der Ausstoszlig erwaumlrmend wirken-der Treibhausgase deutlich (siehe Tabelle 2)

24 Belege fuumlr den menschlichen Einfluss auf das Klima

Wenn man bei der Simulation der Temperaturentwick-lung der letzten eineinhalb Jahrhunderte sowohl die natuumlrlichen als auch die menschgemachten Faktoren mit einbezieht laumlsst sich der tatsaumlchliche Temperaturver-lauf fuumlr viele Regionen der Erde sehr genau simulieren (siehe Abbildung 3 S10) Die Simulation der natuumlr lichen Entwicklung beschraumlnkt sich dabei auf die Faktoren bdquoVariation der Solarstrahlungrdquo bdquoVulkanausbruumlcherdquo und bdquoEl-Nintildeo-Ereignisserdquo Der menschliche Einfluss auf die Klimaentwicklung hingegen bezieht nur die Faktoren bdquoTreibhausgasemissionenrdquo und bdquoEmissionen von Sulfat-aerosolenrdquo mit ein

Bereits die Simulation der menschgemachten Faktoren wuumlrde eine plausible Erklaumlrung fuumlr den groumlszligten Teil der beobachteten Temperaturentwicklung liefern Die Inte-gration beider Faktorenbuumlndel hingegen stellt eine noch groumlszligere Annaumlherung an die in der Realitaumlt beobachtete Entwicklung dar Allerdings schlieszligt dies nicht prinzi-piell die Moumlglichkeit aus dass noch weitere Faktoren eine begrenzte Rolle fuumlr den Temperaturanstieg gespielt haben koumlnnten

rarr Frage Ist nicht die Aumlnderung der Sonnenstrahlung bedeutender als der menschliche Einfluss

Aumlnderungen der solaren Leuchtkraft sind auf unter-schiedlichen Zeitskalen ein wichtiger Grund von Klima-

35 WMO 2008 36 Luumlthi D et al 200837 Global Carbon Project 2009

38 IPCC 2007a39 IPCC 2001

23

aumlnderungen Relativ geringe Schwankungen der Sonnen-fleckenaktivitaumlt haben das Klima in der Erdgeschichte bedeutend mitgepraumlgt und geringfuumlgige Abschwaumlchun-gen der Strahlungsintensitaumlt wiederholt zu signifikanten Abkuumlhlungserscheinungen gefuumlhrt Als juumlngere Beispie-le des solaren Einflusses gelten die Kleine Eiszeit (1350 bis 1880 n Chr) sowie das Mittelalterliche Waumlrmeopti-mum (950 bis 1250 n Chr) Innerhalb des Zeitraums seit der Industrialisierung bis heute spielen Aumlnderungen der Sonnenstrahlung jedoch eine weniger bedeutende Rol-le Vor allem fuumlr die zweite Haumllfte des 20 Jahrhunderts ist der beobachtete Anstieg der globalen Durchschnitts-temperatur hauptsaumlchlich durch den menschgemachten Treibhausgasausstoszlig verursacht worden (siehe Abbil-dung 3 S10)

Die Betrachtung des Strahlungsantriebs unterschied-licher groszligraumlumig wirksamer Klimafaktoren (Tabelle 2) und die daraus berechneten Temperatursignale unter-stuumltzen die Hypothese dass der Mensch uumlber die Treib - hausgase einen deutlich groumlszligeren Einfluss auf die Tem-peraturveraumlnderung seit 1880 genommen hat als natuumlr-liche Faktoren Insgesamt sind das demnach ca 07 degC was in etwa dem beobachteten Anstieg von 08 degC im 20 Jahrhundert entspricht Die natuumlrlichen Klimasignale sind demgegenuumlber relativ klein und treten episodisch bzw fluktuativ auf haben also zu dem Langfristtrend der letzten 130 Jahre kaum beigetragen

Insgesamt ist die Antwort auf die Frage ob sich das Kli-ma aumlndert und ob der menschgemachte Treibhauseffekt in den letzten Jahrzehnten wesentlicher Antrieb dieser Veraumlnderung war nicht mehr wissenschaftlich umstrit-ten Diskutiert wird lediglich uumlber das genaue Ausmaszlig und die zu erwartenden Konsequenzen in verschiedenen Regionen

40 Die natuumlrlichen internen Schwankungen des Klimas sind das bdquoRauschenrdquo gegenuumlber dem sich Klimaaumlnderungen durch be-stimmte externe Anstoumlszlige ob durch natuumlrliche Ursachen oder den Menschen als bdquoSignalrdquo abheben Will man eine unge-woumlhnliche Klimaaumlnderung wie z B die Erwaumlrmung der letzten Jahrzehnte erklaumlren so muss man zunaumlchst untersuchen ob es sich dabei um ein Phaumlnomen handelt das sich signifikant von

dem natuumlrlichen bdquoRauschenrdquo des Klimas unterscheidet und nicht als natuumlrliche interne Variabilitaumlt erklaumlrt werden kann Falls das so ist muss man in einem zweiten Schritt versuchen die Ursache des bdquoSignalsrdquo herauszufinden also zu bestim-men ob es durch natuumlrliche oder anthropogene externe Antriebsfaktoren bedingt ist Vgl Schoumlnwiese CD 20048

(a) anthropogen Pinatubo-Ausbruch 1991 24 Wm2 1992 32 Wm2 1993 09 Wm2Quellen IPCC 2007a Schoumlnwiese CD 2004

Tabelle 2 Groszligraumlumig wirksame Klimafaktoren und die zugehoumlrigen Strahlungsantriebe und Temperatursignale (seit 1880)

Klimafaktor

Treibhausgase TR (a)

Sulfataerosol SU (a)

Kombiniert TR + SU (a)

Vulkaneruptionen

Sonnenaktivitaumlt

El NintildeoSouthern Oscillation

Strahlungsantrieb

207 bis 253 Wm2

-01 bis -09 Wm2

18 bis 243 Wm2

max -1 bis -3 Wm2

006 bis 03 Wm2

ndash

Signal40

09 bis 13 degC

-02 bis -04 degC

05 bis 07 degC

-01 bis -02 degC

01 bis 02 degC

02 bis 03 degC

Signalstruktur

Progressiver Trend

Uneinheitl Trend

Uneinheitl Trend

Episodisch (1-3 Jahre)

Fluktuativ (+ Trend)

Episodisch

24

Infolge der Erderwaumlrmung geraten immer mehr Eismassen in Arktis und Antarktis ins Schmelzen und rutschen ins Meer

Foto

Ger

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25

Neben den Ursachen und den bereits gegenwaumlrtig beo-bachteten Auswirkungen des Klimawandels sind insbe-sondere Aussagen uumlber das zukuumlnftige Klima von groszliger Wichtigkeit Die zentrale Frage dabei ist Wie veraumlndert sich das globale Klima infolge des weiteren Ausstoszliges von Treibhausgasen und mit welchen Auswirkungen fuumlr Mensch und Natur

Um abschaumltzen zu koumlnnen in welchem Ausmaszlig Treib - hausgasemissionen verringert und Anpassungs maszlig nah-men ergriffen werden sollen werden wissenschaftlich fundierte Aussagen uumlber die zukuumlnftigen Auswirkungen des Klimawandels benoumltigt Klimaforscher stellen hier-fuumlr sogenannte bdquoSzenarienldquo auf Sie legen also zunaumlchst unterschiedliche Grundannahmen uumlber die Entwicklung von Bevoumllkerung Technologien Wirtschaft etc fest und kommen dementsprechend zu einer Vielfalt moumlglicher bdquoZukunftsvorstellungenldquo die dann als bdquoProjektionenldquo bezeichnet werden Bei der Betrachtung dieser Projek-tionen ist zu beachten dass sie auf einer begrenzten Anzahl von Annahmen beruhen also Aussagen uumlber moumlgliche Zukunftstrends Sie koumlnnen demnach keine sicheren Prognosen liefern Trotz ihrer Einschraumlnkung bieten Szenarien jedoch eine gute Grundlage um Wenn-Dann-Entscheidungen zu treffen auch wenn gewisse Unsicherheiten verbleiben

3 Klimawandel der ZukunftTabelle 3 zeigt eine Uumlbersicht uumlber die zentralen Szenarien die die Grundlage der dritten und vier-ten Sachstandsberichte des IPCC waren Aus den Annahmen zu Aspekten wie oumlkonomischer und sozia-ler Entwicklung Bevoumllkerungswachstum Ausbreitung neuer Technologien etc ergibt sich dass die B-Szena-rien grundsaumltzlich einen geringeren Anstieg der CO2-Emissionen projizieren (siehe Abbildung 10) Wenngleich z B die Ausbreitung von klimafreundlichen Energietechnologien in dem fuumlr die Erreichung der opti-mistischen Szenarien notwendigen Ausmaszlig wahrschein-lich auf foumlrderliche politische Rahmenbedingungen an-gewiesen ist beziehen diese Szenarien nicht explizit po-litisch vereinbarte Klimaschutzziele wie die Umsetzung des Kyoto-Protokolls mit ein

Generell kommen alle Szenarien bei der Berechnung der Temperaturaumlnderungen bis etwa 2030 zu aumlhnlichen Ergebnissen und laufen erst danach deutlich auseinan-der Dieser Umstand ist vor allem darin begruumlndet dass sich technische Umbauprozesse des Energie- Verkehrs- und Gebaumludesystems weltweit uumlber Jahrzehnte hinzie-hen und die Atmosphaumlre ndash vor allem wegen der nur lang-samen Erwaumlrmung der Meere ndash auf die Treibhausgase um Jahrzehnte verzoumlgert reagiert41

Szenarien - familie

Leitgedanken Technologien wirtschaftliche Strukturen

Weltbevoumllkerung

A1 Konvergenz zwischen Regionen

Schnelles Wirtschafts wachs tum schnelle Einfuumlhrung effizienter Technologien (A1FI fossil-intensiv A1T nicht-fossil A1B gemischt)

Ab Mitte 21 Jh abnehmend

A2 Heterogene Welt Entwicklung aus eigener Kraft

Technologische Entwicklung und Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen langsam und regional stark unter-schiedlich

Kontinuierlich wachsend

B1 Konvergenz zwischen Regionen Fokus auf Nachhaltigkeit + Gerechtigkeit

Schneller Wandel in Richtung Dienstleistungs- und Informations-oumlkonomie abnehmende Material-intensitaumlt saubere + ressourcen-schonende Technologien

Ab Mitte 21 Jh abnehmend

B2 Heterogene Welt Fokus auf Nachhaltigkeit + Gerechtigkeit

Entwicklung relativ langsam und sehr heterogen

Wachsend (aber langsamer als in A2)

Tabelle 3 Die zugrundeliegenden Annahmen der Szenarien des IPCC

Quelle IPCC 2007a

41 IPCC 2007a

26

31 Veraumlnderungen der Klimaparameter

Die Ergebnisse der IPCC-Szenarienberechnungen zei-gen die Bandbreite der zu erwartenden Entwicklung fuumlr die wichtigsten Klimaparameter ndash Temperatur Niederschlaumlge und Wind ndash sowie den Meeresspiegel und Extremwetterereignisse Laumlngerfristig haumlngt die Veraumlnderung der Klimaparameter dabei sehr stark vom globalen Emissionsausstoszlig und hierbei insbe-sondere von der Entwicklung der weltweiten CO2-Emissionen ab Je groumlszliger die Emissionen und damit der Temperaturanstieg desto groumlszliger die Risiken Im folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der IPCC-Szenarienberechnungen zusammengefasst

n Anstieg der Treibhausgaskonzentration Die CO2- Konzentration wird nach verschiedenen Stabilisierungs-szenarien im Jahr 2100 zwischen 350 und 790 ppm betra-gen (vgl heute 387 ppm siehe Tabelle 1)42 Das Niveau am unteren Ende der Skala wird nur bei sehr drastischem Klimaschutz erreicht werden koumlnnen Um zwei Grad Temperaturanstieg nicht zu uumlberschreiten muumlssten die

globalen Emissionen bis 2050 global um mindestens 80 Prozent gegenuumlber 1990 sinken43 Neben den unter-schiedlichen Grundannahmen der Szenarien ruumlhrt die groszlige Bandbreite der Vorhersagen auch von der Un-sicherheit uumlber die Fortdauer der Senkenfunktion von Ozeanen und des tropischen Regenwaldes her

n Erhoumlhung der weltweiten Durchschnittstemperatur Bis zum Jahr 2100 wird eine Erhoumlhung der mittleren globalen Erdoberflaumlchentemperatur von 11 bis 64 degC gegenuumlber 1990 projiziert44 Diese Werte sind etwa zwei- bis neunmal houmlher als die beobachtete Erwaumlrmung waumlhrend des 20 und beginnenden 21 Jahrhunderts Betrachtet man die am besten gesicherten Schaumltzungen (bdquobest guessldquo) der jeweiligen Szenarien ergibt sich eine Spannbreite von etwa 18 bis 40 degC Der IPCC rechnet damit dass die Klimasensitivitaumlt ndash also der bei Verdop-pelung der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre erwar-tete Temperaturanstieg ndash etwa 3 degC betragen koumlnnte45

Allerdings sind hierbei nicht alle moumlglichen Ruumlckkopp-lungsprozesse beruumlcksichtigt die zum Teil schwer zu quantifizieren sind Einige Studien die auch langfristige Effekte wie die CO2-Aufnahmekapazitaumlt der Ozeane die Veraumlnderungen der Oberflaumlchenalbedo ndash der Anteil der

Die schwarze Linie in der linken Haumllfte des Diagramms zeigt die Messwerte bis zum Jahr 2000 Die drei oberen Linien stehen dabei fuumlr drei standardisierte Szenarien zum weiteren CO2-Ausstoszlig Besonders warm wuumlrde es demnach im A2-Szenario werden (rote Linie) Die orange Linie zeigt den Anstieg der Globaltemperatur selbst wenn alle Emissio-nen im Jahr 2000 gestoppt werden wuumlrden (durch die Traumlgheit des Systems) Die Balken repraumlsentieren die Spannwei-te der Resultate aller IPCC-Klimamodelle Quelle IPCC 2007a

Abb 10 Temperaturkurven der IPCC-Leitszenarien bis 2100

Tem

pera

turauml

nder

ung

(degC

)

60

50

40

30

20

10

00

-10

A2A1BB1Konzentrationsstabilisierung auf dem Niveau des Jahres 200020 Jahrhundert

1900 20002000

Jahr

2100

B1 A1T

B2 A1B

A2

A1F

I

42 IPCC 2007a 43 Meinshausen M et al 2006

44 IPCC 2007a45 IPCC 2007a

27

Sonnenstrahlung der reflektiert wird ndash oder die Veraumln-derung der Eisschilde beruumlcksichtigen halten jedoch auch eine Klimasensitivitaumlt von bis zu 6 degC fuumlr moumlglich46 Die IPCC-Szenarien koumlnnten folglich sogar die moumlg-lichen Erwaumlrmungseffekte unterschaumltzen

In jedem Fall wird die Erwaumlrmung nicht gleichmaumlszligig stattfinden sondern uumlber Landflaumlchen staumlrker ausge-praumlgt sein als uumlber den Ozeanen Auszligerdem ist davon auszugehen dass die Temperaturen in den hohen Brei-ten sowie in Gebirgsregionen vor allem im Winter uumlber-durchschnittlich ansteigen werden

n Intensivierung des hydrologischen Kreislaufs Bei weltweiter Betrachtung ist bis 2100 eine Steigerung der Niederschlagssummen um bis zu 20 Prozent zu erwarten da eine erwaumlrmte Atmosphaumlre auch mehr Wasserdampf aufnehmen kann Gerade beim Niederschlag wird je-doch ein stark raumlumlich differenziertes Bild projiziert Als Faustregel gilt dass in solchen Gebieten die be-reits eine ausreichende Niederschlagsmenge erhalten von einer deutlichen Steigerung auszugehen ist die mit staumlrkeren Schwankungen der Regenmengen zwischen den einzelnen Jahren einhergeht In Regionen die be-reits unter Wassermangel leiden wird hingegen eine Verschaumlrfung erwartet mit einzelnen auszligergewoumlhnlich starken Niederschlagsereignissen Folge des intensi-vierten hydrologischen Kreislaufs wird also insgesamt eine Aumlnderung der Haumlufigkeit Intensitaumlt und Dauer von Starkniederschlaumlgen sein (siehe auch 32)47

n Tropische Wirbelstuumlrme Obgleich Aussagen uumlber die zukuumlnftige Entwicklung tropischer Wirbelstuumlrme mit groszligen Unsicherheiten behaftet sind ist es wahrschein-lich dass zukuumlnftige tropische Wirbelstuumlrme in einer waumlrmeren Welt und in Verbindung mit dem Anstieg der Meeresoberflaumlchentemperaturen in den Tropen intensi-ver werden48

32 Zunahme von wetterbeding-ten Extremereignissen

Bei houmlheren Temperaturen erhoumlht sich auch das Risiko von Starkniederschlaumlgen und Uumlberschwemmungen da waumlrmere Luft mehr Wasser aufnehmen kann Weiter muss damit gerechnet werden dass sich vor allem in bereits trockenen Regionen die Wahrscheinlichkeit von mehr Hitzewellen Duumlrreperioden und Waldbraumlnden erhoumlhen wird Extremwetterereignisse wie z B die Hit-zewelle 2003 in Europa koumlnnten in der zweiten Haumllfte dieses Jahrhunderts schon in jedem zweiten Jahr in Eu-ropa auftreten Auch wird erwartet dass tropische Wir-belstuumlrme in der Karibik und in Suumldasien sowie heftige Winterstuumlrme uumlber Europa in Zukunft mehr Zerstoumlrun-gen anrichten werden49

33 Anstieg des MeeresspiegelsAussagen uumlber den Meeresspiegelanstieg der Zukunft sind mit groszligen Unsicherheiten behaftet Die Modell-projektionen des IPCC ergeben einen Meeresspiegelan-stieg bis zum Jahr 2100 um 18 bis 59 cm je nach Szena-rio und Modell Nicht enthalten ist darin allerdings die Gefahr eines Abrutschens des groumlnlaumlndischen Eisschilds oder des Eispanzers der Westantarktis Dadurch koumlnn-te der Meeresspiegelanstieg deutlich houmlher ausfallen Insbesondere neuere Daten lassen die Vermutung auf-kommen dass der Meeresspiegel schneller reagieren koumlnnte als noch 2007 in den Klimamodellen des IPCC aufgezeigt Seit Anfang der 1990er Jahre ist der Mee-resspiegel jaumlhrlich um 33 mm gestiegen knapp doppelt so schnell wie im Durchschnitt des 20 Jahrhunderts und vom IPCC vorhergesagt (19 mmJahr)50

Diese Ergebnisse zeigen dass die tatsaumlchliche Entwick-lung des Meeresspiegels mittlerweile die pessimistisch-sten Projektionen des IPCC von 2007 uumlbertrifft (siehe Abbildung 11) Im Kontext der signifikanten Beschleuni-gung des Anstiegs wird eines immer deutlicher Je houmlher die Temperaturen steigen umso schneller erhoumlht sich auch der Wasserpegel Vor diesem Hintergrund kommen neuere Studien die die Korrelation von Temperatur und Meeresspiegelanstieg im 20 Jahrhundert in die Zukunft projizieren und dabei sowohl die thermische Ausdeh-nung des Wasserkoumlrpers als auch die Dynamik der gro-szligen Eisschilde beruumlcksichtigen zu einer anderen Aussa-ge Selbst bei einem relativ niedrigen Emissionsszenario mit einer Erwaumlrmung um zwei Grad Celsius bis Ende des 21 Jahrhunderts wird der Meeresspiegel wahrscheinlich um mehr als einen Meter ansteigen Bei ungebremsten Emissionen und einem Temperaturanstieg von mehr als vier Grad Celsius gegen 2100 koumlnnte der Anstieg sogar mehr als 140 cm betragen Werden saumlmtliche Emissions-szenarien und die geschaumltzten Unsicherheiten beruumlck-sichtigt ergeben sich Werte zwischen 75 und 190 cm51 Bereits der Anstieg um einen Meter wuumlrde ndash ohne ent-sprechende Schutzmaszlignahmen ndash in Bangladesch und Vietnam ca 3 Millionen bzw 25 Millionen Hektar Land-flaumlche uumlberfluten In Bangladesch wuumlrden dadurch ca 15-20 Millionen Menschen vertrieben in Vietnam etwa 10 Millionen Menschen52

Der Meeresspiegelanstieg wird dabei an den Kuumlsten der Erde unterschiedlich ausfallen Erstens steigt der abso-lute Meeresspiegel nicht uumlberall gleich da ein regional unterschiedlicher Temperaturanstieg eng verknuumlpft mit Veraumlnderungen der Meeresstroumlmungen die Neigung der Meeresoberflaumlche beeinflusst Zweitens hebt oder senkt sich auch das Land an manchen Kuumlsten An den deutschen Nordseekuumlsten beispielsweise werden beide Effekte dazu beitragen dass der Meeresspiegel mehr als im globalen Mittel ansteigt Entscheidend ist allerdings

46 Hegerl CG et al 200647 IPCC 2007a48 IPCC 2007a

49 IPCC 2007a50 Beckley D et al 2007

51 Vermeer M und S Rahmstorf 200952 Conisbee M und A Simms 2003

28

Abb 11 Beobachteter Meeresspiegelanstieg seit 1975

auch dass der Anstieg nicht mit Erreichen des Jahres 2100 aufhoumlren wird selbst wenn wir den Anstieg der Erwaumlrmung bis dahin gestoppt haben sollten In diesem Zusammenhang erwartet der WBGU fuumlr ein moderates Erwaumlrmungsszenario einen Anstieg um ca 300-500 cm bis zum Jahr 230053

34 Kipp-Elemente des Klima-systems und ihre Folgen

Bisher wurden in dieser Publikation als Folge der Erwaumlr-mung vergleichsweise kontinuierliche und langsame Entwicklungen betrachtet auf deren Konsequenzen sich die betroffenen Staaten der Erde vergleichsweise ein-fach einstellen und dementsprechend reagieren und sich anpassen koumlnnen Allerdings belegen die Klimadaten der Erdgeschichte dass auf dem Planeten Erde nicht immer alles glatt und in geregelten Bahnen verlaumluft Das Klima-system der Erde ist ein komplexes nichtlineares System Bereits kleine Stoumlrungen koumlnnen ploumltzliche und tiefgrei-fende Auswirkungen haben selbst wenn die Triebkraumlfte des Klimawandels ndash menschverursachte Treibhausgase ndash gleichmaumlszligig und stetig ansteigen

Die menschliche Hochzivilisation der letzten 10000 Jahre entstand in einer Phase ungewoumlhnlicher Klimasta-

bilitaumlt Diese Stabilitaumlt war eine der grundlegenden Be-dingungen dafuumlr dass menschliche Hochkulturen ent-standen sind Ob sich die Menschheit in Zukunft weiter auf stabile Klimaverhaumlltnisse verlassen kann ist unge-wiss Denn innerhalb des Klimasystems gibt es Regime und Prozesse die besonders empfindlich auf Klimaveraumln-derungen reagieren Diese sogenannten Kipp-Elemente koumlnnten durch den Klimawandel derart gestoumlrt werden dass sie einen bestimmten Temperaturschwellenwert uumlberschreiten und in der Folge in einen grundlegend an-deren Zustand bdquokippenldquo Ein solches Umkippen koumlnnte bei einigen Kipp-Elementen schon bei einem Tempera-turanstieg von 2-3 degC gegenuumlber dem vorindustriellen Niveau eintreten54 Viele Wissenschaftler halten es da-her fuumlr notwendig den mittleren globalen Temperatur-anstieg auf unter zwei Grad gegenuumlber vorindustriellem Niveau zu begrenzen um einen in groszligem Maszligstab ge-faumlhrlichen Klimawandel zu vermeiden (siehe Info-Kasten 3 S 29)55 Dabei liegt die Temperatur heute um 08 degC uumlber dem vorindustriellen Niveau Weitere 06 bis 09 degC sind durch die verzoumlgerte Reaktion des Klimasystems auf bereits ausgestoszligene Treibhausgase vorprogram-miert Es ist also houmlchste Zeit eine Trendumkehr bei den Emissionen einzuleiten und den so genannten Peak der Emissionen herbeizufuumlhren

Mittlerweile liegt der beobachtete Meeresspiegelanstieg uumlber den IPCC-Projektionen Quelle WBGU 2006

SatellitenmessungenLinearer TrendIPCC-Szenarien

Unsicherheitsbereich der IPCC-Szenarien

Mee

ress

pieg

elan

stie

g (c

m)

1995 2000 2005

Jahr

5

4

3

2

1

0

53 WBGU 200654 Kriegler E et al 200955 WBGU 2007

29

Info-Kasten 3 Zwei Grad und nicht mehr

Die Klimaforschung ist sich einig dass der globale Temperaturmittelwert nicht um mehr als zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit steigen darf um einen gefaumlhrlichen Klimawandel zu verhin-dern Diese Zwei-Grad-Leitplanke laumlsst sich auf viel-faumlltige Weise wissenschaftlich untermauern

Waumlhrend der gesamten Entwicklungsgeschichte des modernen Menschen und der Entstehung von Hochkulturen haben zu keinem Zeitpunkt auf glo-baler Ebene houmlhere Temperaturen geherrscht als vorindustrielles Niveau plus zwei Grad Sollten die Temperaturen nun uumlber zwei Grad hinaus anstei-gen so wird es fuumlr den uumlberwiegenden Teil der Weltgemeinschaft aufgrund seiner landwirtschaft-lichen und infrastrukturellen Abhaumlngigkeiten sehr schwierig bis unmoumlglich mit der dann drohenden Beschleunigung des Klimawandels Schritt zu halten

Zusaumltzlich nimmt die Gefahr selbstverstaumlrkender Ruumlckkopplungen und das Risiko des Umkippens von Kipp-Elementen im Klimasystem ab einem Temperaturanstieg uumlber zwei Grad deutlich zu

Auch aus der Analyse geowissenschaftlicher Daten ergibt sich ein sofortiger Handlungsdruck zur Stabilisierung der globalen Temperatur auf unter zwei Grad Eine um drei Grad waumlrmere Erde mit einer at-mosphaumlrischen CO2-Konzentration von uumlber 400ppm gab es zuletzt vor rund drei Millionen Jahren waumlh-rend des Pliozaumlns Damals war die Nordhemisphaumlre nahezu eisfrei und der Meeresspiegel mindestens sieben Meter houmlher als heute Fuumlnf Grad waumlrmere Temperaturen 800ppm CO2 in der Atmosphaumlre und einen 70 Meter houmlheren Meeresspiegel als heute ndash das gab es vor rund 40 Millionen Jahren Sollte es der Weltgemeinschaft nicht gelingen den CO2-Gehalt in der Atmosphaumlre auf unter 450ppm und die Temperatur auf unter zwei Grad zu stabilisieren so droht der Erde langfristig ein Klimaregime wie vor etwa drei Millionen im schlimmsten Fall sogar wie vor etwa 40 Millionen Jahren Viele der heuti-gen Kuumlstenzonen waumlren dann uumlberschwemmt die kontinentalen Gletscher und polaren Eisschilde ver-schwunden fruchtbare Boumlden ausgetrocknet und mehrere Milliarden Menschen auf der Flucht vor extremen Wettereignissen

Die Wahrscheinlichkeit die Zwei-Grad-Leitplanke zu verfehlen steigt mit der Houmlhe der atmosphaumlrischen CO2-Konzentration Um einen gefaumlhrlichen und in vielerlei Hinsicht unbeherrschbaren Klimawandel zu vermeiden muumlssten die globalen Emissionen inner-halb der naumlchsten 4-10 Jahre zu ihrem Houmlhepunkt gelangen und anschlieszligend weltweit um 80 Prozent bis 2050 gesenkt werden

Jedoch bedeutet das Einhalten der Zwei-Grad-Leit-planke nicht fuumlr alle Laumlnder und Oumlkosysteme eine sichere Welt Daher fordern die verletzlichsten Staaten eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 15 Grad (siehe auch Kapitel zu Klimapolitik S 51ff)

Die Karte der Kipp-Elemente (Seite 30) verleiht einen Uumlberblick uumlber Groszligrisiken deren Eintritts-wahrscheinlichkeit jenseits eines bestimmten Tem-peraturanstiegs ndash des jeweiligen Kipp-Punkts ndash deut-lich erhoumlht wird (siehe Abbildung 12)56 Wuumlrden diese Schwellenwerte uumlberschritten koumlnnten ab-rupte starke und unwiderrufliche Veraumlnderungen einsetzen die durch ihre direkten sowie indirek-ten Folgen regional und auch global unzumutbare Schaumlden fuumlr Mensch und Natur erwarten lieszligen Diese Abschaumltzung betrifft u a die negativen Auswirkun-gen fuumlr Oumlkosysteme die Nahrungsmittelproduktion und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung Es koumlnnte sogar ein galoppierender Treibhauseffekt ausgeloumlst werden wenn sich diese Effekte durch ihre Wechselwirkungen gegenseitig aufschaukeln

Dabei gibt es auch Wechselwirkungen die das Tem-po des Klimawandels abbremsen koumlnnten Groszlige Unsicherheiten herrschen z B bei der Abschaumltzung der Rolle von Wolken Bisher sieht es allerdings so aus als sei die Wahrscheinlichkeit fuumlr positive (d h verstaumlrkende hier waumlrmende) Ruumlckkopplungen deutlich groumlszliger als die fuumlr negative Ruumlckkopplungen Einige ausgewaumlhlte Kipp-Elemente und ihre Konse-quenzen werden im Folgenden naumlher erlaumlutert

56 Schellnhuber HJ und C Jaumlger 2006

30

n Kollaps des groumlnlaumlndischen Eisschilds

Noch in seinem letzten Bericht vermutete der IPCC einen sehr langsamen und uumlber tausend Jahre waumlhren-den Schmelzprozess auf Groumlnland als Reaktion auf den weltweiten Temperaturanstieg der vergangenen 130 Jahre Allerdings wurde diese Einschaumltzung nun wider-legt Das Gleichgewicht zwischen Schneeakkumulation (Niederschlaumlge) und Schneeablation (Schmelzen an der Ober- und Unterseite Abfluss ins Meer) scheint auf Groumlnland vor allem innerhalb der letzten Jahrzehnte dramatisch aus der Balance gebracht worden zu sein (siehe Kapitel 2) Zwar ist der Verlust immer noch ge-ring im Verhaumlltnis zur Gesamtmasse doch sollten sich die aktuellen Schmelzprozesse fortsetzen koumlnnte auf Groumlnland der bdquoKipp-Punktldquo erreicht werden jenseits dessen der Abschmelzprozess explosiv schnell ablaumluft Modellrechnungen haben ergeben dass schon bei ei-nem lokalen Temperaturanstieg von etwa 2-4 Grad (ent-spricht etwa 1-2 Grad global) fuumlr Groumlnland der Punkt uumlberschritten werden koumlnnte ab dem ein womoumlglich stark beschleunigt ablaufender Schmelzprozess des

groumlnlaumlndischen Eispanzers ausgeloumlst werden koumlnnte57 Dieser Vorgang waumlre irreversibel da der wegfallende Albedo-Effekt die Aufheizung der Atmosphaumlre massiv verstaumlrken und die Erholung des Eisschildes nur uumlber sehr lange Zeitraumlume erfolgen koumlnnte Der Abschmelzprozess wuumlrde sich dann vermutlich uumlber mehrere Jahrhunderte (300-1000 Jahre) hinziehen und insgesamt zu einem globalen Anstieg des Meeresspiegels von sieben Metern fuumlhren58 Flache Inseln wie die Malediven verschwaumln-den dann voumlllig Kuumlstenregionen wie etwa die groszligen Flussdeltas des Nil oder des Ganges in denen ein Groszligteil der jeweiligen Landesbevoumllkerung lebt muumlss-ten aufgegeben werden ganze Landstriche waumlren dem sicheren Untergang geweiht

n Kollaps des Amazonas-Regenwaldes

Das moumlgliche Umkippen des Amazonas-Regenwaldes in eine Savannenvegetation ist ein weiteres Groszligrisiko im Klimasystem Dadurch koumlnnte die Region die bis-lang viel CO2 bindet ploumltzlich in enormem Ausmaszlig das Treibhausgas freisetzen Dabei verstaumlrken sich drei

Abschmelzen des groumlnlaumlndischen Eisschilds aufgrund nichtlinearer Abschmelzprozesse und weitere Erwaumlrmung durch Albedo-Effekt

Kollaps des arktischen Meereises und Verschaumlrfung der Erwaumlrmung durch Albedo-Effekt Methanfreisetzung durch

Auftauen des sibirischen Permafrostbodens und weitere Erwaumlrmung

Kollaps der borealen Nadelwaumllder und weitere Erwaumlrmung durch Freisetzung von CO2

Bistabilitaumlt des Indischen Sommermonsuns Abschwaumlchung aufgrund von Luftverschmutzung oder Verstaumlrkung durch globale Erwaumlrmung

Kipp-Punkt vor allem von Albedo abhaumlngig nicht von Temperatur

Unterbrechung der arktischen Nahrungskette und massives Korallen-sterben im Pazifik durch Versauerung und Erwaumlrmung

Bistabilitaumlt der Sahel-Zone zuerst Ergruumlnung dann deutlich trockener

Verlangsamung des Nordatlantikstroms aufgrund von erhoumlhtem Schmelzwassereintrag

Abschmelzen des west-antarktischen Eisschilds aufgrund nichtlinearer Abschmelzprozesse

HeftigereEl-Nintildeo-Ereignisse

Kollaps des Amazonas-Regen-walds aufgrund von Land-nutzung und Klimawandel und weitere Erwaumlrmung durch Umkehr der Senkenfunktion

El-Nintildeo

Westantarktis

Sahel-Zone

Nordatlantikstrom

Amazonas-Regenwald

Indischer Sommermonsun

ArktisGroumlnland Permafrost

Nordische Waumllder

Meere

0 degC 1 degC 2 degC 3 degC 4 degC 5 degC 6 degC

Kipp-Elemente gelten als die Achillesfersen des Klimasystems Sollten sie umkippen droht ein gefaumlhrlicher Klima-wandel Quelle Eigene Darstellung nach Lenton T et al 2008

Abb 12 Kipp-Elemente mit Temperaturschwellen (gegenuumlber 1880) die in diesem Jahrhundert angestoszligen werden koumlnnten

57 Kriegler E et al (2009)58 Polyakov I et al 2002

31

Faktoren wechselseitig 1 die Austrocknung durch einen uumlberproportionalen Temperaturanstieg 2 menschliche Aktivitaumlten wie Landnutzungswandel und Abholzung sowie 3 ein eventuelles zukuumlnftiges Ausbleiben des natuumlrlichen Naumlhrstofftransports durch Sandstuumlrme aus der afrikanischen Sahelzone nach Brasilien Viele Beobachter fragen sich seit der extremen Trockenheit im Amazonasgebiet im Jahr 2004 besorgt ob dies erste Vorzeichen eines solchen Prozesses sein koumlnnten So kommt eine Studie amerikanischer Wissenschaftler zu dem Ergebnis dass nach mehr als zwei Jahren extremer Trockenheit viele Baumlume so stark angegriffen sind dass sie beginnen abzusterben59

Ein Umkippen des Amazonas-Regenwaldes haumltte dras-tische Konsequenzen fuumlr die Artenvielfalt sowie die Lebens situation vieler Millionen Menschen in Suumldame-rika und wuumlrde zudem den globalen Treibhauseffekt durch den Ausstoszlig groszliger Mengen an CO2 weiter an-heizen

Der Amazonas-Regenwald ist nur ein Beispiel fuumlr Oumlkosysteme die vom Klimawandel betroffen sind Die Erwaumlrmung die Verschiebung der Klimazonen sowie der zusaumltzliche Stress durch menschliche Aktivitaumlt gefaumlhr-den zahlreiche Systeme und Arten (siehe auch Kapitel 41)

n Bistabilitaumlt des Indischen Monsuns

In den vergangenen zwei Jahren wird auch verstaumlrkt diskutiert wie sich der Indische Monsun durch den Kli-mawandel veraumlndern koumlnnte In fruumlheren Jahren brach-te er in jedem Jahr relativ verlaumlssliche Niederschlaumlge doch dieser Rhythmus scheint zunehmend an Kontinui-taumlt zu verlieren Ungewoumlhnliche Schwankungen haben in den letzten 30 Jahren in ganz Indien immer wieder zu katastrophalen Hungersnoumlten und verheerenden Uumlber-schwemmungen gefuumlhrt

Mittlerweile werden durch das Zusammenspiel von Kli-mawandel und Abstrahlungsveraumlnderungen (Verhaumlltnis von einfallender Strahlung und Abstrahlung = Albedo) aufgrund von Landnutzungsaumlnderungen und vor allem Luftverschmutzung sowohl eine starke Abschwaumlchung wie auch eine Verstaumlrkung der Niederschlaumlge bzw sogar ein Aufeinanderfolgen dieser Prozesse im Sinne eines Achterbahn-Szenarios fuumlr moumlglich gehalten60 Der Be-griff Bistabilitaumlt bezeichnet in diesem Fall die Situation dass das Indische Monsunsystem an bestimmten Ver-zweigungspunkten zwei sehr gegensaumltzliche Zustaumlnde einnehmen koumlnnte Einer fuumlhrt zu uumlbermaumlszligig starken Niederschlaumlgen der andere zu extremer Trockenheit Bereits heute weiszlig man dass schon eine vergleichs-weise geringe Abweichung von zehn Prozent vom durchschnittlichen Monsunniederschlag schwerwiegen-

de Duumlr ren oder Uumlberschwemmungen ausloumlsen kann Ein schwacher Sommermonsun z B kann zu Ernteeinbruuml-chen Nahrungsmittelknappheit Hunger Verschuldung und Armut der laumlndlichen Bevoumllkerung fuumlhren die zwei Drittel der 13 Mrd Bewohner Indiens ausmacht

n Bistabile Entwicklung in der Sahelzone

Eine bistabile Entwicklung wie fuumlr den Indischen Som-mermonsun wird auch fuumlr die Sahelzone fuumlr moumlglich gehalten Bis zur Mitte des 20 Jahrhunderts erlitt nur etwa ein Viertel des Gebiets ernsthafte Duumlrren Zwi-schen 1970 und 1999 gab es dann eine 20-prozentige Abnahme der Niederschlagsmenge so dass schon die Haumllfte der Region von ernsthaften Duumlrren betroffen war Mittlerweile wird ein enger Zusammenhang zwi-schen dem Niederschlagsruumlckgang und der deutlichen Temperaturerhoumlhung im Indischen Ozean die auf den menschgemachten Treibhauseffekt zuruumlckgefuumlhrt wird gesehen61 Dieser hat zu Veraumlnderungen beim Indischen Monsun gefuumlhrt der die Niederschlagsverhaumlltnisse in Afrika entscheidend beeinflusst Bei einer globalen Er-waumlrmung um 25 degC in den naumlchsten Jahrzehnten wird noch innerhalb dieses Jahrhunderts mit einer Veraumlnde-rung der Niederschlagsbedingungen in Richtung deut-lich haumlufigerer und staumlrkerer Niederschlaumlge in der Sa-helzone gerechnet62 Ein Modell das die Vergangenheit besser als die meisten anderen Modelle abbildet geht allerdings davon aus dass ab einem Verzweigungspunkt Mitte des Jahrhunderts wieder deutlich trockenere Klim-abedingungen folgen koumlnnten noch deutlich regen - aumlrmer als zur Zeit der groszligen Sahel-Duumlrre vor einigen Jahrzehnten

59 Mongabay 200660 Zickfeld et al 2005

61 Flannery 200662 Nyong 2006

32

Uumlberschwemmungen in Folge von schweren Unwettern zerstoumlren immer wieder das Hab und Gut von Millionen armer Menschen weltshyweit Sie sind diesen Gefahren haumlufig schutzlos ausgeliefert

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33

Die Auswirkungen des Klimawandels werden regional unterschiedlich ausfallen Obwohl die Industrielaumlnder gegenwaumlrtig fuumlr den groumlszligten Anteil der Erderwaumlrmung verantwortlich sind sind es die Aumlrmsten der Welt die die Auswirkungen des Klimawandels schon heute als erstes und am staumlrksten spuumlren und kuumlnftig noch drastischer darunter leiden werden Waumlhrend der Energieverbrauch in den Industrie- und Schwellen-laumlndern auf hohem Niveau verharrt bzw ansteigt haben rund 15 Milliarden Menschen bzw 22 Prozent der Weltbevoumllkerung keinen Zugang zu elektrischem Strom63 Stattdessen lei den sie schon heute erheb-lich unter Duumlrren Uumlber schwemmungen heftigeren Stuumlrmen und Trink was ser verknappung denn die Klima-wandelfolgen sind in aumlqua torialen Regionen wo viele Entwicklungslaumlnder liegen staumlrker Da sie zudem nur sehr begrenzte Kapazitaumlten haben um sich an diese klimatischen Veraumlnderungen anzupassen trifft sie der Klimawandel um ein Vielfaches staumlrker als die Industrienationen So koumlnnen sich die Niederlande bei-spielsweise bis zu einem gewissen Grad an den Anstieg des Meeresspiegels anpassen in Bangladesch sind hierzu jedoch die noumltigen finanziellen und technologi-schen Mittel wesentlichen knapper Dieses umgekehr-te Verhaumlltnis von Verantwortung fuumlr den Klimawandel und Gefaumlhrdung durch dessen Folgen wirft vieler-lei Fragen im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte auf

Im Folgenden soll zunaumlchst auf die Leidtragenden und die erwarteten Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Umwelt eingegangen werden um dann genauer die Verursacher des Klimawandels aufzuzeigen

41 Die Betroffenen des Klima-wandels Umwelt und Mensch

Welche Auswirkungen haben die in Kapitel 3 genann-ten Szenarien nun auf Mensch und Natur Wer sind die Betroffenen des Klimawandels Zu dieser Frage hat die Klimawissenschaft in juumlngster Zeit die meisten Erkenntnisse gesammelt

Unter der Annahme dass Klimaaumlnderungen in Zukunft nicht gemildert und die Anpassungsfaumlhigkeit durch engagierte Maszlignahmen nicht gefoumlrdert werden er-wartet der IPCC fuumlr das 21 Jahrhundert weitreichen-de Auswirkungen fuumlr verschiedene Erdsysteme und Sektoren die fuumlr Mensch und Umwelt relevant sind Einige Systeme Sektoren und Regionen werden beson-ders betroffen sein Eine Auswahl der wesentlichsten

Erkenntnisse des IPCC uumlber die erwarteten Auswirkun-gen auf Oumlkosysteme Ernaumlhrungs- und Wassersicherheit Gesundheit Wirtschaft und Sicherheit sowie die jewei-lige regionale Betroffenheit aufgrund eines zukuumlnftigen Klimawandels bis 2100 wird im Folgenden dargestellt (siehe Abbildung 13)64

n Oumlkosysteme

Viele Oumlkosysteme sind durch menschliche Einfluumlsse z B Landnutzungsaumlnderungen Verschmutzung und Uumlbernutzung natuumlrlicher Ressourcen ohnehin schon stark gestoumlrt (siehe auch Kapitel 22) Durch die bisher einmalige Kombination dieser Stressfaktoren mit Klima-veraumlnderungen ist eine Verschaumlrfung der Situation und somit eine Uumlberlastung zahlreicher Oumlkosysteme noch in diesem Jahrhundert wahrscheinlich Die Auswirkungen auf die Organismen der Oumlkosysteme sowie deren Re-aktionen werden allerdings unterschiedlich sein Einige Pflanzen und Tiere werden sich auf veraumlnderte Lebens-bedingungen einstellen koumlnnen Fuumlr viele Lebensge-meinschaften jedoch laufen die Veraumlnderungen durch den Klimawandel zu schnell ab um sich beispielsweise durch Abwanderung in Richtung der Pole oder in houmlhere Lagen anzupassen so dass in Zukunft bestehende Syste-me zergliedert Arten getrennt und Funktionsketten un-terbrochen werden Als besonders stark bedroht gelten polare und alpine Oumlkosysteme boreale und tropische Waumllder Korallen sowie Mangrovenwaumllder

Eine Temperaturerhoumlhung um 2 bis 3 degC uumlber dem vor-industriellen Niveau wird die Anpassungsfaumlhigkeit vieler Oumlkosysteme uumlbersteigen und zu gravierenden Veraumlnde-rungen in Struktur und Funktionsweise oumlkologischer Le-bensgemeinschaften sowie der oumlkologischen Interaktio-nen und geographischen Verbreitung von Arten fuumlhren Im Durchschnitt koumlnnten zukuumlnftig 20 bis 30 Prozent der houmlheren Pflanzen- und Tierarten dem Tempo der Veraumln-derungen nicht folgen und waumlren von einem erhoumlhten Aussterberisiko bedroht In manchen Regionen wird das Risiko sogar auf 80 Prozent eingeschaumltzt65 Viele ende-mische Arten koumlnnten verdraumlngt bzw vom Aussterben bedroht werden Andere aus anderen Regionen einwan-dernde Arten koumlnnten sich unter den veraumlnderten Be-dingungen staumlrker ausbreiten

Insbesondere die fortschreitende Versauerung der Oze-ane koumlnnte in Verbindung mit der Erwaumlrmung erheb-liche Negativfolgen fuumlr viele marine schalenbildende Lebewesen (vor allem Korallen) aber auch Salzmarschen und Mangroven und die von ihnen abhaumlngigen Tier- und Pflanzenarten haben Sollten die Meerestemperatu-

4 bdquoOpferldquo des Klimawandels

63 IEA 200964 Sofern nicht anders gekennzeichnet sind alle hier dargstellten Ergebnisse dem 4 IPCC-Bericht bdquoKlimaaumlnderungen 2007

Auswir kungen Anpassung Verwundbarkeitenldquo entnommen65 IPCC 2007b

34

ren zwischen 1 und 3 degC ansteigen und gleichzeitig die Versauerung der Ozeane zunehmen erwartet der IPCC eine weitreichende Korallenbleiche und groszligraumlumiges Absterben Ab 3 degC droht ein 30-prozentiger Verlust der weltweiten Kuumlstenfeuchtgebiete66

n Wasserknappheit und ungesicherte Was-serversorgung

Derzeitig haben rund 12 Mrd Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser Diese Situation wird sich durch die Effekte des Klimawandels verschlimmern Mit hoher

Wahrscheinlichkeit werden sich der mittlere Jahresab-fluss und die Wasserverfuumlgbarkeit in den hohen Breiten sowie in einigen tropischen Feuchtgebieten um 10-40 Prozent bis zum Ende des Jahrhunderts erhoumlhen In den mittleren Breiten und trockenen Tropen wo Wasser-mangel schon heute ein groszliges Problem darstellt wird sich die Lage dagegen voraussichtlich noch verschlech-tern Hier werden sich steigende Temperaturen dras-tisch auf die Niederschlagsverhaumlltnisse auswirken und in einer signifikanten Abnahme von Abfluss und Wasser-verfuumlgbarkeit um bis zu 30 Prozent kumulieren was in vielen Regionen zu akuter Wasserknappheit fuumlhren wird Schon bei einem Temperaturanstieg von unter 2 degC ist

Mit steigender Temperatur erhoumlhen sich auch die Risiken fuumlr Mensch und UmweltQuelle WBGU 2007 nach Stern 2006

Abb 13 Erwartete Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme Wasser- und Ernaumlh-rungssicherheit Gesundheit und Wirtschaft bei unterschiedlicher Erwaumlrmung (im Vgl zu 1880)

Nahrungsmittel

Wasser

Oumlkosysteme

Wetterextreme

Risiko eines schnellenKlimawandels und groszligerirreversiblen Auswirkungen

Endguumlltige Temperaturaumlnderung (im Vergleich zum vorindustriellen Niveau)0 degC 1 degC 2 degC 3 degC 4 degC 5 degC

Kleine Berggletscherverschwinden weltweit ndashpotenzielle Bedrohung derWasserversorgung in mehrerenRegionen

Erhebliche Aumlnderungen der Wasserverfuumlgbarkeit

Uumlber 30 Abnahme desOberflaumlchenabflusses in der Mittelmeerregion und imsuumldlichen Afrika

Meeresspiegelanstieg bedrohtgroszlige Staumldte wie London ShanghaiNew York Tokio oder Hong Kong

Korallenriffoumlkosystemeweitgehend und schlieszliglichirreversibel geschaumldigt

Moumlglicher Beginn desZusammenbruchs von Teilenoder des ganzen Amazonas-Regenwaldes

Groszliger Anteil von Oumlkosystemen die ihre derzeitige Gestalt nicht bewahren koumlnnen

Viele Arten vomAussterben bedroht

Steigende Intensitaumlt von Stuumlrmen Waldbraumlnden Duumlrren Uumlberflutungen und Hitzewellen

Bereits geringe Zunahme derHurrikanintensitaumlten verursacht Verdopplung der Schadenskosten in den USA

Gefahr einer Schwaumlchung der natuumlrlichen Kohlenstoffsenken und der atlantischenthermohalinen Zirkulation moumlgliche Zunahme der Freisetzung natuumlrlichen Methans

Beginn irreversiblen Schmelzensdes Groumlnland-Eisschilds

Erhoumlhtes Risiko von abrupten groszligen Verschiebungenim Klimasystem (zB Zusammenbruch der atlantischen thermo-halinen Zirkulation oder des westantarktischen Eisschilds)

Schwerwiegen-de Auswirkungenin der Sahel-Region

Steig Ernteertraumlge in entwickeltenLaumlndern in hohen Breitengradenbei starkem CO2-Duumlngeeffekt

Ruumlckgang der Ertraumlge in vielen entwickeltenRegionen selbst bei starkem CO2-Duumlngeeffekt

Sinkende Ernteertraumlge in vielen Entwicklungsregionen

Steigende Zahl der von Hungerbedrohten Menschen Staumlrkste Zunahmein Afrika und Westasien

Starker Ruumlckgang der Ernteertraumlgein ganzen Regionen (zB bis zu einem Drittel in Afrika)

66 IPCC 2007b

35

davon auszugehen dass bis zu 15 Milliarden Menschen zusaumltzlich von Wasserknappheit betroffen waumlren Zwar sind Verbesserungen hinsichtlich Wasserverbrauchs- und Speicherungstechniken zu erwarten dennoch wird der Klimawandel einen starken Einfluss auf die Wasser-verfuumlgbarkeit und -qualitaumlt haben Besonders bedroht sind Regionen die vom Schmelzwasser groszliger Gletscher abhaumlngig sind und in denen bis zum Ende des Jahrhun-derts mit einer deutlichen Abnahme der in der Eisdecke gespeicherten Wasserreserven gerechnet wird (z B Indien Pakistan Peru) In diesem Zusammenhang gilt eine flaumlchenmaumlszligige Ausweitung von Gebieten die von Trockenheit und Duumlrre betroffen werden in Zukunft als wahrscheinlich Auch prognostiziert der IPCC eine Zu-nahme schwerer Niederschlagsereignisse infolge derer sich auch das Uumlberschwemmungsrisiko vieler Regionen erheblich erhoumlhen wird

n Agrarproduktion und Ernaumlhrungssicherung

Gegenwaumlrtig gelten fast 900 Millionen Menschen als unterernaumlhrt Das Klima ist fuumlr die Nahrungsmittelpro-duktion neben anderen ein wesentlicher Faktor Sowohl die Temperatur aber auch der CO2-Gehalt der Luft be-einflussen die landwirtschaftlichen Ernteertraumlge Die Reaktion landwirtschaftlicher Systeme insgesamt auf Klimaveraumlnderungen wird u a bestimmt durch Tempe-ratur Niederschlag CO2-Duumlngeeffekt und soziooumlkono-mische Rahmenbedingungen wie Marktzugang Techno-logie oder die Verfuumlgbarkeit von Ressourcen die fuumlr die Anpassung notwendig sind67

In den mittleren bis hohen Breiten wird bis zu einem Anstieg der globalen Temperatur auf 3 degC ndash je nach Nutz-pflanzenart ndash eine leichte Zunahme der Ernteertraumlge jedoch ohne Steigerung der Qualitaumlt projiziert ab die-ser Temperaturschwelle jedoch eine Abnahme

In den niederen Breiten und insbesondere in saisonal trockenen Tropengebieten wird selbst bei geringer Er-waumlrmung mit einer Abnahme der Ernteertraumlge gerech-net Verschaumlrfen koumlnnte sich die Situation noch durch eine ebenfalls erwartete Zunahme von wetterbedingten Extremereignissen wie bspw Duumlrren und Uumlberschwem-mungen Ein erhoumlhtes Hungerrisiko waumlre die Folge

Der Klimawandel birgt vielerorts auszligerdem Risiken fuumlr die landwirtschaftliche Produktion die zwar nicht der Ernaumlhrungssicherung im eigenen Land dient aber fuumlr den Export bestimmt ist und damit eine wichtige Einnah-mequelle darstellt Beispielsweise ist bei einem Tempe-raturanstieg von 2 degC zu befuumlrchten dass in Uganda nur noch auf einem sehr kleinen Teil der Landesflaumlche der Anbau von Kaffee ndash Exportgut Nummer eins ndash moumlglich sein wird68

n Gesundheit

Durch den Klimawandel drohen nicht nur steigende Meeresspiegel oder abnehmende Getreideertraumlge houml-here Temperaturen erhoumlhen auch gesundheitliche Risi-ken Zwar koumlnnte eine gewisse Erwaumlrmung vor allem in Gebieten der gemaumlszligigten Breiten einige Vorteile fuumlr die Gesundheit mit sich bringen wie z B einen Ruumlckgang der Kaumlltetodesfaumllle waumlhrend der Wintermonate Insge-samt wird jedoch im Zuge des Klimawandels mit einer erheblichen Beeintraumlchtigung des Gesundheitszustands von Millionen von Menschen gerechnet Besonders be-troffen sind Personen die bereits gesundheitlich vorbe-lastet sind (Alte Kinder u a auch in Industrielaumlndern) und sich nur schwer vor Krankheiten schuumltzen koumlnnen (vor allem Arme und Hungernde in den Entwicklungslaumln-dern) Klimaveraumlnderungen koumlnnen dabei das Risiko fuumlr die Gesundheit auf direkte und indirekte Weise beein-flussen Extremwetterereignisse werden direkt zu einer Zunahme von Todesfaumlllen Krankheiten und Verletzun-gen durch Hitzewellen Uumlberschwemmungen Stuumlrme und Duumlrren auch in Industrielaumlndern fuumlhren

Noch viel bedeutender als die direkten Einfluumlsse sind jedoch die indirekten Auswirkungen Bei einer weiteren Erwaumlrmung koumlnnten sich viele ndash teilweise toumldlich ver-laufende ndash Infektionskrankheiten wie Malaria Dengue-fieber oder auch Uumlbertraumlger anderer Infektionen weiter verbreiten als bisher Hitze und Trockenheit aber auch Stuumlrme und Fluten fuumlhrten zu Ernteverlusten die Man-gelernaumlhrung zu einem noch groumlszligeren Problem werden lieszligen

n Wirtschaft

Auch wenn Aussagen uumlber die Abschaumltzung der Folge-kosten eines ungebremsten Klimawandels mit groszligen Unsicherheiten behaftet sind so schaumltzt das Deutsche Institut fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) dennoch dass bis Mitte des Jahrhunderts ohne ernsthaften Klima-schutz Schaumlden in Houmlhe von 200 Billionen US-Dollar zu erwarten sind69 Auch der 2006 erschienene britische Stern-Report zur Oumlkonomie des Klimawandels kommt zu einem aumlhnlichen Ergebnis Bei Tatenlosigkeit koumlnn-ten die Schaumlden des Klimawandels infolge von Stuumlrmen Uumlberschwemmungen Hitzewellen und Duumlrren zwischen 5 und 20 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts kosten und die Weltgemeinschaft in eine tiefgreifende Rezession stuumlrzen Industrielaumlnder waumlren dann eben-so betroffen wie Entwicklungslaumlnder Touristen wuumlr-den ausbleiben landwirtschaftliche Ertraumlge vor allem in vielen Entwicklungslaumlndern unsicherer werden und die versicherten Schaumlden auch in den Laumlndern des Nor-dens erheblich ansteigen Auch wenn es natuumlrlich auch Regionen gaumlbe die von einem Temperaturanstieg pro-fitierten70 wuumlrden die negativen Auswirkungen beim

67 ECFPIK 2004 68 Simonett O 198969 Kemfert C 2004

70 Beispielsweise wird in den Laumlndern der houmlheren Breiten (z B Skandinavien) mit einer erhoumlhten Pflanzenproduktivitaumlt gerechnet die zu besseren Ernten fuumlhren kann

36

UmweltbedingteMigration

Konfliktkonstellationen in ausgewaumlhlten Brennpunkten

Klimabedingte Zunahme vonSturm- und Flutkatastrophen

Klimabedingte Degradationvon Suumlszligwasserressourcen

Klimabedingter Ruumlckgangder Nahrungsmittelproduktion

Brennpunkt

UmweltbedingteMigration

Konfliktkonstellationen in ausgewaumlhlten Brennpunkten

Klimabedingte Zunahme vonSturm- und Flutkatastrophen

Klimabedingte Degradationvon Suumlszligwasserressourcen

Klimabedingter Ruumlckgangder Nahrungsmittelproduktion

Brennpunkt

Ausbleiben von Klimaschutz weltweit uumlberwiegen Effek - tive Klimaschutzmaszlignahmen dagegen waumlren mit jaumlhr-lichen Kosten von rund einem Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung vergleichbar gering71

n Gefaumlhrdung der Sicherheit

Ein ungebremster Klimawandel stellt eine ernstzuneh-mende Bedrohung fuumlr die humanitaumlre Sicherheit dar Neben der Energie(versorgungs)sicherheit ruumlckt in der Auszligenpolitik zunehmend auch die Klimasicherheit in den Fokus Diesen Begriff fuumlhrte die britische Auszligenminis-terin Beckett in die Debatte ein Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveraumlnde-rungen (WBGU) hat die vier klimabedingten Konflikt-konstellationen Nahrung Suumlszligwasser Sturm und Flut sowie Migration identifiziert die zur Destabilisierung oder gar zum Scheitern von Gesellschaften sowie zu In-stabilitaumlten und Unsicherheit im internationalen System fuumlhren koumlnnen Involviert sein koumlnnten regionale Grup-pen einzelne Laumlnder oder gar groumlszligere Laumlndergruppen Der WBGU sieht etwa den nordafrikanischen Raum die

Sahelzone das suumldliche Afrika Zentralasien die Laumln-dergruppe Indien Pakistan und Bangladesch sowie Chi-na als Regionen an in denen der Klimawandel ein neues Sicherheitsrisiko darstellen koumlnnte (siehe Abbildung 14) 72

Bei der Diskussion um die Auswirkungen des Klima-wandels auf die humanitaumlre Sicherheit geht es nicht ausschlieszliglich um die wachsenden Risiken bewaffneter Konflikte um Rohstoffe Vielmehr werden auch groszlige Risiken fuumlr wirtschaftliche Entwicklung soziale Gerech-tigkeit und Verteilungsgerechtigkeit andere Umwelt-guumlter Demokratisierung Abruumlstung Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit erwartet73 Angesichts des Sicherheitsrisikos Klimawandel bietet sich in erster Linie eine gemeinsam konzertierte praumlventive Strategie an militaumlrische Loumlsungen scheinen dagegen wenig sinnvoll

Im Umgang mit den potenziellen Konfliktverschaumlrfungen und neuen Konflikten bestehen verschiedene Moumlglich-keiten Potenzielle Konflikte duumlrfen nicht unterschaumltzt oder ignoriert sondern bereits in der Entstehung geloumlst werden So sollten sich anbahnende Differenzen fruumlh-

Insbesondere die Suumldhemisphaumlre ist von Sicherheitsrisiken im Rahmen des Klimawandels bedrohtQuelle WBGU 2007

Abb 14 Sicherheitsrisiken durch Klimawandel ausgewaumlhlte Brennpunkte

71 Stern N 200672 WBGU 200773 Annan 2005

37

zeitig erkannt und Kooperationen der beteiligten Partei-en gesucht werden bevor es zu einem Konflikt kommen kann Ein Beispiel hierfuumlr ist das Wassermanagement des Indus Pakistans groumlszligtem Fluss der aber zunaumlchst durch China und Indien flieszligt In einigen Jahrzehnten wird das sommerliche Wasservolumen des Indus durch das Schmelzen der Gletscher im Himalaya deutlich ab-nehmen und damit die Konkurrenz der ohnehin zerstrit-tenen Nachbarstaaten um das knappe zur Verfuumlgung stehende Wasser verschaumlrft Beansprucht Indien das wenige verbleibende Wasser des Indus allein fuumlr sich so stellt dies ein enormes Konfliktpoten zial dar Um einen ernsten Konflikt zwischen den beiden Atommaumlchten zu verhindern braucht es bereits heute eine strategisch ge-schickte Politik der Kooperation zwischen den vom Was-sermangel im Himalaya-Gebiet betroffenen Regionen

Die internationale Politik sollte sich in gleichem ernst-haften Maszlige der wachsenden Herausforderung klima-bedingter Migration annehmen Im Zuge der Klimaver-aumlnderung werden immer mehr Menschen aufgrund von Extremwetterereignissen Duumlrren und Wuumlstenausbrei-tung sowie des Meeresspiegelanstiegs gezwungen sein ihre Heimat zu verlassen Derzeit ist ihr voumllkerrechtlicher Schutz nicht gewaumlhrleistet

42 Regionale Betroffenheit

In einigen Regionen werden die Auswirkungen des Klimawandels staumlrker spuumlrbar werden als in anderen Entwicklungslaumlnder und arme Menschen insbesonde-re in Afrika und Asien sowie kleine Inselstaaten sind besonders betroffen Zum einen lebt der Groszligteil der Bevoumllkerung in Entwicklungslaumlndern unmittelbar von der Landwirtschaft ndash in Afrika sind dies ca 70 Prozent der gesamten Bevoumllkerung74 ndash und ist somit direkt von den Klima- und Wetterbedingungen abhaumlngig Klima-tische Veraumlnderungen haben deshalb oft verheerende Auswirkungen Ein zweiter wesentlicher Grund fuumlr die hohe Anfaumllligkeit gegenuumlber den Folgen des Klimawan-dels ist jedoch auch die Armut selbst So wird durch einen Mangel an Kapazitaumlten (technisch personell und finanziell) eine Anpassung an veraumlnderte Bedingungen und ein Schutz vor den aufgezeigten Risiken erschwert Klimawandel verschaumlrft Armut zerstoumlrt Lebensgrund-lagen und untergraumlbt Entwicklungsmoumlglichkeiten Al-lein im Zeitraum 2000-2004 waren jedes Jahr fast 300 Millionen Menschen von Naturkatastrophen betroffen ndash 98 Prozent davon in Entwicklungslaumlndern Waumlhrend in den entwickelten Laumlndern der OECD nur einer von 1500 Einwohnern durch eine Naturkatastrophe betroffen war lag das Risiko bei Einwohnern aus Entwicklungslaumlndern um den Faktor 79 houmlher ndash einer von 19 war betroffen (siehe Abbildung 15 S 38)75

Schaumltzungen zufolge koumlnnten bei einer ungebremsten globalen Erwaumlrmung im Jahr 2050 25 Millionen Men-schen durch Uumlberflutungen zwischen 180 und 250 Millionen Menschen durch Malaria und weitere 200 bis 300 Millionen Menschen durch Wasserknappheit be-droht sein76 Damit der Klimawandel nicht die Lebens-grundlage von Millionen von Menschen gefaumlhrdet und zu wirtschaftlichem Niedergang sozialer Erosion und Migrationsbewegungen fuumlhrt muss eine nachhaltige Armutsbekaumlmpfung auch als eine Schluumlsselstrategie bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels angese-hen werden77

n Afrika

Nach Einschaumltzungen des IPCC gilt Afrika aufgrund von Mehrfachbelastungen der unmittelbaren Abhaumlngigkeit von der Landwirtschaft und einer niedrigen Anpassungs-kapazitaumlt als einer der verwundbarsten Kontinente ge-genuumlber Klimaaumlnderungen78 Selbst in konservativen Szenarien wird in Afrika mit einem Anstieg der Tempe-ratur um 3-4 degC gegenuumlber der Periode 1980-1999 ge-rechnet79 Besonders hohe Temperaturen werden dabei im nordwestlichen und im suumldlichen Afrika erwartet Hinzu kommt dass die meisten Klimamodelle eine dras-tische Abnahme der Jahresniederschlaumlge fuumlr Afrika bis Ende des 21 Jahrhunderts voraussagen Auch in diesem Fall gelten die genannten Laumlnder Afrikas als besonders betroffen Um bis zu 30 Prozent koumlnnten demnach die Winterniederschlaumlge in Nordafrika zuruumlckgehen In Ost-afrika sowie in Teilen der Sahelzone wird hingegen mit einer Veraumlnderung in Richtung feuchterer Klimaregime gerechnet (siehe Abbildung 16 S 38)

Anders als in anderen landwirtschaftlichen Regionen der Welt gibt es in Afrika nur wenige Regionen in denen die Felder mit dem Wasser aus Fluumlssen oder Stauseen be-waumlssert werden Durch die projizierten Klimaaumlnderun-gen werden deshalb schwerwiegende Beeintraumlchtigun-gen der Nahrungsmittelsicherheit erwartet So schaumltzt man dass der Klimawandel schon in naumlchster Zukunft in einigen Laumlndern Nordafrikas das Risiko von trockenen Jahren in denen die auf Regenfeldbau basierenden land-wirtschaftlichen Ertraumlge um 50 Prozent zuruumlckgehen verstaumlrkt80 Dies wuumlrde die bereits kritische Situation in Afrika erheblich verschaumlrfen und die Unterernaumlhrung auf dem Kontinent verstaumlrken Dem IPCC zufolge werden in Regionen Afrikas suumldlich der Sahara bis 2020 zwischen 75 und 250 Millionen Menschen einem durch den Kli-mawandel verstaumlrkten Wasserstress ausgesetzt sein Verschlimmern koumlnnte sich diese Situation noch durch abnehmende Fischbestaumlnde als Folge von massiver Uumlberfischung verstaumlrkt durch steigende Wassertempe-raturen in Seen und Kuumlstenzonen

74 IPCC 2001b75 UNDP 200776 Parry M et al 2001

77 HarmelingBals 200778 IPCC 2007b

79 IPCC 2007b80 IPCC 2007b

38

n Asien

In fast allen Regionen Asiens wird mit einer deutlichen Erwaumlrmung weit oberhalb des globalen Mittelwerts gerechnet Auszliger in Suumldostasien wo ein Anstieg im Be-reich des globalen Mittelwertes erwartet wird koumlnnten sich die Temperaturen in den uumlbrigen Gebieten um bis zu 4 degC gegenuumlber dem Mittelwert von 1980-1999 erhouml-hen Als Folge waumlrmerer Temperaturen wird vor allem im Himalaya mit einer sich beschleunigt fortsetzenden Gletscherschmelze gerechnet Gletscherseeausbruumlche Uumlberschwemmungen Bergstuumlrze sowie erhebliche Trink wasserknappheit insbesondere in den groszligen Fluss einzugsgebieten koumlnnten sich auf mehr als eine Milliarde Menschen nachteilig auswirken

Entlang der sich veraumlndernden Temperaturmuster wer-den die Niederschlaumlge insgesamt in Asien bis Ende des Jahrhunderts zunehmen Einzige Ausnahme ist Zentral-asien wo ein Ruumlckgang der Sommerniederschlaumlge und erhebliche Trockenheit vor allem waumlhrend der Som-mermonate als wahrscheinlich gelten81 Unklar ist die Entwicklung des Indischen Sommermonsuns welcher fuumlr mehr als zwei Milliarden Menschen in weiten Teilen Asiens eine der Haupttrinkwasserquellen darstellt (siehe auch Kapitel 34)

Waumlhrend in Ost- und Suumldostasien ein moumlglicher Anstieg der landwirtschaftlichen Ertraumlge um bis zu 20 Prozent vorausgesagt wird koumlnnten diese in Zentral- und Suumld-

Risiko von einer Naturkatastrophe betroffen zu sein (auf 100000 Menschen)

Entwicklungslaumlnder

OECD-Laumlnder mit hohem Einkommen

50 von 100000 Menschen

1980-84 2000-04

Aufgrund ihrer geringen Anpassungskapazitaumlten sind Menschen in Entwicklungslaumlndern besonders verwund-bar gegenuumlber Naturkatastrophen Quelle UNDP 2008

Abb 15 Betroffenheit von Natur-katastrophen in Entwicklungs- und Industrielaumlndern

5030201510

50

-5-10-15-20-30-50

Abb 16 Temperatur- und Niederschlagsaumlnderungen in Afrika bis 2100Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestempera-turen und Jahresniederschlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999

Besonders das noumlrdliche und suumldliche Afrika gelten als besonders gefaumlhrdete Regionen im Rahmen des Klimawan-dels Quelle Hamburger Bildungsserver nach IPCC 2007b

1007050403530252015100500

-05-10

Temperatur-Veraumlnderung (degC) Niederschlags-Veraumlnderung ()40degN

20degN

0deg

20degS

40degS

40degN

20degN

0deg

20degS

40degS20degW 20degW0deg 0deg20degO 20degO40degO 40degO60degO 60degO

81 IPCC 2007b

39

asien um bis zu 30 Prozent zuruumlckgehen Eine erhebliche Zunahme der Anzahl hungernder Menschen und wirt-schaftliche Konsequenzen waumlren die Folgen und sogar die nationale Sicherheit einzelner Staaten koumlnnte ge-faumlhrdet werden

Der IPCC projiziert zudem eine Zunahme und Intensivie-rung von Hitzewellen in Ostasien sowie von Starknieder-schlagsereignissen in Suumld- und Ostasien Auch gehen die Klimamodelle von einem zunehmenden Uumlberflutungsri-siko in einigen der Groszligdeltas ndash z B dem Mekong-Delta ndash infolge des steigenden Meeresspiegels aus In Bang-ladesch wuumlrde bereits ein Meeresspiegelanstieg von ei-nem Meter dazu fuumlhren dass etwa drei Millionen Hektar Land dauerhaft uumlberflutet waumlren Fuumlr 15 bis 20 Millionen wuumlrde dies den Verlust ihrer Heimat bedeuten

n Lateinamerika

Lateinamerika und die Karibik stellen nicht nur hinsicht-lich der groszligen oumlkologischen Reichhaltigkeit sondern auch bezuumlglich der kulturellen Vielfalt eine auszligerge-woumlhnliche Region dar Es ist jedoch auch eine Region in der 44 Prozent der Bevoumllkerung in Armut lebt und wo die Ungleichheit in der Vermoumlgensverteilung zu den Houmlchsten weltweit gehoumlrt Diese Charakteristika ma-chen Lateinamerika und die Karibik zu einer der ver-wundbarsten Regionen uumlberhaupt

Waumlhrend fuumlr das suumldliche Suumldamerika eine Erwaumlrmung entlang des globalen Erwartungswerts projiziert wird werden fuumlr Mittelamerika und die noumlrdlichen Regionen Suumldamerikas dagegen deutlich houmlhere Temperaturen er-wartet Am staumlrksten werden sich dabei voraussichtlich die Amazonasregion sowie Nordmexiko waumlhrend der Sommermonate erwaumlrmen Fuumlr das Amazonasbecken wird zusaumltzlich eine Abnahme der Jahresniederschlaumlge um uumlber 30 Prozent und damit einhergehend eine Um-wandlung tropischer Regenwaumllder in Savannen vorher-gesagt (siehe Abbildung 17) Wuumlstenbildung und Ver-salzung von landwirtschaftlichen Nutzflaumlchen koumlnnten schon innerhalb der kommenden Jahrzehnte zu einem Ruumlckgang der Ertraumlge wichtiger Nutzpflanzen und zu einer Verminderung der Viehhaltung fuumlhren sowie die Nahrungsmittelsicherheit vieler lateinamerikanischer Regionen und von Millionen Menschen erheblich gefaumlhr-den

n Inseln und Atolle

Durch den steigenden Meeresspiegel koumlnnten schon in wenigen Jahren viele kleine Inselstaaten sowohl in den Tropen als auch in den houmlheren Breiten uumlberschwemmt und von den Landkarten verschwunden sein Fuumlr die Zu-kunft erwartet der IPCC im Zuge des steigenden Mee-resspiegels eine Verstaumlrkung von Uumlberflutungen Sturm-fluten und Kuumlstenerosion Zusaumltzlich werden auch die Gewinnung von Trinkwasser und die landwirtschaftliche

Abb 17 Temperatur und Niederschlagsaumlnderungen in Suumldamerika bis 2100Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestempera-turen und Jahresniederschlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999

Besonders das Amazonasgebiet gilt als besonders gefaumlhrdete Region im Zuge des KlimawandelsQuelle Hamburger Bildungsserver nach IPCC 2007b

5030201510

50

-5-10-15-20-30-50

1007050403530252015100500

-05-10

Temperatur-Veraumlnderung (degC) Niederschlags-Veraumlnderung ()

40

Info-Kasten 4 Womit wir in Deutschland rechnen muumlssen

Klimawandel geschieht nicht nur in anderen Teilen der Welt sondern auch hier in Deutschland ndash und zwar heute In den vergangenen 100 Jahren wurde hierzulande ein Anstieg der durchschnittlichen Jahrestemperatur um 08-10 degC beobachtet Wet- terextreme wie Hitze wellen Starknieder schlags-ereignisse und Winterstuumlrme traten in den letzten zwei Dekaden vermehrt auf

Fuumlr die Zukunft wird fuumlr Deutschland eine Tem-peraturerhoumlhung zwischen 25-35 degC projiziert Mit der houmlchsten Erwaumlrmung ist dabei in den Wintermonaten in Suumld- und Suumldostdeutschland zu rechnen Nach Norden und Westen in Richtung eines mehr maritim gepraumlgten Klimaregimes verringert sich der Temperaturanstieg zwar dennoch wird auch fuumlr die Kuumlstenregionen eine deutliche Erwaumlrmung vorausgesagt Auch fuumlr den Sommer werden die houmlchsten Temperaturen im Suumlden Deutschlands er-wartet

Die Niederschlagsverhaumlltnisse werden sich regio-nal und saisonal veraumlndern In Suumld- Suumldwest- und Nordostdeutschland ist mit einem bis zu 40-prozen-tigen Ruumlckgang der sommerlichen Niederschlaumlge zu

rechnen waumlhrend sich fuumlr die Wintermonate fast im ganzen Land staumlrkere Niederschlaumlge abzeichnen Durch die Trockenheit waumlhrend der Sommermonate sind in Ost- und Suumldwestdeutschland die landwirt-schaftlichen Ertraumlge gefaumlhrdet die Waldbrandgefahr wird sich erhoumlhen und das sommerliche Wasser-angebot geht zuruumlck Auch die Haumlufigkeit von Hitzewellen wird sehr wahrscheinlich zunehmen

Ferner gilt als sicher dass die Gletscher in den Alpen infolge der Temperaturerhoumlhung weiter an Volumen verlieren werden Nach neuesten Einschaumltzungen koumlnnte bei einem sommerlichen Temperaturanstieg von 3 degC etwa 80 Prozent der 1990 noch vorhande-nen Eismasse bis 2100 verloren gehen Wenn die Sommertemperaturen um 5 degC steigen waumlren die Alpen gegen Ende des Jahrhunderts praktisch eisfrei Auch ist davon auszugehen dass die Winterstuumlrme in Norddeutschland zunehmen werden

An Deutschlands Kuumlsten wird der Meeresspiegel im globalen Vergleich uumlberdurchschnittlich stark an-steigen Dafuumlr sorgen zum einen eine staumlrkere Erwaumlr-mung aber auch eine anhaltende Landabsenkung als Spaumltfolge der ausklingenden Kaltzeit83

Nutzung der Boumlden durch die Versalzung des Grundwas-sers und der Boumlden infolge des steigenden Meerwassers immer schwieriger werden Aus diesem Grund mussten innerhalb der letzten Jahre bereits 3000 Einwohner des pazifischen Inselstaates Tuvalu ihre Heimat verlassen

ndash Hunderttausende auf anderen Inseln werden ihnen folgen muumlssen sollte der zukuumlnftige Anstieg des Mee-resspiegels nicht innerhalb der kommenden Jahrzehnte gebremst werden82

82 Warner K 200983 Germanwatch 2007

41

Extreme Nieder schlaumlge und Uumlber schwemshymungen haben auch in Europa und Deutschshyland in den letzten Jahren immer wieder zu enormen wirtschaft lichen Schaumlden gefuumlhrt wie hier in Steyr Oumlsterreich

In Deutschland wird mit einem Anstieg der Niederschlaumlge im Winter gerechnet

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42

Wie gezeigt wurde greift der Mensch durch sein Handeln massiv in die chemische Zusammensetzung der Atmosphaumlre ein und ist somit der Hauptverursacher fuumlr den sich verstaumlrkenden Treibhauseffekt der Erde Allerdings war und ist der Beitrag der verschiedenen Staaten und ihrer Bewohner zum Klimawandel sehr ver-schieden ndash v a wegen ihrer unterschiedlichen wirt-schaftlichen sozialen und technologischen Situationen

51 Welche Laumlnder sind die Hauptverursacher von Treibhaus-gasemissionen

Die Frage welche Laumlnder fuumlr welche Mengen an Emissionen verantwortlich sind stellt sich sowohl fuumlr die Vergangenheit als auch fuumlr die Gegenwart und die Zukunft Aus zwei Gruumlnden ist der Blick in die Vergangenheit besonders wichtig Erstens ist CO2 ein uumlber Hunderte Jahre wirksames Treibhausgas d h die Frage nach der Verantwortung fuumlr den heute bereits sichtbaren globalen Klimawandel findet ihre Antwort in den kumu-lierten Emissionen des letzten Jahrhunderts Zweitens ha ben diejenigen Laumlnder die in der Vergangenheit be-sonders viel Energie nutzten ndash vor allem Kohle Oumll und Gas ndash und damit besonders hohe Treibhausgasemissio-nen zu verzeichnen hatten von diesem Verhalten pro-fitiert da sie Infrastruktur Produktionsanlagen und

Kapital aufgebaut haben Dieser Reichtum verschafft ihnen einen deutlich groumlszligeren Handlungsspielraum heute in die Entwicklung und Verbreitung klimafreund-licher Energietechnologien zu investieren als es in ar-men Laumlndern der Fall ist Letz tere erheben hingegen einen Anspruch auf nachholende Entwicklung mit ho-hem Wirtschaftswachstum und erwarten dass sie die Zusatzkosten fuumlr klimafreundliche Technologien vom Norden ganz oder teilweise finanziert bekommen Hieraus ergibt sich die groszlige klimapolitische Heraus-forderung zur Loumlsung des Klimaproblems (s Kapitel 6)

Wenn man die durch den Menschen verursachten CO2-Emissionen des letzten Jahrhunderts betrachtet sind die Industrielaumlnder die Hauptverursacher des anthropoge-nen Treibhauseffekts (siehe Abbildung 18) Mehr als die Haumllfte (58 Prozent) entfielen zwischen 1900 und 1999 allein auf Europa und die USA auf das Konto der ehema-ligen Sowjetunion weitere 137 Prozent Die Gesamtheit der Entwicklungslaumlnder wo rund 80 Prozent der Welt-bevoumllkerung leben war hingegen nur fuumlr 21 Prozent der angehaumluften CO2-Emissionen verantwortlich (siehe Ab-bildung 18) Die Aumlrmsten rund 800 Millionen Menschen vereinen sogar historisch gesehen weniger als 1 Prozent aller kumulierten CO2-Emissionen des 20 Jahrhunderts auf sich84 Natuumlrlich aumlndert sich dieses Bild immer mehr und die Gewichte werden sich zukuumlnftig staumlrker ver-schieben ndash hin zu einem groumlszligeren Beitragsanteil auf Seiten der sogenannten Entwicklungslaumlnder

5 Die Verursacher des Klimawandels

Die Industriestaaten tragen die historische Hauptverantwortung fuumlr den KlimawandelQuelle Eigene Darstellung nach World Resources Institute 2002

Suumld- und Mittelamerika38

Mittlerer Osten26

Afrika25

Europa277

Russland137

Japan37 Kanada

23

Australien11

China Indien und Ent -wicklungslaumlnder Asiens122

USA303

Entwicklungs-laumlnder21

Abb 18 Kumulierte energiebedingte CO2-Emissionen 1900-1999

84 Global Carbon Project 2009

43

Quelle Eigene Darstellung nach US Energy Information Administration wwweiadoegov

52 Absolute und Pro-Kopf-Emissionen heute

Historisch gesehen haben die USA insgesamt durch ihre kumulierten CO2-Emissionen mit Abstand am meisten zum Klimawandel beigetragen Auch im Jahr 2007 gin-gen fast 20 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoszliges noch auf ihr Konto Einzig Chinas Anteil welcher seit 2007 den der USA uumlberholt hat ist noch groumlszliger (208 Prozent) Das Reich der Mitte stoumlszligt mit seinen gut 13 Milliarden Ein-wohnern heute etwa so viel CO2 aus wie die 15 Laumlnder der alten EU mit ihren rund 380 Millionen Einwohnern Tendenz stark ansteigend Damit sind die beiden Ver-schmutzungs-Spitzenreiter China und USA zusammen fuumlr mehr als 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoszliges verantwortlich (siehe Abbildung 19) Ein anderes Bild ergibt sich wenn die CO2-Emissionen aus veraumlnderter Landnutzung die insbesondere Entwaldungsprozesse beinhaltet in der Statistik beruumlcksichtigt werden Dem-nach waumlren nach China den USA und der EU Indonesien und Brasilien die viert- und fuumlnftgroumlszligten Emittenten Ursachen sind in beiden Laumlndern die groszligflaumlchigen Ro-dungen der tropischen Regenwaumllder

Deutschland konnte zwar innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte auch aufgrund der Wiedervereinigung und des damit einhergegangenen Zusammenbruchs der Schwer industrien in der ehemaligen DDR seinen Aus-stoszlig deutlich reduzieren zaumlhlt allerdings nach wie vor zu den weltweit groumlszligten CO2-Emittenten Zum Vergleich Der gesamte afrikanische Kontinent mit rund einer Mil-

liarde Einwohnern traumlgt gegenwaumlrtig etwa so viel zum globalen Treibhausgasausstoszlig bei wie Deutschland mit seinen rund 82 Millionen Einwohnern Dabei sind nur vier Laumlnder naumlmlich Suumldafrika Aumlgypten Nigeria und Algerien fuumlr mehr als drei Viertel der afrikanischen Emis-sionen verantwortlich Werden diese herausgerechnet liegt der Anteil der restlichen afrikanischen Staaten am weltweiten CO2-Ausstoszlig unter einem Prozent

Waumlhrend in einigen Industrielaumlndern die CO2-Emissio-nen innerhalb der letzten zwei Dekaden stabilisiert bzw reduziert wurden stiegen sie insbesondere in den gro-szligen Schwellenlaumlndern der Welt deutlich weiter

Der Vergleich der historischen Emissionen mit dem ak-tuellen CO2-Ausstoszlig der weltweit groumlszligten Emittenten

Abb 19 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen 1992-2009

Der Autoverkehr ist eine weltweit nach wie vor wach-sende Quelle von CO2-Emissionen Foto Dietmar Putscher

ChinaUSAIndienRusslandJapanDeutschlandBrasilien

19921993

19941995

19961997

19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

20082009

Mill

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9000

8000

7000

6000

5000

4000

3000

2000

1000

0

Jahr

44

verdeutlicht den wachsenden Beitrag der Schwellenlaumln-der vor allem Chinas aber auch Indiens zum Klimawan-del Aber auch in den meisten Entwicklungslaumlndern stei-gen die Treibhausgasemissionen gegenwaumlrtig rasant an

Auch wenn einige Schwellenlaumlnder bei den absoluten CO2-Emissionen vorne liegen so kommen bei den Pro-Kopf-Emissionen ausschlieszliglich Industrielaumlnder auf die vorderen Plaumltze

Waumlhrend in der Statistik der absoluten CO2-Emissionen vor allem populationsstarke Laumlnder auf den vorderen Raumlngen zu finden sind aumlndert sich die Rangfolge wenn der Pro-Kopf-Ausstoszlig betrachtet wird Eine solche Be-trachtungsweise ist insbesondere unter dem Gesichts-punkt der Klimagerechtigkeit und entsprechend der weltweit gemeinsamen aber individuell sehr unter-schiedlichen Verantwortlichkeit fuumlr Ursache und Loumlsung des Klimaproblems von Bedeutung

Abbildung 20 zeigt die Pro-Kopf-Emissionen zwischen 1990 bis 2007 fuumlr ausgewaumlhlte Laumlnder Hier liegen die USA und Kanada mit ca 191 bzw 174 t CO2 im Jahr 2007 deutlich vorn Zu beachten ist allerdings dass ei-nige der arabischen Golfstaaten noch weit houmlhere Pro-Kopf-Werte haben so liegt der Wert in Katar bei ca 60 Tonnen pro Jahr85 In Deutschland und Russland sind mit dem deutlichen Gesamtruumlckgang der absoluten Emis-sionen auch sinkende Pro-Kopf-Emissionen verknuumlpft Nichtsdestotrotz produziert jeder Deutsche im Durch-

schnitt immer noch etwa 97 t CO2 pro Jahr Die Betrach-tung der Pro-Kopf-Werte relativiert die hohen Gesamt-emissionen der beiden bevoumllkerungsreichsten Laumlnder China und Indien Dort werden die Emissionen allerdings uumlberwiegend von einer Minderheit der jeweiligen Bevoumll-kerung erzeugt So werden in China nur etwa 20 Prozent der Bevoumllkerung der globalen Konsumentenklasse zuge-ordnet die durch einen konsum- und ressourcenintensi-ven Lebensstil erhebliche CO2-Emissionen verursacht86 Der Vergleich mit Afrika macht die Pro-Kopf-Verantwor-tung am globalen Treibhauseffekt noch deutlicher Waumlh-rend ein Deutscher pro Jahr durchschnittlich 97 Tonnen CO2 verursacht liegt ein Kenianer nur bei 03 Tonnen

53 Emissionen nach Sektoren

Die derzeitige Erwaumlrmung ist auf eine Reihe von Emissi-onsquellen zuruumlckzufuumlhren Im Folgenden wird zunaumlchst die globale Ebene87 betrachtet bevor auf die Verhaumlltnis-se in Deutschland Bezug genommen wird Hauptfaktor fuumlr den weltweiten Ausstoszlig an Treibhausgasen stellte im Jahr 2004 die Energieversorgung mit ca 259 Prozent vor dem Industriesektor mit 194 Prozent dar88 Eine eindeutige Abgrenzung ist jedoch nicht ganz einfach da die Industrie auch einen groszligen Teil des Stroms aus der Energieversorgung nutzt Darauf folgen der Forst-sektor mit 174 Prozent ndash vor allem durch die Zerstoumlrung von Waumlldern in tropischen Regionen wie Brasilien oder Indonesien ndash und die Landwirtschaft mit 135 Prozent

Quelle Eigene Darstellung nach wwweiadoegov (so)

Abb 20 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen pro Einwohner zwischen 1992 und 2009 fuumlr neun ausgewaumlhlte Laumlnder

19921993

19941995

19961997

19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

20082009

Tonn

en C

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Kop

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25

20

15

10

5

0

USAKanadaRusslandDeutschlandSuumldafrikaChinaBrasilienIndienKenia

Jahr

85 wwweiadoegov86 GardnerAssadourianSarin 200487 Quelle fuumlr alle Daten hierzu IPCC 2007e

88 IPCC 2007e 2004 ist das letzte Jahr fuumlr das der 4 IPCC-Sachstandbericht alle sechs Kyoto-Gase umfassende Analysen enthaumllt Bei Betrachtung nur der energiebedingten Emissionen sind auch neuere Daten verfuumlgbar

45

Der Verkehrssektor verzeichnet mit 131 Prozent eben-falls enorme Wachstumsraten die vor allem auf den Anstieg im internationalen Schiffs- und Flugverkehr zu-ruumlckzufuumlhren sind

Von den gesamten anthropogenen Treibhausgasemis-sionen die fuumlr die Erderwaumlrmung verantwortlich sind stand CO2 im Jahr 2004 mit einem Anteil von 63 Prozent an vorderster Stelle Der Groszligteil dieser CO2-Emissionen ist energiebedingt aber auch die Freisetzung von CO2 durch die Zerstoumlrung von Waldgebieten (z B durch die Rodung tropischer Regenwaumllder) spielt eine groszlige Rolle Sie ist mit umgerechnet ca 6 Milliarden Tonnen jaumlhrlich freigesetztem CO2 nach dem Verbrennen von fossi-len Energietraumlgern global betrachtet die zweitgroumlszligte CO2-Quelle In vielen Entwicklungslaumlndern stellt sie die groumlszligte Emissionsquelle dar z B in Indonesien mit 834 Prozent und in Brasilien mit 62 Prozent Hauptursache der Waldzerstoumlrung sind landwirtschaftliche Aktivitaumlten wie die Gewinnung von Acker- und Weideflaumlche durch Brandrodung Problematisch ist vor allem die groszligflaumlchi-ge Rodung fuumlr Monokulturen zur Gewinnung von Palm-oumll Zuckerrohr und Soja die auch fuumlr den europaumlischen Markt als Futtermittel oder Agrotreibstoff produziert werden

Der uumlberwiegende Anteil an den weltweiten menschge-machten Methanemissionen entsteht durch Nassreis-feldanbau und Rinderzucht89 In diesem Zusammenhang kann man auch die Frage aufwerfen ob alle Emissionen prinzipiell als qualitativ gleichwertig anzusehen sind oder ob unterschieden werden muss zu welchem Zweck die Emissionen verursacht werden So sollten beispiels-weise die Emissionen die durch Freizeitreiseverkehr

Das Abholzen des Regenwaldes (hier in Brasilien) stellt eine groszlige Gefahr sowohl fuumlr das globale Klima als auch fuumlr die regionale Wirtschaft dar Foto Uwe Bauch pan-thermedianet

89 IPCC 2007a

Der groszlige Anteil des Energiesektors am CO2-Ausstoszlig in Deutschland verdeutlicht das Potenzial von Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz Quelle Umweltbundesamt 2010

Abb 21 Entwicklung der THG-Emissionen in Deutschland nach Sektoren 1990 bis 2008

Ang

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in M

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CO

2-Auml

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1000

1200

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19901995

19961997

19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

2008

Oslash2008-2012

Ziel 2020

Basisjahr

uumlbrige Emissionen

Haushalte

Verkehr

Gewerbe HandelDienstleistungen

Industrie

Landwirtschaft

Energiewirtschaft

Treibhausgasemissionen ndash Summe

-21 gegenuumlber

Basisjahr

-40 gegenuumlber

1990

493 493 474 471 459 467 474 477 483 480 476 481 491 468

85 8785 84 85 84 84 81 79 81 80 78 77

81

138 135 136 121 113 116 110 106 111 117 112 115 119 116

55 6556 54 50 46 53 50 42 41 41 41 35 42

179 178179 182 187 183 178 176 170 169 161 157 154 154

130 144139

133121 119 132 122 123 114 112 114 89 108

44

597

98

137

72

169

131

44

3935 33

30 28 26

1121 11401104

10781044 1043 1058 1037 1031 1022 1001 1003 981 982

1232 1249

974

749

46

Germanwatch hat mit dem sogenannten Klima schutz- Index ein Instrument entwickelt das die Emissions-entwicklung das Emissionsniveau sowie die Klima-schutzpolitik der Hauptemittenten transparent gegen-uumlberstellt Der Index fungiert als Vergleichsinstrument zwischen den einzelnen Staaten und soll zu effizi-enterem Klimaschutz animieren Tabelle 4 zeigt das Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011 der im Dezember 2010 bei der Klimakonferenz von Cancuacuten vorgstellt wurde Da bisher kein Land ausreichend ambitioniert zur Vermeidung eines gefaumlhrlichen Klimawandels beitraumlgt blieben auch in diesem Jahr die ersten drei Plaumltze des Rankings unbe-setzt

Bei vielen der weltweit groumlszligten CO2-Emittenten spielt Klimaschutz nach wie vor hinter der wirtschaftlichen Entwicklung eine nachrangige Rolle obwohl es ein wachsendes Bewusstsein dafuumlr gibt dass gerade im Klimaschutz auch groszlige wirtschaftliche Potenziale lie-gen

(Luxus-Emissionen) entstehen anders bewertet werden als der Methanausstoszlig den asiatische Bauern durch den fuumlr sie uumlberlebensnotwendigen Reisanbau verursachen (Uumlberlebens-Emissionen)

In Deutschland ist die Energiewirtschaft der Hauptver-ursacher von CO2-Emissionen Aber auch im produzie-renden Gewerbe und im Transportsektor fallen viele Emissionen an Mehr als die Haumllfte der Transportemis-sionen entfallen dabei auf den Automobilverkehr Mit deutlich mehr als 80 Prozent hat CO2 unveraumlndert den groumlszligten Anteil an den deutschen Treibhausgasemissio-nen90

54 Trends bei den Treibhausgas-emissionen

Gerade beim wichtigsten durch den Menschen ver-ursachten Treibhausgas dem Kohlendioxid war der Wachstumstrend auf globaler Ebene in den letzten Jah-ren ungebrochen Zwischen 2000 und 2008 haben sich die weltweiten CO2-Emissionen um 29 Prozent von rund 7 Gigatonnen Kohlenstoff auf rund 9 Gigatonnen seit 1990 (dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls) sogar um 41 Prozent erhoumlht Da 1 kg Kohlenstoff 367 kg CO2 ent-spricht erhoumlht sich der atmosphaumlrische CO2-Gehalt mo-mentan um rund ca 33 Gigatonnen CO2 jaumlhrlich Fuumlr den Zeitraum 2000 bis 2008 betrug der Emissionszuwachs 34 Prozent (insgesamt 19 ppm pro Jahr) im Vergleich zu 10 Prozent (insgesamt 15ppm) im Zeitraum 1990-1999 (siehe Abbildung 22) Seit 2005 hat die Verbrennung von Kohle dabei Oumll als groumlszligte gegenwaumlrtige Treibhausgas-quelle abgeloumlst91

In fast allen Weltregionen ist ein deutlicher Anstieg der Emissionen in dem besagten Zeitraum zu beobach-ten wobei beachtet werden muss dass dieser auf stark unterschiedlichen Ausgangsniveaus aufbaut Waumlhrend sich der Anstieg des Emissionsausstoszliges in den Indus-trie laumlndern im Durch schnitt jedoch verlangsamt hat ha-ben die Entwicklungslaumlnder mittlerweile den schnellsten Anstieg zu verzeichnen92 Rund ein Viertel des Wachs-tums der CO2-Emissionen in den Entwicklungslaumlndern resultiert allerdings aus den Produkten die sie fuumlr an-dere Staaten vor allem die Industrielaumlnder herstellen Es sind insbesondere die exportorientierten Industrien dieser Laumlnder die es einerseits den Laumlndern des globa-len Nordens ermoumlglichen in den Entwicklungslaumlndern produzierte Guumlter zu konsumieren die andererseits maszliggeblich zu den Emissionssteigerungen der letzten Jahren beigetragen haben

Innerhalb der letzten Dekade hat sich der Anstieg der CO2-Emissionen beschleunigt Quelle Le Queacutereacute C et al 2009

Abb 22 Anstiegsrate der CO2-Emissionen

1990 2000 2010

Wachstumsrate 10 pro Jahr

Emis

sion

en a

us fo

ssile

n En

ergi

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(in G

t CJ

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9

8

7

6

Wachstumsrate 34 pro Jahr

90 Umweltbundesamt 201091 Global Carbon Project 200992 Global Carbon Project 2009

47

Infokasten 5 Wirtschaftskrise Klimaschutz und bdquogruumlneldquo Konjunkturprogramme

Weltwirtschaft und Treibhausgasausstoszlig sind eng miteinander verknuumlpft Vor diesem Hintergrund hat die Finanz- und Wirtschaftskrise auch ihre gu-te Seite Durch das verringerte Wachstum bei der Industrieproduktion ist es weltweit zu einem ent-sprechenden Ruumlckgang der energiebedingten CO2-Emissionen seit 2008 gekommen Laut den Messungen des Global Carbon Projects einer internationalen Forschungsinstitution die die Entwicklung des glo-balen Kohlenstoffkreislaufs uumlberwacht stieg zwar die atmosphaumlrische CO2-Konzentration auch im Jahr eins der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise um 18 Prozent gegenuumlber 2007 weiter an doch halbierte sich die Anstiegsrate gegenuumlber den Vorjahren (34 Prozent) Im Jahr 2009 lagen die globalen energiebe-dingten Emissionen unter denen des Vorjahres vor allem durch einen Ruumlckgang in den Industrielaumlndern93 In der EU und Deutschland war der Effekt besonders ausgepraumlgt Nach Berechnungen der EU-Kommission ist es jedem europaumlischen Mitgliedsstaat gelungen seine CO2-Emissionen gegenuumlber dem Vorjahr zu ver-ringern Allein Deutschland konnte einen Ruumlckgang seiner energiebedingten CO2-Emissionen um fast 8 Prozent verzeichnen94

Insgesamt bewegt sich der gegenwaumlrtige Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre allerdings immer noch im oberen Bereich der IPCC-Szenarien und wird sich noch verschlimmern sollte der Wachs-

tumsmotor der Weltwirtschaft kuumlnftig wieder an-springen

Es muss angenommen werden dass erneute Investitionen in weitgehend alte Strukturen und Produkte die groszligen Anteil am Kollaps des Welt-finanz systems hatten sich abermals als nicht nach-haltig erweisen werden ndash weder fuumlr die Oumlkonomie noch fuumlr die Oumlkologie Eine nachhaltige Loumlsung der Doppelkrise von Wirtschafts- und Klimasystem wird nur durch einen Investitionszyklus gelin-gen dessen Ziel eine umfassende und vor allem an Nachhaltigkeitsprinzipien orientierende Erneuerung von Wirtschaft und Gesellschaft ist Durch den Einsatz der milliardenschweren Konjunkturpakete zur Wiederbelebung der Weltwirtschaft bietet sich eine solche Chance beide Krisen mit einer Klappe zu schlagen Investitionsanreize fuumlr Energie- und Ressourceneffizienz Erneuerbare Energien und so-zial gerechte Strukturen koumlnnten im Rahmen eines bdquoNew Green Dealsldquo die Weltgemeinschaft gestaumlrkt aus der Finanz- und Wirtschaftskrise hervorgehen las-sen und gleichzeitig den Weg zu einem emissionsfrei-en Wohlstandsmodell bereiten Uumlberraschenderweise haben waumlhrend der Wirtschaftskrise Laumlnder wie China und Suumldkorea zu den Laumlndern gehoumlrt die ihre Konjunkturpakete am staumlrksten auf die Foumlrderung bdquogruumlner Technologienldquo ausgerichtet haben und damit zu einer Trendwende beitragen koumlnnten95

Tabelle 4 Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011

Deutschland 7 (7) 274 273 368 123

Groszligbritannien 8 (6) 174 170 288 092

Indien 10 (9) 486 506 675 1705

Korea Rep 34 (41) 171 185 178 073

Japan 38 (35) 392 404 563 191

Russland 48 (45) 542 560 259 212

Iran 52 (38) 172 165 092 108

USA 54 (53) 1905 1862 1839 455

China 56 (52) 2229 1737 1731 1993

Kanada 57 (59) 188 217 164 050

Summe 6533 6079 6157 5002

copy Quelle Burck 2010energiebedingten

Klimaschutz-Index Platzierung

2011 (2010)

Land Anteil an den weltweiten CO2 -

Emissionen

Anteil am welt-weiten Primaumlr-

energieverbrauch

Anteil am welt-weiten Brutto-inlandsprodukt

Anteil an der Erd -

bevoumllkerung

93 Heinzerling 201094 wwwag-energiebilanzende95 EdenhoferStern 2010

48

Der weltweite CO2-Ausstoszlig haumlngt sehr eng zusammen mit dem globalen Wirtschaftswachstum Quelle Aktualisiert und vereinfacht nach Raupach M et al 2007

Abb 23 Weltweite Entwicklung von Emissionsfaktoren

55 Ursachen fuumlr Veraumlnderungen des CO2-Ausstoszliges

Fuumlr die energiebedingten CO2-Emissionen eines Landes spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle die Zahl der Einwohner die Produktivitaumlt der Volkswirtschaft die Energieintensitaumlt und der Anteil fossiler Energietrauml-ger bei der Bereitstellung von Energie In eine Formel gepackt lassen sich daher die energiebedingten CO2-Emissionen in Marktwirtschaften errechnen als

CO2-Emissionen = Bevoumllkerung x Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf x Energienutzung pro BIP-Einheit x CO2-Ausstoszlig pro Energieeinheit

Moumlchte man ihren zukuumlnftigen Verlauf beeinflussen er-geben sich somit vier Ansatzpunkte Dies gilt gleicher-maszligen fuumlr den Ruumlckblick in die Vergangenheit In den verschiedenen Laumlndern der Welt lassen sich jeweils un-terschiedliche Entwicklungen bei der Veraumlnderung die-ser Faktoren beobachten und ebenso unterschiedliche Erklaumlrungen dafuumlr benennen

So ist beispielsweise der absolute CO2-Ausstoszlig in Deutschland und Groszligbritannien gesunken Der Ruumlck-gang laumlsst sich hier mit einer deutlichen Erhoumlhung der Energieproduktivitaumlt (d h einem verringerten Energie-bedarf pro BIP-Einheit) sowie einer Verringerung der CO2-Intensitaumlt in der Energieversorgung bei stagnieren-der Bevoumllkerungszahl und einem nur moderaten Anstieg des BIP erklaumlren Im Falle von Deutschland wurden etwa 10 Prozent der Emissionen dadurch eingespart dass viele ineffiziente Produktionsanlagen aus der DDR-Zeit stillgelegt und zum Teil durch sehr moderne Anlagen er-setzt wurden Zusaumltzlich wurden aber auch viele weitere Maszlignahmen fuumlr Energieeffizienz und die Nutzung von Erneuerbaren Energien umgesetzt etwa das bdquoErneuer-bare-Energien-Gesetzrdquo (EEG) im Strombereich

In Suumldafrika Indien und den USA hat der CO2-Ausstoszlig hingegen seit 1990 deutlich zugenommen Gleichzeitig sind sowohl in Suumldafrika und Indien als auch in den USA das Bruttosozialprodukt und die Bevoumllkerungszahl deut-lich angestiegen Indien weist eine leichte Verbesserung der Energieproduktivitaumlt auf aber eine relativ deutliche Erhoumlhung des CO2-Ausstoszliges pro Energieeinheit Dies laumlsst sich mit dem verstaumlrkten Einsatz von Kohle und mit einem Wachstum des Verkehrs erklaumlren Der CO2-Ausstoszlig Chinas hat sich seit 1990 mehr als verdreifacht waumlhrend sich das Bruttoinlandsprodukt in Kaufkraftpa-ritaumlten mehr als verzehnfacht hat Diese relative Ent-kopplung des CO2-Ausstoszliges vom Wirtschaftswachs-tum zeugt von einer signifikanten Verringerung der Energieintensitaumlt der Wirtschaft Die CO2-Intensitaumlt der Energienutzung hat sich hingegen trotz umfangreicher Modernisierung und damit verbundener Effizienzver-

besserung zahlreicher Kohlekraftwerke leicht erhoumlht96

Auch wenn China zudem immer staumlrker die Erneuerbaren Energien foumlrdert ist die CO2-Intensitaumlt pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts heute immer noch deutlich houmlher als die Indiens97

Wirft man erneut einen Blick auf die Faktoren in der obi-gen Gleichung so liegen fuumlr die Zukunft groszlige Potenzi-ale einerseits in der Verringerung der Energienutzung pro BIP-Einheit z B durch effizientere Fahrzeuge spar-samere Produktionsanlagen etc und andererseits im CO2-Ausstoszlig pro Energieeinheit z B durch Kraft-Waumlr-me-Kopplung und Nutzung von weniger CO2-intensiven Energietraumlgern bis hin zu Erneuerbaren Energien Wer-den diese beiden Faktoren optimiert so kann selbst bei einem Anstieg von Wirtschaftsleistung und Bevoumllkerung der CO2-Ausstoszlig deutlich verringert werden

Auch auf globaler Ebene laumlsst sich ermitteln welche Faktoren die CO2-Emissionen wie stark beeinflussen (siehe Abbildung 23) Wie bereits in Kapitel 2 aufgezeigt wurde ist der atmosphaumlrische CO2-Gehalt innerhalb der letzten Jahre stark angestiegen (schwarze Linie) Verant-wortlich fuumlr diesen Anstieg sind vor allem die innerhalb der vergangenen Jahre stark gewachsene Weltwirtschaft (gruumlne Linie) und deren erhoumlhte Verwendung fossiler Brennstoffe Waumlhrend lange Zeit die Weltwirtschaft im-mer effizienter wurde ndash die Kohlenstoffintensitaumlt (blaue Linie) die sich auf die pro oumlkonomischer Einheit ausge-stoszligene Menge CO2 bezieht ist stetig zuruumlckgegangen ndash hat sich dieser Trend in den letzten Jahren umgekehrt bzw verlangsamt wozu auch viele neue Kohlekraftwer-

Welt

EmissionenBevoumllkerungBIP pro KopfKohlenstoffintensitaumlt pro BIP

1980 1990 2000 2010

15

14

13

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11

10

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96 Harmeling et al 200797 Vgl auch Germanwatch 2008

49

ke in Indien und China beigetragen haben Mittlerweile sind diese Trendumkehr mit etwa 17 Prozent sowie das Wachstum der Weltwirtschaft mit 65 Prozent die bei-den Hauptursachen warum die Emissionen seit 2000 ca dreimal so schnell steigen wie im Jahrzehnt zuvor98 Faktisch fuumlhrt damit jedes Wirtschaftswachstum wel-ches nicht vom Verbrauch fossiler Rohstoffe entkoppelt ist zu steigenden Emissionen Dies macht die Dringlich-keit einer Klimapolitik die wirtschaftliche Entwicklung mit sinkenden Emissionen vereint umso deutlicher

Ebenso problematisch ist jedoch dass mit den steigen-den Emissionen der Weltwirtschaft gleichzeitig auch die Faumlhigkeit natuumlrlicher Senken zur Aufnahme von CO2 abnimmt So scheinen insbesondere die Meere dazu bei-zutragen dass die Erde momentan ihre Kapazitaumlten zur eigenstaumlndigen Erholung zu verlieren droht Waumlhrend noch vor fuumlnfzig Jahren rund 60 Prozent des vom Men-schen ausgestoszligenen CO2 durch natuumlrliche Senken auf-genommen wurden hat sich der Anteil mittlerweile auf

Waumlhrend Boumlden und Landvegetation als CO2-Senken relativ stabil geblieben sind hat die Aufnahmefaumlhigkeit der Meere fuumlr CO2 innerhalb der letzten 50 Jahre abge-nommen Quelle Canadell JG et al (2007)

Abb 24 Anteil der anthropogenen CO2-Emissionen der in der Atmos-phaumlre und im Ozean verbleibt

Atmosphaumlre

55 Prozent verringert wodurch der verbleibende Emis-sionsanteil auf 45 Prozent angestiegen ist (siehe Abbil-dung 24) Rund 18 Prozent des ploumltzlichen Anstiegs der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre gehen mittler-weile auf die schwindenden Kohlenstoffsenken zuruumlck

Besonders betroffen ist dabei die Aufnahmekapazitaumlt der suumldlichen Ozeane wo erste Saumlttigungstendenzen und eine bereits durch die Klimaerwaumlrmung verursachte Veraumlnderung der Westwinde zur Schwaumlchung der mari-timen Kohlenstoffsenke und somit maszliggeblich zum An-stieg des verbleibenden Emissionsanteils in der Atmo-sphaumlre beitragen (siehe Abb 24) Aber auch die fuumlr eine waumlrmere Welt typische Zunahme von Trockenperioden in den letzten Jahren (bspw die Hitzewelle 2003 in Eu-ropa) hat regional zur Abnahme der weltweiten Senken-faumlhigkeit und somit zur Erhoumlhung der atmosphaumlrischen CO2-Konzentration beigetragen

08

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2000

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Ozean

98 Canadell JG et al 2007

50

Tuvalu gehoumlrt zu den am staumlrksten vom Meeresspiegelanstieg gefaumlhrdeten Inselshystaaten Auch dort leben viele Menschen in aumlrm lichen Verhaumlltnissen die wenig Schutz vor Extremwetterereignissen wie Pazifikshystuumlrmen bieten

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51

Die globale Erderwaumlrmung und somit der Klimawandel sind ndash wie beschrieben ndash zum groumlszligten Teil menschge-macht Ausloumlser ist die mit fossilen Energietraumlgern vor-angetriebene Industrialisierung Um einen gefaumlhrlichen Klimawandel abzuwenden bedarf es daher nicht nur ein-zelner Klimaschutzmaszlignahmen sondern einer industri-ellen und kulturellen Revolution Das heiszligt es geht um den Aufbau eines neuen Wohlstandsmodells das nicht laumlnger auf fossilen Energietraumlgern basiert und nachhal-tige Entwicklung ermoumlglicht eines Wohlstandsmodells bei dem sich unsere Lebensform stark veraumlndert

Der Klimawandel erfordert die Uumlberwindung von Kurz-sichtigkeit in Politik und Wirtschaft Statt dessen sind Weitblick und an langfristigen Zielen orientierte Wei-chenstellungen gefragt Bisher orientieren sich Politik Wirtschaft und jeder Einzelne jedoch haumlufig nur an ihrem kurzfristigen Wahrnehmungshorizont Wenn Politiker nur in Legislaturperioden von vier Jahren denken und die Wirtschaft nur auf den naumlchsten Quartalsbericht blickt so greift die Planung deutlich zu kurz um Erfolge von Klimaschutzmaszlignahmen messen zu koumlnnen Um den glo-balen Temperaturanstieg auf so weit wie moumlglich unter 2 degC zu begrenzen muumlssen Politik Wirtschaft und Buumlr-ger ihre Handlungsfaumlhigkeit anerkennen und langfristi-ge Entscheidungen treffen

Besonders die Wirtschaftskrise hat noch einmal ver-deutlicht wie wichtig nachhaltiges Handeln als Leitbild ist Die Krise sollte daher als Anlass und Chance gese-hen werden jetzt die Weichen fuumlr oumlkologische soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu stellen Das wird Umbruumlche und Zumutungen aber auch Neuaufbruumlche und Chancen mit sich bringen Das Zusammenspiel ei-ner engagierten nationalen und internationalen Klima-politik beide angetrieben durch Vorreiterkoalitionen in Politik Wirtschaft und Zivilgesellschaft spielt eine entscheidende Rolle um diesen Wandel einzuleiten Damit Gelder im notwendigen Ausmaszlig in den Umbau in-vestiert werden bedarf es langfristiger ambitionierter und rechtlich verbindlicher Rahmenbedingungen (bdquolong loud and legalldquo)

61 Internationale Klimagerechtigkeit Klimagerechtigkeit ist eine Art Leitbegriff geworden sowohl fuumlr die internationale Klimapolitik wie auch fuumlr die Aktivitaumlten vieler Akteure der Nord-Suumld-Zusammen-arbeit Was verbirgt sich dahinter

Es ist offensichtlich nicht gerecht dass die Laumlnder die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben am

staumlrksten von seinen Folgen betroffen sein werden Ins-besondere die kleinen Inselstaaten ndash in der Klimapolitik in der bdquoAlliance of Small Islands States (AOSIS)ldquo zusam-mengeschlossen ndash und die am wenigsten entwickelten Laumlnder (die Least Developed Countries LDCs) gelten als besonders verletzliche Laumlndergruppen Daruumlber hin-aus sind auch Laumlnder in anderen Regionen und Millio-nen arme Menschen in den Schwellenlaumlndern massiven Bedrohungen durch den Klimawandel ausgesetzt Die Pro-Kopf-Emissionen in den aumlrmsten Laumlndern sind mit weniger als einer Tonne CO2 pro Jahr in der Regel um ein Vielfaches geringer als z B die in Deutschland oder den USA (s auch Abbildung 20 S 44) Aumlhnlich groszlig ist der Unterschied der Pro-Kopf-Emissionen zwischen den Eli-ten und den besonders betroffenen Personengruppen in diesen Laumlndern

Die Ungerechtigkeit zwischen historischen und heutigen Verursachern einerseits und bereits Betroffenen des Kli-mawandels andererseits spielt v a auch in den interna-tionalen Verhandlungen um ein Post-2012-Abkommen eine zentrale Rolle Es zeigte sich auf der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 dass Vertrauen in internationalen Klimaschutz und entsprechendes Engagement nur wach-sen koumlnnen wenn das Prinzip der gemeinsamen aber dif-ferenzierten Verantwortlichkeit auf drei Dimensionen der internationalen Klimagerechtigkeit erweitert wird

n 1 Die Uumlberlebenssicherung aller Staaten als Minimum jeder Fairness

Fuumlr die von den Folgen des Klimawandels am meisten betroffenen Laumlnder steht bezuumlglich der Gerechtigkeits-frage das Uumlberleben an erster Stelle Deutlich vertrat beispielsweise der Inselstaat Tuvalu auf dem Kopenha-gener Klimagipfel die Position Klimaschutz (und damit das internationale Klimaabkommen) muumlsse so ambitio-niert gestaltet werden dass das Uumlberleben aller ndash also auch der verletzlichsten Staaten und Voumllkergruppen ndash gewaumlhrleistet werde Die LDCs und AOSIS waren es die zuerst die Forderungen aufstellten den globalen Tem-peraturanstieg auf 15 degC gegenuumlber vorindustriellem Niveau zu begrenzen

n 2 Die faire Lastenverteilung fuumlr Klima-schutz und Anpassung

Das emissionsintensive Wohlstandsmodell der Indust-rielaumlnder laumlsst sich aufgrund der Begrenztheit der Res-sourcen auch der Ressource bdquoKohlenstoffsenke Erdsys-temldquo nicht auf die ganze Welt uumlbertragen Gleichzeitig sind die Bekaumlmpfung der Armut und die wirtschaftliche Entwicklung oberste Prioritaumlt der Regierungen ndash insbe-sondere der Entwicklungslaumlnder Von ihnen den Umbau

6 Herausforderungen fuumlr die Klimapolitik

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zu einem neuen noch nirgends praktizierten Wohl-standsmodells zu verlangen waumlhrend die Industrielaumln-dern weiter ihren Wohlstand durch fossile Energietraumlger befeuern wird von den Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern verstaumlndlicherweise als ungerecht empfunden Da es bei der Frage der Lastenverteilung der Emissions-reduktionen vor allem um das Gerechtigkeitsverhaumllt-nis ndash wie kann unter der Beruumlcksichtigung von Gerech-tigkeitspraumlmissen die Verantwortung zur Bekaumlmpfung des Klimawandels fair verteilt werden ndash zwischen den maumlchtigsten Staaten der Erde geht hat diese Frage u a den Klimagipfel in Kopenhagen dominiert

Wenn die notwendigen ambitionierten Klimaziele er-reicht werden sollen muumlssen sich sowohl Industrie- als auch Schwellenlaumlnder zu weitgehenden Klimaschutz-maszlignahmen verpflichten Aus Gerechtigkeitsgruumlnden werden die Industrielaumlnder dabei vorangehen und ihre Treibhausgasemissionen bis Mitte des Jahrhunderts praktisch auf Null reduzieren ndash und zugleich den Umbau sowie die Anpassungsmaszlignahmen in Entwicklungslaumln-dern massiv unterstuumltzen muumlssen

n 3 Die gerechte Beteiligung an den Chancen der klimapolitischen Transformation

Eine ungewoumlhnliche Koalition aus besonders betrof-fenen Staaten (wie den Malediven) Schwellenlaumlndern (wie Suumldkorea) einer wachsenden Zahl von Akteuren aus Industrielaumlndern sowie NGOs und Investoren welt-weit weist zunehmend auf die dritte staumlrker in die Zu-kunft gerichtete Dimension der Gerechtigkeit hin Diese immer mehr an Bedeutung gewinnende Gerechtigkeits-frage stellt sich wenn das globale Rennen zu einer kli-mafreundlichen Weltwirtschaft (mit dem 2-degC-Limit als Leitplanke) tatsaumlchlich die notwendige Dynamik auf-nimmt Dies waumlre die groumlszligte wirtschaftliche Revolution seit der Erfindung der Dampfmaschine um deren Ablouml-sung es jetzt geht Die groszlige Gerechtigkeitsfrage wird dann Wer hat welchen Anteil an den Chancen dieser Neugestaltung der gesamten Energie- Verkehrs- In-dustrie- und Gebaumludeinfrastruktur weltweit Hier wer-den Macht Einfluss und Reichtum fuumlr morgen verteilt Aber auch die soziale und kulturelle Transformation die mit einer Entwicklung zur postfossilen Gesellschaft einhergehen muss birgt Gerechtigkeitskomponenten wie die Neugestaltung von Wertesystemen die nicht vernachlaumlssigt werden sollten Diese Dimension macht auch noch einmal deutlich dass die Wahrnehmung von Klimaschutz als Last (s oben) verkuumlrzt ist Es waumlre unge-recht wenn die Menschen die ndash ohne eigenes Verschul-den ndash vom Klimawandel am heftigsten betroffen sind die Armen auf diesem Planeten auch von neuen Wohl-standsmodell ausgeschlossen werden

Die drei Dimensionen der internationalen Klimagerech-tigkeit muumlssen zusammengefuumlhrt werden um eine nach-haltige Loumlsung durch Dynamik in der Gesellschaft in den Kommunen und in der Wirtschaft weltweit zu entfachen und die Menschen die heute in den aumlrmsten Laumlndern wohnen ebenfalls an den Gewinnen der groszligen Trans-formation teilhaben zu lassen

62 Geschichte der Klimapolitik Von Rio uumlber Kyoto nach Kopen-hagen

Uumlber die Frage wer wann die Treibhausgasemission wie stark verringern soll und welchen Anteil des Kli-maschutzes und der Anpassung an die Klimafolgen in Entwicklungslaumlndern die Industrielaumlnder bezahlen ver-handeln die jeweiligen Laumlnder seit Anfang der 1990er Jahre im Rahmen der 1994 in Kraft getretenen Klimarah-menkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change UNFCCC) In dieser Konvention verpflichteten sich die Industrielaumln-der ndash wenn auch nicht rechtsverbindlich ndash ihre Treibh-ausgasemissionen bis zum Jahr 2000 auf das Niveau von 1990 zu reduzieren Wichtiger jedoch war dass sie den Rahmen fuumlr naumlher auszuhandelnde rechtlich verbind-liche Zusatzvertraumlge (Protokolle) mit weitergehenden und verbindlichen Zielsetzungen schufen Daher auch die Bezeichnung bdquoRahmenkonventionldquo Das Kernziel der Rahmenkonvention ist in Artikel 2 ausgedruumlckt Eine gefaumlhrliche Stoumlrung des Klimasystems durch den Men-schen soll vermieden werden

Auf dem Klimagipfel in Kyoto 1997 wurde das erste voumll-kerrechtlich verbindliche Klimaschutzprotokoll verab-schiedet ndash quasi als Konkretisierung der Klimarahmen-konvention ndash nach Verhandlungen die bis zur letzten Minute aumluszligerst zaumlh und dem Scheitern bis auf Haares-breite nahe waren Das Kyoto-Protokoll enthaumllt fuumlr die beteiligten Industriestaaten Emissionsbegrenzungsziele der wichtigsten Treibhausgase von im Durchschnitt 5 Prozent gegenuumlber 1990 fuumlr den Zeitraum 2008 bis 2012 (die sogenannte bdquoerste Verpflichtungsperiodeldquo) Die EU-Staaten muumlssen ihren Ausstoszlig um durchschnittlich 8 Pro-zent verringern (Deutschland minus 21 Prozent) Japan hat sich zu einer Reduktion um 6 Prozent verpflichtet99 Die US-Regierung hatte ein Reduktionsziel von 7 Pro-zent unterzeichnet aber das Kyoto-Protokoll wurde vom US-Parlament letztlich nicht ratifiziert und trat fuumlr die USA damit nicht in Kraft

In der ersten Verpflichtungsperiode uumlbernahmen nur die Industrielaumlnder rechtlich verbindliche Emissionszie-le Gemaumlszlig dem Grundsatz der bdquogemeinsamen aber dif-ferenzierten Verantwortungldquo liegen die Gruumlnde hierfuumlr

99 Der komplette Vertragstext des Protokolls kann unter httpwwwunfcccintresourcedocsconvkpkpgerpdf abgerufen werden ndash dort sind auch die Emissionsziele aller Industriestaaten im Anhang B verzeichnet Die EU hat ihr 8-Ziel allerdings im bdquoBurden Sharing Agreementrdquo modifiziert so dass manche EU-Staaten staumlrkere und andere schwaumlchere Emissionsziele haben (siehe httpwwwclimnetorgresourceseuburdenhtm und httpwwwgermanwatchorgfolieneu-etfolie003htm)

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vor allem darin dass sie ndash sowohl bezuumlglich der histori-schen Gesamt- als auch der aktuellen Pro-Kopf-Emissio-nen ndash mit Abstand die meisten Treibhausgasemissionen verantworten Hinzu kommt dass sie wirtschaftlich und technologisch leistungsfaumlhiger sind und damit einen groumlszligeren Handlungsspielraum fuumlr Investitionen in Kli-maschutzmaszlignahmen haben

Der Ausstieg der USA aus dem Kyoto-Protokoll unter Praumlsident G W Bush im Maumlrz 2001 war ein herber Ruumlck-schlag aber die internationale Staatengemeinschaft fuumlhrte die Verhandlungen um die Umsetzung des Kyo-to-Protokolls zur Uumlberraschung vieler Beobachter den-noch weiter Die von dem Unternehmerverband e5 dem World Wide Fund for Nature (WWF) und Germanwatch in Gang gebrachte Unternehmerinitiative e-mission55 gab den Verhandlungen in der entscheidenden Phase Ruumlckenwind Uumlber 200 Firmen aus der EU Japan Kana-da und Russland hatten sich unter dem Motto bdquoKyoto into forceldquo (Kyoto in Kraft setzen) zusammengeschlos-sen und damit offen demonstriert dass groszlige Teile der Wirtschaft ndash trotz des Ausscheidens der USA ndash hinter dem Kyoto-Protokoll stehen100 Auf dem Bonner Kli-magipfel im Juli 2001 konnte schlieszliglich eine Einigung uumlber die wichtigsten Streitfragen erzielt werden u a uumlber Detailfragen bezuumlglich der bdquoflexiblen Mechanis-menldquo Der letzte bdquoFeinschliffldquo erfolgte wenige Monate spaumlter auf dem Klimagipfel in Marrakesch Die rechtlich bedeutsamen Ausfuumlhrungsbestimmungen des Kyoto-Protokolls waren nun praumlzise genug ausgestaltet um von den noch zoumlgernden Laumlndern ratifiziert zu werden Fuumlr das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls mussten 55 Staaten die mindestens 55 Prozent der Treibhausgas-emissionen der Industrielaumlnder von 1990 abdeckten das Abkommen ratifizieren Dies wurde erst durch die Rati-fikation Russlands im November 2004 erreicht so dass das Protokoll drei Monate spaumlter am 16 Februar 2005 in Kraft treten konnte

Danach haben die UNFCCC-Verhandlungen insbeson-dere durch die sich aus dem 4 Sachstandsbericht des IPCC ergebende Dringlichkeit im Jahr 2007 an neuer Dynamik gewonnen Beim Klimagipfel im indonesischen Bali (Dezember 2007) wurde die so genannte bdquoBali Road-mapldquo beschlossen bdquoRoadmapldquo deshalb weil sie einen Verhandlungsfahrplan mit dem Ziel einer umfassenden Einigung bis zum Klimagipfel 2009 in Kopenhagen dar-stellte Kern element dieser von allen Mitgliedsstaaten der Konvention mitgetragenen Vereinbarung war der Bali-Aktionsplan101 Er setzte einen intensiven Verhand-lungsprozess zur bdquovollstaumlndigen wirksamen und fort-laufenden Umsetzung der Konvention durch eine lang-fristige kooperative Zusammenarbeit heute bis und jenseits des Jahres 2012ldquo102 in Gang Getragen von der im IPCC-Bericht ausgedruumlckten Dringlichkeit ndash der Ak-tionsplan verweist auf die IPCC-Ausfuumlhrungen dass die Industrielaumlnder ihre Emissionen bis 2020 um 25-40 Pro-

zent gegenuumlber 1990 verringern muumlssten ndash skizzierte er vier Verhandlungsbloumlcke mit jeweils einer Reihe von Un-terthemen Im Zentrum standen dabei gleichgewichtig die Vermeidung von Emissionen (Mitigation) sowie die Anpassung an die Klimafolgen (Adaptation) unterstuumltzt durch Finanzierung und Technologie Fuumlr die Kyoto-Staaten ging es dabei vor allem um die Ausgestaltung der zweiten Verpflichtungsperiode fuumlr den Zeitraum nach 2012 denn es war von Anfang an klar dass Kyoto I (2008 bis 2012) nur ein erster und bei weitem nicht ausreichen-der Schritt sein konnte Fast alle Industriestaaten die Kyoto ratifiziert haben werden aller Voraussicht nach die gesetzten Klimaziele erreichen Nur Kanada verwei-gert das weil sein groszliger Wettbewerber USA nicht mit-macht Eventuell koumlnnte es ndash nach Fukushima ndash auch fuumlr Japan schwierig werden die Klimaziele zu erreichen

Doch hat der IPCC sehr deutlich gemacht dass das 2 degC-Limit alleine durch Klimaschutz in den Kyoto-In-dustrielaumlndern nicht zu erreichen sein wird Ein ganz zentraler Knackpunkt ist daher die Frage zu welcher Art von Verpflichtung sich die USA als damals noch groumlszligter CO2-Emittent und Nicht-Kyoto-Mitglied bereiterklauml-ren wuumlrden und ndash mindestens ebenso wichtig ndash welche Ambition und rechtliche Form der Klimaschutz in den Schwellenlaumlndern und spaumlter auch in anderen Entwick-lungslaumlndern haben wuumlrde Wenngleich der Aktionsplan noch keine Verpflichtung zu Maszlignahmen sondern nur zu Verhandlungen uumlber bestimmte Maszlignahmen darstell-te war er doch maszliggeblich fuumlr den darauf folgenden zweijaumlhrigen Verhandlungsprozess der in der Klimakon-ferenz von Kopenhagen gipfelte

63 Die Klimagipfel von Kopen-hagen und Cancuacuten

Wie nie zuvor bei einer Klimakonferenz richteten sich im Dezember 2009 die Augen der Welt auf Kopenhagen Mit fast 30000 Teilnehmern war es die groumlszligte Klima-konferenz uumlberhaupt Kein anderes Ereignis hat jemals in aumlhnlichem Ausmaszlig dazu beigetragen das Thema auf die Agenda der Regierungschefs weltweit zu setzen Jedoch zeigte sich dass diese hohe Aufmerksamkeit kein Garant fuumlr politischen Erfolg war Zu Beginn der Verhandlungen war bereits klar dass die Chancen auf ein umfassendes rechtlich verbindliches Abkommen in Kopenhagen sehr gering waren Die von den Verhandlern in knapp zwei Jahren ausgehandelten Texte waren umfassend kom-plex und gleichzeitig noch mit Hunderten von Klammern ndash der Ausdruck fuumlr fehlenden Konsens ndash versehen als zunaumlchst die Minister und dann die Staats- und Regie-rungschefs in Kopenhagen eintrafen

Es kam die gesamte politische Fuumlhrungselite der Welt nach Kopenhagen Mehr als 120 Staats- und Regie-

100 Siehe auch Germanwatch 2008101 Der Bali-Aktionsplan kann abgerufen werden unter httpunfcccintresourcedocs2007cop13eng06a01pdfpage=3102 UNFCCC 2007 3

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rungschefs vom US-Praumlsidenten Barack Obama bis hin zu Chinas Ministerpraumlsident Wen Jiabao Von der deut-schen Kanzlerin Angela Merkel bis hin zum Praumlsidenten der Malediven Mohamed Nasheed Der Klimawandel sei bdquoeine der groumlszligten Herausforderungen unserer Zeitldquo heiszligt es dann auch im Kopenhagen-Akkord dem zentra-len Abschlussdokument der Konferenz103 Jetzt sei die Zeit vom Reden zum Handeln uumlberzugehen hatte ein Regierungschef nach dem anderen beschworen Doch mit dem Kopenhagen-Akkord gelang dieser Durchbruch nicht Zum einen da er nur bdquozur Kenntnis genommenldquo und nicht als formelle Entscheidung verabschiedet wurde Denn sowohl aus prozeduralen wie auch aus in-haltlichen Gruumlnden war die Vereinbarung von einigen Laumlndern darunter kleine Inselstaaten wie Tuvalu und la-teinamerikanische Staaten wie Venezuela und Bolivien abgelehnt worden

Schon vor der Konferenz war klar dass drei zentrale Kriterien uumlber Erfolg oder Misserfolg der Konferenz maszliggeblich entscheiden wuumlrden Die Festlegung von Reduzierungszielen die die Erwaumlrmung auf unter 2 Grad oder sogar 15 Grad begrenzen wuumlrden Zusagen fuumlr finanzielle Unterstuumltzung zum Klimaschutz und zur An-passung sowie eine voumllkerrechtlich verbindliche Form des Abkommens In allen Bereichen ist der Kopenhagen-Akkord hinter dem immer dringlicher Notwendigen zu-ruumlckgeblieben

Die Ergebnisse von Kopenhagen muumlssen im Nachhinein in engem Zusammenhang mit dem darauf folgenden Kli-magipfel im mexikanischen Cancuacuten bewertet werden der im Dezember 2010 stattfand Hier ging es vor allem

darum Beschluumlsse von Kopenhagen mindestens auf glei-chem Niveau zu bdquoformalisierenldquo also als offizielle Ent-scheidung durch alle Staaten zu verabschieden in dem klaren Verstaumlndnis dass es eher um eine Absicherung von Minimalverpflichtungen ging als Grundlage fuumlr eine zukuumlnftig groumlszligere Ambition

Was wurde in Cancuacuten im Vergleich zu Kopenhagen er-reicht Schon im Laufe des Jahres 2010 zeichnete sich eine zentrale Grundlage fuumlr die Entscheidungen von Cancuacuten ab naumlmlich die Integration derjenigen Texte die auf Verhandlerebene zu den unterschiedlichsten Themen auch in Kopenhagen diskutiert und in 2010 weiterent wickelt worden waren mit den Inhalten des Kopenhagen-Akkord der von mehr als 140 Laumlndern offi-ziell unterstuumltzt wurde So wurde in Cancuacuten neben vielen Einzelentscheidungen ein umfassendes Dokument auf der Konventionsebene sowie eines auf Kyoto-Ebene an-genommen Die zentralen Ergebnisse waren die folgen-den die maszliggeblich auf den Beschluumlssen von Kopenha-gen aufbauten und zum groszligen Teil in den Folgejahren weiter ausgearbeitet werden muumlssen 104

rarr Es ist gelungen erstmals in einem UN-Konsens der gesamten Staatengemeinschaft das 2 degC-Limit als die Messlatte fuumlr die angestrebten Klimaschutzaktivitaumlten zu verankern Zwar war dies auch schon im Kopenhagen-Akkord enthalten aber eben nicht von allen Staaten formell angenommen worden

rarr Es ist gelungen einige groszlige Klimaschutzpakete zu verabschieden die eigentlich schon in Kopenhagen haumlt-ten verabschiedet werden sollen

Der UN-Klimagipfel 2009 in Kopenhagen Photo IISD

103 S Germanwatch 2009104 Germanwatch 2010a

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nEin Paket zur Anpassung der besonders betroffenen Staaten an die Konsequenzen des Klimawandels Mit dem bdquoCancuacuten Adaptation Frameworkldquo hat man ne-ben grundsaumltzlichen Aspekten wie Prinzipien fuumlr die Umsetzung von Anpassungsmaszlignahmen und einer Liste moumlglicher Aktivitaumlten auch konkrete Prozesse angestoszligen Dazu gehoumlren ein besonderer Unterstuumlt-zungsprozess fuumlr LDCs bei der Anpassungsplanung die Einrichtung einer Institution unter der UNFCCC fuumlr eine kohaumlrentere Behandlung des Themas in den Klimaverhandlungen

nEin Paket zum Schutz des Regenwaldes Aus Kli-maschutzgesichtspunkten ist der Schutz der Waumll-der wegen ihrer Funktion als CO2-Speicher zentral Entwaldung verwandelt den CO2-Speicher in eine CO2-Quelle durch die sich die Temperaturerhoumlhung weiter verschaumlrft Wenngleich in Cancuacuten noch keine konkreten Finanzierungsinstrumente fuumlr den Walder-halt beschlossen wurden hat man sich doch auf wich-tige Grundprinzipien die die soziale und oumlkologische Integritaumlt von Klimaschutz im Waldbereich sichern sollen geeinigt

nEin Paket zur Technologiekooperation das einen Technologiemechanismus unter der UNFCCC beinhal-tet der durch die Etablierung eines Technologie-Ko-mitees und den Aufbau eines Netzwerks von Techno-logiezentren die Technologiekooperation befoumlrdern soll

nEinen Finanzierungsfonds (bdquoGreen Climate Fundldquo) der Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung finanzieren soll Dessen Leitungsgremium (bdquoBoardldquo) wird zur Haumllfte von Industrie- und zur Haumllfte von Ent-wicklungslaumlndern besetzt Mit dem Kopenhagen-Ak-kord hatten die Staats- und Regierungschefs bereits den Weg fuumlr die Gruumlndung dieses Fonds geebnet Jedoch gab es sehr unterschiedliche Vorstellungen daruumlber wie die Verbindung des Fonds zum UNFCCC-Prozess aussehen sollte da insbesondere die USA starke Einwaumlnde gegen einen Fonds unter der Aumlgide des Konventionsprozess hatten Letztendlich hat die Entscheidung einen Mittelweg aufgezeigt Die finan-zielle Groumlszligenordnung steht noch nicht fest jedoch ist klar dass der bdquoGreen Climate Fundldquo nur eine Exis-tenzberechtigung hat wenn er ein sehr viel groumlszligeres Volumen haben wird als bisherige Fonds

nEs ist gelungen die freiwilligen Selbstverpflichtun-gen der Staaten die diese im Kopenhagen-Akkord eingereicht hatten in eine formale UN-Entscheidung zu integrieren Das erhoumlht z B den internationalen Druck auf die US-Regierung trotz politischen Wider-standes zuhause bei ihrem im Kopenhagen-Akkord bestaumltigten nationalen Ziel zu bleiben die Emissionen bis 2020 um 17 Prozent zu senken Eine Entscheidung

eines hohen US-Gerichts in Washington machte prak-tisch zeitgleich mit dem Ende des Cancuacuten-Gipfels den Weg frei fuumlr die ersten CO2-Standards in den USA Die Unternehmen mit dem groumlszligten CO2-Ausstoszlig so-wie der Staat Texas wollten die Klimaschutzregeln verhindern die auf dem Weg zu den notwendigen Re-duktionen einen wichtigen Beitrag spielen koumlnnen

nEs ist in beiden Cancuacuten-Vereinbarungen (als Ergeb-nis der Kyoto- und der Konventionsverhandlungen) festgehalten dass die Staaten ihre freiwilligen Ziele nachbessern sollen Das bedeutet einen Paradigmen-wechsel gegenuumlber der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls die Maximalziele definiert hat Die zunaumlchst vereinbarten Reduktionsziele bis 2020 verstehen sich als Minimalziele die in den kommen-den Jahren angehoben werden sollen Zwischen 2013 und 2015 soll es im Rahmen der Verhandlungen unter der Konvention dann eine Uumlberpruumlfung (bdquoReviewldquo) u a dazu geben mit welcher Strategie die verblei-bende Luumlcke zum 2-degC-Limit geschlossen werden kann Dies ist dringend notwendig da die im Zuge von Kopenhagen gemachten Klimaschutzzusagen der Industrie- und Entwicklungslaumlnder zu einer durch-schnittlichen globalen Temperaturerhoumlhung im Be-reich von 4 degC oder mehr fuumlhren koumlnnten105

nDas Zwischenergebnis fuumlr die Verhandlungen unter dem Kyoto-Protokoll wird fuumlr die Industrielaumlnder noch konkreter Diese sollen ihre Ziele so nachbes-sern dass dies im Durchschnitt 25-40 Prozent Reduk-tion bis 2020 gegenuumlber 1990 ergibt (Der IPCC sieht diese Reduktion als notwendig an um den Tempera-turanstieg mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit auf we-niger als 2 degC begrenzen zu koumlnnen)

nAlle Industrielaumlnder haben sich in Cancuacuten verpflich-tet bdquoLow-Carbon Development Plansldquo (Plaumlne fuumlr eine Entwicklung in Richtung einer CO2-armen Gesell-schaft) oder entsprechende Strategien zu entwickeln ndash allerdings bisher ohne zeitliche Vorgabe

nIm Bereich Langfrist-Finanzierung wurde das in Ko-penhagen gemachte Versprechen der Industrielaumln-der bestaumltigt bis zum Jahr 2020 die Finanzierung fuumlr Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung auf 100 Milliarden Dollar pro Jahr steigen zu lassen Der hierfuumlr aumluszligerst relevante Bericht der von Ban Ki- moon eingesetzten Arbeitsgruppe zur Langfristfi-nanzierung (AGF) wurde von der Konferenz zwar zur Kenntnis genommen106 Es wurde jedoch kein Prozess vereinbart im Jahr 2011 die Einfuumlhrung moumlglicher Finanzierungsinstrumente konkreter zu behandeln

nIm Gegenzug werden die Schwellen- und Entwick-lungslaumlnder aufgefordert so genannte bdquoLow-Carbon-Developmentldquo- Strategien oder -Plaumlne einzureichen

105 UNEP 2010106 Weitere Informationen zum AGF-Bericht siehe wwwgermanwatchorgklikoks46htm

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Diese sollen zeigen was ein Land ohnehin fuumlr den Klimaschutz tut und fuumlr welche Gesetzesvorhaben oder Aktivitaumlten es internationale Unterstuumltzung (Finanzen Technologie Capacity Building) braucht Es wird ein internationales Register aufgebaut das das Zusammenbringen erleichtert zwischen konkre-ten Anfragen (mit geschaumltzten Kosten und Emissions-reduktionen) und dem dafuumlr bestimmten Teil der in-ternationalen Finanzstroumlme

nChina hat in Cancuacuten schlieszliglich auf der Basis eines Vor schlags von Indien in der Frage der internationalen Uumlberpruumlfung der nationalen Klimaschutzaktivitaumlten den Weg zur notwendigen Transparenz der Maszlignah-men in Schwellenlaumlndern frei gemacht Dieses Thema war bereits in Kopenhagen ein zentraler Konflikt ins-besondere zwischen den USA und China gewesen Die Aktivitaumlten werden zwar national gemessen berich-tet und verifiziert aber anhand von unter der Konven-tion vereinbarten Richtlinien Die alle zwei Jahre vom entsprechenden Land vorgelegten Zwischenberichte werden dann international von Experten diskutiert und ein entsprechender Bericht wird vorgelegt

nBeinahe gescheitert waumlre der Gipfel von Cancuacuten an der Frage der zweiten Verpflichtungsperiode fuumlr das Kyoto-Protokoll Ein Kompromiss basierend auf bdquokonstruktiver Zweideutigkeitldquo hat hier den Weg frei gemacht Die Industriestaaten (mit Ausnahme der USA) verhandeln die zweite Verpflichtungsperio-de des Kyoto-Protokolls so zuumlgig zu Ende dass keine Luumlcke nach dem Auslaufen der ersten Verpflich-tungsperiode (2012) entsteht Es bleibt aber zu-naumlchst offen ob die Reduktionsziele dann tatsaumlchlich im Rahmen des Kyoto-Protokolls festgeschrieben werden oder ob die Verhandlungsergebnisse in ei-nem groumlszligeren gemeinsamen Rahmenabkommen an dem auch die Schwellenlaumlnder sowie die USA teilnehmen fixiert werden Angesichts des starken Widerstands von Laumlndern wie Japan Russland und Kanada besteht allerdings kein Grund fuumlr groszligen Optimismus dass es tatsaumlchlich zu einer umfassenden 2 Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls kom-men wird

Die Cancuacuten-Vereinbarungen stellen einen gewissen Teil-erfolg fuumlr den UNFCCC-Prozess dar der allerdings nicht daruumlber hinwegtaumluschen darf dass die Luumlcke zwischen politischer Ambition und wissenschaftlicher Dringlich-keit nach wie vor unakzeptabel groszlig ist Die Welt steuert auf eine Temperaturerhoumlhung von drei bis vier Grad in diesem Jahrhundert zu Es bedarf daher vielfaumlltiger Initi-ativen innerhalb und auszligerhalb des UNFCCC-Prozesses um diese Luumlcke so schnell wie moumlglich zu verkleinern

64 Handeln ndash Verhandeln ndash Koa-litionen Grundlage einer klima-politischen Aufwaumlrtsspirale

Das Verkleinern dieser Luumlcke bedarf eines dynamisches Zusammenspiels von drei Dimensionen Handeln in Poli-tik und Wirtschaft das weitere Verhandeln eines inter-nationalen Rahmens und die Koalition von Akteuren die Dynamik erzeugen wollen bzw koumlnnen

n Erste Dimension Handeln

Waumlhrend der Wirtschaftskrise der vergangenen zwei Jahre waren weltweit Energieeffizienz und Erneuer-bare Energien die Wirtschaftsmotoren Ein Blick auf die Entwicklung der Erneuerbaren Energien zeigt Im Jahr 20082009 wurden sowohl in Europa als auch in den USA Kraftwerke zur Nutzung Erneuerbarer Energien mit einer Stromleistung in Betrieb genommen die die Kapazitaumlt der neuen Kohle- Gas- und Kernkraftwerke des gleichen Zeitraums deutlich uumlbertrifft Im Jahr 2009 machten die Erneuerbaren Energien 60 Prozent der neu zugebauten Kraftwerkskapazitaumlt in Europa aus ndash und be-reits fast 20 Prozent der jaumlhrlichen Stromproduktion In China bdquoexplodiertldquo der Ausbau Erneuerbarer Energien geradezu mit 37 Gigawatt Leistung wurde dort 2009 fast die Haumllfte der neuen weltweiten Kapazitaumlt (80 GW) hinzugebaut Immer mehr spricht dafuumlr dass sich die wirtschaftlichen Chancen der Staaten weltweit maszlig-geblich daran orientieren werden wer bei Energieeffizi-enz und Erneuerbaren Energien die Nase vorne hat Fuumlr viele Entwicklungslaumlnder bietet sich jetzt die Gelegen-heit von vornherein ihre Infrastruktursysteme nachhal-tiger und effizienter aufzubauen als dies bisher in den Industrielaumlndern der Fall war waumlhrend diese mit dem Umbau ihrer existierenden Systeme vor einer enormen Herausforderung stehen Verschiedene Studien zeigen aber dass in der EU und Deutschland die Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien bis Mitte des Jahrhunderts moumlglich ist und dies ohne groszlige Zusatzkosten und bei gleicher Netzsicherheit107 Es gibt keinen Grund fuumlr die Staaten mit dem Handeln zu warten

n Zweite Dimension Verhandeln

Eine internationale Rahmensetzung kann nicht nur die Dynamik internationale Vergleichbarkeit und recht -liche Verbindlichkeit sichern Sie kann auch dafuumlr sor-gen dass nicht allein das Recht des Staumlrkeren den Aus-gang des Wettrennens in das Solarzeitalter bestimmt Sie kann dafuumlr sorgen dass auch die Lahmen und Brem-ser schrittweise mitkommen Sie ist auszligerdem wichtig um auch die internen Bremser in den Vorreiterstaaten uumlberzeugen zu koumlnnen

107 ECF 2010

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n Dritte Dimension Koalitionen

Sowohl zur Beschleunigung des Handelns als auch fuumlr neue Dynamik beim Verhandeln bedarf es neuer Koali-tionen mit den besonders betroffenen Staaten mit den Vorreiterstaaten sowie mit den Schwergewichten unter den Staaten Die Etablierung von neuen Formen der Zu-sammenarbeit die sich in den Klimaverhandlungen ab-zeichnen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin

Cancuacuten hat die in diesen Gipfel gesetzten Erwartungen erfuumlllt Damit wurde in Mexiko zumindest die Grund-lage fuumlr eine dynamisierende Aufwaumlrtsspirale gelegt Zunaumlchst ging es darum ein Mindestfundament einzu-ziehen um die bei den Industrielaumlndern sichtbare Ab-waumlrtsspirale nach Kopenhagen zu stoppen Dies wurde in Cancuacuten geleistet und muss in den folgenden UN-Kli-makonferenzen (z B Suumldafrika 2011) und anderen Pro-zessen ergaumlnzt werden Auch der Rio+20-Gipfel der im Mai 2012 stattfinden soll und Themen wie bdquogruumlne Wirt-schaftldquo und das globale umweltpolitische Institutionen-system auf seiner Agenda haben wird bietet hier eine groszlige politische Chance (Phase 1)

Zugleich wurden die naumlchsten bdquoSpiraldrehungenldquo nach oben vorgezeichnet Dass die Staaten jetzt ihre zu schwachen Ziele nachbessern sollen gehoumlrt zu den auf-

waumlrtstreibenden dynamisierenden Elementen Bis 2015 soll durch einen bdquoReviewldquo-Prozess die dann noch ver-bleibende Luumlcke zum Ziel bdquo2 degCldquo bestimmt werden und der Klimagipfel dann ndash basierend auf dem Review ndash die angemessenen Aktionen beschlieszligen (Phase 3) Das Ende dieses Reviews folgt ein Jahr nach der Veroumlffent-lichung des naumlchsten IPCC-Berichts (fuumlr 2014 geplant) der sehr wahrscheinlich ndash dies zeichnet sich in der wis-senschaftlichen Fachliteratur ab ndash die Dringlichkeit des globalen Klimaschutzes nachdruumlcklich untermauern und so hoffentlich als weiteres dynamisierendes Element ein zusaumltzliches politisches Momentum schaffen wird

65 EU Deutschland und China als Vorreiter

Auch wenn immer mehr Staaten die Chancen des Klima-schutzes sehen ist es fuumlr die internationale klimapoliti-sche Debatte zentral dass es Vorreiter gibt die zeigen dass sie bereits heute den politischen Willen besitzen den notwendigen energiepolitischen Strukturwandel einzuleiten Es geht darum den Nachweis zu fuumlhren dass ein Wohlstandsmodell jenseits der fossilen Ener-gietraumlger moumlglich und zuumlgig umsetzbar ist Um die Emis-sionen bis Mitte des Jahrhunderts um bis zu 95 Prozent

Abb 25 Die drei Phasen der angestrebten Aufwaumlrtsspirale des internationalen Klimaschutzes

Quelle Eigene Darstellung

Phase dreiTop-Down-Ansatzbull Nachbesserung der Reduktions-

und Finanzzielebull Weitere Aktionspakete werden

vereinbartumgesetztbull Rechtlich verbindliche Ziele

Phase einsBottom-Up-Ansatzbull Freiwillige Ziele und Aktions-

pakete werden formalisiertbull Erste Pakete (Regenwald usw)

werden umgesetztbull Phase drei wird angelegt

Phase zweiDynamisierende Elementebull Erste Pakete sind umgesetzt bull China und EU bewegen sich uumlber

Minimalziele hinausbull Vorreiterkoalitionen bilden sichbull Gemeinsame Anrechnungsregeln

und rechtlicher Charakter geklaumlrtbull Langfristfinanzierung gesichertbull Roadmaps vor Rio plus 20bull IPCC betont Dringlichkeit und

Kosten des Wartens

2014-15

2010-11

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in den Industrielaumlndern zu senken bedarf es fruumlhzeitiger wirtschaftspolitischer Weichenstellungen denn viele Investitionen gerade im Energiebereich werden nur auf Basis langfristiger Kalkulationen getaumltigt Werden heute Kohle- oder Atomkraftwerke gebaut sollen sie normalerweise 40 Jahre oder laumlnger betrieben werden Fuumlr eine EU die derzeit recht mutlos nach einer neuen Vision sucht kann dieses neue Wohlstandsmodell ver-bunden mit der Rolle einer bdquosoft powerldquo die statt auf Rohstoffkriege auf internationale Kooperation im Sinne der Klima- und Energiesicherheit setzt ein Aufbruchs-signal sein Die EU und Deutschland koumlnnen hier eine Schluumlsselrolle spielen indem sie jetzt entsprechende Rahmenbedingungen setzen die allen Akteuren in den Bereichen Energie Verkehr Gebaumlude sowie Land- und Fortwirtschaft signalisieren Wir stellen jetzt die Wei-chen fuumlr die notwendige groszlige Transformation

In der Vergangenheit war die EU oft das klimapolitische Zugpferd wenn auch meist nicht mit der notwendigen Dynamik Im Fruumlhjahr 2007 setzte sie sich als erster grouml-szligerer Zusammenschluss von Industrielaumlndern Emissions-minderungsziele fuumlr 2020 20 Prozent Verringerung der Emissionen gegenuumlber 1990 ndash 30 Prozent wenn andere Industrielaumlnder und Schwellenlaumlnder ihren angemesse-nen vergleichbaren Beitrag leisten Dementsprechend wurden im Jahr 2008 auch klimapolitische Gesetzge-bungen beschlossen z B die Reform des Europaumlischen Emissionshandelssystems die Vereinbarung von ndash aller-dings nicht verbindlichen ndash Energieeffizienzzielen sowie von Zielen fuumlr den Ausbau der Erneuerbaren Energien

Nach der Wirtschaftskrise und aufgrund des zuumlgigen Aufbaus von Quellen fuumlr Erneuerbare Energien zeigt sich allerdings dass dieses 20-Prozent-Ziel nicht mehr besonders ambitioniert ist und nicht die notwendigen klimapolitischen Impulse entfaltet Deshalb halten es immer mehr Akteure fuumlr sinnvoll und notwendig dass die EU ihr Emissionsziel auf 30 Prozent erhoumlht unab-haumlngig davon was andere Laumlnder machen So sieht der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung fuumlr Glo-bale Umweltfragen in einem solchen Ziel verknuumlpft mit der Langfristversion einer vollstaumlndig erneuerbaren Energieversorgung nicht nur das Potenzial einer neuen und nachhaltigen Wirtschaftsdynamik Dies wird auch als notwendiger Schritt fuumlr eine bdquoglaubwuumlrdige Basis fuumlr eine Kooperation mit Entwicklungs- und Schwellenlaumln-dernldquo108 gesehen

Ab Mitte 2011 will die Europaumlische Union erneut uumlber das 30-Prozent-Ziel beraten Der Einigung stand zu-naumlchst der Widerstand insbesondere einiger osteuropauml-ischer Laumlnder vor allem Polens entgegen Aufgrund sei-nes extrem hohen Anteils an Stromerzeugung aus Kohle fuumlrchtet das Land wirtschaftliche Lasten aus solch einem Klimaschutzziel Eine engere Zusammenarbeit gerade im

Bereich Energieeffizienz z B zwischen Deutschland und Polen koumlnnte einen Beitrag zu einer Loumlsung dieses politi-schen Problems leisten

Die deutsche Regierung ist in der Frage des 30-Prozent-Ziels zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium um-stritten ndash und leider hat die Bundeskanzlerin von ihrer Richtlinienkompetenz hier bisher keinen konstruktiven Gebrauch gemacht Ohne eine starke Rolle der groumlszligten Energie- und Wirtschaftsnation der EU kann der Durch-bruch fuumlr das 30-Prozent-Ziel jedoch nicht gelingen

Die deutsche Bundesregierung hat im Herbst 2010 ein neues Energiekonzept beschlossen das weit mehr als nur die zu Recht kritisierte Verlaumlngerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke enthaumllt109 Dieses Energiekonzept beinhaltet das Ziel die deutschen CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 und um 80 bis 95 Prozent bis 2050 zu senken (gegenuumlber 1990) Dieses soll durch eine Viel-zahl gesetzlicher Maszlignahmen erreicht werden Laut Bundesregierung sollen die Erneuerbaren Energien bis 2050 etwa 80 Prozent der Stromversorgung und den Hauptteil der Energieversorgung uumlbernehmen obgleich viele Studien zeigen dass auch 100 Prozent im Bereich des Moumlglichen und wirtschaftlich Sinnvollen sind Die Regierung setzt sich erfreulicherweise fuumlr ein moder-nes und leistungsfaumlhiges Stromnetz ein Sie setzt auch deutliche Effizienzziele im Gebaumludebereich auch wenn diese abgeschwaumlcht wurden Die Bundesregierung kuumln-digt damit an den Weg ins erneuerbare Zeitalter einzu-schlagen Gleichzeitig setzt das Konzept allerdings stark auf Atomenergie und auch weiterhin auf Kohle Zudem wurden zahlreiche Maszlignahmen die zur Zielerreichung notwendig waumlren nicht beschlossen

Insgesamt meinen daher viele Akteure dass die gesetz-ten Effizienz- und Klimaziele so nicht erreicht werden koumlnnen110 So sollen die Laufzeitverlaumlngerungen fuumlr Atomkraftwerke ndash neben den Erloumlsen des Emissions-handels ndash einen neuen Klima- und Energiefonds fuumlr den kosteneffizienten Uumlbergang zu Erneuerbaren Energien finanzieren Sie schraumlnken aber zugleich die Einnah-men aus dem Emissionshandel fuumlr den gleichen Zweck ein Die im Rahmen des Energiekonzepts vereinbarte Einrichtung eines Sondervermoumlgens zur dauerhaften Finanzierung von nationalen und internationalen Klima-maszlignahmen war ein weiterer innovativer Schritt der eine groumlszligere Verlaumlsslichkeit der Finanzierung bringen kann Trotz aller Unzulaumlnglichkeiten ist die grundsaumltz-liche Ambition des Energiekonzepts jedoch ein Zeichen dafuumlr dass es immer mehr darum geht wie ambitionier-te Klimaziele erreicht werden sollen und immer weniger darum ob ambitionierter Klimaschutz notwendig ist

Waumlhrend dieser Text geschrieben wird will die Bundes-regierung nun ausgeloumlst durch den Schock der Reaktor-

108 WBGU 2010109 Bundesregierung 2010110 S z B Germanwatch 2010a Wuppertal Institut 2010

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katastrophe in Japan einen beschleunigten Ausstieg aus der Atomkraft sowie einige der fehlenden Maszlignahmen zur Zielerreichung beschlieszligen Es ist derzeit (Mitte April 2011) noch nicht absehbar welche Luumlcke zwischen verkuumlndeten Zielen und beschlossenen Maszlignahmen nach diesen Beschluumlssen noch klaffen wird

Neben den Industriestaaten muumlssen auch Schwellen-laumlnder deren Emissionen aufgrund des mit dem Wirt-schaftswachstum einhergehenden Verbrennens fossiler Energietraumlger schnell zunehmen so bald wie moumlglich ihre Klimaschutz-Ambition erhoumlhen Der groszlige Anstieg der Treibhausgasemissionen findet ganz uumlberwiegend hier statt Eine effektive Klimapolitik ist in den Schwel-lenlaumlndern zum heutigen Zeitpunkt deshalb so wichtig weil in der industriellen Aufbauphase langfristig ent-scheidende Investitionen getaumltigt werden die gerade auch die Energieversorgung des Landes uumlber einen lan-gen Zeitraum festlegen Vom Ausbau der Energieeffizi-enz und der Nutzung Erneuerbarer Energien profitieren Schwellenlaumlnder abgesehen von der verbesserten Luft-qualitaumlt ebenfalls durch die staumlrkere Unabhaumlngigkeit von Rohstoffimporten Eine solche Strategie wirkt sich als Versicherung gegen immer haumlufiger schwankende Energiepreise aus

China ist derzeit sicherlich das klimapolitisch span-nendste und bedeutendste Schwellenland das sich gerade durch seine Widerspruumlchlichkeit auszeichnet Dort werden nach wie vor die meisten Kohlekraftwerke weltweit gebaut und das Milliardenreich hat die USA laumlngst beim Treibhausgasausstoszlig uumlberholt (wenngleich mit einem deutlich geringeren Pro-Kopf-Ausstoszlig) In den Klimaverhandlungen tritt China in gewisser Weise als Gegenpol zu den USA auf wobei der Klimagipfel von Cancuacuten gezeigt hat dass hier konstruktive Fortschritte moumlglich sind Allerdings und das wird in der Oumlffentlich-keit haumlufig unzureichend behandelt hat das Land in den beiden letzten Jahren mehr in Richtung Klimaschutz ge-tan als fast jeder andere Staat der Welt China ist laumlngst zur fuumlhrenden Weltmacht bei der Herstellung und Im-plementierung Erneuerbarer Energien geworden Und es werden nicht nur neue Kraftwerke in Betrieb genom-men Tausende von ineffizienten Kraftwerken und Un-ternehmen sind im Jahr 2010 geschlossen worden ndash mit der Folge groszliger sozialer Probleme ndash um das Land den selbst gesteckten Energieeffizienzzielen naumlher zu brin-gen Staumldten die Effizienzmaszlignahmen nicht umsetzen wird zeitweise der Strom abgeschaltet In den naumlchsten Jahren will China das Zubautempo der Kohlekraftwerke halbieren waumlhrend der Ausbau der Erneuerbaren Ener-gien schneller vorangeht als urspruumlnglich geplant111

Wenn das Land allerdings nicht massenweise neue Koh-lekraftwerke stilllegt lassen sich ernsthafte Klimaziele in China nur erreichen wenn CO2 aus Abgasen heraus-

gefiltert und geologisch tief gelagert wird (so genanntes bdquoCarbon Capture and Storageldquo CCS) Nach der Durch-fuumlhrung von 20 Pilotprojekten haben nun zwei groumlszlige-re Demonstrationsprojekte von 250 bis 400 Megawatt Leistung Prioritaumlt die bis 2016 in Betrieb gehen sollen Die Regierung erwartet ndash und daran kann der ganze Ansatz scheitern ndash dass die Industrielaumlnder die Zusatz-kosten fuumlr CCS schultern Im Nordosten Chinas wurden erste Untersuchungen zu CO2-Speicherstaumltten durchge-fuumlhrt die mit der Identifikation einer Speicherkapazitaumlt von 600 Megatonnen CO2 zu positiven Ergebnissen ka-men Wenn CCS eine groumlszligere Rolle als nur eine Nische ausfuumlllen soll muumlssen weitere Untersuchungen von salz-wasserfuumlhrenden Gesteinsschichten und leeren Oumll- und Gasfeldern folgen

Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt dass es in diesem groszligen vielfaumlltigen Land nicht einfach ist die zentral gesteckten Ziele auf den verschiedenen Ebenen zu erreichen Die Emissionen wachsen weiterhin stark an Das Erreichen der Ziele haumlngt in China daher zum ei-nen von einer besseren Durchsetzung der eingefuumlhrten Gesetze ab In Teilen der chinesischen Regierung setzt sich die Erkenntnis durch dass die massive Nutzung von Energieeffizienz und dezentralen Erneuerbaren Energie-traumlgern ohne eine aktive Zivilgesellschaft nicht gelingen kann ndash eine in mancher Hinsicht spannende Perspektive Zum anderen wird aber auch entscheidend sein in wel-cher Form sich Partnerstaaten gerade auch der Export-weltmeister Deutschland und die EU hier engagieren Durch bilaterale Energie- und Klimaabkommen Techno-logiepartnerschaften Austausch zwischen Niedrigemis-sionsregionen in China und der EU und die Beratung bei der politischen Rahmensetzung koumlnnte der Kurs hin zu Energieeffizienz und Erneuerbaren Energietraumlgern un-termauert werden112

Letzteres gilt natuumlrlich auch fuumlr die Kooperation mit an-deren Schwellenlaumlndern wie Indien Brasilien Mexiko oder Suumldafrika Brasilien spielt vor allem aufgrund des Amazonas-Regenwaldes eine wichtige Rolle fuumlr den Kli-maschutz da die riesigen Waldgebiete enorme Mengen Kohlenstoff speichern die bei ihrer Zerstoumlrung wieder freigesetzt werden Mexiko zeigt sich in der internati-onalen Klimapolitik sehr konstruktiv was nicht zuletzt der Klimagipfel von Cancuacuten gezeigt hat Suumldafrika weist eine ganz eigene Struktur auf Die Pro-Kopf-Emissionen des Landes sind fuumlr ein Schwellenland relativ hoch Zu begruumlnden ist dies mit dem hohen Lebensstandard hauptsaumlchlich der weiszligen Bevoumllkerung Bei den inter-nationalen Verhandlungen spielt das Land in der Regel eine konstruktive Rolle Die Regierung erwaumlgt moumlg-licherweise in Zusammenarbeit mit Deutschland den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Strombereich massiv voranzutreiben Suumldafrika wird Ende 2011 zudem den UNFCCC-Klimagipfel ausrichten

111 S z B httpwwwchinafaqsorg112 S auch Germanwatch 2010c

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66 USA zwischen Ambition und Bremsmanoumlvern

Mit dem Amtsantritt von US-Praumlsident Obama hatte die Welt Hoffnung dass die USA nach Jahren der klimapoli-tischen Verweigerung unter Praumlsident George W Bush zu einer neuen Dynamik in den Klimaverhandlungen beitragen koumlnnte Dass dies nicht in dem Maszlige wie er-hofft zur Realitaumlt geworden ist liegt vor allem an der zunehmenden innenpolitischen Polarisierung zwischen Demokraten und Republikanern zwischen Klimaschutz-befuumlrwortern und solchen die immer noch den anthro-pogenen Klimawandel bezweifeln

Praumlsident Obama hatte zunaumlchst die Ambition die USA schrittweise auf einen Pfad zu fuumlhren der bis zum Jahr 2050 die Emissionen um mehr als 80 Prozent gegenuumlber 2005 verringern wuumlrde Ein zentrales Instrument hier-zu sollte die Einfuumlhrung eines landesweiten Emissions-handelssystems sein bis 2020 sollten die landesweiten Emissionen um 17 Prozent gegenuumlber 2005 verringert werden Der Emissionshandel sollte auch signifikant zur internationalen Klimafinanzierung beitragen

Im Sommer 2009 also noch vor Kopenhagen beschloss dann auch das Repraumlsentantenhaus ein entsprechen-des Klimaschutzgesetz Allerdings ist es dann nicht ge-lungen einen entsprechenden Konsens in der zweiten Entscheidungskammer dem Senat der Vertretung der Bundesstaaten zu erreichen Nachdem sich dort auch noch die Mehrheitsverhaumlltnisse zugunsten der Repub-likaner veraumlndert haben besteht in dieser Legislatur-periode keine Aussicht auf ein entsprechendes Klima-schutzgesetz Zumal es auch unter den Demokraten aus kohle- und oumllproduzierenden Bundesstaaten eine groszlige Skepsis gegen ein Klimagesetz gibt Zwar treten die USA in den internationalen Klimaverhandlungen weiterhin mit dem in Kopenhagen verkuumlndeten 17-Prozent-Ziel (gegenuumlber 2005) auf aber eine klare Strategie wie dieses wirklich erreicht werden soll scheint zu fehlen Ordnungspolitische Vorgaben durch die nationale Um-weltschutzagentur (Environmental Protection Agency EPA) sind im Moment der aussichtsreichste Ansatz um Klimapolitik schrittweise voranzubringen113

Die fehlende einheimische Gesetzgebung macht es der amerikanischen Regierung schwer in den Klimaver-handlungen aktiv und glaubwuumlrdig aufzutreten so dass derzeit von Seiten der USA keine wirklich Grundlage be-steht uumlber ein rechtlich verbindliches und ratifizierba-res Abkommen zu verhandeln Angesichts der zentralen Rolle der USA stellt dies den internationalen klimapoliti-schen Prozess vor groszlige Herausforderungen

Trotzdem zeichnet sich eine gewisse Klimaschutzdyna-mik im Land ab So waumlchst die Zahl der US-Bundesstaa-

ten und Kommunen die mit ernsthaftem Klimaschutz beginnen Auch die Zwischenwahlen in den USA (2010) haben in den entsprechenden Regionen eher den Klima-schutz gestaumlrkt So setzen sich einige Staaten anspruchs-volle CO2-Minderungsziele arbeiten an der Einfuumlhrung von Emissionshandelssystemen und foumlrdern immer staumlr-ker die Erneuerbaren Energien Auch viele Akteure in Finanzmarkt und Industrie setzen inzwischen auf ernst-haften Klimaschutz Sie sehen dass sie sonst in einem ganz groszligen globalen Zukunftsmarkt den Anschluss verlieren Auch durch konjunkturpolitische Maszlignahmen im Zuge der Wirtschaftskrise hat die US-Regierung In-vestition in Erneuerbare Energien und andere Bereiche gefoumlrdert

67 Anpassung an den Klimawandel Neben der Frage des Verringerns von Emissionen wird auch die Anpassung (engl Adaptation) an die negati-ven Auswirkungen des Klimawandels ein zunehmend wichtiges Thema ganz besonders fuumlr die aumlrmsten Ent-wicklungslaumlnder die Least Developed Countries (LDCs) und die kleinen Inselstaaten Die dramatischsten und zukunftsferneren Folgen des Klimawandels koumlnnen zwar durch Minderung von Treibhausgasemissionen begrenzt werden (bdquoVermeidung des Unbewaumlltigbarenldquo) ein Teil der Folgen laumlsst sich aber nicht mehr aufhalten und An-passungsmaszlignahmen sind demzufolge unumgaumlnglich (bdquoBewaumlltigung des Unvermeidbarenldquo) Insbesondere die Entwicklungslaumlnder fragen sich daher zunehmend Wie koumlnnen wir verhindern dass der Klimawandel unsere Entwicklungsziele gefaumlhrdet und bereits erzielte Ent-wicklungserfolge zunichte macht Dies gilt speziell fuumlr besonders klimasensible Bereiche wie die Ernaumlhrungs-sichereit und die Wasserverfuumlgbarkeit aber auch fuumlr Gesundheitsaspekte (s auch vorherige Kapitel zu den Auswirkungen des Klimawandels) Die Anpassung also der Umgang mit den Klimafolgen ist damit kein Selbst-zweck Sie dient vor allem dazu Entwicklung im Zeichen des Klimawandels zukunftsfaumlhig und widerstandsfaumlhig zu machen

Wie auch die vorhergehenden Berichte betont der vier-te Sachstandbericht des IPCC die besondere Anfaumlllig-keit von Entwicklungslaumlndern insbesondere von LCDs und kleinen Inselstaaten fuumlr die Folgen des Klimawan-dels114 Diese hohe Verletzlichkeit (Vulnerabilitaumlt) der aumlrmsten Staaten begruumlndet sich neben einer uumlberdurch-schnittlichen Risikozunahme von Wetterextremen in vielen Regionen des Suumldens aus i) ihrer starken Betrof-fenheit vom Klimawandel und von Wetterextremen ins-besondere durch die uumlberproportionale Bedeutung der witterungsabhaumlngigen Landwirtschaft ii) dem Mangel an finanziellen Ressourcen sowie iii) einem mangelnden Zugang zu Informationen Krediten und anderen Dienst-leistungen Die Folge ist eine geringe Kapazitaumlt zur Be-

113 Wasserman 2010114 IPCC 2007b

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waumlltigung der Herausforderungen die der Klimawandel mit sich bringt

Vor diesem Hintergrund gibt es eine Vielzahl von Ansatz-punkten um die Anpassungsfaumlhigkeit gegenuumlber den Risiken des Klimawandels zu erhoumlhen In der Konzeption des bdquoAnpassungskontinuumsldquo (s Abb 26) bewegen sich diese zwischen sehr konkreten Interventionen zur An-passung an spezifische Klimarisiken auf der einen Seite und der Verringerung der allgemeinen Vulnerabilitaumlt auf der anderen Seite Waumlhrend konkrete Projekte kurzfris-tig zur Anpassung beitragen koumlnnen ist die Integration in politische Planungsprozesse wichtig um eine Gesell-schaft laumlngerfristig auf den Klimawandel vorzubereiten und auch z B langfristige Fehlinvestitionen zu vermei-den In der Entwicklungspolitik z B im Bereich Ernaumlh-rungssicherung koumlnnen dementsprechend spezifische Anpassungsstrategien dazu beitragen die Ernaumlhrungs-sicherungspolitik klimasicherer zu machen

Der Klimagipfel von Cancuacuten hat eine Reihe von Maszlignah-men beschlossen um die Entwicklungslaumlnder staumlrker bei der Anpassung an die Folgen zu unterstuumltzen (s 63) Zu-dem gewinnt dieses Thema auch in der konkreten Ent-wicklungszusammenarbeit immer mehr an Bedeutung

Wichtige Elemente einer Anpassungsstrategie koumlnnen beispielsweise die Nutzung von Langzeitwettervorher-sagen Fruumlhwarnsystemen und oumlffentlich-privaten Ver-sicherungsmaumlrkten (etwa bdquoMicro-Insuranceldquo) zur Verrin-gerung der Risiken durch Wetterextreme sein Duumlrren Uumlberschwemmungen und Stuumlrme bergen besonders fuumlr arme Landbewohner in den Entwicklungslaumlndern die Gefahr das fuumlr die gegenseitige Unterstuumltzung notwen-dige soziale Netzwerk zu zerstoumlren Wettervorhersagen koumlnnen sowohl die Optimierung der Pflanztermine als auch die Planung der Bildung eines Vorrats an Lebens-mitteln vor Duumlrren erleichtern Gerade fuumlr die Aumlrmsten fehlt es bisher weitestgehend an Versicherungssyste-men zum Schutz gegen die finanziellen Folgen von Ex-tremereignissen und ohne Ko-Finanzierung aus den In-dustriestaaten wird die Versicherungswirtschaft diese mangels Kaufkraft der Bevoumllkerung vor Ort auch nicht aufbauen Der Erhalt natuumlrlicher Systeme wie der Koral-len oder der Mangrovenwaumllder die eine wichtige Funk-tion zur Stabilisierung von Kuumlstenstreifen ausuumlben kann als Anpassungsmaszlignahme gegen einen steigenden Mee-resspiegel und gegen Uumlberflutungen verstanden wer-den Im konkreten Notfall koumlnnen solche Maszlignahmen zwar die Katastrophenhilfe nicht ersetzen In langfristi-ger Betrachtung besteht dennoch wenig Zweifel dass

Verringerung der Vulnera bi litaumlt

Aktivitaumlten zur Ver - ring erung der Armut und anderer nicht klimatischer Stress faktoren die Menschen verletzlich machen

Aufbau von Reaktionsfaumlhigkeit

Aktivitaumlten die dem Aufbau robuster Systeme der Problem-loumlsung dienen

Management von Klimarisiken

Aktivitaumlten zum Einbezug von Klima -informationen in Entscheidungs-prozesse

Anpassung an den Klimawandel

Aktivitaumlten zu Aus-wirkungen die direkt auf den Klimawandels zuruumlckzufuumlhren sind

Traditionelle Entwicklungsfinanzierung Neue und zusaumltzliche Anpassungsfinanzierung

VulnerabilitaumltsfokusFokus auf die Auswirkungen

des Klimawandels

Quelle Harmeling 2010

Abb 26 Das bdquoAnpassungskontinuumldquo und Strategien zur Ernaumlhrungssicherung

Nationale Anpassungs-KlimastrategienErnaumlhrungssicherungs- Wasserstrategien

Armutsbekaumlmpfungsstrategien MDG-Aktionsplaumlne

Katastrophen- vorsorgestrategien

Nationale Aktionsprogramme fuumlr Anpassung (NAPA)

Entwicklungspolitik fuumlr klimaresiliente Ernaumlhrungssicherheit

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Info-Kasten 6 Der Wald als Senke und Reservoir von CO2

Eine bdquonatuumlrliche Technologieldquo die zur Verringerung der atmosphaumlrischen Treibhausgaskonzentration bei-tragen kann ist die Senkenfunktion der Vegetation d h die Bindung von CO2 durch Pflanzen insbeson-dere durch Baumlume (siehe 13) Belastend fuumlr das Klima ist die Freisetzung dieses CO2 durch die Vernichtung von Waumlldern wenn diese anschlieszligend nicht wieder nachwachsen bzw aufgeforstet werden Allerdings ist dem Klimaschutz aus vier Gruumlnden nicht gedient wenn das Anpflanzen von Waumlldern auf die Emissi-onsziele des Kyoto-Protokolls oder des europaumlischen Emissionshandels angerechnet werden kann

Erstens wird dadurch weniger Klimaschutz in an-deren Bereichen wie Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz geleistet Diese sind aber im Sinne des notwendigen Umbaus der weltweiten Energie-systeme dringend erforderlich Zweitens bestehen nach wie vor groszlige wissenschaftliche Unsicherhei-ten beim Berechnen der CO2-Menge die netto durch Aufforstung gebunden wird Drittens kann niemand garantieren fuumlr wie viele Jahre geschweige denn Jahrzehnte ein Wald intakt bleiben und damit CO2

binden wird So hat der Amazonasregenwald im letz-ten Jahrzehnt ndash wegen zweier groszliger Duumlrren ndash moumlg-licherweise mehr CO2 freigesetzt als gebunden Und viertens koumlnnen erhebliche soziale und oumlkologische Probleme entstehen wenn Waumllder alleine unter CO2-Aspekten optimiert werden So zeichnet sich ab dass die Artenvielfalt oder der Wasserhaushalt bei Neuan-pflanzungen alleine unter CO2-Aspekten regelmaumlszligig mit Beeintraumlchtigungen zu rechnen haben

Aufforstung sollte also zusaumltzlich zu ndash und nicht an-stelle von ndash Maszlignahmen in den Bereichen Energie-effizienz und Erneuerbare Energien geleistet werden Auszligerdem sollte sie so weit wie moumlglich zum Schutz der Artenvielfalt dienen

Nicht nur zum Klimaschutz auch im Hinblick auf die vielen anderen wertvollen Funktionen des Waldes die zum Teil auch wichtige Beitraumlge fuumlr die Anpas-sung an den Klimawandel leisten koumlnnen bedarf es eines groszligangelegten globalen Konzepts mit wir-kungsvollen Anreizen um die schnelle Entwaldung zu verhindern

vorbeugende Maszlignahmen effektiv sind da sie Verluste mindern und sich finanziell auszahlen Die Kombination von vorbeugenden Maszlignahmen und Katastrophenhilfe verspricht die besten Erfolge bei der Anpassung an den Klimawandel

Politisch relevant ist insbesondere die Frage der Finan-zierung der Anpassungsmaszlignahmen in Entwicklungs-laumlndern Im UN-Kontext sowie durch die bilaterale Ent-wicklungszusammenarbeit gibt es bereits verschiedene Finanzierungsmechanismen die aber alle weit hinter den geschaumltzten Anpassungskosten von mehr als 70 Milliarden US-Dollar pro Jahr in Entwicklungslaumlndern zuruumlckbleiben115 Die kapitalstarken Hauptverursacher des Klimawandels werden besonders gefragt sein die Kosten der Anpassung in Entwicklungslaumlndern zu tra-gen Das beim Klimagipfel in Cancuacuten bestaumlrkte Verspre-chen der Industrielaumlnder fuumlr Klimamaszlignahmen bis 2020 jaumlhrlich 100 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren wird zu einem wesentlichen Teil auch Anpassungsmaszlignah-men finanzieren muumlssen insbesondere durch den neuen Green Climate Fund Eine gewisse Finanzierungsstruk-tur fuumlr Anpassung im UNFCCC-Kontext besteht bereits Insbesondere der Anpassungsfonds unter dem Kyoto-Protokoll ist hier ein wichtiges Instrument das auch neue Wege in der internationalen Klimafinanzierung eingeschlagen hat116 Auf bilateraler Ebene bietet die

Internationale Klimaschutzinitiative der Bundesregie-rung eine innovative Moumlglichkeit Projekte staatlicher und nichtstaatlicher Akteure in Entwicklungslaumlndern zu finanzieren117 Aber auch insgesamt spielt Anpassung in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit Deutsch-lands und anderer Industrielaumlnder eine wachsende Rolle

68 Technologien und Finanzmarkt

Die langfristig notwendige Verringerung der Treibhaus-gasemissionen weltweit ist nur durch die rasche Verbrei-tung und staumlndige Innovationen im Bereich klimafreund-licher Technologien denkbar auch wenn Einsparungen durch Verhaltensaumlnderungen insbesondere in den In-dustrielaumlndern ebenfalls eine wichtige Rolle zukommt Mittel- bis langfristig ruhen die groumlszligten Hoffnungen auf Erneuerbaren Energien in Kombination mit Energieeffi-zienz Natuumlrlich gilt es auch bei deren Nutzung eine um-weltvertraumlgliche effiziente und zukunftsfaumlhige Anwen-dung sicherzustellen Kritische Aspekte (z B im Bereich der Biotreibstoffe) gilt es zu beruumlcksichtigen und gegen ihren klimapolitischen Nutzen abzuwaumlgen So zeichnet sich ab das Biotreibstoffe der ersten Generation selten aus klimapolitischer Sicht sinnvoll sind Bereits heute

115 Siehe z B Weltbank 2010 116 S Harmeling und Kaloga 2010117 S wwwbmu-klimaschutzinitiativede

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wird deutlich dass ihre Gewinnung mit Werten wie Er-naumlhrungssicherung und Artenvielfalt in Konflikt geraumlt Andererseits ist klar dass Biomasse eine wichtige Saumlule einer globalen Klimastrategie ist

Erfreulicherweise setzen immer mehr Laumlnder auf diese erneuerbare Energien und foumlrdern deren Einfuumlhrung durch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingun-gen118 Die Wachstumsraten im Bereich der Erneuerba-ren Energien sind jedoch derzeit insgesamt noch nicht hoch genug um die fossilen Energien weitgehend ab-loumlsen zu koumlnnen Bis Mitte des Jahrhunderts wird dies allerdings in vielen Regionen und Bereichen fuumlr moumlglich gehalten Technologien im Bereich Energieeffizienz koumlnnen einen sehr kurzfristig umsetzbaren und groszligen Beitrag zum Klimaschutz leisten Neben der bdquoAngebots-seiteldquo wie z B im Bereich Kraft-Waumlrme-Kopplung sind groszlige Einsparpotenziale auf der bdquoNachfrageseiteldquo vor-handen beispielsweise durch Waumlrmedaumlmmung von Ge-baumluden zur Reduktion des Heizenergieverbrauchs und effizientere Geraumlte bzw Maschinen und Motoren Dies gilt auch fuumlr den Verkehrssektor wo eine starke Effizi-enzsteigerung von Fahrzeugen dringend notwendig ist Allerdings zeigt sich auch dass ndash wenn die Energiepreise nicht durch eine Oumlkosteuer oder den Emissionshandel steigen ndash die Effizienzgewinne durch groumlszligere oder zahl-reichere Wohnungen Geraumlte Autos usw schnell aufge-fressen werden (bdquorebound effectldquo)

Als neue Technologie im Bereich der Nutzung fossiler Energietraumlger ist die CO2-Abscheidung und -Lagerung (CCS) im Gespraumlch119 Damit soll CO2 im Zuge der Ver-brennung von Kohle Oumll oder Gas abgeschieden und dann unterirdisch an einem geeigneten Ort sicher und dauer-haft gelagert werden Zwar birgt die Lagerung von CO2 in der Geosphaumlre einige Risiken und vor der Verbreitung dieser Technologie muumlssen wichtige Fragen bezuumlglich der oumlkologischen Sicherheit der oumlkonomischen Dimen-sion oder der Haftung im Schadensfall geklaumlrt werden Dennoch kann Abscheidung und unterirdische Lage-rung des CO2 gerade mit Blick auf die Entwicklungen im Energiesektor in China und andere Kohleregionen ndash dort muss weiter mit hohem Kohleverbrauch gerechnet wer-den ndash eine wichtige Bruumlckenloumlsung werden Oumlffentliche Gelder die fuumlr Forschung und Entwicklung von Techno-logien in den Bereichen Energieeffizienz und Erneuerba-re Energien vorgesehen sind sollten allerdings nicht in die CCS-Entwicklung umgeleitet werden

In Deutschland sind die notwendigen CO2-Einsparungen im Energiebereich ohne CCS moumlglich Hier liegt die Not-wendigkeit der Erforschung von CCS eindeutig im Be-reich der industriellen Prozessemissionen aus der Stahl- Zement- und Kalkproduktion wo es weniger Alternati-ven als im Strombereich gibt120 Neue Technologien in diesem Bereich sollten allenfalls getestet werden um sie in China und anderen Schwellenlaumlndern einzusetzen

In Deutschland koumlnnen die Klimaziele besser ohne Kraft-werksneubauten mit oder ohne CCS erreicht werden Insgesamt geht es letztendlich um eine Risiko-Abwauml-gung Energieeffizienz und Erneuerbare Energien soll-ten deshalb generell den Vorrang haben Im Zweifelsfall duumlrfte bei der Kohleverbrennung die Lagerung von CO2 in der Atmosphaumlre ein groumlszligeres Risiko darstellen als un-ter der Erde sollte diese Technologie wirklich funktio-nieren

Klar ist heute dass die Welt das Klimaproblem nur durch einen breiten Technologiemix in den Griff bekommen kann Mit vielen der heute bereits existierenden Tech-nologien koumlnnen CO2- und andere Treibhausgas-Emissi-onen bereits massiv gesenkt werden Gleichzeitig sind in Bezug auf kommende Jahrzehnte deutlich houmlhere Inves-titionen in Forschung und Entwicklung von Erneuerba-ren Energien Energieeffizienz und intelligenten Netzen oder auch fuumlr die Neuausrichtung einer Landwirtschaft die der Ernaumlhrungssicherung und dem Klimaschutz so dient dass sich diese Ziele unterstuumltzen dringend not-wendig In Bezug auf Erneuerbare Energien gilt es auch ganz genau auf die Ressourcenbilanz zu schauen Viele Rohstoffe die fuumlr diese Technologien heute wichtig sind sind nur in begrenztem Maszlige vorhanden

Fuumlr Investitionen in Klimaschutztechnologien sind Rah-menbedingungen notwendig die es fuumlr die Akteure am Finanzmarkt und in anderen Bereichen der Wirtschaft attraktiv machen lieber in diese Technologien zu inves-tieren als in klimaschaumldliche Auch in diesen Kreisen wird Klimawandel immer mehr als Kostenfaktor gesehen zum einen durch die direkten Schaumlden infolge von Wetter-extremen etc So hat Sir Nicholas Stern in einer viel be-achteten Studie geschaumltzt dass die Kosten die bei un-gehemmtem Klimawandel durch dessen Auswirkungen entstehen koumlnnten 5 bis 20 Prozent des jaumlhrlichen glo-balen Bruttoinlandprodukts betragen koumlnnten121 Zum anderen entstehen Kosten durch politische Regulierung wie durch den Emissionshandel oder CO2-Steuern Daruuml-ber hinaus nimmt die Bedeutung der Unternehmensver-antwortung (bdquoCorporate Social Responsibilityldquo) in der Oumlffentlichkeit zu so dass Klimaschutzmaszlignahmen sich zunehmend guumlnstig auf das Unternehmensimage aus-wirken waumlhrend das Unterlassen von Klimaschutzmaszlig-nahmen dem Image schadet Und nicht zuletzt koumlnnte das Risiko von Schadensersatzklagen eine unmittelbare Auswirkung auf den Marktwert eines Unternehmens ha-ben

Doch trotz aller Fortschritte bezuumlglich der Beruumlcksich-tigung des Klimawandels durch den Finanzmarkt In der tatsaumlchlichen Geldanlagepolitik der groszligen Banken Versicherer und Pensionsfonds spielt die Vermeidung von Klimarisiken zwar eine wachsende bisher aber noch untergeordnete Rolle Entsprechend zentral sind lang-fristig verlaumlssliche politische Rahmenbedingungen

118 REN 21 2010 119 CCS = CO2 Capture and Storage Ein umfangreicher Sonderbericht

des IPCC zum Thema CCS ist unter httpwwwipccch abrufbar

120 Germanwatch 2010b121 Stern 2006

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69 Demokratie und die groszlige Trans formation

Der Klimawandel stellt eine enorme Herausforderung fuumlr die heutigen Demokratiemodelle dar Es gibt zumin-dest fuumlnf zentrale Herausforderungen

1 Erstens gelingt es bisher nicht dass Grundprinzip der Demokratie dass die Betroffenen an Entscheidun-gen beteiligt werden sollen zu beruumlcksichtigen So haben die am staumlrksten betroffenen Menschen in Ent-wicklungslaumlndern allenfalls bei UN-Klimaverhandlungen durch ihre Regierungen ein gewisses Mitspracherecht Bei den nationalen Klimaschutzentscheidungen in In-dustrie- und Schwellenlaumlndern und bei G20- bzw G8-Gipfeln sind sie auszligen vor

2 Zweitens neigt die Politik in Demokratien aufgrund der etwa vierjaumlhrigen Wahlzyklen zu einer systemati-schen Vernachlaumlssigung von langfristigen Problemen wie dem Klimawandel Heutige Klimaschutzentschei-

dungen wuumlrden das Klima bis 2030 so gut wie nicht mehr beeinflussen das Klima in den Folgejahrzehnten jedoch gravierend Dann aber sind heutige Politiker laumlngst ab-gewaumlhlt und muumlssen sich nicht mehr dafuumlr verantworten

3 Drittens stellen irreversible Veraumlnderungen die eine Generation uumlber die naumlchste verhaumlngt das demokrati-sche Prinzip der bdquoEntscheidungen auf Zeitldquo in Frage ndash das trifft auf die Nutzung fossiler Energietraumlger und den Kli-mawandel ebenso zu wie auf den Einsatz von Kernkraft

4 Viertens sind die Interessenverbaumlnde der sich auf fossile Traumlger stuumltzenden Energiewirtschaft und der von Kurzfristinteressen gepraumlgten Finanzakteure so gut organisiert dass wichtige Demokratien ndash wie etwa die USA ndash zum Teil wie Marionetten erscheinen

5 Fuumlnftens wird die Handlungsfaumlhigkeit der Demo-kratie angesichts solcher Herausforderungen zu einem zentralen Argument in Diskussionen mit Akteuren wie China die einem aufgeklaumlrtem Autoritarismus das Wort reden

122 Siehe wwwatmosfairde 123 IPCC 1999 8124 Lee et al 2010

Info-Kasten 7 Flugverkehr und Klimaschutz

Die internationale Luft- und Schiffsverkehrsbran-che ist (neben der Landwirtschaft) die einzige treib-hausgasintensive Branche die klimapolitisch nicht reguliert ist da sie nicht durch das Kyoto-Protokoll erfasst wurde Die bisher einzige aber wichtige Aus-nahme ist der Einbezug des Flugverkehrs in den euro-paumlischen Emissionshandel durch den auch Fluumlge au-szligerhalb Europas erfasst werden soweit sie in Europa landen oder aus Europa abgehen Dabei schaumldigt ein Flug das Klima pro zuruumlckgelegtem Kilometer pro Per-son um ein Mehrfaches einer Auto- oder Bahnreise122

Dies liegt vor allem daran dass bei Fluumlgen uumlber 700 km wegen der dann groszligen Flughoumlhe nicht allein das Kohlendioxid klimaschaumldlich wirkt Hinzu kommen u a auch Kondensstreifen und Zirruswolken die sich in groszliger Houmlhe bilden und das regionale Klima beein-flussen koumlnnen

Der IPCC hat daher die gesamte Klimawirkung der verschiedenen Effekte ausgedruumlckt durch den so-genannten bdquoRadiative Forcing Indexldquo (RFI) auf min-destens das Zwei- bis Vierfache des CO2-Ausstoszliges geschaumltzt123 Neuere wissenschaftliche Forschungen deuten darauf hin dass diese Werte noch houmlher lie-gen koumlnnten124 Allerdings bestehen einige wissen-schaftliche Unsicherheiten Der Gesamtanteil am menschgemachten Treibhauseffekt wird auf bis zu 14 Prozent geschaumltzt (im Jahr 2005)125 Besonders problematisch sind die ndash trotz Wirtschaftskrise ndash ins-

gesamt sehr hohen Wachstumsraten die natuumlrlich auch zu einem Anstieg der Emissionen fuumlhren Je nach Szenario koumlnnten sich die Emissionen aus dem Flug-verkehr bis 2050 verdreifachen

Verschiedene Wege sind zudem denkbar wie man die Fluggaumlste und die Branche in die Verantwortung nehmen kann ndash trotz fehlender oder unzureichender politischer Regulierung Am wirkungsvollsten ist es auf unnoumltige Fluumlge zu verzichten Fluggaumlste haben aber auch die Moumlglichkeit bereits jetzt auf freiwil-liger Basis aktiv zu werden durch die Unterstuumltzung von Klimaschutzprojekten die Emissionen in einer Houmlhe einsparen welche aumlquivalent zur Erwaumlrmungs-wirkung des Fluges sind126 Angesichts des im Ver-gleich zur Wachstumsrate des Flugverkehrs recht geringen Potenzials von technischen Verbesserungen ist jedoch eines klar Moumlchte man das Wachstum der Flugverkehrsemissionen zumindest deutlich abbrem-sen so reichen solche freiwilligen Loumlsungen mittel- bis langfristig nicht aus Sie sind nur als Ergaumlnzung zu verbindlichen Regelungen und oumlkonomischen Instrumenten zu sehen Neben dem Einbezug in den Emissionshandel sollten daher auch eine Emissions-abgabe und der Abbau verschiedener Subventionen angestrebt werden insbesondere auch um zu der international notwendigen Klimafinanzierung in Ent-wicklungslaumlndern beizutragen

125 Lee et al 2010126 Siehe z B httpwwwatmosfairde

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Info-Kasten 8 Geo-Engineering

Neben den bisher beschriebenen Ansaumltzen gibt es die Vorstellung der Mensch koumlnne die Entwicklung des Klimasystems gezielt steuern Im Englischen wer-den solche Methoden unter dem Begriff des bdquoGeo-Engineeringldquo zusammengefasst Ein Ansatz an dem zunehmend intensiver geforscht wird besteht darin die CO2-Aufnahmekapazitaumlt der Ozeane zu erhoumlhen ndash durch Duumlngung mit Eisenspaumlnen Eine solche Duumln-gung haumltte ein beschleunigtes Wachstum des Phyto-planktons zur Folge Dies wuumlrde im Prinzip zu einer houmlheren Aufnahme von CO2 fuumlhren Wenn diese Al-gen dann absterben sollen sie auf den Meeresboden sinken und das CO2 quasi mit in die Tiefe nehmen

Der IPCC bemerkt dazu kritisch dass die wenigen bisher durchgefuumlhrten Studien moumlgliche negative Nebeneffekte nicht ausreichend untersucht haumltten Dazu zaumlhlen die erhoumlhte Produktion von CH4 und N2O sowie die moumlglichen Auswirkungen des schnellen Al-genwachstums auf die Oumlkologie der Meere und die Nahrungskette Eine weitere Option besteht darin die Sonneneinstrahlung kuumlnstlich zu verringern und so die Wirkung des Treibhauseffekts abzuschwaumlchen

Einer der Vorschlaumlge die in diese Richtung zielen sieht vor eine Art riesigen etwa 106 Quadratkilome-ter groszligen Spiegel ins All zu transportieren So soll ein Teil der Sonnenstrahlung vom Eintritt in die At-mosphaumlre abhalten werden Ein weiterer Vorschlag sieht vor die kuumlhlende Wirkung stratosphaumlrischer Aerosole wie sie zum Beispiel von Vulkanausbruuml-chen oder Luftverschmutzung bekannt ist kuumlnstlich zu verstaumlrken Groszlige Mengen Schwefel oder andere Aerosole muumlssten dabei in die Stratosphaumlre gebracht werden

Allen diesen Optionen ist gemeinsam dass sie enor-me oumlkologische und klimatische Nebeneffekte mit sich bringen koumlnnten Wie bei einem Menschen der an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen wird wird auch hier die Eigensteuerung des Systems Erde-Klima auszliger Kraft gesetzt Viele Akteure halten des-halb diese Aktivitaumlten insbesondere wenn sie die Strahlungsaktivitaumlt in der Atmosphaumlre verringern fuumlr indiskutabel

Andererseits zeigt sich uumlberall dass die Umsetzung von Energieeffizienz und die dezentrale Nutzung Erneuerba-rer Energien eine aktive Zivilgesellschaft zur Grundvor-aussetzung hat Die Buumlrger draumlngen ndash trotz zunehmen-der Politikverdrossenheit ndash auf staumlrkere Partizipation

Keine Frage die Demokratie wird sich erneuern muumlssen wenn sie auf Herausforderungen von der Groumlszligenord-nung des Klimawandels angemessene Antworten finden will Aber nicht zuletzt die Ereignisse in der arabischen Welt und der Mittelmeerregion zeigen Demokratie ist eine erneuerbare Ressource der Politik ndash und dieses Potenzial sollten wir nutzen Historisch gesehen haben

sich Diktaturen als zu starr erwiesen um auf dynamische Veraumlnderungsanforderungen reagieren zu koumlnnen Die Wahrnehmung der groszligen Transformation als Veraumlnde-rungschance und nicht als Veraumlnderungszumutung ist daher gerade ein Argument fuumlr eine Staumlrkung der Buumlr-gergesellschaft als Schluumlsselinstrument fuumlr mehr Klima-schutz in Demokratien127 Zugleich sollte es ein wichti-ges Entscheidungskriterium fuumlr politisch eingeleitete Klimaschutzmaszlignahmen sein dass sie die Freiheit des Einzelnen nicht einschraumlnken Allerdings endet die Frei-heit wo sie die Freiheit oder gar die Existenz anderer Menschen gefaumlhrdet

127 Vgl Leggewie und Welzer 2010

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Moderne Zugtechnik traumlgt nicht nur in Deutschland immer mehr zum Klimaschutz bei indem sie eine attraktive Alternative zu Kurzstreckenfluumlgen darstellt

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Wer muss handeln

Ein wichtiger Grund dafuumlr dass bisher erforderliche Maszlignahmen trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse nur zoumlgerlich vorankommen ist die mangelnde Uumlbernah-me von Verantwortung Politik Wirtschaft und Buumlrger schieben diese gerne in jeweils andere Bereiche oder gar auf andere Laumlnder ab Das liegt auch darin begruumlndet dass die Klimaproblematik ein Kollektivgutproblem ist da jeder freien Zugang zu der Atmosphaumlre hat selbst wenn er sie stark verschmutzt

Die besondere Verantwortung der industrialisierten Laumlnder beruht jedoch auf der Tatsache dass sie die Hauptverursacher des menschgemachten Treibhausef-fekts sind und uumlber weit groumlszligere finanzielle Moumlglichkei-ten verfuumlgen als die Entwicklungslaumlnder (siehe auch Ka-pitel 4 5 und 6) Letzteres aumlndert sich allerdings seit der Finanzkrise dramatisch ndash und ist inzwischen angesichts der groumlszligeren finanzpolitischen Spielraumlume dort ein wei-teres Argument dafuumlr auch die Schwellenlaumlnder in die Pflicht zu nehmen

Nur wenn Politik Wirtschaft und Buumlrger die erforder-liche Veraumlnderung auch als Chance begreifen ist ein Wandel moumlglich Fuumlr ein neues Wohlstandsmodell und die Vermeidung eines gefaumlhrlichen Klimawandels sind folglich alle gefragt ndash Politik Wirtschaft und Buumlrger

Zugleich kann Deutschland kurz- und langfristig von sei-nem Engagement im Klimaschutz profitieren Einerseits weil die sonst eintretenden Auswirkungen der Erwaumlr-mung auch Deutschland treffen wuumlrden (Extremwetter-ereignisse Meeresspiegelanstieg usw) Andererseits weil durch Klimainvestitionen und die Vorreiterrolle im Klimaschutz Arbeitsplaumltze geschaffen und wirtschaft-liche Zukunftsmaumlrkte erschlossen werden

Deutschland hat als groszlige Industrienation mit uumlber-durchschnittlichem Pro-Kopf-Ausstoszlig an CO2 maszliggeb-lich zur bisherigen Erderwaumlrmung beigetragen Eine Minderung von mindestens 40 Prozent bis zum Jahr 2020 im Vergleich zum Niveau von 1990 ist daher er-forderlich um zur Begrenzung der weltweiten Erwaumlr-mung auf unter 2 degC beizutragen Seine Verantwortung kann Deutschland jedoch nur uumlbernehmen wenn Politik Wirtschaft und Buumlrger diese nicht in die jeweils anderen Bereiche abschieben sondern jeder seinen Beitrag leis-tet Dieses Kapitel fasst zentrale Aufgaben in verschie-denen gesellschaftlichen Bereichen zusammen

71 Was kann die Politik tun

I Internationale Politik

rarr 1 Forderung nach einer globalen Strategie

Eine globale Aufgabe wie der Klimaschutz braucht eine globale Strategie128 ndash nicht zuletzt wegen der Flexibili-taumlt von Unternehmen die den nationalen Regelungen oft durch Standortverlagerungen ausweichen Folglich muumlssen nicht nur auf nationaler sondern auch auf inter-nationaler Ebene Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz ge-troffen werden Die jaumlhrlich stattfindenden Klimagipfel bieten bereits die Moumlglichkeit zur Vereinbarung einer globalen Strategie

Der bedeutendste erste Schritt hin zu einer globalen Strategie war der Abschluss des voumllkerrechtlich ver-bindlichen Kyoto-Protokolls (siehe Kapitel 6) Dieses ist zwar ein erster Schritt kann aber nur einen nachhaltigen Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels leisten wenn er als Basis fuumlr weitaus ehrgeizigere Maszlignahmen in den folgenden Jahren genutzt wird

Nach den schwachen Ergebnissen von Kopenhagen zeigt sich immer staumlrker dass eine globale Strategie im Zu-sammenspiel von Vorreiterkoalitionen und internationa-len Rahmensetzungen die sich wechselseitig dynamisie-ren verstanden werden muss Fuumlr Deutschland heiszligt das auch dass bilaterale Abkommen mit besonders verletz-lichen besonders progressiven und besonders relevan-ten Staaten eine wichtige Bedeutung haben

rarr 2 Vorsorgepolitik betreiben

Um angemessene Antworten auf den Klimawandel zu fin-den und effektive Vorsorgemaszlignahmen zu treffen ist es wichtig dass die Politik Klimaschutzmaszlignahmen als In-vestitionen in bessere Lebensbedingungen erkennt und Vorsorgepolitik betreibt Die bisherigen Anstrengungen der internationalen Politik werden der Herausforde-rung einen gefaumlhrlichen Klimawandel zu vermeiden und gleichzeitig die Anpassung in besonders betroffenen Regionen zu unterstuumltzen nicht gerecht denn mit den bisher angekuumlndigten Emissionsverminderungszielen steuert die Welt weiterhin auf eine Erderwaumlrmung von 3 bis 4 Grad zu ndash wenn alle Vorhaben umgesetzt werden und was keineswegs gesichert ist ndash keine Schlupfloumlcher die Ernsthaftigkeit der Ziele untergraben Bisher spricht wenig dafuumlr dass der globale Scheitelpunkt der Emissi-onsentwicklung vor 2020 erreicht wird ndash und damit duumlrf-te das 2-Grad-Limit auszliger Reichweite geraten Nachdem

7 Maszlignahmen zum Klimaschutz

128 Zur Diskussion der Moumlglichkeiten den Klimaschutz in die Systemlogik von Politik Wirtschaft und Technologie zu uumlbersetzen siehe Bals 2002

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sich die USA in eine Situation der Handlungsunfaumlhigkeit manoumlvriert haben kann die notwendige Dynamik nur entstehen wenn sich die EU und China uumlber ihre Mini-malziele von Kopenhagen hinaus bewegen

rarr 3 Finanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen gerecht regeln

Damit eine angemessene globale Klimaschutzstrategie moumlglich wird muss die internationale Politik entspre-chende Rahmenbedingungen schaffen und die Finan-zierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen gerecht regeln Zum einen geht es darum moumlglichst verursachergerecht ndash etwa durch Erloumlse aus dem Emis-sionshandel und eine Abgabe auf den internationalen Flug- und Schiffsverkehr die notwendigen oumlffentlichen Gelder einzusetzen Zum anderen sollten diese Gelder vor allem soweit es um Gelder fuumlr den Klimaschutz geht mit optimaler Hebelwirkung so fuumlr Rahmenbedingungen und Infrastruktur eingesetzt werden dass ein Vielfaches an privaten Finanzstroumlmen dementsprechend umgelei-tet wird Die Industriestaaten als Hauptverursacher fuumlr Auswirkungen und Schaumlden des Klimawandels tragen die groumlszligte Verantwortung Sie stehen nach dem Verursa-cherprinzip somit in der Pflicht die besonders betroffe-nen Laumlnder und Bevoumllkerungsgruppen bei Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen technisch und finanziell zu unterstuumltzten Eine gerechte und verlaumlssliche Finanzie-rung ist zugleich ein aktiver Beitrag fuumlr eine sicherere Welt und sollte daher im Sinne der Industrienationen sein Aufgrund des zweiten Prinzips der Frage nach der Handlungsfaumlhigkeit der Staaten muss allerdings nach der Finanzkrise auch die Frage nach einer finanziellen Beteiligung der Schwellenlaumlnder gestellt werden

II Nationale Politik

rarr 1 Rahmenbedingungen fuumlr ein klima-freund liches Wohlstandsmodell schaffen

Die Industriestaaten koumlnnen die Rahmenbedingungen fuumlr ein klimafreundliches Wohlstandsmodell vorantrei-ben indem sie klimafreundliche Handlungen foumlrdern und klimaschaumldliche Handlungen einschraumlnken

n Klimafreundliche Handlungen foumlrdern und klima-schaumlndliche Handlungen einschraumlnken

Klimafreundliche Handlungen koumlnnen durch erfolg-reiche Klimaschutzpolitikmodelle Gesetze und Klima-investitionen gefoumlrdert werden Langfristig sind sie schon deshalb fuumlr die Gesellschaft ein finanzieller Ge-winn weil die entstehenden Kosten sehr wahrschein-lich niedriger sein werden als die zu erwartenden Fol-gekosten eines Klimawandels insbesondere wenn man

positive Nebeneffekte von Klimaschutzmaszlignahmen ein bezieht129 Aber auch kurzfristig koumlnnen sich diese Investitionen auszahlen weil Gelder nicht in meist un-demokratische Staaten fuumlr Oumll- und Gas uumlberwiesen son-dern in der Region investiert werden weil Innovationen vorangetrieben Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen geschaffen werden Am Beispiel der Energieversorgung werden im Folgenden konkrete Handlungsmoumlglichkei-ten der Politik veranschaulicht

n Erneuerbare Energien muumlssen ausgebaut und effiziente Energiestrukturen gefoumlrdert werden

Die Politik in Deutschland hat bereits einige wichtige Fortschritte gemacht wie zum Beispiel die Einfuumlhrung des Energieeinspeisegesetzes (EEG) zeigt Das auf einem Ansatz aus dem Jahr 1990 fuszligende im Jahr 2000 offiziell implementierte und fortwaumlhrend weiter entwickelte Ge-setz garantiert Produzenten von Erneuerbaren Energien uumlber einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren einen festen Verguumltungssatz und verpflichtet die Netzbetreiber zur vorrangigen Abnahme der erzeugten Strommengen Innerhalb weniger Jahre ist damit der Anteil der Erneu-erbaren an der Stromversorgung auf ca 17 Prozent ge-stiegen Auch im Bereich der Gebaumludesanierung und der Waumlrmeversorgung aus Erneuerbaren Energien gab es durch verschiedene Foumlrderprogramme bereits beacht-liche Fortschritte doch entscheidende Weichenstellun-gen hin zu einer 100-prozentigen Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien stehen noch aus

Um das 2-Grad-Limit einzuhalten sind daruumlber hinaus noch weitere Maszlignahmen erforderlich wie zum Beispiel ein sich selbst dynamisierendes Foumlrderprogramm fuumlr die Marktfuumlhrer der Energieeffizienz bei verschiedenen Ge-raumlten (Top-Runner-Ansatz) die Forschungsfoumlrderung im Bereich Energieeffizienztechnologien oder die Einfuumlh-rung eines Foumlrdergesetzes fuumlr Erneuerbaren Energien im Bereich Gebaumludeheizung -kuumlhlung und Warmwasserbe-reitung

Am erstrebenswertesten waumlre eine Komplettversorgung mit Oumlkostrom in Europa und angrenzenden Regionen zu sozialvertraumlglichen Kosten Die Idee hinter dem so ge-nannten bdquoSuperSmartGridldquo-Ansatz (SSG) ist die Kombi-nation von zwei Ansaumltzen die all zu oft gegeneinander ausgespielt werden Zum einen das dynamische Voran-treiben von dezentral erzeugten Erneuerbaren Energien Dies hat aus Gruumlnden der regionalen Wertschoumlpfung und der Aufwertung ganzer Regionen der Identifizierung der Buumlrger und Buumlrgerinnen mit ihrer Stromversorgung und der Energiesicherheit viel fuumlr sich Ein Smart Grid ermoumlglich die optimale Abstimmung der dezentralen Er-zeugung mit dem Verbrauch von Wirtschaft und privaten Verbrauchern so dass sich das Problem der fluktuieren-den Verfuumlgbarkeit von Strom relativiert

129 Stern 2006

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Zum anderen aber geht es ndash unter dem Stichwort Super-grid ndash um ein europaweites Stromnetz bei dem jedes Land die besonders effizient nutzbaren und groszligen Po-tenziale nutzt die es bezuumlglich Erneuerbarer Energien hat Wind- und Wasserkraft aus Nordeuropa Biomasse aus Zentraleuropa Solarstrom aus der Sahara usw Die-ses Kontinente uumlbergreifende Stromnetz kann Realitaumlt werden wenn die Politik sich fuumlr folgende Maszlignahmen einsetzt eine massive Foumlrderung Erneuerbarer Ener - gien einen auf Erneuerbare Energien ausgerichteten Stromnetzausbau und eine verbesserte nationale so-wie europauml ische Energierahmengesetzgebung Studien zeigen dass eine entsprechende Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien gemeinsam mit einem starken Schub fuumlr Effizienz mit aumlhnlichen Kosten verbunden waumlre wie wenn man einen hohen Anteil an Kohle- und Atomstrom beibehalten wuumlrde130 Aber wenn es die Vollversorgung Europas mit Erneuerbaren Energien vor 2050 geben soll dann muumlssen jetzt die Weichen dafuumlr gestellt werden

n Abschaffung von klimaschaumldlichen Subventionen ndash keine Foumlrderung von Kohle und Atom

Der Neubau von Kohlekraftwerken ist hochproblema-tisch auch wenn neue Kraftwerke deutlich effizienter sind als aumlltere weil beim Verbrennen von Stein- und Braunkohle im Vergleich zu Oumll und Gas ein Mehrfaches an CO2 entsteht Da die Kohlevorraumlte deutlich groumlszliger sind als die Reserven aller anderen fossilen Energietrauml-ger ist daruumlber Hinaus zu erwarten dass die CO2-Pro-blematik durch entsprechend lange Laufzeiten bis weit in die Zukunft ungeloumlst bliebe Subventionen in Kohle Atom und beim Flugverkehr muumlssen abgeschafft wer-den Milliardensubventionen in diesen Bereichen schauml-digen das Klima einerseits durch den Ausstoszlig von Treib-hausgasen und andererseits weil sie die oumlkonomische Wettbewerbsfaumlhigkeit klimaschonender und generell risikoaumlrmerer Alternativen reduzieren

n RegulierungVerteuerung von klimaschaumldlichen Handlungen

Theoretisch ist unumstritten dass der Markt nur eine gewuumlnschte Lenkungswirkung erzielen kann wenn die Internalisierung externer Kosten gelingt Dabei werden die verursachten Kosten in die Preise klimaschaumldlicher Produkte und Dienstleistungen eingerechnet und somit internalisiert Beispiele dafuumlr sind das Verursacherprin-zip beruumlcksichtigende verbrauchsabhaumlngige Steuern (Oumlkosteuer etc) bzw Abgaben (z B auf Mineraloumll) Der Emissionshandel internalisiert prinzipiell die externen Kosten da er zum einen CO2 einen Preis gibt und da-mit in die Wirtschaftslogik einfuumlhrt und zum anderen weil er die Menge der erlaubten Emissionen nach oben begrenzt Eine volle Internalisierung waumlre das aber nur wenn das Ziel einer 80 bis 95-prozentigen Reduktion von

Treibhausgasen bis 2050 jetzt schon rechtlich verbind-lich den Akteuren vorgegeben wuumlrde Eine Kombination von verbrauchsabhaumlngigen Steuern und Emissionshan-del mit ausreichend scharfen Zielen ndash je nach Sektoren ndash kann einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz leis-ten

rarr 2 Vorreiterrolle im Klimaschutz einnehmen

Auch wenn die internationale Politik fuumlr eine globale Strategie verantwortlich ist kann sich jedes Land und jede Region Deutschlands fuumlr den Klimaschutz enga-gieren Deutschland kann dabei als Exportweltmeister seine Position nutzen und eine Multiplikatoren- bzw Vorreiterrolle hinsichtlich effizienter Klimaschutzpoli-tik einnehmen denn auch erfolgreiche Politikmodelle koumlnnen bdquoexportiertldquo werden Das in Deutschland sehr erfolgreiche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist in mittlerweile in mehr als 45 Laumlndern Vorbild fuumlr gesetz-liche Rahmenbedingungen

Auch einzelne Regionen Deutschlands sind gefragt denn kommunalpolitische Beispiele koumlnnen als Vorbild fuumlr die Bundesebene dienen Wenn Deutschland zeigt dass man auch ohne Kohle und Atom eine international fuumlhrende Volkswirtschaft mit einem attraktiven Wohl-standsmodell bleiben kann waumlre dies ein fundamental wichtiger Beitrag fuumlr die internationale Debatte Viele Laumlnder schauen auf Deutschland ob es gelingt den an-gekuumlndigten beschleunigten Ausstieg aus der Atomener-gie mit den ambitionierten Klimazielen zu kombinieren Wenn dies gelingt kann diese Strategie zum Exportmo-dell werden Im Gegenzug sollten Deutschland und die EU die positiven Erfahrungen nutzen die andere Laumln-der gemacht haben Derzeit wird dabei das japanische bdquoTop-Runner-Modellldquo diskutiert das sich am jeweiligen Effizienzspitzenreiter orientiert und dynamische Effi - zienzstandards fuumlr Energie verbrauchende Geraumlte setzt

rarr 3 Die Politik sollte mit gutem Beispiel vorangehen

Es reicht insgesamt nicht wenn Politiker nur die Rah-menbedingungen fuumlr Klimaschutz schaffen Sie muumlssen den Waumlhlern gegenuumlber offensiv vertreten dass Kli-maschutzmaszlignahmen Investitionen in zukunftsfaumlhige Lebensbedingungen sind Am glaubwuumlrdigsten ist es wenn die Politik und die einzelnen Politiker selbst zu Vorbildern werden Zum Beispiel koumlnnte der Staat mit einer klimafreundlich ausgerichteten oumlffentlichen Be-schaffung Investitionsstroumlme in Richtung nachhaltiger Produkte und Unternehmen lenken131 Etwa im Ver-kehrsbereich ndash von Bussen uumlber Dienstfahrzeuge bis hin zum regelmaumlszligigen hochqualitativen Ausgleich bei Flug-verkehrsreisen ndash bei effizienten Computern oder im Ge-baumludebereich koumlnnte die Marktmacht der oumlffent lichen Hand erhebliche Lenkungswirkung erzielen

130 ECF 2010131 Germanwatch 2010d

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Der Lebensstil von Bundes- oder EU-Politikern ist ndash an-gesichts der Anforderungen an Mobilitaumlt ndash nur schwer wirklich klimavertraumlglich zu gestalten Aber umso mehr koumlnnen sie sichtbare Signale fuumlr einen klimavertraumlg-lichen Lebensstil geben Wichtiger ist jedoch dass sie ihre Unabhaumlngigkeit bewahren und sich nicht von kli-makritischen Lobbygruppen beeinflussen lassen Wer wissenschaftlich abgesicherte Positionen zu einer kaumluf-lichen Ware macht verkauft kuumlnftige Generationen

72 Was kann die Wirtschaft tun

Herausforderungen fuumlr die Wirtschaft

Kaum ein Unternehmen aus dem CO2-intensiven Bereich verfolgt derzeit eine mit dem 2 degC-Limit vertraumlgliche Unternehmensstrategie obwohl sie nach den OECD-Leit linien132 sogar dazu verpflichten sind sich an der er-klaumlrten Politik ihres Landes auszurichten

Der globale Klimawandel birgt fuumlr Wirtschaft und Unter-nehmen erhebliche Risiken wodurch die Wertentwick-lung von Investitionen und Unternehmen nachhaltig bedroht werden kann Eine ernsthafte Klimaschutzstra-tegie bietet zwar auch Risiken aber auf der anderen Seite ndash insbesondere bei klaren langfristigen politischen Rahmensetzungen ndash groszlige Chancen fuumlr die Wirtschaft So entstehen sehr groszlige neue Geschaumlftsfelder wie die Bereiche Zukunftstechnologien (Erneuerbarer Energi-en Energieeffizienz Elektromobilitaumlt etc) sozial-oumlko-logische Stadtplanung oder klimafreundliche Finanz-anlagen Gelingt es den Unternehmen sich an diese neue Situation schnell und umfassend anzupassen kann neben dem effektiven Klimaschutz auch sozialer und oumlkonomischer Mehrwert gesichert werden

Jedes Unternehmen weiszlig Wenn die Weltgesellschaft sich in Richtung Klimaschutz bewegt dann sind die eige-nen Klimaschutzinvestitionen von heute gut angelegtes

Vertreter der Finanzwirtschaft beraten uumlber den EU-Emissionshandel Workshop von UNEP-Finanzinitiative und Germanwatch mit Finanz-Ratingagenturen im April 2004 Foto Gerold Kier

132 Siehe wwwgermanwatchorgcorpuvhtm

Geld Die Strategie der Gegner zielt deshalb darauf ab vor allem in den USA Zweifel an einer solchen Strategie zu saumlen Doch die positiven wenn auch in Geschwin-digkeit und Ausmaszlig nicht ausreichenden Tendenzen in vielen Schwellenlaumlndern zeigen bereits heute Schon mittelfristig gehoumlrt eine ambitionierte Klimaschutzstra-tegie ebenso zur Grundausruumlstung eines erfolgreichen Unternehmens wie dies fuumlr zukunftsfaumlhige Arbeitsplaumltze der Fall ist

rarr Direkte und regulative Finanzrisiken erkennen

Wichtig fuumlr die Unternehmen sind die Identifizierung von Klimarisiken und -chancen sowie ein darauf beru-hendes Risikomanagement Welche direkten Klima- und Wetterrisiken koumlnnten relevant fuumlr uns sein Wo sind wir auf die absehbaren klimapolitischen Rahmensetzungen nicht vorbereitet Welcher Imageschaden droht uns als Klimaschutz-Verweigerer Auf welche Klagen muumlssen wir uns als Verursacher des Klimawandels einstellen Welche Chancen ergeben sich fuumlr uns aus einer aggres-siven Klimaschutzstrategie Wie muumlssen wir uns auf-stellen um diese nutzen zu koumlnnen Dafuumlr bedarf es der Entwicklung von Methoden die ndash moumlglichst modular aufgebaut ndash eine systematische Beruumlcksichtigung von Klimarisiken im Risikomanagement ermoumlglichen

Durch die Anwendung der Methoden wird eine bessere Bewertung der Folgen des Klimawandels und ihrer finan-ziellen Implikationen moumlglich

rarr Chancen des Klimawandels nutzen ndash Investitionen in Zukunftstechnologien

Wenn die Chancen identifiziert sind gilt es diese auch zu nutzen Besonders vielversprechend sind Investi-tionen in Zukunftstechnologien die zugleich einen klimafreundlichen Lebensstil ermoumlglichen Diesbezuumlg-

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lich sind besonders die Bereiche Erneuerbare Energien Effizienztechnologien und Verkehr (Innovative Schie-nenkonzepte Elektromobilitaumlt Hybridtechnologien etc) zukunftstraumlchtig Ganze Branchen setzen ihre Zu-kunft aufs Spiel wenn sie die neuen Trends verpassen So hat die deutsche Automobilindustrie den Trend zum Hybrid- und Elektroauto zunaumlchst verschlafen Das Ge-schaumlftsmodell der groszligen Energieversorger in Deutsch-land hat sich nicht bzw voumlllig unzureichend auf den massiven Ausbau von Energieeffizienz (etwa durch Con-tracting) und Erneuerbaren Energien eingestellt Die Stahl- und Zementindustrie blockiert klimavertraumlgliche Alternativen etwa basierend auf beschichteten Kohlen-stofffasern anstatt diese zuumlgig voranzubringen

rarr Nachhaltiges und klimafreundliches Wirtschaften in Unternehmen

Neben der Wahlmoumlglichkeit von Guumltern die ein Un-ternehmen produziert bzw anbietet koumlnnen Klima-schutzaspekte auch im Unternehmensbetrieb und in der Produktion beruumlcksichtig werden

Betriebliche Oumlkobilanzen oder Nachhaltigkeitsberich-te bieten zum Beispiel die Chance klimafreundliche Einsparungspotenziale zu identifizieren Haumlufig gibt es ndash besonders bei den nicht ganz so energieintensiven Branchen wo schon der Energiepreis ein starker Antrieb ist ndash in den Bereichen Energie Beschaffung Produktion Absatz und Verkehr groumlszligere Einsparpotenziale die den Unternehmern nicht bewusst sind

n Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Im Bereich Energie gilt es auf Erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu setzen Auch der Stromverbrauch im Unternehmen kann haumlufig gesenkt werden wofuumlr es zahlreiche Wege gibt (siehe 73 bdquoBuumlrgerldquo)

Regionale Wirtschaftsfoumlrderung In den Bereichen Beschaffung Produktion und Absatz ist es manchmal wichtig in der Naumlhe zu suchen statt in die Ferne zu schauen Lange Transportwege bewirken einen hohen CO2-Ausstoszlig weshalb von Umweltorganisationen und Verbaumlnden zunehmend die Staumlrkung regionaler Wirt-schaftskreislaumlufe gefordert wird Bei der Produktion mag Outsourcing ins Ausland augenscheinlich erst ein-mal Kosteneinsparungen mit sich bringen Doch mit langen Transportwegen wird haumlufig die Kommunikation und Kontrolle im Unternehmen erschwert und der CO2-Ausstoszlig erhoumlht133

n Nachhaltige Ressourcen

Bei der Produktion und Beschaffung sollte auch auf die Klimabilanz und Nachhaltigkeit der verwendeten Res-sourcen und Produkte geachtet werden Mittlerweile

gibt es fuumlr viele Bereiche (Holz Papier Lebensmittel etc) Zertifizierungen die nachhaltige Produkte kenn-zeichnen

n Nachhaltige Dienstreisetaumltigkeiten

Der Bereich Verkehr umfasst die Dienstreisetaumltigkeiten der Mitarbeiter sowie die bereits erwaumlhnten Bereiche Beschaffung und Absatz Generell gilt es den CO2-Ausstoszlig kleinstmoumlglich zu halten indem man nur den notwendigen Verkehr taumltigt und z B bei routinemaumlszligig abgehaltenen Besprechungen die Nutzung von Video- oder Telefonkonferenzen in Betracht zieht Durch eine systematische Optimierung der Dienstreisetaumltigkeit koumlnnen Unternehmen Geld sparen und zugleich den Aus-stoszlig von Treibhausgasen reduzieren Ein weiterer Weg zur Reduktion des CO2-Ausstoszliges ist die Nutzung von klimafreundlichen Verkehrsmitteln bei gleichzeitigem Verzicht auf klimaschaumldliche Verkehrsmittel wie das Flugzeug Eine Moumlglichkeit fuumlr CO2-freie Dienstreisetauml-tigkeiten bietet die Deutsche Bahn mit ihrem Programm bdquoUmwelt-Plusldquo Dabei wird der Energiebedarf des Rei-sens im Voraus kalkuliert und in Form von Oumlkostrom ins Netz der Bahn eingespeist Die Initiative Atmosfair (wwwatmosfairde) bietet allgemein die Moumlglichkeit getaumltigte Emissionen durch Spenden fuumlr serioumlse Klima-schutzmaszlignahmen auszugleichen

rarr Gemeinsam ihr Interesse am Klimaschutz aussprechen

Neben diesen beschriebenen Maszlignahmen steht es je-dem Unternehmen offen sich gegenuumlber der Politik aktiv fuumlr mehr Klimaschutzmaszlignahmen einzusetzen Einige Unternehmen haben sich bereits in progressiven Unternehmergruppen wie der 2deg-Initiative oder dem Un-ternehmerrat e5 zusammengeschlossen und koumlnnen so gemeinsam die Beruumlcksichtigung ihrer Klimaschutzinter-essen von der Politik einfordern

Solarthermische Anlagen verringern in immer mehr Haumlusern den fossilen Energiebedarf fuumlr Warmwasser und Heizung Foto Dietmar Putscher

133 Einen interessanten Artikel zum Thema Vor- und Nachteile von Outsourcing bietet bdquoDie Zeitrdquo httpwwwzeitde201016Globalisierung

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73 Was koumlnnen die Buumlrger tunNeben Politik und Wirtschaft haben die Buumlrger eine zentrale Bedeutung in der Realisierung der Klimaziele Wie beschrieben erfordert eine nachhaltige Loumlsung der Klimaprobleme eine kulturelle und industrielle Revolu - tion womit der Buumlrgergesellschaft eine viel gewichti-gere Rolle zukommt als wir ndash ihre Mitglieder ndash bislang wahrzunehmen bereit waren Dass Buumlrgerbewegungen viel bewegen koumlnnen zeigt die Geschichte der Bundes-republik in der die meisten kulturellen Veraumlnderungen nicht auf Anstoszlig der professionellen Politik sondern auf Basis der Initiative Einzelner oder kleiner Gruppen ent-standen sind134 Ein Beispiel dafuumlr ist die Frauenbewe-gung welche eine Aumlnderung der Geschlechterverhaumllt-nisse in der Gesellschaft bewirkte lange bevor auch die Politik Genderaspekte (Gleichstellungsgesetze Frauen-quoten usw) aufgriff Auch die Anti-Atombewegung hat den jetzt verkuumlndeten Atomausstieg durch jahrzehnte-langes Engagement gegen eine steinharte industrienahe Mentalitaumlt durchgesetzt Folglich ist Politik nicht nur was die Politiker machen sondern vielmehr auch das was wir Buumlrger bewegen

Handlungsmoumlglichkeiten

Im Allgemeinen stehen uns verschiedene Wege offen zu handeln doch allen voraus steht die Aufgabe sich zu in-formieren womit auch der Bildungsarbeit eine zentrale Rolle zukommt Jede(r) Einzelne sollte sich uumlber die Fol-gen des eigenen Handelns sowie uumlber Klimaschutzmaszlig-nahmen auf dem Laufenden halten Jede kleine Aktion die zum Klimaschutz beitraumlgt ist wichtig In den folgen-den drei Bereichen gibt es besonders effiziente Hand-lungsmoumlglichkeiten

rarr 1 Einfluss auf die Politik ausuumlben

Buumlndnisse und Buumlrgerinitiativen koumlnnen die Politik haumlu-fig beeinflussen weil sie entweder ein Gegengewicht oder auch einen Partner staatlichen Handelns darstel-len koumlnnen Durch die Beruumlcksichtigung von Klima- und Umweltaspekten bei der politischen Wahlentscheidung kann ebenfalls Einfluss auf die Politik genommen wer-den Dies gilt nicht nur fuumlr Bundestags- und Europapar-laments- sondern auch fuumlr Landtags- und Kommunal-wahlen Denn wichtige Entscheidungen fuumlr oder gegen den Klimaschutz werden auf allen Ebenen getroffen Kli-maschutz sollte daher in allen Faumlllen ein wichtiges Wahl-kriterium sein bdquoWahlpruumlfsteineldquo die von Umweltver-baumlnden und Organisationen vor Wahlen veroumlffentlicht werden koumlnnen bei der Entscheidung helfen

rarr 2 Sich vernetzen

Gemeinsam mit anderen Aktiven ist es haumlufig leichter einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten In der klei-

nen Gemeinde Schoumlnau im Schwarzwald begann zum Beispiel eine private Initiative 1998 mit der Investition in Erneuerbare Energien Anfangs mit Wind- und Solar-energie spaumlter mit Kraft-Waumlrme-Koppelung und Bio-masse konnten sie soviel Energie produzieren dass sie das oumlrtliche Stromnetz uumlbernahmen und ein eigenes Elektrizitaumlts-Werk errichteten Heute versorgen sie mehr als 100000 Kunden135 Betriebe und Industrieun-ternehmen im ganzen Bundesgebiet mit Oumlkostrom und investieren die Gewinne wiederum in eine nachhaltige Energieversorgung Ein weiterer nennenswerter Akteur in Sachen Klimaschutz ist die Klima-Allianz136 ein Buumlnd-nis von mehr als 100 Organisationen aus einem breiten gesellschaftlichen Spektrum das sich gemeinsam fuumlr die Schaffung politischer Rahmenbedingungen einsetzt

Gemeinsames Handeln ist haumlufig nicht nur erfolgreich sondern macht auch viel Spaszlig Ist das Interesse ge-weckt Dann schauen Sie mal unter wwwutopiade oder wwwklimaretterinfo

rarr 3 Nachhaltig konsumieren

Die Einflussnahme auf die Politik und die Vernetzung mit anderen Aktiven sind wichtige Beitraumlge zum Klima-schutz Sie entbinden aber nicht von der eigenen Ver-

Auf wwwutopiade findet man viele interessante Hinweise zu klimafreundlichen Leben

Nachhaltigkeitssiegel koumlnnen eine Orientie rung fuumlr den nachhaltigen Konsum geben

134 Eine ausfuumlhrliche Auseinandersetzung mit der Rolle der Buumlrgergesellschaft bieten Leggewie und Welzer 2010135 Siehe httpwwwews-schoenaudeewshtml 136 Siehe httpwwwdie-klima-allianzde

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antwortung Der Buumlrger hat in seiner Verbraucherrolle besonders viel Handlungsspielraum weil exzessiver Konsum fuumlr die Zerstoumlrung der globalen Oumlkosysteme und den Klimawandel mitverantwortlich ist Wie der Bericht des fuumlhrenden US-amerikanischen Umweltin-stituts Worldwatch zeigt uumlbernutzen wir derzeit die natuumlr lichen Kapazitaumlten der Erde um rund ein Drittel wobei die Hauptverantwortung bei den hoch industria-lisierten Laumlndern liegt137 Abhilfe koumlnnte ein Wandel der Konsumkultur ermoumlglichen wenn er auf Nachhaltigkeit abzielt138 Das heiszligt in anderen Worten Wir Buumlrger und Buumlrgerinnen koumlnnen uumlber unser Konsumverhalten die Lebensqualitaumlt steigern und zugleich das Klima schonen

Folgende vier Grundregeln helfen klima freund-licher und nachhaltiger zu konsumieren

Informieren und Vergleichen vor der Kaufentscheidung Mittlerweile gibt es in vielen Bereichen Zertifizierun-gen die umweltfreundliche Produkte und Sparpoten-ziale auszeichnen An ihnen koumlnnen Verbraucher z B besonders energieeffiziente Geraumlte erkennen So gibt es in einigen Bereichen mittlerweile auch Produkte (z B bei Kuumlhlschraumlnken oder Spuumllmaschinen) die noch deutlich effizienter sind als Energieklasse A

Klima-Konsequenzen bei Kaufentscheidungen beruumlcksichtigen Bei fast allen Einkaumlufen koumlnnen wir Klimakonsequenzen beruumlcksichtigen Wenn sie regionale Produkte einkau-fen verhindern sie zum Beispiel lange Transportwege bei den Produkten

Einkaufen nach Bedarf Haumlufig wird mehr konsumiert als notwendig Auch wenn viele Produkte durch Groumlszlige oder neue technische Moumlg-lichkeiten und Raffinessen beeindrucken sollten Sie uumlberlegen welche Funktionen Sie wirklich brauchen und auf welche Sie verzichten koumlnnen Denn fuumlr viele Gerauml-te gilt je leistungsstaumlrker desto houmlher der Energiever-brauch

Sinnvoll sparen Besonders in den Bereichen die besonders klimaschaumld-lich sind und wo es Einsparpotenziale gibt Im privaten Bereich haben den mit Abstand groumlszligten Anteil am direk-ten und indirekten Treibhausgasausstoszlig der Auto- und Flugverkehr das Heizen sowie die Ernaumlhrung

Die moumlglichen Maszlignahmen werden im Fol-genden anhand verschiedener Bereiche veran-schaulicht

1 Was gibtrsquos zu beachten im Bereich Energie und Heizen

n Energetische SanierungDie energetische Sanierung von Gebaumluden und Raumlumen rechnet sich langfristig haumlufig weil die eingesparten Energiekosten die entstehenden Renovierungskosten meistens ausgleichen insbesondere bei steigenden Kosten fuumlr fossile Energien Im Bereich Waumlrmedaumlm-mung Isolierung (Fenster etc) und Heizungsanlage (siehe oben) gibt es besonders hohe EinsparpotenzialeDie staatseigene Kreditanstalt fuumlr Wiederaufbau (KfW wwwkfwde) bietet z B zinsguumlnstige Kredite oder Zu-schuumlsse fuumlr solche Sanierungen Auch ohne Geld gibt es uumlber bdquoContractingldquo die Moumlglichkeit seine Gebaumlude energetisch zu renovieren Die Idee der Zusammenarbeit mittels bdquoContractingldquo ist einfach Ein Unternehmen das sich auf effiziente Waumlrme- und Energietechnik spezia-lisiert hat renoviert Gebaumlude oder Raumlume Kommunen oder Wohnungsbaugesellschaften bezahlen dafuumlr kei-nen Cent mehr als sonst weil der Sanierer fuumlr mehrere Jahre nur das Geld erhaumllt das der jeweilige Besitzer bis-lang fuumlr Oumll Gas und Strom mehr bezahlt hat Eine klassi-sche Win-Win-Situation

Einen Ratgeber fuumlr Energiespar-Contracting in oumlffent-lichen Liegenschaften hat das Umweltbundesamt ver-oumlffentlicht (siehe httpwwwumweltbundesamtdeproduktebeschaffungenergieversorgungcontractinghtml)

n Passivhaumluser und Plus-Energie-Haumluser Besonders energieeffiziente Gebaumlude sind Passivhaumluser oder Plus-Energie-Haumluser Das Passivhaus ist ein Bau-konzept bei dem Waumlrmedaumlmmung und Luftdichtheit im Vordergrund stehen um die Heizkosten zu reduzieren Das Plus-Energie-Haus geht daruumlber hinaus und ist in der Regel ein Passivhaus in Kombination mit Photovoltaik-anlagen das mehr Primaumlrenergie produziert als es an Heizenergie verbraucht

Waumlrmedaumlmmung vermindert effektiv CO2-Emissionen und wird durch Foumlrdermaszlignahmen unterstuumltztFoto Dietmar Putscher

137 Worldwatch Institute 2010138 Die Vereinten Nationen definieren diesen nachhaltigen Konsum als bdquodie Nutzung von Guumltern und Dienstleistungen die ele-

mentare menschliche Beduumlrfnisse befriedigen und eine bessere Lebensqualitaumlt hervorbringen wobei sie gleichzeitig den Einsatz natuumlrlicher Ressourcen toxischer Stoffe und Emissionen von Abfall und Schadstoffen uumlber den Lebenszyklus hinweg minimieren um nicht die Beduumlrfnisbefriedigung kuumlnftiger Generationen zu gefaumlhrdenldquo

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n EnergiepassBei Mietwohnungen erleichtert der Energiepass der seit 01072008 fuumlr alle Vermieter und Verkaumlufer von Immobilien Pflicht ist die Identifizierung von energie-sparenden GebaumludenRaumlumen Als Mieter lohnt es sich den Vermieter nach dem Energiepass zu fragen und auf moumlgliche Maumlngel hinzuweisen

n In Erneuerbare Energie investierenDurch einen Wechsel von Kohle Oumll- und Gas zu Erneu-erbaren Energien koumlnnen die Emissionen im Haushalt stark gesenkt werden

n Bezug von Oumlko-StromIn den meisten Faumlllen sind der Bezug von Strom aus Er-neuerbaren Energien und der Wechsel des Stromversor-gers heute problemlos moumlglich und nur Sache eines ein-zigen Telefonats Guumlnstige Angebote gibt es bei vielen lokalen Stromversorgern aber auch uumlberregional An-bieter mit den Siegeln bdquook-Powerrdquo oder dem bdquoGruumlner-Strom-Labelrdquo sind aus oumlkologischer Sicht zu empfehlen Zudem sollten die Anbieter eigentumsrechtlich unab-haumlngig von den groszligen Energieversorgern sein

Investitionen in gruumlnen Strom koumlnnen langfristig gese-hen haumlufig Geld sparen und als Beitrag zur Altersvorsor-ge betrachtet werden Teilweise koumlnnen Solarpaneele zum Beispiel bis zu 40 Jahre halten und somit langfristig die Stromkosten senken Der Bau oder die Beteiligung an Projekten zur Nutzung Erneuerbarer Energien (z B Solarstrom Windkraft) sind dabei Geldanlagen die Rendite und Klimaschutz verbinden Buumlrgersolarparks ermoumlglichen eine Beteiligung auch mit kleinen Geldbe-traumlgen und auch wenn man kein eigenes Dach besitzt139

Immer mehr Neubauten werden durch geringen Ener-gie verbrauch und Stromproduktion durch Solarzellen zu bdquoPlusenergiehaumlusernldquo die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen Foto fotoliacom Daniel Schoenen

n Effiziente Heiz- und Warmwasseranlagen nutzenEffiziente Heizanlagen sind z B moderne Pelletheizun-gen Waumlrmepumpen oder auch Gas-Brennwertkessel Warmes Wasser laumlsst sich wiederum kostenguumlnstig und klimaschonend durch Solarwaumlrme erzeugen Besonders lohnenswert ist die Koppelung von Heizenergie- und Warmwassererzeugung und die Ergaumlnzung der Anlage durch Sonnenkollektoren (Der Einbau wird derzeit noch staatlich gefoumlrdert)

n Klimakonsequenzen bei Renovierung Neubau oder Umzug beruumlcksichtigenBei der Errichtung von Gebaumluden der Renovierung oder dem Umzug in neue Gebaumlude gibt es viele Energiespar-moumlglichkeiten

n Wohnung und GroumlszligeNeben dem Energiestandard koumlnnen die CO2-Emissio-nen durch die Wohnortwahl und die Groumlszlige der beheiz-ten Wohnflaumlche beeinflusst werden Bei der Wahl des Wohnorts kann man auf folgende Punkte achten die Naumlhe zum Arbeitsort zur Schule und zu Einkaufsmoumlg-lichkeiten sowie auf eine gute Anbindung an oumlffentliche Verkehrsmittel Dadurch kann eine Reduzierung der Au-tonutzung erzielt werden womit CO2- und Gelderspar-nisse einhergehen Zugleich sollte man sich immer fra-gen wie groszlig die Wohnung oder das Haus wirklich sein muumlssen Eine kleine Wohnung hat auch Vorteile denn Je kleiner die Wohnung desto kleiner ist nicht nur der Energieverbrauch sondern auch die StromrechnungWeitere Infos siehe auch CO2-Online wwwco2onlinede oder Institut Wohnen und Umwelt wwwiwude

n Technik im HausBei dem Kauf von Elektrogeraumlten ist die Wahl von klei-nen Energie einsparenden Geraumlten langfristig betrach-tet gut fuumlr die Umwelt und fuumlr den Geldbeutel

n Energieeffizienz beruumlcksichtigenBei dem Kauf von Haushaltsgeraumlten hilft die Beruumlcksich-tigung der Energieeffizienzklasse die Skala reicht von A-G Fuumlr Kuumlhl- und Gefrierge-raumlte gibt es seit Maumlrz 2004 bun-desweit zusaumltzlich die Katego-rien A+ und A++ die besonders sparsame Produkte kennzeich-nen (httpwwwstromeffizi-enzdeeu-labelhtml)

139 Zum Thema Stromwechsel siehe auch wwwgermanwatchorgstromhtm

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n Kuumlhlen und GefrierenKuumlhl- und Gefriergeraumlte die vor mehr als zehn Jahren gekauft wurden sind meist in der Energieeffizienzklas-se B C oder noch schlechter einzustufen Eine Neuan-schaffung rechnet sich fast immer weil demgegenuumlber moderne Spitzengeraumlte deutlich Kilowattstunden pro Jahr einsparen Natuumlrlich ist es auch wichtig die Groumlszlige an den Bedarf anzupassen Als allgemeine Faustregel gilt Ein Ein- bis Zweipersonenhaushalt braucht 100 bis 120 Liter zum Kuumlhlen und 50 bis 80 Liter zum Gefrieren Wenn man auf das Gefrierfach verzichten kann kann noch einmal deutlich eingespart werden

n Waschen und TrocknenAuch bei Waschmaschinen und Trocknern gilt es Ener-gieeffizienz und Groumlszlige zu beruumlcksichtigen Waschma-schinen muumlssen nach der Energieeffizienzklassifizie-rung (ABC) gekennzeichnet sein (z B AAB) Dabei gibt der erste Buchstabe Auskunft uumlber den Energie-verbrauch der zweite uumlber die Waschwirkung und der dritte uumlber die Schleuderwirkung Eine Uumlbersicht uumlber gute Waschmaschinen und Trockner finden Sie unter wwwecotoptende

Trotz guter Effizienzklassen gibt es auch beim Waschver-halten einige Spartipps Generell gilt es auch die WaschTrockentrommel moumlglichst auszunutzen und nicht nur zur Haumllfte zu befuumlllen wobei moderne Maschinen haumlu-fig Sensoren haben so dass Wasser- und Energieeinsatz entsprechend der Beladung angepasst werden

Bei Trocknern ist uumlberhaupt die Frage ob man sie benouml-tigt oder die Waumlsche nicht auf der Leine kann Wo dies nicht moumlglich ist sind Waumlrmepumpentrockner in der Effizienzklasse A zum Teil 40 Prozent sparsamer als die effizientesten Geraumlte der Klasse B

n Kochen und Backen Generell sind Gasherde kostenguumlnstiger und aufgrund geringerer Umwandlungsverluste umweltfreundlicher als Elektroherde zumindest dann wenn diese nicht mit Oumlkostrom laufen Kochfelder mit Gasbrenner oder aus Glaskeramik sind wiederum energiesparender als guss-eiserne Kochplatten Bei elektrischen Herden verbrau-chen die Induktionskochzonen am wenigsten Strom Insgesamt gilt dass es bei der konkreten Nutzung eine Reihe von Verhaltensweisen gibt mit denen man ener-giesparend kochen kann vom Kochen mit Deckel uumlber die Vorerhitzung groumlszligerer Mengen Wasser mit dem Wasserkocher Auch spielt die Qualitaumlt der Toumlpfe und Pfannen eine wichtige Rolle Tipps dazu finden sich un-ter wwwecotoptende

n IT-GeraumlteAuch bei IT-Geraumlten gilt die Faustregel Je groumlszliger und technisierter desto houmlher ist haumlufig der Stromverbrauch

Aktuelle Werte fuumlr Computer und effiziente Buumlrogeraumlte unter wwwoffice-toptende

n Beleuchtung Energiesparlampen werden immer mehr zur Normali-taumlt ihre Qualitaumlt und ihre Vielseitigkeit haben sich in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt In der Regel verbrauchen sie 80 Prozent weniger Strom als Gluumlhbirnen so dass sich der anfangs houmlhere Preis uumlber die Lebensdauer mehr als rechnet Die klassische Gluumlh-birne wird in den naumlchsten Jahren dank der von Deutsch-land mitgetragenen Beschluumlsse auf EU-Ebene komplett vom Markt verschwinden Immer mehr im Kommen sind heutzutage LED-Lampen die ebenfalls sehr sparsam und noch langlebiger als die Energiesparlampen sind Die Anwendungspalette wird immer breiter und es wird mit einem deutlichen Preisruumlckgang gerechnet

2 Mobilitaumlt ndash Umweltbewusst Verkehrsmit-tel nutzen

Der Verkehr ist ein besonderes Sorgenkind im Klima-schutz weil die Emissionen in diesem Bereich trotz bes-serer Techniken weiterhin sehr hoch sind Der private Pkw-Verkehr beeinflusst in groszligem Maszlig das Klima und besteht zum groumlszligeren Teil aus Freizeitverkehr Ein Jahr Autofahren in Deutschland entspricht mit ca 2000 kg CO2 dem jaumlhrlichen CO2-Ausstoszlig eines Menschen in der Dominikanischen Republik Daher sollte man sich zu-naumlchst grundsaumltzlich fragen ob man uumlberhaupt ein Auto braucht und welche Funktionen es erfuumlllen muss oder ob man nicht mit einer Kombination aus oumlffentlichem Personenverkehr Fahrrad und evtl auch Car-Sharing (s u) besser bdquofaumlhrtldquo

Das Argument bdquoich habe das Auto ja ohnehinldquo ver-kehrt sich ins Gegenteil wenn man eine sich schon bei zwei drei weiteren Fahrten pro Jahr rechnende Bahn-card 50 die Jahreskarte fuumlr die Region oder bestimmte

Das Fahhrad als modernes umweltfreundliches Verkehrsmittel Foto Dietmar Putscher

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Strecken oder bei Vielfahrern gar die Bahncard 100 (wwwd-bahnde) nutzt mit der man deutschlandweit mit der Bahn und dem oumlffentlichen Verkehr in den Staumld-ten fahren kann

Wer nicht auf das Auto verzichten kann oder will sollte ein sparsames Fahrverhalten pflegen und beim Autokauf Umweltkriterien beruumlcksichtigen Der Verkehrsclub Deutschland (wwwvcdorg) veroumlffentlicht jedes Jahr im August mit seiner Auto-Umweltliste140 ein ausfuumlhrliches Ranking der Umweltfreundlichkeit neu auf den Markt gekommener Autos und gibt weitere Tipps beim Auto-kauf

Empfehlenswert sind besonders sparsame Autos z B durch einen Hybridantrieb oder Elektroautos so-weit sie mit Strom aus Erneuerbaren Energien betrie-ben werden Je nach Nutzung des Autos gibt es auch sinnvolle Alternativen Fuumlr kurze Strecken bietet sich das Fahrrad an was nicht nur gesuumlnder sondern in der Stadt auch haumlufig schneller ist Wenn man nur sel-ten ein Auto benoumltigt kann man sich zum Car-Sharing (wwwcarsharingde) anmelden oder Mitfahrgelegen-heiten (wwwmitfahrgelegenheitende) nutzen

Fliegen ist das am schnellsten wachsende Klimaproblem Der Flugverkehr ist besonders klimaschaumldlich weil die Abgase in den hohen Schichten der Atmosphaumlre eine zwei- bis sechsmal houmlhere Treibhauswirkungen haben als am Boden Im Sinne des Klimaschutzes gilt es folg-lich das Flugzeug als Transportmittel soweit wie moumlg-lich zu meiden Fuumlr nicht vermeidbare Fluumlge gibt es die Moumlglichkeit die getaumltigten Emissionen durch Spen-den fuumlr serioumlse Klimaschutzmaszlignahmen auszugleichen (wwwatmosfairde)

3 Ernaumlhrung

Da die Produktion von Fleisch und Milchprodukten meist deutlich mehr Energie verbraucht als die Herstellung einer gleichwertigen Menge von Gemuumlse und Obst ist fleischarme Ernaumlhrung ein Beitrag zum Klimaschutz Die Produktion von 1 kg Rindfleisch ist beispielsweise mit etwa 250 km Autofahren gleichzusetzen Auch der Kauf von regionalen saisonalen Produkten ist ein Beitrag zum Klimaschutz weil die CO2-Emissionen mit steigenden Transportwegen zunehmen Die CO2-Last der Ernaumlhrung haumlngt zugleich auch von der Herstellung der Produkte ab Anteile von Duumlngern und Pestiziden der Einsatz von Tranktoren und Transportern usw spielen eine Rolle Im Allgemeinen werden Biolebensmittel umweltschonen-der hergestellt als konventionelle weil der Einsatz von Pestiziden synthetischen Duumlngemitteln und Gentechnik verboten ist Aus Klimasicht ist die Art der Lebensmit-tel (Fleisch oder Gemuumlse) allerdings viel entscheiden-der als der Unterschied zwischen der Art des Anbaus (konventio nell oder oumlko) So verursacht ein Kilo Biorind-fleisch die 90fache Klimabelastung wie ein Kilo frisches Gemuumlse aus konventio nellem Anbau141 Die wichtigste Frage fuumlrs Klima ist folglich Gemuumlse oder Fleisch

4 Geldanlagen

Auch Geld kann man klimaschaumldlich oder klimafreund-lich anlegen Waumlhrend viele Menschen versuchen klima-freundlich Auto zu fahren oder energieeffiziente Geraumlte zu nutzen machen sich die wenigsten daruumlber Gedan-ken was mit ihrem angesparten Geld passiert

Mittlerweile gibt es jedoch eine ganze Reihe von Finanz-angeboten bei denen soziale ethische und oumlkologische Aspekte bei der Geldverwendung beruumlcksichtigt wer-den Eine Moumlglichkeit sein Geld klimafreundlich arbei-

Auch an der Gemuumlsetheke kann man durch den Kauf von Bio-Produkten und von regionalem und saisonalem Gemuumlse einen Beitrag zum Klimaschutz leisten Foto Dietmar Putscher

Der Flugverkehr ndash eines der am schnellsten wachsenden Probleme fuumlr das Weltklima

140 Die Auto-Umweltliste siehe httpwwwbesser-autokaufendeaulihtml 141 Bals et al 2008 S 299

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ten zu lassen sind Anleihen bei denen man einem bdquogruuml-nenldquo Unternehmen einen festen Geldbetrag (z B 1000 Euro) fuumlr mehrere Jahre leiht und dabei eine jaumlhrliche Verzinsung von 6 Prozent oder mehr bekommt Wer sich genauer informieren moumlchte kann auch auf der Home-page des Forums Nachhaltige Geldanlagen schauen ei-nem Zu sammenschluss von knapp 100 Unternehmen und Organisationen die sich fuumlr nachhaltige Geldanlagen einsetzen (wwwforum-ngde)

5 Holz und Papier

Waumllder haben eine wichtige Funktion im Klimaschutz weil Baumlume einerseits CO2 binden und speichern und anderseits Sauerstoff produzieren Als Verbraucher hat man die Moumlglichkeit durch die Wahl der Holzprodukte (Papier Moumlbel usw) die Abholzung von Tropenwaumlldern und borealen (noumlrdlichen) Nadelwaumlldern zu verhindern Bei dem Kauf von Holz oder Holzprodukten sollte man darauf achten dass sie aus regionalen und nachhaltig bewirtschafteten Waumlldern stammen Das heiszligt zugleich dass man auf Gartenmoumlbel aus Tropenholz verzichtet und stattdessen Moumlbel vorzieht die aus heimischen Waumlldern stammen Damit ist auch eine nachhaltige Be-wirtschaftung garantiert weil sich die deutsche Forst-wirtschaft seit Jahrzehnten am Leitbild der Nachhal-tigkeit orientiert Wo doch die Nutzung von Tropenholz als zwingend erachtet wird sollte es zumindest vom Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert sein (s wwwfsc-deutschlandde)

Die Nutzung von Holz im Allgemeinen ist unterstuumltzens-wert weil Holz CO2 bindet und bei der Produktion nur Energie fuumlr die Verarbeitung benoumltigt wird Somit ist zum Beispiel die Verwendung von Holz als Baumaterial umweltschonender als die Nutzung von Stahl Beton Kunststoff usw

Jeder Mensch hat in seinem alltaumlglichen Leben mehr mit Holzprodukten zu tun als es ihm haumlufig bewusst ist Taumlglich benutzen wir Klopapier lesen Zeitung oder entnehmen Produkte ihren Papierverpackungen Wer Recyclingpapier und -taschentuumlcher und allgemein Recyclingmaterialen nutzt kann auf einfache Weise un-sere Waumllder und unser Klima schonen

Wie in diesem Kapitel beschrieben gibt es fuumlr jeden Einzelnen von uns viele Wege einen Beitrag zum Klima-schutz zu leisten und jede Initiative zaumlhlt ndash denn beson-ders wir Buumlrger koumlnnen den Weg zu neuen Lebensstilen und einem neuen Wohlstandsmodell ebnen

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Wir sind eine gemeinnuumltzige unabhaumlngige und uumlberpar-teiliche Nord-Suumld-Initiative Seit 1991 enga gieren wir uns in der deutschen europauml ischen und internationalen Nord-Suumld- Handels- und Um welt politik

Ohne strukturelle Veraumlnderungen in den Indus-trielaumlndern des Nordens ist eine sozial gerechte und oumlkologisch vertraumlgliche Entwicklung weltweit nicht moumlglich Wir setzen uns dafuumlr ein die politischen Rahmenbedingungen am Leitbild der sozialen und oumlko-logischen Zukunftsfaumlhigkeit fuumlr Suumld und Nord auszu-richten

Unser Engagement gilt vor allem jenen Menschen im Suumlden die von den negativen Aus wirkungen der Glo-balisierung und den Konse quenzen unseres Lebens- und Wirtschaftsstils besonders betroffen sind Wir treten dafuumlr ein die Globalisierung oumlkologisch und sozial zu gestalten

Germanwatch arbeitet an innovativen und umsetzbaren Loumlsungen fuumlr diese komplexen Proble me Dabei stimmen wir uns eng mit Organi sa tionen in Nord und Suumld ab

Wir stellen regelmaumlszligig ausgewaumlhlte Informationen fuumlr Entscheidungstraumlger und Engagierte zusammen mit Kampagnen sensibilisieren wir die Bevoumllkerung Daruumlber hinaus arbeiten wir in gezielten strategischen Allianzen mit konstruktiven Partnern in Unter nehmen und Gewerkschaften zusammen um intelligente Loumlsungen zu entwickeln und durchzusetzen

Zu den Schwerpunkten unserer Arbeit gehoumlren

nVerantwortungsuumlbernahme fuumlr Klimaschutz und Klimaopfer durch wirkungsvolle gerechte Instru-mente und oumlkonomische Anreize

nGerechter Welthandel und faire Chancen fuumlr Entwicklungslaumlnder durch Abbau von Dumping und Subventionen im Agrarhandel

nEinhaltung sozialer und oumlkologischer Standards durch multinationale Unternehmen

nOumlkologisches und soziales Investment

Moumlchten Sie uns dabei unterstuumltzen Fuumlr unsere Arbeit sind wir auf Spenden und Beitraumlge von Mit gliedern und Foumlrderern angewiesen Spenden und Mitgliedsbeitraumlge sind steuerlich absetzbar

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Der Klimawandel ist laumlngst keine theoretische Moumlg-lich keit mehr die sich aus den Berechnungen von Computermodellen ergibt Er ist auch kein Problem das sich woanders oder in ferner Zukunft ereignet Im Gegenteil Er findet jetzt und auf unserem Planeten statt Und dass dieser Wandel seit Mitte des vergange-nen Jahrhunderts nicht durch andere Faktoren als das menschliche Handeln erklaumlrbar ist ist eine wissenschaft-liche Tatsache

Die weltweite Zunahme klimatischer Extremereignisse und Folgeerscheinungen bringen umfassende Heraus-forderungen mit sich Veraumlnderte Wettermuster Stark niederschlaumlge Hitzewellen Uumlberschwemmungen Stuumlrme und Duumlrren das Abschmelzen der polaren Eisschilde und vieler Gletscher sowie der Anstieg des Meeresspiegels haben bereits heute handfeste und un-mittelbare Auswirkungen fuumlr Natur und Gesellschaft im Norden genauso wie im Suumlden

Die Erde scheint aus den Fugen zu geraten und auch die Zukunft im Treibhaus ist bedruumlckend Die Welt gemeinschaft befindet sich derzeit auf einem Emissionspfad der ohne entschiedenes Gegensteuern bis Ende des Jahrhunderts in einer Temperaturerhoumlhung von vier bis sechs Grad Celsius muumlnden koumlnnte Wichtige Teilsysteme unseres Planeten drohen umzukippen und koumlnnten den Zustand eines stabilen Klimas schon bald abrupt beenden

Die Konsequenzen fuumlr hunderte Millionen wenn nicht Milliarden von Menschen waumlren dramatisch und Ausdruck enormer Ungerechtigkeit Bereits heute machen Nah-rungsmittelknappheit Was sermangel Krankheiten und Landflucht deutlich dass diejenigen die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben die Hauptlast sei-ner Folgen tragen Betroffen sind vor allem die Armen und Aumlrmsten in den Entwicklungslaumlndern die kleinen Inselstaaten genauso wie die am wenigsten entwickel-ten Laumlnder Der Wohlstand zukuumlnftiger Generationen ist ebenfalls gefaumlhrdet Fuumlr alle steht nichts weniger als die Lebens- und Uumlberlebensperspektive auf dem Spiel

Um einer weiteren gefaumlhrlichen Stoumlrung des Klima-systems vorzubeugen muss eine ernsthafte Klima-schutzpolitik deshalb auf zwei Saumlulen aufbauen

1 Das Unbeherrschbare vermeiden Durch eine deutliche Verminderung des Treibhaus-

gasausstoszliges gilt es den Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf so weit wie moumlglich unter zwei Grad Celsius gegenuumlber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen

2 Das Unvermeidbare beherrschen Da der Klimawandel schon im Gange ist und sich be-

stimmte Auswirkungen nicht mehr verhindern lassen brauchen wir eine umfassende Anpassungstrategie ndash insbesondere fuumlr die besonders verletzlichen Regionen und verwundbaren Menschengruppen

Angesichts des starken Emissionswachstums in den Schwellenlaumlndern lassen sich die Probleme nur mit ihnen gemeinsam loumlsen Die Industrielaumlnder muumlssen jedoch voran gehen Zum einen aufgrund ihrer histori-schen Verantwortung ndash sie haben den groumlszligten Teil der bisher in der Atmosphaumlre angesammelten menschge-machten Treibhausgase zu verantworten Zum anderen aufgrund ihrer politischen technologischen und zum Teil auch finanziellen Moumlglichkeiten Sie muumlssen durch aktives Handeln zu Hause durch eine Vorreiterrolle beim internationalen Verhandeln sowie durch Koalitionen mit Schwellenlaumlndern mit besonders betroffenen Nationen und mit Vorreiterstaaten den Weg zu einem postfossilen Wohlfahrtsmodell bahnen und die Unterstuumltzung be-sonders betroffener Regionen bei der Bewaumlltigung der unvermeidlichen Klimafolgen organisieren

Die Zeit draumlngt Naturgesetze lassen nicht mit sich verhandeln Mit jedem Jahr in dem wir ungebremst die Atmosphaumlre mit langlebigen Treibhausgasen anrei-chern wird eine hinreichend wirkungsvolle Antwort auf die Klimafrage schwieriger und teurer Innerhalb der jetzigen Dekade muss die globale Trendwende bei den Treibhausgasemissionen vollzogen werden damit die Temperaturerhoumlhung unter zwei Grad stabilisiert wird und noch genuumlgend Spielraum fuumlr ein menschenwuumlrdi-ges Leben in einer gesunden Umwelt bleibt Dazu ge-houmlrt auch die Umsetzung von Anpassungsmaszlignahmen Ein einfaches Hinnehmen oder Wegsehen ist keine Alternative

Fuumlr vorangehende Staaten bietet das viele Chan cen Ein Wohlstandsmodell jenseits der fossilen Ener-gietraumlger stellt nicht nur spannende Moumlglich keiten fuumlr Innovationsschuumlbe und fuumlr die Erschlieszligung von Zukunftsmaumlrkten mit neuen Technologien und Arbeits-plaumltzen in Aussicht sondern auch fuumlr einen kultu-rellen Zivilisationsschub Ob dies gelingt haumlngt nicht nur vom politischen Willen einiger Staats- und Regierungschefs dem technischem Erfindungsgeist oder von Unternehmerinitiativen ab sondern vor al-lem auch von der Vision dem Engagement und dem Ruumlckgrat jedes Einzelnen

Einleitung

6

Kurzwellige Lichtstrahlung der Sonne trifft auf die Erdoberflaumlche Langwellige Waumlrmestrahlung wird von der Erdoberflaumlche abgestrahlt und in der Atmosphaumlre von Spurengasen Wasserdampf und Staubpartikeln zu groszligen Teilen absorbiert Insbesondere das Kohlendioxid (CO2) sorgt dafuumlr dass die Waumlrmestrahlung nur teilweise zuruumlck ins All geschickt wird Quelle Harmeling et al 2008

1

3

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Dadurch erfolgt zusaumltzliche Erwaumlrmung um 33 degC (natuumlrlicher Treibhauseffekt)

2

Spurengase Wasserdampfund Staub werfen teilweiseWaumlrmestrahlung zuruumlck

Erwaumlrmte Erde sendet Waumlrme-strahlung aus

Sonnenstrahlenerwaumlrmendie Erdoberflaumlche

11 Das Klima

Wenn wir den globalen Klimawandel verstehen wol-len muumlssen wir uns zunaumlchst mit dem Vokabular der Klimaforscher vertraut machen Das Klima ist in der Wissenschaft exakt definiert Es beschreibt die Gesamtheit der meteorologischen Erscheinungen (z B Temperatur Niederschlag Wind) die fuumlr eine Dauer von mindestens 30 Jahren den durchschnittlichen Zustand der Atmosphaumlre an einem bestimmten Ort charakterisie-ren Hier unterscheidet sich das Klima grundsaumltzlich vom Wetter Letzteres kennzeichnet nur kurzfristige und lo-kale Erscheinungen wie ein starkes Gewitter oder einen frostigen Wintertag Kurz gesagt Wetter ist das was gerade passiert Klima dagegen ist die Zusammenfas-sung des Wetters uumlber einen Zeitraum von mindestens drei Dekaden (bdquoTrendsldquo)

Das globale Klima ist dabei nicht konstant sondern unterliegt staumlndigen Schwankungen Die Ursache hierfuumlr liegt in mehreren Antriebsmechanismen Die Atmosphaumlre hat dabei den groumlszligten Einfluss steht je-doch in Wechselwirkung mit anderen Systemen wie den Ozeanen und Eisflaumlchen den Landoberflaumlchen und der Biosphaumlre Die Antriebsenergie fuumlr den Austausch zwischen diesen Teilsystemen wird von der Sonne geliefert wobei je nach Breitengrad und Jahreszeit unterschiedlich viel Energie durch die Atmosphaumlre bis zur Erdoberflaumlche dringt Dieses Ungleichgewicht das Temperaturunterschiede und somit Luftdruckgefaumllle ndash insbesondere zwischen dem Aumlquator und den Polen ndash verursacht setzt Ausgleichsprozesse wie zum Beispiel Winde oder Meeresstroumlmungen in Bewegung1

1 vgl Lauer 1995

1 Klima und Treibhauseffekt

Abb 1 Schematische Darstellung des Treibhauseffekts

7

12 Der natuumlrliche Treibhauseffekt

Erst durch den natuumlrlichen Treibhauseffekt und die damit verbundene Erwaumlrmung der Erdoberflaumlche ist Leben auf der Erde moumlglich Der Treibhauseffekt be-zeichnet den Erwaumlrmungseffekt der bodennahen Atmosphaumlre Kurzwellige Sonnenstrahlen koumlnnen die Atmosphaumlre fast ungehindert bis zur Erdoberflaumlche durchdringen Die von der Erdoberflaumlche reflektier-te langwellige Waumlrmestrahlung jedoch wird von so genannten Treibhausgasen zu Teilen absorbiert wieder zur Erde zuruumlck emittiert und dadurch in der Atmosphaumlre gehalten (siehe Abbildung 1) So wird die globale Mitteltemperatur in Bodennaumlhe die ohne das Vorhandensein einer derartigen Atmosphaumlre -18 degC betragen wuumlrde um 33 degC auf ca +15 degC ange hoben2 Ohne diesen bdquoWaumlrmestauldquo waumlre es so kalt auf der Erde dass sich kein houmlheres Leben entwickeln koumlnnte Das Klima der Erde ist somit das Ergebnis einer einfachen Energiebilanz innerhalb derer sich Einstrahlung auf die Erdoberflaumlche und Waumlrmestrahlung zuruumlck ins Weltall im Mittel ausgleichen

Zu den bdquoklimawirksamenldquo Treibhausgasen der Atmos-phaumlre welche die Waumlrmestrahlung absorbieren gehouml-ren vor allem Wasserdampf (H2O) Kohlendioxid (CO2) Distickstoffoxid (N2O) Methan (CH4) und Ozon (O3) Diese Gase sind in unterschiedlicher Konzentration auch ohne menschliches Zutun in der Atmosphaumlre ent-halten und somit fuumlr den natuumlrlichen Treibhauseffekt verantwortlich Aumlndert sich die Zusammensetzung der atmosphaumlrischen Gase so aumlndert sich auch die Durch-laumlssigkeit fuumlr die Waumlrmeabstrahlung der Erde und somit letztendlich auch die Energiebilanz Klimaaumlnderungen sind die Folge

Die einzelnen Treibhausgase unterscheiden sich aller-dings deutlich in ihrer Erwaumlrmungswirkung So hat ein Molekuumll Methan die gleiche Erwaumlrmungswirkung wie etwa 23 Molekuumlle Kohlendioxid (siehe Tabelle 1 S 21) Um diese Effekte besser vergleichbar zu ma-chen und in ihrer Gesamtheit zu berechnen verwen-den die Klimawissenschaftler den Vergleichsmaszligstab der CO2-Aumlquivalente Allen Treibhausgasen werden Werte zugerechnet welche die Erwaumlrmungswirkung in Relation zum CO2 in einer bestimmten Zeitperi-ode etwa 100 Jahre ausdruumlcken Die Wirkung der Treibhausgase wird als eine Veraumlnderung des Strah-lungsantriebs bezeichnet Unter bdquoStrahlungsantriebldquo versteht man das Verhaumlltnis von solarer Einstrahlung und terrestrischer Abstrahlung in der unteren Atmos-phaumlre Er wird in der Regel in Watt pro m2 angegeben (s Tabelle 2 S23) Satellitendaten und Klimamodelle zeigen dass sich die Strahlungsbilanz der Erde gegen-

uumlber dem Weltall derzeit nicht vollstaumlndig im Gleichge-wicht befindet Die im Mittel eingestrahlte Energie von 342 Wm2 ist um etwa 085 Wm2 houmlher als die Abstrah-lung der Erdoberflaumlche Die Konsequenz daraus ist dass die Erde gegenwaumlrtig mehr Energie aufnimmt als sie ans Weltall wieder verliert Dieser Effekt entsteht durch die Ozeane die sich nur traumlge durch den menschgemachten Treibhauseffekt aufwaumlrmen (siehe Kapitel 2)3

13 Der Kohlenstoff kreislauf

Der Anteil kohlenstoffbasierter Treibhausgase wie CO2 und CH4 in der Atmosphaumlre ist fuumlr das Ausmaszlig des Treib-hauseffektes von zentraler Bedeutung und wird durch die Prozesse des Kohlenstoffkreislaufs bestimmt (siehe Abbildung 2) Dieser Kreislauf erstreckt sich uumlber die natuumlrlichen Teilsysteme Ozean Atmosphaumlre und Land-oumlkosysteme zwischen denen ein CO2-Austausch statt-findet Weiterhin funktioniert jedes Teilsystem wie ein eigener Kreislauf in dem Kohlenstoff abgegeben und aufgenommen wird In der Atmosphaumlre befinden sich nach Angaben des UN-Klimawissenschaftlergremiums IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) rund 775 Gigatonnen Kohlenstoff in den Boumlden und der Vegetation rund 2000 Gigatonnen Den groumlszligten Koh-lenstoffspeicher stellen jedoch mit rund 39000 Giga-tonnen die Meere dar4

Die Systemkomponenten aus denen der Atmosphaumlre treibhauswirksame Gase zugefuumlhrt werden bezeichnet man als bdquoQuellenldquo Fossile Energietraumlger wie Erdoumll oder Kohle oder die Zerstoumlrung der tropischen Regenwaumllder sind bdquomenschgemachte Quellenldquo da sie erst durch den Eingriff des Menschen zu atmosphaumlrisch wirksamen Emittenten von Treibhausgasen werden Den Quellen stellt man die sogenannten bdquoSenkenldquo gegenuumlber Sen-ken wie zum Beispiel Ozeane Boumlden oder Pflanzen sind bis zu einem bestimmten Grad in der Lage aus der Atmos phaumlre CO2 aufzunehmen und zu speichern Bei-spielsweise binden Waumllder waumlhrend ihrer Wachstum-sphase in der Regel groszlige Mengen an CO2 in Holz und Boden Wenn dann zu einem spaumlteren Zeitpunkt das Holz verbrannt wird oder es verrottet wird das CO2 wieder in die Atmosphaumlre freigesetzt

Ohne die Faumlhigkeit der Senken Treibhausgase aus der Atmosphaumlre zu binden und uumlber lange Zeitraumlume hinweg zu speichern laumlge die atmosphaumlrische Konzentration von Kohlenstoffdioxid heute um ein Vielfaches uumlber dem gegenwaumlrtigen Wert Doch diese Senkenwirkung funkti-oniert nicht unbegrenzt Klimawandel und Veraumlnderung der Landnutzung koumlnnen zu einer Destabilisierung der CO2-Reservoire fuumlhren und tragen zu einer Reduzierung der Effektivitaumlt von natuumlrlichen CO2-Senken im Ozean und auf dem Land bei

2 vgl Kraus 2004 3 Hansen J et al 20054 IPCC 2000

8

Am Beispiel der Ozeane zeigt sich die Endlichkeit die-ser Senken Die Ozeane spielen im Kohlenstoffkreislauf der Erde als Kohlenstoffsenke eine wichtige Rolle da fast drei Viertel der Erdoberflaumlche von Wasser bedeckt sind5 Etwa 30 Prozent des vom Menschen zusaumltzlich freigesetzten CO2 wird in den Ozeanen gebunden Die Senkenfunktion hat jedoch auch eine Kehrseite Mit steigenden Temperaturen und wachsendem atmosphauml-rischem CO2-Anteil sinkt auch die CO2-Aufnahmefaumlhig-keit der Meere Erste Hinweise deuten daraufhin dass der Prozess einer deutlich abnehmenden Pufferkapazi-taumlt des Meeres fuumlr atmosphaumlrisches Kohlendioxid be-reits eingesetzt hat und der Anteil der Kohlendioxid -

emissionen die vom Meer aufgenommen wurden in den letzten 50 Jahren immer weiter zuruumlckgegangen ist (siehe auch Kapitel 4)6 Die vom Menschen verursachte Erwaumlrmung der Ozeane sowie ein weiter ungebremster Treibhausgasausstoszlig tragen somit zur zusaumltzlichen glo-balen Erwaumlrmung der Atmosphaumlre bei

Zudem erschweren die steigende Wassertemperatur und der sinkende pH-Wert die Schalen- und Skelett-entwicklung zahlreicher Kalk bildender Organismen wie beispielweise der Koralle und gefaumlhrden die Funktions-weise von Meeresoumlkosystemen (siehe auch Kapitel 22)

Abb 2 Der Kohlenstoffkreislauf

Die Abbildung zeigt die Komponenten und Funktionsweise des Kohlenstoffkreislaufs Quelle Harmeling et al 2008

5 IPCC 2007a 6 Schuster U und A J Watson 2007

BodenlebewesenDestruenten

abgestorbenesorganisches

Material

Torf KohleErdoumll Erdgas

TierePflanzen

fossileBrennstoffe

Assimilation durch PflanzenPhotosynthese

Diffusionvon CO2

CO2

Org Material Carbonate

Verbrennung

Dissimilation durchPflanzen und Tiere

Kohlendioxidin der

Atmosphaumlre

AquatischeBakterien

WasserpflanzenAlgen

Cyanobakterien

Photosynthese

1

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9

Tornados treten als kleinraumlumige Phaumlnomene auf koumlnnen aber in kuumlrzester Zeit groszlige Schaumlden verursachen

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Globale und kontinentale Temperaturaumlnderungen

Nordamerika

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Klimamodelle die nur natuumlrliche Antriebskraumlfte beruumlcksichtigen

Klimamodelle die natuumlrliche und menschliche Antriebskraumlfte beruumlcksichtigen

Beobachtungen

21 Das Klima aumlndert sich

Der menschgemachte Klimawandel bedeutet zunaumlchst eine Erhoumlhung der globalen Temperatur Diese setzt das Klimasystem der Erde unter Druck und kann zu einer Veraumlnderung des durchschnittlichen Wetters und somit des Klimas fuumlhren Waumlhrend der letzten 130 Jahre ist die durchschnittliche Lufttemperatur in Bodennaumlhe global um ca 08 degC angestiegen Dieser Anstieg verlief aller-dings weder zeitlich noch regional gleichmaumlszligig Bis 1940

2 Klimawandel heutegab es eine fruumlhe Erwaumlrmungsphase der sich eine kur-ze Stagnation bis in die 1970er Jahre anschloss Seither gibt es einen neuen ungebrochenen Erwaumlrmungstrend dessen Tempo sich zunehmend erhoumlht und mittlerweile ca 02 degC pro Dekade betraumlgt Mehr als zwei Drittel der Erwaumlrmung des vergangenen Jahrhunderts fanden dabei seit 1975 statt Der Temperaturanstieg ist vor allem uumlber den Landflaumlchen und hier besonders uumlber der noumlrdlichen Erdhalbkugel zu beobachten weniger uumlber den sich ver-zoumlgert erwaumlrmenden Ozeanen (siehe Abbildung 3)7

Abb 3 Gemessene und simulierte Temperaturabweichungen vom langjaumlhrigen Mittel (1901-1950) seit 1906 fuumlr verschiedene Regionen der Erde

Schwarze Linie Gemessene Temperaturabweichungen Blaues Band Simulationen nur mit natuumlrlichen Antriebs fak- toren Rotes Band Kombinierte Simulation der natuumlrlichen und anthropogenen Antriebsfaktoren Quelle IPCC 2007a

7 GISS 2010

11

Info-Kasten 1 IPCC ndash houmlchste Autoritaumlt der Klimawissenschaft auf dem Pruumlfstand

Ohne Forschungen unabhaumlngiger Wissenschaftler-Innen kann die Politik keine fundierten und wir-kungsvollen Entscheidungen fuumlr den Klimaschutz treffen Es bedarf folglich einer Institution die den Sachverstand der weltweiten Klimawissenschaft so umfassend und konsensorientiert wie moumlg-lich buumlndelt Zu diesem Zweck gruumlndeten die Weltorganisation fuumlr Meteorologie (WMO) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) 1988 den Zwischenstaatlichen Ausschuss zum Klimawandel (Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC) der auch als bdquoWeltklimaratldquo bezeich-net wird

Seine umfangreichen Sachstands- und Sonderbe-richte wurden zu der zentralen Grundlage fuumlr wissen-schaftlich fundierte klimapolitische Entscheidungen So war der erste Bericht (1990) die wichtigste wissen-schaftliche Grundlage fuumlr die Klimarahmenkonven-tion und der zweite Bericht (1995) hatte diese Funktion fuumlr das Kyoto-Protokoll Die klimawis-senschaftlichen Fakten des dritten Berichts (Third Assessment Report TAR 2001) waren ein hilfreicher Antrieb fuumlr viele Regierungen das Kyoto-Protokoll mit seinen verbindlichen Klimaschutzpflichten zu ratifizieren und damit in Kraft zu setzen Der 2007 erschienene vierte Bericht (Fourth Assessment Report AR4) hat weltweit die oumlffentliche und poli-tische Diskussion uumlber den Klimawandel und seine

Konsequenzen stark befoumlrdert Fuumlr seine Arbeit erhielt der Weltklimarat bestehend aus rund 450 Haupt- und rund 800 Nebenautoren gemeinsam mit dem damaligen US-Vizepraumlsidenten Al Gore im Jahr 2007 den Friedensnobelpreis

Vergleicht man die ersten drei Berichte mit dem jeweils nachfolgenden Bericht so zeigt sich klar Zentrale Aussagen wurden zunaumlchst sehr vorsichtig formuliert und spaumlter durch sicherere bestaumltigt In vielen Faumlllen folgten sogar deutlich dramatischere Feststellungen die sich aus dem zunehmenden wis-senschaftlichen Sachstand ableiten lieszligen (vgl auch Abbildung 4)

Diskussionen um die Arbeit des IPCC dessen letz-ter Sachstandsbericht (2007) rund 18000 wissen-schaftliche Quellen zitierte sind dabei nicht neu wobei ihm dabei von unterschiedlicher Seite sowohl Uumlber- als auch Untertreibung vorgeworfen wird Neu allerdings ist die Heftigkeit und Konzentration mit der die Glaubwuumlrdigkeit des aktuellen Reports seit den Klimaverhandlungen in Kopenhagen Ende 2009 in Frage gestellt wird Dabei ist es jedoch keines-falls der Klimawandel bzw der menschgemachte Einfluss der in Frage gestellt wird Kein einziger ernstzunehmender Wissenschaftler zweifelt an der Realitaumlt des Klimawandels oder dessen Ursachen Vielmehr entzuumlndet sich die juumlngste Kritik an ei-

Das erste Jahrzehnt des 21 Jahrhunderts war mit Ab-stand das waumlrmste weltweit je gemessene Jahrzehnt gefolgt von den 1990er Jahren die wiederum waumlrmer waren als die 1980er Jahre Alle vergangenen zwoumllf Jah-re (1998-2009) zaumlhlen zu den waumlrmsten seit Beginn der Temperaturmessungen im Jahr 18808

Frage Macht die globale Erwaumlrmung seit 1998 eine Pause

Das Jahr 1998 war heiszliger als einige Jahre danach wes-halb manche Beobachter die Frage stellen ob die Er-waumlrmung seit 1998 eine Pause gemacht hat Nein Nach neuesten Messungen der NASA liegt die beobachtete Erwaumlrmung des vergangenen Jahrzehnts weltweit mit 019 degC gleichauf mit der IPCC-Projektion (02 degC) und unterscheidet sich in diesem Zusammenhang nicht von den vorangegangen Jahrzehnten Von einer Unterbre-chung der globalen Erwaumlrmung kann also keineswegs die Rede sein Der Grund fuumlr eine solche Behauptung lag in einem einfachen Datenfehler der die Arktis ndash wo die

Temperaturen in den vergangenen Jahren am staumlrksten angestiegen sind ndash aufgrund luumlckenhafter Messpunkte aus den globalen Temperaturmessungen ausgeschlos-sen hatte (bdquoArktis-Lochldquo) Nachdem das bdquoArktis-Lochldquo geschlossen und in die globale Energiebilanz integriert wurde kann eine Pause des Erwaumlrmungstrends auch fuumlr das erste Jahrzehnt des 21 Jahrhunderts nicht bestauml-tigt werden Neben der Datenluumlcke bdquoArktis-Lochldquo wird ferner auch eine geringere Sonnenaktivitaumlt als Ursache einer moumlglichen Unterbrechung der Erwaumlrmung aus-geschlossen Zwar befindet sich die Sonneneinstrah-lung gegenwaumlrtig auf dem Rekordminimum des letzten Sonnenfleckenzyklus doch wird 2010 mit dem Beginn neuer Sonnenfleckenaktivitaumlten und infolge dessen so-wohl mit einer Zunahme der solaren Leuchtkraft als auch einem weiteren Erwaumlrmungsschub in den kommenden Jahren gerechnet

8 GISS 2010

12

nigen Teilergebnissen der Arbeitsgruppe welche die moumlglichen Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme und Gesellschaften analysiert (Arbeits-gruppe 2)

Da ist erstens ein Zahlendreher in Bezug auf den Zeitpunkt an dem die Himalaya-Gletscher zu einem groszligen Teil abgeschmolzen sein koumlnnten Aus dem Jahr 2350 wurde das Jahr 2035 Dieser Fehler haumlt-te eigentlich durch die Kontrollstandards des IPCC entdeckt werden muumlssen An der Gesamtaussage der Passage aumlndert dies jedoch reichlich wenig Die Gletscher in Asien schmelzen zu Beginn des 21 Jahrhunderts schneller als zuvor

Zweitens die Angabe dass rund 55 Prozent der Niederlande unter dem gegenwaumlrtigen Meeres-spie gel niveau laumlgen Diese Aussage war urspruumlng-lich von der niederlaumlndischen Regie rungsbehoumlrde an den IPCC uumlbermittelt worden Richtig gewe-sen waumlre 55 Prozent der Niederlande sind von Uumlberschwemmungen bedroht 26 Prozent liegen un-ter dem Meeresspiegel und 29 Prozent sind anfaumlllig fuumlr Flusshochwasser

Und drittens dass bis zum Jahr 2020 die landwirt-schaftlichen Ertraumlge im Regenfeldbau in Afrika durch den Klimawandel bzw Wasserknappheit halbiert werden koumlnnten Hier liegt das Problem in einer fehlerhaften Zusammenfassung im Synthesekapitel Richtig heiszligt es im Text des Regionalkapitels zu Afrika dass das Risiko in der Periode 2000-2020 in der die Ernteausfaumllle im Regenfeldbau 50 Prozent betragen durch den Klimawandel verstaumlrkt wird Wissenschaftlich haltbar ist diese Aussage allerdings nur bei drei nordafrikanischen Laumlndern Tunesien Algerien und Marokko9

Diese Fehler wurden mittlerweile allesamt einge-standen und korrigiert In allen drei Faumlllen wurde insbesondere die Verwendung sogenannter grauer Literatur kritisiert Graue Literatur stammt dabei nicht aus dem klassischen Wissenschaftsprozess son-dern etwa von Organisationen oder Unternehmen Es handelt sich also um Publikationen die nicht in wissenschaftlichen Zeitschriften veroumlffentlicht wurden Ohne eine entsprechende wissenschaft-liche Uumlberpruumlfung (Peer-Review) ist die Kritik an den Aussagen grauer Literatur berechtigt Allerdings sind viele der fuumlr den IPCC relevanten Daten nur als graue Literatur verfuumlgbar Manche Forscher halten solche

Quellen fuumlr hilfreich Nur uumlber die Beruumlcksichtigung dieser grauen Literatur ist es beispielsweise moumlglich auch Informationen aus aumlrmeren Laumlndern zu erhalten und das Uumlbergewicht westlicher und englischsprachi-ger Forschung auszubalancieren

Auch wenn die Diskussion uumlber die Fehler wichtig ist um ein Dokument wie den IPCC-Bericht weiter zu verbessern bleibt festzuhalten dass sie nichts an der Bedeutung und den Kernaussagen des Berichtes aumlndern Im Gegenteil Eine so groszlige Gruppe von Wissenschaftlern wie sie an der Erstellung der IPCC-Berichte beteiligt ist wird sich in einem politisch bedeutsamen Dokument grundsaumltzlich auf eher zu konservative Schlussfolgerungen einigen koumlnnen Insbesondere die Zusammenfassungen fuumlr politische Entscheidungstraumlger werden zudem von Vertretern aller Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention ausgehandelt es wird um jede Formulierung gerun-gen Aussagen des IPCC neigen demnach eher zu einer Verharmlosung als zu einer Dramatisierung des aktuellen Sachstands

Die derzeitige Debatte ist somit keine Diskussion uumlber Ursachen und Folgen des Klimawandels wie sie faumllschlicher Weise in den Medien dargestellt wur-de Sie ist auch kein Streit uumlber die Notwendigkeit politischer Gegenmaszlignahmen In erster Linie ist sie eine Kritik an den Strukturen und Arbeitsweisen des IPCC im Allgemeinen Als entsprechende Reaktion und um zukuumlnftige Fehler zu vermeiden wird von nun an eine Gruppe von Wissenschaftlern die Aussagen der Sachstandsberichte uumlberpruumlfen UNO-Generalsekraumlter Ban Ki-moon hat dazu im Februar 2010 den InterAcademy Council (IAC) als Kontrollinstrument des Weltklimarates engagiert Dieser hat den Auswahlprozess der wissenschaft-lichen Quellen und insbesondere die Qualitaumlt grauer Literatur evaluiert ndash mit dem Ziel die Unsicherheiten und Fehler des IPCC zu reduzieren Dies ist insbe-sondere wichtig da die Vorbereitung des 5 Sach-standsberichts der 201314 herausgegeben werden soll bereits anstehen Der im August 2010 vom IAC vorgestellte Bericht bestaumltigt insgesamt eindeu-tig die Ergebnisse und die Rolle des IPCC Er gibt allerdings eine Reihe von Empfehlungen zur Ver-besserung des Managements des IPCC-Prozesses die auch dazu dienen sollen die Einhaltung der selbst gesetzten wissenschaftlichen Richtlinien strenger zu uumlberwachen10

9 S InterAcademy Council (IAC) 201010 IAC 2010

13

Abbildung 4 zeigt dass die Grenze zum gefaumlhrlichen Klimawandel fruumlher uumlberschritten werden koumlnnte und auch die Risiken negativer Auswirkungen auf Mensch und Umwelt heute houmlher eingestuft werden muumlssen als noch von wenigen Jahren angenommen wurde Der Vergleich des aktuellen Sachstandberichts mit dem vorangegan-genen dritten IPCC-Bericht zeigt dass viele Oumlkosysteme viel sensibler auf Temperaturveraumlnderungen reagieren koumlnnten und auch dass die Auswirkungen auf Regionen Bevoumllkerungsgruppen und Wirtschaftssektoren bisher unterschaumltzt wurden (siehe auch Kapitel 41 und 42)11 Mehrere Beispiele deuten darauf hin dass auch der vierte IPCC-Sachstandsbericht in vielerlei Hinsicht sehr vorsichtige konservative Abschaumltzungen praumlsen-tiert Dies gilt u a fuumlr die Annahmen zur weltweiten Emissionsentwicklung und zum Meeresspiegelanstieg (siehe auch Kapitel 34)

Die Klimaforschung wurde von diesen sich beschleuni-genden Entwicklungen uumlberrascht Das IPCC-Prinzip nur sorgfaumlltig uumlberpruumlfte und bestaumltigte Erkenntnisse zu publizieren wird solche Uumlberraschungen auch in Zukunft in Kauf nehmen muumlssen zugunsten ihrer pro-fessionellen Glaubwuumlrdigkeit Das darf aber nicht aus-schlieszligen dass uumlber moumlgliche zukuumlnftige Risiken auch dann informiert wird wenn diese noch nicht im Detail erhaumlrtet sind

11 Smith JB et al 2009

Die Risiken der globalen Erwaumlrmung muumlssen heute houmlher eingeschaumltzt werden als vor zehn JahrenQuelle Smith JB et al 2009

22 Auswirkungen des Klimawandels

Trotz einer sich gering anhoumlrenden globalen Erwaumlrmung (08 degC seit 1880) lassen sich weltweit bereits zahlrei-che physische Auswirkungen des Temperaturanstiegs beobachten Laut des letzten IPCC-Reports weisen von allen Untersuchungen die hinsichtlich moumlgli-cher Veraumlnderungen physikalischer und biologischer Systeme ausgewertet wurden fast 90 Prozent signifi-kante Veraumlnderungen auf die in einer waumlrmeren Welt zu erwarten waumlren Zudem haumlufen sich die empirischen Belege insbesondere in Regionen in denen sich die Temperaturen am staumlrksten erhoumlht haben wodurch na-tuumlrliche Schwankungen als primaumlre Ursache unwahr-scheinlich werden Im Folgenden sollen einige dieser bereits heute beobachtbaren Auswirkungen vorgestellt werden

n Ruumlckzug der Gebirgsgletscher

Zu den bisher am deutlichsten sichtbaren Auswirkungen der Klima erwaumlrmung zaumlhlt der weltweite Ruumlckzug der Gebirgs gletscher Er begann im 19 Jahrhundert und hat sich seitdem drastisch beschleunigt Gletscher werden aufgrund ihrer Sensibilitaumlt gegenuumlber Tem-

Abb 4 bdquoReasons for Concernrdquo Vergleich IPCC 2001 mit IPCC 2007

IPCC 2001 Basierend auf IPCC 2007

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Risiken fuumlr viele

Risiken fuumlr viele

hoher Anstieg

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negativ fuumlr die

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in allen Bereichen insgesamt

negativ

in allen Bereichen insgesamt

negativ

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Risiken fuumlr einige

Risiken fuumlr einzigartige und bedroh-te Systeme

Haumlufigkeit und Schwere extremer Klimaereig-nisse

Globale Ver- teilung und Ausgleich der Auswir-kungen

Gesamte oumlkono-mische und oumlkologische Auswirkung

Risiken un-um kehr barer weit reichen-der und ploumltz licher Auswirkungen

Risiken fuumlr einzigartige und bedroh-te Systeme

Haumlufigkeit und Schwere extremer Klimaereig-nisse

Globale Ver- teilung und Ausgleich der Auswir-kungen

Gesamte oumlkono-mische und oumlkologische Auswirkung

Risiken un-um kehr barer weit reichen-der und ploumltz licher Auswirkungen

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negativ fuumlr einige Regionen positiv fuumlr

andere

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14

pe raturveraumlnderungen auch als die bdquoKanarienvoumlgel in der Kohlengrubeldquo des globalen Klimasystems be-zeichnet Auch gibt es deut liche Anzeichen fuumlr das Aufweichen von Permafrostboumlden in Teilen der Polar- und Subpolarregionen12 Der World Glacier Monitoring Service (WGMS Welt-Gletscher-Beobachtungsdienst) kommt zu dem Ergebnis dass sich die Gletscherschmelze fast uumlberall auf der Erde beschleunigt Zusammengefasst schrumpfen die Gletscher mittlerweile viermal so schnell wie noch vor 30 Jahren ndash in den Anden und Alaska ebenso wie im Himalaya und in den Alpen13 In der Alpenregion haben die Gletscher seit Beginn der indus-triellen Revolution mehr als die Haumllfte an Masse verlo-ren14 Waumlhrend die Alpengletscher zwischen 1975 und 2000 noch ein Prozent an Volumen pro Jahr einbuumlszligten hat sich die Verlustrate zu Beginn des 21 Jahrhunderts

fast verdreifacht15 Bis auf wenige Ausnahmen ist ein aumlhnlich weitraumlumiger Verlust in allen alpinen Gebieten der Erde zu beobachten

Gletscher sind fuumlr viele Regionen eine der wichtigsten Trinkwasserquellen da sie im Winter wertvolles Suumlszlig-wasser in Form von Schnee und Eis akkumulieren und dieses im Sommer in Form von Schmelzwasser an die Fluumlsse abgeben Der Ruumlckzug der Eismassen betrifft da-bei insbesondere zahlreiche Staumldte im Einzugsbereich des Himalaya wo das Wasser der Gletscher u a die sieben groumlszligten Fluumlsse Asiens ndash Ganges Indus Brahma-putra Mekong Thanlwin Jangtse und den Gelben Fluss ndash speist und so die Wasserversorgung Hunderter Millio-nen Menschen sichert

Innerhalb der vergangenen zwei Jahrhunderte ist in den Alpen uumlber die Haumllfte des Eises abgeschmolzenQuelle Bayerische Akademie der Wissen-schaften

Abb 5 Veraumlnderung des Vernagtferners in den Oumltztaler Alpen 1844-2001

12 IPCC 2007a13 WGMS 2008

14 Zemp M et al 200615 Haeberli 2007

15

n Ruumlckgang des arktischen Meereises

Die Analyse neuester Satellitenmessungen laumlsst keinen Zweifel zu Das Meereis der Arktis schmilzt Inner-halb der letzten 30 Jahre hat sich die sommerliche Ausdehnung der Eisdecke um mehr als 20 Prozent verringert Besonders dramatisch an der derzeitigen Schrumpfung ist dass sie sich in den letzten Jahren sig - ni fikant beschleunigt hat und die gegenwaumlrtig beob-achteten Verlustraten selbst die Extremwerte voran - gegangener Computersimulationen uumlbertroffen haben Und waumlhrend bis vor kurzem noch 2005 als das Jahr der geringsten jemals gemessenen Eisflaumlche galt uumlber-traf das Jahr 2007 diese Werte in jedem Monat (siehe Abbildung 6)

Von den vormals etwa 78 Millionen km2 Eisflaumlche im Jahr 1979 wurden im September des Rekordjahrs 2007 lediglich noch 413 Millionen km2 erreicht Dies ent-spricht einem Ruumlckgang von etwa 43 Prozent gegenuumlber dem langjaumlhrigen Mittelwert 1979-2000 und ist die ge-ringste je gemessene Eisausdehnung in der Arktis16

Auch in den folgenden Jahren wurde eine aumlhnlich kleine Eisausdehnung auf dem arktischen Nordmeer gemes-sen Mit dem Ergebnis dass 2008 und 2009 erstmals seit Menschengedenken sowohl die Nordwest- als auch die Nordostpassage gleichzeitig eisfrei waren Auch im Jahr 2010 lag die Ausdehnung mit ca 51 Millionen km2 deutlich unter dem langjaumlhrigen Mittelwert

Berichte vom Klimawandel ndash Nepal

bdquoNepal erlebt zurzeit stark schwankende Regenzyklen Im Winter 20082009 gab es gar keinen Regen Auszligerdem hatten wir wenig Schneefall Unser Land braucht in dieser Zeit Regen und Schnee damit Weizen und Mais vor allem auch im Sommer wachsen koumlnnen Die Bauern im Distrikt Rukum sorgen sich zunehmend uumlber kurze aber heftige Niederschlaumlge Schon jetzt sind dort Nahrungsmittel knapp ndash durch den Klimawandel wird das Leid noch groumlszliger Immer mehr Menschen wan-dern nach Indien aus Ebenso gibt es in der Rupandehi-Gemeinde einen Fluss der bis vor 20 Jahren noch aus-reichend Wasser fuumlhrte Jetzt ist er ausgetrocknet Das andere Extrem sind Flusshochwasserwellen waumlhrend der Regenzeit die sich verheerend fuumlr die dort leben-den Menschen auswirken Die groumlszligte Herausforderung fuumlr Nepal ist jedoch die rasche Gletscherschmelze im

Himalaya Dort wo der Gletscher lag bildet sich ein See Bricht der ehemals vom Gletscher aufgescho-bene Erddamm entstehen katastrophale Flutwellen Teile des darunter liegenden Landes werden uumlberflu-tet Dennoch werden wir wohl auf lange Sicht unter Wassermangel leiden Denn die Gletscher verschwinden langsam und koumlnnen bald kein Wasser mehr im Sommer fuumlr die Landwirtschaft liefern Fuumlr ein armes Land wie Nepal das zur Bewaumlsserung in der Landwirtschaft auf Schmelzwasser angewiesen ist ist dieses Problem nicht zu bewaumlltigenldquo

Raju Pandit Chhetri Juristischer Berater United Mission to Nepal (UMN) Kathmandu Nepal

Seit 1979 hat sich die arktische Eisausdehnung um mehr als 20 Prozent verringert Quelle NASA 2007 httpearthobservatorynasagovIOTDviewphpid=8126

Abb 6 Ausdehnung des arktischen Meer eises 2007 im Vergleich zu 1979-2000

16 NSIDC 2008

2005 Minimum

2007 Minimum

1979-2000 Durchschnittliches Minimum

500 km

16 September 2007Konzentration des Meereises (in )

0 50 100

16

n Schrumpfende Festlandeisschilde

Kontinentale Eisschilde groumlszliger als 50000 km2 existie-ren lediglich an zwei Plaumltzen auf der Erde in der Antarktis und auf Groumlnland Wuumlrden sie abschmelzen entspraumlche dies einem globalen Meeresspiegelanstieg von etwa 70 Metern Bis vor einigen Jahren nahmen Wissenschaftler an die Eisschilde wuumlrden auf Klimaveraumlnderungen nur sehr langsam und meist uumlber Jahrtausende reagieren Allerdings muss diese Annahme aufgrund modernster Satellitenmessungen nun revidiert werden Galten bei-de Eisschilde noch bis vor einigen Jahren als bdquoschlafende Riesenldquo legen neueste Erkenntnisse uumlber bis vor kurzem fuumlr unmoumlglich gehaltene Schmelz- und Rutschprozesse die Vermutung nahe die beiden Riesen seien nun aus ihrem tausend Jahre andauernden Tiefschlaf erwacht Beide Eisschilde schmelzen ndash und das mit einem atembe-raubenden Tempo

Noch waumlhrend der 1990er Jahre so belegen Studien be-fand sich der groumlnlaumlndische Eisschild nahezu im Gleich-gewicht ndash Schneeakkumulation und Schneeschmelze glichen sich in etwa aus Waumlhrend dieser Zeit wuchs der Eisschild im Inneren und verlor seine Eismassen an den Raumlndern

Als Folge der schon seit einigen Jahren bekannten ho-hen Sensibilitaumlt der arktischen Region gegenuumlber den Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung hat sich die Situation nun gravierend veraumlndert Waumlhrend der Jah-re 2000-2008 hat sich der Massenverlust auf Groumlnland verdreifacht und trug im Jahr 2008 mit 273 Gigatonnen

zu einem Anstieg des Meeresspiegels um 075 mm pro Jahr bei17 Zwar geht nach wie vor ein groszliger Teil des Eisverlustes auf das Konto der Ausduumlnnung des Eises in den tieferen Lagen Besonders beunruhigend jedoch ist eine andere Beobachtung Denn neben den linearen Abschmelzprozessen spielen dynamische Veraumlnderun-gen des Eisabflusses eine immer bedeutendere Rolle Die Auswertung von Satellitendaten beweist dass die Eisdecke durch die Schmelzvorgaumlnge nicht in erster Linie duumlnner wird ndash sie bewegt sich vielmehr schneller Das groumlnlaumlndische Eis draumlngt dabei immer schneller vom Zentrum des Eispanzers im Landesinneren uumlber die Glet-scher nach auszligen und ins Meer18

Ein aumlhnliches Bild ergibt sich auch in der Antarktis wo innerhalb des Untersuchungszeitraums April 2002 bis Januar 2009 ein jaumlhrlicher Verlust an Eismasse von durchschnittlich 190 (+- 77) Gigatonnen Eis gemessen wurde ndash was umgerechnet einem Meeresspiegelanstieg von rund 04 mmJahr entspricht19 Mehr als zwei Drittel (132 Gt) des Eismassenverlustes betrafen dabei die West antarktis20 Besonders groszlige Sorge bereitet Klimaforschern die enorme Dynamik mit der das Eis der Westantarktis ans Meer verloren geht Entscheidend ist dabei die Rolle der vorgelagerten Schelfeisgebie-te Aumlhnlich wie u a in manchen Kuumlstenregionen Groumln-lands ist ihre Instabilitaumlt die Ursache fuumlr das verstaumlrkte Abflieszligen der westantarktischen Auslassgletscher und Eis stroumlme Denn das Eis schmilzt weniger an Land als vielmehr durch den Kontakt mit waumlrmerem Ozeanwas-ser Normalerweise wird durch die Barriere des Schelf-eises der Abfluss der Auslassgletscher und Eisstroumlme

Immer schneller rutschen die groumlnlaumlndischen Gletscher ins MeerQuelle NASA 2007 httpearthobservatorynasagovFeaturesGreenlandprintallphp

Abb 7 Ruumlckzug der Aufsetzlinie des Jakobshavn Isbrae 1850-2006 an der Westkuumlste Groumlnlands

17 Van den Broeke M et al 200918 Van de Wal RS et al 2008

19 Velicogna I und J Wahr 200920 Chen JL et al 2009

GroumlnlandEisschild

17

gebremst Wird dieses jedoch bruumlchig oder kollabiert so nimmt die Abflussgeschwindigkeit der hinter dem Eisschelf liegenden Gletscher zu und sie koumlnnen nahezu ungebremst ins offene Meer ablaufen Seit dem Wegfall des Larsen-B-Eisschelfs 2002 hat sich der Abfluss der da-hinterliegenden Auslassgletscher deutlich erhoumlht ndash und zwar um das bis zu Achtfache21 Viele der westantarkti-schen Gletscher (z B der Pine Island Gletscher und der Smith Gletscher) haben sich innerhalb der letzten Jahre (2004-2007) enorm beschleunigt und flieszligen mittler-weile mit einer Geschwindigkeit von bis zu neun Metern pro Jahr ins Meer22 27 Kubikkilometer Eis gehen nun jaumlhrlich dort verloren wo sich vor wenigen Jahren noch das Eisschelf befand23 Ein aumlhnliches Schicksal wie das des Larsen-B-Eisschelfs koumlnnte in einer waumlrmeren Zu-kunft auch weitere Eisschelfe ereilen

n Anstieg des Meeresspiegels

Als eine der wichtigsten Folgen des anthropogenen Klimawandels gilt der Anstieg des globalen Meeresspie-gels Im 20 Jahrhundert ist der Meeresspiegel weltweit durchschnittlich zwischen 12-22 cm angestiegen24 Ak-tuelle Satellitenmessungen zeigen dass er sich gegen-waumlrtig um 33 mm pro Jahr erhoumlht25 Dies hat im Wesent-lichen zwei Ursachen Zum einen tragen die veraumlnderten Abflussregime der Gebirgsgletscher sowie die beiden Festlandeisschilde auf Groumlnland und der Antarktis zur Erhoumlhung des Meeresspiegels bei Zum anderen dehnt sich der Wasserkoumlrper als physika lische Reaktion der Erwaumlrmung der Ozeane auch staumlrker aus ndash rund 18 mm gehen momentan auf das Konto dieser thermischen Aus-

dehnung Der gegenwaumlrtige Anstieg des Meeresspiegels mag zurzeit noch harmlos erscheinen aber die Anstiegs-rate wird vermutlich in Zukunft nicht auf ihrem momen-tanen Niveau verweilen Vielmehr wird damit gerechnet dass sie umso rascher ansteigen wird je schneller die Temperaturen die Eismassen zum Schmelzen bringen (siehe auch Kapitel 33)

n Zunahme extremer Wetterereignisse

Die Erkenntnisse der Physik legen nahe dass ein Anstieg der globalen Temperaturen auch zu einer Zunahme wet-terbedingter Extremereignisse in bestimmten Regionen der Erde fuumlhrt Um jedoch eine Antwort auf die Frage zu finden ob im Rahmen des globalen Klimawandels extreme Wetterereignisse zugenommen haben ist es erforderlich Zeitreihen uumlber mehrere Jahrzehnte aus-zuwerten Das Ergebnis Waumlhrend wetterunabhaumlngige Ereignisse wie Erdbeben oder Tsunamis sich im Grunde nicht veraumlndert haben kommen Starkniederschlags-ereignisse heftige Stuumlrme Hochwasser Duumlrren und auszligergewoumlhnliche Hitzeperioden weltweit immer haumlu-figer vor

Es ist niemals moumlglich einen eindeutigen Kausalzusam-menhang zwischen einem einzelnen Extremwetterereig-nis und dem menschgemachten Klimawandel herzustel-len da Aussagen uumlber das Klima die Betrachtung eines mindestens 30-jaumlhrigen Zeitabschnitts voraussetzen Der Trend im Hinblick auf Anzahl Heftigkeit und Ort des Auftretens von Extremwetterereignissen ndash nicht das Einzelereignis fuumlr sich genommen ndash ist fuumlr Beschrei-

Info-Kasten 2 Was ist eine Wetterkatastrophe

Sturm ist nicht gleich Sturm denn die Auswirkungen sind abhaumlngig davon in welcher Region der Sturm stattfindet Ereignet sich ein Sturm in der Wuumlste so wird in der Regel nicht von einer Wetterkatastrophe gesprochen weil Menschen nicht davon betroffen sind Zu einer Katastrophe wird ein Sturm erst dann wenn er Menschen oder deren Sachguumlter in groszligem Maszlige schaumldigt Wetterkatastrophen ereignen sich demnach dort wo extreme Wetterereignisse auf eine dafuumlr anfaumlllige Gesellschaft treffen Eine Zunahme an Wetterkatastrophen kann somit zwei wesentliche Ursachen haben 1 Eine tatsaumlchliche Zunahme extremer Wetter-

ereignisse und 2 eine Erhoumlhung der Vulnerabilitaumlt (Verletzlichkeit)

wegen nicht ausreichend eingefuumlhrter Schutz-maszlignahmen bzw einer nicht angepassten Lebens weise des Menschen an seine Umgebung Dies kann die Besiedlung bisher wenig genutz-

ter oumlkologisch sensibler Raumlume umfassen Um-welteingriffe (z B erosionsanfaumlllige Boumlden nach Abholzung oder groumlszligeres Hochwasserrisiko nach der Begradigung von Fluumlssen) oder aber auch den Anstieg der Bevoumllkerung in Gebieten klimatischer Risikozonen

In den vergangenen 60 Jahren ist dabei nicht nur eine Zunahme wetterbedingter Naturkatastrophen zu be-obachten auch haben die volkswirtschaftlichen bzw versicherten Schaumlden durch extreme Wettereignisse zugenommen (siehe Abbildung 8) Auch wenn die-se Zunahme zum groszligen Teil noch auf soziooumlko-nomischen Veraumlnderungen wie Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum zuruumlckzufuumlhren ist und teil-weise auch das Ergebnis natuumlrlicher Schwankungen sein koumlnnte so ist zu erwarten dass der Klimawandel eine immer entscheidendere Rolle spielen wird26

21 Scambos T et al 200422 Hamish D et al 200923 Rignot E et al 2004

24 IPCC 2007a25 Beckley et al 200726 Munich Re 2010

18

Berichte vom Klimawandel ndash Uganda

bdquoDer Klimawandel ist fuumlr alle Ugander bereits Realitaumlt Wir erleben mittlerweile viel mehr waumlrmere Tage und Naumlchte laumlngere ungewohnte Duumlrren und heftige Regenfaumllle auch auszligerhalb der Regenzeit Unsere Bauern und Verbraucher sind irritiert und zeigen mit anklagendem Finger auf die Wetterdienste Was sie aber benoumltigen sind Informationen und Aufklaumlrung was tatsaumlchlich geschieht und ihnen [den Bauern] zeigt wie wichtig es ist die Treibhausgasemissionen einzudaumlmmen Diese Erkenntnis muss zu allen Be-troffenen durchdringenldquo

Kimera Henry Richard Geschaumlftsfuumlhrer Consumer Education Trust Kampala ndash Uganda

Innerhalb der letzten 60 Jahre ist insgesamt eine Zunahme groszliger wetterbedingter Naturkatastrophen zu beobach-ten Quelle Munich Re 2010

bungen des Klimas relevant In einigen Regionen konnte ein Anstieg der Intensitaumlt von klimatisch bedingten Ex-tremereignissen in den letzten Jahrzehnten festgestellt werden

Bei einer allgemeinen Temperaturerhoumlhung verschiebt sich auch die Haumlufigkeit des Auftretens von Hitzewel-len Wie gefaumlhrlich dies sein kann zeigte sich im Som-mer 2003 in Europa als eine Hitzewelle mit den houmlchsten Sommertemperaturen seit mindestens 500 Jahren uumlber 7000027 Menschenlebenforderte und sich zudem nega-tiv auf die Bereiche Landwirtschaft Waldwachstum und Verkehr auswirkte

Ein anderes Extremereignis war die Elbeflut 2002 die viele Staumldte entlang des Elbe-Flusslaufs uumlberflutete Bruumlcken wegspuumllte und ganze Landstriche verwuumlstete

Eine weitere Art extremer Wetterereignisse die waumlh-rend der letzten Dekaden an Zerstoumlrungskraft gewon-nen hat sind starke Tropen- und Winterstuumlrme wie bei-spielsweise der Hurrikan Katrina in den USA oder wie der Sturm Kyrill in Deutschland Ihre Intensitaumlt hat vor allem bedingt durch houmlhere Temperaturen aber auch aufgrund natuumlrlicher dekadischer Schwankungen stark zugenommen28 Die auszligerordentlich starke Hurrikan-

Abb 8 Groszligkatastrophen weltweit (1950-2009)

Geophysikalische EreignisseErdbeben Vulkanausbruch

Hydrologische EreignisseSturzflut Flussuumlberschwem- mung Sturmflut Massen-bewegung (Erdrutsch)

Trend

Meteorologische EreignisseTropischer Sturm Winter-sturm Unwetter Hagel Tornado Lokaler Sturm

Klimatologische EreignisseHitze- Kaumlltewelle WaldbrandDuumlrre

Anzahl

14

12

10

8

6

4

2

01950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005

27 Robine JM et al 200828 Webster PJ et al 2005

19

Berichte vom Klimawandel ndash Kamerun

bdquoFruumlher startete die Regenzeit gewoumlhnlich Mitte Maumlrz aber heute ist es kaum mehr moumlglich vor-herzusagen wann sie beginnt Manchmal haumllt die Trockenzeit zu lange an das Saatgut vertrocknet in der Erde Wenn aber der Regen zu fruumlh einsetzt und es dann viel zu viel regnet koumlnnen wir den Boden nicht bearbeiten und auch nicht aussaumlen Oder die Ernte verdirbt wenn die Regenzeit zu lange dauert Mais zum Beispiel schimmelt wenn er waumlhrend der Regenzeit nicht richtig trocknen kann Auch der Transport wird durch starke Regenfaumllle sehr schwer Deshalb verdirbt die Ernte haumlufiger schon auf den Farmenldquo

Carole Mboube Sekretaumlrin und Baumluerin ADEID (bdquoAktion fuumlr eine gerechte integre und nach hal-tige Entwicklungldquo Umwelt- und Entwicklungs-organisation) Kamerun

Saison in der Karibik und den USA im Jahr 2005 (u a Hur-rikan Katrina) hat direkte Schaumlden von mehr als 150 Mrd US-Dollar verursacht sowie alleine in den USA mehr als 1000 Menschenleben gefordert Vor der Kuumlste Brasili-ens im Suumldatlantik wurde im Jahr 2004 erstmals ein Hur-rikan in der suumldlichen Hemisphaumlre beobachtet29 Auch wenn innerhalb der kommenden Jahrzehnte immer wie-der einmal natuumlrliche Schwankungen die Intensitaumlt star-ker Sturmereignisse beeinflussen werden so wird damit gerechnet dass sich nach 2050 der Effekt der globalen Erwaumlrmung immer deutlicher von diesen natuumlrlichen Dekadenschwankungen abheben wird30

n Ertragsruumlckgaumlnge in der Landwirtschaft

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Nahrungs-mittelertraumlge der Landwirtschaft ergeben sich sowohl aus den Veraumlnderungen von Temperatur und Nieder-schlag als auch aus der Anpassungsfaumlhigkeit der Land- wirtschaft selbst Der IPCC ist zu dem Ergebnis gekom-men dass sich der hydrologische Kreislauf (Wasserkreis-lauf) infolge des Temperaturanstiegs veraumlndert hat Zum Beispiel kam es in vielen Regionen der Nordhalbku-gel im letzten Jahrhundert zu einer Zunahme der konti-nentalen Niederschlaumlge waumlhrend in anderen Regionen (u a Nord- und Westafrika) ein Ruumlckgang zu beobachten war Durch die sich aumlndernden Anbaubedingungen bzw durch unregelmaumlszligige Niederschlaumlge und hohe Tempe-raturen ist es schon heute in vielen Regionen der Erde sehr schwierig mit traditio nellen Anbaumethoden bzw angebauten Pflanzen die notwendigen Ernteertraumlge

zu steigern bzw zu erhalten Besonders betroffen sind dabei die traditionell trockenen Gebiete in denen eine Unterbrechung der Nahrungsmittelversorgung durch die Landwirtschaft bereits heute zu erheblichen huma-nitaumlren und wirtschaftlichen Problemen fuumlhrt

Diese Anzeichen zeigen einerseits dass der Klimawan-del schon heute deutliche Spuren im Leben der Men-schen hinterlassen hat und stuumltzen damit die nuumlchternen Datenreihen der Wissenschaftler Andererseits sind sie auch erste Vorboten dafuumlr was zukuumlnftig und im Zuge weiter ansteigender Temperaturen noch an Auswirkun-gen des Klimawandels auf uns zukommen kann

n Oumlkosysteme in der Falle

Weltweit findet ein dramatischer Artenschwund in der Tier- und Pflanzenwelt statt der sich waumlhrend der ver-gangenen 50 Jahre stark beschleunigt hat und zu Beginn des 21 Jahrhunderts um den Faktor 100 bis 1000 uumlber dem natuumlrlichen Wert liegt31 Neben direkten mensch-lichen Auswirkungen wie der Umwandlung natuumlrlicher Oumlkosysteme durch eine immer intensiver werdende Landwirtschaft die Zergliederung durch Siedlungen und Verkehrswege sowie den Raubbau natuumlrlicher Res-sourcen hinterlaumlsst auch der Klimawandel in zahlreichen Oumlkosystemen bereits deutliche Spuren Im Zuge der Klimaveraumlnderungen verschieben sich sowohl die Klima- und Vegetationszonen in Richtung der Pole oder in grouml-szligere Houmlhen als auch die klimatischen Jahreszeiten Die Tropen haben sich in 25 Jahren um mehrere Breitengrade ausgedehnt32 Fruumlhlingscharakteristika ndash wie beispiels-weise Blattentfaltung Pflanzenbluumlte Vogelzug und Brutverhalten ndash treten fruumlher ein Um ein Uumlberleben zu ermoumlglichen sind deshalb viele Tier- und Pflanzenarten einerseits gezwungen ihre traditionellen Lebensraumlume aufzugeben und den wandernden Klimazonen zu folgen sowie andererseits auch ihr saisonabhaumlngiges Verhalten an die jahreszeitliche Verschiebung anzupassen

Nicht allen Arten ist jedoch eine derartige Anpassung an die sich veraumlndernden Rahmenbedingungen moumlglich da sie sehr eng an spezifische Klimaregime und arttypische Rhythmen gebunden sind Zu den ersten Opfern gehoumlren insbesondere die artenreichsten Oumlkosysteme wie etwa die Regenwaumllder in Brasilien die Korallenriffe im Suumldpa-zifik oder die Flora und Fauna der alpinen Regionen und der Arktis In diesen Gebieten koumlnnen viele Tiere und Pflanzen mit dem Tempo des Klimawandels nicht mehr mithalten sterben aus und hinterlassen tiefe Luumlcken in Nahrungsketten und natuumlrlichen Gefuumlgen

29 Swiss RE 2004 330 Walsh K 2004

31 Millennium Ecosystem Assessment 200532 Seidel DJ 2008

20

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23 Der menschgemachte Treibhauseffekt

Das Klima unserer Erde hat in der Erdgeschichte immer wieder spektakulaumlre Wandlungen vollzogen Innerhalb der vergangenen zwei bis drei Millionen Jahre pendel-te es beispielsweise regelmaumlszligig zwischen Kalt- und Warmphasen hin und her Diese Pendelbewegung laumlsst sich sehr gut fuumlr die letzten 800000 Jahre anhand von Eisbohrkernen insbesondere aus der Antarktis belegen Sie ist das Ergebnis zyklischer Schwankungen der Erd-umlaufbahn um die Sonne bzw des Neigungswinkels der Erdachse (siehe Abbildung 9) Hier bestaumltigt sich u a die wichtige Rolle des CO2 als Treibhausgas (siehe weiter unten) Da die Umlaufbahn der Erde zudem ellip-tisch ist bringt sie die Erde in regelmaumlszligigen Abstaumlnden sowohl naumlher an die Sonne heran als auch weiter von ihr weg Die Folge Die Intensitaumlt der Sonneneinstrahlung auf der Erde schwankt auch im Jahreslauf In der Vergan-genheit haben vor allem die Kaltphasen laumlnger angehal-ten (90000 Jahre) als die Warmphasen (10000 Jahre)

rarr Frage In der Erdgeschichte stieg zuerst die Tempe-ratur dann die CO2-Konzentration Ist somit der gegen-waumlrtige CO2-Anstieg nicht eher die Folge als die Ursache der Erwaumlrmung

Abbildung 9 zeigt dass es einen direkten Zusammen-hang zwischen Temperatur und CO2-Gehalt in der At-mosphaumlre gibt Ausloumlser der zyklischen Klimaschwan-kungen innerhalb der letzten 800000 Jahre waren dabei in erster Instanz die regelmaumlszligigen Schwankungen der Erdbahnparameter Diese wirken durch die Umvertei-lung der solaren Einstrahlung direkt auf die Temperatur Der Anstieg der CO2-Konzentration kommt erst in einem zweiten Schritt durch eine positive Ruumlckkopplung und mit einer zeitlichen Verzoumlgerung von rund 800 Jahren zum Tragen Durch die steigenden Temperaturen koumln-nen die sich erwaumlrmenden Ozeane weniger CO2 halten und erhoumlhen dadurch den atmosphaumlrischen CO2-Gehalt ndash die Temperaturen steigen weiter an Somit waren in der Vergangenheit die Erdbahnveraumlnderungen der Ausloumlser fruumlherer Temperaturschwankungen allerdings ist die vollstaumlndige Temperaturentwicklung nur im Zusammen-hang mit einer positiven CO2-Ruumlckkopplung zu erklaumlren Der CO2-Anstieg der erdgeschichtlichen Vergangenheit war also sowohl Folge als auch Ursache der Erwaumlrmung Fuumlr die gegenwaumlrtige Situation koumlnnen jedoch Veraumlnde-

Konzentration (in Teilchen pro MillionMilliarde Volumeneinheit ppmvppbv) der beiden Treibhausgase Kohlendioxid (blau) und Methan (gruumln) in der Erdatmosphaumlre waumlhrend der letzten 800000 Jahre im Vergleich mit der Temperaturentwicklung (rot) Quelle Luumlthi D et al 2008

Abb 9 Temperatur- u Treibhausgasentwicklung in den letzten 800000 Jahren

4

0

-4

-8

-12

CH

4 (p

pbv)

CO

2 (p

pmv)

800

300

700

280

600

260

500

240

400

220

200

180

300800 700 600 500 400 300 200 100 0

Alter (1000 Jahre vor heute)

21

rungen der Erdbahnparameter ausgeschlossen und so-mit der globale Temperaturanstieg der letzten 130 Jahre nur durch den menschgemachten Treibhausgasausstoszlig erklaumlrt werden

Waumlhrend uumlber mehrere Jahrtausende vor allem die langperiodischen Variationen der solaren Einstrahlung fuumlr die Wechselhaftigkeit des Klimas verantwortlich waren so werden auf kuumlrzeren Zeitskalen noch wei-tere Einflussfaktoren deutlich Unterschiedlich starke Sonnenflecken aktivitaumlten lassen die Einstrahlung der Sonnenenergie auf die Erdoberflaumlche schwanken Vul-kanausbruumlche koumlnnen eine Abkuumlhlung bewirken wenn groszlige Mengen Asche in die Atmosphaumlre geschleudert werden und dort die Durchlaumlssigkeit der Sonnenein-strahlung verringern Letzteres war beispielsweise in den Jahren 1991-1993 der Fall die in Folge des Aus-bruchs des philippinischen Vulkans Pinatubo relativ kuumlhl waren33 Auch koumlnnen interne Wechselwirkungen und Ruumlckkopplungsmechanismen zwischen Atmosphaumlre und Ozeanen wie z B El-Nintildeo-Ereignisse das globale Klima uumlber mehrere Jahre hinweg beeinflussen Fazit Das Kli-ma der Erde ist ein aumluszligerst sensibles System welches in der Vergangenheit haumlufig schon auf kleine Aumlnderungen der solaren Einstrahlung empfindlich reagiert hat

Aus neuesten wissenschaftlichen Studien leitet sich eine bdquosehr hohe Sicherheitldquo ab (nach IPCC-Definition in mindestens neun von zehn Faumlllen) dass menschliche Ak-tivitaumlten seit Beginn der Industrialisierung groumlszligtenteils die Erhoumlhung der globalen Durchschnittstemperatur verursacht haben muumlssen Das internationale Wissen-schaftlergremium stuumltzt sich in seiner Aussage uumlber den Beitrag des Menschen an der globalen Klimaaumlnderung im Wesentlichen auf drei Pfeiler die menschgemachte Zunahme von Treibhausgasen die hohe Korrelation zwi-schen globaler Mitteltemperatur und der Kohlendioxid-konzentration in der Vergangenheit sowie Hochrech-nungen mit Klimamodellen34

Vor allem fuumlr die Erwaumlrmung in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts gilt mittlerweile der menschgemach-te Anstieg der Treibhausgasemissionen mit 90 bis 99- prozentiger Wahrscheinlichkeit als Hauptursache Die Menschheit setzt heute durch eine Vielzahl von Prozes-sen groszlige Mengen an Treibhausgasen frei und stellt so-mit selbst einen Klimafaktor im System dar Eine groszlige Bedeutung haben in diesem Zusammenhang insbeson-dere die Verbrennung fossiler Energietraumlger (Braun- und Steinkohle Erdoumll Erdgas) die groszligflaumlchige Aumlnderung der Landnutzung (z B Rodung von Waumlldern) landwirt-

Tabelle 1 Die wichtigsten anthropogenen Treibhausgase

33 Schoumlnwiese CD 200434 Graszligl H 1998

Ppmppb (parts per millionbillion = Teilchen pro MillionMilliarde Teilchen) Relative Maszligangabe die in der Klima-wissenschaft beispielsweise das Konzentrationsniveau von Treibhausgasen in der Atmosphaumlre beziffert Eine atmos-phaumlrische Konzentra tion von 387 ppm bedeutet dass das Volumen von 387 Teilchen CO2 im Volumen von einer Millionen Luftteilchen enthalten ist Quelle WMO 2008

Spurengas

Kohlendioxid (CO2)

Methan (CH4)

Distickstoff-oxid (N2O Lach gas)

Anthropogene Herkunft

Verbrennung fossiler Energietraumlger Waldrodungen und Bodenerosion Holzverbrennung

Reisanbau Viehhaltung Erdgaslecks Verbren-nung von Biomasse Muumllldeponien Nut-zung fossiler Energien

Verbrennen von Bio-masse und fossilen Ener gie traumlgern Duumlngemitteleinsatz

Derzeitige (und vorindustrielle) Konzentration

ca 387 (280) ppm

ca 1797 ppb (730 ppb)

319 3218 (270) ppb

Konzentrations-anstieg pro Jahr (Durchschnitt 1998-2008)

193 ppm

25 ppb

0788 ppb

Anteil am an-thropogenen Treibhauseffekt(seit 1750)

635

182

62

Treibhaus-potential pro Teilchen CO2 = 1

1

ca 23

ca 200-300

22

schaftliche Taumltigkeiten (v a Viehwirtschaft und Reis-anbau) und industrielle Prozesse sowie Verkehr Dieser menschliche Einfluss ist verantwortlich fuumlr den signifi-kanten Konzentrationsanstieg von Treibhausgasen in der Atmosphaumlre seit Beginn der Industrialisierung (siehe Tabelle 1) und die dadurch ausgeloumlste Verstaumlrkung des Treibhauseffektes Daher bezeichnet man den Anteil am gesamten Treibhauseffekt den der Mensch durch sein Handeln verursacht als menschgemachten oder anthro-pogenen Treibhauseffekt

Die drei Hauptverursacher des menschgemachten Treib-hauseffektes sind Kohlendioxid Methan und Distick-stoffoxid Das Treibhausgas CO2 ist dabei der Haupt-faktor menschlicher Treibhausgasemissionen und traumlgt mit ca 635 Prozent zum menschgemachten Anteil am Treibhauseffekt bei Der Beitrag von Methan (CH4) liegt bei etwa 182 Prozent (siehe Tabelle 1) Distickstoffoxid (N2O Lachgas) hat einen Anteil von 62 Prozent

Neben diesen Gasen gehoumlren auch industriell erzeugte Gase wie Fluorkohlenwasserstoffe (FKWs) zu den wich-tigsten anthropogenen Treibhausgasen Ozon (O3) wird nicht direkt ausgestoszligen sondern entfaltet seine Wirk-samkeit als Folgeprodukt u a bei der Verbrennung fos-siler Energietraumlger35

rarr Frage Ist nicht Wasserdampf statt CO2 das wich-tigste Treibhausgas

Wasserdampf ist das Treibhausgas mit der houmlchsten na-tuumlrlichen Konzentration in der Atmosphaumlre und mit rund zwei Dritteln am natuumlrlichen Treibhauseffekt beteiligt Riesige Mengen Wasserdampf verdunsten taumlglich aus den Ozeanen in die Atmosphaumlre kondensieren und fallen als Niederschlag wieder zu Boden Innerhalb von nur 10 Tagen wird dabei die gesamte Menge an Wasserdampf auf der Erde einmal ausgetauscht Beim anthropogenen Treibhauseffekt jedoch spielt Wasserdampf kaum eine Rolle Denn anders als es beim CO2 der Fall ist nimmt die Atmosphaumlre in Abhaumlngigkeit von ihrer Temperatur nur eine begrenzte Menge an Wasserdampf auf Der Mensch kann somit den Wasserdampfgehalt der Atmosphaumlre nicht direkt (auszliger durch den Flugverkehr) sondern houmlchstens indirekt durch die Veraumlnderung der Tempe-ratur bzw die erwaumlrmungsbedingte Veraumlnderung des Wasserkreislaufs beeinflussen Steigt die Temperatur steigt auch der Wasserdampfgehalt und es intensiviert sich der Wasserkreislauf Damit wirkt Wasserdampf als Verstaumlrker der globalen Erwaumlrmung und wird deshalb auch in allen Klimamodellen beruumlcksichtigt Allerdings verbleibt der Wasserdampf durch menschliche Aktivitauml-ten ausgeloumlst nur fuumlr kurze Zeit und in vergleichsweise geringen Mengen in der Atmosphaumlre Aus diesen Gruumln-den ist der Anteil von Wasserdampf am anthropogenen Treibhauseffekt vernachlaumlssigbar gering

Bohrungen im antarktischen Eis zeigen (siehe Abbildung 9) dass die CO2-Konzentration der Atmosphaumlre in den vergangenen 800000 Jahren nie uumlber 300 ppm lag36 Seit Beginn der Industrialisierung zum Ende des 19 Jahrhun-derts stieg sie jedoch um 38 Prozent an und betrug 2009 im Jahresmittel bereits 387 ppm Allein innerhalb der letzten Dekade (2000-2008) wuchs der atmosphaumlrische CO2-Anteil mit einer jaumlhrlichen Rate von etwa 19 ppm37

1990-1999 waren es noch durchschnittlich 15 ppm pro Jahr gewesen Die Methankonzentration steigerte sich sogar um 157 Prozent seit Ende des 19 Jahrhunderts38

Allerdings gibt es auch menschliche Handlungen mit ei-nem kuumlhlenden Effekt beispielsweise die industriellen Emissionen von Schwefeldioxid (SO2)39 Dieses reflek-tiert Sonnenlicht zuruumlck in den Weltraum und kann zu-dem die Bildung von Wolken ausloumlsen Beide Prozesse tragen dazu bei dass weniger Sonnenstrahlen die Erd-oberflaumlche erreichen Schwefeldioxid hilft also die Erde direkt oder durch Wolkenbildung indirekt zu kuumlhlen Ins-gesamt aber uumlberwiegt der Ausstoszlig erwaumlrmend wirken-der Treibhausgase deutlich (siehe Tabelle 2)

24 Belege fuumlr den menschlichen Einfluss auf das Klima

Wenn man bei der Simulation der Temperaturentwick-lung der letzten eineinhalb Jahrhunderte sowohl die natuumlrlichen als auch die menschgemachten Faktoren mit einbezieht laumlsst sich der tatsaumlchliche Temperaturver-lauf fuumlr viele Regionen der Erde sehr genau simulieren (siehe Abbildung 3 S10) Die Simulation der natuumlr lichen Entwicklung beschraumlnkt sich dabei auf die Faktoren bdquoVariation der Solarstrahlungrdquo bdquoVulkanausbruumlcherdquo und bdquoEl-Nintildeo-Ereignisserdquo Der menschliche Einfluss auf die Klimaentwicklung hingegen bezieht nur die Faktoren bdquoTreibhausgasemissionenrdquo und bdquoEmissionen von Sulfat-aerosolenrdquo mit ein

Bereits die Simulation der menschgemachten Faktoren wuumlrde eine plausible Erklaumlrung fuumlr den groumlszligten Teil der beobachteten Temperaturentwicklung liefern Die Inte-gration beider Faktorenbuumlndel hingegen stellt eine noch groumlszligere Annaumlherung an die in der Realitaumlt beobachtete Entwicklung dar Allerdings schlieszligt dies nicht prinzi-piell die Moumlglichkeit aus dass noch weitere Faktoren eine begrenzte Rolle fuumlr den Temperaturanstieg gespielt haben koumlnnten

rarr Frage Ist nicht die Aumlnderung der Sonnenstrahlung bedeutender als der menschliche Einfluss

Aumlnderungen der solaren Leuchtkraft sind auf unter-schiedlichen Zeitskalen ein wichtiger Grund von Klima-

35 WMO 2008 36 Luumlthi D et al 200837 Global Carbon Project 2009

38 IPCC 2007a39 IPCC 2001

23

aumlnderungen Relativ geringe Schwankungen der Sonnen-fleckenaktivitaumlt haben das Klima in der Erdgeschichte bedeutend mitgepraumlgt und geringfuumlgige Abschwaumlchun-gen der Strahlungsintensitaumlt wiederholt zu signifikanten Abkuumlhlungserscheinungen gefuumlhrt Als juumlngere Beispie-le des solaren Einflusses gelten die Kleine Eiszeit (1350 bis 1880 n Chr) sowie das Mittelalterliche Waumlrmeopti-mum (950 bis 1250 n Chr) Innerhalb des Zeitraums seit der Industrialisierung bis heute spielen Aumlnderungen der Sonnenstrahlung jedoch eine weniger bedeutende Rol-le Vor allem fuumlr die zweite Haumllfte des 20 Jahrhunderts ist der beobachtete Anstieg der globalen Durchschnitts-temperatur hauptsaumlchlich durch den menschgemachten Treibhausgasausstoszlig verursacht worden (siehe Abbil-dung 3 S10)

Die Betrachtung des Strahlungsantriebs unterschied-licher groszligraumlumig wirksamer Klimafaktoren (Tabelle 2) und die daraus berechneten Temperatursignale unter-stuumltzen die Hypothese dass der Mensch uumlber die Treib - hausgase einen deutlich groumlszligeren Einfluss auf die Tem-peraturveraumlnderung seit 1880 genommen hat als natuumlr-liche Faktoren Insgesamt sind das demnach ca 07 degC was in etwa dem beobachteten Anstieg von 08 degC im 20 Jahrhundert entspricht Die natuumlrlichen Klimasignale sind demgegenuumlber relativ klein und treten episodisch bzw fluktuativ auf haben also zu dem Langfristtrend der letzten 130 Jahre kaum beigetragen

Insgesamt ist die Antwort auf die Frage ob sich das Kli-ma aumlndert und ob der menschgemachte Treibhauseffekt in den letzten Jahrzehnten wesentlicher Antrieb dieser Veraumlnderung war nicht mehr wissenschaftlich umstrit-ten Diskutiert wird lediglich uumlber das genaue Ausmaszlig und die zu erwartenden Konsequenzen in verschiedenen Regionen

40 Die natuumlrlichen internen Schwankungen des Klimas sind das bdquoRauschenrdquo gegenuumlber dem sich Klimaaumlnderungen durch be-stimmte externe Anstoumlszlige ob durch natuumlrliche Ursachen oder den Menschen als bdquoSignalrdquo abheben Will man eine unge-woumlhnliche Klimaaumlnderung wie z B die Erwaumlrmung der letzten Jahrzehnte erklaumlren so muss man zunaumlchst untersuchen ob es sich dabei um ein Phaumlnomen handelt das sich signifikant von

dem natuumlrlichen bdquoRauschenrdquo des Klimas unterscheidet und nicht als natuumlrliche interne Variabilitaumlt erklaumlrt werden kann Falls das so ist muss man in einem zweiten Schritt versuchen die Ursache des bdquoSignalsrdquo herauszufinden also zu bestim-men ob es durch natuumlrliche oder anthropogene externe Antriebsfaktoren bedingt ist Vgl Schoumlnwiese CD 20048

(a) anthropogen Pinatubo-Ausbruch 1991 24 Wm2 1992 32 Wm2 1993 09 Wm2Quellen IPCC 2007a Schoumlnwiese CD 2004

Tabelle 2 Groszligraumlumig wirksame Klimafaktoren und die zugehoumlrigen Strahlungsantriebe und Temperatursignale (seit 1880)

Klimafaktor

Treibhausgase TR (a)

Sulfataerosol SU (a)

Kombiniert TR + SU (a)

Vulkaneruptionen

Sonnenaktivitaumlt

El NintildeoSouthern Oscillation

Strahlungsantrieb

207 bis 253 Wm2

-01 bis -09 Wm2

18 bis 243 Wm2

max -1 bis -3 Wm2

006 bis 03 Wm2

ndash

Signal40

09 bis 13 degC

-02 bis -04 degC

05 bis 07 degC

-01 bis -02 degC

01 bis 02 degC

02 bis 03 degC

Signalstruktur

Progressiver Trend

Uneinheitl Trend

Uneinheitl Trend

Episodisch (1-3 Jahre)

Fluktuativ (+ Trend)

Episodisch

24

Infolge der Erderwaumlrmung geraten immer mehr Eismassen in Arktis und Antarktis ins Schmelzen und rutschen ins Meer

Foto

Ger

linde

Hof

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er p

anth

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net

25

Neben den Ursachen und den bereits gegenwaumlrtig beo-bachteten Auswirkungen des Klimawandels sind insbe-sondere Aussagen uumlber das zukuumlnftige Klima von groszliger Wichtigkeit Die zentrale Frage dabei ist Wie veraumlndert sich das globale Klima infolge des weiteren Ausstoszliges von Treibhausgasen und mit welchen Auswirkungen fuumlr Mensch und Natur

Um abschaumltzen zu koumlnnen in welchem Ausmaszlig Treib - hausgasemissionen verringert und Anpassungs maszlig nah-men ergriffen werden sollen werden wissenschaftlich fundierte Aussagen uumlber die zukuumlnftigen Auswirkungen des Klimawandels benoumltigt Klimaforscher stellen hier-fuumlr sogenannte bdquoSzenarienldquo auf Sie legen also zunaumlchst unterschiedliche Grundannahmen uumlber die Entwicklung von Bevoumllkerung Technologien Wirtschaft etc fest und kommen dementsprechend zu einer Vielfalt moumlglicher bdquoZukunftsvorstellungenldquo die dann als bdquoProjektionenldquo bezeichnet werden Bei der Betrachtung dieser Projek-tionen ist zu beachten dass sie auf einer begrenzten Anzahl von Annahmen beruhen also Aussagen uumlber moumlgliche Zukunftstrends Sie koumlnnen demnach keine sicheren Prognosen liefern Trotz ihrer Einschraumlnkung bieten Szenarien jedoch eine gute Grundlage um Wenn-Dann-Entscheidungen zu treffen auch wenn gewisse Unsicherheiten verbleiben

3 Klimawandel der ZukunftTabelle 3 zeigt eine Uumlbersicht uumlber die zentralen Szenarien die die Grundlage der dritten und vier-ten Sachstandsberichte des IPCC waren Aus den Annahmen zu Aspekten wie oumlkonomischer und sozia-ler Entwicklung Bevoumllkerungswachstum Ausbreitung neuer Technologien etc ergibt sich dass die B-Szena-rien grundsaumltzlich einen geringeren Anstieg der CO2-Emissionen projizieren (siehe Abbildung 10) Wenngleich z B die Ausbreitung von klimafreundlichen Energietechnologien in dem fuumlr die Erreichung der opti-mistischen Szenarien notwendigen Ausmaszlig wahrschein-lich auf foumlrderliche politische Rahmenbedingungen an-gewiesen ist beziehen diese Szenarien nicht explizit po-litisch vereinbarte Klimaschutzziele wie die Umsetzung des Kyoto-Protokolls mit ein

Generell kommen alle Szenarien bei der Berechnung der Temperaturaumlnderungen bis etwa 2030 zu aumlhnlichen Ergebnissen und laufen erst danach deutlich auseinan-der Dieser Umstand ist vor allem darin begruumlndet dass sich technische Umbauprozesse des Energie- Verkehrs- und Gebaumludesystems weltweit uumlber Jahrzehnte hinzie-hen und die Atmosphaumlre ndash vor allem wegen der nur lang-samen Erwaumlrmung der Meere ndash auf die Treibhausgase um Jahrzehnte verzoumlgert reagiert41

Szenarien - familie

Leitgedanken Technologien wirtschaftliche Strukturen

Weltbevoumllkerung

A1 Konvergenz zwischen Regionen

Schnelles Wirtschafts wachs tum schnelle Einfuumlhrung effizienter Technologien (A1FI fossil-intensiv A1T nicht-fossil A1B gemischt)

Ab Mitte 21 Jh abnehmend

A2 Heterogene Welt Entwicklung aus eigener Kraft

Technologische Entwicklung und Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen langsam und regional stark unter-schiedlich

Kontinuierlich wachsend

B1 Konvergenz zwischen Regionen Fokus auf Nachhaltigkeit + Gerechtigkeit

Schneller Wandel in Richtung Dienstleistungs- und Informations-oumlkonomie abnehmende Material-intensitaumlt saubere + ressourcen-schonende Technologien

Ab Mitte 21 Jh abnehmend

B2 Heterogene Welt Fokus auf Nachhaltigkeit + Gerechtigkeit

Entwicklung relativ langsam und sehr heterogen

Wachsend (aber langsamer als in A2)

Tabelle 3 Die zugrundeliegenden Annahmen der Szenarien des IPCC

Quelle IPCC 2007a

41 IPCC 2007a

26

31 Veraumlnderungen der Klimaparameter

Die Ergebnisse der IPCC-Szenarienberechnungen zei-gen die Bandbreite der zu erwartenden Entwicklung fuumlr die wichtigsten Klimaparameter ndash Temperatur Niederschlaumlge und Wind ndash sowie den Meeresspiegel und Extremwetterereignisse Laumlngerfristig haumlngt die Veraumlnderung der Klimaparameter dabei sehr stark vom globalen Emissionsausstoszlig und hierbei insbe-sondere von der Entwicklung der weltweiten CO2-Emissionen ab Je groumlszliger die Emissionen und damit der Temperaturanstieg desto groumlszliger die Risiken Im folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der IPCC-Szenarienberechnungen zusammengefasst

n Anstieg der Treibhausgaskonzentration Die CO2- Konzentration wird nach verschiedenen Stabilisierungs-szenarien im Jahr 2100 zwischen 350 und 790 ppm betra-gen (vgl heute 387 ppm siehe Tabelle 1)42 Das Niveau am unteren Ende der Skala wird nur bei sehr drastischem Klimaschutz erreicht werden koumlnnen Um zwei Grad Temperaturanstieg nicht zu uumlberschreiten muumlssten die

globalen Emissionen bis 2050 global um mindestens 80 Prozent gegenuumlber 1990 sinken43 Neben den unter-schiedlichen Grundannahmen der Szenarien ruumlhrt die groszlige Bandbreite der Vorhersagen auch von der Un-sicherheit uumlber die Fortdauer der Senkenfunktion von Ozeanen und des tropischen Regenwaldes her

n Erhoumlhung der weltweiten Durchschnittstemperatur Bis zum Jahr 2100 wird eine Erhoumlhung der mittleren globalen Erdoberflaumlchentemperatur von 11 bis 64 degC gegenuumlber 1990 projiziert44 Diese Werte sind etwa zwei- bis neunmal houmlher als die beobachtete Erwaumlrmung waumlhrend des 20 und beginnenden 21 Jahrhunderts Betrachtet man die am besten gesicherten Schaumltzungen (bdquobest guessldquo) der jeweiligen Szenarien ergibt sich eine Spannbreite von etwa 18 bis 40 degC Der IPCC rechnet damit dass die Klimasensitivitaumlt ndash also der bei Verdop-pelung der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre erwar-tete Temperaturanstieg ndash etwa 3 degC betragen koumlnnte45

Allerdings sind hierbei nicht alle moumlglichen Ruumlckkopp-lungsprozesse beruumlcksichtigt die zum Teil schwer zu quantifizieren sind Einige Studien die auch langfristige Effekte wie die CO2-Aufnahmekapazitaumlt der Ozeane die Veraumlnderungen der Oberflaumlchenalbedo ndash der Anteil der

Die schwarze Linie in der linken Haumllfte des Diagramms zeigt die Messwerte bis zum Jahr 2000 Die drei oberen Linien stehen dabei fuumlr drei standardisierte Szenarien zum weiteren CO2-Ausstoszlig Besonders warm wuumlrde es demnach im A2-Szenario werden (rote Linie) Die orange Linie zeigt den Anstieg der Globaltemperatur selbst wenn alle Emissio-nen im Jahr 2000 gestoppt werden wuumlrden (durch die Traumlgheit des Systems) Die Balken repraumlsentieren die Spannwei-te der Resultate aller IPCC-Klimamodelle Quelle IPCC 2007a

Abb 10 Temperaturkurven der IPCC-Leitszenarien bis 2100

Tem

pera

turauml

nder

ung

(degC

)

60

50

40

30

20

10

00

-10

A2A1BB1Konzentrationsstabilisierung auf dem Niveau des Jahres 200020 Jahrhundert

1900 20002000

Jahr

2100

B1 A1T

B2 A1B

A2

A1F

I

42 IPCC 2007a 43 Meinshausen M et al 2006

44 IPCC 2007a45 IPCC 2007a

27

Sonnenstrahlung der reflektiert wird ndash oder die Veraumln-derung der Eisschilde beruumlcksichtigen halten jedoch auch eine Klimasensitivitaumlt von bis zu 6 degC fuumlr moumlglich46 Die IPCC-Szenarien koumlnnten folglich sogar die moumlg-lichen Erwaumlrmungseffekte unterschaumltzen

In jedem Fall wird die Erwaumlrmung nicht gleichmaumlszligig stattfinden sondern uumlber Landflaumlchen staumlrker ausge-praumlgt sein als uumlber den Ozeanen Auszligerdem ist davon auszugehen dass die Temperaturen in den hohen Brei-ten sowie in Gebirgsregionen vor allem im Winter uumlber-durchschnittlich ansteigen werden

n Intensivierung des hydrologischen Kreislaufs Bei weltweiter Betrachtung ist bis 2100 eine Steigerung der Niederschlagssummen um bis zu 20 Prozent zu erwarten da eine erwaumlrmte Atmosphaumlre auch mehr Wasserdampf aufnehmen kann Gerade beim Niederschlag wird je-doch ein stark raumlumlich differenziertes Bild projiziert Als Faustregel gilt dass in solchen Gebieten die be-reits eine ausreichende Niederschlagsmenge erhalten von einer deutlichen Steigerung auszugehen ist die mit staumlrkeren Schwankungen der Regenmengen zwischen den einzelnen Jahren einhergeht In Regionen die be-reits unter Wassermangel leiden wird hingegen eine Verschaumlrfung erwartet mit einzelnen auszligergewoumlhnlich starken Niederschlagsereignissen Folge des intensi-vierten hydrologischen Kreislaufs wird also insgesamt eine Aumlnderung der Haumlufigkeit Intensitaumlt und Dauer von Starkniederschlaumlgen sein (siehe auch 32)47

n Tropische Wirbelstuumlrme Obgleich Aussagen uumlber die zukuumlnftige Entwicklung tropischer Wirbelstuumlrme mit groszligen Unsicherheiten behaftet sind ist es wahrschein-lich dass zukuumlnftige tropische Wirbelstuumlrme in einer waumlrmeren Welt und in Verbindung mit dem Anstieg der Meeresoberflaumlchentemperaturen in den Tropen intensi-ver werden48

32 Zunahme von wetterbeding-ten Extremereignissen

Bei houmlheren Temperaturen erhoumlht sich auch das Risiko von Starkniederschlaumlgen und Uumlberschwemmungen da waumlrmere Luft mehr Wasser aufnehmen kann Weiter muss damit gerechnet werden dass sich vor allem in bereits trockenen Regionen die Wahrscheinlichkeit von mehr Hitzewellen Duumlrreperioden und Waldbraumlnden erhoumlhen wird Extremwetterereignisse wie z B die Hit-zewelle 2003 in Europa koumlnnten in der zweiten Haumllfte dieses Jahrhunderts schon in jedem zweiten Jahr in Eu-ropa auftreten Auch wird erwartet dass tropische Wir-belstuumlrme in der Karibik und in Suumldasien sowie heftige Winterstuumlrme uumlber Europa in Zukunft mehr Zerstoumlrun-gen anrichten werden49

33 Anstieg des MeeresspiegelsAussagen uumlber den Meeresspiegelanstieg der Zukunft sind mit groszligen Unsicherheiten behaftet Die Modell-projektionen des IPCC ergeben einen Meeresspiegelan-stieg bis zum Jahr 2100 um 18 bis 59 cm je nach Szena-rio und Modell Nicht enthalten ist darin allerdings die Gefahr eines Abrutschens des groumlnlaumlndischen Eisschilds oder des Eispanzers der Westantarktis Dadurch koumlnn-te der Meeresspiegelanstieg deutlich houmlher ausfallen Insbesondere neuere Daten lassen die Vermutung auf-kommen dass der Meeresspiegel schneller reagieren koumlnnte als noch 2007 in den Klimamodellen des IPCC aufgezeigt Seit Anfang der 1990er Jahre ist der Mee-resspiegel jaumlhrlich um 33 mm gestiegen knapp doppelt so schnell wie im Durchschnitt des 20 Jahrhunderts und vom IPCC vorhergesagt (19 mmJahr)50

Diese Ergebnisse zeigen dass die tatsaumlchliche Entwick-lung des Meeresspiegels mittlerweile die pessimistisch-sten Projektionen des IPCC von 2007 uumlbertrifft (siehe Abbildung 11) Im Kontext der signifikanten Beschleuni-gung des Anstiegs wird eines immer deutlicher Je houmlher die Temperaturen steigen umso schneller erhoumlht sich auch der Wasserpegel Vor diesem Hintergrund kommen neuere Studien die die Korrelation von Temperatur und Meeresspiegelanstieg im 20 Jahrhundert in die Zukunft projizieren und dabei sowohl die thermische Ausdeh-nung des Wasserkoumlrpers als auch die Dynamik der gro-szligen Eisschilde beruumlcksichtigen zu einer anderen Aussa-ge Selbst bei einem relativ niedrigen Emissionsszenario mit einer Erwaumlrmung um zwei Grad Celsius bis Ende des 21 Jahrhunderts wird der Meeresspiegel wahrscheinlich um mehr als einen Meter ansteigen Bei ungebremsten Emissionen und einem Temperaturanstieg von mehr als vier Grad Celsius gegen 2100 koumlnnte der Anstieg sogar mehr als 140 cm betragen Werden saumlmtliche Emissions-szenarien und die geschaumltzten Unsicherheiten beruumlck-sichtigt ergeben sich Werte zwischen 75 und 190 cm51 Bereits der Anstieg um einen Meter wuumlrde ndash ohne ent-sprechende Schutzmaszlignahmen ndash in Bangladesch und Vietnam ca 3 Millionen bzw 25 Millionen Hektar Land-flaumlche uumlberfluten In Bangladesch wuumlrden dadurch ca 15-20 Millionen Menschen vertrieben in Vietnam etwa 10 Millionen Menschen52

Der Meeresspiegelanstieg wird dabei an den Kuumlsten der Erde unterschiedlich ausfallen Erstens steigt der abso-lute Meeresspiegel nicht uumlberall gleich da ein regional unterschiedlicher Temperaturanstieg eng verknuumlpft mit Veraumlnderungen der Meeresstroumlmungen die Neigung der Meeresoberflaumlche beeinflusst Zweitens hebt oder senkt sich auch das Land an manchen Kuumlsten An den deutschen Nordseekuumlsten beispielsweise werden beide Effekte dazu beitragen dass der Meeresspiegel mehr als im globalen Mittel ansteigt Entscheidend ist allerdings

46 Hegerl CG et al 200647 IPCC 2007a48 IPCC 2007a

49 IPCC 2007a50 Beckley D et al 2007

51 Vermeer M und S Rahmstorf 200952 Conisbee M und A Simms 2003

28

Abb 11 Beobachteter Meeresspiegelanstieg seit 1975

auch dass der Anstieg nicht mit Erreichen des Jahres 2100 aufhoumlren wird selbst wenn wir den Anstieg der Erwaumlrmung bis dahin gestoppt haben sollten In diesem Zusammenhang erwartet der WBGU fuumlr ein moderates Erwaumlrmungsszenario einen Anstieg um ca 300-500 cm bis zum Jahr 230053

34 Kipp-Elemente des Klima-systems und ihre Folgen

Bisher wurden in dieser Publikation als Folge der Erwaumlr-mung vergleichsweise kontinuierliche und langsame Entwicklungen betrachtet auf deren Konsequenzen sich die betroffenen Staaten der Erde vergleichsweise ein-fach einstellen und dementsprechend reagieren und sich anpassen koumlnnen Allerdings belegen die Klimadaten der Erdgeschichte dass auf dem Planeten Erde nicht immer alles glatt und in geregelten Bahnen verlaumluft Das Klima-system der Erde ist ein komplexes nichtlineares System Bereits kleine Stoumlrungen koumlnnen ploumltzliche und tiefgrei-fende Auswirkungen haben selbst wenn die Triebkraumlfte des Klimawandels ndash menschverursachte Treibhausgase ndash gleichmaumlszligig und stetig ansteigen

Die menschliche Hochzivilisation der letzten 10000 Jahre entstand in einer Phase ungewoumlhnlicher Klimasta-

bilitaumlt Diese Stabilitaumlt war eine der grundlegenden Be-dingungen dafuumlr dass menschliche Hochkulturen ent-standen sind Ob sich die Menschheit in Zukunft weiter auf stabile Klimaverhaumlltnisse verlassen kann ist unge-wiss Denn innerhalb des Klimasystems gibt es Regime und Prozesse die besonders empfindlich auf Klimaveraumln-derungen reagieren Diese sogenannten Kipp-Elemente koumlnnten durch den Klimawandel derart gestoumlrt werden dass sie einen bestimmten Temperaturschwellenwert uumlberschreiten und in der Folge in einen grundlegend an-deren Zustand bdquokippenldquo Ein solches Umkippen koumlnnte bei einigen Kipp-Elementen schon bei einem Tempera-turanstieg von 2-3 degC gegenuumlber dem vorindustriellen Niveau eintreten54 Viele Wissenschaftler halten es da-her fuumlr notwendig den mittleren globalen Temperatur-anstieg auf unter zwei Grad gegenuumlber vorindustriellem Niveau zu begrenzen um einen in groszligem Maszligstab ge-faumlhrlichen Klimawandel zu vermeiden (siehe Info-Kasten 3 S 29)55 Dabei liegt die Temperatur heute um 08 degC uumlber dem vorindustriellen Niveau Weitere 06 bis 09 degC sind durch die verzoumlgerte Reaktion des Klimasystems auf bereits ausgestoszligene Treibhausgase vorprogram-miert Es ist also houmlchste Zeit eine Trendumkehr bei den Emissionen einzuleiten und den so genannten Peak der Emissionen herbeizufuumlhren

Mittlerweile liegt der beobachtete Meeresspiegelanstieg uumlber den IPCC-Projektionen Quelle WBGU 2006

SatellitenmessungenLinearer TrendIPCC-Szenarien

Unsicherheitsbereich der IPCC-Szenarien

Mee

ress

pieg

elan

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1995 2000 2005

Jahr

5

4

3

2

1

0

53 WBGU 200654 Kriegler E et al 200955 WBGU 2007

29

Info-Kasten 3 Zwei Grad und nicht mehr

Die Klimaforschung ist sich einig dass der globale Temperaturmittelwert nicht um mehr als zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit steigen darf um einen gefaumlhrlichen Klimawandel zu verhin-dern Diese Zwei-Grad-Leitplanke laumlsst sich auf viel-faumlltige Weise wissenschaftlich untermauern

Waumlhrend der gesamten Entwicklungsgeschichte des modernen Menschen und der Entstehung von Hochkulturen haben zu keinem Zeitpunkt auf glo-baler Ebene houmlhere Temperaturen geherrscht als vorindustrielles Niveau plus zwei Grad Sollten die Temperaturen nun uumlber zwei Grad hinaus anstei-gen so wird es fuumlr den uumlberwiegenden Teil der Weltgemeinschaft aufgrund seiner landwirtschaft-lichen und infrastrukturellen Abhaumlngigkeiten sehr schwierig bis unmoumlglich mit der dann drohenden Beschleunigung des Klimawandels Schritt zu halten

Zusaumltzlich nimmt die Gefahr selbstverstaumlrkender Ruumlckkopplungen und das Risiko des Umkippens von Kipp-Elementen im Klimasystem ab einem Temperaturanstieg uumlber zwei Grad deutlich zu

Auch aus der Analyse geowissenschaftlicher Daten ergibt sich ein sofortiger Handlungsdruck zur Stabilisierung der globalen Temperatur auf unter zwei Grad Eine um drei Grad waumlrmere Erde mit einer at-mosphaumlrischen CO2-Konzentration von uumlber 400ppm gab es zuletzt vor rund drei Millionen Jahren waumlh-rend des Pliozaumlns Damals war die Nordhemisphaumlre nahezu eisfrei und der Meeresspiegel mindestens sieben Meter houmlher als heute Fuumlnf Grad waumlrmere Temperaturen 800ppm CO2 in der Atmosphaumlre und einen 70 Meter houmlheren Meeresspiegel als heute ndash das gab es vor rund 40 Millionen Jahren Sollte es der Weltgemeinschaft nicht gelingen den CO2-Gehalt in der Atmosphaumlre auf unter 450ppm und die Temperatur auf unter zwei Grad zu stabilisieren so droht der Erde langfristig ein Klimaregime wie vor etwa drei Millionen im schlimmsten Fall sogar wie vor etwa 40 Millionen Jahren Viele der heuti-gen Kuumlstenzonen waumlren dann uumlberschwemmt die kontinentalen Gletscher und polaren Eisschilde ver-schwunden fruchtbare Boumlden ausgetrocknet und mehrere Milliarden Menschen auf der Flucht vor extremen Wettereignissen

Die Wahrscheinlichkeit die Zwei-Grad-Leitplanke zu verfehlen steigt mit der Houmlhe der atmosphaumlrischen CO2-Konzentration Um einen gefaumlhrlichen und in vielerlei Hinsicht unbeherrschbaren Klimawandel zu vermeiden muumlssten die globalen Emissionen inner-halb der naumlchsten 4-10 Jahre zu ihrem Houmlhepunkt gelangen und anschlieszligend weltweit um 80 Prozent bis 2050 gesenkt werden

Jedoch bedeutet das Einhalten der Zwei-Grad-Leit-planke nicht fuumlr alle Laumlnder und Oumlkosysteme eine sichere Welt Daher fordern die verletzlichsten Staaten eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 15 Grad (siehe auch Kapitel zu Klimapolitik S 51ff)

Die Karte der Kipp-Elemente (Seite 30) verleiht einen Uumlberblick uumlber Groszligrisiken deren Eintritts-wahrscheinlichkeit jenseits eines bestimmten Tem-peraturanstiegs ndash des jeweiligen Kipp-Punkts ndash deut-lich erhoumlht wird (siehe Abbildung 12)56 Wuumlrden diese Schwellenwerte uumlberschritten koumlnnten ab-rupte starke und unwiderrufliche Veraumlnderungen einsetzen die durch ihre direkten sowie indirek-ten Folgen regional und auch global unzumutbare Schaumlden fuumlr Mensch und Natur erwarten lieszligen Diese Abschaumltzung betrifft u a die negativen Auswirkun-gen fuumlr Oumlkosysteme die Nahrungsmittelproduktion und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung Es koumlnnte sogar ein galoppierender Treibhauseffekt ausgeloumlst werden wenn sich diese Effekte durch ihre Wechselwirkungen gegenseitig aufschaukeln

Dabei gibt es auch Wechselwirkungen die das Tem-po des Klimawandels abbremsen koumlnnten Groszlige Unsicherheiten herrschen z B bei der Abschaumltzung der Rolle von Wolken Bisher sieht es allerdings so aus als sei die Wahrscheinlichkeit fuumlr positive (d h verstaumlrkende hier waumlrmende) Ruumlckkopplungen deutlich groumlszliger als die fuumlr negative Ruumlckkopplungen Einige ausgewaumlhlte Kipp-Elemente und ihre Konse-quenzen werden im Folgenden naumlher erlaumlutert

56 Schellnhuber HJ und C Jaumlger 2006

30

n Kollaps des groumlnlaumlndischen Eisschilds

Noch in seinem letzten Bericht vermutete der IPCC einen sehr langsamen und uumlber tausend Jahre waumlhren-den Schmelzprozess auf Groumlnland als Reaktion auf den weltweiten Temperaturanstieg der vergangenen 130 Jahre Allerdings wurde diese Einschaumltzung nun wider-legt Das Gleichgewicht zwischen Schneeakkumulation (Niederschlaumlge) und Schneeablation (Schmelzen an der Ober- und Unterseite Abfluss ins Meer) scheint auf Groumlnland vor allem innerhalb der letzten Jahrzehnte dramatisch aus der Balance gebracht worden zu sein (siehe Kapitel 2) Zwar ist der Verlust immer noch ge-ring im Verhaumlltnis zur Gesamtmasse doch sollten sich die aktuellen Schmelzprozesse fortsetzen koumlnnte auf Groumlnland der bdquoKipp-Punktldquo erreicht werden jenseits dessen der Abschmelzprozess explosiv schnell ablaumluft Modellrechnungen haben ergeben dass schon bei ei-nem lokalen Temperaturanstieg von etwa 2-4 Grad (ent-spricht etwa 1-2 Grad global) fuumlr Groumlnland der Punkt uumlberschritten werden koumlnnte ab dem ein womoumlglich stark beschleunigt ablaufender Schmelzprozess des

groumlnlaumlndischen Eispanzers ausgeloumlst werden koumlnnte57 Dieser Vorgang waumlre irreversibel da der wegfallende Albedo-Effekt die Aufheizung der Atmosphaumlre massiv verstaumlrken und die Erholung des Eisschildes nur uumlber sehr lange Zeitraumlume erfolgen koumlnnte Der Abschmelzprozess wuumlrde sich dann vermutlich uumlber mehrere Jahrhunderte (300-1000 Jahre) hinziehen und insgesamt zu einem globalen Anstieg des Meeresspiegels von sieben Metern fuumlhren58 Flache Inseln wie die Malediven verschwaumln-den dann voumlllig Kuumlstenregionen wie etwa die groszligen Flussdeltas des Nil oder des Ganges in denen ein Groszligteil der jeweiligen Landesbevoumllkerung lebt muumlss-ten aufgegeben werden ganze Landstriche waumlren dem sicheren Untergang geweiht

n Kollaps des Amazonas-Regenwaldes

Das moumlgliche Umkippen des Amazonas-Regenwaldes in eine Savannenvegetation ist ein weiteres Groszligrisiko im Klimasystem Dadurch koumlnnte die Region die bis-lang viel CO2 bindet ploumltzlich in enormem Ausmaszlig das Treibhausgas freisetzen Dabei verstaumlrken sich drei

Abschmelzen des groumlnlaumlndischen Eisschilds aufgrund nichtlinearer Abschmelzprozesse und weitere Erwaumlrmung durch Albedo-Effekt

Kollaps des arktischen Meereises und Verschaumlrfung der Erwaumlrmung durch Albedo-Effekt Methanfreisetzung durch

Auftauen des sibirischen Permafrostbodens und weitere Erwaumlrmung

Kollaps der borealen Nadelwaumllder und weitere Erwaumlrmung durch Freisetzung von CO2

Bistabilitaumlt des Indischen Sommermonsuns Abschwaumlchung aufgrund von Luftverschmutzung oder Verstaumlrkung durch globale Erwaumlrmung

Kipp-Punkt vor allem von Albedo abhaumlngig nicht von Temperatur

Unterbrechung der arktischen Nahrungskette und massives Korallen-sterben im Pazifik durch Versauerung und Erwaumlrmung

Bistabilitaumlt der Sahel-Zone zuerst Ergruumlnung dann deutlich trockener

Verlangsamung des Nordatlantikstroms aufgrund von erhoumlhtem Schmelzwassereintrag

Abschmelzen des west-antarktischen Eisschilds aufgrund nichtlinearer Abschmelzprozesse

HeftigereEl-Nintildeo-Ereignisse

Kollaps des Amazonas-Regen-walds aufgrund von Land-nutzung und Klimawandel und weitere Erwaumlrmung durch Umkehr der Senkenfunktion

El-Nintildeo

Westantarktis

Sahel-Zone

Nordatlantikstrom

Amazonas-Regenwald

Indischer Sommermonsun

ArktisGroumlnland Permafrost

Nordische Waumllder

Meere

0 degC 1 degC 2 degC 3 degC 4 degC 5 degC 6 degC

Kipp-Elemente gelten als die Achillesfersen des Klimasystems Sollten sie umkippen droht ein gefaumlhrlicher Klima-wandel Quelle Eigene Darstellung nach Lenton T et al 2008

Abb 12 Kipp-Elemente mit Temperaturschwellen (gegenuumlber 1880) die in diesem Jahrhundert angestoszligen werden koumlnnten

57 Kriegler E et al (2009)58 Polyakov I et al 2002

31

Faktoren wechselseitig 1 die Austrocknung durch einen uumlberproportionalen Temperaturanstieg 2 menschliche Aktivitaumlten wie Landnutzungswandel und Abholzung sowie 3 ein eventuelles zukuumlnftiges Ausbleiben des natuumlrlichen Naumlhrstofftransports durch Sandstuumlrme aus der afrikanischen Sahelzone nach Brasilien Viele Beobachter fragen sich seit der extremen Trockenheit im Amazonasgebiet im Jahr 2004 besorgt ob dies erste Vorzeichen eines solchen Prozesses sein koumlnnten So kommt eine Studie amerikanischer Wissenschaftler zu dem Ergebnis dass nach mehr als zwei Jahren extremer Trockenheit viele Baumlume so stark angegriffen sind dass sie beginnen abzusterben59

Ein Umkippen des Amazonas-Regenwaldes haumltte dras-tische Konsequenzen fuumlr die Artenvielfalt sowie die Lebens situation vieler Millionen Menschen in Suumldame-rika und wuumlrde zudem den globalen Treibhauseffekt durch den Ausstoszlig groszliger Mengen an CO2 weiter an-heizen

Der Amazonas-Regenwald ist nur ein Beispiel fuumlr Oumlkosysteme die vom Klimawandel betroffen sind Die Erwaumlrmung die Verschiebung der Klimazonen sowie der zusaumltzliche Stress durch menschliche Aktivitaumlt gefaumlhr-den zahlreiche Systeme und Arten (siehe auch Kapitel 41)

n Bistabilitaumlt des Indischen Monsuns

In den vergangenen zwei Jahren wird auch verstaumlrkt diskutiert wie sich der Indische Monsun durch den Kli-mawandel veraumlndern koumlnnte In fruumlheren Jahren brach-te er in jedem Jahr relativ verlaumlssliche Niederschlaumlge doch dieser Rhythmus scheint zunehmend an Kontinui-taumlt zu verlieren Ungewoumlhnliche Schwankungen haben in den letzten 30 Jahren in ganz Indien immer wieder zu katastrophalen Hungersnoumlten und verheerenden Uumlber-schwemmungen gefuumlhrt

Mittlerweile werden durch das Zusammenspiel von Kli-mawandel und Abstrahlungsveraumlnderungen (Verhaumlltnis von einfallender Strahlung und Abstrahlung = Albedo) aufgrund von Landnutzungsaumlnderungen und vor allem Luftverschmutzung sowohl eine starke Abschwaumlchung wie auch eine Verstaumlrkung der Niederschlaumlge bzw sogar ein Aufeinanderfolgen dieser Prozesse im Sinne eines Achterbahn-Szenarios fuumlr moumlglich gehalten60 Der Be-griff Bistabilitaumlt bezeichnet in diesem Fall die Situation dass das Indische Monsunsystem an bestimmten Ver-zweigungspunkten zwei sehr gegensaumltzliche Zustaumlnde einnehmen koumlnnte Einer fuumlhrt zu uumlbermaumlszligig starken Niederschlaumlgen der andere zu extremer Trockenheit Bereits heute weiszlig man dass schon eine vergleichs-weise geringe Abweichung von zehn Prozent vom durchschnittlichen Monsunniederschlag schwerwiegen-

de Duumlr ren oder Uumlberschwemmungen ausloumlsen kann Ein schwacher Sommermonsun z B kann zu Ernteeinbruuml-chen Nahrungsmittelknappheit Hunger Verschuldung und Armut der laumlndlichen Bevoumllkerung fuumlhren die zwei Drittel der 13 Mrd Bewohner Indiens ausmacht

n Bistabile Entwicklung in der Sahelzone

Eine bistabile Entwicklung wie fuumlr den Indischen Som-mermonsun wird auch fuumlr die Sahelzone fuumlr moumlglich gehalten Bis zur Mitte des 20 Jahrhunderts erlitt nur etwa ein Viertel des Gebiets ernsthafte Duumlrren Zwi-schen 1970 und 1999 gab es dann eine 20-prozentige Abnahme der Niederschlagsmenge so dass schon die Haumllfte der Region von ernsthaften Duumlrren betroffen war Mittlerweile wird ein enger Zusammenhang zwi-schen dem Niederschlagsruumlckgang und der deutlichen Temperaturerhoumlhung im Indischen Ozean die auf den menschgemachten Treibhauseffekt zuruumlckgefuumlhrt wird gesehen61 Dieser hat zu Veraumlnderungen beim Indischen Monsun gefuumlhrt der die Niederschlagsverhaumlltnisse in Afrika entscheidend beeinflusst Bei einer globalen Er-waumlrmung um 25 degC in den naumlchsten Jahrzehnten wird noch innerhalb dieses Jahrhunderts mit einer Veraumlnde-rung der Niederschlagsbedingungen in Richtung deut-lich haumlufigerer und staumlrkerer Niederschlaumlge in der Sa-helzone gerechnet62 Ein Modell das die Vergangenheit besser als die meisten anderen Modelle abbildet geht allerdings davon aus dass ab einem Verzweigungspunkt Mitte des Jahrhunderts wieder deutlich trockenere Klim-abedingungen folgen koumlnnten noch deutlich regen - aumlrmer als zur Zeit der groszligen Sahel-Duumlrre vor einigen Jahrzehnten

59 Mongabay 200660 Zickfeld et al 2005

61 Flannery 200662 Nyong 2006

32

Uumlberschwemmungen in Folge von schweren Unwettern zerstoumlren immer wieder das Hab und Gut von Millionen armer Menschen weltshyweit Sie sind diesen Gefahren haumlufig schutzlos ausgeliefert

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33

Die Auswirkungen des Klimawandels werden regional unterschiedlich ausfallen Obwohl die Industrielaumlnder gegenwaumlrtig fuumlr den groumlszligten Anteil der Erderwaumlrmung verantwortlich sind sind es die Aumlrmsten der Welt die die Auswirkungen des Klimawandels schon heute als erstes und am staumlrksten spuumlren und kuumlnftig noch drastischer darunter leiden werden Waumlhrend der Energieverbrauch in den Industrie- und Schwellen-laumlndern auf hohem Niveau verharrt bzw ansteigt haben rund 15 Milliarden Menschen bzw 22 Prozent der Weltbevoumllkerung keinen Zugang zu elektrischem Strom63 Stattdessen lei den sie schon heute erheb-lich unter Duumlrren Uumlber schwemmungen heftigeren Stuumlrmen und Trink was ser verknappung denn die Klima-wandelfolgen sind in aumlqua torialen Regionen wo viele Entwicklungslaumlnder liegen staumlrker Da sie zudem nur sehr begrenzte Kapazitaumlten haben um sich an diese klimatischen Veraumlnderungen anzupassen trifft sie der Klimawandel um ein Vielfaches staumlrker als die Industrienationen So koumlnnen sich die Niederlande bei-spielsweise bis zu einem gewissen Grad an den Anstieg des Meeresspiegels anpassen in Bangladesch sind hierzu jedoch die noumltigen finanziellen und technologi-schen Mittel wesentlichen knapper Dieses umgekehr-te Verhaumlltnis von Verantwortung fuumlr den Klimawandel und Gefaumlhrdung durch dessen Folgen wirft vieler-lei Fragen im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte auf

Im Folgenden soll zunaumlchst auf die Leidtragenden und die erwarteten Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Umwelt eingegangen werden um dann genauer die Verursacher des Klimawandels aufzuzeigen

41 Die Betroffenen des Klima-wandels Umwelt und Mensch

Welche Auswirkungen haben die in Kapitel 3 genann-ten Szenarien nun auf Mensch und Natur Wer sind die Betroffenen des Klimawandels Zu dieser Frage hat die Klimawissenschaft in juumlngster Zeit die meisten Erkenntnisse gesammelt

Unter der Annahme dass Klimaaumlnderungen in Zukunft nicht gemildert und die Anpassungsfaumlhigkeit durch engagierte Maszlignahmen nicht gefoumlrdert werden er-wartet der IPCC fuumlr das 21 Jahrhundert weitreichen-de Auswirkungen fuumlr verschiedene Erdsysteme und Sektoren die fuumlr Mensch und Umwelt relevant sind Einige Systeme Sektoren und Regionen werden beson-ders betroffen sein Eine Auswahl der wesentlichsten

Erkenntnisse des IPCC uumlber die erwarteten Auswirkun-gen auf Oumlkosysteme Ernaumlhrungs- und Wassersicherheit Gesundheit Wirtschaft und Sicherheit sowie die jewei-lige regionale Betroffenheit aufgrund eines zukuumlnftigen Klimawandels bis 2100 wird im Folgenden dargestellt (siehe Abbildung 13)64

n Oumlkosysteme

Viele Oumlkosysteme sind durch menschliche Einfluumlsse z B Landnutzungsaumlnderungen Verschmutzung und Uumlbernutzung natuumlrlicher Ressourcen ohnehin schon stark gestoumlrt (siehe auch Kapitel 22) Durch die bisher einmalige Kombination dieser Stressfaktoren mit Klima-veraumlnderungen ist eine Verschaumlrfung der Situation und somit eine Uumlberlastung zahlreicher Oumlkosysteme noch in diesem Jahrhundert wahrscheinlich Die Auswirkungen auf die Organismen der Oumlkosysteme sowie deren Re-aktionen werden allerdings unterschiedlich sein Einige Pflanzen und Tiere werden sich auf veraumlnderte Lebens-bedingungen einstellen koumlnnen Fuumlr viele Lebensge-meinschaften jedoch laufen die Veraumlnderungen durch den Klimawandel zu schnell ab um sich beispielsweise durch Abwanderung in Richtung der Pole oder in houmlhere Lagen anzupassen so dass in Zukunft bestehende Syste-me zergliedert Arten getrennt und Funktionsketten un-terbrochen werden Als besonders stark bedroht gelten polare und alpine Oumlkosysteme boreale und tropische Waumllder Korallen sowie Mangrovenwaumllder

Eine Temperaturerhoumlhung um 2 bis 3 degC uumlber dem vor-industriellen Niveau wird die Anpassungsfaumlhigkeit vieler Oumlkosysteme uumlbersteigen und zu gravierenden Veraumlnde-rungen in Struktur und Funktionsweise oumlkologischer Le-bensgemeinschaften sowie der oumlkologischen Interaktio-nen und geographischen Verbreitung von Arten fuumlhren Im Durchschnitt koumlnnten zukuumlnftig 20 bis 30 Prozent der houmlheren Pflanzen- und Tierarten dem Tempo der Veraumln-derungen nicht folgen und waumlren von einem erhoumlhten Aussterberisiko bedroht In manchen Regionen wird das Risiko sogar auf 80 Prozent eingeschaumltzt65 Viele ende-mische Arten koumlnnten verdraumlngt bzw vom Aussterben bedroht werden Andere aus anderen Regionen einwan-dernde Arten koumlnnten sich unter den veraumlnderten Be-dingungen staumlrker ausbreiten

Insbesondere die fortschreitende Versauerung der Oze-ane koumlnnte in Verbindung mit der Erwaumlrmung erheb-liche Negativfolgen fuumlr viele marine schalenbildende Lebewesen (vor allem Korallen) aber auch Salzmarschen und Mangroven und die von ihnen abhaumlngigen Tier- und Pflanzenarten haben Sollten die Meerestemperatu-

4 bdquoOpferldquo des Klimawandels

63 IEA 200964 Sofern nicht anders gekennzeichnet sind alle hier dargstellten Ergebnisse dem 4 IPCC-Bericht bdquoKlimaaumlnderungen 2007

Auswir kungen Anpassung Verwundbarkeitenldquo entnommen65 IPCC 2007b

34

ren zwischen 1 und 3 degC ansteigen und gleichzeitig die Versauerung der Ozeane zunehmen erwartet der IPCC eine weitreichende Korallenbleiche und groszligraumlumiges Absterben Ab 3 degC droht ein 30-prozentiger Verlust der weltweiten Kuumlstenfeuchtgebiete66

n Wasserknappheit und ungesicherte Was-serversorgung

Derzeitig haben rund 12 Mrd Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser Diese Situation wird sich durch die Effekte des Klimawandels verschlimmern Mit hoher

Wahrscheinlichkeit werden sich der mittlere Jahresab-fluss und die Wasserverfuumlgbarkeit in den hohen Breiten sowie in einigen tropischen Feuchtgebieten um 10-40 Prozent bis zum Ende des Jahrhunderts erhoumlhen In den mittleren Breiten und trockenen Tropen wo Wasser-mangel schon heute ein groszliges Problem darstellt wird sich die Lage dagegen voraussichtlich noch verschlech-tern Hier werden sich steigende Temperaturen dras-tisch auf die Niederschlagsverhaumlltnisse auswirken und in einer signifikanten Abnahme von Abfluss und Wasser-verfuumlgbarkeit um bis zu 30 Prozent kumulieren was in vielen Regionen zu akuter Wasserknappheit fuumlhren wird Schon bei einem Temperaturanstieg von unter 2 degC ist

Mit steigender Temperatur erhoumlhen sich auch die Risiken fuumlr Mensch und UmweltQuelle WBGU 2007 nach Stern 2006

Abb 13 Erwartete Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme Wasser- und Ernaumlh-rungssicherheit Gesundheit und Wirtschaft bei unterschiedlicher Erwaumlrmung (im Vgl zu 1880)

Nahrungsmittel

Wasser

Oumlkosysteme

Wetterextreme

Risiko eines schnellenKlimawandels und groszligerirreversiblen Auswirkungen

Endguumlltige Temperaturaumlnderung (im Vergleich zum vorindustriellen Niveau)0 degC 1 degC 2 degC 3 degC 4 degC 5 degC

Kleine Berggletscherverschwinden weltweit ndashpotenzielle Bedrohung derWasserversorgung in mehrerenRegionen

Erhebliche Aumlnderungen der Wasserverfuumlgbarkeit

Uumlber 30 Abnahme desOberflaumlchenabflusses in der Mittelmeerregion und imsuumldlichen Afrika

Meeresspiegelanstieg bedrohtgroszlige Staumldte wie London ShanghaiNew York Tokio oder Hong Kong

Korallenriffoumlkosystemeweitgehend und schlieszliglichirreversibel geschaumldigt

Moumlglicher Beginn desZusammenbruchs von Teilenoder des ganzen Amazonas-Regenwaldes

Groszliger Anteil von Oumlkosystemen die ihre derzeitige Gestalt nicht bewahren koumlnnen

Viele Arten vomAussterben bedroht

Steigende Intensitaumlt von Stuumlrmen Waldbraumlnden Duumlrren Uumlberflutungen und Hitzewellen

Bereits geringe Zunahme derHurrikanintensitaumlten verursacht Verdopplung der Schadenskosten in den USA

Gefahr einer Schwaumlchung der natuumlrlichen Kohlenstoffsenken und der atlantischenthermohalinen Zirkulation moumlgliche Zunahme der Freisetzung natuumlrlichen Methans

Beginn irreversiblen Schmelzensdes Groumlnland-Eisschilds

Erhoumlhtes Risiko von abrupten groszligen Verschiebungenim Klimasystem (zB Zusammenbruch der atlantischen thermo-halinen Zirkulation oder des westantarktischen Eisschilds)

Schwerwiegen-de Auswirkungenin der Sahel-Region

Steig Ernteertraumlge in entwickeltenLaumlndern in hohen Breitengradenbei starkem CO2-Duumlngeeffekt

Ruumlckgang der Ertraumlge in vielen entwickeltenRegionen selbst bei starkem CO2-Duumlngeeffekt

Sinkende Ernteertraumlge in vielen Entwicklungsregionen

Steigende Zahl der von Hungerbedrohten Menschen Staumlrkste Zunahmein Afrika und Westasien

Starker Ruumlckgang der Ernteertraumlgein ganzen Regionen (zB bis zu einem Drittel in Afrika)

66 IPCC 2007b

35

davon auszugehen dass bis zu 15 Milliarden Menschen zusaumltzlich von Wasserknappheit betroffen waumlren Zwar sind Verbesserungen hinsichtlich Wasserverbrauchs- und Speicherungstechniken zu erwarten dennoch wird der Klimawandel einen starken Einfluss auf die Wasser-verfuumlgbarkeit und -qualitaumlt haben Besonders bedroht sind Regionen die vom Schmelzwasser groszliger Gletscher abhaumlngig sind und in denen bis zum Ende des Jahrhun-derts mit einer deutlichen Abnahme der in der Eisdecke gespeicherten Wasserreserven gerechnet wird (z B Indien Pakistan Peru) In diesem Zusammenhang gilt eine flaumlchenmaumlszligige Ausweitung von Gebieten die von Trockenheit und Duumlrre betroffen werden in Zukunft als wahrscheinlich Auch prognostiziert der IPCC eine Zu-nahme schwerer Niederschlagsereignisse infolge derer sich auch das Uumlberschwemmungsrisiko vieler Regionen erheblich erhoumlhen wird

n Agrarproduktion und Ernaumlhrungssicherung

Gegenwaumlrtig gelten fast 900 Millionen Menschen als unterernaumlhrt Das Klima ist fuumlr die Nahrungsmittelpro-duktion neben anderen ein wesentlicher Faktor Sowohl die Temperatur aber auch der CO2-Gehalt der Luft be-einflussen die landwirtschaftlichen Ernteertraumlge Die Reaktion landwirtschaftlicher Systeme insgesamt auf Klimaveraumlnderungen wird u a bestimmt durch Tempe-ratur Niederschlag CO2-Duumlngeeffekt und soziooumlkono-mische Rahmenbedingungen wie Marktzugang Techno-logie oder die Verfuumlgbarkeit von Ressourcen die fuumlr die Anpassung notwendig sind67

In den mittleren bis hohen Breiten wird bis zu einem Anstieg der globalen Temperatur auf 3 degC ndash je nach Nutz-pflanzenart ndash eine leichte Zunahme der Ernteertraumlge jedoch ohne Steigerung der Qualitaumlt projiziert ab die-ser Temperaturschwelle jedoch eine Abnahme

In den niederen Breiten und insbesondere in saisonal trockenen Tropengebieten wird selbst bei geringer Er-waumlrmung mit einer Abnahme der Ernteertraumlge gerech-net Verschaumlrfen koumlnnte sich die Situation noch durch eine ebenfalls erwartete Zunahme von wetterbedingten Extremereignissen wie bspw Duumlrren und Uumlberschwem-mungen Ein erhoumlhtes Hungerrisiko waumlre die Folge

Der Klimawandel birgt vielerorts auszligerdem Risiken fuumlr die landwirtschaftliche Produktion die zwar nicht der Ernaumlhrungssicherung im eigenen Land dient aber fuumlr den Export bestimmt ist und damit eine wichtige Einnah-mequelle darstellt Beispielsweise ist bei einem Tempe-raturanstieg von 2 degC zu befuumlrchten dass in Uganda nur noch auf einem sehr kleinen Teil der Landesflaumlche der Anbau von Kaffee ndash Exportgut Nummer eins ndash moumlglich sein wird68

n Gesundheit

Durch den Klimawandel drohen nicht nur steigende Meeresspiegel oder abnehmende Getreideertraumlge houml-here Temperaturen erhoumlhen auch gesundheitliche Risi-ken Zwar koumlnnte eine gewisse Erwaumlrmung vor allem in Gebieten der gemaumlszligigten Breiten einige Vorteile fuumlr die Gesundheit mit sich bringen wie z B einen Ruumlckgang der Kaumlltetodesfaumllle waumlhrend der Wintermonate Insge-samt wird jedoch im Zuge des Klimawandels mit einer erheblichen Beeintraumlchtigung des Gesundheitszustands von Millionen von Menschen gerechnet Besonders be-troffen sind Personen die bereits gesundheitlich vorbe-lastet sind (Alte Kinder u a auch in Industrielaumlndern) und sich nur schwer vor Krankheiten schuumltzen koumlnnen (vor allem Arme und Hungernde in den Entwicklungslaumln-dern) Klimaveraumlnderungen koumlnnen dabei das Risiko fuumlr die Gesundheit auf direkte und indirekte Weise beein-flussen Extremwetterereignisse werden direkt zu einer Zunahme von Todesfaumlllen Krankheiten und Verletzun-gen durch Hitzewellen Uumlberschwemmungen Stuumlrme und Duumlrren auch in Industrielaumlndern fuumlhren

Noch viel bedeutender als die direkten Einfluumlsse sind jedoch die indirekten Auswirkungen Bei einer weiteren Erwaumlrmung koumlnnten sich viele ndash teilweise toumldlich ver-laufende ndash Infektionskrankheiten wie Malaria Dengue-fieber oder auch Uumlbertraumlger anderer Infektionen weiter verbreiten als bisher Hitze und Trockenheit aber auch Stuumlrme und Fluten fuumlhrten zu Ernteverlusten die Man-gelernaumlhrung zu einem noch groumlszligeren Problem werden lieszligen

n Wirtschaft

Auch wenn Aussagen uumlber die Abschaumltzung der Folge-kosten eines ungebremsten Klimawandels mit groszligen Unsicherheiten behaftet sind so schaumltzt das Deutsche Institut fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) dennoch dass bis Mitte des Jahrhunderts ohne ernsthaften Klima-schutz Schaumlden in Houmlhe von 200 Billionen US-Dollar zu erwarten sind69 Auch der 2006 erschienene britische Stern-Report zur Oumlkonomie des Klimawandels kommt zu einem aumlhnlichen Ergebnis Bei Tatenlosigkeit koumlnn-ten die Schaumlden des Klimawandels infolge von Stuumlrmen Uumlberschwemmungen Hitzewellen und Duumlrren zwischen 5 und 20 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts kosten und die Weltgemeinschaft in eine tiefgreifende Rezession stuumlrzen Industrielaumlnder waumlren dann eben-so betroffen wie Entwicklungslaumlnder Touristen wuumlr-den ausbleiben landwirtschaftliche Ertraumlge vor allem in vielen Entwicklungslaumlndern unsicherer werden und die versicherten Schaumlden auch in den Laumlndern des Nor-dens erheblich ansteigen Auch wenn es natuumlrlich auch Regionen gaumlbe die von einem Temperaturanstieg pro-fitierten70 wuumlrden die negativen Auswirkungen beim

67 ECFPIK 2004 68 Simonett O 198969 Kemfert C 2004

70 Beispielsweise wird in den Laumlndern der houmlheren Breiten (z B Skandinavien) mit einer erhoumlhten Pflanzenproduktivitaumlt gerechnet die zu besseren Ernten fuumlhren kann

36

UmweltbedingteMigration

Konfliktkonstellationen in ausgewaumlhlten Brennpunkten

Klimabedingte Zunahme vonSturm- und Flutkatastrophen

Klimabedingte Degradationvon Suumlszligwasserressourcen

Klimabedingter Ruumlckgangder Nahrungsmittelproduktion

Brennpunkt

UmweltbedingteMigration

Konfliktkonstellationen in ausgewaumlhlten Brennpunkten

Klimabedingte Zunahme vonSturm- und Flutkatastrophen

Klimabedingte Degradationvon Suumlszligwasserressourcen

Klimabedingter Ruumlckgangder Nahrungsmittelproduktion

Brennpunkt

Ausbleiben von Klimaschutz weltweit uumlberwiegen Effek - tive Klimaschutzmaszlignahmen dagegen waumlren mit jaumlhr-lichen Kosten von rund einem Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung vergleichbar gering71

n Gefaumlhrdung der Sicherheit

Ein ungebremster Klimawandel stellt eine ernstzuneh-mende Bedrohung fuumlr die humanitaumlre Sicherheit dar Neben der Energie(versorgungs)sicherheit ruumlckt in der Auszligenpolitik zunehmend auch die Klimasicherheit in den Fokus Diesen Begriff fuumlhrte die britische Auszligenminis-terin Beckett in die Debatte ein Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveraumlnde-rungen (WBGU) hat die vier klimabedingten Konflikt-konstellationen Nahrung Suumlszligwasser Sturm und Flut sowie Migration identifiziert die zur Destabilisierung oder gar zum Scheitern von Gesellschaften sowie zu In-stabilitaumlten und Unsicherheit im internationalen System fuumlhren koumlnnen Involviert sein koumlnnten regionale Grup-pen einzelne Laumlnder oder gar groumlszligere Laumlndergruppen Der WBGU sieht etwa den nordafrikanischen Raum die

Sahelzone das suumldliche Afrika Zentralasien die Laumln-dergruppe Indien Pakistan und Bangladesch sowie Chi-na als Regionen an in denen der Klimawandel ein neues Sicherheitsrisiko darstellen koumlnnte (siehe Abbildung 14) 72

Bei der Diskussion um die Auswirkungen des Klima-wandels auf die humanitaumlre Sicherheit geht es nicht ausschlieszliglich um die wachsenden Risiken bewaffneter Konflikte um Rohstoffe Vielmehr werden auch groszlige Risiken fuumlr wirtschaftliche Entwicklung soziale Gerech-tigkeit und Verteilungsgerechtigkeit andere Umwelt-guumlter Demokratisierung Abruumlstung Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit erwartet73 Angesichts des Sicherheitsrisikos Klimawandel bietet sich in erster Linie eine gemeinsam konzertierte praumlventive Strategie an militaumlrische Loumlsungen scheinen dagegen wenig sinnvoll

Im Umgang mit den potenziellen Konfliktverschaumlrfungen und neuen Konflikten bestehen verschiedene Moumlglich-keiten Potenzielle Konflikte duumlrfen nicht unterschaumltzt oder ignoriert sondern bereits in der Entstehung geloumlst werden So sollten sich anbahnende Differenzen fruumlh-

Insbesondere die Suumldhemisphaumlre ist von Sicherheitsrisiken im Rahmen des Klimawandels bedrohtQuelle WBGU 2007

Abb 14 Sicherheitsrisiken durch Klimawandel ausgewaumlhlte Brennpunkte

71 Stern N 200672 WBGU 200773 Annan 2005

37

zeitig erkannt und Kooperationen der beteiligten Partei-en gesucht werden bevor es zu einem Konflikt kommen kann Ein Beispiel hierfuumlr ist das Wassermanagement des Indus Pakistans groumlszligtem Fluss der aber zunaumlchst durch China und Indien flieszligt In einigen Jahrzehnten wird das sommerliche Wasservolumen des Indus durch das Schmelzen der Gletscher im Himalaya deutlich ab-nehmen und damit die Konkurrenz der ohnehin zerstrit-tenen Nachbarstaaten um das knappe zur Verfuumlgung stehende Wasser verschaumlrft Beansprucht Indien das wenige verbleibende Wasser des Indus allein fuumlr sich so stellt dies ein enormes Konfliktpoten zial dar Um einen ernsten Konflikt zwischen den beiden Atommaumlchten zu verhindern braucht es bereits heute eine strategisch ge-schickte Politik der Kooperation zwischen den vom Was-sermangel im Himalaya-Gebiet betroffenen Regionen

Die internationale Politik sollte sich in gleichem ernst-haften Maszlige der wachsenden Herausforderung klima-bedingter Migration annehmen Im Zuge der Klimaver-aumlnderung werden immer mehr Menschen aufgrund von Extremwetterereignissen Duumlrren und Wuumlstenausbrei-tung sowie des Meeresspiegelanstiegs gezwungen sein ihre Heimat zu verlassen Derzeit ist ihr voumllkerrechtlicher Schutz nicht gewaumlhrleistet

42 Regionale Betroffenheit

In einigen Regionen werden die Auswirkungen des Klimawandels staumlrker spuumlrbar werden als in anderen Entwicklungslaumlnder und arme Menschen insbesonde-re in Afrika und Asien sowie kleine Inselstaaten sind besonders betroffen Zum einen lebt der Groszligteil der Bevoumllkerung in Entwicklungslaumlndern unmittelbar von der Landwirtschaft ndash in Afrika sind dies ca 70 Prozent der gesamten Bevoumllkerung74 ndash und ist somit direkt von den Klima- und Wetterbedingungen abhaumlngig Klima-tische Veraumlnderungen haben deshalb oft verheerende Auswirkungen Ein zweiter wesentlicher Grund fuumlr die hohe Anfaumllligkeit gegenuumlber den Folgen des Klimawan-dels ist jedoch auch die Armut selbst So wird durch einen Mangel an Kapazitaumlten (technisch personell und finanziell) eine Anpassung an veraumlnderte Bedingungen und ein Schutz vor den aufgezeigten Risiken erschwert Klimawandel verschaumlrft Armut zerstoumlrt Lebensgrund-lagen und untergraumlbt Entwicklungsmoumlglichkeiten Al-lein im Zeitraum 2000-2004 waren jedes Jahr fast 300 Millionen Menschen von Naturkatastrophen betroffen ndash 98 Prozent davon in Entwicklungslaumlndern Waumlhrend in den entwickelten Laumlndern der OECD nur einer von 1500 Einwohnern durch eine Naturkatastrophe betroffen war lag das Risiko bei Einwohnern aus Entwicklungslaumlndern um den Faktor 79 houmlher ndash einer von 19 war betroffen (siehe Abbildung 15 S 38)75

Schaumltzungen zufolge koumlnnten bei einer ungebremsten globalen Erwaumlrmung im Jahr 2050 25 Millionen Men-schen durch Uumlberflutungen zwischen 180 und 250 Millionen Menschen durch Malaria und weitere 200 bis 300 Millionen Menschen durch Wasserknappheit be-droht sein76 Damit der Klimawandel nicht die Lebens-grundlage von Millionen von Menschen gefaumlhrdet und zu wirtschaftlichem Niedergang sozialer Erosion und Migrationsbewegungen fuumlhrt muss eine nachhaltige Armutsbekaumlmpfung auch als eine Schluumlsselstrategie bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels angese-hen werden77

n Afrika

Nach Einschaumltzungen des IPCC gilt Afrika aufgrund von Mehrfachbelastungen der unmittelbaren Abhaumlngigkeit von der Landwirtschaft und einer niedrigen Anpassungs-kapazitaumlt als einer der verwundbarsten Kontinente ge-genuumlber Klimaaumlnderungen78 Selbst in konservativen Szenarien wird in Afrika mit einem Anstieg der Tempe-ratur um 3-4 degC gegenuumlber der Periode 1980-1999 ge-rechnet79 Besonders hohe Temperaturen werden dabei im nordwestlichen und im suumldlichen Afrika erwartet Hinzu kommt dass die meisten Klimamodelle eine dras-tische Abnahme der Jahresniederschlaumlge fuumlr Afrika bis Ende des 21 Jahrhunderts voraussagen Auch in diesem Fall gelten die genannten Laumlnder Afrikas als besonders betroffen Um bis zu 30 Prozent koumlnnten demnach die Winterniederschlaumlge in Nordafrika zuruumlckgehen In Ost-afrika sowie in Teilen der Sahelzone wird hingegen mit einer Veraumlnderung in Richtung feuchterer Klimaregime gerechnet (siehe Abbildung 16 S 38)

Anders als in anderen landwirtschaftlichen Regionen der Welt gibt es in Afrika nur wenige Regionen in denen die Felder mit dem Wasser aus Fluumlssen oder Stauseen be-waumlssert werden Durch die projizierten Klimaaumlnderun-gen werden deshalb schwerwiegende Beeintraumlchtigun-gen der Nahrungsmittelsicherheit erwartet So schaumltzt man dass der Klimawandel schon in naumlchster Zukunft in einigen Laumlndern Nordafrikas das Risiko von trockenen Jahren in denen die auf Regenfeldbau basierenden land-wirtschaftlichen Ertraumlge um 50 Prozent zuruumlckgehen verstaumlrkt80 Dies wuumlrde die bereits kritische Situation in Afrika erheblich verschaumlrfen und die Unterernaumlhrung auf dem Kontinent verstaumlrken Dem IPCC zufolge werden in Regionen Afrikas suumldlich der Sahara bis 2020 zwischen 75 und 250 Millionen Menschen einem durch den Kli-mawandel verstaumlrkten Wasserstress ausgesetzt sein Verschlimmern koumlnnte sich diese Situation noch durch abnehmende Fischbestaumlnde als Folge von massiver Uumlberfischung verstaumlrkt durch steigende Wassertempe-raturen in Seen und Kuumlstenzonen

74 IPCC 2001b75 UNDP 200776 Parry M et al 2001

77 HarmelingBals 200778 IPCC 2007b

79 IPCC 2007b80 IPCC 2007b

38

n Asien

In fast allen Regionen Asiens wird mit einer deutlichen Erwaumlrmung weit oberhalb des globalen Mittelwerts gerechnet Auszliger in Suumldostasien wo ein Anstieg im Be-reich des globalen Mittelwertes erwartet wird koumlnnten sich die Temperaturen in den uumlbrigen Gebieten um bis zu 4 degC gegenuumlber dem Mittelwert von 1980-1999 erhouml-hen Als Folge waumlrmerer Temperaturen wird vor allem im Himalaya mit einer sich beschleunigt fortsetzenden Gletscherschmelze gerechnet Gletscherseeausbruumlche Uumlberschwemmungen Bergstuumlrze sowie erhebliche Trink wasserknappheit insbesondere in den groszligen Fluss einzugsgebieten koumlnnten sich auf mehr als eine Milliarde Menschen nachteilig auswirken

Entlang der sich veraumlndernden Temperaturmuster wer-den die Niederschlaumlge insgesamt in Asien bis Ende des Jahrhunderts zunehmen Einzige Ausnahme ist Zentral-asien wo ein Ruumlckgang der Sommerniederschlaumlge und erhebliche Trockenheit vor allem waumlhrend der Som-mermonate als wahrscheinlich gelten81 Unklar ist die Entwicklung des Indischen Sommermonsuns welcher fuumlr mehr als zwei Milliarden Menschen in weiten Teilen Asiens eine der Haupttrinkwasserquellen darstellt (siehe auch Kapitel 34)

Waumlhrend in Ost- und Suumldostasien ein moumlglicher Anstieg der landwirtschaftlichen Ertraumlge um bis zu 20 Prozent vorausgesagt wird koumlnnten diese in Zentral- und Suumld-

Risiko von einer Naturkatastrophe betroffen zu sein (auf 100000 Menschen)

Entwicklungslaumlnder

OECD-Laumlnder mit hohem Einkommen

50 von 100000 Menschen

1980-84 2000-04

Aufgrund ihrer geringen Anpassungskapazitaumlten sind Menschen in Entwicklungslaumlndern besonders verwund-bar gegenuumlber Naturkatastrophen Quelle UNDP 2008

Abb 15 Betroffenheit von Natur-katastrophen in Entwicklungs- und Industrielaumlndern

5030201510

50

-5-10-15-20-30-50

Abb 16 Temperatur- und Niederschlagsaumlnderungen in Afrika bis 2100Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestempera-turen und Jahresniederschlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999

Besonders das noumlrdliche und suumldliche Afrika gelten als besonders gefaumlhrdete Regionen im Rahmen des Klimawan-dels Quelle Hamburger Bildungsserver nach IPCC 2007b

1007050403530252015100500

-05-10

Temperatur-Veraumlnderung (degC) Niederschlags-Veraumlnderung ()40degN

20degN

0deg

20degS

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20degN

0deg

20degS

40degS20degW 20degW0deg 0deg20degO 20degO40degO 40degO60degO 60degO

81 IPCC 2007b

39

asien um bis zu 30 Prozent zuruumlckgehen Eine erhebliche Zunahme der Anzahl hungernder Menschen und wirt-schaftliche Konsequenzen waumlren die Folgen und sogar die nationale Sicherheit einzelner Staaten koumlnnte ge-faumlhrdet werden

Der IPCC projiziert zudem eine Zunahme und Intensivie-rung von Hitzewellen in Ostasien sowie von Starknieder-schlagsereignissen in Suumld- und Ostasien Auch gehen die Klimamodelle von einem zunehmenden Uumlberflutungsri-siko in einigen der Groszligdeltas ndash z B dem Mekong-Delta ndash infolge des steigenden Meeresspiegels aus In Bang-ladesch wuumlrde bereits ein Meeresspiegelanstieg von ei-nem Meter dazu fuumlhren dass etwa drei Millionen Hektar Land dauerhaft uumlberflutet waumlren Fuumlr 15 bis 20 Millionen wuumlrde dies den Verlust ihrer Heimat bedeuten

n Lateinamerika

Lateinamerika und die Karibik stellen nicht nur hinsicht-lich der groszligen oumlkologischen Reichhaltigkeit sondern auch bezuumlglich der kulturellen Vielfalt eine auszligerge-woumlhnliche Region dar Es ist jedoch auch eine Region in der 44 Prozent der Bevoumllkerung in Armut lebt und wo die Ungleichheit in der Vermoumlgensverteilung zu den Houmlchsten weltweit gehoumlrt Diese Charakteristika ma-chen Lateinamerika und die Karibik zu einer der ver-wundbarsten Regionen uumlberhaupt

Waumlhrend fuumlr das suumldliche Suumldamerika eine Erwaumlrmung entlang des globalen Erwartungswerts projiziert wird werden fuumlr Mittelamerika und die noumlrdlichen Regionen Suumldamerikas dagegen deutlich houmlhere Temperaturen er-wartet Am staumlrksten werden sich dabei voraussichtlich die Amazonasregion sowie Nordmexiko waumlhrend der Sommermonate erwaumlrmen Fuumlr das Amazonasbecken wird zusaumltzlich eine Abnahme der Jahresniederschlaumlge um uumlber 30 Prozent und damit einhergehend eine Um-wandlung tropischer Regenwaumllder in Savannen vorher-gesagt (siehe Abbildung 17) Wuumlstenbildung und Ver-salzung von landwirtschaftlichen Nutzflaumlchen koumlnnten schon innerhalb der kommenden Jahrzehnte zu einem Ruumlckgang der Ertraumlge wichtiger Nutzpflanzen und zu einer Verminderung der Viehhaltung fuumlhren sowie die Nahrungsmittelsicherheit vieler lateinamerikanischer Regionen und von Millionen Menschen erheblich gefaumlhr-den

n Inseln und Atolle

Durch den steigenden Meeresspiegel koumlnnten schon in wenigen Jahren viele kleine Inselstaaten sowohl in den Tropen als auch in den houmlheren Breiten uumlberschwemmt und von den Landkarten verschwunden sein Fuumlr die Zu-kunft erwartet der IPCC im Zuge des steigenden Mee-resspiegels eine Verstaumlrkung von Uumlberflutungen Sturm-fluten und Kuumlstenerosion Zusaumltzlich werden auch die Gewinnung von Trinkwasser und die landwirtschaftliche

Abb 17 Temperatur und Niederschlagsaumlnderungen in Suumldamerika bis 2100Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestempera-turen und Jahresniederschlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999

Besonders das Amazonasgebiet gilt als besonders gefaumlhrdete Region im Zuge des KlimawandelsQuelle Hamburger Bildungsserver nach IPCC 2007b

5030201510

50

-5-10-15-20-30-50

1007050403530252015100500

-05-10

Temperatur-Veraumlnderung (degC) Niederschlags-Veraumlnderung ()

40

Info-Kasten 4 Womit wir in Deutschland rechnen muumlssen

Klimawandel geschieht nicht nur in anderen Teilen der Welt sondern auch hier in Deutschland ndash und zwar heute In den vergangenen 100 Jahren wurde hierzulande ein Anstieg der durchschnittlichen Jahrestemperatur um 08-10 degC beobachtet Wet- terextreme wie Hitze wellen Starknieder schlags-ereignisse und Winterstuumlrme traten in den letzten zwei Dekaden vermehrt auf

Fuumlr die Zukunft wird fuumlr Deutschland eine Tem-peraturerhoumlhung zwischen 25-35 degC projiziert Mit der houmlchsten Erwaumlrmung ist dabei in den Wintermonaten in Suumld- und Suumldostdeutschland zu rechnen Nach Norden und Westen in Richtung eines mehr maritim gepraumlgten Klimaregimes verringert sich der Temperaturanstieg zwar dennoch wird auch fuumlr die Kuumlstenregionen eine deutliche Erwaumlrmung vorausgesagt Auch fuumlr den Sommer werden die houmlchsten Temperaturen im Suumlden Deutschlands er-wartet

Die Niederschlagsverhaumlltnisse werden sich regio-nal und saisonal veraumlndern In Suumld- Suumldwest- und Nordostdeutschland ist mit einem bis zu 40-prozen-tigen Ruumlckgang der sommerlichen Niederschlaumlge zu

rechnen waumlhrend sich fuumlr die Wintermonate fast im ganzen Land staumlrkere Niederschlaumlge abzeichnen Durch die Trockenheit waumlhrend der Sommermonate sind in Ost- und Suumldwestdeutschland die landwirt-schaftlichen Ertraumlge gefaumlhrdet die Waldbrandgefahr wird sich erhoumlhen und das sommerliche Wasser-angebot geht zuruumlck Auch die Haumlufigkeit von Hitzewellen wird sehr wahrscheinlich zunehmen

Ferner gilt als sicher dass die Gletscher in den Alpen infolge der Temperaturerhoumlhung weiter an Volumen verlieren werden Nach neuesten Einschaumltzungen koumlnnte bei einem sommerlichen Temperaturanstieg von 3 degC etwa 80 Prozent der 1990 noch vorhande-nen Eismasse bis 2100 verloren gehen Wenn die Sommertemperaturen um 5 degC steigen waumlren die Alpen gegen Ende des Jahrhunderts praktisch eisfrei Auch ist davon auszugehen dass die Winterstuumlrme in Norddeutschland zunehmen werden

An Deutschlands Kuumlsten wird der Meeresspiegel im globalen Vergleich uumlberdurchschnittlich stark an-steigen Dafuumlr sorgen zum einen eine staumlrkere Erwaumlr-mung aber auch eine anhaltende Landabsenkung als Spaumltfolge der ausklingenden Kaltzeit83

Nutzung der Boumlden durch die Versalzung des Grundwas-sers und der Boumlden infolge des steigenden Meerwassers immer schwieriger werden Aus diesem Grund mussten innerhalb der letzten Jahre bereits 3000 Einwohner des pazifischen Inselstaates Tuvalu ihre Heimat verlassen

ndash Hunderttausende auf anderen Inseln werden ihnen folgen muumlssen sollte der zukuumlnftige Anstieg des Mee-resspiegels nicht innerhalb der kommenden Jahrzehnte gebremst werden82

82 Warner K 200983 Germanwatch 2007

41

Extreme Nieder schlaumlge und Uumlber schwemshymungen haben auch in Europa und Deutschshyland in den letzten Jahren immer wieder zu enormen wirtschaft lichen Schaumlden gefuumlhrt wie hier in Steyr Oumlsterreich

In Deutschland wird mit einem Anstieg der Niederschlaumlge im Winter gerechnet

Foto

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42

Wie gezeigt wurde greift der Mensch durch sein Handeln massiv in die chemische Zusammensetzung der Atmosphaumlre ein und ist somit der Hauptverursacher fuumlr den sich verstaumlrkenden Treibhauseffekt der Erde Allerdings war und ist der Beitrag der verschiedenen Staaten und ihrer Bewohner zum Klimawandel sehr ver-schieden ndash v a wegen ihrer unterschiedlichen wirt-schaftlichen sozialen und technologischen Situationen

51 Welche Laumlnder sind die Hauptverursacher von Treibhaus-gasemissionen

Die Frage welche Laumlnder fuumlr welche Mengen an Emissionen verantwortlich sind stellt sich sowohl fuumlr die Vergangenheit als auch fuumlr die Gegenwart und die Zukunft Aus zwei Gruumlnden ist der Blick in die Vergangenheit besonders wichtig Erstens ist CO2 ein uumlber Hunderte Jahre wirksames Treibhausgas d h die Frage nach der Verantwortung fuumlr den heute bereits sichtbaren globalen Klimawandel findet ihre Antwort in den kumu-lierten Emissionen des letzten Jahrhunderts Zweitens ha ben diejenigen Laumlnder die in der Vergangenheit be-sonders viel Energie nutzten ndash vor allem Kohle Oumll und Gas ndash und damit besonders hohe Treibhausgasemissio-nen zu verzeichnen hatten von diesem Verhalten pro-fitiert da sie Infrastruktur Produktionsanlagen und

Kapital aufgebaut haben Dieser Reichtum verschafft ihnen einen deutlich groumlszligeren Handlungsspielraum heute in die Entwicklung und Verbreitung klimafreund-licher Energietechnologien zu investieren als es in ar-men Laumlndern der Fall ist Letz tere erheben hingegen einen Anspruch auf nachholende Entwicklung mit ho-hem Wirtschaftswachstum und erwarten dass sie die Zusatzkosten fuumlr klimafreundliche Technologien vom Norden ganz oder teilweise finanziert bekommen Hieraus ergibt sich die groszlige klimapolitische Heraus-forderung zur Loumlsung des Klimaproblems (s Kapitel 6)

Wenn man die durch den Menschen verursachten CO2-Emissionen des letzten Jahrhunderts betrachtet sind die Industrielaumlnder die Hauptverursacher des anthropoge-nen Treibhauseffekts (siehe Abbildung 18) Mehr als die Haumllfte (58 Prozent) entfielen zwischen 1900 und 1999 allein auf Europa und die USA auf das Konto der ehema-ligen Sowjetunion weitere 137 Prozent Die Gesamtheit der Entwicklungslaumlnder wo rund 80 Prozent der Welt-bevoumllkerung leben war hingegen nur fuumlr 21 Prozent der angehaumluften CO2-Emissionen verantwortlich (siehe Ab-bildung 18) Die Aumlrmsten rund 800 Millionen Menschen vereinen sogar historisch gesehen weniger als 1 Prozent aller kumulierten CO2-Emissionen des 20 Jahrhunderts auf sich84 Natuumlrlich aumlndert sich dieses Bild immer mehr und die Gewichte werden sich zukuumlnftig staumlrker ver-schieben ndash hin zu einem groumlszligeren Beitragsanteil auf Seiten der sogenannten Entwicklungslaumlnder

5 Die Verursacher des Klimawandels

Die Industriestaaten tragen die historische Hauptverantwortung fuumlr den KlimawandelQuelle Eigene Darstellung nach World Resources Institute 2002

Suumld- und Mittelamerika38

Mittlerer Osten26

Afrika25

Europa277

Russland137

Japan37 Kanada

23

Australien11

China Indien und Ent -wicklungslaumlnder Asiens122

USA303

Entwicklungs-laumlnder21

Abb 18 Kumulierte energiebedingte CO2-Emissionen 1900-1999

84 Global Carbon Project 2009

43

Quelle Eigene Darstellung nach US Energy Information Administration wwweiadoegov

52 Absolute und Pro-Kopf-Emissionen heute

Historisch gesehen haben die USA insgesamt durch ihre kumulierten CO2-Emissionen mit Abstand am meisten zum Klimawandel beigetragen Auch im Jahr 2007 gin-gen fast 20 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoszliges noch auf ihr Konto Einzig Chinas Anteil welcher seit 2007 den der USA uumlberholt hat ist noch groumlszliger (208 Prozent) Das Reich der Mitte stoumlszligt mit seinen gut 13 Milliarden Ein-wohnern heute etwa so viel CO2 aus wie die 15 Laumlnder der alten EU mit ihren rund 380 Millionen Einwohnern Tendenz stark ansteigend Damit sind die beiden Ver-schmutzungs-Spitzenreiter China und USA zusammen fuumlr mehr als 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoszliges verantwortlich (siehe Abbildung 19) Ein anderes Bild ergibt sich wenn die CO2-Emissionen aus veraumlnderter Landnutzung die insbesondere Entwaldungsprozesse beinhaltet in der Statistik beruumlcksichtigt werden Dem-nach waumlren nach China den USA und der EU Indonesien und Brasilien die viert- und fuumlnftgroumlszligten Emittenten Ursachen sind in beiden Laumlndern die groszligflaumlchigen Ro-dungen der tropischen Regenwaumllder

Deutschland konnte zwar innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte auch aufgrund der Wiedervereinigung und des damit einhergegangenen Zusammenbruchs der Schwer industrien in der ehemaligen DDR seinen Aus-stoszlig deutlich reduzieren zaumlhlt allerdings nach wie vor zu den weltweit groumlszligten CO2-Emittenten Zum Vergleich Der gesamte afrikanische Kontinent mit rund einer Mil-

liarde Einwohnern traumlgt gegenwaumlrtig etwa so viel zum globalen Treibhausgasausstoszlig bei wie Deutschland mit seinen rund 82 Millionen Einwohnern Dabei sind nur vier Laumlnder naumlmlich Suumldafrika Aumlgypten Nigeria und Algerien fuumlr mehr als drei Viertel der afrikanischen Emis-sionen verantwortlich Werden diese herausgerechnet liegt der Anteil der restlichen afrikanischen Staaten am weltweiten CO2-Ausstoszlig unter einem Prozent

Waumlhrend in einigen Industrielaumlndern die CO2-Emissio-nen innerhalb der letzten zwei Dekaden stabilisiert bzw reduziert wurden stiegen sie insbesondere in den gro-szligen Schwellenlaumlndern der Welt deutlich weiter

Der Vergleich der historischen Emissionen mit dem ak-tuellen CO2-Ausstoszlig der weltweit groumlszligten Emittenten

Abb 19 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen 1992-2009

Der Autoverkehr ist eine weltweit nach wie vor wach-sende Quelle von CO2-Emissionen Foto Dietmar Putscher

ChinaUSAIndienRusslandJapanDeutschlandBrasilien

19921993

19941995

19961997

19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

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9000

8000

7000

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1000

0

Jahr

44

verdeutlicht den wachsenden Beitrag der Schwellenlaumln-der vor allem Chinas aber auch Indiens zum Klimawan-del Aber auch in den meisten Entwicklungslaumlndern stei-gen die Treibhausgasemissionen gegenwaumlrtig rasant an

Auch wenn einige Schwellenlaumlnder bei den absoluten CO2-Emissionen vorne liegen so kommen bei den Pro-Kopf-Emissionen ausschlieszliglich Industrielaumlnder auf die vorderen Plaumltze

Waumlhrend in der Statistik der absoluten CO2-Emissionen vor allem populationsstarke Laumlnder auf den vorderen Raumlngen zu finden sind aumlndert sich die Rangfolge wenn der Pro-Kopf-Ausstoszlig betrachtet wird Eine solche Be-trachtungsweise ist insbesondere unter dem Gesichts-punkt der Klimagerechtigkeit und entsprechend der weltweit gemeinsamen aber individuell sehr unter-schiedlichen Verantwortlichkeit fuumlr Ursache und Loumlsung des Klimaproblems von Bedeutung

Abbildung 20 zeigt die Pro-Kopf-Emissionen zwischen 1990 bis 2007 fuumlr ausgewaumlhlte Laumlnder Hier liegen die USA und Kanada mit ca 191 bzw 174 t CO2 im Jahr 2007 deutlich vorn Zu beachten ist allerdings dass ei-nige der arabischen Golfstaaten noch weit houmlhere Pro-Kopf-Werte haben so liegt der Wert in Katar bei ca 60 Tonnen pro Jahr85 In Deutschland und Russland sind mit dem deutlichen Gesamtruumlckgang der absoluten Emis-sionen auch sinkende Pro-Kopf-Emissionen verknuumlpft Nichtsdestotrotz produziert jeder Deutsche im Durch-

schnitt immer noch etwa 97 t CO2 pro Jahr Die Betrach-tung der Pro-Kopf-Werte relativiert die hohen Gesamt-emissionen der beiden bevoumllkerungsreichsten Laumlnder China und Indien Dort werden die Emissionen allerdings uumlberwiegend von einer Minderheit der jeweiligen Bevoumll-kerung erzeugt So werden in China nur etwa 20 Prozent der Bevoumllkerung der globalen Konsumentenklasse zuge-ordnet die durch einen konsum- und ressourcenintensi-ven Lebensstil erhebliche CO2-Emissionen verursacht86 Der Vergleich mit Afrika macht die Pro-Kopf-Verantwor-tung am globalen Treibhauseffekt noch deutlicher Waumlh-rend ein Deutscher pro Jahr durchschnittlich 97 Tonnen CO2 verursacht liegt ein Kenianer nur bei 03 Tonnen

53 Emissionen nach Sektoren

Die derzeitige Erwaumlrmung ist auf eine Reihe von Emissi-onsquellen zuruumlckzufuumlhren Im Folgenden wird zunaumlchst die globale Ebene87 betrachtet bevor auf die Verhaumlltnis-se in Deutschland Bezug genommen wird Hauptfaktor fuumlr den weltweiten Ausstoszlig an Treibhausgasen stellte im Jahr 2004 die Energieversorgung mit ca 259 Prozent vor dem Industriesektor mit 194 Prozent dar88 Eine eindeutige Abgrenzung ist jedoch nicht ganz einfach da die Industrie auch einen groszligen Teil des Stroms aus der Energieversorgung nutzt Darauf folgen der Forst-sektor mit 174 Prozent ndash vor allem durch die Zerstoumlrung von Waumlldern in tropischen Regionen wie Brasilien oder Indonesien ndash und die Landwirtschaft mit 135 Prozent

Quelle Eigene Darstellung nach wwweiadoegov (so)

Abb 20 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen pro Einwohner zwischen 1992 und 2009 fuumlr neun ausgewaumlhlte Laumlnder

19921993

19941995

19961997

19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

20082009

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Jahr

85 wwweiadoegov86 GardnerAssadourianSarin 200487 Quelle fuumlr alle Daten hierzu IPCC 2007e

88 IPCC 2007e 2004 ist das letzte Jahr fuumlr das der 4 IPCC-Sachstandbericht alle sechs Kyoto-Gase umfassende Analysen enthaumllt Bei Betrachtung nur der energiebedingten Emissionen sind auch neuere Daten verfuumlgbar

45

Der Verkehrssektor verzeichnet mit 131 Prozent eben-falls enorme Wachstumsraten die vor allem auf den Anstieg im internationalen Schiffs- und Flugverkehr zu-ruumlckzufuumlhren sind

Von den gesamten anthropogenen Treibhausgasemis-sionen die fuumlr die Erderwaumlrmung verantwortlich sind stand CO2 im Jahr 2004 mit einem Anteil von 63 Prozent an vorderster Stelle Der Groszligteil dieser CO2-Emissionen ist energiebedingt aber auch die Freisetzung von CO2 durch die Zerstoumlrung von Waldgebieten (z B durch die Rodung tropischer Regenwaumllder) spielt eine groszlige Rolle Sie ist mit umgerechnet ca 6 Milliarden Tonnen jaumlhrlich freigesetztem CO2 nach dem Verbrennen von fossi-len Energietraumlgern global betrachtet die zweitgroumlszligte CO2-Quelle In vielen Entwicklungslaumlndern stellt sie die groumlszligte Emissionsquelle dar z B in Indonesien mit 834 Prozent und in Brasilien mit 62 Prozent Hauptursache der Waldzerstoumlrung sind landwirtschaftliche Aktivitaumlten wie die Gewinnung von Acker- und Weideflaumlche durch Brandrodung Problematisch ist vor allem die groszligflaumlchi-ge Rodung fuumlr Monokulturen zur Gewinnung von Palm-oumll Zuckerrohr und Soja die auch fuumlr den europaumlischen Markt als Futtermittel oder Agrotreibstoff produziert werden

Der uumlberwiegende Anteil an den weltweiten menschge-machten Methanemissionen entsteht durch Nassreis-feldanbau und Rinderzucht89 In diesem Zusammenhang kann man auch die Frage aufwerfen ob alle Emissionen prinzipiell als qualitativ gleichwertig anzusehen sind oder ob unterschieden werden muss zu welchem Zweck die Emissionen verursacht werden So sollten beispiels-weise die Emissionen die durch Freizeitreiseverkehr

Das Abholzen des Regenwaldes (hier in Brasilien) stellt eine groszlige Gefahr sowohl fuumlr das globale Klima als auch fuumlr die regionale Wirtschaft dar Foto Uwe Bauch pan-thermedianet

89 IPCC 2007a

Der groszlige Anteil des Energiesektors am CO2-Ausstoszlig in Deutschland verdeutlicht das Potenzial von Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz Quelle Umweltbundesamt 2010

Abb 21 Entwicklung der THG-Emissionen in Deutschland nach Sektoren 1990 bis 2008

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19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

2008

Oslash2008-2012

Ziel 2020

Basisjahr

uumlbrige Emissionen

Haushalte

Verkehr

Gewerbe HandelDienstleistungen

Industrie

Landwirtschaft

Energiewirtschaft

Treibhausgasemissionen ndash Summe

-21 gegenuumlber

Basisjahr

-40 gegenuumlber

1990

493 493 474 471 459 467 474 477 483 480 476 481 491 468

85 8785 84 85 84 84 81 79 81 80 78 77

81

138 135 136 121 113 116 110 106 111 117 112 115 119 116

55 6556 54 50 46 53 50 42 41 41 41 35 42

179 178179 182 187 183 178 176 170 169 161 157 154 154

130 144139

133121 119 132 122 123 114 112 114 89 108

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44

3935 33

30 28 26

1121 11401104

10781044 1043 1058 1037 1031 1022 1001 1003 981 982

1232 1249

974

749

46

Germanwatch hat mit dem sogenannten Klima schutz- Index ein Instrument entwickelt das die Emissions-entwicklung das Emissionsniveau sowie die Klima-schutzpolitik der Hauptemittenten transparent gegen-uumlberstellt Der Index fungiert als Vergleichsinstrument zwischen den einzelnen Staaten und soll zu effizi-enterem Klimaschutz animieren Tabelle 4 zeigt das Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011 der im Dezember 2010 bei der Klimakonferenz von Cancuacuten vorgstellt wurde Da bisher kein Land ausreichend ambitioniert zur Vermeidung eines gefaumlhrlichen Klimawandels beitraumlgt blieben auch in diesem Jahr die ersten drei Plaumltze des Rankings unbe-setzt

Bei vielen der weltweit groumlszligten CO2-Emittenten spielt Klimaschutz nach wie vor hinter der wirtschaftlichen Entwicklung eine nachrangige Rolle obwohl es ein wachsendes Bewusstsein dafuumlr gibt dass gerade im Klimaschutz auch groszlige wirtschaftliche Potenziale lie-gen

(Luxus-Emissionen) entstehen anders bewertet werden als der Methanausstoszlig den asiatische Bauern durch den fuumlr sie uumlberlebensnotwendigen Reisanbau verursachen (Uumlberlebens-Emissionen)

In Deutschland ist die Energiewirtschaft der Hauptver-ursacher von CO2-Emissionen Aber auch im produzie-renden Gewerbe und im Transportsektor fallen viele Emissionen an Mehr als die Haumllfte der Transportemis-sionen entfallen dabei auf den Automobilverkehr Mit deutlich mehr als 80 Prozent hat CO2 unveraumlndert den groumlszligten Anteil an den deutschen Treibhausgasemissio-nen90

54 Trends bei den Treibhausgas-emissionen

Gerade beim wichtigsten durch den Menschen ver-ursachten Treibhausgas dem Kohlendioxid war der Wachstumstrend auf globaler Ebene in den letzten Jah-ren ungebrochen Zwischen 2000 und 2008 haben sich die weltweiten CO2-Emissionen um 29 Prozent von rund 7 Gigatonnen Kohlenstoff auf rund 9 Gigatonnen seit 1990 (dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls) sogar um 41 Prozent erhoumlht Da 1 kg Kohlenstoff 367 kg CO2 ent-spricht erhoumlht sich der atmosphaumlrische CO2-Gehalt mo-mentan um rund ca 33 Gigatonnen CO2 jaumlhrlich Fuumlr den Zeitraum 2000 bis 2008 betrug der Emissionszuwachs 34 Prozent (insgesamt 19 ppm pro Jahr) im Vergleich zu 10 Prozent (insgesamt 15ppm) im Zeitraum 1990-1999 (siehe Abbildung 22) Seit 2005 hat die Verbrennung von Kohle dabei Oumll als groumlszligte gegenwaumlrtige Treibhausgas-quelle abgeloumlst91

In fast allen Weltregionen ist ein deutlicher Anstieg der Emissionen in dem besagten Zeitraum zu beobach-ten wobei beachtet werden muss dass dieser auf stark unterschiedlichen Ausgangsniveaus aufbaut Waumlhrend sich der Anstieg des Emissionsausstoszliges in den Indus-trie laumlndern im Durch schnitt jedoch verlangsamt hat ha-ben die Entwicklungslaumlnder mittlerweile den schnellsten Anstieg zu verzeichnen92 Rund ein Viertel des Wachs-tums der CO2-Emissionen in den Entwicklungslaumlndern resultiert allerdings aus den Produkten die sie fuumlr an-dere Staaten vor allem die Industrielaumlnder herstellen Es sind insbesondere die exportorientierten Industrien dieser Laumlnder die es einerseits den Laumlndern des globa-len Nordens ermoumlglichen in den Entwicklungslaumlndern produzierte Guumlter zu konsumieren die andererseits maszliggeblich zu den Emissionssteigerungen der letzten Jahren beigetragen haben

Innerhalb der letzten Dekade hat sich der Anstieg der CO2-Emissionen beschleunigt Quelle Le Queacutereacute C et al 2009

Abb 22 Anstiegsrate der CO2-Emissionen

1990 2000 2010

Wachstumsrate 10 pro Jahr

Emis

sion

en a

us fo

ssile

n En

ergi

en

(in G

t CJ

ahr)

9

8

7

6

Wachstumsrate 34 pro Jahr

90 Umweltbundesamt 201091 Global Carbon Project 200992 Global Carbon Project 2009

47

Infokasten 5 Wirtschaftskrise Klimaschutz und bdquogruumlneldquo Konjunkturprogramme

Weltwirtschaft und Treibhausgasausstoszlig sind eng miteinander verknuumlpft Vor diesem Hintergrund hat die Finanz- und Wirtschaftskrise auch ihre gu-te Seite Durch das verringerte Wachstum bei der Industrieproduktion ist es weltweit zu einem ent-sprechenden Ruumlckgang der energiebedingten CO2-Emissionen seit 2008 gekommen Laut den Messungen des Global Carbon Projects einer internationalen Forschungsinstitution die die Entwicklung des glo-balen Kohlenstoffkreislaufs uumlberwacht stieg zwar die atmosphaumlrische CO2-Konzentration auch im Jahr eins der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise um 18 Prozent gegenuumlber 2007 weiter an doch halbierte sich die Anstiegsrate gegenuumlber den Vorjahren (34 Prozent) Im Jahr 2009 lagen die globalen energiebe-dingten Emissionen unter denen des Vorjahres vor allem durch einen Ruumlckgang in den Industrielaumlndern93 In der EU und Deutschland war der Effekt besonders ausgepraumlgt Nach Berechnungen der EU-Kommission ist es jedem europaumlischen Mitgliedsstaat gelungen seine CO2-Emissionen gegenuumlber dem Vorjahr zu ver-ringern Allein Deutschland konnte einen Ruumlckgang seiner energiebedingten CO2-Emissionen um fast 8 Prozent verzeichnen94

Insgesamt bewegt sich der gegenwaumlrtige Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre allerdings immer noch im oberen Bereich der IPCC-Szenarien und wird sich noch verschlimmern sollte der Wachs-

tumsmotor der Weltwirtschaft kuumlnftig wieder an-springen

Es muss angenommen werden dass erneute Investitionen in weitgehend alte Strukturen und Produkte die groszligen Anteil am Kollaps des Welt-finanz systems hatten sich abermals als nicht nach-haltig erweisen werden ndash weder fuumlr die Oumlkonomie noch fuumlr die Oumlkologie Eine nachhaltige Loumlsung der Doppelkrise von Wirtschafts- und Klimasystem wird nur durch einen Investitionszyklus gelin-gen dessen Ziel eine umfassende und vor allem an Nachhaltigkeitsprinzipien orientierende Erneuerung von Wirtschaft und Gesellschaft ist Durch den Einsatz der milliardenschweren Konjunkturpakete zur Wiederbelebung der Weltwirtschaft bietet sich eine solche Chance beide Krisen mit einer Klappe zu schlagen Investitionsanreize fuumlr Energie- und Ressourceneffizienz Erneuerbare Energien und so-zial gerechte Strukturen koumlnnten im Rahmen eines bdquoNew Green Dealsldquo die Weltgemeinschaft gestaumlrkt aus der Finanz- und Wirtschaftskrise hervorgehen las-sen und gleichzeitig den Weg zu einem emissionsfrei-en Wohlstandsmodell bereiten Uumlberraschenderweise haben waumlhrend der Wirtschaftskrise Laumlnder wie China und Suumldkorea zu den Laumlndern gehoumlrt die ihre Konjunkturpakete am staumlrksten auf die Foumlrderung bdquogruumlner Technologienldquo ausgerichtet haben und damit zu einer Trendwende beitragen koumlnnten95

Tabelle 4 Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011

Deutschland 7 (7) 274 273 368 123

Groszligbritannien 8 (6) 174 170 288 092

Indien 10 (9) 486 506 675 1705

Korea Rep 34 (41) 171 185 178 073

Japan 38 (35) 392 404 563 191

Russland 48 (45) 542 560 259 212

Iran 52 (38) 172 165 092 108

USA 54 (53) 1905 1862 1839 455

China 56 (52) 2229 1737 1731 1993

Kanada 57 (59) 188 217 164 050

Summe 6533 6079 6157 5002

copy Quelle Burck 2010energiebedingten

Klimaschutz-Index Platzierung

2011 (2010)

Land Anteil an den weltweiten CO2 -

Emissionen

Anteil am welt-weiten Primaumlr-

energieverbrauch

Anteil am welt-weiten Brutto-inlandsprodukt

Anteil an der Erd -

bevoumllkerung

93 Heinzerling 201094 wwwag-energiebilanzende95 EdenhoferStern 2010

48

Der weltweite CO2-Ausstoszlig haumlngt sehr eng zusammen mit dem globalen Wirtschaftswachstum Quelle Aktualisiert und vereinfacht nach Raupach M et al 2007

Abb 23 Weltweite Entwicklung von Emissionsfaktoren

55 Ursachen fuumlr Veraumlnderungen des CO2-Ausstoszliges

Fuumlr die energiebedingten CO2-Emissionen eines Landes spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle die Zahl der Einwohner die Produktivitaumlt der Volkswirtschaft die Energieintensitaumlt und der Anteil fossiler Energietrauml-ger bei der Bereitstellung von Energie In eine Formel gepackt lassen sich daher die energiebedingten CO2-Emissionen in Marktwirtschaften errechnen als

CO2-Emissionen = Bevoumllkerung x Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf x Energienutzung pro BIP-Einheit x CO2-Ausstoszlig pro Energieeinheit

Moumlchte man ihren zukuumlnftigen Verlauf beeinflussen er-geben sich somit vier Ansatzpunkte Dies gilt gleicher-maszligen fuumlr den Ruumlckblick in die Vergangenheit In den verschiedenen Laumlndern der Welt lassen sich jeweils un-terschiedliche Entwicklungen bei der Veraumlnderung die-ser Faktoren beobachten und ebenso unterschiedliche Erklaumlrungen dafuumlr benennen

So ist beispielsweise der absolute CO2-Ausstoszlig in Deutschland und Groszligbritannien gesunken Der Ruumlck-gang laumlsst sich hier mit einer deutlichen Erhoumlhung der Energieproduktivitaumlt (d h einem verringerten Energie-bedarf pro BIP-Einheit) sowie einer Verringerung der CO2-Intensitaumlt in der Energieversorgung bei stagnieren-der Bevoumllkerungszahl und einem nur moderaten Anstieg des BIP erklaumlren Im Falle von Deutschland wurden etwa 10 Prozent der Emissionen dadurch eingespart dass viele ineffiziente Produktionsanlagen aus der DDR-Zeit stillgelegt und zum Teil durch sehr moderne Anlagen er-setzt wurden Zusaumltzlich wurden aber auch viele weitere Maszlignahmen fuumlr Energieeffizienz und die Nutzung von Erneuerbaren Energien umgesetzt etwa das bdquoErneuer-bare-Energien-Gesetzrdquo (EEG) im Strombereich

In Suumldafrika Indien und den USA hat der CO2-Ausstoszlig hingegen seit 1990 deutlich zugenommen Gleichzeitig sind sowohl in Suumldafrika und Indien als auch in den USA das Bruttosozialprodukt und die Bevoumllkerungszahl deut-lich angestiegen Indien weist eine leichte Verbesserung der Energieproduktivitaumlt auf aber eine relativ deutliche Erhoumlhung des CO2-Ausstoszliges pro Energieeinheit Dies laumlsst sich mit dem verstaumlrkten Einsatz von Kohle und mit einem Wachstum des Verkehrs erklaumlren Der CO2-Ausstoszlig Chinas hat sich seit 1990 mehr als verdreifacht waumlhrend sich das Bruttoinlandsprodukt in Kaufkraftpa-ritaumlten mehr als verzehnfacht hat Diese relative Ent-kopplung des CO2-Ausstoszliges vom Wirtschaftswachs-tum zeugt von einer signifikanten Verringerung der Energieintensitaumlt der Wirtschaft Die CO2-Intensitaumlt der Energienutzung hat sich hingegen trotz umfangreicher Modernisierung und damit verbundener Effizienzver-

besserung zahlreicher Kohlekraftwerke leicht erhoumlht96

Auch wenn China zudem immer staumlrker die Erneuerbaren Energien foumlrdert ist die CO2-Intensitaumlt pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts heute immer noch deutlich houmlher als die Indiens97

Wirft man erneut einen Blick auf die Faktoren in der obi-gen Gleichung so liegen fuumlr die Zukunft groszlige Potenzi-ale einerseits in der Verringerung der Energienutzung pro BIP-Einheit z B durch effizientere Fahrzeuge spar-samere Produktionsanlagen etc und andererseits im CO2-Ausstoszlig pro Energieeinheit z B durch Kraft-Waumlr-me-Kopplung und Nutzung von weniger CO2-intensiven Energietraumlgern bis hin zu Erneuerbaren Energien Wer-den diese beiden Faktoren optimiert so kann selbst bei einem Anstieg von Wirtschaftsleistung und Bevoumllkerung der CO2-Ausstoszlig deutlich verringert werden

Auch auf globaler Ebene laumlsst sich ermitteln welche Faktoren die CO2-Emissionen wie stark beeinflussen (siehe Abbildung 23) Wie bereits in Kapitel 2 aufgezeigt wurde ist der atmosphaumlrische CO2-Gehalt innerhalb der letzten Jahre stark angestiegen (schwarze Linie) Verant-wortlich fuumlr diesen Anstieg sind vor allem die innerhalb der vergangenen Jahre stark gewachsene Weltwirtschaft (gruumlne Linie) und deren erhoumlhte Verwendung fossiler Brennstoffe Waumlhrend lange Zeit die Weltwirtschaft im-mer effizienter wurde ndash die Kohlenstoffintensitaumlt (blaue Linie) die sich auf die pro oumlkonomischer Einheit ausge-stoszligene Menge CO2 bezieht ist stetig zuruumlckgegangen ndash hat sich dieser Trend in den letzten Jahren umgekehrt bzw verlangsamt wozu auch viele neue Kohlekraftwer-

Welt

EmissionenBevoumllkerungBIP pro KopfKohlenstoffintensitaumlt pro BIP

1980 1990 2000 2010

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96 Harmeling et al 200797 Vgl auch Germanwatch 2008

49

ke in Indien und China beigetragen haben Mittlerweile sind diese Trendumkehr mit etwa 17 Prozent sowie das Wachstum der Weltwirtschaft mit 65 Prozent die bei-den Hauptursachen warum die Emissionen seit 2000 ca dreimal so schnell steigen wie im Jahrzehnt zuvor98 Faktisch fuumlhrt damit jedes Wirtschaftswachstum wel-ches nicht vom Verbrauch fossiler Rohstoffe entkoppelt ist zu steigenden Emissionen Dies macht die Dringlich-keit einer Klimapolitik die wirtschaftliche Entwicklung mit sinkenden Emissionen vereint umso deutlicher

Ebenso problematisch ist jedoch dass mit den steigen-den Emissionen der Weltwirtschaft gleichzeitig auch die Faumlhigkeit natuumlrlicher Senken zur Aufnahme von CO2 abnimmt So scheinen insbesondere die Meere dazu bei-zutragen dass die Erde momentan ihre Kapazitaumlten zur eigenstaumlndigen Erholung zu verlieren droht Waumlhrend noch vor fuumlnfzig Jahren rund 60 Prozent des vom Men-schen ausgestoszligenen CO2 durch natuumlrliche Senken auf-genommen wurden hat sich der Anteil mittlerweile auf

Waumlhrend Boumlden und Landvegetation als CO2-Senken relativ stabil geblieben sind hat die Aufnahmefaumlhigkeit der Meere fuumlr CO2 innerhalb der letzten 50 Jahre abge-nommen Quelle Canadell JG et al (2007)

Abb 24 Anteil der anthropogenen CO2-Emissionen der in der Atmos-phaumlre und im Ozean verbleibt

Atmosphaumlre

55 Prozent verringert wodurch der verbleibende Emis-sionsanteil auf 45 Prozent angestiegen ist (siehe Abbil-dung 24) Rund 18 Prozent des ploumltzlichen Anstiegs der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre gehen mittler-weile auf die schwindenden Kohlenstoffsenken zuruumlck

Besonders betroffen ist dabei die Aufnahmekapazitaumlt der suumldlichen Ozeane wo erste Saumlttigungstendenzen und eine bereits durch die Klimaerwaumlrmung verursachte Veraumlnderung der Westwinde zur Schwaumlchung der mari-timen Kohlenstoffsenke und somit maszliggeblich zum An-stieg des verbleibenden Emissionsanteils in der Atmo-sphaumlre beitragen (siehe Abb 24) Aber auch die fuumlr eine waumlrmere Welt typische Zunahme von Trockenperioden in den letzten Jahren (bspw die Hitzewelle 2003 in Eu-ropa) hat regional zur Abnahme der weltweiten Senken-faumlhigkeit und somit zur Erhoumlhung der atmosphaumlrischen CO2-Konzentration beigetragen

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Ozean

98 Canadell JG et al 2007

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Tuvalu gehoumlrt zu den am staumlrksten vom Meeresspiegelanstieg gefaumlhrdeten Inselshystaaten Auch dort leben viele Menschen in aumlrm lichen Verhaumlltnissen die wenig Schutz vor Extremwetterereignissen wie Pazifikshystuumlrmen bieten

Foto

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Die globale Erderwaumlrmung und somit der Klimawandel sind ndash wie beschrieben ndash zum groumlszligten Teil menschge-macht Ausloumlser ist die mit fossilen Energietraumlgern vor-angetriebene Industrialisierung Um einen gefaumlhrlichen Klimawandel abzuwenden bedarf es daher nicht nur ein-zelner Klimaschutzmaszlignahmen sondern einer industri-ellen und kulturellen Revolution Das heiszligt es geht um den Aufbau eines neuen Wohlstandsmodells das nicht laumlnger auf fossilen Energietraumlgern basiert und nachhal-tige Entwicklung ermoumlglicht eines Wohlstandsmodells bei dem sich unsere Lebensform stark veraumlndert

Der Klimawandel erfordert die Uumlberwindung von Kurz-sichtigkeit in Politik und Wirtschaft Statt dessen sind Weitblick und an langfristigen Zielen orientierte Wei-chenstellungen gefragt Bisher orientieren sich Politik Wirtschaft und jeder Einzelne jedoch haumlufig nur an ihrem kurzfristigen Wahrnehmungshorizont Wenn Politiker nur in Legislaturperioden von vier Jahren denken und die Wirtschaft nur auf den naumlchsten Quartalsbericht blickt so greift die Planung deutlich zu kurz um Erfolge von Klimaschutzmaszlignahmen messen zu koumlnnen Um den glo-balen Temperaturanstieg auf so weit wie moumlglich unter 2 degC zu begrenzen muumlssen Politik Wirtschaft und Buumlr-ger ihre Handlungsfaumlhigkeit anerkennen und langfristi-ge Entscheidungen treffen

Besonders die Wirtschaftskrise hat noch einmal ver-deutlicht wie wichtig nachhaltiges Handeln als Leitbild ist Die Krise sollte daher als Anlass und Chance gese-hen werden jetzt die Weichen fuumlr oumlkologische soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu stellen Das wird Umbruumlche und Zumutungen aber auch Neuaufbruumlche und Chancen mit sich bringen Das Zusammenspiel ei-ner engagierten nationalen und internationalen Klima-politik beide angetrieben durch Vorreiterkoalitionen in Politik Wirtschaft und Zivilgesellschaft spielt eine entscheidende Rolle um diesen Wandel einzuleiten Damit Gelder im notwendigen Ausmaszlig in den Umbau in-vestiert werden bedarf es langfristiger ambitionierter und rechtlich verbindlicher Rahmenbedingungen (bdquolong loud and legalldquo)

61 Internationale Klimagerechtigkeit Klimagerechtigkeit ist eine Art Leitbegriff geworden sowohl fuumlr die internationale Klimapolitik wie auch fuumlr die Aktivitaumlten vieler Akteure der Nord-Suumld-Zusammen-arbeit Was verbirgt sich dahinter

Es ist offensichtlich nicht gerecht dass die Laumlnder die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben am

staumlrksten von seinen Folgen betroffen sein werden Ins-besondere die kleinen Inselstaaten ndash in der Klimapolitik in der bdquoAlliance of Small Islands States (AOSIS)ldquo zusam-mengeschlossen ndash und die am wenigsten entwickelten Laumlnder (die Least Developed Countries LDCs) gelten als besonders verletzliche Laumlndergruppen Daruumlber hin-aus sind auch Laumlnder in anderen Regionen und Millio-nen arme Menschen in den Schwellenlaumlndern massiven Bedrohungen durch den Klimawandel ausgesetzt Die Pro-Kopf-Emissionen in den aumlrmsten Laumlndern sind mit weniger als einer Tonne CO2 pro Jahr in der Regel um ein Vielfaches geringer als z B die in Deutschland oder den USA (s auch Abbildung 20 S 44) Aumlhnlich groszlig ist der Unterschied der Pro-Kopf-Emissionen zwischen den Eli-ten und den besonders betroffenen Personengruppen in diesen Laumlndern

Die Ungerechtigkeit zwischen historischen und heutigen Verursachern einerseits und bereits Betroffenen des Kli-mawandels andererseits spielt v a auch in den interna-tionalen Verhandlungen um ein Post-2012-Abkommen eine zentrale Rolle Es zeigte sich auf der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 dass Vertrauen in internationalen Klimaschutz und entsprechendes Engagement nur wach-sen koumlnnen wenn das Prinzip der gemeinsamen aber dif-ferenzierten Verantwortlichkeit auf drei Dimensionen der internationalen Klimagerechtigkeit erweitert wird

n 1 Die Uumlberlebenssicherung aller Staaten als Minimum jeder Fairness

Fuumlr die von den Folgen des Klimawandels am meisten betroffenen Laumlnder steht bezuumlglich der Gerechtigkeits-frage das Uumlberleben an erster Stelle Deutlich vertrat beispielsweise der Inselstaat Tuvalu auf dem Kopenha-gener Klimagipfel die Position Klimaschutz (und damit das internationale Klimaabkommen) muumlsse so ambitio-niert gestaltet werden dass das Uumlberleben aller ndash also auch der verletzlichsten Staaten und Voumllkergruppen ndash gewaumlhrleistet werde Die LDCs und AOSIS waren es die zuerst die Forderungen aufstellten den globalen Tem-peraturanstieg auf 15 degC gegenuumlber vorindustriellem Niveau zu begrenzen

n 2 Die faire Lastenverteilung fuumlr Klima-schutz und Anpassung

Das emissionsintensive Wohlstandsmodell der Indust-rielaumlnder laumlsst sich aufgrund der Begrenztheit der Res-sourcen auch der Ressource bdquoKohlenstoffsenke Erdsys-temldquo nicht auf die ganze Welt uumlbertragen Gleichzeitig sind die Bekaumlmpfung der Armut und die wirtschaftliche Entwicklung oberste Prioritaumlt der Regierungen ndash insbe-sondere der Entwicklungslaumlnder Von ihnen den Umbau

6 Herausforderungen fuumlr die Klimapolitik

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zu einem neuen noch nirgends praktizierten Wohl-standsmodells zu verlangen waumlhrend die Industrielaumln-dern weiter ihren Wohlstand durch fossile Energietraumlger befeuern wird von den Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern verstaumlndlicherweise als ungerecht empfunden Da es bei der Frage der Lastenverteilung der Emissions-reduktionen vor allem um das Gerechtigkeitsverhaumllt-nis ndash wie kann unter der Beruumlcksichtigung von Gerech-tigkeitspraumlmissen die Verantwortung zur Bekaumlmpfung des Klimawandels fair verteilt werden ndash zwischen den maumlchtigsten Staaten der Erde geht hat diese Frage u a den Klimagipfel in Kopenhagen dominiert

Wenn die notwendigen ambitionierten Klimaziele er-reicht werden sollen muumlssen sich sowohl Industrie- als auch Schwellenlaumlnder zu weitgehenden Klimaschutz-maszlignahmen verpflichten Aus Gerechtigkeitsgruumlnden werden die Industrielaumlnder dabei vorangehen und ihre Treibhausgasemissionen bis Mitte des Jahrhunderts praktisch auf Null reduzieren ndash und zugleich den Umbau sowie die Anpassungsmaszlignahmen in Entwicklungslaumln-dern massiv unterstuumltzen muumlssen

n 3 Die gerechte Beteiligung an den Chancen der klimapolitischen Transformation

Eine ungewoumlhnliche Koalition aus besonders betrof-fenen Staaten (wie den Malediven) Schwellenlaumlndern (wie Suumldkorea) einer wachsenden Zahl von Akteuren aus Industrielaumlndern sowie NGOs und Investoren welt-weit weist zunehmend auf die dritte staumlrker in die Zu-kunft gerichtete Dimension der Gerechtigkeit hin Diese immer mehr an Bedeutung gewinnende Gerechtigkeits-frage stellt sich wenn das globale Rennen zu einer kli-mafreundlichen Weltwirtschaft (mit dem 2-degC-Limit als Leitplanke) tatsaumlchlich die notwendige Dynamik auf-nimmt Dies waumlre die groumlszligte wirtschaftliche Revolution seit der Erfindung der Dampfmaschine um deren Ablouml-sung es jetzt geht Die groszlige Gerechtigkeitsfrage wird dann Wer hat welchen Anteil an den Chancen dieser Neugestaltung der gesamten Energie- Verkehrs- In-dustrie- und Gebaumludeinfrastruktur weltweit Hier wer-den Macht Einfluss und Reichtum fuumlr morgen verteilt Aber auch die soziale und kulturelle Transformation die mit einer Entwicklung zur postfossilen Gesellschaft einhergehen muss birgt Gerechtigkeitskomponenten wie die Neugestaltung von Wertesystemen die nicht vernachlaumlssigt werden sollten Diese Dimension macht auch noch einmal deutlich dass die Wahrnehmung von Klimaschutz als Last (s oben) verkuumlrzt ist Es waumlre unge-recht wenn die Menschen die ndash ohne eigenes Verschul-den ndash vom Klimawandel am heftigsten betroffen sind die Armen auf diesem Planeten auch von neuen Wohl-standsmodell ausgeschlossen werden

Die drei Dimensionen der internationalen Klimagerech-tigkeit muumlssen zusammengefuumlhrt werden um eine nach-haltige Loumlsung durch Dynamik in der Gesellschaft in den Kommunen und in der Wirtschaft weltweit zu entfachen und die Menschen die heute in den aumlrmsten Laumlndern wohnen ebenfalls an den Gewinnen der groszligen Trans-formation teilhaben zu lassen

62 Geschichte der Klimapolitik Von Rio uumlber Kyoto nach Kopen-hagen

Uumlber die Frage wer wann die Treibhausgasemission wie stark verringern soll und welchen Anteil des Kli-maschutzes und der Anpassung an die Klimafolgen in Entwicklungslaumlndern die Industrielaumlnder bezahlen ver-handeln die jeweiligen Laumlnder seit Anfang der 1990er Jahre im Rahmen der 1994 in Kraft getretenen Klimarah-menkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change UNFCCC) In dieser Konvention verpflichteten sich die Industrielaumln-der ndash wenn auch nicht rechtsverbindlich ndash ihre Treibh-ausgasemissionen bis zum Jahr 2000 auf das Niveau von 1990 zu reduzieren Wichtiger jedoch war dass sie den Rahmen fuumlr naumlher auszuhandelnde rechtlich verbind-liche Zusatzvertraumlge (Protokolle) mit weitergehenden und verbindlichen Zielsetzungen schufen Daher auch die Bezeichnung bdquoRahmenkonventionldquo Das Kernziel der Rahmenkonvention ist in Artikel 2 ausgedruumlckt Eine gefaumlhrliche Stoumlrung des Klimasystems durch den Men-schen soll vermieden werden

Auf dem Klimagipfel in Kyoto 1997 wurde das erste voumll-kerrechtlich verbindliche Klimaschutzprotokoll verab-schiedet ndash quasi als Konkretisierung der Klimarahmen-konvention ndash nach Verhandlungen die bis zur letzten Minute aumluszligerst zaumlh und dem Scheitern bis auf Haares-breite nahe waren Das Kyoto-Protokoll enthaumllt fuumlr die beteiligten Industriestaaten Emissionsbegrenzungsziele der wichtigsten Treibhausgase von im Durchschnitt 5 Prozent gegenuumlber 1990 fuumlr den Zeitraum 2008 bis 2012 (die sogenannte bdquoerste Verpflichtungsperiodeldquo) Die EU-Staaten muumlssen ihren Ausstoszlig um durchschnittlich 8 Pro-zent verringern (Deutschland minus 21 Prozent) Japan hat sich zu einer Reduktion um 6 Prozent verpflichtet99 Die US-Regierung hatte ein Reduktionsziel von 7 Pro-zent unterzeichnet aber das Kyoto-Protokoll wurde vom US-Parlament letztlich nicht ratifiziert und trat fuumlr die USA damit nicht in Kraft

In der ersten Verpflichtungsperiode uumlbernahmen nur die Industrielaumlnder rechtlich verbindliche Emissionszie-le Gemaumlszlig dem Grundsatz der bdquogemeinsamen aber dif-ferenzierten Verantwortungldquo liegen die Gruumlnde hierfuumlr

99 Der komplette Vertragstext des Protokolls kann unter httpwwwunfcccintresourcedocsconvkpkpgerpdf abgerufen werden ndash dort sind auch die Emissionsziele aller Industriestaaten im Anhang B verzeichnet Die EU hat ihr 8-Ziel allerdings im bdquoBurden Sharing Agreementrdquo modifiziert so dass manche EU-Staaten staumlrkere und andere schwaumlchere Emissionsziele haben (siehe httpwwwclimnetorgresourceseuburdenhtm und httpwwwgermanwatchorgfolieneu-etfolie003htm)

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vor allem darin dass sie ndash sowohl bezuumlglich der histori-schen Gesamt- als auch der aktuellen Pro-Kopf-Emissio-nen ndash mit Abstand die meisten Treibhausgasemissionen verantworten Hinzu kommt dass sie wirtschaftlich und technologisch leistungsfaumlhiger sind und damit einen groumlszligeren Handlungsspielraum fuumlr Investitionen in Kli-maschutzmaszlignahmen haben

Der Ausstieg der USA aus dem Kyoto-Protokoll unter Praumlsident G W Bush im Maumlrz 2001 war ein herber Ruumlck-schlag aber die internationale Staatengemeinschaft fuumlhrte die Verhandlungen um die Umsetzung des Kyo-to-Protokolls zur Uumlberraschung vieler Beobachter den-noch weiter Die von dem Unternehmerverband e5 dem World Wide Fund for Nature (WWF) und Germanwatch in Gang gebrachte Unternehmerinitiative e-mission55 gab den Verhandlungen in der entscheidenden Phase Ruumlckenwind Uumlber 200 Firmen aus der EU Japan Kana-da und Russland hatten sich unter dem Motto bdquoKyoto into forceldquo (Kyoto in Kraft setzen) zusammengeschlos-sen und damit offen demonstriert dass groszlige Teile der Wirtschaft ndash trotz des Ausscheidens der USA ndash hinter dem Kyoto-Protokoll stehen100 Auf dem Bonner Kli-magipfel im Juli 2001 konnte schlieszliglich eine Einigung uumlber die wichtigsten Streitfragen erzielt werden u a uumlber Detailfragen bezuumlglich der bdquoflexiblen Mechanis-menldquo Der letzte bdquoFeinschliffldquo erfolgte wenige Monate spaumlter auf dem Klimagipfel in Marrakesch Die rechtlich bedeutsamen Ausfuumlhrungsbestimmungen des Kyoto-Protokolls waren nun praumlzise genug ausgestaltet um von den noch zoumlgernden Laumlndern ratifiziert zu werden Fuumlr das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls mussten 55 Staaten die mindestens 55 Prozent der Treibhausgas-emissionen der Industrielaumlnder von 1990 abdeckten das Abkommen ratifizieren Dies wurde erst durch die Rati-fikation Russlands im November 2004 erreicht so dass das Protokoll drei Monate spaumlter am 16 Februar 2005 in Kraft treten konnte

Danach haben die UNFCCC-Verhandlungen insbeson-dere durch die sich aus dem 4 Sachstandsbericht des IPCC ergebende Dringlichkeit im Jahr 2007 an neuer Dynamik gewonnen Beim Klimagipfel im indonesischen Bali (Dezember 2007) wurde die so genannte bdquoBali Road-mapldquo beschlossen bdquoRoadmapldquo deshalb weil sie einen Verhandlungsfahrplan mit dem Ziel einer umfassenden Einigung bis zum Klimagipfel 2009 in Kopenhagen dar-stellte Kern element dieser von allen Mitgliedsstaaten der Konvention mitgetragenen Vereinbarung war der Bali-Aktionsplan101 Er setzte einen intensiven Verhand-lungsprozess zur bdquovollstaumlndigen wirksamen und fort-laufenden Umsetzung der Konvention durch eine lang-fristige kooperative Zusammenarbeit heute bis und jenseits des Jahres 2012ldquo102 in Gang Getragen von der im IPCC-Bericht ausgedruumlckten Dringlichkeit ndash der Ak-tionsplan verweist auf die IPCC-Ausfuumlhrungen dass die Industrielaumlnder ihre Emissionen bis 2020 um 25-40 Pro-

zent gegenuumlber 1990 verringern muumlssten ndash skizzierte er vier Verhandlungsbloumlcke mit jeweils einer Reihe von Un-terthemen Im Zentrum standen dabei gleichgewichtig die Vermeidung von Emissionen (Mitigation) sowie die Anpassung an die Klimafolgen (Adaptation) unterstuumltzt durch Finanzierung und Technologie Fuumlr die Kyoto-Staaten ging es dabei vor allem um die Ausgestaltung der zweiten Verpflichtungsperiode fuumlr den Zeitraum nach 2012 denn es war von Anfang an klar dass Kyoto I (2008 bis 2012) nur ein erster und bei weitem nicht ausreichen-der Schritt sein konnte Fast alle Industriestaaten die Kyoto ratifiziert haben werden aller Voraussicht nach die gesetzten Klimaziele erreichen Nur Kanada verwei-gert das weil sein groszliger Wettbewerber USA nicht mit-macht Eventuell koumlnnte es ndash nach Fukushima ndash auch fuumlr Japan schwierig werden die Klimaziele zu erreichen

Doch hat der IPCC sehr deutlich gemacht dass das 2 degC-Limit alleine durch Klimaschutz in den Kyoto-In-dustrielaumlndern nicht zu erreichen sein wird Ein ganz zentraler Knackpunkt ist daher die Frage zu welcher Art von Verpflichtung sich die USA als damals noch groumlszligter CO2-Emittent und Nicht-Kyoto-Mitglied bereiterklauml-ren wuumlrden und ndash mindestens ebenso wichtig ndash welche Ambition und rechtliche Form der Klimaschutz in den Schwellenlaumlndern und spaumlter auch in anderen Entwick-lungslaumlndern haben wuumlrde Wenngleich der Aktionsplan noch keine Verpflichtung zu Maszlignahmen sondern nur zu Verhandlungen uumlber bestimmte Maszlignahmen darstell-te war er doch maszliggeblich fuumlr den darauf folgenden zweijaumlhrigen Verhandlungsprozess der in der Klimakon-ferenz von Kopenhagen gipfelte

63 Die Klimagipfel von Kopen-hagen und Cancuacuten

Wie nie zuvor bei einer Klimakonferenz richteten sich im Dezember 2009 die Augen der Welt auf Kopenhagen Mit fast 30000 Teilnehmern war es die groumlszligte Klima-konferenz uumlberhaupt Kein anderes Ereignis hat jemals in aumlhnlichem Ausmaszlig dazu beigetragen das Thema auf die Agenda der Regierungschefs weltweit zu setzen Jedoch zeigte sich dass diese hohe Aufmerksamkeit kein Garant fuumlr politischen Erfolg war Zu Beginn der Verhandlungen war bereits klar dass die Chancen auf ein umfassendes rechtlich verbindliches Abkommen in Kopenhagen sehr gering waren Die von den Verhandlern in knapp zwei Jahren ausgehandelten Texte waren umfassend kom-plex und gleichzeitig noch mit Hunderten von Klammern ndash der Ausdruck fuumlr fehlenden Konsens ndash versehen als zunaumlchst die Minister und dann die Staats- und Regie-rungschefs in Kopenhagen eintrafen

Es kam die gesamte politische Fuumlhrungselite der Welt nach Kopenhagen Mehr als 120 Staats- und Regie-

100 Siehe auch Germanwatch 2008101 Der Bali-Aktionsplan kann abgerufen werden unter httpunfcccintresourcedocs2007cop13eng06a01pdfpage=3102 UNFCCC 2007 3

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rungschefs vom US-Praumlsidenten Barack Obama bis hin zu Chinas Ministerpraumlsident Wen Jiabao Von der deut-schen Kanzlerin Angela Merkel bis hin zum Praumlsidenten der Malediven Mohamed Nasheed Der Klimawandel sei bdquoeine der groumlszligten Herausforderungen unserer Zeitldquo heiszligt es dann auch im Kopenhagen-Akkord dem zentra-len Abschlussdokument der Konferenz103 Jetzt sei die Zeit vom Reden zum Handeln uumlberzugehen hatte ein Regierungschef nach dem anderen beschworen Doch mit dem Kopenhagen-Akkord gelang dieser Durchbruch nicht Zum einen da er nur bdquozur Kenntnis genommenldquo und nicht als formelle Entscheidung verabschiedet wurde Denn sowohl aus prozeduralen wie auch aus in-haltlichen Gruumlnden war die Vereinbarung von einigen Laumlndern darunter kleine Inselstaaten wie Tuvalu und la-teinamerikanische Staaten wie Venezuela und Bolivien abgelehnt worden

Schon vor der Konferenz war klar dass drei zentrale Kriterien uumlber Erfolg oder Misserfolg der Konferenz maszliggeblich entscheiden wuumlrden Die Festlegung von Reduzierungszielen die die Erwaumlrmung auf unter 2 Grad oder sogar 15 Grad begrenzen wuumlrden Zusagen fuumlr finanzielle Unterstuumltzung zum Klimaschutz und zur An-passung sowie eine voumllkerrechtlich verbindliche Form des Abkommens In allen Bereichen ist der Kopenhagen-Akkord hinter dem immer dringlicher Notwendigen zu-ruumlckgeblieben

Die Ergebnisse von Kopenhagen muumlssen im Nachhinein in engem Zusammenhang mit dem darauf folgenden Kli-magipfel im mexikanischen Cancuacuten bewertet werden der im Dezember 2010 stattfand Hier ging es vor allem

darum Beschluumlsse von Kopenhagen mindestens auf glei-chem Niveau zu bdquoformalisierenldquo also als offizielle Ent-scheidung durch alle Staaten zu verabschieden in dem klaren Verstaumlndnis dass es eher um eine Absicherung von Minimalverpflichtungen ging als Grundlage fuumlr eine zukuumlnftig groumlszligere Ambition

Was wurde in Cancuacuten im Vergleich zu Kopenhagen er-reicht Schon im Laufe des Jahres 2010 zeichnete sich eine zentrale Grundlage fuumlr die Entscheidungen von Cancuacuten ab naumlmlich die Integration derjenigen Texte die auf Verhandlerebene zu den unterschiedlichsten Themen auch in Kopenhagen diskutiert und in 2010 weiterent wickelt worden waren mit den Inhalten des Kopenhagen-Akkord der von mehr als 140 Laumlndern offi-ziell unterstuumltzt wurde So wurde in Cancuacuten neben vielen Einzelentscheidungen ein umfassendes Dokument auf der Konventionsebene sowie eines auf Kyoto-Ebene an-genommen Die zentralen Ergebnisse waren die folgen-den die maszliggeblich auf den Beschluumlssen von Kopenha-gen aufbauten und zum groszligen Teil in den Folgejahren weiter ausgearbeitet werden muumlssen 104

rarr Es ist gelungen erstmals in einem UN-Konsens der gesamten Staatengemeinschaft das 2 degC-Limit als die Messlatte fuumlr die angestrebten Klimaschutzaktivitaumlten zu verankern Zwar war dies auch schon im Kopenhagen-Akkord enthalten aber eben nicht von allen Staaten formell angenommen worden

rarr Es ist gelungen einige groszlige Klimaschutzpakete zu verabschieden die eigentlich schon in Kopenhagen haumlt-ten verabschiedet werden sollen

Der UN-Klimagipfel 2009 in Kopenhagen Photo IISD

103 S Germanwatch 2009104 Germanwatch 2010a

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nEin Paket zur Anpassung der besonders betroffenen Staaten an die Konsequenzen des Klimawandels Mit dem bdquoCancuacuten Adaptation Frameworkldquo hat man ne-ben grundsaumltzlichen Aspekten wie Prinzipien fuumlr die Umsetzung von Anpassungsmaszlignahmen und einer Liste moumlglicher Aktivitaumlten auch konkrete Prozesse angestoszligen Dazu gehoumlren ein besonderer Unterstuumlt-zungsprozess fuumlr LDCs bei der Anpassungsplanung die Einrichtung einer Institution unter der UNFCCC fuumlr eine kohaumlrentere Behandlung des Themas in den Klimaverhandlungen

nEin Paket zum Schutz des Regenwaldes Aus Kli-maschutzgesichtspunkten ist der Schutz der Waumll-der wegen ihrer Funktion als CO2-Speicher zentral Entwaldung verwandelt den CO2-Speicher in eine CO2-Quelle durch die sich die Temperaturerhoumlhung weiter verschaumlrft Wenngleich in Cancuacuten noch keine konkreten Finanzierungsinstrumente fuumlr den Walder-halt beschlossen wurden hat man sich doch auf wich-tige Grundprinzipien die die soziale und oumlkologische Integritaumlt von Klimaschutz im Waldbereich sichern sollen geeinigt

nEin Paket zur Technologiekooperation das einen Technologiemechanismus unter der UNFCCC beinhal-tet der durch die Etablierung eines Technologie-Ko-mitees und den Aufbau eines Netzwerks von Techno-logiezentren die Technologiekooperation befoumlrdern soll

nEinen Finanzierungsfonds (bdquoGreen Climate Fundldquo) der Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung finanzieren soll Dessen Leitungsgremium (bdquoBoardldquo) wird zur Haumllfte von Industrie- und zur Haumllfte von Ent-wicklungslaumlndern besetzt Mit dem Kopenhagen-Ak-kord hatten die Staats- und Regierungschefs bereits den Weg fuumlr die Gruumlndung dieses Fonds geebnet Jedoch gab es sehr unterschiedliche Vorstellungen daruumlber wie die Verbindung des Fonds zum UNFCCC-Prozess aussehen sollte da insbesondere die USA starke Einwaumlnde gegen einen Fonds unter der Aumlgide des Konventionsprozess hatten Letztendlich hat die Entscheidung einen Mittelweg aufgezeigt Die finan-zielle Groumlszligenordnung steht noch nicht fest jedoch ist klar dass der bdquoGreen Climate Fundldquo nur eine Exis-tenzberechtigung hat wenn er ein sehr viel groumlszligeres Volumen haben wird als bisherige Fonds

nEs ist gelungen die freiwilligen Selbstverpflichtun-gen der Staaten die diese im Kopenhagen-Akkord eingereicht hatten in eine formale UN-Entscheidung zu integrieren Das erhoumlht z B den internationalen Druck auf die US-Regierung trotz politischen Wider-standes zuhause bei ihrem im Kopenhagen-Akkord bestaumltigten nationalen Ziel zu bleiben die Emissionen bis 2020 um 17 Prozent zu senken Eine Entscheidung

eines hohen US-Gerichts in Washington machte prak-tisch zeitgleich mit dem Ende des Cancuacuten-Gipfels den Weg frei fuumlr die ersten CO2-Standards in den USA Die Unternehmen mit dem groumlszligten CO2-Ausstoszlig so-wie der Staat Texas wollten die Klimaschutzregeln verhindern die auf dem Weg zu den notwendigen Re-duktionen einen wichtigen Beitrag spielen koumlnnen

nEs ist in beiden Cancuacuten-Vereinbarungen (als Ergeb-nis der Kyoto- und der Konventionsverhandlungen) festgehalten dass die Staaten ihre freiwilligen Ziele nachbessern sollen Das bedeutet einen Paradigmen-wechsel gegenuumlber der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls die Maximalziele definiert hat Die zunaumlchst vereinbarten Reduktionsziele bis 2020 verstehen sich als Minimalziele die in den kommen-den Jahren angehoben werden sollen Zwischen 2013 und 2015 soll es im Rahmen der Verhandlungen unter der Konvention dann eine Uumlberpruumlfung (bdquoReviewldquo) u a dazu geben mit welcher Strategie die verblei-bende Luumlcke zum 2-degC-Limit geschlossen werden kann Dies ist dringend notwendig da die im Zuge von Kopenhagen gemachten Klimaschutzzusagen der Industrie- und Entwicklungslaumlnder zu einer durch-schnittlichen globalen Temperaturerhoumlhung im Be-reich von 4 degC oder mehr fuumlhren koumlnnten105

nDas Zwischenergebnis fuumlr die Verhandlungen unter dem Kyoto-Protokoll wird fuumlr die Industrielaumlnder noch konkreter Diese sollen ihre Ziele so nachbes-sern dass dies im Durchschnitt 25-40 Prozent Reduk-tion bis 2020 gegenuumlber 1990 ergibt (Der IPCC sieht diese Reduktion als notwendig an um den Tempera-turanstieg mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit auf we-niger als 2 degC begrenzen zu koumlnnen)

nAlle Industrielaumlnder haben sich in Cancuacuten verpflich-tet bdquoLow-Carbon Development Plansldquo (Plaumlne fuumlr eine Entwicklung in Richtung einer CO2-armen Gesell-schaft) oder entsprechende Strategien zu entwickeln ndash allerdings bisher ohne zeitliche Vorgabe

nIm Bereich Langfrist-Finanzierung wurde das in Ko-penhagen gemachte Versprechen der Industrielaumln-der bestaumltigt bis zum Jahr 2020 die Finanzierung fuumlr Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung auf 100 Milliarden Dollar pro Jahr steigen zu lassen Der hierfuumlr aumluszligerst relevante Bericht der von Ban Ki- moon eingesetzten Arbeitsgruppe zur Langfristfi-nanzierung (AGF) wurde von der Konferenz zwar zur Kenntnis genommen106 Es wurde jedoch kein Prozess vereinbart im Jahr 2011 die Einfuumlhrung moumlglicher Finanzierungsinstrumente konkreter zu behandeln

nIm Gegenzug werden die Schwellen- und Entwick-lungslaumlnder aufgefordert so genannte bdquoLow-Carbon-Developmentldquo- Strategien oder -Plaumlne einzureichen

105 UNEP 2010106 Weitere Informationen zum AGF-Bericht siehe wwwgermanwatchorgklikoks46htm

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Diese sollen zeigen was ein Land ohnehin fuumlr den Klimaschutz tut und fuumlr welche Gesetzesvorhaben oder Aktivitaumlten es internationale Unterstuumltzung (Finanzen Technologie Capacity Building) braucht Es wird ein internationales Register aufgebaut das das Zusammenbringen erleichtert zwischen konkre-ten Anfragen (mit geschaumltzten Kosten und Emissions-reduktionen) und dem dafuumlr bestimmten Teil der in-ternationalen Finanzstroumlme

nChina hat in Cancuacuten schlieszliglich auf der Basis eines Vor schlags von Indien in der Frage der internationalen Uumlberpruumlfung der nationalen Klimaschutzaktivitaumlten den Weg zur notwendigen Transparenz der Maszlignah-men in Schwellenlaumlndern frei gemacht Dieses Thema war bereits in Kopenhagen ein zentraler Konflikt ins-besondere zwischen den USA und China gewesen Die Aktivitaumlten werden zwar national gemessen berich-tet und verifiziert aber anhand von unter der Konven-tion vereinbarten Richtlinien Die alle zwei Jahre vom entsprechenden Land vorgelegten Zwischenberichte werden dann international von Experten diskutiert und ein entsprechender Bericht wird vorgelegt

nBeinahe gescheitert waumlre der Gipfel von Cancuacuten an der Frage der zweiten Verpflichtungsperiode fuumlr das Kyoto-Protokoll Ein Kompromiss basierend auf bdquokonstruktiver Zweideutigkeitldquo hat hier den Weg frei gemacht Die Industriestaaten (mit Ausnahme der USA) verhandeln die zweite Verpflichtungsperio-de des Kyoto-Protokolls so zuumlgig zu Ende dass keine Luumlcke nach dem Auslaufen der ersten Verpflich-tungsperiode (2012) entsteht Es bleibt aber zu-naumlchst offen ob die Reduktionsziele dann tatsaumlchlich im Rahmen des Kyoto-Protokolls festgeschrieben werden oder ob die Verhandlungsergebnisse in ei-nem groumlszligeren gemeinsamen Rahmenabkommen an dem auch die Schwellenlaumlnder sowie die USA teilnehmen fixiert werden Angesichts des starken Widerstands von Laumlndern wie Japan Russland und Kanada besteht allerdings kein Grund fuumlr groszligen Optimismus dass es tatsaumlchlich zu einer umfassenden 2 Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls kom-men wird

Die Cancuacuten-Vereinbarungen stellen einen gewissen Teil-erfolg fuumlr den UNFCCC-Prozess dar der allerdings nicht daruumlber hinwegtaumluschen darf dass die Luumlcke zwischen politischer Ambition und wissenschaftlicher Dringlich-keit nach wie vor unakzeptabel groszlig ist Die Welt steuert auf eine Temperaturerhoumlhung von drei bis vier Grad in diesem Jahrhundert zu Es bedarf daher vielfaumlltiger Initi-ativen innerhalb und auszligerhalb des UNFCCC-Prozesses um diese Luumlcke so schnell wie moumlglich zu verkleinern

64 Handeln ndash Verhandeln ndash Koa-litionen Grundlage einer klima-politischen Aufwaumlrtsspirale

Das Verkleinern dieser Luumlcke bedarf eines dynamisches Zusammenspiels von drei Dimensionen Handeln in Poli-tik und Wirtschaft das weitere Verhandeln eines inter-nationalen Rahmens und die Koalition von Akteuren die Dynamik erzeugen wollen bzw koumlnnen

n Erste Dimension Handeln

Waumlhrend der Wirtschaftskrise der vergangenen zwei Jahre waren weltweit Energieeffizienz und Erneuer-bare Energien die Wirtschaftsmotoren Ein Blick auf die Entwicklung der Erneuerbaren Energien zeigt Im Jahr 20082009 wurden sowohl in Europa als auch in den USA Kraftwerke zur Nutzung Erneuerbarer Energien mit einer Stromleistung in Betrieb genommen die die Kapazitaumlt der neuen Kohle- Gas- und Kernkraftwerke des gleichen Zeitraums deutlich uumlbertrifft Im Jahr 2009 machten die Erneuerbaren Energien 60 Prozent der neu zugebauten Kraftwerkskapazitaumlt in Europa aus ndash und be-reits fast 20 Prozent der jaumlhrlichen Stromproduktion In China bdquoexplodiertldquo der Ausbau Erneuerbarer Energien geradezu mit 37 Gigawatt Leistung wurde dort 2009 fast die Haumllfte der neuen weltweiten Kapazitaumlt (80 GW) hinzugebaut Immer mehr spricht dafuumlr dass sich die wirtschaftlichen Chancen der Staaten weltweit maszlig-geblich daran orientieren werden wer bei Energieeffizi-enz und Erneuerbaren Energien die Nase vorne hat Fuumlr viele Entwicklungslaumlnder bietet sich jetzt die Gelegen-heit von vornherein ihre Infrastruktursysteme nachhal-tiger und effizienter aufzubauen als dies bisher in den Industrielaumlndern der Fall war waumlhrend diese mit dem Umbau ihrer existierenden Systeme vor einer enormen Herausforderung stehen Verschiedene Studien zeigen aber dass in der EU und Deutschland die Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien bis Mitte des Jahrhunderts moumlglich ist und dies ohne groszlige Zusatzkosten und bei gleicher Netzsicherheit107 Es gibt keinen Grund fuumlr die Staaten mit dem Handeln zu warten

n Zweite Dimension Verhandeln

Eine internationale Rahmensetzung kann nicht nur die Dynamik internationale Vergleichbarkeit und recht -liche Verbindlichkeit sichern Sie kann auch dafuumlr sor-gen dass nicht allein das Recht des Staumlrkeren den Aus-gang des Wettrennens in das Solarzeitalter bestimmt Sie kann dafuumlr sorgen dass auch die Lahmen und Brem-ser schrittweise mitkommen Sie ist auszligerdem wichtig um auch die internen Bremser in den Vorreiterstaaten uumlberzeugen zu koumlnnen

107 ECF 2010

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n Dritte Dimension Koalitionen

Sowohl zur Beschleunigung des Handelns als auch fuumlr neue Dynamik beim Verhandeln bedarf es neuer Koali-tionen mit den besonders betroffenen Staaten mit den Vorreiterstaaten sowie mit den Schwergewichten unter den Staaten Die Etablierung von neuen Formen der Zu-sammenarbeit die sich in den Klimaverhandlungen ab-zeichnen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin

Cancuacuten hat die in diesen Gipfel gesetzten Erwartungen erfuumlllt Damit wurde in Mexiko zumindest die Grund-lage fuumlr eine dynamisierende Aufwaumlrtsspirale gelegt Zunaumlchst ging es darum ein Mindestfundament einzu-ziehen um die bei den Industrielaumlndern sichtbare Ab-waumlrtsspirale nach Kopenhagen zu stoppen Dies wurde in Cancuacuten geleistet und muss in den folgenden UN-Kli-makonferenzen (z B Suumldafrika 2011) und anderen Pro-zessen ergaumlnzt werden Auch der Rio+20-Gipfel der im Mai 2012 stattfinden soll und Themen wie bdquogruumlne Wirt-schaftldquo und das globale umweltpolitische Institutionen-system auf seiner Agenda haben wird bietet hier eine groszlige politische Chance (Phase 1)

Zugleich wurden die naumlchsten bdquoSpiraldrehungenldquo nach oben vorgezeichnet Dass die Staaten jetzt ihre zu schwachen Ziele nachbessern sollen gehoumlrt zu den auf-

waumlrtstreibenden dynamisierenden Elementen Bis 2015 soll durch einen bdquoReviewldquo-Prozess die dann noch ver-bleibende Luumlcke zum Ziel bdquo2 degCldquo bestimmt werden und der Klimagipfel dann ndash basierend auf dem Review ndash die angemessenen Aktionen beschlieszligen (Phase 3) Das Ende dieses Reviews folgt ein Jahr nach der Veroumlffent-lichung des naumlchsten IPCC-Berichts (fuumlr 2014 geplant) der sehr wahrscheinlich ndash dies zeichnet sich in der wis-senschaftlichen Fachliteratur ab ndash die Dringlichkeit des globalen Klimaschutzes nachdruumlcklich untermauern und so hoffentlich als weiteres dynamisierendes Element ein zusaumltzliches politisches Momentum schaffen wird

65 EU Deutschland und China als Vorreiter

Auch wenn immer mehr Staaten die Chancen des Klima-schutzes sehen ist es fuumlr die internationale klimapoliti-sche Debatte zentral dass es Vorreiter gibt die zeigen dass sie bereits heute den politischen Willen besitzen den notwendigen energiepolitischen Strukturwandel einzuleiten Es geht darum den Nachweis zu fuumlhren dass ein Wohlstandsmodell jenseits der fossilen Ener-gietraumlger moumlglich und zuumlgig umsetzbar ist Um die Emis-sionen bis Mitte des Jahrhunderts um bis zu 95 Prozent

Abb 25 Die drei Phasen der angestrebten Aufwaumlrtsspirale des internationalen Klimaschutzes

Quelle Eigene Darstellung

Phase dreiTop-Down-Ansatzbull Nachbesserung der Reduktions-

und Finanzzielebull Weitere Aktionspakete werden

vereinbartumgesetztbull Rechtlich verbindliche Ziele

Phase einsBottom-Up-Ansatzbull Freiwillige Ziele und Aktions-

pakete werden formalisiertbull Erste Pakete (Regenwald usw)

werden umgesetztbull Phase drei wird angelegt

Phase zweiDynamisierende Elementebull Erste Pakete sind umgesetzt bull China und EU bewegen sich uumlber

Minimalziele hinausbull Vorreiterkoalitionen bilden sichbull Gemeinsame Anrechnungsregeln

und rechtlicher Charakter geklaumlrtbull Langfristfinanzierung gesichertbull Roadmaps vor Rio plus 20bull IPCC betont Dringlichkeit und

Kosten des Wartens

2014-15

2010-11

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in den Industrielaumlndern zu senken bedarf es fruumlhzeitiger wirtschaftspolitischer Weichenstellungen denn viele Investitionen gerade im Energiebereich werden nur auf Basis langfristiger Kalkulationen getaumltigt Werden heute Kohle- oder Atomkraftwerke gebaut sollen sie normalerweise 40 Jahre oder laumlnger betrieben werden Fuumlr eine EU die derzeit recht mutlos nach einer neuen Vision sucht kann dieses neue Wohlstandsmodell ver-bunden mit der Rolle einer bdquosoft powerldquo die statt auf Rohstoffkriege auf internationale Kooperation im Sinne der Klima- und Energiesicherheit setzt ein Aufbruchs-signal sein Die EU und Deutschland koumlnnen hier eine Schluumlsselrolle spielen indem sie jetzt entsprechende Rahmenbedingungen setzen die allen Akteuren in den Bereichen Energie Verkehr Gebaumlude sowie Land- und Fortwirtschaft signalisieren Wir stellen jetzt die Wei-chen fuumlr die notwendige groszlige Transformation

In der Vergangenheit war die EU oft das klimapolitische Zugpferd wenn auch meist nicht mit der notwendigen Dynamik Im Fruumlhjahr 2007 setzte sie sich als erster grouml-szligerer Zusammenschluss von Industrielaumlndern Emissions-minderungsziele fuumlr 2020 20 Prozent Verringerung der Emissionen gegenuumlber 1990 ndash 30 Prozent wenn andere Industrielaumlnder und Schwellenlaumlnder ihren angemesse-nen vergleichbaren Beitrag leisten Dementsprechend wurden im Jahr 2008 auch klimapolitische Gesetzge-bungen beschlossen z B die Reform des Europaumlischen Emissionshandelssystems die Vereinbarung von ndash aller-dings nicht verbindlichen ndash Energieeffizienzzielen sowie von Zielen fuumlr den Ausbau der Erneuerbaren Energien

Nach der Wirtschaftskrise und aufgrund des zuumlgigen Aufbaus von Quellen fuumlr Erneuerbare Energien zeigt sich allerdings dass dieses 20-Prozent-Ziel nicht mehr besonders ambitioniert ist und nicht die notwendigen klimapolitischen Impulse entfaltet Deshalb halten es immer mehr Akteure fuumlr sinnvoll und notwendig dass die EU ihr Emissionsziel auf 30 Prozent erhoumlht unab-haumlngig davon was andere Laumlnder machen So sieht der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung fuumlr Glo-bale Umweltfragen in einem solchen Ziel verknuumlpft mit der Langfristversion einer vollstaumlndig erneuerbaren Energieversorgung nicht nur das Potenzial einer neuen und nachhaltigen Wirtschaftsdynamik Dies wird auch als notwendiger Schritt fuumlr eine bdquoglaubwuumlrdige Basis fuumlr eine Kooperation mit Entwicklungs- und Schwellenlaumln-dernldquo108 gesehen

Ab Mitte 2011 will die Europaumlische Union erneut uumlber das 30-Prozent-Ziel beraten Der Einigung stand zu-naumlchst der Widerstand insbesondere einiger osteuropauml-ischer Laumlnder vor allem Polens entgegen Aufgrund sei-nes extrem hohen Anteils an Stromerzeugung aus Kohle fuumlrchtet das Land wirtschaftliche Lasten aus solch einem Klimaschutzziel Eine engere Zusammenarbeit gerade im

Bereich Energieeffizienz z B zwischen Deutschland und Polen koumlnnte einen Beitrag zu einer Loumlsung dieses politi-schen Problems leisten

Die deutsche Regierung ist in der Frage des 30-Prozent-Ziels zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium um-stritten ndash und leider hat die Bundeskanzlerin von ihrer Richtlinienkompetenz hier bisher keinen konstruktiven Gebrauch gemacht Ohne eine starke Rolle der groumlszligten Energie- und Wirtschaftsnation der EU kann der Durch-bruch fuumlr das 30-Prozent-Ziel jedoch nicht gelingen

Die deutsche Bundesregierung hat im Herbst 2010 ein neues Energiekonzept beschlossen das weit mehr als nur die zu Recht kritisierte Verlaumlngerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke enthaumllt109 Dieses Energiekonzept beinhaltet das Ziel die deutschen CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 und um 80 bis 95 Prozent bis 2050 zu senken (gegenuumlber 1990) Dieses soll durch eine Viel-zahl gesetzlicher Maszlignahmen erreicht werden Laut Bundesregierung sollen die Erneuerbaren Energien bis 2050 etwa 80 Prozent der Stromversorgung und den Hauptteil der Energieversorgung uumlbernehmen obgleich viele Studien zeigen dass auch 100 Prozent im Bereich des Moumlglichen und wirtschaftlich Sinnvollen sind Die Regierung setzt sich erfreulicherweise fuumlr ein moder-nes und leistungsfaumlhiges Stromnetz ein Sie setzt auch deutliche Effizienzziele im Gebaumludebereich auch wenn diese abgeschwaumlcht wurden Die Bundesregierung kuumln-digt damit an den Weg ins erneuerbare Zeitalter einzu-schlagen Gleichzeitig setzt das Konzept allerdings stark auf Atomenergie und auch weiterhin auf Kohle Zudem wurden zahlreiche Maszlignahmen die zur Zielerreichung notwendig waumlren nicht beschlossen

Insgesamt meinen daher viele Akteure dass die gesetz-ten Effizienz- und Klimaziele so nicht erreicht werden koumlnnen110 So sollen die Laufzeitverlaumlngerungen fuumlr Atomkraftwerke ndash neben den Erloumlsen des Emissions-handels ndash einen neuen Klima- und Energiefonds fuumlr den kosteneffizienten Uumlbergang zu Erneuerbaren Energien finanzieren Sie schraumlnken aber zugleich die Einnah-men aus dem Emissionshandel fuumlr den gleichen Zweck ein Die im Rahmen des Energiekonzepts vereinbarte Einrichtung eines Sondervermoumlgens zur dauerhaften Finanzierung von nationalen und internationalen Klima-maszlignahmen war ein weiterer innovativer Schritt der eine groumlszligere Verlaumlsslichkeit der Finanzierung bringen kann Trotz aller Unzulaumlnglichkeiten ist die grundsaumltz-liche Ambition des Energiekonzepts jedoch ein Zeichen dafuumlr dass es immer mehr darum geht wie ambitionier-te Klimaziele erreicht werden sollen und immer weniger darum ob ambitionierter Klimaschutz notwendig ist

Waumlhrend dieser Text geschrieben wird will die Bundes-regierung nun ausgeloumlst durch den Schock der Reaktor-

108 WBGU 2010109 Bundesregierung 2010110 S z B Germanwatch 2010a Wuppertal Institut 2010

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katastrophe in Japan einen beschleunigten Ausstieg aus der Atomkraft sowie einige der fehlenden Maszlignahmen zur Zielerreichung beschlieszligen Es ist derzeit (Mitte April 2011) noch nicht absehbar welche Luumlcke zwischen verkuumlndeten Zielen und beschlossenen Maszlignahmen nach diesen Beschluumlssen noch klaffen wird

Neben den Industriestaaten muumlssen auch Schwellen-laumlnder deren Emissionen aufgrund des mit dem Wirt-schaftswachstum einhergehenden Verbrennens fossiler Energietraumlger schnell zunehmen so bald wie moumlglich ihre Klimaschutz-Ambition erhoumlhen Der groszlige Anstieg der Treibhausgasemissionen findet ganz uumlberwiegend hier statt Eine effektive Klimapolitik ist in den Schwel-lenlaumlndern zum heutigen Zeitpunkt deshalb so wichtig weil in der industriellen Aufbauphase langfristig ent-scheidende Investitionen getaumltigt werden die gerade auch die Energieversorgung des Landes uumlber einen lan-gen Zeitraum festlegen Vom Ausbau der Energieeffizi-enz und der Nutzung Erneuerbarer Energien profitieren Schwellenlaumlnder abgesehen von der verbesserten Luft-qualitaumlt ebenfalls durch die staumlrkere Unabhaumlngigkeit von Rohstoffimporten Eine solche Strategie wirkt sich als Versicherung gegen immer haumlufiger schwankende Energiepreise aus

China ist derzeit sicherlich das klimapolitisch span-nendste und bedeutendste Schwellenland das sich gerade durch seine Widerspruumlchlichkeit auszeichnet Dort werden nach wie vor die meisten Kohlekraftwerke weltweit gebaut und das Milliardenreich hat die USA laumlngst beim Treibhausgasausstoszlig uumlberholt (wenngleich mit einem deutlich geringeren Pro-Kopf-Ausstoszlig) In den Klimaverhandlungen tritt China in gewisser Weise als Gegenpol zu den USA auf wobei der Klimagipfel von Cancuacuten gezeigt hat dass hier konstruktive Fortschritte moumlglich sind Allerdings und das wird in der Oumlffentlich-keit haumlufig unzureichend behandelt hat das Land in den beiden letzten Jahren mehr in Richtung Klimaschutz ge-tan als fast jeder andere Staat der Welt China ist laumlngst zur fuumlhrenden Weltmacht bei der Herstellung und Im-plementierung Erneuerbarer Energien geworden Und es werden nicht nur neue Kraftwerke in Betrieb genom-men Tausende von ineffizienten Kraftwerken und Un-ternehmen sind im Jahr 2010 geschlossen worden ndash mit der Folge groszliger sozialer Probleme ndash um das Land den selbst gesteckten Energieeffizienzzielen naumlher zu brin-gen Staumldten die Effizienzmaszlignahmen nicht umsetzen wird zeitweise der Strom abgeschaltet In den naumlchsten Jahren will China das Zubautempo der Kohlekraftwerke halbieren waumlhrend der Ausbau der Erneuerbaren Ener-gien schneller vorangeht als urspruumlnglich geplant111

Wenn das Land allerdings nicht massenweise neue Koh-lekraftwerke stilllegt lassen sich ernsthafte Klimaziele in China nur erreichen wenn CO2 aus Abgasen heraus-

gefiltert und geologisch tief gelagert wird (so genanntes bdquoCarbon Capture and Storageldquo CCS) Nach der Durch-fuumlhrung von 20 Pilotprojekten haben nun zwei groumlszlige-re Demonstrationsprojekte von 250 bis 400 Megawatt Leistung Prioritaumlt die bis 2016 in Betrieb gehen sollen Die Regierung erwartet ndash und daran kann der ganze Ansatz scheitern ndash dass die Industrielaumlnder die Zusatz-kosten fuumlr CCS schultern Im Nordosten Chinas wurden erste Untersuchungen zu CO2-Speicherstaumltten durchge-fuumlhrt die mit der Identifikation einer Speicherkapazitaumlt von 600 Megatonnen CO2 zu positiven Ergebnissen ka-men Wenn CCS eine groumlszligere Rolle als nur eine Nische ausfuumlllen soll muumlssen weitere Untersuchungen von salz-wasserfuumlhrenden Gesteinsschichten und leeren Oumll- und Gasfeldern folgen

Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt dass es in diesem groszligen vielfaumlltigen Land nicht einfach ist die zentral gesteckten Ziele auf den verschiedenen Ebenen zu erreichen Die Emissionen wachsen weiterhin stark an Das Erreichen der Ziele haumlngt in China daher zum ei-nen von einer besseren Durchsetzung der eingefuumlhrten Gesetze ab In Teilen der chinesischen Regierung setzt sich die Erkenntnis durch dass die massive Nutzung von Energieeffizienz und dezentralen Erneuerbaren Energie-traumlgern ohne eine aktive Zivilgesellschaft nicht gelingen kann ndash eine in mancher Hinsicht spannende Perspektive Zum anderen wird aber auch entscheidend sein in wel-cher Form sich Partnerstaaten gerade auch der Export-weltmeister Deutschland und die EU hier engagieren Durch bilaterale Energie- und Klimaabkommen Techno-logiepartnerschaften Austausch zwischen Niedrigemis-sionsregionen in China und der EU und die Beratung bei der politischen Rahmensetzung koumlnnte der Kurs hin zu Energieeffizienz und Erneuerbaren Energietraumlgern un-termauert werden112

Letzteres gilt natuumlrlich auch fuumlr die Kooperation mit an-deren Schwellenlaumlndern wie Indien Brasilien Mexiko oder Suumldafrika Brasilien spielt vor allem aufgrund des Amazonas-Regenwaldes eine wichtige Rolle fuumlr den Kli-maschutz da die riesigen Waldgebiete enorme Mengen Kohlenstoff speichern die bei ihrer Zerstoumlrung wieder freigesetzt werden Mexiko zeigt sich in der internati-onalen Klimapolitik sehr konstruktiv was nicht zuletzt der Klimagipfel von Cancuacuten gezeigt hat Suumldafrika weist eine ganz eigene Struktur auf Die Pro-Kopf-Emissionen des Landes sind fuumlr ein Schwellenland relativ hoch Zu begruumlnden ist dies mit dem hohen Lebensstandard hauptsaumlchlich der weiszligen Bevoumllkerung Bei den inter-nationalen Verhandlungen spielt das Land in der Regel eine konstruktive Rolle Die Regierung erwaumlgt moumlg-licherweise in Zusammenarbeit mit Deutschland den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Strombereich massiv voranzutreiben Suumldafrika wird Ende 2011 zudem den UNFCCC-Klimagipfel ausrichten

111 S z B httpwwwchinafaqsorg112 S auch Germanwatch 2010c

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66 USA zwischen Ambition und Bremsmanoumlvern

Mit dem Amtsantritt von US-Praumlsident Obama hatte die Welt Hoffnung dass die USA nach Jahren der klimapoli-tischen Verweigerung unter Praumlsident George W Bush zu einer neuen Dynamik in den Klimaverhandlungen beitragen koumlnnte Dass dies nicht in dem Maszlige wie er-hofft zur Realitaumlt geworden ist liegt vor allem an der zunehmenden innenpolitischen Polarisierung zwischen Demokraten und Republikanern zwischen Klimaschutz-befuumlrwortern und solchen die immer noch den anthro-pogenen Klimawandel bezweifeln

Praumlsident Obama hatte zunaumlchst die Ambition die USA schrittweise auf einen Pfad zu fuumlhren der bis zum Jahr 2050 die Emissionen um mehr als 80 Prozent gegenuumlber 2005 verringern wuumlrde Ein zentrales Instrument hier-zu sollte die Einfuumlhrung eines landesweiten Emissions-handelssystems sein bis 2020 sollten die landesweiten Emissionen um 17 Prozent gegenuumlber 2005 verringert werden Der Emissionshandel sollte auch signifikant zur internationalen Klimafinanzierung beitragen

Im Sommer 2009 also noch vor Kopenhagen beschloss dann auch das Repraumlsentantenhaus ein entsprechen-des Klimaschutzgesetz Allerdings ist es dann nicht ge-lungen einen entsprechenden Konsens in der zweiten Entscheidungskammer dem Senat der Vertretung der Bundesstaaten zu erreichen Nachdem sich dort auch noch die Mehrheitsverhaumlltnisse zugunsten der Repub-likaner veraumlndert haben besteht in dieser Legislatur-periode keine Aussicht auf ein entsprechendes Klima-schutzgesetz Zumal es auch unter den Demokraten aus kohle- und oumllproduzierenden Bundesstaaten eine groszlige Skepsis gegen ein Klimagesetz gibt Zwar treten die USA in den internationalen Klimaverhandlungen weiterhin mit dem in Kopenhagen verkuumlndeten 17-Prozent-Ziel (gegenuumlber 2005) auf aber eine klare Strategie wie dieses wirklich erreicht werden soll scheint zu fehlen Ordnungspolitische Vorgaben durch die nationale Um-weltschutzagentur (Environmental Protection Agency EPA) sind im Moment der aussichtsreichste Ansatz um Klimapolitik schrittweise voranzubringen113

Die fehlende einheimische Gesetzgebung macht es der amerikanischen Regierung schwer in den Klimaver-handlungen aktiv und glaubwuumlrdig aufzutreten so dass derzeit von Seiten der USA keine wirklich Grundlage be-steht uumlber ein rechtlich verbindliches und ratifizierba-res Abkommen zu verhandeln Angesichts der zentralen Rolle der USA stellt dies den internationalen klimapoliti-schen Prozess vor groszlige Herausforderungen

Trotzdem zeichnet sich eine gewisse Klimaschutzdyna-mik im Land ab So waumlchst die Zahl der US-Bundesstaa-

ten und Kommunen die mit ernsthaftem Klimaschutz beginnen Auch die Zwischenwahlen in den USA (2010) haben in den entsprechenden Regionen eher den Klima-schutz gestaumlrkt So setzen sich einige Staaten anspruchs-volle CO2-Minderungsziele arbeiten an der Einfuumlhrung von Emissionshandelssystemen und foumlrdern immer staumlr-ker die Erneuerbaren Energien Auch viele Akteure in Finanzmarkt und Industrie setzen inzwischen auf ernst-haften Klimaschutz Sie sehen dass sie sonst in einem ganz groszligen globalen Zukunftsmarkt den Anschluss verlieren Auch durch konjunkturpolitische Maszlignahmen im Zuge der Wirtschaftskrise hat die US-Regierung In-vestition in Erneuerbare Energien und andere Bereiche gefoumlrdert

67 Anpassung an den Klimawandel Neben der Frage des Verringerns von Emissionen wird auch die Anpassung (engl Adaptation) an die negati-ven Auswirkungen des Klimawandels ein zunehmend wichtiges Thema ganz besonders fuumlr die aumlrmsten Ent-wicklungslaumlnder die Least Developed Countries (LDCs) und die kleinen Inselstaaten Die dramatischsten und zukunftsferneren Folgen des Klimawandels koumlnnen zwar durch Minderung von Treibhausgasemissionen begrenzt werden (bdquoVermeidung des Unbewaumlltigbarenldquo) ein Teil der Folgen laumlsst sich aber nicht mehr aufhalten und An-passungsmaszlignahmen sind demzufolge unumgaumlnglich (bdquoBewaumlltigung des Unvermeidbarenldquo) Insbesondere die Entwicklungslaumlnder fragen sich daher zunehmend Wie koumlnnen wir verhindern dass der Klimawandel unsere Entwicklungsziele gefaumlhrdet und bereits erzielte Ent-wicklungserfolge zunichte macht Dies gilt speziell fuumlr besonders klimasensible Bereiche wie die Ernaumlhrungs-sichereit und die Wasserverfuumlgbarkeit aber auch fuumlr Gesundheitsaspekte (s auch vorherige Kapitel zu den Auswirkungen des Klimawandels) Die Anpassung also der Umgang mit den Klimafolgen ist damit kein Selbst-zweck Sie dient vor allem dazu Entwicklung im Zeichen des Klimawandels zukunftsfaumlhig und widerstandsfaumlhig zu machen

Wie auch die vorhergehenden Berichte betont der vier-te Sachstandbericht des IPCC die besondere Anfaumlllig-keit von Entwicklungslaumlndern insbesondere von LCDs und kleinen Inselstaaten fuumlr die Folgen des Klimawan-dels114 Diese hohe Verletzlichkeit (Vulnerabilitaumlt) der aumlrmsten Staaten begruumlndet sich neben einer uumlberdurch-schnittlichen Risikozunahme von Wetterextremen in vielen Regionen des Suumldens aus i) ihrer starken Betrof-fenheit vom Klimawandel und von Wetterextremen ins-besondere durch die uumlberproportionale Bedeutung der witterungsabhaumlngigen Landwirtschaft ii) dem Mangel an finanziellen Ressourcen sowie iii) einem mangelnden Zugang zu Informationen Krediten und anderen Dienst-leistungen Die Folge ist eine geringe Kapazitaumlt zur Be-

113 Wasserman 2010114 IPCC 2007b

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waumlltigung der Herausforderungen die der Klimawandel mit sich bringt

Vor diesem Hintergrund gibt es eine Vielzahl von Ansatz-punkten um die Anpassungsfaumlhigkeit gegenuumlber den Risiken des Klimawandels zu erhoumlhen In der Konzeption des bdquoAnpassungskontinuumsldquo (s Abb 26) bewegen sich diese zwischen sehr konkreten Interventionen zur An-passung an spezifische Klimarisiken auf der einen Seite und der Verringerung der allgemeinen Vulnerabilitaumlt auf der anderen Seite Waumlhrend konkrete Projekte kurzfris-tig zur Anpassung beitragen koumlnnen ist die Integration in politische Planungsprozesse wichtig um eine Gesell-schaft laumlngerfristig auf den Klimawandel vorzubereiten und auch z B langfristige Fehlinvestitionen zu vermei-den In der Entwicklungspolitik z B im Bereich Ernaumlh-rungssicherung koumlnnen dementsprechend spezifische Anpassungsstrategien dazu beitragen die Ernaumlhrungs-sicherungspolitik klimasicherer zu machen

Der Klimagipfel von Cancuacuten hat eine Reihe von Maszlignah-men beschlossen um die Entwicklungslaumlnder staumlrker bei der Anpassung an die Folgen zu unterstuumltzen (s 63) Zu-dem gewinnt dieses Thema auch in der konkreten Ent-wicklungszusammenarbeit immer mehr an Bedeutung

Wichtige Elemente einer Anpassungsstrategie koumlnnen beispielsweise die Nutzung von Langzeitwettervorher-sagen Fruumlhwarnsystemen und oumlffentlich-privaten Ver-sicherungsmaumlrkten (etwa bdquoMicro-Insuranceldquo) zur Verrin-gerung der Risiken durch Wetterextreme sein Duumlrren Uumlberschwemmungen und Stuumlrme bergen besonders fuumlr arme Landbewohner in den Entwicklungslaumlndern die Gefahr das fuumlr die gegenseitige Unterstuumltzung notwen-dige soziale Netzwerk zu zerstoumlren Wettervorhersagen koumlnnen sowohl die Optimierung der Pflanztermine als auch die Planung der Bildung eines Vorrats an Lebens-mitteln vor Duumlrren erleichtern Gerade fuumlr die Aumlrmsten fehlt es bisher weitestgehend an Versicherungssyste-men zum Schutz gegen die finanziellen Folgen von Ex-tremereignissen und ohne Ko-Finanzierung aus den In-dustriestaaten wird die Versicherungswirtschaft diese mangels Kaufkraft der Bevoumllkerung vor Ort auch nicht aufbauen Der Erhalt natuumlrlicher Systeme wie der Koral-len oder der Mangrovenwaumllder die eine wichtige Funk-tion zur Stabilisierung von Kuumlstenstreifen ausuumlben kann als Anpassungsmaszlignahme gegen einen steigenden Mee-resspiegel und gegen Uumlberflutungen verstanden wer-den Im konkreten Notfall koumlnnen solche Maszlignahmen zwar die Katastrophenhilfe nicht ersetzen In langfristi-ger Betrachtung besteht dennoch wenig Zweifel dass

Verringerung der Vulnera bi litaumlt

Aktivitaumlten zur Ver - ring erung der Armut und anderer nicht klimatischer Stress faktoren die Menschen verletzlich machen

Aufbau von Reaktionsfaumlhigkeit

Aktivitaumlten die dem Aufbau robuster Systeme der Problem-loumlsung dienen

Management von Klimarisiken

Aktivitaumlten zum Einbezug von Klima -informationen in Entscheidungs-prozesse

Anpassung an den Klimawandel

Aktivitaumlten zu Aus-wirkungen die direkt auf den Klimawandels zuruumlckzufuumlhren sind

Traditionelle Entwicklungsfinanzierung Neue und zusaumltzliche Anpassungsfinanzierung

VulnerabilitaumltsfokusFokus auf die Auswirkungen

des Klimawandels

Quelle Harmeling 2010

Abb 26 Das bdquoAnpassungskontinuumldquo und Strategien zur Ernaumlhrungssicherung

Nationale Anpassungs-KlimastrategienErnaumlhrungssicherungs- Wasserstrategien

Armutsbekaumlmpfungsstrategien MDG-Aktionsplaumlne

Katastrophen- vorsorgestrategien

Nationale Aktionsprogramme fuumlr Anpassung (NAPA)

Entwicklungspolitik fuumlr klimaresiliente Ernaumlhrungssicherheit

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Info-Kasten 6 Der Wald als Senke und Reservoir von CO2

Eine bdquonatuumlrliche Technologieldquo die zur Verringerung der atmosphaumlrischen Treibhausgaskonzentration bei-tragen kann ist die Senkenfunktion der Vegetation d h die Bindung von CO2 durch Pflanzen insbeson-dere durch Baumlume (siehe 13) Belastend fuumlr das Klima ist die Freisetzung dieses CO2 durch die Vernichtung von Waumlldern wenn diese anschlieszligend nicht wieder nachwachsen bzw aufgeforstet werden Allerdings ist dem Klimaschutz aus vier Gruumlnden nicht gedient wenn das Anpflanzen von Waumlldern auf die Emissi-onsziele des Kyoto-Protokolls oder des europaumlischen Emissionshandels angerechnet werden kann

Erstens wird dadurch weniger Klimaschutz in an-deren Bereichen wie Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz geleistet Diese sind aber im Sinne des notwendigen Umbaus der weltweiten Energie-systeme dringend erforderlich Zweitens bestehen nach wie vor groszlige wissenschaftliche Unsicherhei-ten beim Berechnen der CO2-Menge die netto durch Aufforstung gebunden wird Drittens kann niemand garantieren fuumlr wie viele Jahre geschweige denn Jahrzehnte ein Wald intakt bleiben und damit CO2

binden wird So hat der Amazonasregenwald im letz-ten Jahrzehnt ndash wegen zweier groszliger Duumlrren ndash moumlg-licherweise mehr CO2 freigesetzt als gebunden Und viertens koumlnnen erhebliche soziale und oumlkologische Probleme entstehen wenn Waumllder alleine unter CO2-Aspekten optimiert werden So zeichnet sich ab dass die Artenvielfalt oder der Wasserhaushalt bei Neuan-pflanzungen alleine unter CO2-Aspekten regelmaumlszligig mit Beeintraumlchtigungen zu rechnen haben

Aufforstung sollte also zusaumltzlich zu ndash und nicht an-stelle von ndash Maszlignahmen in den Bereichen Energie-effizienz und Erneuerbare Energien geleistet werden Auszligerdem sollte sie so weit wie moumlglich zum Schutz der Artenvielfalt dienen

Nicht nur zum Klimaschutz auch im Hinblick auf die vielen anderen wertvollen Funktionen des Waldes die zum Teil auch wichtige Beitraumlge fuumlr die Anpas-sung an den Klimawandel leisten koumlnnen bedarf es eines groszligangelegten globalen Konzepts mit wir-kungsvollen Anreizen um die schnelle Entwaldung zu verhindern

vorbeugende Maszlignahmen effektiv sind da sie Verluste mindern und sich finanziell auszahlen Die Kombination von vorbeugenden Maszlignahmen und Katastrophenhilfe verspricht die besten Erfolge bei der Anpassung an den Klimawandel

Politisch relevant ist insbesondere die Frage der Finan-zierung der Anpassungsmaszlignahmen in Entwicklungs-laumlndern Im UN-Kontext sowie durch die bilaterale Ent-wicklungszusammenarbeit gibt es bereits verschiedene Finanzierungsmechanismen die aber alle weit hinter den geschaumltzten Anpassungskosten von mehr als 70 Milliarden US-Dollar pro Jahr in Entwicklungslaumlndern zuruumlckbleiben115 Die kapitalstarken Hauptverursacher des Klimawandels werden besonders gefragt sein die Kosten der Anpassung in Entwicklungslaumlndern zu tra-gen Das beim Klimagipfel in Cancuacuten bestaumlrkte Verspre-chen der Industrielaumlnder fuumlr Klimamaszlignahmen bis 2020 jaumlhrlich 100 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren wird zu einem wesentlichen Teil auch Anpassungsmaszlignah-men finanzieren muumlssen insbesondere durch den neuen Green Climate Fund Eine gewisse Finanzierungsstruk-tur fuumlr Anpassung im UNFCCC-Kontext besteht bereits Insbesondere der Anpassungsfonds unter dem Kyoto-Protokoll ist hier ein wichtiges Instrument das auch neue Wege in der internationalen Klimafinanzierung eingeschlagen hat116 Auf bilateraler Ebene bietet die

Internationale Klimaschutzinitiative der Bundesregie-rung eine innovative Moumlglichkeit Projekte staatlicher und nichtstaatlicher Akteure in Entwicklungslaumlndern zu finanzieren117 Aber auch insgesamt spielt Anpassung in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit Deutsch-lands und anderer Industrielaumlnder eine wachsende Rolle

68 Technologien und Finanzmarkt

Die langfristig notwendige Verringerung der Treibhaus-gasemissionen weltweit ist nur durch die rasche Verbrei-tung und staumlndige Innovationen im Bereich klimafreund-licher Technologien denkbar auch wenn Einsparungen durch Verhaltensaumlnderungen insbesondere in den In-dustrielaumlndern ebenfalls eine wichtige Rolle zukommt Mittel- bis langfristig ruhen die groumlszligten Hoffnungen auf Erneuerbaren Energien in Kombination mit Energieeffi-zienz Natuumlrlich gilt es auch bei deren Nutzung eine um-weltvertraumlgliche effiziente und zukunftsfaumlhige Anwen-dung sicherzustellen Kritische Aspekte (z B im Bereich der Biotreibstoffe) gilt es zu beruumlcksichtigen und gegen ihren klimapolitischen Nutzen abzuwaumlgen So zeichnet sich ab das Biotreibstoffe der ersten Generation selten aus klimapolitischer Sicht sinnvoll sind Bereits heute

115 Siehe z B Weltbank 2010 116 S Harmeling und Kaloga 2010117 S wwwbmu-klimaschutzinitiativede

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wird deutlich dass ihre Gewinnung mit Werten wie Er-naumlhrungssicherung und Artenvielfalt in Konflikt geraumlt Andererseits ist klar dass Biomasse eine wichtige Saumlule einer globalen Klimastrategie ist

Erfreulicherweise setzen immer mehr Laumlnder auf diese erneuerbare Energien und foumlrdern deren Einfuumlhrung durch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingun-gen118 Die Wachstumsraten im Bereich der Erneuerba-ren Energien sind jedoch derzeit insgesamt noch nicht hoch genug um die fossilen Energien weitgehend ab-loumlsen zu koumlnnen Bis Mitte des Jahrhunderts wird dies allerdings in vielen Regionen und Bereichen fuumlr moumlglich gehalten Technologien im Bereich Energieeffizienz koumlnnen einen sehr kurzfristig umsetzbaren und groszligen Beitrag zum Klimaschutz leisten Neben der bdquoAngebots-seiteldquo wie z B im Bereich Kraft-Waumlrme-Kopplung sind groszlige Einsparpotenziale auf der bdquoNachfrageseiteldquo vor-handen beispielsweise durch Waumlrmedaumlmmung von Ge-baumluden zur Reduktion des Heizenergieverbrauchs und effizientere Geraumlte bzw Maschinen und Motoren Dies gilt auch fuumlr den Verkehrssektor wo eine starke Effizi-enzsteigerung von Fahrzeugen dringend notwendig ist Allerdings zeigt sich auch dass ndash wenn die Energiepreise nicht durch eine Oumlkosteuer oder den Emissionshandel steigen ndash die Effizienzgewinne durch groumlszligere oder zahl-reichere Wohnungen Geraumlte Autos usw schnell aufge-fressen werden (bdquorebound effectldquo)

Als neue Technologie im Bereich der Nutzung fossiler Energietraumlger ist die CO2-Abscheidung und -Lagerung (CCS) im Gespraumlch119 Damit soll CO2 im Zuge der Ver-brennung von Kohle Oumll oder Gas abgeschieden und dann unterirdisch an einem geeigneten Ort sicher und dauer-haft gelagert werden Zwar birgt die Lagerung von CO2 in der Geosphaumlre einige Risiken und vor der Verbreitung dieser Technologie muumlssen wichtige Fragen bezuumlglich der oumlkologischen Sicherheit der oumlkonomischen Dimen-sion oder der Haftung im Schadensfall geklaumlrt werden Dennoch kann Abscheidung und unterirdische Lage-rung des CO2 gerade mit Blick auf die Entwicklungen im Energiesektor in China und andere Kohleregionen ndash dort muss weiter mit hohem Kohleverbrauch gerechnet wer-den ndash eine wichtige Bruumlckenloumlsung werden Oumlffentliche Gelder die fuumlr Forschung und Entwicklung von Techno-logien in den Bereichen Energieeffizienz und Erneuerba-re Energien vorgesehen sind sollten allerdings nicht in die CCS-Entwicklung umgeleitet werden

In Deutschland sind die notwendigen CO2-Einsparungen im Energiebereich ohne CCS moumlglich Hier liegt die Not-wendigkeit der Erforschung von CCS eindeutig im Be-reich der industriellen Prozessemissionen aus der Stahl- Zement- und Kalkproduktion wo es weniger Alternati-ven als im Strombereich gibt120 Neue Technologien in diesem Bereich sollten allenfalls getestet werden um sie in China und anderen Schwellenlaumlndern einzusetzen

In Deutschland koumlnnen die Klimaziele besser ohne Kraft-werksneubauten mit oder ohne CCS erreicht werden Insgesamt geht es letztendlich um eine Risiko-Abwauml-gung Energieeffizienz und Erneuerbare Energien soll-ten deshalb generell den Vorrang haben Im Zweifelsfall duumlrfte bei der Kohleverbrennung die Lagerung von CO2 in der Atmosphaumlre ein groumlszligeres Risiko darstellen als un-ter der Erde sollte diese Technologie wirklich funktio-nieren

Klar ist heute dass die Welt das Klimaproblem nur durch einen breiten Technologiemix in den Griff bekommen kann Mit vielen der heute bereits existierenden Tech-nologien koumlnnen CO2- und andere Treibhausgas-Emissi-onen bereits massiv gesenkt werden Gleichzeitig sind in Bezug auf kommende Jahrzehnte deutlich houmlhere Inves-titionen in Forschung und Entwicklung von Erneuerba-ren Energien Energieeffizienz und intelligenten Netzen oder auch fuumlr die Neuausrichtung einer Landwirtschaft die der Ernaumlhrungssicherung und dem Klimaschutz so dient dass sich diese Ziele unterstuumltzen dringend not-wendig In Bezug auf Erneuerbare Energien gilt es auch ganz genau auf die Ressourcenbilanz zu schauen Viele Rohstoffe die fuumlr diese Technologien heute wichtig sind sind nur in begrenztem Maszlige vorhanden

Fuumlr Investitionen in Klimaschutztechnologien sind Rah-menbedingungen notwendig die es fuumlr die Akteure am Finanzmarkt und in anderen Bereichen der Wirtschaft attraktiv machen lieber in diese Technologien zu inves-tieren als in klimaschaumldliche Auch in diesen Kreisen wird Klimawandel immer mehr als Kostenfaktor gesehen zum einen durch die direkten Schaumlden infolge von Wetter-extremen etc So hat Sir Nicholas Stern in einer viel be-achteten Studie geschaumltzt dass die Kosten die bei un-gehemmtem Klimawandel durch dessen Auswirkungen entstehen koumlnnten 5 bis 20 Prozent des jaumlhrlichen glo-balen Bruttoinlandprodukts betragen koumlnnten121 Zum anderen entstehen Kosten durch politische Regulierung wie durch den Emissionshandel oder CO2-Steuern Daruuml-ber hinaus nimmt die Bedeutung der Unternehmensver-antwortung (bdquoCorporate Social Responsibilityldquo) in der Oumlffentlichkeit zu so dass Klimaschutzmaszlignahmen sich zunehmend guumlnstig auf das Unternehmensimage aus-wirken waumlhrend das Unterlassen von Klimaschutzmaszlig-nahmen dem Image schadet Und nicht zuletzt koumlnnte das Risiko von Schadensersatzklagen eine unmittelbare Auswirkung auf den Marktwert eines Unternehmens ha-ben

Doch trotz aller Fortschritte bezuumlglich der Beruumlcksich-tigung des Klimawandels durch den Finanzmarkt In der tatsaumlchlichen Geldanlagepolitik der groszligen Banken Versicherer und Pensionsfonds spielt die Vermeidung von Klimarisiken zwar eine wachsende bisher aber noch untergeordnete Rolle Entsprechend zentral sind lang-fristig verlaumlssliche politische Rahmenbedingungen

118 REN 21 2010 119 CCS = CO2 Capture and Storage Ein umfangreicher Sonderbericht

des IPCC zum Thema CCS ist unter httpwwwipccch abrufbar

120 Germanwatch 2010b121 Stern 2006

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69 Demokratie und die groszlige Trans formation

Der Klimawandel stellt eine enorme Herausforderung fuumlr die heutigen Demokratiemodelle dar Es gibt zumin-dest fuumlnf zentrale Herausforderungen

1 Erstens gelingt es bisher nicht dass Grundprinzip der Demokratie dass die Betroffenen an Entscheidun-gen beteiligt werden sollen zu beruumlcksichtigen So haben die am staumlrksten betroffenen Menschen in Ent-wicklungslaumlndern allenfalls bei UN-Klimaverhandlungen durch ihre Regierungen ein gewisses Mitspracherecht Bei den nationalen Klimaschutzentscheidungen in In-dustrie- und Schwellenlaumlndern und bei G20- bzw G8-Gipfeln sind sie auszligen vor

2 Zweitens neigt die Politik in Demokratien aufgrund der etwa vierjaumlhrigen Wahlzyklen zu einer systemati-schen Vernachlaumlssigung von langfristigen Problemen wie dem Klimawandel Heutige Klimaschutzentschei-

dungen wuumlrden das Klima bis 2030 so gut wie nicht mehr beeinflussen das Klima in den Folgejahrzehnten jedoch gravierend Dann aber sind heutige Politiker laumlngst ab-gewaumlhlt und muumlssen sich nicht mehr dafuumlr verantworten

3 Drittens stellen irreversible Veraumlnderungen die eine Generation uumlber die naumlchste verhaumlngt das demokrati-sche Prinzip der bdquoEntscheidungen auf Zeitldquo in Frage ndash das trifft auf die Nutzung fossiler Energietraumlger und den Kli-mawandel ebenso zu wie auf den Einsatz von Kernkraft

4 Viertens sind die Interessenverbaumlnde der sich auf fossile Traumlger stuumltzenden Energiewirtschaft und der von Kurzfristinteressen gepraumlgten Finanzakteure so gut organisiert dass wichtige Demokratien ndash wie etwa die USA ndash zum Teil wie Marionetten erscheinen

5 Fuumlnftens wird die Handlungsfaumlhigkeit der Demo-kratie angesichts solcher Herausforderungen zu einem zentralen Argument in Diskussionen mit Akteuren wie China die einem aufgeklaumlrtem Autoritarismus das Wort reden

122 Siehe wwwatmosfairde 123 IPCC 1999 8124 Lee et al 2010

Info-Kasten 7 Flugverkehr und Klimaschutz

Die internationale Luft- und Schiffsverkehrsbran-che ist (neben der Landwirtschaft) die einzige treib-hausgasintensive Branche die klimapolitisch nicht reguliert ist da sie nicht durch das Kyoto-Protokoll erfasst wurde Die bisher einzige aber wichtige Aus-nahme ist der Einbezug des Flugverkehrs in den euro-paumlischen Emissionshandel durch den auch Fluumlge au-szligerhalb Europas erfasst werden soweit sie in Europa landen oder aus Europa abgehen Dabei schaumldigt ein Flug das Klima pro zuruumlckgelegtem Kilometer pro Per-son um ein Mehrfaches einer Auto- oder Bahnreise122

Dies liegt vor allem daran dass bei Fluumlgen uumlber 700 km wegen der dann groszligen Flughoumlhe nicht allein das Kohlendioxid klimaschaumldlich wirkt Hinzu kommen u a auch Kondensstreifen und Zirruswolken die sich in groszliger Houmlhe bilden und das regionale Klima beein-flussen koumlnnen

Der IPCC hat daher die gesamte Klimawirkung der verschiedenen Effekte ausgedruumlckt durch den so-genannten bdquoRadiative Forcing Indexldquo (RFI) auf min-destens das Zwei- bis Vierfache des CO2-Ausstoszliges geschaumltzt123 Neuere wissenschaftliche Forschungen deuten darauf hin dass diese Werte noch houmlher lie-gen koumlnnten124 Allerdings bestehen einige wissen-schaftliche Unsicherheiten Der Gesamtanteil am menschgemachten Treibhauseffekt wird auf bis zu 14 Prozent geschaumltzt (im Jahr 2005)125 Besonders problematisch sind die ndash trotz Wirtschaftskrise ndash ins-

gesamt sehr hohen Wachstumsraten die natuumlrlich auch zu einem Anstieg der Emissionen fuumlhren Je nach Szenario koumlnnten sich die Emissionen aus dem Flug-verkehr bis 2050 verdreifachen

Verschiedene Wege sind zudem denkbar wie man die Fluggaumlste und die Branche in die Verantwortung nehmen kann ndash trotz fehlender oder unzureichender politischer Regulierung Am wirkungsvollsten ist es auf unnoumltige Fluumlge zu verzichten Fluggaumlste haben aber auch die Moumlglichkeit bereits jetzt auf freiwil-liger Basis aktiv zu werden durch die Unterstuumltzung von Klimaschutzprojekten die Emissionen in einer Houmlhe einsparen welche aumlquivalent zur Erwaumlrmungs-wirkung des Fluges sind126 Angesichts des im Ver-gleich zur Wachstumsrate des Flugverkehrs recht geringen Potenzials von technischen Verbesserungen ist jedoch eines klar Moumlchte man das Wachstum der Flugverkehrsemissionen zumindest deutlich abbrem-sen so reichen solche freiwilligen Loumlsungen mittel- bis langfristig nicht aus Sie sind nur als Ergaumlnzung zu verbindlichen Regelungen und oumlkonomischen Instrumenten zu sehen Neben dem Einbezug in den Emissionshandel sollten daher auch eine Emissions-abgabe und der Abbau verschiedener Subventionen angestrebt werden insbesondere auch um zu der international notwendigen Klimafinanzierung in Ent-wicklungslaumlndern beizutragen

125 Lee et al 2010126 Siehe z B httpwwwatmosfairde

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Info-Kasten 8 Geo-Engineering

Neben den bisher beschriebenen Ansaumltzen gibt es die Vorstellung der Mensch koumlnne die Entwicklung des Klimasystems gezielt steuern Im Englischen wer-den solche Methoden unter dem Begriff des bdquoGeo-Engineeringldquo zusammengefasst Ein Ansatz an dem zunehmend intensiver geforscht wird besteht darin die CO2-Aufnahmekapazitaumlt der Ozeane zu erhoumlhen ndash durch Duumlngung mit Eisenspaumlnen Eine solche Duumln-gung haumltte ein beschleunigtes Wachstum des Phyto-planktons zur Folge Dies wuumlrde im Prinzip zu einer houmlheren Aufnahme von CO2 fuumlhren Wenn diese Al-gen dann absterben sollen sie auf den Meeresboden sinken und das CO2 quasi mit in die Tiefe nehmen

Der IPCC bemerkt dazu kritisch dass die wenigen bisher durchgefuumlhrten Studien moumlgliche negative Nebeneffekte nicht ausreichend untersucht haumltten Dazu zaumlhlen die erhoumlhte Produktion von CH4 und N2O sowie die moumlglichen Auswirkungen des schnellen Al-genwachstums auf die Oumlkologie der Meere und die Nahrungskette Eine weitere Option besteht darin die Sonneneinstrahlung kuumlnstlich zu verringern und so die Wirkung des Treibhauseffekts abzuschwaumlchen

Einer der Vorschlaumlge die in diese Richtung zielen sieht vor eine Art riesigen etwa 106 Quadratkilome-ter groszligen Spiegel ins All zu transportieren So soll ein Teil der Sonnenstrahlung vom Eintritt in die At-mosphaumlre abhalten werden Ein weiterer Vorschlag sieht vor die kuumlhlende Wirkung stratosphaumlrischer Aerosole wie sie zum Beispiel von Vulkanausbruuml-chen oder Luftverschmutzung bekannt ist kuumlnstlich zu verstaumlrken Groszlige Mengen Schwefel oder andere Aerosole muumlssten dabei in die Stratosphaumlre gebracht werden

Allen diesen Optionen ist gemeinsam dass sie enor-me oumlkologische und klimatische Nebeneffekte mit sich bringen koumlnnten Wie bei einem Menschen der an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen wird wird auch hier die Eigensteuerung des Systems Erde-Klima auszliger Kraft gesetzt Viele Akteure halten des-halb diese Aktivitaumlten insbesondere wenn sie die Strahlungsaktivitaumlt in der Atmosphaumlre verringern fuumlr indiskutabel

Andererseits zeigt sich uumlberall dass die Umsetzung von Energieeffizienz und die dezentrale Nutzung Erneuerba-rer Energien eine aktive Zivilgesellschaft zur Grundvor-aussetzung hat Die Buumlrger draumlngen ndash trotz zunehmen-der Politikverdrossenheit ndash auf staumlrkere Partizipation

Keine Frage die Demokratie wird sich erneuern muumlssen wenn sie auf Herausforderungen von der Groumlszligenord-nung des Klimawandels angemessene Antworten finden will Aber nicht zuletzt die Ereignisse in der arabischen Welt und der Mittelmeerregion zeigen Demokratie ist eine erneuerbare Ressource der Politik ndash und dieses Potenzial sollten wir nutzen Historisch gesehen haben

sich Diktaturen als zu starr erwiesen um auf dynamische Veraumlnderungsanforderungen reagieren zu koumlnnen Die Wahrnehmung der groszligen Transformation als Veraumlnde-rungschance und nicht als Veraumlnderungszumutung ist daher gerade ein Argument fuumlr eine Staumlrkung der Buumlr-gergesellschaft als Schluumlsselinstrument fuumlr mehr Klima-schutz in Demokratien127 Zugleich sollte es ein wichti-ges Entscheidungskriterium fuumlr politisch eingeleitete Klimaschutzmaszlignahmen sein dass sie die Freiheit des Einzelnen nicht einschraumlnken Allerdings endet die Frei-heit wo sie die Freiheit oder gar die Existenz anderer Menschen gefaumlhrdet

127 Vgl Leggewie und Welzer 2010

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Moderne Zugtechnik traumlgt nicht nur in Deutschland immer mehr zum Klimaschutz bei indem sie eine attraktive Alternative zu Kurzstreckenfluumlgen darstellt

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Wer muss handeln

Ein wichtiger Grund dafuumlr dass bisher erforderliche Maszlignahmen trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse nur zoumlgerlich vorankommen ist die mangelnde Uumlbernah-me von Verantwortung Politik Wirtschaft und Buumlrger schieben diese gerne in jeweils andere Bereiche oder gar auf andere Laumlnder ab Das liegt auch darin begruumlndet dass die Klimaproblematik ein Kollektivgutproblem ist da jeder freien Zugang zu der Atmosphaumlre hat selbst wenn er sie stark verschmutzt

Die besondere Verantwortung der industrialisierten Laumlnder beruht jedoch auf der Tatsache dass sie die Hauptverursacher des menschgemachten Treibhausef-fekts sind und uumlber weit groumlszligere finanzielle Moumlglichkei-ten verfuumlgen als die Entwicklungslaumlnder (siehe auch Ka-pitel 4 5 und 6) Letzteres aumlndert sich allerdings seit der Finanzkrise dramatisch ndash und ist inzwischen angesichts der groumlszligeren finanzpolitischen Spielraumlume dort ein wei-teres Argument dafuumlr auch die Schwellenlaumlnder in die Pflicht zu nehmen

Nur wenn Politik Wirtschaft und Buumlrger die erforder-liche Veraumlnderung auch als Chance begreifen ist ein Wandel moumlglich Fuumlr ein neues Wohlstandsmodell und die Vermeidung eines gefaumlhrlichen Klimawandels sind folglich alle gefragt ndash Politik Wirtschaft und Buumlrger

Zugleich kann Deutschland kurz- und langfristig von sei-nem Engagement im Klimaschutz profitieren Einerseits weil die sonst eintretenden Auswirkungen der Erwaumlr-mung auch Deutschland treffen wuumlrden (Extremwetter-ereignisse Meeresspiegelanstieg usw) Andererseits weil durch Klimainvestitionen und die Vorreiterrolle im Klimaschutz Arbeitsplaumltze geschaffen und wirtschaft-liche Zukunftsmaumlrkte erschlossen werden

Deutschland hat als groszlige Industrienation mit uumlber-durchschnittlichem Pro-Kopf-Ausstoszlig an CO2 maszliggeb-lich zur bisherigen Erderwaumlrmung beigetragen Eine Minderung von mindestens 40 Prozent bis zum Jahr 2020 im Vergleich zum Niveau von 1990 ist daher er-forderlich um zur Begrenzung der weltweiten Erwaumlr-mung auf unter 2 degC beizutragen Seine Verantwortung kann Deutschland jedoch nur uumlbernehmen wenn Politik Wirtschaft und Buumlrger diese nicht in die jeweils anderen Bereiche abschieben sondern jeder seinen Beitrag leis-tet Dieses Kapitel fasst zentrale Aufgaben in verschie-denen gesellschaftlichen Bereichen zusammen

71 Was kann die Politik tun

I Internationale Politik

rarr 1 Forderung nach einer globalen Strategie

Eine globale Aufgabe wie der Klimaschutz braucht eine globale Strategie128 ndash nicht zuletzt wegen der Flexibili-taumlt von Unternehmen die den nationalen Regelungen oft durch Standortverlagerungen ausweichen Folglich muumlssen nicht nur auf nationaler sondern auch auf inter-nationaler Ebene Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz ge-troffen werden Die jaumlhrlich stattfindenden Klimagipfel bieten bereits die Moumlglichkeit zur Vereinbarung einer globalen Strategie

Der bedeutendste erste Schritt hin zu einer globalen Strategie war der Abschluss des voumllkerrechtlich ver-bindlichen Kyoto-Protokolls (siehe Kapitel 6) Dieses ist zwar ein erster Schritt kann aber nur einen nachhaltigen Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels leisten wenn er als Basis fuumlr weitaus ehrgeizigere Maszlignahmen in den folgenden Jahren genutzt wird

Nach den schwachen Ergebnissen von Kopenhagen zeigt sich immer staumlrker dass eine globale Strategie im Zu-sammenspiel von Vorreiterkoalitionen und internationa-len Rahmensetzungen die sich wechselseitig dynamisie-ren verstanden werden muss Fuumlr Deutschland heiszligt das auch dass bilaterale Abkommen mit besonders verletz-lichen besonders progressiven und besonders relevan-ten Staaten eine wichtige Bedeutung haben

rarr 2 Vorsorgepolitik betreiben

Um angemessene Antworten auf den Klimawandel zu fin-den und effektive Vorsorgemaszlignahmen zu treffen ist es wichtig dass die Politik Klimaschutzmaszlignahmen als In-vestitionen in bessere Lebensbedingungen erkennt und Vorsorgepolitik betreibt Die bisherigen Anstrengungen der internationalen Politik werden der Herausforde-rung einen gefaumlhrlichen Klimawandel zu vermeiden und gleichzeitig die Anpassung in besonders betroffenen Regionen zu unterstuumltzen nicht gerecht denn mit den bisher angekuumlndigten Emissionsverminderungszielen steuert die Welt weiterhin auf eine Erderwaumlrmung von 3 bis 4 Grad zu ndash wenn alle Vorhaben umgesetzt werden und was keineswegs gesichert ist ndash keine Schlupfloumlcher die Ernsthaftigkeit der Ziele untergraben Bisher spricht wenig dafuumlr dass der globale Scheitelpunkt der Emissi-onsentwicklung vor 2020 erreicht wird ndash und damit duumlrf-te das 2-Grad-Limit auszliger Reichweite geraten Nachdem

7 Maszlignahmen zum Klimaschutz

128 Zur Diskussion der Moumlglichkeiten den Klimaschutz in die Systemlogik von Politik Wirtschaft und Technologie zu uumlbersetzen siehe Bals 2002

68

sich die USA in eine Situation der Handlungsunfaumlhigkeit manoumlvriert haben kann die notwendige Dynamik nur entstehen wenn sich die EU und China uumlber ihre Mini-malziele von Kopenhagen hinaus bewegen

rarr 3 Finanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen gerecht regeln

Damit eine angemessene globale Klimaschutzstrategie moumlglich wird muss die internationale Politik entspre-chende Rahmenbedingungen schaffen und die Finan-zierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen gerecht regeln Zum einen geht es darum moumlglichst verursachergerecht ndash etwa durch Erloumlse aus dem Emis-sionshandel und eine Abgabe auf den internationalen Flug- und Schiffsverkehr die notwendigen oumlffentlichen Gelder einzusetzen Zum anderen sollten diese Gelder vor allem soweit es um Gelder fuumlr den Klimaschutz geht mit optimaler Hebelwirkung so fuumlr Rahmenbedingungen und Infrastruktur eingesetzt werden dass ein Vielfaches an privaten Finanzstroumlmen dementsprechend umgelei-tet wird Die Industriestaaten als Hauptverursacher fuumlr Auswirkungen und Schaumlden des Klimawandels tragen die groumlszligte Verantwortung Sie stehen nach dem Verursa-cherprinzip somit in der Pflicht die besonders betroffe-nen Laumlnder und Bevoumllkerungsgruppen bei Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen technisch und finanziell zu unterstuumltzten Eine gerechte und verlaumlssliche Finanzie-rung ist zugleich ein aktiver Beitrag fuumlr eine sicherere Welt und sollte daher im Sinne der Industrienationen sein Aufgrund des zweiten Prinzips der Frage nach der Handlungsfaumlhigkeit der Staaten muss allerdings nach der Finanzkrise auch die Frage nach einer finanziellen Beteiligung der Schwellenlaumlnder gestellt werden

II Nationale Politik

rarr 1 Rahmenbedingungen fuumlr ein klima-freund liches Wohlstandsmodell schaffen

Die Industriestaaten koumlnnen die Rahmenbedingungen fuumlr ein klimafreundliches Wohlstandsmodell vorantrei-ben indem sie klimafreundliche Handlungen foumlrdern und klimaschaumldliche Handlungen einschraumlnken

n Klimafreundliche Handlungen foumlrdern und klima-schaumlndliche Handlungen einschraumlnken

Klimafreundliche Handlungen koumlnnen durch erfolg-reiche Klimaschutzpolitikmodelle Gesetze und Klima-investitionen gefoumlrdert werden Langfristig sind sie schon deshalb fuumlr die Gesellschaft ein finanzieller Ge-winn weil die entstehenden Kosten sehr wahrschein-lich niedriger sein werden als die zu erwartenden Fol-gekosten eines Klimawandels insbesondere wenn man

positive Nebeneffekte von Klimaschutzmaszlignahmen ein bezieht129 Aber auch kurzfristig koumlnnen sich diese Investitionen auszahlen weil Gelder nicht in meist un-demokratische Staaten fuumlr Oumll- und Gas uumlberwiesen son-dern in der Region investiert werden weil Innovationen vorangetrieben Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen geschaffen werden Am Beispiel der Energieversorgung werden im Folgenden konkrete Handlungsmoumlglichkei-ten der Politik veranschaulicht

n Erneuerbare Energien muumlssen ausgebaut und effiziente Energiestrukturen gefoumlrdert werden

Die Politik in Deutschland hat bereits einige wichtige Fortschritte gemacht wie zum Beispiel die Einfuumlhrung des Energieeinspeisegesetzes (EEG) zeigt Das auf einem Ansatz aus dem Jahr 1990 fuszligende im Jahr 2000 offiziell implementierte und fortwaumlhrend weiter entwickelte Ge-setz garantiert Produzenten von Erneuerbaren Energien uumlber einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren einen festen Verguumltungssatz und verpflichtet die Netzbetreiber zur vorrangigen Abnahme der erzeugten Strommengen Innerhalb weniger Jahre ist damit der Anteil der Erneu-erbaren an der Stromversorgung auf ca 17 Prozent ge-stiegen Auch im Bereich der Gebaumludesanierung und der Waumlrmeversorgung aus Erneuerbaren Energien gab es durch verschiedene Foumlrderprogramme bereits beacht-liche Fortschritte doch entscheidende Weichenstellun-gen hin zu einer 100-prozentigen Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien stehen noch aus

Um das 2-Grad-Limit einzuhalten sind daruumlber hinaus noch weitere Maszlignahmen erforderlich wie zum Beispiel ein sich selbst dynamisierendes Foumlrderprogramm fuumlr die Marktfuumlhrer der Energieeffizienz bei verschiedenen Ge-raumlten (Top-Runner-Ansatz) die Forschungsfoumlrderung im Bereich Energieeffizienztechnologien oder die Einfuumlh-rung eines Foumlrdergesetzes fuumlr Erneuerbaren Energien im Bereich Gebaumludeheizung -kuumlhlung und Warmwasserbe-reitung

Am erstrebenswertesten waumlre eine Komplettversorgung mit Oumlkostrom in Europa und angrenzenden Regionen zu sozialvertraumlglichen Kosten Die Idee hinter dem so ge-nannten bdquoSuperSmartGridldquo-Ansatz (SSG) ist die Kombi-nation von zwei Ansaumltzen die all zu oft gegeneinander ausgespielt werden Zum einen das dynamische Voran-treiben von dezentral erzeugten Erneuerbaren Energien Dies hat aus Gruumlnden der regionalen Wertschoumlpfung und der Aufwertung ganzer Regionen der Identifizierung der Buumlrger und Buumlrgerinnen mit ihrer Stromversorgung und der Energiesicherheit viel fuumlr sich Ein Smart Grid ermoumlglich die optimale Abstimmung der dezentralen Er-zeugung mit dem Verbrauch von Wirtschaft und privaten Verbrauchern so dass sich das Problem der fluktuieren-den Verfuumlgbarkeit von Strom relativiert

129 Stern 2006

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Zum anderen aber geht es ndash unter dem Stichwort Super-grid ndash um ein europaweites Stromnetz bei dem jedes Land die besonders effizient nutzbaren und groszligen Po-tenziale nutzt die es bezuumlglich Erneuerbarer Energien hat Wind- und Wasserkraft aus Nordeuropa Biomasse aus Zentraleuropa Solarstrom aus der Sahara usw Die-ses Kontinente uumlbergreifende Stromnetz kann Realitaumlt werden wenn die Politik sich fuumlr folgende Maszlignahmen einsetzt eine massive Foumlrderung Erneuerbarer Ener - gien einen auf Erneuerbare Energien ausgerichteten Stromnetzausbau und eine verbesserte nationale so-wie europauml ische Energierahmengesetzgebung Studien zeigen dass eine entsprechende Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien gemeinsam mit einem starken Schub fuumlr Effizienz mit aumlhnlichen Kosten verbunden waumlre wie wenn man einen hohen Anteil an Kohle- und Atomstrom beibehalten wuumlrde130 Aber wenn es die Vollversorgung Europas mit Erneuerbaren Energien vor 2050 geben soll dann muumlssen jetzt die Weichen dafuumlr gestellt werden

n Abschaffung von klimaschaumldlichen Subventionen ndash keine Foumlrderung von Kohle und Atom

Der Neubau von Kohlekraftwerken ist hochproblema-tisch auch wenn neue Kraftwerke deutlich effizienter sind als aumlltere weil beim Verbrennen von Stein- und Braunkohle im Vergleich zu Oumll und Gas ein Mehrfaches an CO2 entsteht Da die Kohlevorraumlte deutlich groumlszliger sind als die Reserven aller anderen fossilen Energietrauml-ger ist daruumlber Hinaus zu erwarten dass die CO2-Pro-blematik durch entsprechend lange Laufzeiten bis weit in die Zukunft ungeloumlst bliebe Subventionen in Kohle Atom und beim Flugverkehr muumlssen abgeschafft wer-den Milliardensubventionen in diesen Bereichen schauml-digen das Klima einerseits durch den Ausstoszlig von Treib-hausgasen und andererseits weil sie die oumlkonomische Wettbewerbsfaumlhigkeit klimaschonender und generell risikoaumlrmerer Alternativen reduzieren

n RegulierungVerteuerung von klimaschaumldlichen Handlungen

Theoretisch ist unumstritten dass der Markt nur eine gewuumlnschte Lenkungswirkung erzielen kann wenn die Internalisierung externer Kosten gelingt Dabei werden die verursachten Kosten in die Preise klimaschaumldlicher Produkte und Dienstleistungen eingerechnet und somit internalisiert Beispiele dafuumlr sind das Verursacherprin-zip beruumlcksichtigende verbrauchsabhaumlngige Steuern (Oumlkosteuer etc) bzw Abgaben (z B auf Mineraloumll) Der Emissionshandel internalisiert prinzipiell die externen Kosten da er zum einen CO2 einen Preis gibt und da-mit in die Wirtschaftslogik einfuumlhrt und zum anderen weil er die Menge der erlaubten Emissionen nach oben begrenzt Eine volle Internalisierung waumlre das aber nur wenn das Ziel einer 80 bis 95-prozentigen Reduktion von

Treibhausgasen bis 2050 jetzt schon rechtlich verbind-lich den Akteuren vorgegeben wuumlrde Eine Kombination von verbrauchsabhaumlngigen Steuern und Emissionshan-del mit ausreichend scharfen Zielen ndash je nach Sektoren ndash kann einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz leis-ten

rarr 2 Vorreiterrolle im Klimaschutz einnehmen

Auch wenn die internationale Politik fuumlr eine globale Strategie verantwortlich ist kann sich jedes Land und jede Region Deutschlands fuumlr den Klimaschutz enga-gieren Deutschland kann dabei als Exportweltmeister seine Position nutzen und eine Multiplikatoren- bzw Vorreiterrolle hinsichtlich effizienter Klimaschutzpoli-tik einnehmen denn auch erfolgreiche Politikmodelle koumlnnen bdquoexportiertldquo werden Das in Deutschland sehr erfolgreiche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist in mittlerweile in mehr als 45 Laumlndern Vorbild fuumlr gesetz-liche Rahmenbedingungen

Auch einzelne Regionen Deutschlands sind gefragt denn kommunalpolitische Beispiele koumlnnen als Vorbild fuumlr die Bundesebene dienen Wenn Deutschland zeigt dass man auch ohne Kohle und Atom eine international fuumlhrende Volkswirtschaft mit einem attraktiven Wohl-standsmodell bleiben kann waumlre dies ein fundamental wichtiger Beitrag fuumlr die internationale Debatte Viele Laumlnder schauen auf Deutschland ob es gelingt den an-gekuumlndigten beschleunigten Ausstieg aus der Atomener-gie mit den ambitionierten Klimazielen zu kombinieren Wenn dies gelingt kann diese Strategie zum Exportmo-dell werden Im Gegenzug sollten Deutschland und die EU die positiven Erfahrungen nutzen die andere Laumln-der gemacht haben Derzeit wird dabei das japanische bdquoTop-Runner-Modellldquo diskutiert das sich am jeweiligen Effizienzspitzenreiter orientiert und dynamische Effi - zienzstandards fuumlr Energie verbrauchende Geraumlte setzt

rarr 3 Die Politik sollte mit gutem Beispiel vorangehen

Es reicht insgesamt nicht wenn Politiker nur die Rah-menbedingungen fuumlr Klimaschutz schaffen Sie muumlssen den Waumlhlern gegenuumlber offensiv vertreten dass Kli-maschutzmaszlignahmen Investitionen in zukunftsfaumlhige Lebensbedingungen sind Am glaubwuumlrdigsten ist es wenn die Politik und die einzelnen Politiker selbst zu Vorbildern werden Zum Beispiel koumlnnte der Staat mit einer klimafreundlich ausgerichteten oumlffentlichen Be-schaffung Investitionsstroumlme in Richtung nachhaltiger Produkte und Unternehmen lenken131 Etwa im Ver-kehrsbereich ndash von Bussen uumlber Dienstfahrzeuge bis hin zum regelmaumlszligigen hochqualitativen Ausgleich bei Flug-verkehrsreisen ndash bei effizienten Computern oder im Ge-baumludebereich koumlnnte die Marktmacht der oumlffent lichen Hand erhebliche Lenkungswirkung erzielen

130 ECF 2010131 Germanwatch 2010d

70

Der Lebensstil von Bundes- oder EU-Politikern ist ndash an-gesichts der Anforderungen an Mobilitaumlt ndash nur schwer wirklich klimavertraumlglich zu gestalten Aber umso mehr koumlnnen sie sichtbare Signale fuumlr einen klimavertraumlg-lichen Lebensstil geben Wichtiger ist jedoch dass sie ihre Unabhaumlngigkeit bewahren und sich nicht von kli-makritischen Lobbygruppen beeinflussen lassen Wer wissenschaftlich abgesicherte Positionen zu einer kaumluf-lichen Ware macht verkauft kuumlnftige Generationen

72 Was kann die Wirtschaft tun

Herausforderungen fuumlr die Wirtschaft

Kaum ein Unternehmen aus dem CO2-intensiven Bereich verfolgt derzeit eine mit dem 2 degC-Limit vertraumlgliche Unternehmensstrategie obwohl sie nach den OECD-Leit linien132 sogar dazu verpflichten sind sich an der er-klaumlrten Politik ihres Landes auszurichten

Der globale Klimawandel birgt fuumlr Wirtschaft und Unter-nehmen erhebliche Risiken wodurch die Wertentwick-lung von Investitionen und Unternehmen nachhaltig bedroht werden kann Eine ernsthafte Klimaschutzstra-tegie bietet zwar auch Risiken aber auf der anderen Seite ndash insbesondere bei klaren langfristigen politischen Rahmensetzungen ndash groszlige Chancen fuumlr die Wirtschaft So entstehen sehr groszlige neue Geschaumlftsfelder wie die Bereiche Zukunftstechnologien (Erneuerbarer Energi-en Energieeffizienz Elektromobilitaumlt etc) sozial-oumlko-logische Stadtplanung oder klimafreundliche Finanz-anlagen Gelingt es den Unternehmen sich an diese neue Situation schnell und umfassend anzupassen kann neben dem effektiven Klimaschutz auch sozialer und oumlkonomischer Mehrwert gesichert werden

Jedes Unternehmen weiszlig Wenn die Weltgesellschaft sich in Richtung Klimaschutz bewegt dann sind die eige-nen Klimaschutzinvestitionen von heute gut angelegtes

Vertreter der Finanzwirtschaft beraten uumlber den EU-Emissionshandel Workshop von UNEP-Finanzinitiative und Germanwatch mit Finanz-Ratingagenturen im April 2004 Foto Gerold Kier

132 Siehe wwwgermanwatchorgcorpuvhtm

Geld Die Strategie der Gegner zielt deshalb darauf ab vor allem in den USA Zweifel an einer solchen Strategie zu saumlen Doch die positiven wenn auch in Geschwin-digkeit und Ausmaszlig nicht ausreichenden Tendenzen in vielen Schwellenlaumlndern zeigen bereits heute Schon mittelfristig gehoumlrt eine ambitionierte Klimaschutzstra-tegie ebenso zur Grundausruumlstung eines erfolgreichen Unternehmens wie dies fuumlr zukunftsfaumlhige Arbeitsplaumltze der Fall ist

rarr Direkte und regulative Finanzrisiken erkennen

Wichtig fuumlr die Unternehmen sind die Identifizierung von Klimarisiken und -chancen sowie ein darauf beru-hendes Risikomanagement Welche direkten Klima- und Wetterrisiken koumlnnten relevant fuumlr uns sein Wo sind wir auf die absehbaren klimapolitischen Rahmensetzungen nicht vorbereitet Welcher Imageschaden droht uns als Klimaschutz-Verweigerer Auf welche Klagen muumlssen wir uns als Verursacher des Klimawandels einstellen Welche Chancen ergeben sich fuumlr uns aus einer aggres-siven Klimaschutzstrategie Wie muumlssen wir uns auf-stellen um diese nutzen zu koumlnnen Dafuumlr bedarf es der Entwicklung von Methoden die ndash moumlglichst modular aufgebaut ndash eine systematische Beruumlcksichtigung von Klimarisiken im Risikomanagement ermoumlglichen

Durch die Anwendung der Methoden wird eine bessere Bewertung der Folgen des Klimawandels und ihrer finan-ziellen Implikationen moumlglich

rarr Chancen des Klimawandels nutzen ndash Investitionen in Zukunftstechnologien

Wenn die Chancen identifiziert sind gilt es diese auch zu nutzen Besonders vielversprechend sind Investi-tionen in Zukunftstechnologien die zugleich einen klimafreundlichen Lebensstil ermoumlglichen Diesbezuumlg-

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lich sind besonders die Bereiche Erneuerbare Energien Effizienztechnologien und Verkehr (Innovative Schie-nenkonzepte Elektromobilitaumlt Hybridtechnologien etc) zukunftstraumlchtig Ganze Branchen setzen ihre Zu-kunft aufs Spiel wenn sie die neuen Trends verpassen So hat die deutsche Automobilindustrie den Trend zum Hybrid- und Elektroauto zunaumlchst verschlafen Das Ge-schaumlftsmodell der groszligen Energieversorger in Deutsch-land hat sich nicht bzw voumlllig unzureichend auf den massiven Ausbau von Energieeffizienz (etwa durch Con-tracting) und Erneuerbaren Energien eingestellt Die Stahl- und Zementindustrie blockiert klimavertraumlgliche Alternativen etwa basierend auf beschichteten Kohlen-stofffasern anstatt diese zuumlgig voranzubringen

rarr Nachhaltiges und klimafreundliches Wirtschaften in Unternehmen

Neben der Wahlmoumlglichkeit von Guumltern die ein Un-ternehmen produziert bzw anbietet koumlnnen Klima-schutzaspekte auch im Unternehmensbetrieb und in der Produktion beruumlcksichtig werden

Betriebliche Oumlkobilanzen oder Nachhaltigkeitsberich-te bieten zum Beispiel die Chance klimafreundliche Einsparungspotenziale zu identifizieren Haumlufig gibt es ndash besonders bei den nicht ganz so energieintensiven Branchen wo schon der Energiepreis ein starker Antrieb ist ndash in den Bereichen Energie Beschaffung Produktion Absatz und Verkehr groumlszligere Einsparpotenziale die den Unternehmern nicht bewusst sind

n Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Im Bereich Energie gilt es auf Erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu setzen Auch der Stromverbrauch im Unternehmen kann haumlufig gesenkt werden wofuumlr es zahlreiche Wege gibt (siehe 73 bdquoBuumlrgerldquo)

Regionale Wirtschaftsfoumlrderung In den Bereichen Beschaffung Produktion und Absatz ist es manchmal wichtig in der Naumlhe zu suchen statt in die Ferne zu schauen Lange Transportwege bewirken einen hohen CO2-Ausstoszlig weshalb von Umweltorganisationen und Verbaumlnden zunehmend die Staumlrkung regionaler Wirt-schaftskreislaumlufe gefordert wird Bei der Produktion mag Outsourcing ins Ausland augenscheinlich erst ein-mal Kosteneinsparungen mit sich bringen Doch mit langen Transportwegen wird haumlufig die Kommunikation und Kontrolle im Unternehmen erschwert und der CO2-Ausstoszlig erhoumlht133

n Nachhaltige Ressourcen

Bei der Produktion und Beschaffung sollte auch auf die Klimabilanz und Nachhaltigkeit der verwendeten Res-sourcen und Produkte geachtet werden Mittlerweile

gibt es fuumlr viele Bereiche (Holz Papier Lebensmittel etc) Zertifizierungen die nachhaltige Produkte kenn-zeichnen

n Nachhaltige Dienstreisetaumltigkeiten

Der Bereich Verkehr umfasst die Dienstreisetaumltigkeiten der Mitarbeiter sowie die bereits erwaumlhnten Bereiche Beschaffung und Absatz Generell gilt es den CO2-Ausstoszlig kleinstmoumlglich zu halten indem man nur den notwendigen Verkehr taumltigt und z B bei routinemaumlszligig abgehaltenen Besprechungen die Nutzung von Video- oder Telefonkonferenzen in Betracht zieht Durch eine systematische Optimierung der Dienstreisetaumltigkeit koumlnnen Unternehmen Geld sparen und zugleich den Aus-stoszlig von Treibhausgasen reduzieren Ein weiterer Weg zur Reduktion des CO2-Ausstoszliges ist die Nutzung von klimafreundlichen Verkehrsmitteln bei gleichzeitigem Verzicht auf klimaschaumldliche Verkehrsmittel wie das Flugzeug Eine Moumlglichkeit fuumlr CO2-freie Dienstreisetauml-tigkeiten bietet die Deutsche Bahn mit ihrem Programm bdquoUmwelt-Plusldquo Dabei wird der Energiebedarf des Rei-sens im Voraus kalkuliert und in Form von Oumlkostrom ins Netz der Bahn eingespeist Die Initiative Atmosfair (wwwatmosfairde) bietet allgemein die Moumlglichkeit getaumltigte Emissionen durch Spenden fuumlr serioumlse Klima-schutzmaszlignahmen auszugleichen

rarr Gemeinsam ihr Interesse am Klimaschutz aussprechen

Neben diesen beschriebenen Maszlignahmen steht es je-dem Unternehmen offen sich gegenuumlber der Politik aktiv fuumlr mehr Klimaschutzmaszlignahmen einzusetzen Einige Unternehmen haben sich bereits in progressiven Unternehmergruppen wie der 2deg-Initiative oder dem Un-ternehmerrat e5 zusammengeschlossen und koumlnnen so gemeinsam die Beruumlcksichtigung ihrer Klimaschutzinter-essen von der Politik einfordern

Solarthermische Anlagen verringern in immer mehr Haumlusern den fossilen Energiebedarf fuumlr Warmwasser und Heizung Foto Dietmar Putscher

133 Einen interessanten Artikel zum Thema Vor- und Nachteile von Outsourcing bietet bdquoDie Zeitrdquo httpwwwzeitde201016Globalisierung

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73 Was koumlnnen die Buumlrger tunNeben Politik und Wirtschaft haben die Buumlrger eine zentrale Bedeutung in der Realisierung der Klimaziele Wie beschrieben erfordert eine nachhaltige Loumlsung der Klimaprobleme eine kulturelle und industrielle Revolu - tion womit der Buumlrgergesellschaft eine viel gewichti-gere Rolle zukommt als wir ndash ihre Mitglieder ndash bislang wahrzunehmen bereit waren Dass Buumlrgerbewegungen viel bewegen koumlnnen zeigt die Geschichte der Bundes-republik in der die meisten kulturellen Veraumlnderungen nicht auf Anstoszlig der professionellen Politik sondern auf Basis der Initiative Einzelner oder kleiner Gruppen ent-standen sind134 Ein Beispiel dafuumlr ist die Frauenbewe-gung welche eine Aumlnderung der Geschlechterverhaumllt-nisse in der Gesellschaft bewirkte lange bevor auch die Politik Genderaspekte (Gleichstellungsgesetze Frauen-quoten usw) aufgriff Auch die Anti-Atombewegung hat den jetzt verkuumlndeten Atomausstieg durch jahrzehnte-langes Engagement gegen eine steinharte industrienahe Mentalitaumlt durchgesetzt Folglich ist Politik nicht nur was die Politiker machen sondern vielmehr auch das was wir Buumlrger bewegen

Handlungsmoumlglichkeiten

Im Allgemeinen stehen uns verschiedene Wege offen zu handeln doch allen voraus steht die Aufgabe sich zu in-formieren womit auch der Bildungsarbeit eine zentrale Rolle zukommt Jede(r) Einzelne sollte sich uumlber die Fol-gen des eigenen Handelns sowie uumlber Klimaschutzmaszlig-nahmen auf dem Laufenden halten Jede kleine Aktion die zum Klimaschutz beitraumlgt ist wichtig In den folgen-den drei Bereichen gibt es besonders effiziente Hand-lungsmoumlglichkeiten

rarr 1 Einfluss auf die Politik ausuumlben

Buumlndnisse und Buumlrgerinitiativen koumlnnen die Politik haumlu-fig beeinflussen weil sie entweder ein Gegengewicht oder auch einen Partner staatlichen Handelns darstel-len koumlnnen Durch die Beruumlcksichtigung von Klima- und Umweltaspekten bei der politischen Wahlentscheidung kann ebenfalls Einfluss auf die Politik genommen wer-den Dies gilt nicht nur fuumlr Bundestags- und Europapar-laments- sondern auch fuumlr Landtags- und Kommunal-wahlen Denn wichtige Entscheidungen fuumlr oder gegen den Klimaschutz werden auf allen Ebenen getroffen Kli-maschutz sollte daher in allen Faumlllen ein wichtiges Wahl-kriterium sein bdquoWahlpruumlfsteineldquo die von Umweltver-baumlnden und Organisationen vor Wahlen veroumlffentlicht werden koumlnnen bei der Entscheidung helfen

rarr 2 Sich vernetzen

Gemeinsam mit anderen Aktiven ist es haumlufig leichter einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten In der klei-

nen Gemeinde Schoumlnau im Schwarzwald begann zum Beispiel eine private Initiative 1998 mit der Investition in Erneuerbare Energien Anfangs mit Wind- und Solar-energie spaumlter mit Kraft-Waumlrme-Koppelung und Bio-masse konnten sie soviel Energie produzieren dass sie das oumlrtliche Stromnetz uumlbernahmen und ein eigenes Elektrizitaumlts-Werk errichteten Heute versorgen sie mehr als 100000 Kunden135 Betriebe und Industrieun-ternehmen im ganzen Bundesgebiet mit Oumlkostrom und investieren die Gewinne wiederum in eine nachhaltige Energieversorgung Ein weiterer nennenswerter Akteur in Sachen Klimaschutz ist die Klima-Allianz136 ein Buumlnd-nis von mehr als 100 Organisationen aus einem breiten gesellschaftlichen Spektrum das sich gemeinsam fuumlr die Schaffung politischer Rahmenbedingungen einsetzt

Gemeinsames Handeln ist haumlufig nicht nur erfolgreich sondern macht auch viel Spaszlig Ist das Interesse ge-weckt Dann schauen Sie mal unter wwwutopiade oder wwwklimaretterinfo

rarr 3 Nachhaltig konsumieren

Die Einflussnahme auf die Politik und die Vernetzung mit anderen Aktiven sind wichtige Beitraumlge zum Klima-schutz Sie entbinden aber nicht von der eigenen Ver-

Auf wwwutopiade findet man viele interessante Hinweise zu klimafreundlichen Leben

Nachhaltigkeitssiegel koumlnnen eine Orientie rung fuumlr den nachhaltigen Konsum geben

134 Eine ausfuumlhrliche Auseinandersetzung mit der Rolle der Buumlrgergesellschaft bieten Leggewie und Welzer 2010135 Siehe httpwwwews-schoenaudeewshtml 136 Siehe httpwwwdie-klima-allianzde

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antwortung Der Buumlrger hat in seiner Verbraucherrolle besonders viel Handlungsspielraum weil exzessiver Konsum fuumlr die Zerstoumlrung der globalen Oumlkosysteme und den Klimawandel mitverantwortlich ist Wie der Bericht des fuumlhrenden US-amerikanischen Umweltin-stituts Worldwatch zeigt uumlbernutzen wir derzeit die natuumlr lichen Kapazitaumlten der Erde um rund ein Drittel wobei die Hauptverantwortung bei den hoch industria-lisierten Laumlndern liegt137 Abhilfe koumlnnte ein Wandel der Konsumkultur ermoumlglichen wenn er auf Nachhaltigkeit abzielt138 Das heiszligt in anderen Worten Wir Buumlrger und Buumlrgerinnen koumlnnen uumlber unser Konsumverhalten die Lebensqualitaumlt steigern und zugleich das Klima schonen

Folgende vier Grundregeln helfen klima freund-licher und nachhaltiger zu konsumieren

Informieren und Vergleichen vor der Kaufentscheidung Mittlerweile gibt es in vielen Bereichen Zertifizierun-gen die umweltfreundliche Produkte und Sparpoten-ziale auszeichnen An ihnen koumlnnen Verbraucher z B besonders energieeffiziente Geraumlte erkennen So gibt es in einigen Bereichen mittlerweile auch Produkte (z B bei Kuumlhlschraumlnken oder Spuumllmaschinen) die noch deutlich effizienter sind als Energieklasse A

Klima-Konsequenzen bei Kaufentscheidungen beruumlcksichtigen Bei fast allen Einkaumlufen koumlnnen wir Klimakonsequenzen beruumlcksichtigen Wenn sie regionale Produkte einkau-fen verhindern sie zum Beispiel lange Transportwege bei den Produkten

Einkaufen nach Bedarf Haumlufig wird mehr konsumiert als notwendig Auch wenn viele Produkte durch Groumlszlige oder neue technische Moumlg-lichkeiten und Raffinessen beeindrucken sollten Sie uumlberlegen welche Funktionen Sie wirklich brauchen und auf welche Sie verzichten koumlnnen Denn fuumlr viele Gerauml-te gilt je leistungsstaumlrker desto houmlher der Energiever-brauch

Sinnvoll sparen Besonders in den Bereichen die besonders klimaschaumld-lich sind und wo es Einsparpotenziale gibt Im privaten Bereich haben den mit Abstand groumlszligten Anteil am direk-ten und indirekten Treibhausgasausstoszlig der Auto- und Flugverkehr das Heizen sowie die Ernaumlhrung

Die moumlglichen Maszlignahmen werden im Fol-genden anhand verschiedener Bereiche veran-schaulicht

1 Was gibtrsquos zu beachten im Bereich Energie und Heizen

n Energetische SanierungDie energetische Sanierung von Gebaumluden und Raumlumen rechnet sich langfristig haumlufig weil die eingesparten Energiekosten die entstehenden Renovierungskosten meistens ausgleichen insbesondere bei steigenden Kosten fuumlr fossile Energien Im Bereich Waumlrmedaumlm-mung Isolierung (Fenster etc) und Heizungsanlage (siehe oben) gibt es besonders hohe EinsparpotenzialeDie staatseigene Kreditanstalt fuumlr Wiederaufbau (KfW wwwkfwde) bietet z B zinsguumlnstige Kredite oder Zu-schuumlsse fuumlr solche Sanierungen Auch ohne Geld gibt es uumlber bdquoContractingldquo die Moumlglichkeit seine Gebaumlude energetisch zu renovieren Die Idee der Zusammenarbeit mittels bdquoContractingldquo ist einfach Ein Unternehmen das sich auf effiziente Waumlrme- und Energietechnik spezia-lisiert hat renoviert Gebaumlude oder Raumlume Kommunen oder Wohnungsbaugesellschaften bezahlen dafuumlr kei-nen Cent mehr als sonst weil der Sanierer fuumlr mehrere Jahre nur das Geld erhaumllt das der jeweilige Besitzer bis-lang fuumlr Oumll Gas und Strom mehr bezahlt hat Eine klassi-sche Win-Win-Situation

Einen Ratgeber fuumlr Energiespar-Contracting in oumlffent-lichen Liegenschaften hat das Umweltbundesamt ver-oumlffentlicht (siehe httpwwwumweltbundesamtdeproduktebeschaffungenergieversorgungcontractinghtml)

n Passivhaumluser und Plus-Energie-Haumluser Besonders energieeffiziente Gebaumlude sind Passivhaumluser oder Plus-Energie-Haumluser Das Passivhaus ist ein Bau-konzept bei dem Waumlrmedaumlmmung und Luftdichtheit im Vordergrund stehen um die Heizkosten zu reduzieren Das Plus-Energie-Haus geht daruumlber hinaus und ist in der Regel ein Passivhaus in Kombination mit Photovoltaik-anlagen das mehr Primaumlrenergie produziert als es an Heizenergie verbraucht

Waumlrmedaumlmmung vermindert effektiv CO2-Emissionen und wird durch Foumlrdermaszlignahmen unterstuumltztFoto Dietmar Putscher

137 Worldwatch Institute 2010138 Die Vereinten Nationen definieren diesen nachhaltigen Konsum als bdquodie Nutzung von Guumltern und Dienstleistungen die ele-

mentare menschliche Beduumlrfnisse befriedigen und eine bessere Lebensqualitaumlt hervorbringen wobei sie gleichzeitig den Einsatz natuumlrlicher Ressourcen toxischer Stoffe und Emissionen von Abfall und Schadstoffen uumlber den Lebenszyklus hinweg minimieren um nicht die Beduumlrfnisbefriedigung kuumlnftiger Generationen zu gefaumlhrdenldquo

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n EnergiepassBei Mietwohnungen erleichtert der Energiepass der seit 01072008 fuumlr alle Vermieter und Verkaumlufer von Immobilien Pflicht ist die Identifizierung von energie-sparenden GebaumludenRaumlumen Als Mieter lohnt es sich den Vermieter nach dem Energiepass zu fragen und auf moumlgliche Maumlngel hinzuweisen

n In Erneuerbare Energie investierenDurch einen Wechsel von Kohle Oumll- und Gas zu Erneu-erbaren Energien koumlnnen die Emissionen im Haushalt stark gesenkt werden

n Bezug von Oumlko-StromIn den meisten Faumlllen sind der Bezug von Strom aus Er-neuerbaren Energien und der Wechsel des Stromversor-gers heute problemlos moumlglich und nur Sache eines ein-zigen Telefonats Guumlnstige Angebote gibt es bei vielen lokalen Stromversorgern aber auch uumlberregional An-bieter mit den Siegeln bdquook-Powerrdquo oder dem bdquoGruumlner-Strom-Labelrdquo sind aus oumlkologischer Sicht zu empfehlen Zudem sollten die Anbieter eigentumsrechtlich unab-haumlngig von den groszligen Energieversorgern sein

Investitionen in gruumlnen Strom koumlnnen langfristig gese-hen haumlufig Geld sparen und als Beitrag zur Altersvorsor-ge betrachtet werden Teilweise koumlnnen Solarpaneele zum Beispiel bis zu 40 Jahre halten und somit langfristig die Stromkosten senken Der Bau oder die Beteiligung an Projekten zur Nutzung Erneuerbarer Energien (z B Solarstrom Windkraft) sind dabei Geldanlagen die Rendite und Klimaschutz verbinden Buumlrgersolarparks ermoumlglichen eine Beteiligung auch mit kleinen Geldbe-traumlgen und auch wenn man kein eigenes Dach besitzt139

Immer mehr Neubauten werden durch geringen Ener-gie verbrauch und Stromproduktion durch Solarzellen zu bdquoPlusenergiehaumlusernldquo die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen Foto fotoliacom Daniel Schoenen

n Effiziente Heiz- und Warmwasseranlagen nutzenEffiziente Heizanlagen sind z B moderne Pelletheizun-gen Waumlrmepumpen oder auch Gas-Brennwertkessel Warmes Wasser laumlsst sich wiederum kostenguumlnstig und klimaschonend durch Solarwaumlrme erzeugen Besonders lohnenswert ist die Koppelung von Heizenergie- und Warmwassererzeugung und die Ergaumlnzung der Anlage durch Sonnenkollektoren (Der Einbau wird derzeit noch staatlich gefoumlrdert)

n Klimakonsequenzen bei Renovierung Neubau oder Umzug beruumlcksichtigenBei der Errichtung von Gebaumluden der Renovierung oder dem Umzug in neue Gebaumlude gibt es viele Energiespar-moumlglichkeiten

n Wohnung und GroumlszligeNeben dem Energiestandard koumlnnen die CO2-Emissio-nen durch die Wohnortwahl und die Groumlszlige der beheiz-ten Wohnflaumlche beeinflusst werden Bei der Wahl des Wohnorts kann man auf folgende Punkte achten die Naumlhe zum Arbeitsort zur Schule und zu Einkaufsmoumlg-lichkeiten sowie auf eine gute Anbindung an oumlffentliche Verkehrsmittel Dadurch kann eine Reduzierung der Au-tonutzung erzielt werden womit CO2- und Gelderspar-nisse einhergehen Zugleich sollte man sich immer fra-gen wie groszlig die Wohnung oder das Haus wirklich sein muumlssen Eine kleine Wohnung hat auch Vorteile denn Je kleiner die Wohnung desto kleiner ist nicht nur der Energieverbrauch sondern auch die StromrechnungWeitere Infos siehe auch CO2-Online wwwco2onlinede oder Institut Wohnen und Umwelt wwwiwude

n Technik im HausBei dem Kauf von Elektrogeraumlten ist die Wahl von klei-nen Energie einsparenden Geraumlten langfristig betrach-tet gut fuumlr die Umwelt und fuumlr den Geldbeutel

n Energieeffizienz beruumlcksichtigenBei dem Kauf von Haushaltsgeraumlten hilft die Beruumlcksich-tigung der Energieeffizienzklasse die Skala reicht von A-G Fuumlr Kuumlhl- und Gefrierge-raumlte gibt es seit Maumlrz 2004 bun-desweit zusaumltzlich die Katego-rien A+ und A++ die besonders sparsame Produkte kennzeich-nen (httpwwwstromeffizi-enzdeeu-labelhtml)

139 Zum Thema Stromwechsel siehe auch wwwgermanwatchorgstromhtm

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n Kuumlhlen und GefrierenKuumlhl- und Gefriergeraumlte die vor mehr als zehn Jahren gekauft wurden sind meist in der Energieeffizienzklas-se B C oder noch schlechter einzustufen Eine Neuan-schaffung rechnet sich fast immer weil demgegenuumlber moderne Spitzengeraumlte deutlich Kilowattstunden pro Jahr einsparen Natuumlrlich ist es auch wichtig die Groumlszlige an den Bedarf anzupassen Als allgemeine Faustregel gilt Ein Ein- bis Zweipersonenhaushalt braucht 100 bis 120 Liter zum Kuumlhlen und 50 bis 80 Liter zum Gefrieren Wenn man auf das Gefrierfach verzichten kann kann noch einmal deutlich eingespart werden

n Waschen und TrocknenAuch bei Waschmaschinen und Trocknern gilt es Ener-gieeffizienz und Groumlszlige zu beruumlcksichtigen Waschma-schinen muumlssen nach der Energieeffizienzklassifizie-rung (ABC) gekennzeichnet sein (z B AAB) Dabei gibt der erste Buchstabe Auskunft uumlber den Energie-verbrauch der zweite uumlber die Waschwirkung und der dritte uumlber die Schleuderwirkung Eine Uumlbersicht uumlber gute Waschmaschinen und Trockner finden Sie unter wwwecotoptende

Trotz guter Effizienzklassen gibt es auch beim Waschver-halten einige Spartipps Generell gilt es auch die WaschTrockentrommel moumlglichst auszunutzen und nicht nur zur Haumllfte zu befuumlllen wobei moderne Maschinen haumlu-fig Sensoren haben so dass Wasser- und Energieeinsatz entsprechend der Beladung angepasst werden

Bei Trocknern ist uumlberhaupt die Frage ob man sie benouml-tigt oder die Waumlsche nicht auf der Leine kann Wo dies nicht moumlglich ist sind Waumlrmepumpentrockner in der Effizienzklasse A zum Teil 40 Prozent sparsamer als die effizientesten Geraumlte der Klasse B

n Kochen und Backen Generell sind Gasherde kostenguumlnstiger und aufgrund geringerer Umwandlungsverluste umweltfreundlicher als Elektroherde zumindest dann wenn diese nicht mit Oumlkostrom laufen Kochfelder mit Gasbrenner oder aus Glaskeramik sind wiederum energiesparender als guss-eiserne Kochplatten Bei elektrischen Herden verbrau-chen die Induktionskochzonen am wenigsten Strom Insgesamt gilt dass es bei der konkreten Nutzung eine Reihe von Verhaltensweisen gibt mit denen man ener-giesparend kochen kann vom Kochen mit Deckel uumlber die Vorerhitzung groumlszligerer Mengen Wasser mit dem Wasserkocher Auch spielt die Qualitaumlt der Toumlpfe und Pfannen eine wichtige Rolle Tipps dazu finden sich un-ter wwwecotoptende

n IT-GeraumlteAuch bei IT-Geraumlten gilt die Faustregel Je groumlszliger und technisierter desto houmlher ist haumlufig der Stromverbrauch

Aktuelle Werte fuumlr Computer und effiziente Buumlrogeraumlte unter wwwoffice-toptende

n Beleuchtung Energiesparlampen werden immer mehr zur Normali-taumlt ihre Qualitaumlt und ihre Vielseitigkeit haben sich in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt In der Regel verbrauchen sie 80 Prozent weniger Strom als Gluumlhbirnen so dass sich der anfangs houmlhere Preis uumlber die Lebensdauer mehr als rechnet Die klassische Gluumlh-birne wird in den naumlchsten Jahren dank der von Deutsch-land mitgetragenen Beschluumlsse auf EU-Ebene komplett vom Markt verschwinden Immer mehr im Kommen sind heutzutage LED-Lampen die ebenfalls sehr sparsam und noch langlebiger als die Energiesparlampen sind Die Anwendungspalette wird immer breiter und es wird mit einem deutlichen Preisruumlckgang gerechnet

2 Mobilitaumlt ndash Umweltbewusst Verkehrsmit-tel nutzen

Der Verkehr ist ein besonderes Sorgenkind im Klima-schutz weil die Emissionen in diesem Bereich trotz bes-serer Techniken weiterhin sehr hoch sind Der private Pkw-Verkehr beeinflusst in groszligem Maszlig das Klima und besteht zum groumlszligeren Teil aus Freizeitverkehr Ein Jahr Autofahren in Deutschland entspricht mit ca 2000 kg CO2 dem jaumlhrlichen CO2-Ausstoszlig eines Menschen in der Dominikanischen Republik Daher sollte man sich zu-naumlchst grundsaumltzlich fragen ob man uumlberhaupt ein Auto braucht und welche Funktionen es erfuumlllen muss oder ob man nicht mit einer Kombination aus oumlffentlichem Personenverkehr Fahrrad und evtl auch Car-Sharing (s u) besser bdquofaumlhrtldquo

Das Argument bdquoich habe das Auto ja ohnehinldquo ver-kehrt sich ins Gegenteil wenn man eine sich schon bei zwei drei weiteren Fahrten pro Jahr rechnende Bahn-card 50 die Jahreskarte fuumlr die Region oder bestimmte

Das Fahhrad als modernes umweltfreundliches Verkehrsmittel Foto Dietmar Putscher

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Strecken oder bei Vielfahrern gar die Bahncard 100 (wwwd-bahnde) nutzt mit der man deutschlandweit mit der Bahn und dem oumlffentlichen Verkehr in den Staumld-ten fahren kann

Wer nicht auf das Auto verzichten kann oder will sollte ein sparsames Fahrverhalten pflegen und beim Autokauf Umweltkriterien beruumlcksichtigen Der Verkehrsclub Deutschland (wwwvcdorg) veroumlffentlicht jedes Jahr im August mit seiner Auto-Umweltliste140 ein ausfuumlhrliches Ranking der Umweltfreundlichkeit neu auf den Markt gekommener Autos und gibt weitere Tipps beim Auto-kauf

Empfehlenswert sind besonders sparsame Autos z B durch einen Hybridantrieb oder Elektroautos so-weit sie mit Strom aus Erneuerbaren Energien betrie-ben werden Je nach Nutzung des Autos gibt es auch sinnvolle Alternativen Fuumlr kurze Strecken bietet sich das Fahrrad an was nicht nur gesuumlnder sondern in der Stadt auch haumlufig schneller ist Wenn man nur sel-ten ein Auto benoumltigt kann man sich zum Car-Sharing (wwwcarsharingde) anmelden oder Mitfahrgelegen-heiten (wwwmitfahrgelegenheitende) nutzen

Fliegen ist das am schnellsten wachsende Klimaproblem Der Flugverkehr ist besonders klimaschaumldlich weil die Abgase in den hohen Schichten der Atmosphaumlre eine zwei- bis sechsmal houmlhere Treibhauswirkungen haben als am Boden Im Sinne des Klimaschutzes gilt es folg-lich das Flugzeug als Transportmittel soweit wie moumlg-lich zu meiden Fuumlr nicht vermeidbare Fluumlge gibt es die Moumlglichkeit die getaumltigten Emissionen durch Spen-den fuumlr serioumlse Klimaschutzmaszlignahmen auszugleichen (wwwatmosfairde)

3 Ernaumlhrung

Da die Produktion von Fleisch und Milchprodukten meist deutlich mehr Energie verbraucht als die Herstellung einer gleichwertigen Menge von Gemuumlse und Obst ist fleischarme Ernaumlhrung ein Beitrag zum Klimaschutz Die Produktion von 1 kg Rindfleisch ist beispielsweise mit etwa 250 km Autofahren gleichzusetzen Auch der Kauf von regionalen saisonalen Produkten ist ein Beitrag zum Klimaschutz weil die CO2-Emissionen mit steigenden Transportwegen zunehmen Die CO2-Last der Ernaumlhrung haumlngt zugleich auch von der Herstellung der Produkte ab Anteile von Duumlngern und Pestiziden der Einsatz von Tranktoren und Transportern usw spielen eine Rolle Im Allgemeinen werden Biolebensmittel umweltschonen-der hergestellt als konventionelle weil der Einsatz von Pestiziden synthetischen Duumlngemitteln und Gentechnik verboten ist Aus Klimasicht ist die Art der Lebensmit-tel (Fleisch oder Gemuumlse) allerdings viel entscheiden-der als der Unterschied zwischen der Art des Anbaus (konventio nell oder oumlko) So verursacht ein Kilo Biorind-fleisch die 90fache Klimabelastung wie ein Kilo frisches Gemuumlse aus konventio nellem Anbau141 Die wichtigste Frage fuumlrs Klima ist folglich Gemuumlse oder Fleisch

4 Geldanlagen

Auch Geld kann man klimaschaumldlich oder klimafreund-lich anlegen Waumlhrend viele Menschen versuchen klima-freundlich Auto zu fahren oder energieeffiziente Geraumlte zu nutzen machen sich die wenigsten daruumlber Gedan-ken was mit ihrem angesparten Geld passiert

Mittlerweile gibt es jedoch eine ganze Reihe von Finanz-angeboten bei denen soziale ethische und oumlkologische Aspekte bei der Geldverwendung beruumlcksichtigt wer-den Eine Moumlglichkeit sein Geld klimafreundlich arbei-

Auch an der Gemuumlsetheke kann man durch den Kauf von Bio-Produkten und von regionalem und saisonalem Gemuumlse einen Beitrag zum Klimaschutz leisten Foto Dietmar Putscher

Der Flugverkehr ndash eines der am schnellsten wachsenden Probleme fuumlr das Weltklima

140 Die Auto-Umweltliste siehe httpwwwbesser-autokaufendeaulihtml 141 Bals et al 2008 S 299

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ten zu lassen sind Anleihen bei denen man einem bdquogruuml-nenldquo Unternehmen einen festen Geldbetrag (z B 1000 Euro) fuumlr mehrere Jahre leiht und dabei eine jaumlhrliche Verzinsung von 6 Prozent oder mehr bekommt Wer sich genauer informieren moumlchte kann auch auf der Home-page des Forums Nachhaltige Geldanlagen schauen ei-nem Zu sammenschluss von knapp 100 Unternehmen und Organisationen die sich fuumlr nachhaltige Geldanlagen einsetzen (wwwforum-ngde)

5 Holz und Papier

Waumllder haben eine wichtige Funktion im Klimaschutz weil Baumlume einerseits CO2 binden und speichern und anderseits Sauerstoff produzieren Als Verbraucher hat man die Moumlglichkeit durch die Wahl der Holzprodukte (Papier Moumlbel usw) die Abholzung von Tropenwaumlldern und borealen (noumlrdlichen) Nadelwaumlldern zu verhindern Bei dem Kauf von Holz oder Holzprodukten sollte man darauf achten dass sie aus regionalen und nachhaltig bewirtschafteten Waumlldern stammen Das heiszligt zugleich dass man auf Gartenmoumlbel aus Tropenholz verzichtet und stattdessen Moumlbel vorzieht die aus heimischen Waumlldern stammen Damit ist auch eine nachhaltige Be-wirtschaftung garantiert weil sich die deutsche Forst-wirtschaft seit Jahrzehnten am Leitbild der Nachhal-tigkeit orientiert Wo doch die Nutzung von Tropenholz als zwingend erachtet wird sollte es zumindest vom Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert sein (s wwwfsc-deutschlandde)

Die Nutzung von Holz im Allgemeinen ist unterstuumltzens-wert weil Holz CO2 bindet und bei der Produktion nur Energie fuumlr die Verarbeitung benoumltigt wird Somit ist zum Beispiel die Verwendung von Holz als Baumaterial umweltschonender als die Nutzung von Stahl Beton Kunststoff usw

Jeder Mensch hat in seinem alltaumlglichen Leben mehr mit Holzprodukten zu tun als es ihm haumlufig bewusst ist Taumlglich benutzen wir Klopapier lesen Zeitung oder entnehmen Produkte ihren Papierverpackungen Wer Recyclingpapier und -taschentuumlcher und allgemein Recyclingmaterialen nutzt kann auf einfache Weise un-sere Waumllder und unser Klima schonen

Wie in diesem Kapitel beschrieben gibt es fuumlr jeden Einzelnen von uns viele Wege einen Beitrag zum Klima-schutz zu leisten und jede Initiative zaumlhlt ndash denn beson-ders wir Buumlrger koumlnnen den Weg zu neuen Lebensstilen und einem neuen Wohlstandsmodell ebnen

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Wir sind eine gemeinnuumltzige unabhaumlngige und uumlberpar-teiliche Nord-Suumld-Initiative Seit 1991 enga gieren wir uns in der deutschen europauml ischen und internationalen Nord-Suumld- Handels- und Um welt politik

Ohne strukturelle Veraumlnderungen in den Indus-trielaumlndern des Nordens ist eine sozial gerechte und oumlkologisch vertraumlgliche Entwicklung weltweit nicht moumlglich Wir setzen uns dafuumlr ein die politischen Rahmenbedingungen am Leitbild der sozialen und oumlko-logischen Zukunftsfaumlhigkeit fuumlr Suumld und Nord auszu-richten

Unser Engagement gilt vor allem jenen Menschen im Suumlden die von den negativen Aus wirkungen der Glo-balisierung und den Konse quenzen unseres Lebens- und Wirtschaftsstils besonders betroffen sind Wir treten dafuumlr ein die Globalisierung oumlkologisch und sozial zu gestalten

Germanwatch arbeitet an innovativen und umsetzbaren Loumlsungen fuumlr diese komplexen Proble me Dabei stimmen wir uns eng mit Organi sa tionen in Nord und Suumld ab

Wir stellen regelmaumlszligig ausgewaumlhlte Informationen fuumlr Entscheidungstraumlger und Engagierte zusammen mit Kampagnen sensibilisieren wir die Bevoumllkerung Daruumlber hinaus arbeiten wir in gezielten strategischen Allianzen mit konstruktiven Partnern in Unter nehmen und Gewerkschaften zusammen um intelligente Loumlsungen zu entwickeln und durchzusetzen

Zu den Schwerpunkten unserer Arbeit gehoumlren

nVerantwortungsuumlbernahme fuumlr Klimaschutz und Klimaopfer durch wirkungsvolle gerechte Instru-mente und oumlkonomische Anreize

nGerechter Welthandel und faire Chancen fuumlr Entwicklungslaumlnder durch Abbau von Dumping und Subventionen im Agrarhandel

nEinhaltung sozialer und oumlkologischer Standards durch multinationale Unternehmen

nOumlkologisches und soziales Investment

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Kurzwellige Lichtstrahlung der Sonne trifft auf die Erdoberflaumlche Langwellige Waumlrmestrahlung wird von der Erdoberflaumlche abgestrahlt und in der Atmosphaumlre von Spurengasen Wasserdampf und Staubpartikeln zu groszligen Teilen absorbiert Insbesondere das Kohlendioxid (CO2) sorgt dafuumlr dass die Waumlrmestrahlung nur teilweise zuruumlck ins All geschickt wird Quelle Harmeling et al 2008

1

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Dadurch erfolgt zusaumltzliche Erwaumlrmung um 33 degC (natuumlrlicher Treibhauseffekt)

2

Spurengase Wasserdampfund Staub werfen teilweiseWaumlrmestrahlung zuruumlck

Erwaumlrmte Erde sendet Waumlrme-strahlung aus

Sonnenstrahlenerwaumlrmendie Erdoberflaumlche

11 Das Klima

Wenn wir den globalen Klimawandel verstehen wol-len muumlssen wir uns zunaumlchst mit dem Vokabular der Klimaforscher vertraut machen Das Klima ist in der Wissenschaft exakt definiert Es beschreibt die Gesamtheit der meteorologischen Erscheinungen (z B Temperatur Niederschlag Wind) die fuumlr eine Dauer von mindestens 30 Jahren den durchschnittlichen Zustand der Atmosphaumlre an einem bestimmten Ort charakterisie-ren Hier unterscheidet sich das Klima grundsaumltzlich vom Wetter Letzteres kennzeichnet nur kurzfristige und lo-kale Erscheinungen wie ein starkes Gewitter oder einen frostigen Wintertag Kurz gesagt Wetter ist das was gerade passiert Klima dagegen ist die Zusammenfas-sung des Wetters uumlber einen Zeitraum von mindestens drei Dekaden (bdquoTrendsldquo)

Das globale Klima ist dabei nicht konstant sondern unterliegt staumlndigen Schwankungen Die Ursache hierfuumlr liegt in mehreren Antriebsmechanismen Die Atmosphaumlre hat dabei den groumlszligten Einfluss steht je-doch in Wechselwirkung mit anderen Systemen wie den Ozeanen und Eisflaumlchen den Landoberflaumlchen und der Biosphaumlre Die Antriebsenergie fuumlr den Austausch zwischen diesen Teilsystemen wird von der Sonne geliefert wobei je nach Breitengrad und Jahreszeit unterschiedlich viel Energie durch die Atmosphaumlre bis zur Erdoberflaumlche dringt Dieses Ungleichgewicht das Temperaturunterschiede und somit Luftdruckgefaumllle ndash insbesondere zwischen dem Aumlquator und den Polen ndash verursacht setzt Ausgleichsprozesse wie zum Beispiel Winde oder Meeresstroumlmungen in Bewegung1

1 vgl Lauer 1995

1 Klima und Treibhauseffekt

Abb 1 Schematische Darstellung des Treibhauseffekts

7

12 Der natuumlrliche Treibhauseffekt

Erst durch den natuumlrlichen Treibhauseffekt und die damit verbundene Erwaumlrmung der Erdoberflaumlche ist Leben auf der Erde moumlglich Der Treibhauseffekt be-zeichnet den Erwaumlrmungseffekt der bodennahen Atmosphaumlre Kurzwellige Sonnenstrahlen koumlnnen die Atmosphaumlre fast ungehindert bis zur Erdoberflaumlche durchdringen Die von der Erdoberflaumlche reflektier-te langwellige Waumlrmestrahlung jedoch wird von so genannten Treibhausgasen zu Teilen absorbiert wieder zur Erde zuruumlck emittiert und dadurch in der Atmosphaumlre gehalten (siehe Abbildung 1) So wird die globale Mitteltemperatur in Bodennaumlhe die ohne das Vorhandensein einer derartigen Atmosphaumlre -18 degC betragen wuumlrde um 33 degC auf ca +15 degC ange hoben2 Ohne diesen bdquoWaumlrmestauldquo waumlre es so kalt auf der Erde dass sich kein houmlheres Leben entwickeln koumlnnte Das Klima der Erde ist somit das Ergebnis einer einfachen Energiebilanz innerhalb derer sich Einstrahlung auf die Erdoberflaumlche und Waumlrmestrahlung zuruumlck ins Weltall im Mittel ausgleichen

Zu den bdquoklimawirksamenldquo Treibhausgasen der Atmos-phaumlre welche die Waumlrmestrahlung absorbieren gehouml-ren vor allem Wasserdampf (H2O) Kohlendioxid (CO2) Distickstoffoxid (N2O) Methan (CH4) und Ozon (O3) Diese Gase sind in unterschiedlicher Konzentration auch ohne menschliches Zutun in der Atmosphaumlre ent-halten und somit fuumlr den natuumlrlichen Treibhauseffekt verantwortlich Aumlndert sich die Zusammensetzung der atmosphaumlrischen Gase so aumlndert sich auch die Durch-laumlssigkeit fuumlr die Waumlrmeabstrahlung der Erde und somit letztendlich auch die Energiebilanz Klimaaumlnderungen sind die Folge

Die einzelnen Treibhausgase unterscheiden sich aller-dings deutlich in ihrer Erwaumlrmungswirkung So hat ein Molekuumll Methan die gleiche Erwaumlrmungswirkung wie etwa 23 Molekuumlle Kohlendioxid (siehe Tabelle 1 S 21) Um diese Effekte besser vergleichbar zu ma-chen und in ihrer Gesamtheit zu berechnen verwen-den die Klimawissenschaftler den Vergleichsmaszligstab der CO2-Aumlquivalente Allen Treibhausgasen werden Werte zugerechnet welche die Erwaumlrmungswirkung in Relation zum CO2 in einer bestimmten Zeitperi-ode etwa 100 Jahre ausdruumlcken Die Wirkung der Treibhausgase wird als eine Veraumlnderung des Strah-lungsantriebs bezeichnet Unter bdquoStrahlungsantriebldquo versteht man das Verhaumlltnis von solarer Einstrahlung und terrestrischer Abstrahlung in der unteren Atmos-phaumlre Er wird in der Regel in Watt pro m2 angegeben (s Tabelle 2 S23) Satellitendaten und Klimamodelle zeigen dass sich die Strahlungsbilanz der Erde gegen-

uumlber dem Weltall derzeit nicht vollstaumlndig im Gleichge-wicht befindet Die im Mittel eingestrahlte Energie von 342 Wm2 ist um etwa 085 Wm2 houmlher als die Abstrah-lung der Erdoberflaumlche Die Konsequenz daraus ist dass die Erde gegenwaumlrtig mehr Energie aufnimmt als sie ans Weltall wieder verliert Dieser Effekt entsteht durch die Ozeane die sich nur traumlge durch den menschgemachten Treibhauseffekt aufwaumlrmen (siehe Kapitel 2)3

13 Der Kohlenstoff kreislauf

Der Anteil kohlenstoffbasierter Treibhausgase wie CO2 und CH4 in der Atmosphaumlre ist fuumlr das Ausmaszlig des Treib-hauseffektes von zentraler Bedeutung und wird durch die Prozesse des Kohlenstoffkreislaufs bestimmt (siehe Abbildung 2) Dieser Kreislauf erstreckt sich uumlber die natuumlrlichen Teilsysteme Ozean Atmosphaumlre und Land-oumlkosysteme zwischen denen ein CO2-Austausch statt-findet Weiterhin funktioniert jedes Teilsystem wie ein eigener Kreislauf in dem Kohlenstoff abgegeben und aufgenommen wird In der Atmosphaumlre befinden sich nach Angaben des UN-Klimawissenschaftlergremiums IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) rund 775 Gigatonnen Kohlenstoff in den Boumlden und der Vegetation rund 2000 Gigatonnen Den groumlszligten Koh-lenstoffspeicher stellen jedoch mit rund 39000 Giga-tonnen die Meere dar4

Die Systemkomponenten aus denen der Atmosphaumlre treibhauswirksame Gase zugefuumlhrt werden bezeichnet man als bdquoQuellenldquo Fossile Energietraumlger wie Erdoumll oder Kohle oder die Zerstoumlrung der tropischen Regenwaumllder sind bdquomenschgemachte Quellenldquo da sie erst durch den Eingriff des Menschen zu atmosphaumlrisch wirksamen Emittenten von Treibhausgasen werden Den Quellen stellt man die sogenannten bdquoSenkenldquo gegenuumlber Sen-ken wie zum Beispiel Ozeane Boumlden oder Pflanzen sind bis zu einem bestimmten Grad in der Lage aus der Atmos phaumlre CO2 aufzunehmen und zu speichern Bei-spielsweise binden Waumllder waumlhrend ihrer Wachstum-sphase in der Regel groszlige Mengen an CO2 in Holz und Boden Wenn dann zu einem spaumlteren Zeitpunkt das Holz verbrannt wird oder es verrottet wird das CO2 wieder in die Atmosphaumlre freigesetzt

Ohne die Faumlhigkeit der Senken Treibhausgase aus der Atmosphaumlre zu binden und uumlber lange Zeitraumlume hinweg zu speichern laumlge die atmosphaumlrische Konzentration von Kohlenstoffdioxid heute um ein Vielfaches uumlber dem gegenwaumlrtigen Wert Doch diese Senkenwirkung funkti-oniert nicht unbegrenzt Klimawandel und Veraumlnderung der Landnutzung koumlnnen zu einer Destabilisierung der CO2-Reservoire fuumlhren und tragen zu einer Reduzierung der Effektivitaumlt von natuumlrlichen CO2-Senken im Ozean und auf dem Land bei

2 vgl Kraus 2004 3 Hansen J et al 20054 IPCC 2000

8

Am Beispiel der Ozeane zeigt sich die Endlichkeit die-ser Senken Die Ozeane spielen im Kohlenstoffkreislauf der Erde als Kohlenstoffsenke eine wichtige Rolle da fast drei Viertel der Erdoberflaumlche von Wasser bedeckt sind5 Etwa 30 Prozent des vom Menschen zusaumltzlich freigesetzten CO2 wird in den Ozeanen gebunden Die Senkenfunktion hat jedoch auch eine Kehrseite Mit steigenden Temperaturen und wachsendem atmosphauml-rischem CO2-Anteil sinkt auch die CO2-Aufnahmefaumlhig-keit der Meere Erste Hinweise deuten daraufhin dass der Prozess einer deutlich abnehmenden Pufferkapazi-taumlt des Meeres fuumlr atmosphaumlrisches Kohlendioxid be-reits eingesetzt hat und der Anteil der Kohlendioxid -

emissionen die vom Meer aufgenommen wurden in den letzten 50 Jahren immer weiter zuruumlckgegangen ist (siehe auch Kapitel 4)6 Die vom Menschen verursachte Erwaumlrmung der Ozeane sowie ein weiter ungebremster Treibhausgasausstoszlig tragen somit zur zusaumltzlichen glo-balen Erwaumlrmung der Atmosphaumlre bei

Zudem erschweren die steigende Wassertemperatur und der sinkende pH-Wert die Schalen- und Skelett-entwicklung zahlreicher Kalk bildender Organismen wie beispielweise der Koralle und gefaumlhrden die Funktions-weise von Meeresoumlkosystemen (siehe auch Kapitel 22)

Abb 2 Der Kohlenstoffkreislauf

Die Abbildung zeigt die Komponenten und Funktionsweise des Kohlenstoffkreislaufs Quelle Harmeling et al 2008

5 IPCC 2007a 6 Schuster U und A J Watson 2007

BodenlebewesenDestruenten

abgestorbenesorganisches

Material

Torf KohleErdoumll Erdgas

TierePflanzen

fossileBrennstoffe

Assimilation durch PflanzenPhotosynthese

Diffusionvon CO2

CO2

Org Material Carbonate

Verbrennung

Dissimilation durchPflanzen und Tiere

Kohlendioxidin der

Atmosphaumlre

AquatischeBakterien

WasserpflanzenAlgen

Cyanobakterien

Photosynthese

1

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Tornados treten als kleinraumlumige Phaumlnomene auf koumlnnen aber in kuumlrzester Zeit groszlige Schaumlden verursachen

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Globale und kontinentale Temperaturaumlnderungen

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Klimamodelle die nur natuumlrliche Antriebskraumlfte beruumlcksichtigen

Klimamodelle die natuumlrliche und menschliche Antriebskraumlfte beruumlcksichtigen

Beobachtungen

21 Das Klima aumlndert sich

Der menschgemachte Klimawandel bedeutet zunaumlchst eine Erhoumlhung der globalen Temperatur Diese setzt das Klimasystem der Erde unter Druck und kann zu einer Veraumlnderung des durchschnittlichen Wetters und somit des Klimas fuumlhren Waumlhrend der letzten 130 Jahre ist die durchschnittliche Lufttemperatur in Bodennaumlhe global um ca 08 degC angestiegen Dieser Anstieg verlief aller-dings weder zeitlich noch regional gleichmaumlszligig Bis 1940

2 Klimawandel heutegab es eine fruumlhe Erwaumlrmungsphase der sich eine kur-ze Stagnation bis in die 1970er Jahre anschloss Seither gibt es einen neuen ungebrochenen Erwaumlrmungstrend dessen Tempo sich zunehmend erhoumlht und mittlerweile ca 02 degC pro Dekade betraumlgt Mehr als zwei Drittel der Erwaumlrmung des vergangenen Jahrhunderts fanden dabei seit 1975 statt Der Temperaturanstieg ist vor allem uumlber den Landflaumlchen und hier besonders uumlber der noumlrdlichen Erdhalbkugel zu beobachten weniger uumlber den sich ver-zoumlgert erwaumlrmenden Ozeanen (siehe Abbildung 3)7

Abb 3 Gemessene und simulierte Temperaturabweichungen vom langjaumlhrigen Mittel (1901-1950) seit 1906 fuumlr verschiedene Regionen der Erde

Schwarze Linie Gemessene Temperaturabweichungen Blaues Band Simulationen nur mit natuumlrlichen Antriebs fak- toren Rotes Band Kombinierte Simulation der natuumlrlichen und anthropogenen Antriebsfaktoren Quelle IPCC 2007a

7 GISS 2010

11

Info-Kasten 1 IPCC ndash houmlchste Autoritaumlt der Klimawissenschaft auf dem Pruumlfstand

Ohne Forschungen unabhaumlngiger Wissenschaftler-Innen kann die Politik keine fundierten und wir-kungsvollen Entscheidungen fuumlr den Klimaschutz treffen Es bedarf folglich einer Institution die den Sachverstand der weltweiten Klimawissenschaft so umfassend und konsensorientiert wie moumlg-lich buumlndelt Zu diesem Zweck gruumlndeten die Weltorganisation fuumlr Meteorologie (WMO) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) 1988 den Zwischenstaatlichen Ausschuss zum Klimawandel (Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC) der auch als bdquoWeltklimaratldquo bezeich-net wird

Seine umfangreichen Sachstands- und Sonderbe-richte wurden zu der zentralen Grundlage fuumlr wissen-schaftlich fundierte klimapolitische Entscheidungen So war der erste Bericht (1990) die wichtigste wissen-schaftliche Grundlage fuumlr die Klimarahmenkonven-tion und der zweite Bericht (1995) hatte diese Funktion fuumlr das Kyoto-Protokoll Die klimawis-senschaftlichen Fakten des dritten Berichts (Third Assessment Report TAR 2001) waren ein hilfreicher Antrieb fuumlr viele Regierungen das Kyoto-Protokoll mit seinen verbindlichen Klimaschutzpflichten zu ratifizieren und damit in Kraft zu setzen Der 2007 erschienene vierte Bericht (Fourth Assessment Report AR4) hat weltweit die oumlffentliche und poli-tische Diskussion uumlber den Klimawandel und seine

Konsequenzen stark befoumlrdert Fuumlr seine Arbeit erhielt der Weltklimarat bestehend aus rund 450 Haupt- und rund 800 Nebenautoren gemeinsam mit dem damaligen US-Vizepraumlsidenten Al Gore im Jahr 2007 den Friedensnobelpreis

Vergleicht man die ersten drei Berichte mit dem jeweils nachfolgenden Bericht so zeigt sich klar Zentrale Aussagen wurden zunaumlchst sehr vorsichtig formuliert und spaumlter durch sicherere bestaumltigt In vielen Faumlllen folgten sogar deutlich dramatischere Feststellungen die sich aus dem zunehmenden wis-senschaftlichen Sachstand ableiten lieszligen (vgl auch Abbildung 4)

Diskussionen um die Arbeit des IPCC dessen letz-ter Sachstandsbericht (2007) rund 18000 wissen-schaftliche Quellen zitierte sind dabei nicht neu wobei ihm dabei von unterschiedlicher Seite sowohl Uumlber- als auch Untertreibung vorgeworfen wird Neu allerdings ist die Heftigkeit und Konzentration mit der die Glaubwuumlrdigkeit des aktuellen Reports seit den Klimaverhandlungen in Kopenhagen Ende 2009 in Frage gestellt wird Dabei ist es jedoch keines-falls der Klimawandel bzw der menschgemachte Einfluss der in Frage gestellt wird Kein einziger ernstzunehmender Wissenschaftler zweifelt an der Realitaumlt des Klimawandels oder dessen Ursachen Vielmehr entzuumlndet sich die juumlngste Kritik an ei-

Das erste Jahrzehnt des 21 Jahrhunderts war mit Ab-stand das waumlrmste weltweit je gemessene Jahrzehnt gefolgt von den 1990er Jahren die wiederum waumlrmer waren als die 1980er Jahre Alle vergangenen zwoumllf Jah-re (1998-2009) zaumlhlen zu den waumlrmsten seit Beginn der Temperaturmessungen im Jahr 18808

Frage Macht die globale Erwaumlrmung seit 1998 eine Pause

Das Jahr 1998 war heiszliger als einige Jahre danach wes-halb manche Beobachter die Frage stellen ob die Er-waumlrmung seit 1998 eine Pause gemacht hat Nein Nach neuesten Messungen der NASA liegt die beobachtete Erwaumlrmung des vergangenen Jahrzehnts weltweit mit 019 degC gleichauf mit der IPCC-Projektion (02 degC) und unterscheidet sich in diesem Zusammenhang nicht von den vorangegangen Jahrzehnten Von einer Unterbre-chung der globalen Erwaumlrmung kann also keineswegs die Rede sein Der Grund fuumlr eine solche Behauptung lag in einem einfachen Datenfehler der die Arktis ndash wo die

Temperaturen in den vergangenen Jahren am staumlrksten angestiegen sind ndash aufgrund luumlckenhafter Messpunkte aus den globalen Temperaturmessungen ausgeschlos-sen hatte (bdquoArktis-Lochldquo) Nachdem das bdquoArktis-Lochldquo geschlossen und in die globale Energiebilanz integriert wurde kann eine Pause des Erwaumlrmungstrends auch fuumlr das erste Jahrzehnt des 21 Jahrhunderts nicht bestauml-tigt werden Neben der Datenluumlcke bdquoArktis-Lochldquo wird ferner auch eine geringere Sonnenaktivitaumlt als Ursache einer moumlglichen Unterbrechung der Erwaumlrmung aus-geschlossen Zwar befindet sich die Sonneneinstrah-lung gegenwaumlrtig auf dem Rekordminimum des letzten Sonnenfleckenzyklus doch wird 2010 mit dem Beginn neuer Sonnenfleckenaktivitaumlten und infolge dessen so-wohl mit einer Zunahme der solaren Leuchtkraft als auch einem weiteren Erwaumlrmungsschub in den kommenden Jahren gerechnet

8 GISS 2010

12

nigen Teilergebnissen der Arbeitsgruppe welche die moumlglichen Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme und Gesellschaften analysiert (Arbeits-gruppe 2)

Da ist erstens ein Zahlendreher in Bezug auf den Zeitpunkt an dem die Himalaya-Gletscher zu einem groszligen Teil abgeschmolzen sein koumlnnten Aus dem Jahr 2350 wurde das Jahr 2035 Dieser Fehler haumlt-te eigentlich durch die Kontrollstandards des IPCC entdeckt werden muumlssen An der Gesamtaussage der Passage aumlndert dies jedoch reichlich wenig Die Gletscher in Asien schmelzen zu Beginn des 21 Jahrhunderts schneller als zuvor

Zweitens die Angabe dass rund 55 Prozent der Niederlande unter dem gegenwaumlrtigen Meeres-spie gel niveau laumlgen Diese Aussage war urspruumlng-lich von der niederlaumlndischen Regie rungsbehoumlrde an den IPCC uumlbermittelt worden Richtig gewe-sen waumlre 55 Prozent der Niederlande sind von Uumlberschwemmungen bedroht 26 Prozent liegen un-ter dem Meeresspiegel und 29 Prozent sind anfaumlllig fuumlr Flusshochwasser

Und drittens dass bis zum Jahr 2020 die landwirt-schaftlichen Ertraumlge im Regenfeldbau in Afrika durch den Klimawandel bzw Wasserknappheit halbiert werden koumlnnten Hier liegt das Problem in einer fehlerhaften Zusammenfassung im Synthesekapitel Richtig heiszligt es im Text des Regionalkapitels zu Afrika dass das Risiko in der Periode 2000-2020 in der die Ernteausfaumllle im Regenfeldbau 50 Prozent betragen durch den Klimawandel verstaumlrkt wird Wissenschaftlich haltbar ist diese Aussage allerdings nur bei drei nordafrikanischen Laumlndern Tunesien Algerien und Marokko9

Diese Fehler wurden mittlerweile allesamt einge-standen und korrigiert In allen drei Faumlllen wurde insbesondere die Verwendung sogenannter grauer Literatur kritisiert Graue Literatur stammt dabei nicht aus dem klassischen Wissenschaftsprozess son-dern etwa von Organisationen oder Unternehmen Es handelt sich also um Publikationen die nicht in wissenschaftlichen Zeitschriften veroumlffentlicht wurden Ohne eine entsprechende wissenschaft-liche Uumlberpruumlfung (Peer-Review) ist die Kritik an den Aussagen grauer Literatur berechtigt Allerdings sind viele der fuumlr den IPCC relevanten Daten nur als graue Literatur verfuumlgbar Manche Forscher halten solche

Quellen fuumlr hilfreich Nur uumlber die Beruumlcksichtigung dieser grauen Literatur ist es beispielsweise moumlglich auch Informationen aus aumlrmeren Laumlndern zu erhalten und das Uumlbergewicht westlicher und englischsprachi-ger Forschung auszubalancieren

Auch wenn die Diskussion uumlber die Fehler wichtig ist um ein Dokument wie den IPCC-Bericht weiter zu verbessern bleibt festzuhalten dass sie nichts an der Bedeutung und den Kernaussagen des Berichtes aumlndern Im Gegenteil Eine so groszlige Gruppe von Wissenschaftlern wie sie an der Erstellung der IPCC-Berichte beteiligt ist wird sich in einem politisch bedeutsamen Dokument grundsaumltzlich auf eher zu konservative Schlussfolgerungen einigen koumlnnen Insbesondere die Zusammenfassungen fuumlr politische Entscheidungstraumlger werden zudem von Vertretern aller Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention ausgehandelt es wird um jede Formulierung gerun-gen Aussagen des IPCC neigen demnach eher zu einer Verharmlosung als zu einer Dramatisierung des aktuellen Sachstands

Die derzeitige Debatte ist somit keine Diskussion uumlber Ursachen und Folgen des Klimawandels wie sie faumllschlicher Weise in den Medien dargestellt wur-de Sie ist auch kein Streit uumlber die Notwendigkeit politischer Gegenmaszlignahmen In erster Linie ist sie eine Kritik an den Strukturen und Arbeitsweisen des IPCC im Allgemeinen Als entsprechende Reaktion und um zukuumlnftige Fehler zu vermeiden wird von nun an eine Gruppe von Wissenschaftlern die Aussagen der Sachstandsberichte uumlberpruumlfen UNO-Generalsekraumlter Ban Ki-moon hat dazu im Februar 2010 den InterAcademy Council (IAC) als Kontrollinstrument des Weltklimarates engagiert Dieser hat den Auswahlprozess der wissenschaft-lichen Quellen und insbesondere die Qualitaumlt grauer Literatur evaluiert ndash mit dem Ziel die Unsicherheiten und Fehler des IPCC zu reduzieren Dies ist insbe-sondere wichtig da die Vorbereitung des 5 Sach-standsberichts der 201314 herausgegeben werden soll bereits anstehen Der im August 2010 vom IAC vorgestellte Bericht bestaumltigt insgesamt eindeu-tig die Ergebnisse und die Rolle des IPCC Er gibt allerdings eine Reihe von Empfehlungen zur Ver-besserung des Managements des IPCC-Prozesses die auch dazu dienen sollen die Einhaltung der selbst gesetzten wissenschaftlichen Richtlinien strenger zu uumlberwachen10

9 S InterAcademy Council (IAC) 201010 IAC 2010

13

Abbildung 4 zeigt dass die Grenze zum gefaumlhrlichen Klimawandel fruumlher uumlberschritten werden koumlnnte und auch die Risiken negativer Auswirkungen auf Mensch und Umwelt heute houmlher eingestuft werden muumlssen als noch von wenigen Jahren angenommen wurde Der Vergleich des aktuellen Sachstandberichts mit dem vorangegan-genen dritten IPCC-Bericht zeigt dass viele Oumlkosysteme viel sensibler auf Temperaturveraumlnderungen reagieren koumlnnten und auch dass die Auswirkungen auf Regionen Bevoumllkerungsgruppen und Wirtschaftssektoren bisher unterschaumltzt wurden (siehe auch Kapitel 41 und 42)11 Mehrere Beispiele deuten darauf hin dass auch der vierte IPCC-Sachstandsbericht in vielerlei Hinsicht sehr vorsichtige konservative Abschaumltzungen praumlsen-tiert Dies gilt u a fuumlr die Annahmen zur weltweiten Emissionsentwicklung und zum Meeresspiegelanstieg (siehe auch Kapitel 34)

Die Klimaforschung wurde von diesen sich beschleuni-genden Entwicklungen uumlberrascht Das IPCC-Prinzip nur sorgfaumlltig uumlberpruumlfte und bestaumltigte Erkenntnisse zu publizieren wird solche Uumlberraschungen auch in Zukunft in Kauf nehmen muumlssen zugunsten ihrer pro-fessionellen Glaubwuumlrdigkeit Das darf aber nicht aus-schlieszligen dass uumlber moumlgliche zukuumlnftige Risiken auch dann informiert wird wenn diese noch nicht im Detail erhaumlrtet sind

11 Smith JB et al 2009

Die Risiken der globalen Erwaumlrmung muumlssen heute houmlher eingeschaumltzt werden als vor zehn JahrenQuelle Smith JB et al 2009

22 Auswirkungen des Klimawandels

Trotz einer sich gering anhoumlrenden globalen Erwaumlrmung (08 degC seit 1880) lassen sich weltweit bereits zahlrei-che physische Auswirkungen des Temperaturanstiegs beobachten Laut des letzten IPCC-Reports weisen von allen Untersuchungen die hinsichtlich moumlgli-cher Veraumlnderungen physikalischer und biologischer Systeme ausgewertet wurden fast 90 Prozent signifi-kante Veraumlnderungen auf die in einer waumlrmeren Welt zu erwarten waumlren Zudem haumlufen sich die empirischen Belege insbesondere in Regionen in denen sich die Temperaturen am staumlrksten erhoumlht haben wodurch na-tuumlrliche Schwankungen als primaumlre Ursache unwahr-scheinlich werden Im Folgenden sollen einige dieser bereits heute beobachtbaren Auswirkungen vorgestellt werden

n Ruumlckzug der Gebirgsgletscher

Zu den bisher am deutlichsten sichtbaren Auswirkungen der Klima erwaumlrmung zaumlhlt der weltweite Ruumlckzug der Gebirgs gletscher Er begann im 19 Jahrhundert und hat sich seitdem drastisch beschleunigt Gletscher werden aufgrund ihrer Sensibilitaumlt gegenuumlber Tem-

Abb 4 bdquoReasons for Concernrdquo Vergleich IPCC 2001 mit IPCC 2007

IPCC 2001 Basierend auf IPCC 2007

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pe raturveraumlnderungen auch als die bdquoKanarienvoumlgel in der Kohlengrubeldquo des globalen Klimasystems be-zeichnet Auch gibt es deut liche Anzeichen fuumlr das Aufweichen von Permafrostboumlden in Teilen der Polar- und Subpolarregionen12 Der World Glacier Monitoring Service (WGMS Welt-Gletscher-Beobachtungsdienst) kommt zu dem Ergebnis dass sich die Gletscherschmelze fast uumlberall auf der Erde beschleunigt Zusammengefasst schrumpfen die Gletscher mittlerweile viermal so schnell wie noch vor 30 Jahren ndash in den Anden und Alaska ebenso wie im Himalaya und in den Alpen13 In der Alpenregion haben die Gletscher seit Beginn der indus-triellen Revolution mehr als die Haumllfte an Masse verlo-ren14 Waumlhrend die Alpengletscher zwischen 1975 und 2000 noch ein Prozent an Volumen pro Jahr einbuumlszligten hat sich die Verlustrate zu Beginn des 21 Jahrhunderts

fast verdreifacht15 Bis auf wenige Ausnahmen ist ein aumlhnlich weitraumlumiger Verlust in allen alpinen Gebieten der Erde zu beobachten

Gletscher sind fuumlr viele Regionen eine der wichtigsten Trinkwasserquellen da sie im Winter wertvolles Suumlszlig-wasser in Form von Schnee und Eis akkumulieren und dieses im Sommer in Form von Schmelzwasser an die Fluumlsse abgeben Der Ruumlckzug der Eismassen betrifft da-bei insbesondere zahlreiche Staumldte im Einzugsbereich des Himalaya wo das Wasser der Gletscher u a die sieben groumlszligten Fluumlsse Asiens ndash Ganges Indus Brahma-putra Mekong Thanlwin Jangtse und den Gelben Fluss ndash speist und so die Wasserversorgung Hunderter Millio-nen Menschen sichert

Innerhalb der vergangenen zwei Jahrhunderte ist in den Alpen uumlber die Haumllfte des Eises abgeschmolzenQuelle Bayerische Akademie der Wissen-schaften

Abb 5 Veraumlnderung des Vernagtferners in den Oumltztaler Alpen 1844-2001

12 IPCC 2007a13 WGMS 2008

14 Zemp M et al 200615 Haeberli 2007

15

n Ruumlckgang des arktischen Meereises

Die Analyse neuester Satellitenmessungen laumlsst keinen Zweifel zu Das Meereis der Arktis schmilzt Inner-halb der letzten 30 Jahre hat sich die sommerliche Ausdehnung der Eisdecke um mehr als 20 Prozent verringert Besonders dramatisch an der derzeitigen Schrumpfung ist dass sie sich in den letzten Jahren sig - ni fikant beschleunigt hat und die gegenwaumlrtig beob-achteten Verlustraten selbst die Extremwerte voran - gegangener Computersimulationen uumlbertroffen haben Und waumlhrend bis vor kurzem noch 2005 als das Jahr der geringsten jemals gemessenen Eisflaumlche galt uumlber-traf das Jahr 2007 diese Werte in jedem Monat (siehe Abbildung 6)

Von den vormals etwa 78 Millionen km2 Eisflaumlche im Jahr 1979 wurden im September des Rekordjahrs 2007 lediglich noch 413 Millionen km2 erreicht Dies ent-spricht einem Ruumlckgang von etwa 43 Prozent gegenuumlber dem langjaumlhrigen Mittelwert 1979-2000 und ist die ge-ringste je gemessene Eisausdehnung in der Arktis16

Auch in den folgenden Jahren wurde eine aumlhnlich kleine Eisausdehnung auf dem arktischen Nordmeer gemes-sen Mit dem Ergebnis dass 2008 und 2009 erstmals seit Menschengedenken sowohl die Nordwest- als auch die Nordostpassage gleichzeitig eisfrei waren Auch im Jahr 2010 lag die Ausdehnung mit ca 51 Millionen km2 deutlich unter dem langjaumlhrigen Mittelwert

Berichte vom Klimawandel ndash Nepal

bdquoNepal erlebt zurzeit stark schwankende Regenzyklen Im Winter 20082009 gab es gar keinen Regen Auszligerdem hatten wir wenig Schneefall Unser Land braucht in dieser Zeit Regen und Schnee damit Weizen und Mais vor allem auch im Sommer wachsen koumlnnen Die Bauern im Distrikt Rukum sorgen sich zunehmend uumlber kurze aber heftige Niederschlaumlge Schon jetzt sind dort Nahrungsmittel knapp ndash durch den Klimawandel wird das Leid noch groumlszliger Immer mehr Menschen wan-dern nach Indien aus Ebenso gibt es in der Rupandehi-Gemeinde einen Fluss der bis vor 20 Jahren noch aus-reichend Wasser fuumlhrte Jetzt ist er ausgetrocknet Das andere Extrem sind Flusshochwasserwellen waumlhrend der Regenzeit die sich verheerend fuumlr die dort leben-den Menschen auswirken Die groumlszligte Herausforderung fuumlr Nepal ist jedoch die rasche Gletscherschmelze im

Himalaya Dort wo der Gletscher lag bildet sich ein See Bricht der ehemals vom Gletscher aufgescho-bene Erddamm entstehen katastrophale Flutwellen Teile des darunter liegenden Landes werden uumlberflu-tet Dennoch werden wir wohl auf lange Sicht unter Wassermangel leiden Denn die Gletscher verschwinden langsam und koumlnnen bald kein Wasser mehr im Sommer fuumlr die Landwirtschaft liefern Fuumlr ein armes Land wie Nepal das zur Bewaumlsserung in der Landwirtschaft auf Schmelzwasser angewiesen ist ist dieses Problem nicht zu bewaumlltigenldquo

Raju Pandit Chhetri Juristischer Berater United Mission to Nepal (UMN) Kathmandu Nepal

Seit 1979 hat sich die arktische Eisausdehnung um mehr als 20 Prozent verringert Quelle NASA 2007 httpearthobservatorynasagovIOTDviewphpid=8126

Abb 6 Ausdehnung des arktischen Meer eises 2007 im Vergleich zu 1979-2000

16 NSIDC 2008

2005 Minimum

2007 Minimum

1979-2000 Durchschnittliches Minimum

500 km

16 September 2007Konzentration des Meereises (in )

0 50 100

16

n Schrumpfende Festlandeisschilde

Kontinentale Eisschilde groumlszliger als 50000 km2 existie-ren lediglich an zwei Plaumltzen auf der Erde in der Antarktis und auf Groumlnland Wuumlrden sie abschmelzen entspraumlche dies einem globalen Meeresspiegelanstieg von etwa 70 Metern Bis vor einigen Jahren nahmen Wissenschaftler an die Eisschilde wuumlrden auf Klimaveraumlnderungen nur sehr langsam und meist uumlber Jahrtausende reagieren Allerdings muss diese Annahme aufgrund modernster Satellitenmessungen nun revidiert werden Galten bei-de Eisschilde noch bis vor einigen Jahren als bdquoschlafende Riesenldquo legen neueste Erkenntnisse uumlber bis vor kurzem fuumlr unmoumlglich gehaltene Schmelz- und Rutschprozesse die Vermutung nahe die beiden Riesen seien nun aus ihrem tausend Jahre andauernden Tiefschlaf erwacht Beide Eisschilde schmelzen ndash und das mit einem atembe-raubenden Tempo

Noch waumlhrend der 1990er Jahre so belegen Studien be-fand sich der groumlnlaumlndische Eisschild nahezu im Gleich-gewicht ndash Schneeakkumulation und Schneeschmelze glichen sich in etwa aus Waumlhrend dieser Zeit wuchs der Eisschild im Inneren und verlor seine Eismassen an den Raumlndern

Als Folge der schon seit einigen Jahren bekannten ho-hen Sensibilitaumlt der arktischen Region gegenuumlber den Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung hat sich die Situation nun gravierend veraumlndert Waumlhrend der Jah-re 2000-2008 hat sich der Massenverlust auf Groumlnland verdreifacht und trug im Jahr 2008 mit 273 Gigatonnen

zu einem Anstieg des Meeresspiegels um 075 mm pro Jahr bei17 Zwar geht nach wie vor ein groszliger Teil des Eisverlustes auf das Konto der Ausduumlnnung des Eises in den tieferen Lagen Besonders beunruhigend jedoch ist eine andere Beobachtung Denn neben den linearen Abschmelzprozessen spielen dynamische Veraumlnderun-gen des Eisabflusses eine immer bedeutendere Rolle Die Auswertung von Satellitendaten beweist dass die Eisdecke durch die Schmelzvorgaumlnge nicht in erster Linie duumlnner wird ndash sie bewegt sich vielmehr schneller Das groumlnlaumlndische Eis draumlngt dabei immer schneller vom Zentrum des Eispanzers im Landesinneren uumlber die Glet-scher nach auszligen und ins Meer18

Ein aumlhnliches Bild ergibt sich auch in der Antarktis wo innerhalb des Untersuchungszeitraums April 2002 bis Januar 2009 ein jaumlhrlicher Verlust an Eismasse von durchschnittlich 190 (+- 77) Gigatonnen Eis gemessen wurde ndash was umgerechnet einem Meeresspiegelanstieg von rund 04 mmJahr entspricht19 Mehr als zwei Drittel (132 Gt) des Eismassenverlustes betrafen dabei die West antarktis20 Besonders groszlige Sorge bereitet Klimaforschern die enorme Dynamik mit der das Eis der Westantarktis ans Meer verloren geht Entscheidend ist dabei die Rolle der vorgelagerten Schelfeisgebie-te Aumlhnlich wie u a in manchen Kuumlstenregionen Groumln-lands ist ihre Instabilitaumlt die Ursache fuumlr das verstaumlrkte Abflieszligen der westantarktischen Auslassgletscher und Eis stroumlme Denn das Eis schmilzt weniger an Land als vielmehr durch den Kontakt mit waumlrmerem Ozeanwas-ser Normalerweise wird durch die Barriere des Schelf-eises der Abfluss der Auslassgletscher und Eisstroumlme

Immer schneller rutschen die groumlnlaumlndischen Gletscher ins MeerQuelle NASA 2007 httpearthobservatorynasagovFeaturesGreenlandprintallphp

Abb 7 Ruumlckzug der Aufsetzlinie des Jakobshavn Isbrae 1850-2006 an der Westkuumlste Groumlnlands

17 Van den Broeke M et al 200918 Van de Wal RS et al 2008

19 Velicogna I und J Wahr 200920 Chen JL et al 2009

GroumlnlandEisschild

17

gebremst Wird dieses jedoch bruumlchig oder kollabiert so nimmt die Abflussgeschwindigkeit der hinter dem Eisschelf liegenden Gletscher zu und sie koumlnnen nahezu ungebremst ins offene Meer ablaufen Seit dem Wegfall des Larsen-B-Eisschelfs 2002 hat sich der Abfluss der da-hinterliegenden Auslassgletscher deutlich erhoumlht ndash und zwar um das bis zu Achtfache21 Viele der westantarkti-schen Gletscher (z B der Pine Island Gletscher und der Smith Gletscher) haben sich innerhalb der letzten Jahre (2004-2007) enorm beschleunigt und flieszligen mittler-weile mit einer Geschwindigkeit von bis zu neun Metern pro Jahr ins Meer22 27 Kubikkilometer Eis gehen nun jaumlhrlich dort verloren wo sich vor wenigen Jahren noch das Eisschelf befand23 Ein aumlhnliches Schicksal wie das des Larsen-B-Eisschelfs koumlnnte in einer waumlrmeren Zu-kunft auch weitere Eisschelfe ereilen

n Anstieg des Meeresspiegels

Als eine der wichtigsten Folgen des anthropogenen Klimawandels gilt der Anstieg des globalen Meeresspie-gels Im 20 Jahrhundert ist der Meeresspiegel weltweit durchschnittlich zwischen 12-22 cm angestiegen24 Ak-tuelle Satellitenmessungen zeigen dass er sich gegen-waumlrtig um 33 mm pro Jahr erhoumlht25 Dies hat im Wesent-lichen zwei Ursachen Zum einen tragen die veraumlnderten Abflussregime der Gebirgsgletscher sowie die beiden Festlandeisschilde auf Groumlnland und der Antarktis zur Erhoumlhung des Meeresspiegels bei Zum anderen dehnt sich der Wasserkoumlrper als physika lische Reaktion der Erwaumlrmung der Ozeane auch staumlrker aus ndash rund 18 mm gehen momentan auf das Konto dieser thermischen Aus-

dehnung Der gegenwaumlrtige Anstieg des Meeresspiegels mag zurzeit noch harmlos erscheinen aber die Anstiegs-rate wird vermutlich in Zukunft nicht auf ihrem momen-tanen Niveau verweilen Vielmehr wird damit gerechnet dass sie umso rascher ansteigen wird je schneller die Temperaturen die Eismassen zum Schmelzen bringen (siehe auch Kapitel 33)

n Zunahme extremer Wetterereignisse

Die Erkenntnisse der Physik legen nahe dass ein Anstieg der globalen Temperaturen auch zu einer Zunahme wet-terbedingter Extremereignisse in bestimmten Regionen der Erde fuumlhrt Um jedoch eine Antwort auf die Frage zu finden ob im Rahmen des globalen Klimawandels extreme Wetterereignisse zugenommen haben ist es erforderlich Zeitreihen uumlber mehrere Jahrzehnte aus-zuwerten Das Ergebnis Waumlhrend wetterunabhaumlngige Ereignisse wie Erdbeben oder Tsunamis sich im Grunde nicht veraumlndert haben kommen Starkniederschlags-ereignisse heftige Stuumlrme Hochwasser Duumlrren und auszligergewoumlhnliche Hitzeperioden weltweit immer haumlu-figer vor

Es ist niemals moumlglich einen eindeutigen Kausalzusam-menhang zwischen einem einzelnen Extremwetterereig-nis und dem menschgemachten Klimawandel herzustel-len da Aussagen uumlber das Klima die Betrachtung eines mindestens 30-jaumlhrigen Zeitabschnitts voraussetzen Der Trend im Hinblick auf Anzahl Heftigkeit und Ort des Auftretens von Extremwetterereignissen ndash nicht das Einzelereignis fuumlr sich genommen ndash ist fuumlr Beschrei-

Info-Kasten 2 Was ist eine Wetterkatastrophe

Sturm ist nicht gleich Sturm denn die Auswirkungen sind abhaumlngig davon in welcher Region der Sturm stattfindet Ereignet sich ein Sturm in der Wuumlste so wird in der Regel nicht von einer Wetterkatastrophe gesprochen weil Menschen nicht davon betroffen sind Zu einer Katastrophe wird ein Sturm erst dann wenn er Menschen oder deren Sachguumlter in groszligem Maszlige schaumldigt Wetterkatastrophen ereignen sich demnach dort wo extreme Wetterereignisse auf eine dafuumlr anfaumlllige Gesellschaft treffen Eine Zunahme an Wetterkatastrophen kann somit zwei wesentliche Ursachen haben 1 Eine tatsaumlchliche Zunahme extremer Wetter-

ereignisse und 2 eine Erhoumlhung der Vulnerabilitaumlt (Verletzlichkeit)

wegen nicht ausreichend eingefuumlhrter Schutz-maszlignahmen bzw einer nicht angepassten Lebens weise des Menschen an seine Umgebung Dies kann die Besiedlung bisher wenig genutz-

ter oumlkologisch sensibler Raumlume umfassen Um-welteingriffe (z B erosionsanfaumlllige Boumlden nach Abholzung oder groumlszligeres Hochwasserrisiko nach der Begradigung von Fluumlssen) oder aber auch den Anstieg der Bevoumllkerung in Gebieten klimatischer Risikozonen

In den vergangenen 60 Jahren ist dabei nicht nur eine Zunahme wetterbedingter Naturkatastrophen zu be-obachten auch haben die volkswirtschaftlichen bzw versicherten Schaumlden durch extreme Wettereignisse zugenommen (siehe Abbildung 8) Auch wenn die-se Zunahme zum groszligen Teil noch auf soziooumlko-nomischen Veraumlnderungen wie Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum zuruumlckzufuumlhren ist und teil-weise auch das Ergebnis natuumlrlicher Schwankungen sein koumlnnte so ist zu erwarten dass der Klimawandel eine immer entscheidendere Rolle spielen wird26

21 Scambos T et al 200422 Hamish D et al 200923 Rignot E et al 2004

24 IPCC 2007a25 Beckley et al 200726 Munich Re 2010

18

Berichte vom Klimawandel ndash Uganda

bdquoDer Klimawandel ist fuumlr alle Ugander bereits Realitaumlt Wir erleben mittlerweile viel mehr waumlrmere Tage und Naumlchte laumlngere ungewohnte Duumlrren und heftige Regenfaumllle auch auszligerhalb der Regenzeit Unsere Bauern und Verbraucher sind irritiert und zeigen mit anklagendem Finger auf die Wetterdienste Was sie aber benoumltigen sind Informationen und Aufklaumlrung was tatsaumlchlich geschieht und ihnen [den Bauern] zeigt wie wichtig es ist die Treibhausgasemissionen einzudaumlmmen Diese Erkenntnis muss zu allen Be-troffenen durchdringenldquo

Kimera Henry Richard Geschaumlftsfuumlhrer Consumer Education Trust Kampala ndash Uganda

Innerhalb der letzten 60 Jahre ist insgesamt eine Zunahme groszliger wetterbedingter Naturkatastrophen zu beobach-ten Quelle Munich Re 2010

bungen des Klimas relevant In einigen Regionen konnte ein Anstieg der Intensitaumlt von klimatisch bedingten Ex-tremereignissen in den letzten Jahrzehnten festgestellt werden

Bei einer allgemeinen Temperaturerhoumlhung verschiebt sich auch die Haumlufigkeit des Auftretens von Hitzewel-len Wie gefaumlhrlich dies sein kann zeigte sich im Som-mer 2003 in Europa als eine Hitzewelle mit den houmlchsten Sommertemperaturen seit mindestens 500 Jahren uumlber 7000027 Menschenlebenforderte und sich zudem nega-tiv auf die Bereiche Landwirtschaft Waldwachstum und Verkehr auswirkte

Ein anderes Extremereignis war die Elbeflut 2002 die viele Staumldte entlang des Elbe-Flusslaufs uumlberflutete Bruumlcken wegspuumllte und ganze Landstriche verwuumlstete

Eine weitere Art extremer Wetterereignisse die waumlh-rend der letzten Dekaden an Zerstoumlrungskraft gewon-nen hat sind starke Tropen- und Winterstuumlrme wie bei-spielsweise der Hurrikan Katrina in den USA oder wie der Sturm Kyrill in Deutschland Ihre Intensitaumlt hat vor allem bedingt durch houmlhere Temperaturen aber auch aufgrund natuumlrlicher dekadischer Schwankungen stark zugenommen28 Die auszligerordentlich starke Hurrikan-

Abb 8 Groszligkatastrophen weltweit (1950-2009)

Geophysikalische EreignisseErdbeben Vulkanausbruch

Hydrologische EreignisseSturzflut Flussuumlberschwem- mung Sturmflut Massen-bewegung (Erdrutsch)

Trend

Meteorologische EreignisseTropischer Sturm Winter-sturm Unwetter Hagel Tornado Lokaler Sturm

Klimatologische EreignisseHitze- Kaumlltewelle WaldbrandDuumlrre

Anzahl

14

12

10

8

6

4

2

01950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005

27 Robine JM et al 200828 Webster PJ et al 2005

19

Berichte vom Klimawandel ndash Kamerun

bdquoFruumlher startete die Regenzeit gewoumlhnlich Mitte Maumlrz aber heute ist es kaum mehr moumlglich vor-herzusagen wann sie beginnt Manchmal haumllt die Trockenzeit zu lange an das Saatgut vertrocknet in der Erde Wenn aber der Regen zu fruumlh einsetzt und es dann viel zu viel regnet koumlnnen wir den Boden nicht bearbeiten und auch nicht aussaumlen Oder die Ernte verdirbt wenn die Regenzeit zu lange dauert Mais zum Beispiel schimmelt wenn er waumlhrend der Regenzeit nicht richtig trocknen kann Auch der Transport wird durch starke Regenfaumllle sehr schwer Deshalb verdirbt die Ernte haumlufiger schon auf den Farmenldquo

Carole Mboube Sekretaumlrin und Baumluerin ADEID (bdquoAktion fuumlr eine gerechte integre und nach hal-tige Entwicklungldquo Umwelt- und Entwicklungs-organisation) Kamerun

Saison in der Karibik und den USA im Jahr 2005 (u a Hur-rikan Katrina) hat direkte Schaumlden von mehr als 150 Mrd US-Dollar verursacht sowie alleine in den USA mehr als 1000 Menschenleben gefordert Vor der Kuumlste Brasili-ens im Suumldatlantik wurde im Jahr 2004 erstmals ein Hur-rikan in der suumldlichen Hemisphaumlre beobachtet29 Auch wenn innerhalb der kommenden Jahrzehnte immer wie-der einmal natuumlrliche Schwankungen die Intensitaumlt star-ker Sturmereignisse beeinflussen werden so wird damit gerechnet dass sich nach 2050 der Effekt der globalen Erwaumlrmung immer deutlicher von diesen natuumlrlichen Dekadenschwankungen abheben wird30

n Ertragsruumlckgaumlnge in der Landwirtschaft

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Nahrungs-mittelertraumlge der Landwirtschaft ergeben sich sowohl aus den Veraumlnderungen von Temperatur und Nieder-schlag als auch aus der Anpassungsfaumlhigkeit der Land- wirtschaft selbst Der IPCC ist zu dem Ergebnis gekom-men dass sich der hydrologische Kreislauf (Wasserkreis-lauf) infolge des Temperaturanstiegs veraumlndert hat Zum Beispiel kam es in vielen Regionen der Nordhalbku-gel im letzten Jahrhundert zu einer Zunahme der konti-nentalen Niederschlaumlge waumlhrend in anderen Regionen (u a Nord- und Westafrika) ein Ruumlckgang zu beobachten war Durch die sich aumlndernden Anbaubedingungen bzw durch unregelmaumlszligige Niederschlaumlge und hohe Tempe-raturen ist es schon heute in vielen Regionen der Erde sehr schwierig mit traditio nellen Anbaumethoden bzw angebauten Pflanzen die notwendigen Ernteertraumlge

zu steigern bzw zu erhalten Besonders betroffen sind dabei die traditionell trockenen Gebiete in denen eine Unterbrechung der Nahrungsmittelversorgung durch die Landwirtschaft bereits heute zu erheblichen huma-nitaumlren und wirtschaftlichen Problemen fuumlhrt

Diese Anzeichen zeigen einerseits dass der Klimawan-del schon heute deutliche Spuren im Leben der Men-schen hinterlassen hat und stuumltzen damit die nuumlchternen Datenreihen der Wissenschaftler Andererseits sind sie auch erste Vorboten dafuumlr was zukuumlnftig und im Zuge weiter ansteigender Temperaturen noch an Auswirkun-gen des Klimawandels auf uns zukommen kann

n Oumlkosysteme in der Falle

Weltweit findet ein dramatischer Artenschwund in der Tier- und Pflanzenwelt statt der sich waumlhrend der ver-gangenen 50 Jahre stark beschleunigt hat und zu Beginn des 21 Jahrhunderts um den Faktor 100 bis 1000 uumlber dem natuumlrlichen Wert liegt31 Neben direkten mensch-lichen Auswirkungen wie der Umwandlung natuumlrlicher Oumlkosysteme durch eine immer intensiver werdende Landwirtschaft die Zergliederung durch Siedlungen und Verkehrswege sowie den Raubbau natuumlrlicher Res-sourcen hinterlaumlsst auch der Klimawandel in zahlreichen Oumlkosystemen bereits deutliche Spuren Im Zuge der Klimaveraumlnderungen verschieben sich sowohl die Klima- und Vegetationszonen in Richtung der Pole oder in grouml-szligere Houmlhen als auch die klimatischen Jahreszeiten Die Tropen haben sich in 25 Jahren um mehrere Breitengrade ausgedehnt32 Fruumlhlingscharakteristika ndash wie beispiels-weise Blattentfaltung Pflanzenbluumlte Vogelzug und Brutverhalten ndash treten fruumlher ein Um ein Uumlberleben zu ermoumlglichen sind deshalb viele Tier- und Pflanzenarten einerseits gezwungen ihre traditionellen Lebensraumlume aufzugeben und den wandernden Klimazonen zu folgen sowie andererseits auch ihr saisonabhaumlngiges Verhalten an die jahreszeitliche Verschiebung anzupassen

Nicht allen Arten ist jedoch eine derartige Anpassung an die sich veraumlndernden Rahmenbedingungen moumlglich da sie sehr eng an spezifische Klimaregime und arttypische Rhythmen gebunden sind Zu den ersten Opfern gehoumlren insbesondere die artenreichsten Oumlkosysteme wie etwa die Regenwaumllder in Brasilien die Korallenriffe im Suumldpa-zifik oder die Flora und Fauna der alpinen Regionen und der Arktis In diesen Gebieten koumlnnen viele Tiere und Pflanzen mit dem Tempo des Klimawandels nicht mehr mithalten sterben aus und hinterlassen tiefe Luumlcken in Nahrungsketten und natuumlrlichen Gefuumlgen

29 Swiss RE 2004 330 Walsh K 2004

31 Millennium Ecosystem Assessment 200532 Seidel DJ 2008

20

Tem

pera

turauml

nder

ung

Ant

arkt

is (deg

C)

23 Der menschgemachte Treibhauseffekt

Das Klima unserer Erde hat in der Erdgeschichte immer wieder spektakulaumlre Wandlungen vollzogen Innerhalb der vergangenen zwei bis drei Millionen Jahre pendel-te es beispielsweise regelmaumlszligig zwischen Kalt- und Warmphasen hin und her Diese Pendelbewegung laumlsst sich sehr gut fuumlr die letzten 800000 Jahre anhand von Eisbohrkernen insbesondere aus der Antarktis belegen Sie ist das Ergebnis zyklischer Schwankungen der Erd-umlaufbahn um die Sonne bzw des Neigungswinkels der Erdachse (siehe Abbildung 9) Hier bestaumltigt sich u a die wichtige Rolle des CO2 als Treibhausgas (siehe weiter unten) Da die Umlaufbahn der Erde zudem ellip-tisch ist bringt sie die Erde in regelmaumlszligigen Abstaumlnden sowohl naumlher an die Sonne heran als auch weiter von ihr weg Die Folge Die Intensitaumlt der Sonneneinstrahlung auf der Erde schwankt auch im Jahreslauf In der Vergan-genheit haben vor allem die Kaltphasen laumlnger angehal-ten (90000 Jahre) als die Warmphasen (10000 Jahre)

rarr Frage In der Erdgeschichte stieg zuerst die Tempe-ratur dann die CO2-Konzentration Ist somit der gegen-waumlrtige CO2-Anstieg nicht eher die Folge als die Ursache der Erwaumlrmung

Abbildung 9 zeigt dass es einen direkten Zusammen-hang zwischen Temperatur und CO2-Gehalt in der At-mosphaumlre gibt Ausloumlser der zyklischen Klimaschwan-kungen innerhalb der letzten 800000 Jahre waren dabei in erster Instanz die regelmaumlszligigen Schwankungen der Erdbahnparameter Diese wirken durch die Umvertei-lung der solaren Einstrahlung direkt auf die Temperatur Der Anstieg der CO2-Konzentration kommt erst in einem zweiten Schritt durch eine positive Ruumlckkopplung und mit einer zeitlichen Verzoumlgerung von rund 800 Jahren zum Tragen Durch die steigenden Temperaturen koumln-nen die sich erwaumlrmenden Ozeane weniger CO2 halten und erhoumlhen dadurch den atmosphaumlrischen CO2-Gehalt ndash die Temperaturen steigen weiter an Somit waren in der Vergangenheit die Erdbahnveraumlnderungen der Ausloumlser fruumlherer Temperaturschwankungen allerdings ist die vollstaumlndige Temperaturentwicklung nur im Zusammen-hang mit einer positiven CO2-Ruumlckkopplung zu erklaumlren Der CO2-Anstieg der erdgeschichtlichen Vergangenheit war also sowohl Folge als auch Ursache der Erwaumlrmung Fuumlr die gegenwaumlrtige Situation koumlnnen jedoch Veraumlnde-

Konzentration (in Teilchen pro MillionMilliarde Volumeneinheit ppmvppbv) der beiden Treibhausgase Kohlendioxid (blau) und Methan (gruumln) in der Erdatmosphaumlre waumlhrend der letzten 800000 Jahre im Vergleich mit der Temperaturentwicklung (rot) Quelle Luumlthi D et al 2008

Abb 9 Temperatur- u Treibhausgasentwicklung in den letzten 800000 Jahren

4

0

-4

-8

-12

CH

4 (p

pbv)

CO

2 (p

pmv)

800

300

700

280

600

260

500

240

400

220

200

180

300800 700 600 500 400 300 200 100 0

Alter (1000 Jahre vor heute)

21

rungen der Erdbahnparameter ausgeschlossen und so-mit der globale Temperaturanstieg der letzten 130 Jahre nur durch den menschgemachten Treibhausgasausstoszlig erklaumlrt werden

Waumlhrend uumlber mehrere Jahrtausende vor allem die langperiodischen Variationen der solaren Einstrahlung fuumlr die Wechselhaftigkeit des Klimas verantwortlich waren so werden auf kuumlrzeren Zeitskalen noch wei-tere Einflussfaktoren deutlich Unterschiedlich starke Sonnenflecken aktivitaumlten lassen die Einstrahlung der Sonnenenergie auf die Erdoberflaumlche schwanken Vul-kanausbruumlche koumlnnen eine Abkuumlhlung bewirken wenn groszlige Mengen Asche in die Atmosphaumlre geschleudert werden und dort die Durchlaumlssigkeit der Sonnenein-strahlung verringern Letzteres war beispielsweise in den Jahren 1991-1993 der Fall die in Folge des Aus-bruchs des philippinischen Vulkans Pinatubo relativ kuumlhl waren33 Auch koumlnnen interne Wechselwirkungen und Ruumlckkopplungsmechanismen zwischen Atmosphaumlre und Ozeanen wie z B El-Nintildeo-Ereignisse das globale Klima uumlber mehrere Jahre hinweg beeinflussen Fazit Das Kli-ma der Erde ist ein aumluszligerst sensibles System welches in der Vergangenheit haumlufig schon auf kleine Aumlnderungen der solaren Einstrahlung empfindlich reagiert hat

Aus neuesten wissenschaftlichen Studien leitet sich eine bdquosehr hohe Sicherheitldquo ab (nach IPCC-Definition in mindestens neun von zehn Faumlllen) dass menschliche Ak-tivitaumlten seit Beginn der Industrialisierung groumlszligtenteils die Erhoumlhung der globalen Durchschnittstemperatur verursacht haben muumlssen Das internationale Wissen-schaftlergremium stuumltzt sich in seiner Aussage uumlber den Beitrag des Menschen an der globalen Klimaaumlnderung im Wesentlichen auf drei Pfeiler die menschgemachte Zunahme von Treibhausgasen die hohe Korrelation zwi-schen globaler Mitteltemperatur und der Kohlendioxid-konzentration in der Vergangenheit sowie Hochrech-nungen mit Klimamodellen34

Vor allem fuumlr die Erwaumlrmung in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts gilt mittlerweile der menschgemach-te Anstieg der Treibhausgasemissionen mit 90 bis 99- prozentiger Wahrscheinlichkeit als Hauptursache Die Menschheit setzt heute durch eine Vielzahl von Prozes-sen groszlige Mengen an Treibhausgasen frei und stellt so-mit selbst einen Klimafaktor im System dar Eine groszlige Bedeutung haben in diesem Zusammenhang insbeson-dere die Verbrennung fossiler Energietraumlger (Braun- und Steinkohle Erdoumll Erdgas) die groszligflaumlchige Aumlnderung der Landnutzung (z B Rodung von Waumlldern) landwirt-

Tabelle 1 Die wichtigsten anthropogenen Treibhausgase

33 Schoumlnwiese CD 200434 Graszligl H 1998

Ppmppb (parts per millionbillion = Teilchen pro MillionMilliarde Teilchen) Relative Maszligangabe die in der Klima-wissenschaft beispielsweise das Konzentrationsniveau von Treibhausgasen in der Atmosphaumlre beziffert Eine atmos-phaumlrische Konzentra tion von 387 ppm bedeutet dass das Volumen von 387 Teilchen CO2 im Volumen von einer Millionen Luftteilchen enthalten ist Quelle WMO 2008

Spurengas

Kohlendioxid (CO2)

Methan (CH4)

Distickstoff-oxid (N2O Lach gas)

Anthropogene Herkunft

Verbrennung fossiler Energietraumlger Waldrodungen und Bodenerosion Holzverbrennung

Reisanbau Viehhaltung Erdgaslecks Verbren-nung von Biomasse Muumllldeponien Nut-zung fossiler Energien

Verbrennen von Bio-masse und fossilen Ener gie traumlgern Duumlngemitteleinsatz

Derzeitige (und vorindustrielle) Konzentration

ca 387 (280) ppm

ca 1797 ppb (730 ppb)

319 3218 (270) ppb

Konzentrations-anstieg pro Jahr (Durchschnitt 1998-2008)

193 ppm

25 ppb

0788 ppb

Anteil am an-thropogenen Treibhauseffekt(seit 1750)

635

182

62

Treibhaus-potential pro Teilchen CO2 = 1

1

ca 23

ca 200-300

22

schaftliche Taumltigkeiten (v a Viehwirtschaft und Reis-anbau) und industrielle Prozesse sowie Verkehr Dieser menschliche Einfluss ist verantwortlich fuumlr den signifi-kanten Konzentrationsanstieg von Treibhausgasen in der Atmosphaumlre seit Beginn der Industrialisierung (siehe Tabelle 1) und die dadurch ausgeloumlste Verstaumlrkung des Treibhauseffektes Daher bezeichnet man den Anteil am gesamten Treibhauseffekt den der Mensch durch sein Handeln verursacht als menschgemachten oder anthro-pogenen Treibhauseffekt

Die drei Hauptverursacher des menschgemachten Treib-hauseffektes sind Kohlendioxid Methan und Distick-stoffoxid Das Treibhausgas CO2 ist dabei der Haupt-faktor menschlicher Treibhausgasemissionen und traumlgt mit ca 635 Prozent zum menschgemachten Anteil am Treibhauseffekt bei Der Beitrag von Methan (CH4) liegt bei etwa 182 Prozent (siehe Tabelle 1) Distickstoffoxid (N2O Lachgas) hat einen Anteil von 62 Prozent

Neben diesen Gasen gehoumlren auch industriell erzeugte Gase wie Fluorkohlenwasserstoffe (FKWs) zu den wich-tigsten anthropogenen Treibhausgasen Ozon (O3) wird nicht direkt ausgestoszligen sondern entfaltet seine Wirk-samkeit als Folgeprodukt u a bei der Verbrennung fos-siler Energietraumlger35

rarr Frage Ist nicht Wasserdampf statt CO2 das wich-tigste Treibhausgas

Wasserdampf ist das Treibhausgas mit der houmlchsten na-tuumlrlichen Konzentration in der Atmosphaumlre und mit rund zwei Dritteln am natuumlrlichen Treibhauseffekt beteiligt Riesige Mengen Wasserdampf verdunsten taumlglich aus den Ozeanen in die Atmosphaumlre kondensieren und fallen als Niederschlag wieder zu Boden Innerhalb von nur 10 Tagen wird dabei die gesamte Menge an Wasserdampf auf der Erde einmal ausgetauscht Beim anthropogenen Treibhauseffekt jedoch spielt Wasserdampf kaum eine Rolle Denn anders als es beim CO2 der Fall ist nimmt die Atmosphaumlre in Abhaumlngigkeit von ihrer Temperatur nur eine begrenzte Menge an Wasserdampf auf Der Mensch kann somit den Wasserdampfgehalt der Atmosphaumlre nicht direkt (auszliger durch den Flugverkehr) sondern houmlchstens indirekt durch die Veraumlnderung der Tempe-ratur bzw die erwaumlrmungsbedingte Veraumlnderung des Wasserkreislaufs beeinflussen Steigt die Temperatur steigt auch der Wasserdampfgehalt und es intensiviert sich der Wasserkreislauf Damit wirkt Wasserdampf als Verstaumlrker der globalen Erwaumlrmung und wird deshalb auch in allen Klimamodellen beruumlcksichtigt Allerdings verbleibt der Wasserdampf durch menschliche Aktivitauml-ten ausgeloumlst nur fuumlr kurze Zeit und in vergleichsweise geringen Mengen in der Atmosphaumlre Aus diesen Gruumln-den ist der Anteil von Wasserdampf am anthropogenen Treibhauseffekt vernachlaumlssigbar gering

Bohrungen im antarktischen Eis zeigen (siehe Abbildung 9) dass die CO2-Konzentration der Atmosphaumlre in den vergangenen 800000 Jahren nie uumlber 300 ppm lag36 Seit Beginn der Industrialisierung zum Ende des 19 Jahrhun-derts stieg sie jedoch um 38 Prozent an und betrug 2009 im Jahresmittel bereits 387 ppm Allein innerhalb der letzten Dekade (2000-2008) wuchs der atmosphaumlrische CO2-Anteil mit einer jaumlhrlichen Rate von etwa 19 ppm37

1990-1999 waren es noch durchschnittlich 15 ppm pro Jahr gewesen Die Methankonzentration steigerte sich sogar um 157 Prozent seit Ende des 19 Jahrhunderts38

Allerdings gibt es auch menschliche Handlungen mit ei-nem kuumlhlenden Effekt beispielsweise die industriellen Emissionen von Schwefeldioxid (SO2)39 Dieses reflek-tiert Sonnenlicht zuruumlck in den Weltraum und kann zu-dem die Bildung von Wolken ausloumlsen Beide Prozesse tragen dazu bei dass weniger Sonnenstrahlen die Erd-oberflaumlche erreichen Schwefeldioxid hilft also die Erde direkt oder durch Wolkenbildung indirekt zu kuumlhlen Ins-gesamt aber uumlberwiegt der Ausstoszlig erwaumlrmend wirken-der Treibhausgase deutlich (siehe Tabelle 2)

24 Belege fuumlr den menschlichen Einfluss auf das Klima

Wenn man bei der Simulation der Temperaturentwick-lung der letzten eineinhalb Jahrhunderte sowohl die natuumlrlichen als auch die menschgemachten Faktoren mit einbezieht laumlsst sich der tatsaumlchliche Temperaturver-lauf fuumlr viele Regionen der Erde sehr genau simulieren (siehe Abbildung 3 S10) Die Simulation der natuumlr lichen Entwicklung beschraumlnkt sich dabei auf die Faktoren bdquoVariation der Solarstrahlungrdquo bdquoVulkanausbruumlcherdquo und bdquoEl-Nintildeo-Ereignisserdquo Der menschliche Einfluss auf die Klimaentwicklung hingegen bezieht nur die Faktoren bdquoTreibhausgasemissionenrdquo und bdquoEmissionen von Sulfat-aerosolenrdquo mit ein

Bereits die Simulation der menschgemachten Faktoren wuumlrde eine plausible Erklaumlrung fuumlr den groumlszligten Teil der beobachteten Temperaturentwicklung liefern Die Inte-gration beider Faktorenbuumlndel hingegen stellt eine noch groumlszligere Annaumlherung an die in der Realitaumlt beobachtete Entwicklung dar Allerdings schlieszligt dies nicht prinzi-piell die Moumlglichkeit aus dass noch weitere Faktoren eine begrenzte Rolle fuumlr den Temperaturanstieg gespielt haben koumlnnten

rarr Frage Ist nicht die Aumlnderung der Sonnenstrahlung bedeutender als der menschliche Einfluss

Aumlnderungen der solaren Leuchtkraft sind auf unter-schiedlichen Zeitskalen ein wichtiger Grund von Klima-

35 WMO 2008 36 Luumlthi D et al 200837 Global Carbon Project 2009

38 IPCC 2007a39 IPCC 2001

23

aumlnderungen Relativ geringe Schwankungen der Sonnen-fleckenaktivitaumlt haben das Klima in der Erdgeschichte bedeutend mitgepraumlgt und geringfuumlgige Abschwaumlchun-gen der Strahlungsintensitaumlt wiederholt zu signifikanten Abkuumlhlungserscheinungen gefuumlhrt Als juumlngere Beispie-le des solaren Einflusses gelten die Kleine Eiszeit (1350 bis 1880 n Chr) sowie das Mittelalterliche Waumlrmeopti-mum (950 bis 1250 n Chr) Innerhalb des Zeitraums seit der Industrialisierung bis heute spielen Aumlnderungen der Sonnenstrahlung jedoch eine weniger bedeutende Rol-le Vor allem fuumlr die zweite Haumllfte des 20 Jahrhunderts ist der beobachtete Anstieg der globalen Durchschnitts-temperatur hauptsaumlchlich durch den menschgemachten Treibhausgasausstoszlig verursacht worden (siehe Abbil-dung 3 S10)

Die Betrachtung des Strahlungsantriebs unterschied-licher groszligraumlumig wirksamer Klimafaktoren (Tabelle 2) und die daraus berechneten Temperatursignale unter-stuumltzen die Hypothese dass der Mensch uumlber die Treib - hausgase einen deutlich groumlszligeren Einfluss auf die Tem-peraturveraumlnderung seit 1880 genommen hat als natuumlr-liche Faktoren Insgesamt sind das demnach ca 07 degC was in etwa dem beobachteten Anstieg von 08 degC im 20 Jahrhundert entspricht Die natuumlrlichen Klimasignale sind demgegenuumlber relativ klein und treten episodisch bzw fluktuativ auf haben also zu dem Langfristtrend der letzten 130 Jahre kaum beigetragen

Insgesamt ist die Antwort auf die Frage ob sich das Kli-ma aumlndert und ob der menschgemachte Treibhauseffekt in den letzten Jahrzehnten wesentlicher Antrieb dieser Veraumlnderung war nicht mehr wissenschaftlich umstrit-ten Diskutiert wird lediglich uumlber das genaue Ausmaszlig und die zu erwartenden Konsequenzen in verschiedenen Regionen

40 Die natuumlrlichen internen Schwankungen des Klimas sind das bdquoRauschenrdquo gegenuumlber dem sich Klimaaumlnderungen durch be-stimmte externe Anstoumlszlige ob durch natuumlrliche Ursachen oder den Menschen als bdquoSignalrdquo abheben Will man eine unge-woumlhnliche Klimaaumlnderung wie z B die Erwaumlrmung der letzten Jahrzehnte erklaumlren so muss man zunaumlchst untersuchen ob es sich dabei um ein Phaumlnomen handelt das sich signifikant von

dem natuumlrlichen bdquoRauschenrdquo des Klimas unterscheidet und nicht als natuumlrliche interne Variabilitaumlt erklaumlrt werden kann Falls das so ist muss man in einem zweiten Schritt versuchen die Ursache des bdquoSignalsrdquo herauszufinden also zu bestim-men ob es durch natuumlrliche oder anthropogene externe Antriebsfaktoren bedingt ist Vgl Schoumlnwiese CD 20048

(a) anthropogen Pinatubo-Ausbruch 1991 24 Wm2 1992 32 Wm2 1993 09 Wm2Quellen IPCC 2007a Schoumlnwiese CD 2004

Tabelle 2 Groszligraumlumig wirksame Klimafaktoren und die zugehoumlrigen Strahlungsantriebe und Temperatursignale (seit 1880)

Klimafaktor

Treibhausgase TR (a)

Sulfataerosol SU (a)

Kombiniert TR + SU (a)

Vulkaneruptionen

Sonnenaktivitaumlt

El NintildeoSouthern Oscillation

Strahlungsantrieb

207 bis 253 Wm2

-01 bis -09 Wm2

18 bis 243 Wm2

max -1 bis -3 Wm2

006 bis 03 Wm2

ndash

Signal40

09 bis 13 degC

-02 bis -04 degC

05 bis 07 degC

-01 bis -02 degC

01 bis 02 degC

02 bis 03 degC

Signalstruktur

Progressiver Trend

Uneinheitl Trend

Uneinheitl Trend

Episodisch (1-3 Jahre)

Fluktuativ (+ Trend)

Episodisch

24

Infolge der Erderwaumlrmung geraten immer mehr Eismassen in Arktis und Antarktis ins Schmelzen und rutschen ins Meer

Foto

Ger

linde

Hof

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anth

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edia

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25

Neben den Ursachen und den bereits gegenwaumlrtig beo-bachteten Auswirkungen des Klimawandels sind insbe-sondere Aussagen uumlber das zukuumlnftige Klima von groszliger Wichtigkeit Die zentrale Frage dabei ist Wie veraumlndert sich das globale Klima infolge des weiteren Ausstoszliges von Treibhausgasen und mit welchen Auswirkungen fuumlr Mensch und Natur

Um abschaumltzen zu koumlnnen in welchem Ausmaszlig Treib - hausgasemissionen verringert und Anpassungs maszlig nah-men ergriffen werden sollen werden wissenschaftlich fundierte Aussagen uumlber die zukuumlnftigen Auswirkungen des Klimawandels benoumltigt Klimaforscher stellen hier-fuumlr sogenannte bdquoSzenarienldquo auf Sie legen also zunaumlchst unterschiedliche Grundannahmen uumlber die Entwicklung von Bevoumllkerung Technologien Wirtschaft etc fest und kommen dementsprechend zu einer Vielfalt moumlglicher bdquoZukunftsvorstellungenldquo die dann als bdquoProjektionenldquo bezeichnet werden Bei der Betrachtung dieser Projek-tionen ist zu beachten dass sie auf einer begrenzten Anzahl von Annahmen beruhen also Aussagen uumlber moumlgliche Zukunftstrends Sie koumlnnen demnach keine sicheren Prognosen liefern Trotz ihrer Einschraumlnkung bieten Szenarien jedoch eine gute Grundlage um Wenn-Dann-Entscheidungen zu treffen auch wenn gewisse Unsicherheiten verbleiben

3 Klimawandel der ZukunftTabelle 3 zeigt eine Uumlbersicht uumlber die zentralen Szenarien die die Grundlage der dritten und vier-ten Sachstandsberichte des IPCC waren Aus den Annahmen zu Aspekten wie oumlkonomischer und sozia-ler Entwicklung Bevoumllkerungswachstum Ausbreitung neuer Technologien etc ergibt sich dass die B-Szena-rien grundsaumltzlich einen geringeren Anstieg der CO2-Emissionen projizieren (siehe Abbildung 10) Wenngleich z B die Ausbreitung von klimafreundlichen Energietechnologien in dem fuumlr die Erreichung der opti-mistischen Szenarien notwendigen Ausmaszlig wahrschein-lich auf foumlrderliche politische Rahmenbedingungen an-gewiesen ist beziehen diese Szenarien nicht explizit po-litisch vereinbarte Klimaschutzziele wie die Umsetzung des Kyoto-Protokolls mit ein

Generell kommen alle Szenarien bei der Berechnung der Temperaturaumlnderungen bis etwa 2030 zu aumlhnlichen Ergebnissen und laufen erst danach deutlich auseinan-der Dieser Umstand ist vor allem darin begruumlndet dass sich technische Umbauprozesse des Energie- Verkehrs- und Gebaumludesystems weltweit uumlber Jahrzehnte hinzie-hen und die Atmosphaumlre ndash vor allem wegen der nur lang-samen Erwaumlrmung der Meere ndash auf die Treibhausgase um Jahrzehnte verzoumlgert reagiert41

Szenarien - familie

Leitgedanken Technologien wirtschaftliche Strukturen

Weltbevoumllkerung

A1 Konvergenz zwischen Regionen

Schnelles Wirtschafts wachs tum schnelle Einfuumlhrung effizienter Technologien (A1FI fossil-intensiv A1T nicht-fossil A1B gemischt)

Ab Mitte 21 Jh abnehmend

A2 Heterogene Welt Entwicklung aus eigener Kraft

Technologische Entwicklung und Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen langsam und regional stark unter-schiedlich

Kontinuierlich wachsend

B1 Konvergenz zwischen Regionen Fokus auf Nachhaltigkeit + Gerechtigkeit

Schneller Wandel in Richtung Dienstleistungs- und Informations-oumlkonomie abnehmende Material-intensitaumlt saubere + ressourcen-schonende Technologien

Ab Mitte 21 Jh abnehmend

B2 Heterogene Welt Fokus auf Nachhaltigkeit + Gerechtigkeit

Entwicklung relativ langsam und sehr heterogen

Wachsend (aber langsamer als in A2)

Tabelle 3 Die zugrundeliegenden Annahmen der Szenarien des IPCC

Quelle IPCC 2007a

41 IPCC 2007a

26

31 Veraumlnderungen der Klimaparameter

Die Ergebnisse der IPCC-Szenarienberechnungen zei-gen die Bandbreite der zu erwartenden Entwicklung fuumlr die wichtigsten Klimaparameter ndash Temperatur Niederschlaumlge und Wind ndash sowie den Meeresspiegel und Extremwetterereignisse Laumlngerfristig haumlngt die Veraumlnderung der Klimaparameter dabei sehr stark vom globalen Emissionsausstoszlig und hierbei insbe-sondere von der Entwicklung der weltweiten CO2-Emissionen ab Je groumlszliger die Emissionen und damit der Temperaturanstieg desto groumlszliger die Risiken Im folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der IPCC-Szenarienberechnungen zusammengefasst

n Anstieg der Treibhausgaskonzentration Die CO2- Konzentration wird nach verschiedenen Stabilisierungs-szenarien im Jahr 2100 zwischen 350 und 790 ppm betra-gen (vgl heute 387 ppm siehe Tabelle 1)42 Das Niveau am unteren Ende der Skala wird nur bei sehr drastischem Klimaschutz erreicht werden koumlnnen Um zwei Grad Temperaturanstieg nicht zu uumlberschreiten muumlssten die

globalen Emissionen bis 2050 global um mindestens 80 Prozent gegenuumlber 1990 sinken43 Neben den unter-schiedlichen Grundannahmen der Szenarien ruumlhrt die groszlige Bandbreite der Vorhersagen auch von der Un-sicherheit uumlber die Fortdauer der Senkenfunktion von Ozeanen und des tropischen Regenwaldes her

n Erhoumlhung der weltweiten Durchschnittstemperatur Bis zum Jahr 2100 wird eine Erhoumlhung der mittleren globalen Erdoberflaumlchentemperatur von 11 bis 64 degC gegenuumlber 1990 projiziert44 Diese Werte sind etwa zwei- bis neunmal houmlher als die beobachtete Erwaumlrmung waumlhrend des 20 und beginnenden 21 Jahrhunderts Betrachtet man die am besten gesicherten Schaumltzungen (bdquobest guessldquo) der jeweiligen Szenarien ergibt sich eine Spannbreite von etwa 18 bis 40 degC Der IPCC rechnet damit dass die Klimasensitivitaumlt ndash also der bei Verdop-pelung der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre erwar-tete Temperaturanstieg ndash etwa 3 degC betragen koumlnnte45

Allerdings sind hierbei nicht alle moumlglichen Ruumlckkopp-lungsprozesse beruumlcksichtigt die zum Teil schwer zu quantifizieren sind Einige Studien die auch langfristige Effekte wie die CO2-Aufnahmekapazitaumlt der Ozeane die Veraumlnderungen der Oberflaumlchenalbedo ndash der Anteil der

Die schwarze Linie in der linken Haumllfte des Diagramms zeigt die Messwerte bis zum Jahr 2000 Die drei oberen Linien stehen dabei fuumlr drei standardisierte Szenarien zum weiteren CO2-Ausstoszlig Besonders warm wuumlrde es demnach im A2-Szenario werden (rote Linie) Die orange Linie zeigt den Anstieg der Globaltemperatur selbst wenn alle Emissio-nen im Jahr 2000 gestoppt werden wuumlrden (durch die Traumlgheit des Systems) Die Balken repraumlsentieren die Spannwei-te der Resultate aller IPCC-Klimamodelle Quelle IPCC 2007a

Abb 10 Temperaturkurven der IPCC-Leitszenarien bis 2100

Tem

pera

turauml

nder

ung

(degC

)

60

50

40

30

20

10

00

-10

A2A1BB1Konzentrationsstabilisierung auf dem Niveau des Jahres 200020 Jahrhundert

1900 20002000

Jahr

2100

B1 A1T

B2 A1B

A2

A1F

I

42 IPCC 2007a 43 Meinshausen M et al 2006

44 IPCC 2007a45 IPCC 2007a

27

Sonnenstrahlung der reflektiert wird ndash oder die Veraumln-derung der Eisschilde beruumlcksichtigen halten jedoch auch eine Klimasensitivitaumlt von bis zu 6 degC fuumlr moumlglich46 Die IPCC-Szenarien koumlnnten folglich sogar die moumlg-lichen Erwaumlrmungseffekte unterschaumltzen

In jedem Fall wird die Erwaumlrmung nicht gleichmaumlszligig stattfinden sondern uumlber Landflaumlchen staumlrker ausge-praumlgt sein als uumlber den Ozeanen Auszligerdem ist davon auszugehen dass die Temperaturen in den hohen Brei-ten sowie in Gebirgsregionen vor allem im Winter uumlber-durchschnittlich ansteigen werden

n Intensivierung des hydrologischen Kreislaufs Bei weltweiter Betrachtung ist bis 2100 eine Steigerung der Niederschlagssummen um bis zu 20 Prozent zu erwarten da eine erwaumlrmte Atmosphaumlre auch mehr Wasserdampf aufnehmen kann Gerade beim Niederschlag wird je-doch ein stark raumlumlich differenziertes Bild projiziert Als Faustregel gilt dass in solchen Gebieten die be-reits eine ausreichende Niederschlagsmenge erhalten von einer deutlichen Steigerung auszugehen ist die mit staumlrkeren Schwankungen der Regenmengen zwischen den einzelnen Jahren einhergeht In Regionen die be-reits unter Wassermangel leiden wird hingegen eine Verschaumlrfung erwartet mit einzelnen auszligergewoumlhnlich starken Niederschlagsereignissen Folge des intensi-vierten hydrologischen Kreislaufs wird also insgesamt eine Aumlnderung der Haumlufigkeit Intensitaumlt und Dauer von Starkniederschlaumlgen sein (siehe auch 32)47

n Tropische Wirbelstuumlrme Obgleich Aussagen uumlber die zukuumlnftige Entwicklung tropischer Wirbelstuumlrme mit groszligen Unsicherheiten behaftet sind ist es wahrschein-lich dass zukuumlnftige tropische Wirbelstuumlrme in einer waumlrmeren Welt und in Verbindung mit dem Anstieg der Meeresoberflaumlchentemperaturen in den Tropen intensi-ver werden48

32 Zunahme von wetterbeding-ten Extremereignissen

Bei houmlheren Temperaturen erhoumlht sich auch das Risiko von Starkniederschlaumlgen und Uumlberschwemmungen da waumlrmere Luft mehr Wasser aufnehmen kann Weiter muss damit gerechnet werden dass sich vor allem in bereits trockenen Regionen die Wahrscheinlichkeit von mehr Hitzewellen Duumlrreperioden und Waldbraumlnden erhoumlhen wird Extremwetterereignisse wie z B die Hit-zewelle 2003 in Europa koumlnnten in der zweiten Haumllfte dieses Jahrhunderts schon in jedem zweiten Jahr in Eu-ropa auftreten Auch wird erwartet dass tropische Wir-belstuumlrme in der Karibik und in Suumldasien sowie heftige Winterstuumlrme uumlber Europa in Zukunft mehr Zerstoumlrun-gen anrichten werden49

33 Anstieg des MeeresspiegelsAussagen uumlber den Meeresspiegelanstieg der Zukunft sind mit groszligen Unsicherheiten behaftet Die Modell-projektionen des IPCC ergeben einen Meeresspiegelan-stieg bis zum Jahr 2100 um 18 bis 59 cm je nach Szena-rio und Modell Nicht enthalten ist darin allerdings die Gefahr eines Abrutschens des groumlnlaumlndischen Eisschilds oder des Eispanzers der Westantarktis Dadurch koumlnn-te der Meeresspiegelanstieg deutlich houmlher ausfallen Insbesondere neuere Daten lassen die Vermutung auf-kommen dass der Meeresspiegel schneller reagieren koumlnnte als noch 2007 in den Klimamodellen des IPCC aufgezeigt Seit Anfang der 1990er Jahre ist der Mee-resspiegel jaumlhrlich um 33 mm gestiegen knapp doppelt so schnell wie im Durchschnitt des 20 Jahrhunderts und vom IPCC vorhergesagt (19 mmJahr)50

Diese Ergebnisse zeigen dass die tatsaumlchliche Entwick-lung des Meeresspiegels mittlerweile die pessimistisch-sten Projektionen des IPCC von 2007 uumlbertrifft (siehe Abbildung 11) Im Kontext der signifikanten Beschleuni-gung des Anstiegs wird eines immer deutlicher Je houmlher die Temperaturen steigen umso schneller erhoumlht sich auch der Wasserpegel Vor diesem Hintergrund kommen neuere Studien die die Korrelation von Temperatur und Meeresspiegelanstieg im 20 Jahrhundert in die Zukunft projizieren und dabei sowohl die thermische Ausdeh-nung des Wasserkoumlrpers als auch die Dynamik der gro-szligen Eisschilde beruumlcksichtigen zu einer anderen Aussa-ge Selbst bei einem relativ niedrigen Emissionsszenario mit einer Erwaumlrmung um zwei Grad Celsius bis Ende des 21 Jahrhunderts wird der Meeresspiegel wahrscheinlich um mehr als einen Meter ansteigen Bei ungebremsten Emissionen und einem Temperaturanstieg von mehr als vier Grad Celsius gegen 2100 koumlnnte der Anstieg sogar mehr als 140 cm betragen Werden saumlmtliche Emissions-szenarien und die geschaumltzten Unsicherheiten beruumlck-sichtigt ergeben sich Werte zwischen 75 und 190 cm51 Bereits der Anstieg um einen Meter wuumlrde ndash ohne ent-sprechende Schutzmaszlignahmen ndash in Bangladesch und Vietnam ca 3 Millionen bzw 25 Millionen Hektar Land-flaumlche uumlberfluten In Bangladesch wuumlrden dadurch ca 15-20 Millionen Menschen vertrieben in Vietnam etwa 10 Millionen Menschen52

Der Meeresspiegelanstieg wird dabei an den Kuumlsten der Erde unterschiedlich ausfallen Erstens steigt der abso-lute Meeresspiegel nicht uumlberall gleich da ein regional unterschiedlicher Temperaturanstieg eng verknuumlpft mit Veraumlnderungen der Meeresstroumlmungen die Neigung der Meeresoberflaumlche beeinflusst Zweitens hebt oder senkt sich auch das Land an manchen Kuumlsten An den deutschen Nordseekuumlsten beispielsweise werden beide Effekte dazu beitragen dass der Meeresspiegel mehr als im globalen Mittel ansteigt Entscheidend ist allerdings

46 Hegerl CG et al 200647 IPCC 2007a48 IPCC 2007a

49 IPCC 2007a50 Beckley D et al 2007

51 Vermeer M und S Rahmstorf 200952 Conisbee M und A Simms 2003

28

Abb 11 Beobachteter Meeresspiegelanstieg seit 1975

auch dass der Anstieg nicht mit Erreichen des Jahres 2100 aufhoumlren wird selbst wenn wir den Anstieg der Erwaumlrmung bis dahin gestoppt haben sollten In diesem Zusammenhang erwartet der WBGU fuumlr ein moderates Erwaumlrmungsszenario einen Anstieg um ca 300-500 cm bis zum Jahr 230053

34 Kipp-Elemente des Klima-systems und ihre Folgen

Bisher wurden in dieser Publikation als Folge der Erwaumlr-mung vergleichsweise kontinuierliche und langsame Entwicklungen betrachtet auf deren Konsequenzen sich die betroffenen Staaten der Erde vergleichsweise ein-fach einstellen und dementsprechend reagieren und sich anpassen koumlnnen Allerdings belegen die Klimadaten der Erdgeschichte dass auf dem Planeten Erde nicht immer alles glatt und in geregelten Bahnen verlaumluft Das Klima-system der Erde ist ein komplexes nichtlineares System Bereits kleine Stoumlrungen koumlnnen ploumltzliche und tiefgrei-fende Auswirkungen haben selbst wenn die Triebkraumlfte des Klimawandels ndash menschverursachte Treibhausgase ndash gleichmaumlszligig und stetig ansteigen

Die menschliche Hochzivilisation der letzten 10000 Jahre entstand in einer Phase ungewoumlhnlicher Klimasta-

bilitaumlt Diese Stabilitaumlt war eine der grundlegenden Be-dingungen dafuumlr dass menschliche Hochkulturen ent-standen sind Ob sich die Menschheit in Zukunft weiter auf stabile Klimaverhaumlltnisse verlassen kann ist unge-wiss Denn innerhalb des Klimasystems gibt es Regime und Prozesse die besonders empfindlich auf Klimaveraumln-derungen reagieren Diese sogenannten Kipp-Elemente koumlnnten durch den Klimawandel derart gestoumlrt werden dass sie einen bestimmten Temperaturschwellenwert uumlberschreiten und in der Folge in einen grundlegend an-deren Zustand bdquokippenldquo Ein solches Umkippen koumlnnte bei einigen Kipp-Elementen schon bei einem Tempera-turanstieg von 2-3 degC gegenuumlber dem vorindustriellen Niveau eintreten54 Viele Wissenschaftler halten es da-her fuumlr notwendig den mittleren globalen Temperatur-anstieg auf unter zwei Grad gegenuumlber vorindustriellem Niveau zu begrenzen um einen in groszligem Maszligstab ge-faumlhrlichen Klimawandel zu vermeiden (siehe Info-Kasten 3 S 29)55 Dabei liegt die Temperatur heute um 08 degC uumlber dem vorindustriellen Niveau Weitere 06 bis 09 degC sind durch die verzoumlgerte Reaktion des Klimasystems auf bereits ausgestoszligene Treibhausgase vorprogram-miert Es ist also houmlchste Zeit eine Trendumkehr bei den Emissionen einzuleiten und den so genannten Peak der Emissionen herbeizufuumlhren

Mittlerweile liegt der beobachtete Meeresspiegelanstieg uumlber den IPCC-Projektionen Quelle WBGU 2006

SatellitenmessungenLinearer TrendIPCC-Szenarien

Unsicherheitsbereich der IPCC-Szenarien

Mee

ress

pieg

elan

stie

g (c

m)

1995 2000 2005

Jahr

5

4

3

2

1

0

53 WBGU 200654 Kriegler E et al 200955 WBGU 2007

29

Info-Kasten 3 Zwei Grad und nicht mehr

Die Klimaforschung ist sich einig dass der globale Temperaturmittelwert nicht um mehr als zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit steigen darf um einen gefaumlhrlichen Klimawandel zu verhin-dern Diese Zwei-Grad-Leitplanke laumlsst sich auf viel-faumlltige Weise wissenschaftlich untermauern

Waumlhrend der gesamten Entwicklungsgeschichte des modernen Menschen und der Entstehung von Hochkulturen haben zu keinem Zeitpunkt auf glo-baler Ebene houmlhere Temperaturen geherrscht als vorindustrielles Niveau plus zwei Grad Sollten die Temperaturen nun uumlber zwei Grad hinaus anstei-gen so wird es fuumlr den uumlberwiegenden Teil der Weltgemeinschaft aufgrund seiner landwirtschaft-lichen und infrastrukturellen Abhaumlngigkeiten sehr schwierig bis unmoumlglich mit der dann drohenden Beschleunigung des Klimawandels Schritt zu halten

Zusaumltzlich nimmt die Gefahr selbstverstaumlrkender Ruumlckkopplungen und das Risiko des Umkippens von Kipp-Elementen im Klimasystem ab einem Temperaturanstieg uumlber zwei Grad deutlich zu

Auch aus der Analyse geowissenschaftlicher Daten ergibt sich ein sofortiger Handlungsdruck zur Stabilisierung der globalen Temperatur auf unter zwei Grad Eine um drei Grad waumlrmere Erde mit einer at-mosphaumlrischen CO2-Konzentration von uumlber 400ppm gab es zuletzt vor rund drei Millionen Jahren waumlh-rend des Pliozaumlns Damals war die Nordhemisphaumlre nahezu eisfrei und der Meeresspiegel mindestens sieben Meter houmlher als heute Fuumlnf Grad waumlrmere Temperaturen 800ppm CO2 in der Atmosphaumlre und einen 70 Meter houmlheren Meeresspiegel als heute ndash das gab es vor rund 40 Millionen Jahren Sollte es der Weltgemeinschaft nicht gelingen den CO2-Gehalt in der Atmosphaumlre auf unter 450ppm und die Temperatur auf unter zwei Grad zu stabilisieren so droht der Erde langfristig ein Klimaregime wie vor etwa drei Millionen im schlimmsten Fall sogar wie vor etwa 40 Millionen Jahren Viele der heuti-gen Kuumlstenzonen waumlren dann uumlberschwemmt die kontinentalen Gletscher und polaren Eisschilde ver-schwunden fruchtbare Boumlden ausgetrocknet und mehrere Milliarden Menschen auf der Flucht vor extremen Wettereignissen

Die Wahrscheinlichkeit die Zwei-Grad-Leitplanke zu verfehlen steigt mit der Houmlhe der atmosphaumlrischen CO2-Konzentration Um einen gefaumlhrlichen und in vielerlei Hinsicht unbeherrschbaren Klimawandel zu vermeiden muumlssten die globalen Emissionen inner-halb der naumlchsten 4-10 Jahre zu ihrem Houmlhepunkt gelangen und anschlieszligend weltweit um 80 Prozent bis 2050 gesenkt werden

Jedoch bedeutet das Einhalten der Zwei-Grad-Leit-planke nicht fuumlr alle Laumlnder und Oumlkosysteme eine sichere Welt Daher fordern die verletzlichsten Staaten eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 15 Grad (siehe auch Kapitel zu Klimapolitik S 51ff)

Die Karte der Kipp-Elemente (Seite 30) verleiht einen Uumlberblick uumlber Groszligrisiken deren Eintritts-wahrscheinlichkeit jenseits eines bestimmten Tem-peraturanstiegs ndash des jeweiligen Kipp-Punkts ndash deut-lich erhoumlht wird (siehe Abbildung 12)56 Wuumlrden diese Schwellenwerte uumlberschritten koumlnnten ab-rupte starke und unwiderrufliche Veraumlnderungen einsetzen die durch ihre direkten sowie indirek-ten Folgen regional und auch global unzumutbare Schaumlden fuumlr Mensch und Natur erwarten lieszligen Diese Abschaumltzung betrifft u a die negativen Auswirkun-gen fuumlr Oumlkosysteme die Nahrungsmittelproduktion und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung Es koumlnnte sogar ein galoppierender Treibhauseffekt ausgeloumlst werden wenn sich diese Effekte durch ihre Wechselwirkungen gegenseitig aufschaukeln

Dabei gibt es auch Wechselwirkungen die das Tem-po des Klimawandels abbremsen koumlnnten Groszlige Unsicherheiten herrschen z B bei der Abschaumltzung der Rolle von Wolken Bisher sieht es allerdings so aus als sei die Wahrscheinlichkeit fuumlr positive (d h verstaumlrkende hier waumlrmende) Ruumlckkopplungen deutlich groumlszliger als die fuumlr negative Ruumlckkopplungen Einige ausgewaumlhlte Kipp-Elemente und ihre Konse-quenzen werden im Folgenden naumlher erlaumlutert

56 Schellnhuber HJ und C Jaumlger 2006

30

n Kollaps des groumlnlaumlndischen Eisschilds

Noch in seinem letzten Bericht vermutete der IPCC einen sehr langsamen und uumlber tausend Jahre waumlhren-den Schmelzprozess auf Groumlnland als Reaktion auf den weltweiten Temperaturanstieg der vergangenen 130 Jahre Allerdings wurde diese Einschaumltzung nun wider-legt Das Gleichgewicht zwischen Schneeakkumulation (Niederschlaumlge) und Schneeablation (Schmelzen an der Ober- und Unterseite Abfluss ins Meer) scheint auf Groumlnland vor allem innerhalb der letzten Jahrzehnte dramatisch aus der Balance gebracht worden zu sein (siehe Kapitel 2) Zwar ist der Verlust immer noch ge-ring im Verhaumlltnis zur Gesamtmasse doch sollten sich die aktuellen Schmelzprozesse fortsetzen koumlnnte auf Groumlnland der bdquoKipp-Punktldquo erreicht werden jenseits dessen der Abschmelzprozess explosiv schnell ablaumluft Modellrechnungen haben ergeben dass schon bei ei-nem lokalen Temperaturanstieg von etwa 2-4 Grad (ent-spricht etwa 1-2 Grad global) fuumlr Groumlnland der Punkt uumlberschritten werden koumlnnte ab dem ein womoumlglich stark beschleunigt ablaufender Schmelzprozess des

groumlnlaumlndischen Eispanzers ausgeloumlst werden koumlnnte57 Dieser Vorgang waumlre irreversibel da der wegfallende Albedo-Effekt die Aufheizung der Atmosphaumlre massiv verstaumlrken und die Erholung des Eisschildes nur uumlber sehr lange Zeitraumlume erfolgen koumlnnte Der Abschmelzprozess wuumlrde sich dann vermutlich uumlber mehrere Jahrhunderte (300-1000 Jahre) hinziehen und insgesamt zu einem globalen Anstieg des Meeresspiegels von sieben Metern fuumlhren58 Flache Inseln wie die Malediven verschwaumln-den dann voumlllig Kuumlstenregionen wie etwa die groszligen Flussdeltas des Nil oder des Ganges in denen ein Groszligteil der jeweiligen Landesbevoumllkerung lebt muumlss-ten aufgegeben werden ganze Landstriche waumlren dem sicheren Untergang geweiht

n Kollaps des Amazonas-Regenwaldes

Das moumlgliche Umkippen des Amazonas-Regenwaldes in eine Savannenvegetation ist ein weiteres Groszligrisiko im Klimasystem Dadurch koumlnnte die Region die bis-lang viel CO2 bindet ploumltzlich in enormem Ausmaszlig das Treibhausgas freisetzen Dabei verstaumlrken sich drei

Abschmelzen des groumlnlaumlndischen Eisschilds aufgrund nichtlinearer Abschmelzprozesse und weitere Erwaumlrmung durch Albedo-Effekt

Kollaps des arktischen Meereises und Verschaumlrfung der Erwaumlrmung durch Albedo-Effekt Methanfreisetzung durch

Auftauen des sibirischen Permafrostbodens und weitere Erwaumlrmung

Kollaps der borealen Nadelwaumllder und weitere Erwaumlrmung durch Freisetzung von CO2

Bistabilitaumlt des Indischen Sommermonsuns Abschwaumlchung aufgrund von Luftverschmutzung oder Verstaumlrkung durch globale Erwaumlrmung

Kipp-Punkt vor allem von Albedo abhaumlngig nicht von Temperatur

Unterbrechung der arktischen Nahrungskette und massives Korallen-sterben im Pazifik durch Versauerung und Erwaumlrmung

Bistabilitaumlt der Sahel-Zone zuerst Ergruumlnung dann deutlich trockener

Verlangsamung des Nordatlantikstroms aufgrund von erhoumlhtem Schmelzwassereintrag

Abschmelzen des west-antarktischen Eisschilds aufgrund nichtlinearer Abschmelzprozesse

HeftigereEl-Nintildeo-Ereignisse

Kollaps des Amazonas-Regen-walds aufgrund von Land-nutzung und Klimawandel und weitere Erwaumlrmung durch Umkehr der Senkenfunktion

El-Nintildeo

Westantarktis

Sahel-Zone

Nordatlantikstrom

Amazonas-Regenwald

Indischer Sommermonsun

ArktisGroumlnland Permafrost

Nordische Waumllder

Meere

0 degC 1 degC 2 degC 3 degC 4 degC 5 degC 6 degC

Kipp-Elemente gelten als die Achillesfersen des Klimasystems Sollten sie umkippen droht ein gefaumlhrlicher Klima-wandel Quelle Eigene Darstellung nach Lenton T et al 2008

Abb 12 Kipp-Elemente mit Temperaturschwellen (gegenuumlber 1880) die in diesem Jahrhundert angestoszligen werden koumlnnten

57 Kriegler E et al (2009)58 Polyakov I et al 2002

31

Faktoren wechselseitig 1 die Austrocknung durch einen uumlberproportionalen Temperaturanstieg 2 menschliche Aktivitaumlten wie Landnutzungswandel und Abholzung sowie 3 ein eventuelles zukuumlnftiges Ausbleiben des natuumlrlichen Naumlhrstofftransports durch Sandstuumlrme aus der afrikanischen Sahelzone nach Brasilien Viele Beobachter fragen sich seit der extremen Trockenheit im Amazonasgebiet im Jahr 2004 besorgt ob dies erste Vorzeichen eines solchen Prozesses sein koumlnnten So kommt eine Studie amerikanischer Wissenschaftler zu dem Ergebnis dass nach mehr als zwei Jahren extremer Trockenheit viele Baumlume so stark angegriffen sind dass sie beginnen abzusterben59

Ein Umkippen des Amazonas-Regenwaldes haumltte dras-tische Konsequenzen fuumlr die Artenvielfalt sowie die Lebens situation vieler Millionen Menschen in Suumldame-rika und wuumlrde zudem den globalen Treibhauseffekt durch den Ausstoszlig groszliger Mengen an CO2 weiter an-heizen

Der Amazonas-Regenwald ist nur ein Beispiel fuumlr Oumlkosysteme die vom Klimawandel betroffen sind Die Erwaumlrmung die Verschiebung der Klimazonen sowie der zusaumltzliche Stress durch menschliche Aktivitaumlt gefaumlhr-den zahlreiche Systeme und Arten (siehe auch Kapitel 41)

n Bistabilitaumlt des Indischen Monsuns

In den vergangenen zwei Jahren wird auch verstaumlrkt diskutiert wie sich der Indische Monsun durch den Kli-mawandel veraumlndern koumlnnte In fruumlheren Jahren brach-te er in jedem Jahr relativ verlaumlssliche Niederschlaumlge doch dieser Rhythmus scheint zunehmend an Kontinui-taumlt zu verlieren Ungewoumlhnliche Schwankungen haben in den letzten 30 Jahren in ganz Indien immer wieder zu katastrophalen Hungersnoumlten und verheerenden Uumlber-schwemmungen gefuumlhrt

Mittlerweile werden durch das Zusammenspiel von Kli-mawandel und Abstrahlungsveraumlnderungen (Verhaumlltnis von einfallender Strahlung und Abstrahlung = Albedo) aufgrund von Landnutzungsaumlnderungen und vor allem Luftverschmutzung sowohl eine starke Abschwaumlchung wie auch eine Verstaumlrkung der Niederschlaumlge bzw sogar ein Aufeinanderfolgen dieser Prozesse im Sinne eines Achterbahn-Szenarios fuumlr moumlglich gehalten60 Der Be-griff Bistabilitaumlt bezeichnet in diesem Fall die Situation dass das Indische Monsunsystem an bestimmten Ver-zweigungspunkten zwei sehr gegensaumltzliche Zustaumlnde einnehmen koumlnnte Einer fuumlhrt zu uumlbermaumlszligig starken Niederschlaumlgen der andere zu extremer Trockenheit Bereits heute weiszlig man dass schon eine vergleichs-weise geringe Abweichung von zehn Prozent vom durchschnittlichen Monsunniederschlag schwerwiegen-

de Duumlr ren oder Uumlberschwemmungen ausloumlsen kann Ein schwacher Sommermonsun z B kann zu Ernteeinbruuml-chen Nahrungsmittelknappheit Hunger Verschuldung und Armut der laumlndlichen Bevoumllkerung fuumlhren die zwei Drittel der 13 Mrd Bewohner Indiens ausmacht

n Bistabile Entwicklung in der Sahelzone

Eine bistabile Entwicklung wie fuumlr den Indischen Som-mermonsun wird auch fuumlr die Sahelzone fuumlr moumlglich gehalten Bis zur Mitte des 20 Jahrhunderts erlitt nur etwa ein Viertel des Gebiets ernsthafte Duumlrren Zwi-schen 1970 und 1999 gab es dann eine 20-prozentige Abnahme der Niederschlagsmenge so dass schon die Haumllfte der Region von ernsthaften Duumlrren betroffen war Mittlerweile wird ein enger Zusammenhang zwi-schen dem Niederschlagsruumlckgang und der deutlichen Temperaturerhoumlhung im Indischen Ozean die auf den menschgemachten Treibhauseffekt zuruumlckgefuumlhrt wird gesehen61 Dieser hat zu Veraumlnderungen beim Indischen Monsun gefuumlhrt der die Niederschlagsverhaumlltnisse in Afrika entscheidend beeinflusst Bei einer globalen Er-waumlrmung um 25 degC in den naumlchsten Jahrzehnten wird noch innerhalb dieses Jahrhunderts mit einer Veraumlnde-rung der Niederschlagsbedingungen in Richtung deut-lich haumlufigerer und staumlrkerer Niederschlaumlge in der Sa-helzone gerechnet62 Ein Modell das die Vergangenheit besser als die meisten anderen Modelle abbildet geht allerdings davon aus dass ab einem Verzweigungspunkt Mitte des Jahrhunderts wieder deutlich trockenere Klim-abedingungen folgen koumlnnten noch deutlich regen - aumlrmer als zur Zeit der groszligen Sahel-Duumlrre vor einigen Jahrzehnten

59 Mongabay 200660 Zickfeld et al 2005

61 Flannery 200662 Nyong 2006

32

Uumlberschwemmungen in Folge von schweren Unwettern zerstoumlren immer wieder das Hab und Gut von Millionen armer Menschen weltshyweit Sie sind diesen Gefahren haumlufig schutzlos ausgeliefert

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33

Die Auswirkungen des Klimawandels werden regional unterschiedlich ausfallen Obwohl die Industrielaumlnder gegenwaumlrtig fuumlr den groumlszligten Anteil der Erderwaumlrmung verantwortlich sind sind es die Aumlrmsten der Welt die die Auswirkungen des Klimawandels schon heute als erstes und am staumlrksten spuumlren und kuumlnftig noch drastischer darunter leiden werden Waumlhrend der Energieverbrauch in den Industrie- und Schwellen-laumlndern auf hohem Niveau verharrt bzw ansteigt haben rund 15 Milliarden Menschen bzw 22 Prozent der Weltbevoumllkerung keinen Zugang zu elektrischem Strom63 Stattdessen lei den sie schon heute erheb-lich unter Duumlrren Uumlber schwemmungen heftigeren Stuumlrmen und Trink was ser verknappung denn die Klima-wandelfolgen sind in aumlqua torialen Regionen wo viele Entwicklungslaumlnder liegen staumlrker Da sie zudem nur sehr begrenzte Kapazitaumlten haben um sich an diese klimatischen Veraumlnderungen anzupassen trifft sie der Klimawandel um ein Vielfaches staumlrker als die Industrienationen So koumlnnen sich die Niederlande bei-spielsweise bis zu einem gewissen Grad an den Anstieg des Meeresspiegels anpassen in Bangladesch sind hierzu jedoch die noumltigen finanziellen und technologi-schen Mittel wesentlichen knapper Dieses umgekehr-te Verhaumlltnis von Verantwortung fuumlr den Klimawandel und Gefaumlhrdung durch dessen Folgen wirft vieler-lei Fragen im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte auf

Im Folgenden soll zunaumlchst auf die Leidtragenden und die erwarteten Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Umwelt eingegangen werden um dann genauer die Verursacher des Klimawandels aufzuzeigen

41 Die Betroffenen des Klima-wandels Umwelt und Mensch

Welche Auswirkungen haben die in Kapitel 3 genann-ten Szenarien nun auf Mensch und Natur Wer sind die Betroffenen des Klimawandels Zu dieser Frage hat die Klimawissenschaft in juumlngster Zeit die meisten Erkenntnisse gesammelt

Unter der Annahme dass Klimaaumlnderungen in Zukunft nicht gemildert und die Anpassungsfaumlhigkeit durch engagierte Maszlignahmen nicht gefoumlrdert werden er-wartet der IPCC fuumlr das 21 Jahrhundert weitreichen-de Auswirkungen fuumlr verschiedene Erdsysteme und Sektoren die fuumlr Mensch und Umwelt relevant sind Einige Systeme Sektoren und Regionen werden beson-ders betroffen sein Eine Auswahl der wesentlichsten

Erkenntnisse des IPCC uumlber die erwarteten Auswirkun-gen auf Oumlkosysteme Ernaumlhrungs- und Wassersicherheit Gesundheit Wirtschaft und Sicherheit sowie die jewei-lige regionale Betroffenheit aufgrund eines zukuumlnftigen Klimawandels bis 2100 wird im Folgenden dargestellt (siehe Abbildung 13)64

n Oumlkosysteme

Viele Oumlkosysteme sind durch menschliche Einfluumlsse z B Landnutzungsaumlnderungen Verschmutzung und Uumlbernutzung natuumlrlicher Ressourcen ohnehin schon stark gestoumlrt (siehe auch Kapitel 22) Durch die bisher einmalige Kombination dieser Stressfaktoren mit Klima-veraumlnderungen ist eine Verschaumlrfung der Situation und somit eine Uumlberlastung zahlreicher Oumlkosysteme noch in diesem Jahrhundert wahrscheinlich Die Auswirkungen auf die Organismen der Oumlkosysteme sowie deren Re-aktionen werden allerdings unterschiedlich sein Einige Pflanzen und Tiere werden sich auf veraumlnderte Lebens-bedingungen einstellen koumlnnen Fuumlr viele Lebensge-meinschaften jedoch laufen die Veraumlnderungen durch den Klimawandel zu schnell ab um sich beispielsweise durch Abwanderung in Richtung der Pole oder in houmlhere Lagen anzupassen so dass in Zukunft bestehende Syste-me zergliedert Arten getrennt und Funktionsketten un-terbrochen werden Als besonders stark bedroht gelten polare und alpine Oumlkosysteme boreale und tropische Waumllder Korallen sowie Mangrovenwaumllder

Eine Temperaturerhoumlhung um 2 bis 3 degC uumlber dem vor-industriellen Niveau wird die Anpassungsfaumlhigkeit vieler Oumlkosysteme uumlbersteigen und zu gravierenden Veraumlnde-rungen in Struktur und Funktionsweise oumlkologischer Le-bensgemeinschaften sowie der oumlkologischen Interaktio-nen und geographischen Verbreitung von Arten fuumlhren Im Durchschnitt koumlnnten zukuumlnftig 20 bis 30 Prozent der houmlheren Pflanzen- und Tierarten dem Tempo der Veraumln-derungen nicht folgen und waumlren von einem erhoumlhten Aussterberisiko bedroht In manchen Regionen wird das Risiko sogar auf 80 Prozent eingeschaumltzt65 Viele ende-mische Arten koumlnnten verdraumlngt bzw vom Aussterben bedroht werden Andere aus anderen Regionen einwan-dernde Arten koumlnnten sich unter den veraumlnderten Be-dingungen staumlrker ausbreiten

Insbesondere die fortschreitende Versauerung der Oze-ane koumlnnte in Verbindung mit der Erwaumlrmung erheb-liche Negativfolgen fuumlr viele marine schalenbildende Lebewesen (vor allem Korallen) aber auch Salzmarschen und Mangroven und die von ihnen abhaumlngigen Tier- und Pflanzenarten haben Sollten die Meerestemperatu-

4 bdquoOpferldquo des Klimawandels

63 IEA 200964 Sofern nicht anders gekennzeichnet sind alle hier dargstellten Ergebnisse dem 4 IPCC-Bericht bdquoKlimaaumlnderungen 2007

Auswir kungen Anpassung Verwundbarkeitenldquo entnommen65 IPCC 2007b

34

ren zwischen 1 und 3 degC ansteigen und gleichzeitig die Versauerung der Ozeane zunehmen erwartet der IPCC eine weitreichende Korallenbleiche und groszligraumlumiges Absterben Ab 3 degC droht ein 30-prozentiger Verlust der weltweiten Kuumlstenfeuchtgebiete66

n Wasserknappheit und ungesicherte Was-serversorgung

Derzeitig haben rund 12 Mrd Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser Diese Situation wird sich durch die Effekte des Klimawandels verschlimmern Mit hoher

Wahrscheinlichkeit werden sich der mittlere Jahresab-fluss und die Wasserverfuumlgbarkeit in den hohen Breiten sowie in einigen tropischen Feuchtgebieten um 10-40 Prozent bis zum Ende des Jahrhunderts erhoumlhen In den mittleren Breiten und trockenen Tropen wo Wasser-mangel schon heute ein groszliges Problem darstellt wird sich die Lage dagegen voraussichtlich noch verschlech-tern Hier werden sich steigende Temperaturen dras-tisch auf die Niederschlagsverhaumlltnisse auswirken und in einer signifikanten Abnahme von Abfluss und Wasser-verfuumlgbarkeit um bis zu 30 Prozent kumulieren was in vielen Regionen zu akuter Wasserknappheit fuumlhren wird Schon bei einem Temperaturanstieg von unter 2 degC ist

Mit steigender Temperatur erhoumlhen sich auch die Risiken fuumlr Mensch und UmweltQuelle WBGU 2007 nach Stern 2006

Abb 13 Erwartete Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme Wasser- und Ernaumlh-rungssicherheit Gesundheit und Wirtschaft bei unterschiedlicher Erwaumlrmung (im Vgl zu 1880)

Nahrungsmittel

Wasser

Oumlkosysteme

Wetterextreme

Risiko eines schnellenKlimawandels und groszligerirreversiblen Auswirkungen

Endguumlltige Temperaturaumlnderung (im Vergleich zum vorindustriellen Niveau)0 degC 1 degC 2 degC 3 degC 4 degC 5 degC

Kleine Berggletscherverschwinden weltweit ndashpotenzielle Bedrohung derWasserversorgung in mehrerenRegionen

Erhebliche Aumlnderungen der Wasserverfuumlgbarkeit

Uumlber 30 Abnahme desOberflaumlchenabflusses in der Mittelmeerregion und imsuumldlichen Afrika

Meeresspiegelanstieg bedrohtgroszlige Staumldte wie London ShanghaiNew York Tokio oder Hong Kong

Korallenriffoumlkosystemeweitgehend und schlieszliglichirreversibel geschaumldigt

Moumlglicher Beginn desZusammenbruchs von Teilenoder des ganzen Amazonas-Regenwaldes

Groszliger Anteil von Oumlkosystemen die ihre derzeitige Gestalt nicht bewahren koumlnnen

Viele Arten vomAussterben bedroht

Steigende Intensitaumlt von Stuumlrmen Waldbraumlnden Duumlrren Uumlberflutungen und Hitzewellen

Bereits geringe Zunahme derHurrikanintensitaumlten verursacht Verdopplung der Schadenskosten in den USA

Gefahr einer Schwaumlchung der natuumlrlichen Kohlenstoffsenken und der atlantischenthermohalinen Zirkulation moumlgliche Zunahme der Freisetzung natuumlrlichen Methans

Beginn irreversiblen Schmelzensdes Groumlnland-Eisschilds

Erhoumlhtes Risiko von abrupten groszligen Verschiebungenim Klimasystem (zB Zusammenbruch der atlantischen thermo-halinen Zirkulation oder des westantarktischen Eisschilds)

Schwerwiegen-de Auswirkungenin der Sahel-Region

Steig Ernteertraumlge in entwickeltenLaumlndern in hohen Breitengradenbei starkem CO2-Duumlngeeffekt

Ruumlckgang der Ertraumlge in vielen entwickeltenRegionen selbst bei starkem CO2-Duumlngeeffekt

Sinkende Ernteertraumlge in vielen Entwicklungsregionen

Steigende Zahl der von Hungerbedrohten Menschen Staumlrkste Zunahmein Afrika und Westasien

Starker Ruumlckgang der Ernteertraumlgein ganzen Regionen (zB bis zu einem Drittel in Afrika)

66 IPCC 2007b

35

davon auszugehen dass bis zu 15 Milliarden Menschen zusaumltzlich von Wasserknappheit betroffen waumlren Zwar sind Verbesserungen hinsichtlich Wasserverbrauchs- und Speicherungstechniken zu erwarten dennoch wird der Klimawandel einen starken Einfluss auf die Wasser-verfuumlgbarkeit und -qualitaumlt haben Besonders bedroht sind Regionen die vom Schmelzwasser groszliger Gletscher abhaumlngig sind und in denen bis zum Ende des Jahrhun-derts mit einer deutlichen Abnahme der in der Eisdecke gespeicherten Wasserreserven gerechnet wird (z B Indien Pakistan Peru) In diesem Zusammenhang gilt eine flaumlchenmaumlszligige Ausweitung von Gebieten die von Trockenheit und Duumlrre betroffen werden in Zukunft als wahrscheinlich Auch prognostiziert der IPCC eine Zu-nahme schwerer Niederschlagsereignisse infolge derer sich auch das Uumlberschwemmungsrisiko vieler Regionen erheblich erhoumlhen wird

n Agrarproduktion und Ernaumlhrungssicherung

Gegenwaumlrtig gelten fast 900 Millionen Menschen als unterernaumlhrt Das Klima ist fuumlr die Nahrungsmittelpro-duktion neben anderen ein wesentlicher Faktor Sowohl die Temperatur aber auch der CO2-Gehalt der Luft be-einflussen die landwirtschaftlichen Ernteertraumlge Die Reaktion landwirtschaftlicher Systeme insgesamt auf Klimaveraumlnderungen wird u a bestimmt durch Tempe-ratur Niederschlag CO2-Duumlngeeffekt und soziooumlkono-mische Rahmenbedingungen wie Marktzugang Techno-logie oder die Verfuumlgbarkeit von Ressourcen die fuumlr die Anpassung notwendig sind67

In den mittleren bis hohen Breiten wird bis zu einem Anstieg der globalen Temperatur auf 3 degC ndash je nach Nutz-pflanzenart ndash eine leichte Zunahme der Ernteertraumlge jedoch ohne Steigerung der Qualitaumlt projiziert ab die-ser Temperaturschwelle jedoch eine Abnahme

In den niederen Breiten und insbesondere in saisonal trockenen Tropengebieten wird selbst bei geringer Er-waumlrmung mit einer Abnahme der Ernteertraumlge gerech-net Verschaumlrfen koumlnnte sich die Situation noch durch eine ebenfalls erwartete Zunahme von wetterbedingten Extremereignissen wie bspw Duumlrren und Uumlberschwem-mungen Ein erhoumlhtes Hungerrisiko waumlre die Folge

Der Klimawandel birgt vielerorts auszligerdem Risiken fuumlr die landwirtschaftliche Produktion die zwar nicht der Ernaumlhrungssicherung im eigenen Land dient aber fuumlr den Export bestimmt ist und damit eine wichtige Einnah-mequelle darstellt Beispielsweise ist bei einem Tempe-raturanstieg von 2 degC zu befuumlrchten dass in Uganda nur noch auf einem sehr kleinen Teil der Landesflaumlche der Anbau von Kaffee ndash Exportgut Nummer eins ndash moumlglich sein wird68

n Gesundheit

Durch den Klimawandel drohen nicht nur steigende Meeresspiegel oder abnehmende Getreideertraumlge houml-here Temperaturen erhoumlhen auch gesundheitliche Risi-ken Zwar koumlnnte eine gewisse Erwaumlrmung vor allem in Gebieten der gemaumlszligigten Breiten einige Vorteile fuumlr die Gesundheit mit sich bringen wie z B einen Ruumlckgang der Kaumlltetodesfaumllle waumlhrend der Wintermonate Insge-samt wird jedoch im Zuge des Klimawandels mit einer erheblichen Beeintraumlchtigung des Gesundheitszustands von Millionen von Menschen gerechnet Besonders be-troffen sind Personen die bereits gesundheitlich vorbe-lastet sind (Alte Kinder u a auch in Industrielaumlndern) und sich nur schwer vor Krankheiten schuumltzen koumlnnen (vor allem Arme und Hungernde in den Entwicklungslaumln-dern) Klimaveraumlnderungen koumlnnen dabei das Risiko fuumlr die Gesundheit auf direkte und indirekte Weise beein-flussen Extremwetterereignisse werden direkt zu einer Zunahme von Todesfaumlllen Krankheiten und Verletzun-gen durch Hitzewellen Uumlberschwemmungen Stuumlrme und Duumlrren auch in Industrielaumlndern fuumlhren

Noch viel bedeutender als die direkten Einfluumlsse sind jedoch die indirekten Auswirkungen Bei einer weiteren Erwaumlrmung koumlnnten sich viele ndash teilweise toumldlich ver-laufende ndash Infektionskrankheiten wie Malaria Dengue-fieber oder auch Uumlbertraumlger anderer Infektionen weiter verbreiten als bisher Hitze und Trockenheit aber auch Stuumlrme und Fluten fuumlhrten zu Ernteverlusten die Man-gelernaumlhrung zu einem noch groumlszligeren Problem werden lieszligen

n Wirtschaft

Auch wenn Aussagen uumlber die Abschaumltzung der Folge-kosten eines ungebremsten Klimawandels mit groszligen Unsicherheiten behaftet sind so schaumltzt das Deutsche Institut fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) dennoch dass bis Mitte des Jahrhunderts ohne ernsthaften Klima-schutz Schaumlden in Houmlhe von 200 Billionen US-Dollar zu erwarten sind69 Auch der 2006 erschienene britische Stern-Report zur Oumlkonomie des Klimawandels kommt zu einem aumlhnlichen Ergebnis Bei Tatenlosigkeit koumlnn-ten die Schaumlden des Klimawandels infolge von Stuumlrmen Uumlberschwemmungen Hitzewellen und Duumlrren zwischen 5 und 20 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts kosten und die Weltgemeinschaft in eine tiefgreifende Rezession stuumlrzen Industrielaumlnder waumlren dann eben-so betroffen wie Entwicklungslaumlnder Touristen wuumlr-den ausbleiben landwirtschaftliche Ertraumlge vor allem in vielen Entwicklungslaumlndern unsicherer werden und die versicherten Schaumlden auch in den Laumlndern des Nor-dens erheblich ansteigen Auch wenn es natuumlrlich auch Regionen gaumlbe die von einem Temperaturanstieg pro-fitierten70 wuumlrden die negativen Auswirkungen beim

67 ECFPIK 2004 68 Simonett O 198969 Kemfert C 2004

70 Beispielsweise wird in den Laumlndern der houmlheren Breiten (z B Skandinavien) mit einer erhoumlhten Pflanzenproduktivitaumlt gerechnet die zu besseren Ernten fuumlhren kann

36

UmweltbedingteMigration

Konfliktkonstellationen in ausgewaumlhlten Brennpunkten

Klimabedingte Zunahme vonSturm- und Flutkatastrophen

Klimabedingte Degradationvon Suumlszligwasserressourcen

Klimabedingter Ruumlckgangder Nahrungsmittelproduktion

Brennpunkt

UmweltbedingteMigration

Konfliktkonstellationen in ausgewaumlhlten Brennpunkten

Klimabedingte Zunahme vonSturm- und Flutkatastrophen

Klimabedingte Degradationvon Suumlszligwasserressourcen

Klimabedingter Ruumlckgangder Nahrungsmittelproduktion

Brennpunkt

Ausbleiben von Klimaschutz weltweit uumlberwiegen Effek - tive Klimaschutzmaszlignahmen dagegen waumlren mit jaumlhr-lichen Kosten von rund einem Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung vergleichbar gering71

n Gefaumlhrdung der Sicherheit

Ein ungebremster Klimawandel stellt eine ernstzuneh-mende Bedrohung fuumlr die humanitaumlre Sicherheit dar Neben der Energie(versorgungs)sicherheit ruumlckt in der Auszligenpolitik zunehmend auch die Klimasicherheit in den Fokus Diesen Begriff fuumlhrte die britische Auszligenminis-terin Beckett in die Debatte ein Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveraumlnde-rungen (WBGU) hat die vier klimabedingten Konflikt-konstellationen Nahrung Suumlszligwasser Sturm und Flut sowie Migration identifiziert die zur Destabilisierung oder gar zum Scheitern von Gesellschaften sowie zu In-stabilitaumlten und Unsicherheit im internationalen System fuumlhren koumlnnen Involviert sein koumlnnten regionale Grup-pen einzelne Laumlnder oder gar groumlszligere Laumlndergruppen Der WBGU sieht etwa den nordafrikanischen Raum die

Sahelzone das suumldliche Afrika Zentralasien die Laumln-dergruppe Indien Pakistan und Bangladesch sowie Chi-na als Regionen an in denen der Klimawandel ein neues Sicherheitsrisiko darstellen koumlnnte (siehe Abbildung 14) 72

Bei der Diskussion um die Auswirkungen des Klima-wandels auf die humanitaumlre Sicherheit geht es nicht ausschlieszliglich um die wachsenden Risiken bewaffneter Konflikte um Rohstoffe Vielmehr werden auch groszlige Risiken fuumlr wirtschaftliche Entwicklung soziale Gerech-tigkeit und Verteilungsgerechtigkeit andere Umwelt-guumlter Demokratisierung Abruumlstung Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit erwartet73 Angesichts des Sicherheitsrisikos Klimawandel bietet sich in erster Linie eine gemeinsam konzertierte praumlventive Strategie an militaumlrische Loumlsungen scheinen dagegen wenig sinnvoll

Im Umgang mit den potenziellen Konfliktverschaumlrfungen und neuen Konflikten bestehen verschiedene Moumlglich-keiten Potenzielle Konflikte duumlrfen nicht unterschaumltzt oder ignoriert sondern bereits in der Entstehung geloumlst werden So sollten sich anbahnende Differenzen fruumlh-

Insbesondere die Suumldhemisphaumlre ist von Sicherheitsrisiken im Rahmen des Klimawandels bedrohtQuelle WBGU 2007

Abb 14 Sicherheitsrisiken durch Klimawandel ausgewaumlhlte Brennpunkte

71 Stern N 200672 WBGU 200773 Annan 2005

37

zeitig erkannt und Kooperationen der beteiligten Partei-en gesucht werden bevor es zu einem Konflikt kommen kann Ein Beispiel hierfuumlr ist das Wassermanagement des Indus Pakistans groumlszligtem Fluss der aber zunaumlchst durch China und Indien flieszligt In einigen Jahrzehnten wird das sommerliche Wasservolumen des Indus durch das Schmelzen der Gletscher im Himalaya deutlich ab-nehmen und damit die Konkurrenz der ohnehin zerstrit-tenen Nachbarstaaten um das knappe zur Verfuumlgung stehende Wasser verschaumlrft Beansprucht Indien das wenige verbleibende Wasser des Indus allein fuumlr sich so stellt dies ein enormes Konfliktpoten zial dar Um einen ernsten Konflikt zwischen den beiden Atommaumlchten zu verhindern braucht es bereits heute eine strategisch ge-schickte Politik der Kooperation zwischen den vom Was-sermangel im Himalaya-Gebiet betroffenen Regionen

Die internationale Politik sollte sich in gleichem ernst-haften Maszlige der wachsenden Herausforderung klima-bedingter Migration annehmen Im Zuge der Klimaver-aumlnderung werden immer mehr Menschen aufgrund von Extremwetterereignissen Duumlrren und Wuumlstenausbrei-tung sowie des Meeresspiegelanstiegs gezwungen sein ihre Heimat zu verlassen Derzeit ist ihr voumllkerrechtlicher Schutz nicht gewaumlhrleistet

42 Regionale Betroffenheit

In einigen Regionen werden die Auswirkungen des Klimawandels staumlrker spuumlrbar werden als in anderen Entwicklungslaumlnder und arme Menschen insbesonde-re in Afrika und Asien sowie kleine Inselstaaten sind besonders betroffen Zum einen lebt der Groszligteil der Bevoumllkerung in Entwicklungslaumlndern unmittelbar von der Landwirtschaft ndash in Afrika sind dies ca 70 Prozent der gesamten Bevoumllkerung74 ndash und ist somit direkt von den Klima- und Wetterbedingungen abhaumlngig Klima-tische Veraumlnderungen haben deshalb oft verheerende Auswirkungen Ein zweiter wesentlicher Grund fuumlr die hohe Anfaumllligkeit gegenuumlber den Folgen des Klimawan-dels ist jedoch auch die Armut selbst So wird durch einen Mangel an Kapazitaumlten (technisch personell und finanziell) eine Anpassung an veraumlnderte Bedingungen und ein Schutz vor den aufgezeigten Risiken erschwert Klimawandel verschaumlrft Armut zerstoumlrt Lebensgrund-lagen und untergraumlbt Entwicklungsmoumlglichkeiten Al-lein im Zeitraum 2000-2004 waren jedes Jahr fast 300 Millionen Menschen von Naturkatastrophen betroffen ndash 98 Prozent davon in Entwicklungslaumlndern Waumlhrend in den entwickelten Laumlndern der OECD nur einer von 1500 Einwohnern durch eine Naturkatastrophe betroffen war lag das Risiko bei Einwohnern aus Entwicklungslaumlndern um den Faktor 79 houmlher ndash einer von 19 war betroffen (siehe Abbildung 15 S 38)75

Schaumltzungen zufolge koumlnnten bei einer ungebremsten globalen Erwaumlrmung im Jahr 2050 25 Millionen Men-schen durch Uumlberflutungen zwischen 180 und 250 Millionen Menschen durch Malaria und weitere 200 bis 300 Millionen Menschen durch Wasserknappheit be-droht sein76 Damit der Klimawandel nicht die Lebens-grundlage von Millionen von Menschen gefaumlhrdet und zu wirtschaftlichem Niedergang sozialer Erosion und Migrationsbewegungen fuumlhrt muss eine nachhaltige Armutsbekaumlmpfung auch als eine Schluumlsselstrategie bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels angese-hen werden77

n Afrika

Nach Einschaumltzungen des IPCC gilt Afrika aufgrund von Mehrfachbelastungen der unmittelbaren Abhaumlngigkeit von der Landwirtschaft und einer niedrigen Anpassungs-kapazitaumlt als einer der verwundbarsten Kontinente ge-genuumlber Klimaaumlnderungen78 Selbst in konservativen Szenarien wird in Afrika mit einem Anstieg der Tempe-ratur um 3-4 degC gegenuumlber der Periode 1980-1999 ge-rechnet79 Besonders hohe Temperaturen werden dabei im nordwestlichen und im suumldlichen Afrika erwartet Hinzu kommt dass die meisten Klimamodelle eine dras-tische Abnahme der Jahresniederschlaumlge fuumlr Afrika bis Ende des 21 Jahrhunderts voraussagen Auch in diesem Fall gelten die genannten Laumlnder Afrikas als besonders betroffen Um bis zu 30 Prozent koumlnnten demnach die Winterniederschlaumlge in Nordafrika zuruumlckgehen In Ost-afrika sowie in Teilen der Sahelzone wird hingegen mit einer Veraumlnderung in Richtung feuchterer Klimaregime gerechnet (siehe Abbildung 16 S 38)

Anders als in anderen landwirtschaftlichen Regionen der Welt gibt es in Afrika nur wenige Regionen in denen die Felder mit dem Wasser aus Fluumlssen oder Stauseen be-waumlssert werden Durch die projizierten Klimaaumlnderun-gen werden deshalb schwerwiegende Beeintraumlchtigun-gen der Nahrungsmittelsicherheit erwartet So schaumltzt man dass der Klimawandel schon in naumlchster Zukunft in einigen Laumlndern Nordafrikas das Risiko von trockenen Jahren in denen die auf Regenfeldbau basierenden land-wirtschaftlichen Ertraumlge um 50 Prozent zuruumlckgehen verstaumlrkt80 Dies wuumlrde die bereits kritische Situation in Afrika erheblich verschaumlrfen und die Unterernaumlhrung auf dem Kontinent verstaumlrken Dem IPCC zufolge werden in Regionen Afrikas suumldlich der Sahara bis 2020 zwischen 75 und 250 Millionen Menschen einem durch den Kli-mawandel verstaumlrkten Wasserstress ausgesetzt sein Verschlimmern koumlnnte sich diese Situation noch durch abnehmende Fischbestaumlnde als Folge von massiver Uumlberfischung verstaumlrkt durch steigende Wassertempe-raturen in Seen und Kuumlstenzonen

74 IPCC 2001b75 UNDP 200776 Parry M et al 2001

77 HarmelingBals 200778 IPCC 2007b

79 IPCC 2007b80 IPCC 2007b

38

n Asien

In fast allen Regionen Asiens wird mit einer deutlichen Erwaumlrmung weit oberhalb des globalen Mittelwerts gerechnet Auszliger in Suumldostasien wo ein Anstieg im Be-reich des globalen Mittelwertes erwartet wird koumlnnten sich die Temperaturen in den uumlbrigen Gebieten um bis zu 4 degC gegenuumlber dem Mittelwert von 1980-1999 erhouml-hen Als Folge waumlrmerer Temperaturen wird vor allem im Himalaya mit einer sich beschleunigt fortsetzenden Gletscherschmelze gerechnet Gletscherseeausbruumlche Uumlberschwemmungen Bergstuumlrze sowie erhebliche Trink wasserknappheit insbesondere in den groszligen Fluss einzugsgebieten koumlnnten sich auf mehr als eine Milliarde Menschen nachteilig auswirken

Entlang der sich veraumlndernden Temperaturmuster wer-den die Niederschlaumlge insgesamt in Asien bis Ende des Jahrhunderts zunehmen Einzige Ausnahme ist Zentral-asien wo ein Ruumlckgang der Sommerniederschlaumlge und erhebliche Trockenheit vor allem waumlhrend der Som-mermonate als wahrscheinlich gelten81 Unklar ist die Entwicklung des Indischen Sommermonsuns welcher fuumlr mehr als zwei Milliarden Menschen in weiten Teilen Asiens eine der Haupttrinkwasserquellen darstellt (siehe auch Kapitel 34)

Waumlhrend in Ost- und Suumldostasien ein moumlglicher Anstieg der landwirtschaftlichen Ertraumlge um bis zu 20 Prozent vorausgesagt wird koumlnnten diese in Zentral- und Suumld-

Risiko von einer Naturkatastrophe betroffen zu sein (auf 100000 Menschen)

Entwicklungslaumlnder

OECD-Laumlnder mit hohem Einkommen

50 von 100000 Menschen

1980-84 2000-04

Aufgrund ihrer geringen Anpassungskapazitaumlten sind Menschen in Entwicklungslaumlndern besonders verwund-bar gegenuumlber Naturkatastrophen Quelle UNDP 2008

Abb 15 Betroffenheit von Natur-katastrophen in Entwicklungs- und Industrielaumlndern

5030201510

50

-5-10-15-20-30-50

Abb 16 Temperatur- und Niederschlagsaumlnderungen in Afrika bis 2100Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestempera-turen und Jahresniederschlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999

Besonders das noumlrdliche und suumldliche Afrika gelten als besonders gefaumlhrdete Regionen im Rahmen des Klimawan-dels Quelle Hamburger Bildungsserver nach IPCC 2007b

1007050403530252015100500

-05-10

Temperatur-Veraumlnderung (degC) Niederschlags-Veraumlnderung ()40degN

20degN

0deg

20degS

40degS

40degN

20degN

0deg

20degS

40degS20degW 20degW0deg 0deg20degO 20degO40degO 40degO60degO 60degO

81 IPCC 2007b

39

asien um bis zu 30 Prozent zuruumlckgehen Eine erhebliche Zunahme der Anzahl hungernder Menschen und wirt-schaftliche Konsequenzen waumlren die Folgen und sogar die nationale Sicherheit einzelner Staaten koumlnnte ge-faumlhrdet werden

Der IPCC projiziert zudem eine Zunahme und Intensivie-rung von Hitzewellen in Ostasien sowie von Starknieder-schlagsereignissen in Suumld- und Ostasien Auch gehen die Klimamodelle von einem zunehmenden Uumlberflutungsri-siko in einigen der Groszligdeltas ndash z B dem Mekong-Delta ndash infolge des steigenden Meeresspiegels aus In Bang-ladesch wuumlrde bereits ein Meeresspiegelanstieg von ei-nem Meter dazu fuumlhren dass etwa drei Millionen Hektar Land dauerhaft uumlberflutet waumlren Fuumlr 15 bis 20 Millionen wuumlrde dies den Verlust ihrer Heimat bedeuten

n Lateinamerika

Lateinamerika und die Karibik stellen nicht nur hinsicht-lich der groszligen oumlkologischen Reichhaltigkeit sondern auch bezuumlglich der kulturellen Vielfalt eine auszligerge-woumlhnliche Region dar Es ist jedoch auch eine Region in der 44 Prozent der Bevoumllkerung in Armut lebt und wo die Ungleichheit in der Vermoumlgensverteilung zu den Houmlchsten weltweit gehoumlrt Diese Charakteristika ma-chen Lateinamerika und die Karibik zu einer der ver-wundbarsten Regionen uumlberhaupt

Waumlhrend fuumlr das suumldliche Suumldamerika eine Erwaumlrmung entlang des globalen Erwartungswerts projiziert wird werden fuumlr Mittelamerika und die noumlrdlichen Regionen Suumldamerikas dagegen deutlich houmlhere Temperaturen er-wartet Am staumlrksten werden sich dabei voraussichtlich die Amazonasregion sowie Nordmexiko waumlhrend der Sommermonate erwaumlrmen Fuumlr das Amazonasbecken wird zusaumltzlich eine Abnahme der Jahresniederschlaumlge um uumlber 30 Prozent und damit einhergehend eine Um-wandlung tropischer Regenwaumllder in Savannen vorher-gesagt (siehe Abbildung 17) Wuumlstenbildung und Ver-salzung von landwirtschaftlichen Nutzflaumlchen koumlnnten schon innerhalb der kommenden Jahrzehnte zu einem Ruumlckgang der Ertraumlge wichtiger Nutzpflanzen und zu einer Verminderung der Viehhaltung fuumlhren sowie die Nahrungsmittelsicherheit vieler lateinamerikanischer Regionen und von Millionen Menschen erheblich gefaumlhr-den

n Inseln und Atolle

Durch den steigenden Meeresspiegel koumlnnten schon in wenigen Jahren viele kleine Inselstaaten sowohl in den Tropen als auch in den houmlheren Breiten uumlberschwemmt und von den Landkarten verschwunden sein Fuumlr die Zu-kunft erwartet der IPCC im Zuge des steigenden Mee-resspiegels eine Verstaumlrkung von Uumlberflutungen Sturm-fluten und Kuumlstenerosion Zusaumltzlich werden auch die Gewinnung von Trinkwasser und die landwirtschaftliche

Abb 17 Temperatur und Niederschlagsaumlnderungen in Suumldamerika bis 2100Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestempera-turen und Jahresniederschlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999

Besonders das Amazonasgebiet gilt als besonders gefaumlhrdete Region im Zuge des KlimawandelsQuelle Hamburger Bildungsserver nach IPCC 2007b

5030201510

50

-5-10-15-20-30-50

1007050403530252015100500

-05-10

Temperatur-Veraumlnderung (degC) Niederschlags-Veraumlnderung ()

40

Info-Kasten 4 Womit wir in Deutschland rechnen muumlssen

Klimawandel geschieht nicht nur in anderen Teilen der Welt sondern auch hier in Deutschland ndash und zwar heute In den vergangenen 100 Jahren wurde hierzulande ein Anstieg der durchschnittlichen Jahrestemperatur um 08-10 degC beobachtet Wet- terextreme wie Hitze wellen Starknieder schlags-ereignisse und Winterstuumlrme traten in den letzten zwei Dekaden vermehrt auf

Fuumlr die Zukunft wird fuumlr Deutschland eine Tem-peraturerhoumlhung zwischen 25-35 degC projiziert Mit der houmlchsten Erwaumlrmung ist dabei in den Wintermonaten in Suumld- und Suumldostdeutschland zu rechnen Nach Norden und Westen in Richtung eines mehr maritim gepraumlgten Klimaregimes verringert sich der Temperaturanstieg zwar dennoch wird auch fuumlr die Kuumlstenregionen eine deutliche Erwaumlrmung vorausgesagt Auch fuumlr den Sommer werden die houmlchsten Temperaturen im Suumlden Deutschlands er-wartet

Die Niederschlagsverhaumlltnisse werden sich regio-nal und saisonal veraumlndern In Suumld- Suumldwest- und Nordostdeutschland ist mit einem bis zu 40-prozen-tigen Ruumlckgang der sommerlichen Niederschlaumlge zu

rechnen waumlhrend sich fuumlr die Wintermonate fast im ganzen Land staumlrkere Niederschlaumlge abzeichnen Durch die Trockenheit waumlhrend der Sommermonate sind in Ost- und Suumldwestdeutschland die landwirt-schaftlichen Ertraumlge gefaumlhrdet die Waldbrandgefahr wird sich erhoumlhen und das sommerliche Wasser-angebot geht zuruumlck Auch die Haumlufigkeit von Hitzewellen wird sehr wahrscheinlich zunehmen

Ferner gilt als sicher dass die Gletscher in den Alpen infolge der Temperaturerhoumlhung weiter an Volumen verlieren werden Nach neuesten Einschaumltzungen koumlnnte bei einem sommerlichen Temperaturanstieg von 3 degC etwa 80 Prozent der 1990 noch vorhande-nen Eismasse bis 2100 verloren gehen Wenn die Sommertemperaturen um 5 degC steigen waumlren die Alpen gegen Ende des Jahrhunderts praktisch eisfrei Auch ist davon auszugehen dass die Winterstuumlrme in Norddeutschland zunehmen werden

An Deutschlands Kuumlsten wird der Meeresspiegel im globalen Vergleich uumlberdurchschnittlich stark an-steigen Dafuumlr sorgen zum einen eine staumlrkere Erwaumlr-mung aber auch eine anhaltende Landabsenkung als Spaumltfolge der ausklingenden Kaltzeit83

Nutzung der Boumlden durch die Versalzung des Grundwas-sers und der Boumlden infolge des steigenden Meerwassers immer schwieriger werden Aus diesem Grund mussten innerhalb der letzten Jahre bereits 3000 Einwohner des pazifischen Inselstaates Tuvalu ihre Heimat verlassen

ndash Hunderttausende auf anderen Inseln werden ihnen folgen muumlssen sollte der zukuumlnftige Anstieg des Mee-resspiegels nicht innerhalb der kommenden Jahrzehnte gebremst werden82

82 Warner K 200983 Germanwatch 2007

41

Extreme Nieder schlaumlge und Uumlber schwemshymungen haben auch in Europa und Deutschshyland in den letzten Jahren immer wieder zu enormen wirtschaft lichen Schaumlden gefuumlhrt wie hier in Steyr Oumlsterreich

In Deutschland wird mit einem Anstieg der Niederschlaumlge im Winter gerechnet

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42

Wie gezeigt wurde greift der Mensch durch sein Handeln massiv in die chemische Zusammensetzung der Atmosphaumlre ein und ist somit der Hauptverursacher fuumlr den sich verstaumlrkenden Treibhauseffekt der Erde Allerdings war und ist der Beitrag der verschiedenen Staaten und ihrer Bewohner zum Klimawandel sehr ver-schieden ndash v a wegen ihrer unterschiedlichen wirt-schaftlichen sozialen und technologischen Situationen

51 Welche Laumlnder sind die Hauptverursacher von Treibhaus-gasemissionen

Die Frage welche Laumlnder fuumlr welche Mengen an Emissionen verantwortlich sind stellt sich sowohl fuumlr die Vergangenheit als auch fuumlr die Gegenwart und die Zukunft Aus zwei Gruumlnden ist der Blick in die Vergangenheit besonders wichtig Erstens ist CO2 ein uumlber Hunderte Jahre wirksames Treibhausgas d h die Frage nach der Verantwortung fuumlr den heute bereits sichtbaren globalen Klimawandel findet ihre Antwort in den kumu-lierten Emissionen des letzten Jahrhunderts Zweitens ha ben diejenigen Laumlnder die in der Vergangenheit be-sonders viel Energie nutzten ndash vor allem Kohle Oumll und Gas ndash und damit besonders hohe Treibhausgasemissio-nen zu verzeichnen hatten von diesem Verhalten pro-fitiert da sie Infrastruktur Produktionsanlagen und

Kapital aufgebaut haben Dieser Reichtum verschafft ihnen einen deutlich groumlszligeren Handlungsspielraum heute in die Entwicklung und Verbreitung klimafreund-licher Energietechnologien zu investieren als es in ar-men Laumlndern der Fall ist Letz tere erheben hingegen einen Anspruch auf nachholende Entwicklung mit ho-hem Wirtschaftswachstum und erwarten dass sie die Zusatzkosten fuumlr klimafreundliche Technologien vom Norden ganz oder teilweise finanziert bekommen Hieraus ergibt sich die groszlige klimapolitische Heraus-forderung zur Loumlsung des Klimaproblems (s Kapitel 6)

Wenn man die durch den Menschen verursachten CO2-Emissionen des letzten Jahrhunderts betrachtet sind die Industrielaumlnder die Hauptverursacher des anthropoge-nen Treibhauseffekts (siehe Abbildung 18) Mehr als die Haumllfte (58 Prozent) entfielen zwischen 1900 und 1999 allein auf Europa und die USA auf das Konto der ehema-ligen Sowjetunion weitere 137 Prozent Die Gesamtheit der Entwicklungslaumlnder wo rund 80 Prozent der Welt-bevoumllkerung leben war hingegen nur fuumlr 21 Prozent der angehaumluften CO2-Emissionen verantwortlich (siehe Ab-bildung 18) Die Aumlrmsten rund 800 Millionen Menschen vereinen sogar historisch gesehen weniger als 1 Prozent aller kumulierten CO2-Emissionen des 20 Jahrhunderts auf sich84 Natuumlrlich aumlndert sich dieses Bild immer mehr und die Gewichte werden sich zukuumlnftig staumlrker ver-schieben ndash hin zu einem groumlszligeren Beitragsanteil auf Seiten der sogenannten Entwicklungslaumlnder

5 Die Verursacher des Klimawandels

Die Industriestaaten tragen die historische Hauptverantwortung fuumlr den KlimawandelQuelle Eigene Darstellung nach World Resources Institute 2002

Suumld- und Mittelamerika38

Mittlerer Osten26

Afrika25

Europa277

Russland137

Japan37 Kanada

23

Australien11

China Indien und Ent -wicklungslaumlnder Asiens122

USA303

Entwicklungs-laumlnder21

Abb 18 Kumulierte energiebedingte CO2-Emissionen 1900-1999

84 Global Carbon Project 2009

43

Quelle Eigene Darstellung nach US Energy Information Administration wwweiadoegov

52 Absolute und Pro-Kopf-Emissionen heute

Historisch gesehen haben die USA insgesamt durch ihre kumulierten CO2-Emissionen mit Abstand am meisten zum Klimawandel beigetragen Auch im Jahr 2007 gin-gen fast 20 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoszliges noch auf ihr Konto Einzig Chinas Anteil welcher seit 2007 den der USA uumlberholt hat ist noch groumlszliger (208 Prozent) Das Reich der Mitte stoumlszligt mit seinen gut 13 Milliarden Ein-wohnern heute etwa so viel CO2 aus wie die 15 Laumlnder der alten EU mit ihren rund 380 Millionen Einwohnern Tendenz stark ansteigend Damit sind die beiden Ver-schmutzungs-Spitzenreiter China und USA zusammen fuumlr mehr als 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoszliges verantwortlich (siehe Abbildung 19) Ein anderes Bild ergibt sich wenn die CO2-Emissionen aus veraumlnderter Landnutzung die insbesondere Entwaldungsprozesse beinhaltet in der Statistik beruumlcksichtigt werden Dem-nach waumlren nach China den USA und der EU Indonesien und Brasilien die viert- und fuumlnftgroumlszligten Emittenten Ursachen sind in beiden Laumlndern die groszligflaumlchigen Ro-dungen der tropischen Regenwaumllder

Deutschland konnte zwar innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte auch aufgrund der Wiedervereinigung und des damit einhergegangenen Zusammenbruchs der Schwer industrien in der ehemaligen DDR seinen Aus-stoszlig deutlich reduzieren zaumlhlt allerdings nach wie vor zu den weltweit groumlszligten CO2-Emittenten Zum Vergleich Der gesamte afrikanische Kontinent mit rund einer Mil-

liarde Einwohnern traumlgt gegenwaumlrtig etwa so viel zum globalen Treibhausgasausstoszlig bei wie Deutschland mit seinen rund 82 Millionen Einwohnern Dabei sind nur vier Laumlnder naumlmlich Suumldafrika Aumlgypten Nigeria und Algerien fuumlr mehr als drei Viertel der afrikanischen Emis-sionen verantwortlich Werden diese herausgerechnet liegt der Anteil der restlichen afrikanischen Staaten am weltweiten CO2-Ausstoszlig unter einem Prozent

Waumlhrend in einigen Industrielaumlndern die CO2-Emissio-nen innerhalb der letzten zwei Dekaden stabilisiert bzw reduziert wurden stiegen sie insbesondere in den gro-szligen Schwellenlaumlndern der Welt deutlich weiter

Der Vergleich der historischen Emissionen mit dem ak-tuellen CO2-Ausstoszlig der weltweit groumlszligten Emittenten

Abb 19 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen 1992-2009

Der Autoverkehr ist eine weltweit nach wie vor wach-sende Quelle von CO2-Emissionen Foto Dietmar Putscher

ChinaUSAIndienRusslandJapanDeutschlandBrasilien

19921993

19941995

19961997

19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

20082009

Mill

iard

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onne

n

9000

8000

7000

6000

5000

4000

3000

2000

1000

0

Jahr

44

verdeutlicht den wachsenden Beitrag der Schwellenlaumln-der vor allem Chinas aber auch Indiens zum Klimawan-del Aber auch in den meisten Entwicklungslaumlndern stei-gen die Treibhausgasemissionen gegenwaumlrtig rasant an

Auch wenn einige Schwellenlaumlnder bei den absoluten CO2-Emissionen vorne liegen so kommen bei den Pro-Kopf-Emissionen ausschlieszliglich Industrielaumlnder auf die vorderen Plaumltze

Waumlhrend in der Statistik der absoluten CO2-Emissionen vor allem populationsstarke Laumlnder auf den vorderen Raumlngen zu finden sind aumlndert sich die Rangfolge wenn der Pro-Kopf-Ausstoszlig betrachtet wird Eine solche Be-trachtungsweise ist insbesondere unter dem Gesichts-punkt der Klimagerechtigkeit und entsprechend der weltweit gemeinsamen aber individuell sehr unter-schiedlichen Verantwortlichkeit fuumlr Ursache und Loumlsung des Klimaproblems von Bedeutung

Abbildung 20 zeigt die Pro-Kopf-Emissionen zwischen 1990 bis 2007 fuumlr ausgewaumlhlte Laumlnder Hier liegen die USA und Kanada mit ca 191 bzw 174 t CO2 im Jahr 2007 deutlich vorn Zu beachten ist allerdings dass ei-nige der arabischen Golfstaaten noch weit houmlhere Pro-Kopf-Werte haben so liegt der Wert in Katar bei ca 60 Tonnen pro Jahr85 In Deutschland und Russland sind mit dem deutlichen Gesamtruumlckgang der absoluten Emis-sionen auch sinkende Pro-Kopf-Emissionen verknuumlpft Nichtsdestotrotz produziert jeder Deutsche im Durch-

schnitt immer noch etwa 97 t CO2 pro Jahr Die Betrach-tung der Pro-Kopf-Werte relativiert die hohen Gesamt-emissionen der beiden bevoumllkerungsreichsten Laumlnder China und Indien Dort werden die Emissionen allerdings uumlberwiegend von einer Minderheit der jeweiligen Bevoumll-kerung erzeugt So werden in China nur etwa 20 Prozent der Bevoumllkerung der globalen Konsumentenklasse zuge-ordnet die durch einen konsum- und ressourcenintensi-ven Lebensstil erhebliche CO2-Emissionen verursacht86 Der Vergleich mit Afrika macht die Pro-Kopf-Verantwor-tung am globalen Treibhauseffekt noch deutlicher Waumlh-rend ein Deutscher pro Jahr durchschnittlich 97 Tonnen CO2 verursacht liegt ein Kenianer nur bei 03 Tonnen

53 Emissionen nach Sektoren

Die derzeitige Erwaumlrmung ist auf eine Reihe von Emissi-onsquellen zuruumlckzufuumlhren Im Folgenden wird zunaumlchst die globale Ebene87 betrachtet bevor auf die Verhaumlltnis-se in Deutschland Bezug genommen wird Hauptfaktor fuumlr den weltweiten Ausstoszlig an Treibhausgasen stellte im Jahr 2004 die Energieversorgung mit ca 259 Prozent vor dem Industriesektor mit 194 Prozent dar88 Eine eindeutige Abgrenzung ist jedoch nicht ganz einfach da die Industrie auch einen groszligen Teil des Stroms aus der Energieversorgung nutzt Darauf folgen der Forst-sektor mit 174 Prozent ndash vor allem durch die Zerstoumlrung von Waumlldern in tropischen Regionen wie Brasilien oder Indonesien ndash und die Landwirtschaft mit 135 Prozent

Quelle Eigene Darstellung nach wwweiadoegov (so)

Abb 20 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen pro Einwohner zwischen 1992 und 2009 fuumlr neun ausgewaumlhlte Laumlnder

19921993

19941995

19961997

19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

20082009

Tonn

en C

O2

pro

Kop

f

25

20

15

10

5

0

USAKanadaRusslandDeutschlandSuumldafrikaChinaBrasilienIndienKenia

Jahr

85 wwweiadoegov86 GardnerAssadourianSarin 200487 Quelle fuumlr alle Daten hierzu IPCC 2007e

88 IPCC 2007e 2004 ist das letzte Jahr fuumlr das der 4 IPCC-Sachstandbericht alle sechs Kyoto-Gase umfassende Analysen enthaumllt Bei Betrachtung nur der energiebedingten Emissionen sind auch neuere Daten verfuumlgbar

45

Der Verkehrssektor verzeichnet mit 131 Prozent eben-falls enorme Wachstumsraten die vor allem auf den Anstieg im internationalen Schiffs- und Flugverkehr zu-ruumlckzufuumlhren sind

Von den gesamten anthropogenen Treibhausgasemis-sionen die fuumlr die Erderwaumlrmung verantwortlich sind stand CO2 im Jahr 2004 mit einem Anteil von 63 Prozent an vorderster Stelle Der Groszligteil dieser CO2-Emissionen ist energiebedingt aber auch die Freisetzung von CO2 durch die Zerstoumlrung von Waldgebieten (z B durch die Rodung tropischer Regenwaumllder) spielt eine groszlige Rolle Sie ist mit umgerechnet ca 6 Milliarden Tonnen jaumlhrlich freigesetztem CO2 nach dem Verbrennen von fossi-len Energietraumlgern global betrachtet die zweitgroumlszligte CO2-Quelle In vielen Entwicklungslaumlndern stellt sie die groumlszligte Emissionsquelle dar z B in Indonesien mit 834 Prozent und in Brasilien mit 62 Prozent Hauptursache der Waldzerstoumlrung sind landwirtschaftliche Aktivitaumlten wie die Gewinnung von Acker- und Weideflaumlche durch Brandrodung Problematisch ist vor allem die groszligflaumlchi-ge Rodung fuumlr Monokulturen zur Gewinnung von Palm-oumll Zuckerrohr und Soja die auch fuumlr den europaumlischen Markt als Futtermittel oder Agrotreibstoff produziert werden

Der uumlberwiegende Anteil an den weltweiten menschge-machten Methanemissionen entsteht durch Nassreis-feldanbau und Rinderzucht89 In diesem Zusammenhang kann man auch die Frage aufwerfen ob alle Emissionen prinzipiell als qualitativ gleichwertig anzusehen sind oder ob unterschieden werden muss zu welchem Zweck die Emissionen verursacht werden So sollten beispiels-weise die Emissionen die durch Freizeitreiseverkehr

Das Abholzen des Regenwaldes (hier in Brasilien) stellt eine groszlige Gefahr sowohl fuumlr das globale Klima als auch fuumlr die regionale Wirtschaft dar Foto Uwe Bauch pan-thermedianet

89 IPCC 2007a

Der groszlige Anteil des Energiesektors am CO2-Ausstoszlig in Deutschland verdeutlicht das Potenzial von Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz Quelle Umweltbundesamt 2010

Abb 21 Entwicklung der THG-Emissionen in Deutschland nach Sektoren 1990 bis 2008

Ang

aben

in M

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CO

2-Auml

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1000

1200

800

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19901995

19961997

19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

2008

Oslash2008-2012

Ziel 2020

Basisjahr

uumlbrige Emissionen

Haushalte

Verkehr

Gewerbe HandelDienstleistungen

Industrie

Landwirtschaft

Energiewirtschaft

Treibhausgasemissionen ndash Summe

-21 gegenuumlber

Basisjahr

-40 gegenuumlber

1990

493 493 474 471 459 467 474 477 483 480 476 481 491 468

85 8785 84 85 84 84 81 79 81 80 78 77

81

138 135 136 121 113 116 110 106 111 117 112 115 119 116

55 6556 54 50 46 53 50 42 41 41 41 35 42

179 178179 182 187 183 178 176 170 169 161 157 154 154

130 144139

133121 119 132 122 123 114 112 114 89 108

44

597

98

137

72

169

131

44

3935 33

30 28 26

1121 11401104

10781044 1043 1058 1037 1031 1022 1001 1003 981 982

1232 1249

974

749

46

Germanwatch hat mit dem sogenannten Klima schutz- Index ein Instrument entwickelt das die Emissions-entwicklung das Emissionsniveau sowie die Klima-schutzpolitik der Hauptemittenten transparent gegen-uumlberstellt Der Index fungiert als Vergleichsinstrument zwischen den einzelnen Staaten und soll zu effizi-enterem Klimaschutz animieren Tabelle 4 zeigt das Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011 der im Dezember 2010 bei der Klimakonferenz von Cancuacuten vorgstellt wurde Da bisher kein Land ausreichend ambitioniert zur Vermeidung eines gefaumlhrlichen Klimawandels beitraumlgt blieben auch in diesem Jahr die ersten drei Plaumltze des Rankings unbe-setzt

Bei vielen der weltweit groumlszligten CO2-Emittenten spielt Klimaschutz nach wie vor hinter der wirtschaftlichen Entwicklung eine nachrangige Rolle obwohl es ein wachsendes Bewusstsein dafuumlr gibt dass gerade im Klimaschutz auch groszlige wirtschaftliche Potenziale lie-gen

(Luxus-Emissionen) entstehen anders bewertet werden als der Methanausstoszlig den asiatische Bauern durch den fuumlr sie uumlberlebensnotwendigen Reisanbau verursachen (Uumlberlebens-Emissionen)

In Deutschland ist die Energiewirtschaft der Hauptver-ursacher von CO2-Emissionen Aber auch im produzie-renden Gewerbe und im Transportsektor fallen viele Emissionen an Mehr als die Haumllfte der Transportemis-sionen entfallen dabei auf den Automobilverkehr Mit deutlich mehr als 80 Prozent hat CO2 unveraumlndert den groumlszligten Anteil an den deutschen Treibhausgasemissio-nen90

54 Trends bei den Treibhausgas-emissionen

Gerade beim wichtigsten durch den Menschen ver-ursachten Treibhausgas dem Kohlendioxid war der Wachstumstrend auf globaler Ebene in den letzten Jah-ren ungebrochen Zwischen 2000 und 2008 haben sich die weltweiten CO2-Emissionen um 29 Prozent von rund 7 Gigatonnen Kohlenstoff auf rund 9 Gigatonnen seit 1990 (dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls) sogar um 41 Prozent erhoumlht Da 1 kg Kohlenstoff 367 kg CO2 ent-spricht erhoumlht sich der atmosphaumlrische CO2-Gehalt mo-mentan um rund ca 33 Gigatonnen CO2 jaumlhrlich Fuumlr den Zeitraum 2000 bis 2008 betrug der Emissionszuwachs 34 Prozent (insgesamt 19 ppm pro Jahr) im Vergleich zu 10 Prozent (insgesamt 15ppm) im Zeitraum 1990-1999 (siehe Abbildung 22) Seit 2005 hat die Verbrennung von Kohle dabei Oumll als groumlszligte gegenwaumlrtige Treibhausgas-quelle abgeloumlst91

In fast allen Weltregionen ist ein deutlicher Anstieg der Emissionen in dem besagten Zeitraum zu beobach-ten wobei beachtet werden muss dass dieser auf stark unterschiedlichen Ausgangsniveaus aufbaut Waumlhrend sich der Anstieg des Emissionsausstoszliges in den Indus-trie laumlndern im Durch schnitt jedoch verlangsamt hat ha-ben die Entwicklungslaumlnder mittlerweile den schnellsten Anstieg zu verzeichnen92 Rund ein Viertel des Wachs-tums der CO2-Emissionen in den Entwicklungslaumlndern resultiert allerdings aus den Produkten die sie fuumlr an-dere Staaten vor allem die Industrielaumlnder herstellen Es sind insbesondere die exportorientierten Industrien dieser Laumlnder die es einerseits den Laumlndern des globa-len Nordens ermoumlglichen in den Entwicklungslaumlndern produzierte Guumlter zu konsumieren die andererseits maszliggeblich zu den Emissionssteigerungen der letzten Jahren beigetragen haben

Innerhalb der letzten Dekade hat sich der Anstieg der CO2-Emissionen beschleunigt Quelle Le Queacutereacute C et al 2009

Abb 22 Anstiegsrate der CO2-Emissionen

1990 2000 2010

Wachstumsrate 10 pro Jahr

Emis

sion

en a

us fo

ssile

n En

ergi

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(in G

t CJ

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9

8

7

6

Wachstumsrate 34 pro Jahr

90 Umweltbundesamt 201091 Global Carbon Project 200992 Global Carbon Project 2009

47

Infokasten 5 Wirtschaftskrise Klimaschutz und bdquogruumlneldquo Konjunkturprogramme

Weltwirtschaft und Treibhausgasausstoszlig sind eng miteinander verknuumlpft Vor diesem Hintergrund hat die Finanz- und Wirtschaftskrise auch ihre gu-te Seite Durch das verringerte Wachstum bei der Industrieproduktion ist es weltweit zu einem ent-sprechenden Ruumlckgang der energiebedingten CO2-Emissionen seit 2008 gekommen Laut den Messungen des Global Carbon Projects einer internationalen Forschungsinstitution die die Entwicklung des glo-balen Kohlenstoffkreislaufs uumlberwacht stieg zwar die atmosphaumlrische CO2-Konzentration auch im Jahr eins der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise um 18 Prozent gegenuumlber 2007 weiter an doch halbierte sich die Anstiegsrate gegenuumlber den Vorjahren (34 Prozent) Im Jahr 2009 lagen die globalen energiebe-dingten Emissionen unter denen des Vorjahres vor allem durch einen Ruumlckgang in den Industrielaumlndern93 In der EU und Deutschland war der Effekt besonders ausgepraumlgt Nach Berechnungen der EU-Kommission ist es jedem europaumlischen Mitgliedsstaat gelungen seine CO2-Emissionen gegenuumlber dem Vorjahr zu ver-ringern Allein Deutschland konnte einen Ruumlckgang seiner energiebedingten CO2-Emissionen um fast 8 Prozent verzeichnen94

Insgesamt bewegt sich der gegenwaumlrtige Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre allerdings immer noch im oberen Bereich der IPCC-Szenarien und wird sich noch verschlimmern sollte der Wachs-

tumsmotor der Weltwirtschaft kuumlnftig wieder an-springen

Es muss angenommen werden dass erneute Investitionen in weitgehend alte Strukturen und Produkte die groszligen Anteil am Kollaps des Welt-finanz systems hatten sich abermals als nicht nach-haltig erweisen werden ndash weder fuumlr die Oumlkonomie noch fuumlr die Oumlkologie Eine nachhaltige Loumlsung der Doppelkrise von Wirtschafts- und Klimasystem wird nur durch einen Investitionszyklus gelin-gen dessen Ziel eine umfassende und vor allem an Nachhaltigkeitsprinzipien orientierende Erneuerung von Wirtschaft und Gesellschaft ist Durch den Einsatz der milliardenschweren Konjunkturpakete zur Wiederbelebung der Weltwirtschaft bietet sich eine solche Chance beide Krisen mit einer Klappe zu schlagen Investitionsanreize fuumlr Energie- und Ressourceneffizienz Erneuerbare Energien und so-zial gerechte Strukturen koumlnnten im Rahmen eines bdquoNew Green Dealsldquo die Weltgemeinschaft gestaumlrkt aus der Finanz- und Wirtschaftskrise hervorgehen las-sen und gleichzeitig den Weg zu einem emissionsfrei-en Wohlstandsmodell bereiten Uumlberraschenderweise haben waumlhrend der Wirtschaftskrise Laumlnder wie China und Suumldkorea zu den Laumlndern gehoumlrt die ihre Konjunkturpakete am staumlrksten auf die Foumlrderung bdquogruumlner Technologienldquo ausgerichtet haben und damit zu einer Trendwende beitragen koumlnnten95

Tabelle 4 Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011

Deutschland 7 (7) 274 273 368 123

Groszligbritannien 8 (6) 174 170 288 092

Indien 10 (9) 486 506 675 1705

Korea Rep 34 (41) 171 185 178 073

Japan 38 (35) 392 404 563 191

Russland 48 (45) 542 560 259 212

Iran 52 (38) 172 165 092 108

USA 54 (53) 1905 1862 1839 455

China 56 (52) 2229 1737 1731 1993

Kanada 57 (59) 188 217 164 050

Summe 6533 6079 6157 5002

copy Quelle Burck 2010energiebedingten

Klimaschutz-Index Platzierung

2011 (2010)

Land Anteil an den weltweiten CO2 -

Emissionen

Anteil am welt-weiten Primaumlr-

energieverbrauch

Anteil am welt-weiten Brutto-inlandsprodukt

Anteil an der Erd -

bevoumllkerung

93 Heinzerling 201094 wwwag-energiebilanzende95 EdenhoferStern 2010

48

Der weltweite CO2-Ausstoszlig haumlngt sehr eng zusammen mit dem globalen Wirtschaftswachstum Quelle Aktualisiert und vereinfacht nach Raupach M et al 2007

Abb 23 Weltweite Entwicklung von Emissionsfaktoren

55 Ursachen fuumlr Veraumlnderungen des CO2-Ausstoszliges

Fuumlr die energiebedingten CO2-Emissionen eines Landes spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle die Zahl der Einwohner die Produktivitaumlt der Volkswirtschaft die Energieintensitaumlt und der Anteil fossiler Energietrauml-ger bei der Bereitstellung von Energie In eine Formel gepackt lassen sich daher die energiebedingten CO2-Emissionen in Marktwirtschaften errechnen als

CO2-Emissionen = Bevoumllkerung x Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf x Energienutzung pro BIP-Einheit x CO2-Ausstoszlig pro Energieeinheit

Moumlchte man ihren zukuumlnftigen Verlauf beeinflussen er-geben sich somit vier Ansatzpunkte Dies gilt gleicher-maszligen fuumlr den Ruumlckblick in die Vergangenheit In den verschiedenen Laumlndern der Welt lassen sich jeweils un-terschiedliche Entwicklungen bei der Veraumlnderung die-ser Faktoren beobachten und ebenso unterschiedliche Erklaumlrungen dafuumlr benennen

So ist beispielsweise der absolute CO2-Ausstoszlig in Deutschland und Groszligbritannien gesunken Der Ruumlck-gang laumlsst sich hier mit einer deutlichen Erhoumlhung der Energieproduktivitaumlt (d h einem verringerten Energie-bedarf pro BIP-Einheit) sowie einer Verringerung der CO2-Intensitaumlt in der Energieversorgung bei stagnieren-der Bevoumllkerungszahl und einem nur moderaten Anstieg des BIP erklaumlren Im Falle von Deutschland wurden etwa 10 Prozent der Emissionen dadurch eingespart dass viele ineffiziente Produktionsanlagen aus der DDR-Zeit stillgelegt und zum Teil durch sehr moderne Anlagen er-setzt wurden Zusaumltzlich wurden aber auch viele weitere Maszlignahmen fuumlr Energieeffizienz und die Nutzung von Erneuerbaren Energien umgesetzt etwa das bdquoErneuer-bare-Energien-Gesetzrdquo (EEG) im Strombereich

In Suumldafrika Indien und den USA hat der CO2-Ausstoszlig hingegen seit 1990 deutlich zugenommen Gleichzeitig sind sowohl in Suumldafrika und Indien als auch in den USA das Bruttosozialprodukt und die Bevoumllkerungszahl deut-lich angestiegen Indien weist eine leichte Verbesserung der Energieproduktivitaumlt auf aber eine relativ deutliche Erhoumlhung des CO2-Ausstoszliges pro Energieeinheit Dies laumlsst sich mit dem verstaumlrkten Einsatz von Kohle und mit einem Wachstum des Verkehrs erklaumlren Der CO2-Ausstoszlig Chinas hat sich seit 1990 mehr als verdreifacht waumlhrend sich das Bruttoinlandsprodukt in Kaufkraftpa-ritaumlten mehr als verzehnfacht hat Diese relative Ent-kopplung des CO2-Ausstoszliges vom Wirtschaftswachs-tum zeugt von einer signifikanten Verringerung der Energieintensitaumlt der Wirtschaft Die CO2-Intensitaumlt der Energienutzung hat sich hingegen trotz umfangreicher Modernisierung und damit verbundener Effizienzver-

besserung zahlreicher Kohlekraftwerke leicht erhoumlht96

Auch wenn China zudem immer staumlrker die Erneuerbaren Energien foumlrdert ist die CO2-Intensitaumlt pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts heute immer noch deutlich houmlher als die Indiens97

Wirft man erneut einen Blick auf die Faktoren in der obi-gen Gleichung so liegen fuumlr die Zukunft groszlige Potenzi-ale einerseits in der Verringerung der Energienutzung pro BIP-Einheit z B durch effizientere Fahrzeuge spar-samere Produktionsanlagen etc und andererseits im CO2-Ausstoszlig pro Energieeinheit z B durch Kraft-Waumlr-me-Kopplung und Nutzung von weniger CO2-intensiven Energietraumlgern bis hin zu Erneuerbaren Energien Wer-den diese beiden Faktoren optimiert so kann selbst bei einem Anstieg von Wirtschaftsleistung und Bevoumllkerung der CO2-Ausstoszlig deutlich verringert werden

Auch auf globaler Ebene laumlsst sich ermitteln welche Faktoren die CO2-Emissionen wie stark beeinflussen (siehe Abbildung 23) Wie bereits in Kapitel 2 aufgezeigt wurde ist der atmosphaumlrische CO2-Gehalt innerhalb der letzten Jahre stark angestiegen (schwarze Linie) Verant-wortlich fuumlr diesen Anstieg sind vor allem die innerhalb der vergangenen Jahre stark gewachsene Weltwirtschaft (gruumlne Linie) und deren erhoumlhte Verwendung fossiler Brennstoffe Waumlhrend lange Zeit die Weltwirtschaft im-mer effizienter wurde ndash die Kohlenstoffintensitaumlt (blaue Linie) die sich auf die pro oumlkonomischer Einheit ausge-stoszligene Menge CO2 bezieht ist stetig zuruumlckgegangen ndash hat sich dieser Trend in den letzten Jahren umgekehrt bzw verlangsamt wozu auch viele neue Kohlekraftwer-

Welt

EmissionenBevoumllkerungBIP pro KopfKohlenstoffintensitaumlt pro BIP

1980 1990 2000 2010

15

14

13

12

11

10

09

08

07

06

05

96 Harmeling et al 200797 Vgl auch Germanwatch 2008

49

ke in Indien und China beigetragen haben Mittlerweile sind diese Trendumkehr mit etwa 17 Prozent sowie das Wachstum der Weltwirtschaft mit 65 Prozent die bei-den Hauptursachen warum die Emissionen seit 2000 ca dreimal so schnell steigen wie im Jahrzehnt zuvor98 Faktisch fuumlhrt damit jedes Wirtschaftswachstum wel-ches nicht vom Verbrauch fossiler Rohstoffe entkoppelt ist zu steigenden Emissionen Dies macht die Dringlich-keit einer Klimapolitik die wirtschaftliche Entwicklung mit sinkenden Emissionen vereint umso deutlicher

Ebenso problematisch ist jedoch dass mit den steigen-den Emissionen der Weltwirtschaft gleichzeitig auch die Faumlhigkeit natuumlrlicher Senken zur Aufnahme von CO2 abnimmt So scheinen insbesondere die Meere dazu bei-zutragen dass die Erde momentan ihre Kapazitaumlten zur eigenstaumlndigen Erholung zu verlieren droht Waumlhrend noch vor fuumlnfzig Jahren rund 60 Prozent des vom Men-schen ausgestoszligenen CO2 durch natuumlrliche Senken auf-genommen wurden hat sich der Anteil mittlerweile auf

Waumlhrend Boumlden und Landvegetation als CO2-Senken relativ stabil geblieben sind hat die Aufnahmefaumlhigkeit der Meere fuumlr CO2 innerhalb der letzten 50 Jahre abge-nommen Quelle Canadell JG et al (2007)

Abb 24 Anteil der anthropogenen CO2-Emissionen der in der Atmos-phaumlre und im Ozean verbleibt

Atmosphaumlre

55 Prozent verringert wodurch der verbleibende Emis-sionsanteil auf 45 Prozent angestiegen ist (siehe Abbil-dung 24) Rund 18 Prozent des ploumltzlichen Anstiegs der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre gehen mittler-weile auf die schwindenden Kohlenstoffsenken zuruumlck

Besonders betroffen ist dabei die Aufnahmekapazitaumlt der suumldlichen Ozeane wo erste Saumlttigungstendenzen und eine bereits durch die Klimaerwaumlrmung verursachte Veraumlnderung der Westwinde zur Schwaumlchung der mari-timen Kohlenstoffsenke und somit maszliggeblich zum An-stieg des verbleibenden Emissionsanteils in der Atmo-sphaumlre beitragen (siehe Abb 24) Aber auch die fuumlr eine waumlrmere Welt typische Zunahme von Trockenperioden in den letzten Jahren (bspw die Hitzewelle 2003 in Eu-ropa) hat regional zur Abnahme der weltweiten Senken-faumlhigkeit und somit zur Erhoumlhung der atmosphaumlrischen CO2-Konzentration beigetragen

08

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1970

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2000

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1960

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Ozean

98 Canadell JG et al 2007

50

Tuvalu gehoumlrt zu den am staumlrksten vom Meeresspiegelanstieg gefaumlhrdeten Inselshystaaten Auch dort leben viele Menschen in aumlrm lichen Verhaumlltnissen die wenig Schutz vor Extremwetterereignissen wie Pazifikshystuumlrmen bieten

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Die globale Erderwaumlrmung und somit der Klimawandel sind ndash wie beschrieben ndash zum groumlszligten Teil menschge-macht Ausloumlser ist die mit fossilen Energietraumlgern vor-angetriebene Industrialisierung Um einen gefaumlhrlichen Klimawandel abzuwenden bedarf es daher nicht nur ein-zelner Klimaschutzmaszlignahmen sondern einer industri-ellen und kulturellen Revolution Das heiszligt es geht um den Aufbau eines neuen Wohlstandsmodells das nicht laumlnger auf fossilen Energietraumlgern basiert und nachhal-tige Entwicklung ermoumlglicht eines Wohlstandsmodells bei dem sich unsere Lebensform stark veraumlndert

Der Klimawandel erfordert die Uumlberwindung von Kurz-sichtigkeit in Politik und Wirtschaft Statt dessen sind Weitblick und an langfristigen Zielen orientierte Wei-chenstellungen gefragt Bisher orientieren sich Politik Wirtschaft und jeder Einzelne jedoch haumlufig nur an ihrem kurzfristigen Wahrnehmungshorizont Wenn Politiker nur in Legislaturperioden von vier Jahren denken und die Wirtschaft nur auf den naumlchsten Quartalsbericht blickt so greift die Planung deutlich zu kurz um Erfolge von Klimaschutzmaszlignahmen messen zu koumlnnen Um den glo-balen Temperaturanstieg auf so weit wie moumlglich unter 2 degC zu begrenzen muumlssen Politik Wirtschaft und Buumlr-ger ihre Handlungsfaumlhigkeit anerkennen und langfristi-ge Entscheidungen treffen

Besonders die Wirtschaftskrise hat noch einmal ver-deutlicht wie wichtig nachhaltiges Handeln als Leitbild ist Die Krise sollte daher als Anlass und Chance gese-hen werden jetzt die Weichen fuumlr oumlkologische soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu stellen Das wird Umbruumlche und Zumutungen aber auch Neuaufbruumlche und Chancen mit sich bringen Das Zusammenspiel ei-ner engagierten nationalen und internationalen Klima-politik beide angetrieben durch Vorreiterkoalitionen in Politik Wirtschaft und Zivilgesellschaft spielt eine entscheidende Rolle um diesen Wandel einzuleiten Damit Gelder im notwendigen Ausmaszlig in den Umbau in-vestiert werden bedarf es langfristiger ambitionierter und rechtlich verbindlicher Rahmenbedingungen (bdquolong loud and legalldquo)

61 Internationale Klimagerechtigkeit Klimagerechtigkeit ist eine Art Leitbegriff geworden sowohl fuumlr die internationale Klimapolitik wie auch fuumlr die Aktivitaumlten vieler Akteure der Nord-Suumld-Zusammen-arbeit Was verbirgt sich dahinter

Es ist offensichtlich nicht gerecht dass die Laumlnder die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben am

staumlrksten von seinen Folgen betroffen sein werden Ins-besondere die kleinen Inselstaaten ndash in der Klimapolitik in der bdquoAlliance of Small Islands States (AOSIS)ldquo zusam-mengeschlossen ndash und die am wenigsten entwickelten Laumlnder (die Least Developed Countries LDCs) gelten als besonders verletzliche Laumlndergruppen Daruumlber hin-aus sind auch Laumlnder in anderen Regionen und Millio-nen arme Menschen in den Schwellenlaumlndern massiven Bedrohungen durch den Klimawandel ausgesetzt Die Pro-Kopf-Emissionen in den aumlrmsten Laumlndern sind mit weniger als einer Tonne CO2 pro Jahr in der Regel um ein Vielfaches geringer als z B die in Deutschland oder den USA (s auch Abbildung 20 S 44) Aumlhnlich groszlig ist der Unterschied der Pro-Kopf-Emissionen zwischen den Eli-ten und den besonders betroffenen Personengruppen in diesen Laumlndern

Die Ungerechtigkeit zwischen historischen und heutigen Verursachern einerseits und bereits Betroffenen des Kli-mawandels andererseits spielt v a auch in den interna-tionalen Verhandlungen um ein Post-2012-Abkommen eine zentrale Rolle Es zeigte sich auf der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 dass Vertrauen in internationalen Klimaschutz und entsprechendes Engagement nur wach-sen koumlnnen wenn das Prinzip der gemeinsamen aber dif-ferenzierten Verantwortlichkeit auf drei Dimensionen der internationalen Klimagerechtigkeit erweitert wird

n 1 Die Uumlberlebenssicherung aller Staaten als Minimum jeder Fairness

Fuumlr die von den Folgen des Klimawandels am meisten betroffenen Laumlnder steht bezuumlglich der Gerechtigkeits-frage das Uumlberleben an erster Stelle Deutlich vertrat beispielsweise der Inselstaat Tuvalu auf dem Kopenha-gener Klimagipfel die Position Klimaschutz (und damit das internationale Klimaabkommen) muumlsse so ambitio-niert gestaltet werden dass das Uumlberleben aller ndash also auch der verletzlichsten Staaten und Voumllkergruppen ndash gewaumlhrleistet werde Die LDCs und AOSIS waren es die zuerst die Forderungen aufstellten den globalen Tem-peraturanstieg auf 15 degC gegenuumlber vorindustriellem Niveau zu begrenzen

n 2 Die faire Lastenverteilung fuumlr Klima-schutz und Anpassung

Das emissionsintensive Wohlstandsmodell der Indust-rielaumlnder laumlsst sich aufgrund der Begrenztheit der Res-sourcen auch der Ressource bdquoKohlenstoffsenke Erdsys-temldquo nicht auf die ganze Welt uumlbertragen Gleichzeitig sind die Bekaumlmpfung der Armut und die wirtschaftliche Entwicklung oberste Prioritaumlt der Regierungen ndash insbe-sondere der Entwicklungslaumlnder Von ihnen den Umbau

6 Herausforderungen fuumlr die Klimapolitik

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zu einem neuen noch nirgends praktizierten Wohl-standsmodells zu verlangen waumlhrend die Industrielaumln-dern weiter ihren Wohlstand durch fossile Energietraumlger befeuern wird von den Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern verstaumlndlicherweise als ungerecht empfunden Da es bei der Frage der Lastenverteilung der Emissions-reduktionen vor allem um das Gerechtigkeitsverhaumllt-nis ndash wie kann unter der Beruumlcksichtigung von Gerech-tigkeitspraumlmissen die Verantwortung zur Bekaumlmpfung des Klimawandels fair verteilt werden ndash zwischen den maumlchtigsten Staaten der Erde geht hat diese Frage u a den Klimagipfel in Kopenhagen dominiert

Wenn die notwendigen ambitionierten Klimaziele er-reicht werden sollen muumlssen sich sowohl Industrie- als auch Schwellenlaumlnder zu weitgehenden Klimaschutz-maszlignahmen verpflichten Aus Gerechtigkeitsgruumlnden werden die Industrielaumlnder dabei vorangehen und ihre Treibhausgasemissionen bis Mitte des Jahrhunderts praktisch auf Null reduzieren ndash und zugleich den Umbau sowie die Anpassungsmaszlignahmen in Entwicklungslaumln-dern massiv unterstuumltzen muumlssen

n 3 Die gerechte Beteiligung an den Chancen der klimapolitischen Transformation

Eine ungewoumlhnliche Koalition aus besonders betrof-fenen Staaten (wie den Malediven) Schwellenlaumlndern (wie Suumldkorea) einer wachsenden Zahl von Akteuren aus Industrielaumlndern sowie NGOs und Investoren welt-weit weist zunehmend auf die dritte staumlrker in die Zu-kunft gerichtete Dimension der Gerechtigkeit hin Diese immer mehr an Bedeutung gewinnende Gerechtigkeits-frage stellt sich wenn das globale Rennen zu einer kli-mafreundlichen Weltwirtschaft (mit dem 2-degC-Limit als Leitplanke) tatsaumlchlich die notwendige Dynamik auf-nimmt Dies waumlre die groumlszligte wirtschaftliche Revolution seit der Erfindung der Dampfmaschine um deren Ablouml-sung es jetzt geht Die groszlige Gerechtigkeitsfrage wird dann Wer hat welchen Anteil an den Chancen dieser Neugestaltung der gesamten Energie- Verkehrs- In-dustrie- und Gebaumludeinfrastruktur weltweit Hier wer-den Macht Einfluss und Reichtum fuumlr morgen verteilt Aber auch die soziale und kulturelle Transformation die mit einer Entwicklung zur postfossilen Gesellschaft einhergehen muss birgt Gerechtigkeitskomponenten wie die Neugestaltung von Wertesystemen die nicht vernachlaumlssigt werden sollten Diese Dimension macht auch noch einmal deutlich dass die Wahrnehmung von Klimaschutz als Last (s oben) verkuumlrzt ist Es waumlre unge-recht wenn die Menschen die ndash ohne eigenes Verschul-den ndash vom Klimawandel am heftigsten betroffen sind die Armen auf diesem Planeten auch von neuen Wohl-standsmodell ausgeschlossen werden

Die drei Dimensionen der internationalen Klimagerech-tigkeit muumlssen zusammengefuumlhrt werden um eine nach-haltige Loumlsung durch Dynamik in der Gesellschaft in den Kommunen und in der Wirtschaft weltweit zu entfachen und die Menschen die heute in den aumlrmsten Laumlndern wohnen ebenfalls an den Gewinnen der groszligen Trans-formation teilhaben zu lassen

62 Geschichte der Klimapolitik Von Rio uumlber Kyoto nach Kopen-hagen

Uumlber die Frage wer wann die Treibhausgasemission wie stark verringern soll und welchen Anteil des Kli-maschutzes und der Anpassung an die Klimafolgen in Entwicklungslaumlndern die Industrielaumlnder bezahlen ver-handeln die jeweiligen Laumlnder seit Anfang der 1990er Jahre im Rahmen der 1994 in Kraft getretenen Klimarah-menkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change UNFCCC) In dieser Konvention verpflichteten sich die Industrielaumln-der ndash wenn auch nicht rechtsverbindlich ndash ihre Treibh-ausgasemissionen bis zum Jahr 2000 auf das Niveau von 1990 zu reduzieren Wichtiger jedoch war dass sie den Rahmen fuumlr naumlher auszuhandelnde rechtlich verbind-liche Zusatzvertraumlge (Protokolle) mit weitergehenden und verbindlichen Zielsetzungen schufen Daher auch die Bezeichnung bdquoRahmenkonventionldquo Das Kernziel der Rahmenkonvention ist in Artikel 2 ausgedruumlckt Eine gefaumlhrliche Stoumlrung des Klimasystems durch den Men-schen soll vermieden werden

Auf dem Klimagipfel in Kyoto 1997 wurde das erste voumll-kerrechtlich verbindliche Klimaschutzprotokoll verab-schiedet ndash quasi als Konkretisierung der Klimarahmen-konvention ndash nach Verhandlungen die bis zur letzten Minute aumluszligerst zaumlh und dem Scheitern bis auf Haares-breite nahe waren Das Kyoto-Protokoll enthaumllt fuumlr die beteiligten Industriestaaten Emissionsbegrenzungsziele der wichtigsten Treibhausgase von im Durchschnitt 5 Prozent gegenuumlber 1990 fuumlr den Zeitraum 2008 bis 2012 (die sogenannte bdquoerste Verpflichtungsperiodeldquo) Die EU-Staaten muumlssen ihren Ausstoszlig um durchschnittlich 8 Pro-zent verringern (Deutschland minus 21 Prozent) Japan hat sich zu einer Reduktion um 6 Prozent verpflichtet99 Die US-Regierung hatte ein Reduktionsziel von 7 Pro-zent unterzeichnet aber das Kyoto-Protokoll wurde vom US-Parlament letztlich nicht ratifiziert und trat fuumlr die USA damit nicht in Kraft

In der ersten Verpflichtungsperiode uumlbernahmen nur die Industrielaumlnder rechtlich verbindliche Emissionszie-le Gemaumlszlig dem Grundsatz der bdquogemeinsamen aber dif-ferenzierten Verantwortungldquo liegen die Gruumlnde hierfuumlr

99 Der komplette Vertragstext des Protokolls kann unter httpwwwunfcccintresourcedocsconvkpkpgerpdf abgerufen werden ndash dort sind auch die Emissionsziele aller Industriestaaten im Anhang B verzeichnet Die EU hat ihr 8-Ziel allerdings im bdquoBurden Sharing Agreementrdquo modifiziert so dass manche EU-Staaten staumlrkere und andere schwaumlchere Emissionsziele haben (siehe httpwwwclimnetorgresourceseuburdenhtm und httpwwwgermanwatchorgfolieneu-etfolie003htm)

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vor allem darin dass sie ndash sowohl bezuumlglich der histori-schen Gesamt- als auch der aktuellen Pro-Kopf-Emissio-nen ndash mit Abstand die meisten Treibhausgasemissionen verantworten Hinzu kommt dass sie wirtschaftlich und technologisch leistungsfaumlhiger sind und damit einen groumlszligeren Handlungsspielraum fuumlr Investitionen in Kli-maschutzmaszlignahmen haben

Der Ausstieg der USA aus dem Kyoto-Protokoll unter Praumlsident G W Bush im Maumlrz 2001 war ein herber Ruumlck-schlag aber die internationale Staatengemeinschaft fuumlhrte die Verhandlungen um die Umsetzung des Kyo-to-Protokolls zur Uumlberraschung vieler Beobachter den-noch weiter Die von dem Unternehmerverband e5 dem World Wide Fund for Nature (WWF) und Germanwatch in Gang gebrachte Unternehmerinitiative e-mission55 gab den Verhandlungen in der entscheidenden Phase Ruumlckenwind Uumlber 200 Firmen aus der EU Japan Kana-da und Russland hatten sich unter dem Motto bdquoKyoto into forceldquo (Kyoto in Kraft setzen) zusammengeschlos-sen und damit offen demonstriert dass groszlige Teile der Wirtschaft ndash trotz des Ausscheidens der USA ndash hinter dem Kyoto-Protokoll stehen100 Auf dem Bonner Kli-magipfel im Juli 2001 konnte schlieszliglich eine Einigung uumlber die wichtigsten Streitfragen erzielt werden u a uumlber Detailfragen bezuumlglich der bdquoflexiblen Mechanis-menldquo Der letzte bdquoFeinschliffldquo erfolgte wenige Monate spaumlter auf dem Klimagipfel in Marrakesch Die rechtlich bedeutsamen Ausfuumlhrungsbestimmungen des Kyoto-Protokolls waren nun praumlzise genug ausgestaltet um von den noch zoumlgernden Laumlndern ratifiziert zu werden Fuumlr das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls mussten 55 Staaten die mindestens 55 Prozent der Treibhausgas-emissionen der Industrielaumlnder von 1990 abdeckten das Abkommen ratifizieren Dies wurde erst durch die Rati-fikation Russlands im November 2004 erreicht so dass das Protokoll drei Monate spaumlter am 16 Februar 2005 in Kraft treten konnte

Danach haben die UNFCCC-Verhandlungen insbeson-dere durch die sich aus dem 4 Sachstandsbericht des IPCC ergebende Dringlichkeit im Jahr 2007 an neuer Dynamik gewonnen Beim Klimagipfel im indonesischen Bali (Dezember 2007) wurde die so genannte bdquoBali Road-mapldquo beschlossen bdquoRoadmapldquo deshalb weil sie einen Verhandlungsfahrplan mit dem Ziel einer umfassenden Einigung bis zum Klimagipfel 2009 in Kopenhagen dar-stellte Kern element dieser von allen Mitgliedsstaaten der Konvention mitgetragenen Vereinbarung war der Bali-Aktionsplan101 Er setzte einen intensiven Verhand-lungsprozess zur bdquovollstaumlndigen wirksamen und fort-laufenden Umsetzung der Konvention durch eine lang-fristige kooperative Zusammenarbeit heute bis und jenseits des Jahres 2012ldquo102 in Gang Getragen von der im IPCC-Bericht ausgedruumlckten Dringlichkeit ndash der Ak-tionsplan verweist auf die IPCC-Ausfuumlhrungen dass die Industrielaumlnder ihre Emissionen bis 2020 um 25-40 Pro-

zent gegenuumlber 1990 verringern muumlssten ndash skizzierte er vier Verhandlungsbloumlcke mit jeweils einer Reihe von Un-terthemen Im Zentrum standen dabei gleichgewichtig die Vermeidung von Emissionen (Mitigation) sowie die Anpassung an die Klimafolgen (Adaptation) unterstuumltzt durch Finanzierung und Technologie Fuumlr die Kyoto-Staaten ging es dabei vor allem um die Ausgestaltung der zweiten Verpflichtungsperiode fuumlr den Zeitraum nach 2012 denn es war von Anfang an klar dass Kyoto I (2008 bis 2012) nur ein erster und bei weitem nicht ausreichen-der Schritt sein konnte Fast alle Industriestaaten die Kyoto ratifiziert haben werden aller Voraussicht nach die gesetzten Klimaziele erreichen Nur Kanada verwei-gert das weil sein groszliger Wettbewerber USA nicht mit-macht Eventuell koumlnnte es ndash nach Fukushima ndash auch fuumlr Japan schwierig werden die Klimaziele zu erreichen

Doch hat der IPCC sehr deutlich gemacht dass das 2 degC-Limit alleine durch Klimaschutz in den Kyoto-In-dustrielaumlndern nicht zu erreichen sein wird Ein ganz zentraler Knackpunkt ist daher die Frage zu welcher Art von Verpflichtung sich die USA als damals noch groumlszligter CO2-Emittent und Nicht-Kyoto-Mitglied bereiterklauml-ren wuumlrden und ndash mindestens ebenso wichtig ndash welche Ambition und rechtliche Form der Klimaschutz in den Schwellenlaumlndern und spaumlter auch in anderen Entwick-lungslaumlndern haben wuumlrde Wenngleich der Aktionsplan noch keine Verpflichtung zu Maszlignahmen sondern nur zu Verhandlungen uumlber bestimmte Maszlignahmen darstell-te war er doch maszliggeblich fuumlr den darauf folgenden zweijaumlhrigen Verhandlungsprozess der in der Klimakon-ferenz von Kopenhagen gipfelte

63 Die Klimagipfel von Kopen-hagen und Cancuacuten

Wie nie zuvor bei einer Klimakonferenz richteten sich im Dezember 2009 die Augen der Welt auf Kopenhagen Mit fast 30000 Teilnehmern war es die groumlszligte Klima-konferenz uumlberhaupt Kein anderes Ereignis hat jemals in aumlhnlichem Ausmaszlig dazu beigetragen das Thema auf die Agenda der Regierungschefs weltweit zu setzen Jedoch zeigte sich dass diese hohe Aufmerksamkeit kein Garant fuumlr politischen Erfolg war Zu Beginn der Verhandlungen war bereits klar dass die Chancen auf ein umfassendes rechtlich verbindliches Abkommen in Kopenhagen sehr gering waren Die von den Verhandlern in knapp zwei Jahren ausgehandelten Texte waren umfassend kom-plex und gleichzeitig noch mit Hunderten von Klammern ndash der Ausdruck fuumlr fehlenden Konsens ndash versehen als zunaumlchst die Minister und dann die Staats- und Regie-rungschefs in Kopenhagen eintrafen

Es kam die gesamte politische Fuumlhrungselite der Welt nach Kopenhagen Mehr als 120 Staats- und Regie-

100 Siehe auch Germanwatch 2008101 Der Bali-Aktionsplan kann abgerufen werden unter httpunfcccintresourcedocs2007cop13eng06a01pdfpage=3102 UNFCCC 2007 3

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rungschefs vom US-Praumlsidenten Barack Obama bis hin zu Chinas Ministerpraumlsident Wen Jiabao Von der deut-schen Kanzlerin Angela Merkel bis hin zum Praumlsidenten der Malediven Mohamed Nasheed Der Klimawandel sei bdquoeine der groumlszligten Herausforderungen unserer Zeitldquo heiszligt es dann auch im Kopenhagen-Akkord dem zentra-len Abschlussdokument der Konferenz103 Jetzt sei die Zeit vom Reden zum Handeln uumlberzugehen hatte ein Regierungschef nach dem anderen beschworen Doch mit dem Kopenhagen-Akkord gelang dieser Durchbruch nicht Zum einen da er nur bdquozur Kenntnis genommenldquo und nicht als formelle Entscheidung verabschiedet wurde Denn sowohl aus prozeduralen wie auch aus in-haltlichen Gruumlnden war die Vereinbarung von einigen Laumlndern darunter kleine Inselstaaten wie Tuvalu und la-teinamerikanische Staaten wie Venezuela und Bolivien abgelehnt worden

Schon vor der Konferenz war klar dass drei zentrale Kriterien uumlber Erfolg oder Misserfolg der Konferenz maszliggeblich entscheiden wuumlrden Die Festlegung von Reduzierungszielen die die Erwaumlrmung auf unter 2 Grad oder sogar 15 Grad begrenzen wuumlrden Zusagen fuumlr finanzielle Unterstuumltzung zum Klimaschutz und zur An-passung sowie eine voumllkerrechtlich verbindliche Form des Abkommens In allen Bereichen ist der Kopenhagen-Akkord hinter dem immer dringlicher Notwendigen zu-ruumlckgeblieben

Die Ergebnisse von Kopenhagen muumlssen im Nachhinein in engem Zusammenhang mit dem darauf folgenden Kli-magipfel im mexikanischen Cancuacuten bewertet werden der im Dezember 2010 stattfand Hier ging es vor allem

darum Beschluumlsse von Kopenhagen mindestens auf glei-chem Niveau zu bdquoformalisierenldquo also als offizielle Ent-scheidung durch alle Staaten zu verabschieden in dem klaren Verstaumlndnis dass es eher um eine Absicherung von Minimalverpflichtungen ging als Grundlage fuumlr eine zukuumlnftig groumlszligere Ambition

Was wurde in Cancuacuten im Vergleich zu Kopenhagen er-reicht Schon im Laufe des Jahres 2010 zeichnete sich eine zentrale Grundlage fuumlr die Entscheidungen von Cancuacuten ab naumlmlich die Integration derjenigen Texte die auf Verhandlerebene zu den unterschiedlichsten Themen auch in Kopenhagen diskutiert und in 2010 weiterent wickelt worden waren mit den Inhalten des Kopenhagen-Akkord der von mehr als 140 Laumlndern offi-ziell unterstuumltzt wurde So wurde in Cancuacuten neben vielen Einzelentscheidungen ein umfassendes Dokument auf der Konventionsebene sowie eines auf Kyoto-Ebene an-genommen Die zentralen Ergebnisse waren die folgen-den die maszliggeblich auf den Beschluumlssen von Kopenha-gen aufbauten und zum groszligen Teil in den Folgejahren weiter ausgearbeitet werden muumlssen 104

rarr Es ist gelungen erstmals in einem UN-Konsens der gesamten Staatengemeinschaft das 2 degC-Limit als die Messlatte fuumlr die angestrebten Klimaschutzaktivitaumlten zu verankern Zwar war dies auch schon im Kopenhagen-Akkord enthalten aber eben nicht von allen Staaten formell angenommen worden

rarr Es ist gelungen einige groszlige Klimaschutzpakete zu verabschieden die eigentlich schon in Kopenhagen haumlt-ten verabschiedet werden sollen

Der UN-Klimagipfel 2009 in Kopenhagen Photo IISD

103 S Germanwatch 2009104 Germanwatch 2010a

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nEin Paket zur Anpassung der besonders betroffenen Staaten an die Konsequenzen des Klimawandels Mit dem bdquoCancuacuten Adaptation Frameworkldquo hat man ne-ben grundsaumltzlichen Aspekten wie Prinzipien fuumlr die Umsetzung von Anpassungsmaszlignahmen und einer Liste moumlglicher Aktivitaumlten auch konkrete Prozesse angestoszligen Dazu gehoumlren ein besonderer Unterstuumlt-zungsprozess fuumlr LDCs bei der Anpassungsplanung die Einrichtung einer Institution unter der UNFCCC fuumlr eine kohaumlrentere Behandlung des Themas in den Klimaverhandlungen

nEin Paket zum Schutz des Regenwaldes Aus Kli-maschutzgesichtspunkten ist der Schutz der Waumll-der wegen ihrer Funktion als CO2-Speicher zentral Entwaldung verwandelt den CO2-Speicher in eine CO2-Quelle durch die sich die Temperaturerhoumlhung weiter verschaumlrft Wenngleich in Cancuacuten noch keine konkreten Finanzierungsinstrumente fuumlr den Walder-halt beschlossen wurden hat man sich doch auf wich-tige Grundprinzipien die die soziale und oumlkologische Integritaumlt von Klimaschutz im Waldbereich sichern sollen geeinigt

nEin Paket zur Technologiekooperation das einen Technologiemechanismus unter der UNFCCC beinhal-tet der durch die Etablierung eines Technologie-Ko-mitees und den Aufbau eines Netzwerks von Techno-logiezentren die Technologiekooperation befoumlrdern soll

nEinen Finanzierungsfonds (bdquoGreen Climate Fundldquo) der Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung finanzieren soll Dessen Leitungsgremium (bdquoBoardldquo) wird zur Haumllfte von Industrie- und zur Haumllfte von Ent-wicklungslaumlndern besetzt Mit dem Kopenhagen-Ak-kord hatten die Staats- und Regierungschefs bereits den Weg fuumlr die Gruumlndung dieses Fonds geebnet Jedoch gab es sehr unterschiedliche Vorstellungen daruumlber wie die Verbindung des Fonds zum UNFCCC-Prozess aussehen sollte da insbesondere die USA starke Einwaumlnde gegen einen Fonds unter der Aumlgide des Konventionsprozess hatten Letztendlich hat die Entscheidung einen Mittelweg aufgezeigt Die finan-zielle Groumlszligenordnung steht noch nicht fest jedoch ist klar dass der bdquoGreen Climate Fundldquo nur eine Exis-tenzberechtigung hat wenn er ein sehr viel groumlszligeres Volumen haben wird als bisherige Fonds

nEs ist gelungen die freiwilligen Selbstverpflichtun-gen der Staaten die diese im Kopenhagen-Akkord eingereicht hatten in eine formale UN-Entscheidung zu integrieren Das erhoumlht z B den internationalen Druck auf die US-Regierung trotz politischen Wider-standes zuhause bei ihrem im Kopenhagen-Akkord bestaumltigten nationalen Ziel zu bleiben die Emissionen bis 2020 um 17 Prozent zu senken Eine Entscheidung

eines hohen US-Gerichts in Washington machte prak-tisch zeitgleich mit dem Ende des Cancuacuten-Gipfels den Weg frei fuumlr die ersten CO2-Standards in den USA Die Unternehmen mit dem groumlszligten CO2-Ausstoszlig so-wie der Staat Texas wollten die Klimaschutzregeln verhindern die auf dem Weg zu den notwendigen Re-duktionen einen wichtigen Beitrag spielen koumlnnen

nEs ist in beiden Cancuacuten-Vereinbarungen (als Ergeb-nis der Kyoto- und der Konventionsverhandlungen) festgehalten dass die Staaten ihre freiwilligen Ziele nachbessern sollen Das bedeutet einen Paradigmen-wechsel gegenuumlber der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls die Maximalziele definiert hat Die zunaumlchst vereinbarten Reduktionsziele bis 2020 verstehen sich als Minimalziele die in den kommen-den Jahren angehoben werden sollen Zwischen 2013 und 2015 soll es im Rahmen der Verhandlungen unter der Konvention dann eine Uumlberpruumlfung (bdquoReviewldquo) u a dazu geben mit welcher Strategie die verblei-bende Luumlcke zum 2-degC-Limit geschlossen werden kann Dies ist dringend notwendig da die im Zuge von Kopenhagen gemachten Klimaschutzzusagen der Industrie- und Entwicklungslaumlnder zu einer durch-schnittlichen globalen Temperaturerhoumlhung im Be-reich von 4 degC oder mehr fuumlhren koumlnnten105

nDas Zwischenergebnis fuumlr die Verhandlungen unter dem Kyoto-Protokoll wird fuumlr die Industrielaumlnder noch konkreter Diese sollen ihre Ziele so nachbes-sern dass dies im Durchschnitt 25-40 Prozent Reduk-tion bis 2020 gegenuumlber 1990 ergibt (Der IPCC sieht diese Reduktion als notwendig an um den Tempera-turanstieg mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit auf we-niger als 2 degC begrenzen zu koumlnnen)

nAlle Industrielaumlnder haben sich in Cancuacuten verpflich-tet bdquoLow-Carbon Development Plansldquo (Plaumlne fuumlr eine Entwicklung in Richtung einer CO2-armen Gesell-schaft) oder entsprechende Strategien zu entwickeln ndash allerdings bisher ohne zeitliche Vorgabe

nIm Bereich Langfrist-Finanzierung wurde das in Ko-penhagen gemachte Versprechen der Industrielaumln-der bestaumltigt bis zum Jahr 2020 die Finanzierung fuumlr Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung auf 100 Milliarden Dollar pro Jahr steigen zu lassen Der hierfuumlr aumluszligerst relevante Bericht der von Ban Ki- moon eingesetzten Arbeitsgruppe zur Langfristfi-nanzierung (AGF) wurde von der Konferenz zwar zur Kenntnis genommen106 Es wurde jedoch kein Prozess vereinbart im Jahr 2011 die Einfuumlhrung moumlglicher Finanzierungsinstrumente konkreter zu behandeln

nIm Gegenzug werden die Schwellen- und Entwick-lungslaumlnder aufgefordert so genannte bdquoLow-Carbon-Developmentldquo- Strategien oder -Plaumlne einzureichen

105 UNEP 2010106 Weitere Informationen zum AGF-Bericht siehe wwwgermanwatchorgklikoks46htm

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Diese sollen zeigen was ein Land ohnehin fuumlr den Klimaschutz tut und fuumlr welche Gesetzesvorhaben oder Aktivitaumlten es internationale Unterstuumltzung (Finanzen Technologie Capacity Building) braucht Es wird ein internationales Register aufgebaut das das Zusammenbringen erleichtert zwischen konkre-ten Anfragen (mit geschaumltzten Kosten und Emissions-reduktionen) und dem dafuumlr bestimmten Teil der in-ternationalen Finanzstroumlme

nChina hat in Cancuacuten schlieszliglich auf der Basis eines Vor schlags von Indien in der Frage der internationalen Uumlberpruumlfung der nationalen Klimaschutzaktivitaumlten den Weg zur notwendigen Transparenz der Maszlignah-men in Schwellenlaumlndern frei gemacht Dieses Thema war bereits in Kopenhagen ein zentraler Konflikt ins-besondere zwischen den USA und China gewesen Die Aktivitaumlten werden zwar national gemessen berich-tet und verifiziert aber anhand von unter der Konven-tion vereinbarten Richtlinien Die alle zwei Jahre vom entsprechenden Land vorgelegten Zwischenberichte werden dann international von Experten diskutiert und ein entsprechender Bericht wird vorgelegt

nBeinahe gescheitert waumlre der Gipfel von Cancuacuten an der Frage der zweiten Verpflichtungsperiode fuumlr das Kyoto-Protokoll Ein Kompromiss basierend auf bdquokonstruktiver Zweideutigkeitldquo hat hier den Weg frei gemacht Die Industriestaaten (mit Ausnahme der USA) verhandeln die zweite Verpflichtungsperio-de des Kyoto-Protokolls so zuumlgig zu Ende dass keine Luumlcke nach dem Auslaufen der ersten Verpflich-tungsperiode (2012) entsteht Es bleibt aber zu-naumlchst offen ob die Reduktionsziele dann tatsaumlchlich im Rahmen des Kyoto-Protokolls festgeschrieben werden oder ob die Verhandlungsergebnisse in ei-nem groumlszligeren gemeinsamen Rahmenabkommen an dem auch die Schwellenlaumlnder sowie die USA teilnehmen fixiert werden Angesichts des starken Widerstands von Laumlndern wie Japan Russland und Kanada besteht allerdings kein Grund fuumlr groszligen Optimismus dass es tatsaumlchlich zu einer umfassenden 2 Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls kom-men wird

Die Cancuacuten-Vereinbarungen stellen einen gewissen Teil-erfolg fuumlr den UNFCCC-Prozess dar der allerdings nicht daruumlber hinwegtaumluschen darf dass die Luumlcke zwischen politischer Ambition und wissenschaftlicher Dringlich-keit nach wie vor unakzeptabel groszlig ist Die Welt steuert auf eine Temperaturerhoumlhung von drei bis vier Grad in diesem Jahrhundert zu Es bedarf daher vielfaumlltiger Initi-ativen innerhalb und auszligerhalb des UNFCCC-Prozesses um diese Luumlcke so schnell wie moumlglich zu verkleinern

64 Handeln ndash Verhandeln ndash Koa-litionen Grundlage einer klima-politischen Aufwaumlrtsspirale

Das Verkleinern dieser Luumlcke bedarf eines dynamisches Zusammenspiels von drei Dimensionen Handeln in Poli-tik und Wirtschaft das weitere Verhandeln eines inter-nationalen Rahmens und die Koalition von Akteuren die Dynamik erzeugen wollen bzw koumlnnen

n Erste Dimension Handeln

Waumlhrend der Wirtschaftskrise der vergangenen zwei Jahre waren weltweit Energieeffizienz und Erneuer-bare Energien die Wirtschaftsmotoren Ein Blick auf die Entwicklung der Erneuerbaren Energien zeigt Im Jahr 20082009 wurden sowohl in Europa als auch in den USA Kraftwerke zur Nutzung Erneuerbarer Energien mit einer Stromleistung in Betrieb genommen die die Kapazitaumlt der neuen Kohle- Gas- und Kernkraftwerke des gleichen Zeitraums deutlich uumlbertrifft Im Jahr 2009 machten die Erneuerbaren Energien 60 Prozent der neu zugebauten Kraftwerkskapazitaumlt in Europa aus ndash und be-reits fast 20 Prozent der jaumlhrlichen Stromproduktion In China bdquoexplodiertldquo der Ausbau Erneuerbarer Energien geradezu mit 37 Gigawatt Leistung wurde dort 2009 fast die Haumllfte der neuen weltweiten Kapazitaumlt (80 GW) hinzugebaut Immer mehr spricht dafuumlr dass sich die wirtschaftlichen Chancen der Staaten weltweit maszlig-geblich daran orientieren werden wer bei Energieeffizi-enz und Erneuerbaren Energien die Nase vorne hat Fuumlr viele Entwicklungslaumlnder bietet sich jetzt die Gelegen-heit von vornherein ihre Infrastruktursysteme nachhal-tiger und effizienter aufzubauen als dies bisher in den Industrielaumlndern der Fall war waumlhrend diese mit dem Umbau ihrer existierenden Systeme vor einer enormen Herausforderung stehen Verschiedene Studien zeigen aber dass in der EU und Deutschland die Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien bis Mitte des Jahrhunderts moumlglich ist und dies ohne groszlige Zusatzkosten und bei gleicher Netzsicherheit107 Es gibt keinen Grund fuumlr die Staaten mit dem Handeln zu warten

n Zweite Dimension Verhandeln

Eine internationale Rahmensetzung kann nicht nur die Dynamik internationale Vergleichbarkeit und recht -liche Verbindlichkeit sichern Sie kann auch dafuumlr sor-gen dass nicht allein das Recht des Staumlrkeren den Aus-gang des Wettrennens in das Solarzeitalter bestimmt Sie kann dafuumlr sorgen dass auch die Lahmen und Brem-ser schrittweise mitkommen Sie ist auszligerdem wichtig um auch die internen Bremser in den Vorreiterstaaten uumlberzeugen zu koumlnnen

107 ECF 2010

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n Dritte Dimension Koalitionen

Sowohl zur Beschleunigung des Handelns als auch fuumlr neue Dynamik beim Verhandeln bedarf es neuer Koali-tionen mit den besonders betroffenen Staaten mit den Vorreiterstaaten sowie mit den Schwergewichten unter den Staaten Die Etablierung von neuen Formen der Zu-sammenarbeit die sich in den Klimaverhandlungen ab-zeichnen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin

Cancuacuten hat die in diesen Gipfel gesetzten Erwartungen erfuumlllt Damit wurde in Mexiko zumindest die Grund-lage fuumlr eine dynamisierende Aufwaumlrtsspirale gelegt Zunaumlchst ging es darum ein Mindestfundament einzu-ziehen um die bei den Industrielaumlndern sichtbare Ab-waumlrtsspirale nach Kopenhagen zu stoppen Dies wurde in Cancuacuten geleistet und muss in den folgenden UN-Kli-makonferenzen (z B Suumldafrika 2011) und anderen Pro-zessen ergaumlnzt werden Auch der Rio+20-Gipfel der im Mai 2012 stattfinden soll und Themen wie bdquogruumlne Wirt-schaftldquo und das globale umweltpolitische Institutionen-system auf seiner Agenda haben wird bietet hier eine groszlige politische Chance (Phase 1)

Zugleich wurden die naumlchsten bdquoSpiraldrehungenldquo nach oben vorgezeichnet Dass die Staaten jetzt ihre zu schwachen Ziele nachbessern sollen gehoumlrt zu den auf-

waumlrtstreibenden dynamisierenden Elementen Bis 2015 soll durch einen bdquoReviewldquo-Prozess die dann noch ver-bleibende Luumlcke zum Ziel bdquo2 degCldquo bestimmt werden und der Klimagipfel dann ndash basierend auf dem Review ndash die angemessenen Aktionen beschlieszligen (Phase 3) Das Ende dieses Reviews folgt ein Jahr nach der Veroumlffent-lichung des naumlchsten IPCC-Berichts (fuumlr 2014 geplant) der sehr wahrscheinlich ndash dies zeichnet sich in der wis-senschaftlichen Fachliteratur ab ndash die Dringlichkeit des globalen Klimaschutzes nachdruumlcklich untermauern und so hoffentlich als weiteres dynamisierendes Element ein zusaumltzliches politisches Momentum schaffen wird

65 EU Deutschland und China als Vorreiter

Auch wenn immer mehr Staaten die Chancen des Klima-schutzes sehen ist es fuumlr die internationale klimapoliti-sche Debatte zentral dass es Vorreiter gibt die zeigen dass sie bereits heute den politischen Willen besitzen den notwendigen energiepolitischen Strukturwandel einzuleiten Es geht darum den Nachweis zu fuumlhren dass ein Wohlstandsmodell jenseits der fossilen Ener-gietraumlger moumlglich und zuumlgig umsetzbar ist Um die Emis-sionen bis Mitte des Jahrhunderts um bis zu 95 Prozent

Abb 25 Die drei Phasen der angestrebten Aufwaumlrtsspirale des internationalen Klimaschutzes

Quelle Eigene Darstellung

Phase dreiTop-Down-Ansatzbull Nachbesserung der Reduktions-

und Finanzzielebull Weitere Aktionspakete werden

vereinbartumgesetztbull Rechtlich verbindliche Ziele

Phase einsBottom-Up-Ansatzbull Freiwillige Ziele und Aktions-

pakete werden formalisiertbull Erste Pakete (Regenwald usw)

werden umgesetztbull Phase drei wird angelegt

Phase zweiDynamisierende Elementebull Erste Pakete sind umgesetzt bull China und EU bewegen sich uumlber

Minimalziele hinausbull Vorreiterkoalitionen bilden sichbull Gemeinsame Anrechnungsregeln

und rechtlicher Charakter geklaumlrtbull Langfristfinanzierung gesichertbull Roadmaps vor Rio plus 20bull IPCC betont Dringlichkeit und

Kosten des Wartens

2014-15

2010-11

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in den Industrielaumlndern zu senken bedarf es fruumlhzeitiger wirtschaftspolitischer Weichenstellungen denn viele Investitionen gerade im Energiebereich werden nur auf Basis langfristiger Kalkulationen getaumltigt Werden heute Kohle- oder Atomkraftwerke gebaut sollen sie normalerweise 40 Jahre oder laumlnger betrieben werden Fuumlr eine EU die derzeit recht mutlos nach einer neuen Vision sucht kann dieses neue Wohlstandsmodell ver-bunden mit der Rolle einer bdquosoft powerldquo die statt auf Rohstoffkriege auf internationale Kooperation im Sinne der Klima- und Energiesicherheit setzt ein Aufbruchs-signal sein Die EU und Deutschland koumlnnen hier eine Schluumlsselrolle spielen indem sie jetzt entsprechende Rahmenbedingungen setzen die allen Akteuren in den Bereichen Energie Verkehr Gebaumlude sowie Land- und Fortwirtschaft signalisieren Wir stellen jetzt die Wei-chen fuumlr die notwendige groszlige Transformation

In der Vergangenheit war die EU oft das klimapolitische Zugpferd wenn auch meist nicht mit der notwendigen Dynamik Im Fruumlhjahr 2007 setzte sie sich als erster grouml-szligerer Zusammenschluss von Industrielaumlndern Emissions-minderungsziele fuumlr 2020 20 Prozent Verringerung der Emissionen gegenuumlber 1990 ndash 30 Prozent wenn andere Industrielaumlnder und Schwellenlaumlnder ihren angemesse-nen vergleichbaren Beitrag leisten Dementsprechend wurden im Jahr 2008 auch klimapolitische Gesetzge-bungen beschlossen z B die Reform des Europaumlischen Emissionshandelssystems die Vereinbarung von ndash aller-dings nicht verbindlichen ndash Energieeffizienzzielen sowie von Zielen fuumlr den Ausbau der Erneuerbaren Energien

Nach der Wirtschaftskrise und aufgrund des zuumlgigen Aufbaus von Quellen fuumlr Erneuerbare Energien zeigt sich allerdings dass dieses 20-Prozent-Ziel nicht mehr besonders ambitioniert ist und nicht die notwendigen klimapolitischen Impulse entfaltet Deshalb halten es immer mehr Akteure fuumlr sinnvoll und notwendig dass die EU ihr Emissionsziel auf 30 Prozent erhoumlht unab-haumlngig davon was andere Laumlnder machen So sieht der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung fuumlr Glo-bale Umweltfragen in einem solchen Ziel verknuumlpft mit der Langfristversion einer vollstaumlndig erneuerbaren Energieversorgung nicht nur das Potenzial einer neuen und nachhaltigen Wirtschaftsdynamik Dies wird auch als notwendiger Schritt fuumlr eine bdquoglaubwuumlrdige Basis fuumlr eine Kooperation mit Entwicklungs- und Schwellenlaumln-dernldquo108 gesehen

Ab Mitte 2011 will die Europaumlische Union erneut uumlber das 30-Prozent-Ziel beraten Der Einigung stand zu-naumlchst der Widerstand insbesondere einiger osteuropauml-ischer Laumlnder vor allem Polens entgegen Aufgrund sei-nes extrem hohen Anteils an Stromerzeugung aus Kohle fuumlrchtet das Land wirtschaftliche Lasten aus solch einem Klimaschutzziel Eine engere Zusammenarbeit gerade im

Bereich Energieeffizienz z B zwischen Deutschland und Polen koumlnnte einen Beitrag zu einer Loumlsung dieses politi-schen Problems leisten

Die deutsche Regierung ist in der Frage des 30-Prozent-Ziels zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium um-stritten ndash und leider hat die Bundeskanzlerin von ihrer Richtlinienkompetenz hier bisher keinen konstruktiven Gebrauch gemacht Ohne eine starke Rolle der groumlszligten Energie- und Wirtschaftsnation der EU kann der Durch-bruch fuumlr das 30-Prozent-Ziel jedoch nicht gelingen

Die deutsche Bundesregierung hat im Herbst 2010 ein neues Energiekonzept beschlossen das weit mehr als nur die zu Recht kritisierte Verlaumlngerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke enthaumllt109 Dieses Energiekonzept beinhaltet das Ziel die deutschen CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 und um 80 bis 95 Prozent bis 2050 zu senken (gegenuumlber 1990) Dieses soll durch eine Viel-zahl gesetzlicher Maszlignahmen erreicht werden Laut Bundesregierung sollen die Erneuerbaren Energien bis 2050 etwa 80 Prozent der Stromversorgung und den Hauptteil der Energieversorgung uumlbernehmen obgleich viele Studien zeigen dass auch 100 Prozent im Bereich des Moumlglichen und wirtschaftlich Sinnvollen sind Die Regierung setzt sich erfreulicherweise fuumlr ein moder-nes und leistungsfaumlhiges Stromnetz ein Sie setzt auch deutliche Effizienzziele im Gebaumludebereich auch wenn diese abgeschwaumlcht wurden Die Bundesregierung kuumln-digt damit an den Weg ins erneuerbare Zeitalter einzu-schlagen Gleichzeitig setzt das Konzept allerdings stark auf Atomenergie und auch weiterhin auf Kohle Zudem wurden zahlreiche Maszlignahmen die zur Zielerreichung notwendig waumlren nicht beschlossen

Insgesamt meinen daher viele Akteure dass die gesetz-ten Effizienz- und Klimaziele so nicht erreicht werden koumlnnen110 So sollen die Laufzeitverlaumlngerungen fuumlr Atomkraftwerke ndash neben den Erloumlsen des Emissions-handels ndash einen neuen Klima- und Energiefonds fuumlr den kosteneffizienten Uumlbergang zu Erneuerbaren Energien finanzieren Sie schraumlnken aber zugleich die Einnah-men aus dem Emissionshandel fuumlr den gleichen Zweck ein Die im Rahmen des Energiekonzepts vereinbarte Einrichtung eines Sondervermoumlgens zur dauerhaften Finanzierung von nationalen und internationalen Klima-maszlignahmen war ein weiterer innovativer Schritt der eine groumlszligere Verlaumlsslichkeit der Finanzierung bringen kann Trotz aller Unzulaumlnglichkeiten ist die grundsaumltz-liche Ambition des Energiekonzepts jedoch ein Zeichen dafuumlr dass es immer mehr darum geht wie ambitionier-te Klimaziele erreicht werden sollen und immer weniger darum ob ambitionierter Klimaschutz notwendig ist

Waumlhrend dieser Text geschrieben wird will die Bundes-regierung nun ausgeloumlst durch den Schock der Reaktor-

108 WBGU 2010109 Bundesregierung 2010110 S z B Germanwatch 2010a Wuppertal Institut 2010

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katastrophe in Japan einen beschleunigten Ausstieg aus der Atomkraft sowie einige der fehlenden Maszlignahmen zur Zielerreichung beschlieszligen Es ist derzeit (Mitte April 2011) noch nicht absehbar welche Luumlcke zwischen verkuumlndeten Zielen und beschlossenen Maszlignahmen nach diesen Beschluumlssen noch klaffen wird

Neben den Industriestaaten muumlssen auch Schwellen-laumlnder deren Emissionen aufgrund des mit dem Wirt-schaftswachstum einhergehenden Verbrennens fossiler Energietraumlger schnell zunehmen so bald wie moumlglich ihre Klimaschutz-Ambition erhoumlhen Der groszlige Anstieg der Treibhausgasemissionen findet ganz uumlberwiegend hier statt Eine effektive Klimapolitik ist in den Schwel-lenlaumlndern zum heutigen Zeitpunkt deshalb so wichtig weil in der industriellen Aufbauphase langfristig ent-scheidende Investitionen getaumltigt werden die gerade auch die Energieversorgung des Landes uumlber einen lan-gen Zeitraum festlegen Vom Ausbau der Energieeffizi-enz und der Nutzung Erneuerbarer Energien profitieren Schwellenlaumlnder abgesehen von der verbesserten Luft-qualitaumlt ebenfalls durch die staumlrkere Unabhaumlngigkeit von Rohstoffimporten Eine solche Strategie wirkt sich als Versicherung gegen immer haumlufiger schwankende Energiepreise aus

China ist derzeit sicherlich das klimapolitisch span-nendste und bedeutendste Schwellenland das sich gerade durch seine Widerspruumlchlichkeit auszeichnet Dort werden nach wie vor die meisten Kohlekraftwerke weltweit gebaut und das Milliardenreich hat die USA laumlngst beim Treibhausgasausstoszlig uumlberholt (wenngleich mit einem deutlich geringeren Pro-Kopf-Ausstoszlig) In den Klimaverhandlungen tritt China in gewisser Weise als Gegenpol zu den USA auf wobei der Klimagipfel von Cancuacuten gezeigt hat dass hier konstruktive Fortschritte moumlglich sind Allerdings und das wird in der Oumlffentlich-keit haumlufig unzureichend behandelt hat das Land in den beiden letzten Jahren mehr in Richtung Klimaschutz ge-tan als fast jeder andere Staat der Welt China ist laumlngst zur fuumlhrenden Weltmacht bei der Herstellung und Im-plementierung Erneuerbarer Energien geworden Und es werden nicht nur neue Kraftwerke in Betrieb genom-men Tausende von ineffizienten Kraftwerken und Un-ternehmen sind im Jahr 2010 geschlossen worden ndash mit der Folge groszliger sozialer Probleme ndash um das Land den selbst gesteckten Energieeffizienzzielen naumlher zu brin-gen Staumldten die Effizienzmaszlignahmen nicht umsetzen wird zeitweise der Strom abgeschaltet In den naumlchsten Jahren will China das Zubautempo der Kohlekraftwerke halbieren waumlhrend der Ausbau der Erneuerbaren Ener-gien schneller vorangeht als urspruumlnglich geplant111

Wenn das Land allerdings nicht massenweise neue Koh-lekraftwerke stilllegt lassen sich ernsthafte Klimaziele in China nur erreichen wenn CO2 aus Abgasen heraus-

gefiltert und geologisch tief gelagert wird (so genanntes bdquoCarbon Capture and Storageldquo CCS) Nach der Durch-fuumlhrung von 20 Pilotprojekten haben nun zwei groumlszlige-re Demonstrationsprojekte von 250 bis 400 Megawatt Leistung Prioritaumlt die bis 2016 in Betrieb gehen sollen Die Regierung erwartet ndash und daran kann der ganze Ansatz scheitern ndash dass die Industrielaumlnder die Zusatz-kosten fuumlr CCS schultern Im Nordosten Chinas wurden erste Untersuchungen zu CO2-Speicherstaumltten durchge-fuumlhrt die mit der Identifikation einer Speicherkapazitaumlt von 600 Megatonnen CO2 zu positiven Ergebnissen ka-men Wenn CCS eine groumlszligere Rolle als nur eine Nische ausfuumlllen soll muumlssen weitere Untersuchungen von salz-wasserfuumlhrenden Gesteinsschichten und leeren Oumll- und Gasfeldern folgen

Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt dass es in diesem groszligen vielfaumlltigen Land nicht einfach ist die zentral gesteckten Ziele auf den verschiedenen Ebenen zu erreichen Die Emissionen wachsen weiterhin stark an Das Erreichen der Ziele haumlngt in China daher zum ei-nen von einer besseren Durchsetzung der eingefuumlhrten Gesetze ab In Teilen der chinesischen Regierung setzt sich die Erkenntnis durch dass die massive Nutzung von Energieeffizienz und dezentralen Erneuerbaren Energie-traumlgern ohne eine aktive Zivilgesellschaft nicht gelingen kann ndash eine in mancher Hinsicht spannende Perspektive Zum anderen wird aber auch entscheidend sein in wel-cher Form sich Partnerstaaten gerade auch der Export-weltmeister Deutschland und die EU hier engagieren Durch bilaterale Energie- und Klimaabkommen Techno-logiepartnerschaften Austausch zwischen Niedrigemis-sionsregionen in China und der EU und die Beratung bei der politischen Rahmensetzung koumlnnte der Kurs hin zu Energieeffizienz und Erneuerbaren Energietraumlgern un-termauert werden112

Letzteres gilt natuumlrlich auch fuumlr die Kooperation mit an-deren Schwellenlaumlndern wie Indien Brasilien Mexiko oder Suumldafrika Brasilien spielt vor allem aufgrund des Amazonas-Regenwaldes eine wichtige Rolle fuumlr den Kli-maschutz da die riesigen Waldgebiete enorme Mengen Kohlenstoff speichern die bei ihrer Zerstoumlrung wieder freigesetzt werden Mexiko zeigt sich in der internati-onalen Klimapolitik sehr konstruktiv was nicht zuletzt der Klimagipfel von Cancuacuten gezeigt hat Suumldafrika weist eine ganz eigene Struktur auf Die Pro-Kopf-Emissionen des Landes sind fuumlr ein Schwellenland relativ hoch Zu begruumlnden ist dies mit dem hohen Lebensstandard hauptsaumlchlich der weiszligen Bevoumllkerung Bei den inter-nationalen Verhandlungen spielt das Land in der Regel eine konstruktive Rolle Die Regierung erwaumlgt moumlg-licherweise in Zusammenarbeit mit Deutschland den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Strombereich massiv voranzutreiben Suumldafrika wird Ende 2011 zudem den UNFCCC-Klimagipfel ausrichten

111 S z B httpwwwchinafaqsorg112 S auch Germanwatch 2010c

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66 USA zwischen Ambition und Bremsmanoumlvern

Mit dem Amtsantritt von US-Praumlsident Obama hatte die Welt Hoffnung dass die USA nach Jahren der klimapoli-tischen Verweigerung unter Praumlsident George W Bush zu einer neuen Dynamik in den Klimaverhandlungen beitragen koumlnnte Dass dies nicht in dem Maszlige wie er-hofft zur Realitaumlt geworden ist liegt vor allem an der zunehmenden innenpolitischen Polarisierung zwischen Demokraten und Republikanern zwischen Klimaschutz-befuumlrwortern und solchen die immer noch den anthro-pogenen Klimawandel bezweifeln

Praumlsident Obama hatte zunaumlchst die Ambition die USA schrittweise auf einen Pfad zu fuumlhren der bis zum Jahr 2050 die Emissionen um mehr als 80 Prozent gegenuumlber 2005 verringern wuumlrde Ein zentrales Instrument hier-zu sollte die Einfuumlhrung eines landesweiten Emissions-handelssystems sein bis 2020 sollten die landesweiten Emissionen um 17 Prozent gegenuumlber 2005 verringert werden Der Emissionshandel sollte auch signifikant zur internationalen Klimafinanzierung beitragen

Im Sommer 2009 also noch vor Kopenhagen beschloss dann auch das Repraumlsentantenhaus ein entsprechen-des Klimaschutzgesetz Allerdings ist es dann nicht ge-lungen einen entsprechenden Konsens in der zweiten Entscheidungskammer dem Senat der Vertretung der Bundesstaaten zu erreichen Nachdem sich dort auch noch die Mehrheitsverhaumlltnisse zugunsten der Repub-likaner veraumlndert haben besteht in dieser Legislatur-periode keine Aussicht auf ein entsprechendes Klima-schutzgesetz Zumal es auch unter den Demokraten aus kohle- und oumllproduzierenden Bundesstaaten eine groszlige Skepsis gegen ein Klimagesetz gibt Zwar treten die USA in den internationalen Klimaverhandlungen weiterhin mit dem in Kopenhagen verkuumlndeten 17-Prozent-Ziel (gegenuumlber 2005) auf aber eine klare Strategie wie dieses wirklich erreicht werden soll scheint zu fehlen Ordnungspolitische Vorgaben durch die nationale Um-weltschutzagentur (Environmental Protection Agency EPA) sind im Moment der aussichtsreichste Ansatz um Klimapolitik schrittweise voranzubringen113

Die fehlende einheimische Gesetzgebung macht es der amerikanischen Regierung schwer in den Klimaver-handlungen aktiv und glaubwuumlrdig aufzutreten so dass derzeit von Seiten der USA keine wirklich Grundlage be-steht uumlber ein rechtlich verbindliches und ratifizierba-res Abkommen zu verhandeln Angesichts der zentralen Rolle der USA stellt dies den internationalen klimapoliti-schen Prozess vor groszlige Herausforderungen

Trotzdem zeichnet sich eine gewisse Klimaschutzdyna-mik im Land ab So waumlchst die Zahl der US-Bundesstaa-

ten und Kommunen die mit ernsthaftem Klimaschutz beginnen Auch die Zwischenwahlen in den USA (2010) haben in den entsprechenden Regionen eher den Klima-schutz gestaumlrkt So setzen sich einige Staaten anspruchs-volle CO2-Minderungsziele arbeiten an der Einfuumlhrung von Emissionshandelssystemen und foumlrdern immer staumlr-ker die Erneuerbaren Energien Auch viele Akteure in Finanzmarkt und Industrie setzen inzwischen auf ernst-haften Klimaschutz Sie sehen dass sie sonst in einem ganz groszligen globalen Zukunftsmarkt den Anschluss verlieren Auch durch konjunkturpolitische Maszlignahmen im Zuge der Wirtschaftskrise hat die US-Regierung In-vestition in Erneuerbare Energien und andere Bereiche gefoumlrdert

67 Anpassung an den Klimawandel Neben der Frage des Verringerns von Emissionen wird auch die Anpassung (engl Adaptation) an die negati-ven Auswirkungen des Klimawandels ein zunehmend wichtiges Thema ganz besonders fuumlr die aumlrmsten Ent-wicklungslaumlnder die Least Developed Countries (LDCs) und die kleinen Inselstaaten Die dramatischsten und zukunftsferneren Folgen des Klimawandels koumlnnen zwar durch Minderung von Treibhausgasemissionen begrenzt werden (bdquoVermeidung des Unbewaumlltigbarenldquo) ein Teil der Folgen laumlsst sich aber nicht mehr aufhalten und An-passungsmaszlignahmen sind demzufolge unumgaumlnglich (bdquoBewaumlltigung des Unvermeidbarenldquo) Insbesondere die Entwicklungslaumlnder fragen sich daher zunehmend Wie koumlnnen wir verhindern dass der Klimawandel unsere Entwicklungsziele gefaumlhrdet und bereits erzielte Ent-wicklungserfolge zunichte macht Dies gilt speziell fuumlr besonders klimasensible Bereiche wie die Ernaumlhrungs-sichereit und die Wasserverfuumlgbarkeit aber auch fuumlr Gesundheitsaspekte (s auch vorherige Kapitel zu den Auswirkungen des Klimawandels) Die Anpassung also der Umgang mit den Klimafolgen ist damit kein Selbst-zweck Sie dient vor allem dazu Entwicklung im Zeichen des Klimawandels zukunftsfaumlhig und widerstandsfaumlhig zu machen

Wie auch die vorhergehenden Berichte betont der vier-te Sachstandbericht des IPCC die besondere Anfaumlllig-keit von Entwicklungslaumlndern insbesondere von LCDs und kleinen Inselstaaten fuumlr die Folgen des Klimawan-dels114 Diese hohe Verletzlichkeit (Vulnerabilitaumlt) der aumlrmsten Staaten begruumlndet sich neben einer uumlberdurch-schnittlichen Risikozunahme von Wetterextremen in vielen Regionen des Suumldens aus i) ihrer starken Betrof-fenheit vom Klimawandel und von Wetterextremen ins-besondere durch die uumlberproportionale Bedeutung der witterungsabhaumlngigen Landwirtschaft ii) dem Mangel an finanziellen Ressourcen sowie iii) einem mangelnden Zugang zu Informationen Krediten und anderen Dienst-leistungen Die Folge ist eine geringe Kapazitaumlt zur Be-

113 Wasserman 2010114 IPCC 2007b

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waumlltigung der Herausforderungen die der Klimawandel mit sich bringt

Vor diesem Hintergrund gibt es eine Vielzahl von Ansatz-punkten um die Anpassungsfaumlhigkeit gegenuumlber den Risiken des Klimawandels zu erhoumlhen In der Konzeption des bdquoAnpassungskontinuumsldquo (s Abb 26) bewegen sich diese zwischen sehr konkreten Interventionen zur An-passung an spezifische Klimarisiken auf der einen Seite und der Verringerung der allgemeinen Vulnerabilitaumlt auf der anderen Seite Waumlhrend konkrete Projekte kurzfris-tig zur Anpassung beitragen koumlnnen ist die Integration in politische Planungsprozesse wichtig um eine Gesell-schaft laumlngerfristig auf den Klimawandel vorzubereiten und auch z B langfristige Fehlinvestitionen zu vermei-den In der Entwicklungspolitik z B im Bereich Ernaumlh-rungssicherung koumlnnen dementsprechend spezifische Anpassungsstrategien dazu beitragen die Ernaumlhrungs-sicherungspolitik klimasicherer zu machen

Der Klimagipfel von Cancuacuten hat eine Reihe von Maszlignah-men beschlossen um die Entwicklungslaumlnder staumlrker bei der Anpassung an die Folgen zu unterstuumltzen (s 63) Zu-dem gewinnt dieses Thema auch in der konkreten Ent-wicklungszusammenarbeit immer mehr an Bedeutung

Wichtige Elemente einer Anpassungsstrategie koumlnnen beispielsweise die Nutzung von Langzeitwettervorher-sagen Fruumlhwarnsystemen und oumlffentlich-privaten Ver-sicherungsmaumlrkten (etwa bdquoMicro-Insuranceldquo) zur Verrin-gerung der Risiken durch Wetterextreme sein Duumlrren Uumlberschwemmungen und Stuumlrme bergen besonders fuumlr arme Landbewohner in den Entwicklungslaumlndern die Gefahr das fuumlr die gegenseitige Unterstuumltzung notwen-dige soziale Netzwerk zu zerstoumlren Wettervorhersagen koumlnnen sowohl die Optimierung der Pflanztermine als auch die Planung der Bildung eines Vorrats an Lebens-mitteln vor Duumlrren erleichtern Gerade fuumlr die Aumlrmsten fehlt es bisher weitestgehend an Versicherungssyste-men zum Schutz gegen die finanziellen Folgen von Ex-tremereignissen und ohne Ko-Finanzierung aus den In-dustriestaaten wird die Versicherungswirtschaft diese mangels Kaufkraft der Bevoumllkerung vor Ort auch nicht aufbauen Der Erhalt natuumlrlicher Systeme wie der Koral-len oder der Mangrovenwaumllder die eine wichtige Funk-tion zur Stabilisierung von Kuumlstenstreifen ausuumlben kann als Anpassungsmaszlignahme gegen einen steigenden Mee-resspiegel und gegen Uumlberflutungen verstanden wer-den Im konkreten Notfall koumlnnen solche Maszlignahmen zwar die Katastrophenhilfe nicht ersetzen In langfristi-ger Betrachtung besteht dennoch wenig Zweifel dass

Verringerung der Vulnera bi litaumlt

Aktivitaumlten zur Ver - ring erung der Armut und anderer nicht klimatischer Stress faktoren die Menschen verletzlich machen

Aufbau von Reaktionsfaumlhigkeit

Aktivitaumlten die dem Aufbau robuster Systeme der Problem-loumlsung dienen

Management von Klimarisiken

Aktivitaumlten zum Einbezug von Klima -informationen in Entscheidungs-prozesse

Anpassung an den Klimawandel

Aktivitaumlten zu Aus-wirkungen die direkt auf den Klimawandels zuruumlckzufuumlhren sind

Traditionelle Entwicklungsfinanzierung Neue und zusaumltzliche Anpassungsfinanzierung

VulnerabilitaumltsfokusFokus auf die Auswirkungen

des Klimawandels

Quelle Harmeling 2010

Abb 26 Das bdquoAnpassungskontinuumldquo und Strategien zur Ernaumlhrungssicherung

Nationale Anpassungs-KlimastrategienErnaumlhrungssicherungs- Wasserstrategien

Armutsbekaumlmpfungsstrategien MDG-Aktionsplaumlne

Katastrophen- vorsorgestrategien

Nationale Aktionsprogramme fuumlr Anpassung (NAPA)

Entwicklungspolitik fuumlr klimaresiliente Ernaumlhrungssicherheit

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Info-Kasten 6 Der Wald als Senke und Reservoir von CO2

Eine bdquonatuumlrliche Technologieldquo die zur Verringerung der atmosphaumlrischen Treibhausgaskonzentration bei-tragen kann ist die Senkenfunktion der Vegetation d h die Bindung von CO2 durch Pflanzen insbeson-dere durch Baumlume (siehe 13) Belastend fuumlr das Klima ist die Freisetzung dieses CO2 durch die Vernichtung von Waumlldern wenn diese anschlieszligend nicht wieder nachwachsen bzw aufgeforstet werden Allerdings ist dem Klimaschutz aus vier Gruumlnden nicht gedient wenn das Anpflanzen von Waumlldern auf die Emissi-onsziele des Kyoto-Protokolls oder des europaumlischen Emissionshandels angerechnet werden kann

Erstens wird dadurch weniger Klimaschutz in an-deren Bereichen wie Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz geleistet Diese sind aber im Sinne des notwendigen Umbaus der weltweiten Energie-systeme dringend erforderlich Zweitens bestehen nach wie vor groszlige wissenschaftliche Unsicherhei-ten beim Berechnen der CO2-Menge die netto durch Aufforstung gebunden wird Drittens kann niemand garantieren fuumlr wie viele Jahre geschweige denn Jahrzehnte ein Wald intakt bleiben und damit CO2

binden wird So hat der Amazonasregenwald im letz-ten Jahrzehnt ndash wegen zweier groszliger Duumlrren ndash moumlg-licherweise mehr CO2 freigesetzt als gebunden Und viertens koumlnnen erhebliche soziale und oumlkologische Probleme entstehen wenn Waumllder alleine unter CO2-Aspekten optimiert werden So zeichnet sich ab dass die Artenvielfalt oder der Wasserhaushalt bei Neuan-pflanzungen alleine unter CO2-Aspekten regelmaumlszligig mit Beeintraumlchtigungen zu rechnen haben

Aufforstung sollte also zusaumltzlich zu ndash und nicht an-stelle von ndash Maszlignahmen in den Bereichen Energie-effizienz und Erneuerbare Energien geleistet werden Auszligerdem sollte sie so weit wie moumlglich zum Schutz der Artenvielfalt dienen

Nicht nur zum Klimaschutz auch im Hinblick auf die vielen anderen wertvollen Funktionen des Waldes die zum Teil auch wichtige Beitraumlge fuumlr die Anpas-sung an den Klimawandel leisten koumlnnen bedarf es eines groszligangelegten globalen Konzepts mit wir-kungsvollen Anreizen um die schnelle Entwaldung zu verhindern

vorbeugende Maszlignahmen effektiv sind da sie Verluste mindern und sich finanziell auszahlen Die Kombination von vorbeugenden Maszlignahmen und Katastrophenhilfe verspricht die besten Erfolge bei der Anpassung an den Klimawandel

Politisch relevant ist insbesondere die Frage der Finan-zierung der Anpassungsmaszlignahmen in Entwicklungs-laumlndern Im UN-Kontext sowie durch die bilaterale Ent-wicklungszusammenarbeit gibt es bereits verschiedene Finanzierungsmechanismen die aber alle weit hinter den geschaumltzten Anpassungskosten von mehr als 70 Milliarden US-Dollar pro Jahr in Entwicklungslaumlndern zuruumlckbleiben115 Die kapitalstarken Hauptverursacher des Klimawandels werden besonders gefragt sein die Kosten der Anpassung in Entwicklungslaumlndern zu tra-gen Das beim Klimagipfel in Cancuacuten bestaumlrkte Verspre-chen der Industrielaumlnder fuumlr Klimamaszlignahmen bis 2020 jaumlhrlich 100 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren wird zu einem wesentlichen Teil auch Anpassungsmaszlignah-men finanzieren muumlssen insbesondere durch den neuen Green Climate Fund Eine gewisse Finanzierungsstruk-tur fuumlr Anpassung im UNFCCC-Kontext besteht bereits Insbesondere der Anpassungsfonds unter dem Kyoto-Protokoll ist hier ein wichtiges Instrument das auch neue Wege in der internationalen Klimafinanzierung eingeschlagen hat116 Auf bilateraler Ebene bietet die

Internationale Klimaschutzinitiative der Bundesregie-rung eine innovative Moumlglichkeit Projekte staatlicher und nichtstaatlicher Akteure in Entwicklungslaumlndern zu finanzieren117 Aber auch insgesamt spielt Anpassung in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit Deutsch-lands und anderer Industrielaumlnder eine wachsende Rolle

68 Technologien und Finanzmarkt

Die langfristig notwendige Verringerung der Treibhaus-gasemissionen weltweit ist nur durch die rasche Verbrei-tung und staumlndige Innovationen im Bereich klimafreund-licher Technologien denkbar auch wenn Einsparungen durch Verhaltensaumlnderungen insbesondere in den In-dustrielaumlndern ebenfalls eine wichtige Rolle zukommt Mittel- bis langfristig ruhen die groumlszligten Hoffnungen auf Erneuerbaren Energien in Kombination mit Energieeffi-zienz Natuumlrlich gilt es auch bei deren Nutzung eine um-weltvertraumlgliche effiziente und zukunftsfaumlhige Anwen-dung sicherzustellen Kritische Aspekte (z B im Bereich der Biotreibstoffe) gilt es zu beruumlcksichtigen und gegen ihren klimapolitischen Nutzen abzuwaumlgen So zeichnet sich ab das Biotreibstoffe der ersten Generation selten aus klimapolitischer Sicht sinnvoll sind Bereits heute

115 Siehe z B Weltbank 2010 116 S Harmeling und Kaloga 2010117 S wwwbmu-klimaschutzinitiativede

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wird deutlich dass ihre Gewinnung mit Werten wie Er-naumlhrungssicherung und Artenvielfalt in Konflikt geraumlt Andererseits ist klar dass Biomasse eine wichtige Saumlule einer globalen Klimastrategie ist

Erfreulicherweise setzen immer mehr Laumlnder auf diese erneuerbare Energien und foumlrdern deren Einfuumlhrung durch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingun-gen118 Die Wachstumsraten im Bereich der Erneuerba-ren Energien sind jedoch derzeit insgesamt noch nicht hoch genug um die fossilen Energien weitgehend ab-loumlsen zu koumlnnen Bis Mitte des Jahrhunderts wird dies allerdings in vielen Regionen und Bereichen fuumlr moumlglich gehalten Technologien im Bereich Energieeffizienz koumlnnen einen sehr kurzfristig umsetzbaren und groszligen Beitrag zum Klimaschutz leisten Neben der bdquoAngebots-seiteldquo wie z B im Bereich Kraft-Waumlrme-Kopplung sind groszlige Einsparpotenziale auf der bdquoNachfrageseiteldquo vor-handen beispielsweise durch Waumlrmedaumlmmung von Ge-baumluden zur Reduktion des Heizenergieverbrauchs und effizientere Geraumlte bzw Maschinen und Motoren Dies gilt auch fuumlr den Verkehrssektor wo eine starke Effizi-enzsteigerung von Fahrzeugen dringend notwendig ist Allerdings zeigt sich auch dass ndash wenn die Energiepreise nicht durch eine Oumlkosteuer oder den Emissionshandel steigen ndash die Effizienzgewinne durch groumlszligere oder zahl-reichere Wohnungen Geraumlte Autos usw schnell aufge-fressen werden (bdquorebound effectldquo)

Als neue Technologie im Bereich der Nutzung fossiler Energietraumlger ist die CO2-Abscheidung und -Lagerung (CCS) im Gespraumlch119 Damit soll CO2 im Zuge der Ver-brennung von Kohle Oumll oder Gas abgeschieden und dann unterirdisch an einem geeigneten Ort sicher und dauer-haft gelagert werden Zwar birgt die Lagerung von CO2 in der Geosphaumlre einige Risiken und vor der Verbreitung dieser Technologie muumlssen wichtige Fragen bezuumlglich der oumlkologischen Sicherheit der oumlkonomischen Dimen-sion oder der Haftung im Schadensfall geklaumlrt werden Dennoch kann Abscheidung und unterirdische Lage-rung des CO2 gerade mit Blick auf die Entwicklungen im Energiesektor in China und andere Kohleregionen ndash dort muss weiter mit hohem Kohleverbrauch gerechnet wer-den ndash eine wichtige Bruumlckenloumlsung werden Oumlffentliche Gelder die fuumlr Forschung und Entwicklung von Techno-logien in den Bereichen Energieeffizienz und Erneuerba-re Energien vorgesehen sind sollten allerdings nicht in die CCS-Entwicklung umgeleitet werden

In Deutschland sind die notwendigen CO2-Einsparungen im Energiebereich ohne CCS moumlglich Hier liegt die Not-wendigkeit der Erforschung von CCS eindeutig im Be-reich der industriellen Prozessemissionen aus der Stahl- Zement- und Kalkproduktion wo es weniger Alternati-ven als im Strombereich gibt120 Neue Technologien in diesem Bereich sollten allenfalls getestet werden um sie in China und anderen Schwellenlaumlndern einzusetzen

In Deutschland koumlnnen die Klimaziele besser ohne Kraft-werksneubauten mit oder ohne CCS erreicht werden Insgesamt geht es letztendlich um eine Risiko-Abwauml-gung Energieeffizienz und Erneuerbare Energien soll-ten deshalb generell den Vorrang haben Im Zweifelsfall duumlrfte bei der Kohleverbrennung die Lagerung von CO2 in der Atmosphaumlre ein groumlszligeres Risiko darstellen als un-ter der Erde sollte diese Technologie wirklich funktio-nieren

Klar ist heute dass die Welt das Klimaproblem nur durch einen breiten Technologiemix in den Griff bekommen kann Mit vielen der heute bereits existierenden Tech-nologien koumlnnen CO2- und andere Treibhausgas-Emissi-onen bereits massiv gesenkt werden Gleichzeitig sind in Bezug auf kommende Jahrzehnte deutlich houmlhere Inves-titionen in Forschung und Entwicklung von Erneuerba-ren Energien Energieeffizienz und intelligenten Netzen oder auch fuumlr die Neuausrichtung einer Landwirtschaft die der Ernaumlhrungssicherung und dem Klimaschutz so dient dass sich diese Ziele unterstuumltzen dringend not-wendig In Bezug auf Erneuerbare Energien gilt es auch ganz genau auf die Ressourcenbilanz zu schauen Viele Rohstoffe die fuumlr diese Technologien heute wichtig sind sind nur in begrenztem Maszlige vorhanden

Fuumlr Investitionen in Klimaschutztechnologien sind Rah-menbedingungen notwendig die es fuumlr die Akteure am Finanzmarkt und in anderen Bereichen der Wirtschaft attraktiv machen lieber in diese Technologien zu inves-tieren als in klimaschaumldliche Auch in diesen Kreisen wird Klimawandel immer mehr als Kostenfaktor gesehen zum einen durch die direkten Schaumlden infolge von Wetter-extremen etc So hat Sir Nicholas Stern in einer viel be-achteten Studie geschaumltzt dass die Kosten die bei un-gehemmtem Klimawandel durch dessen Auswirkungen entstehen koumlnnten 5 bis 20 Prozent des jaumlhrlichen glo-balen Bruttoinlandprodukts betragen koumlnnten121 Zum anderen entstehen Kosten durch politische Regulierung wie durch den Emissionshandel oder CO2-Steuern Daruuml-ber hinaus nimmt die Bedeutung der Unternehmensver-antwortung (bdquoCorporate Social Responsibilityldquo) in der Oumlffentlichkeit zu so dass Klimaschutzmaszlignahmen sich zunehmend guumlnstig auf das Unternehmensimage aus-wirken waumlhrend das Unterlassen von Klimaschutzmaszlig-nahmen dem Image schadet Und nicht zuletzt koumlnnte das Risiko von Schadensersatzklagen eine unmittelbare Auswirkung auf den Marktwert eines Unternehmens ha-ben

Doch trotz aller Fortschritte bezuumlglich der Beruumlcksich-tigung des Klimawandels durch den Finanzmarkt In der tatsaumlchlichen Geldanlagepolitik der groszligen Banken Versicherer und Pensionsfonds spielt die Vermeidung von Klimarisiken zwar eine wachsende bisher aber noch untergeordnete Rolle Entsprechend zentral sind lang-fristig verlaumlssliche politische Rahmenbedingungen

118 REN 21 2010 119 CCS = CO2 Capture and Storage Ein umfangreicher Sonderbericht

des IPCC zum Thema CCS ist unter httpwwwipccch abrufbar

120 Germanwatch 2010b121 Stern 2006

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69 Demokratie und die groszlige Trans formation

Der Klimawandel stellt eine enorme Herausforderung fuumlr die heutigen Demokratiemodelle dar Es gibt zumin-dest fuumlnf zentrale Herausforderungen

1 Erstens gelingt es bisher nicht dass Grundprinzip der Demokratie dass die Betroffenen an Entscheidun-gen beteiligt werden sollen zu beruumlcksichtigen So haben die am staumlrksten betroffenen Menschen in Ent-wicklungslaumlndern allenfalls bei UN-Klimaverhandlungen durch ihre Regierungen ein gewisses Mitspracherecht Bei den nationalen Klimaschutzentscheidungen in In-dustrie- und Schwellenlaumlndern und bei G20- bzw G8-Gipfeln sind sie auszligen vor

2 Zweitens neigt die Politik in Demokratien aufgrund der etwa vierjaumlhrigen Wahlzyklen zu einer systemati-schen Vernachlaumlssigung von langfristigen Problemen wie dem Klimawandel Heutige Klimaschutzentschei-

dungen wuumlrden das Klima bis 2030 so gut wie nicht mehr beeinflussen das Klima in den Folgejahrzehnten jedoch gravierend Dann aber sind heutige Politiker laumlngst ab-gewaumlhlt und muumlssen sich nicht mehr dafuumlr verantworten

3 Drittens stellen irreversible Veraumlnderungen die eine Generation uumlber die naumlchste verhaumlngt das demokrati-sche Prinzip der bdquoEntscheidungen auf Zeitldquo in Frage ndash das trifft auf die Nutzung fossiler Energietraumlger und den Kli-mawandel ebenso zu wie auf den Einsatz von Kernkraft

4 Viertens sind die Interessenverbaumlnde der sich auf fossile Traumlger stuumltzenden Energiewirtschaft und der von Kurzfristinteressen gepraumlgten Finanzakteure so gut organisiert dass wichtige Demokratien ndash wie etwa die USA ndash zum Teil wie Marionetten erscheinen

5 Fuumlnftens wird die Handlungsfaumlhigkeit der Demo-kratie angesichts solcher Herausforderungen zu einem zentralen Argument in Diskussionen mit Akteuren wie China die einem aufgeklaumlrtem Autoritarismus das Wort reden

122 Siehe wwwatmosfairde 123 IPCC 1999 8124 Lee et al 2010

Info-Kasten 7 Flugverkehr und Klimaschutz

Die internationale Luft- und Schiffsverkehrsbran-che ist (neben der Landwirtschaft) die einzige treib-hausgasintensive Branche die klimapolitisch nicht reguliert ist da sie nicht durch das Kyoto-Protokoll erfasst wurde Die bisher einzige aber wichtige Aus-nahme ist der Einbezug des Flugverkehrs in den euro-paumlischen Emissionshandel durch den auch Fluumlge au-szligerhalb Europas erfasst werden soweit sie in Europa landen oder aus Europa abgehen Dabei schaumldigt ein Flug das Klima pro zuruumlckgelegtem Kilometer pro Per-son um ein Mehrfaches einer Auto- oder Bahnreise122

Dies liegt vor allem daran dass bei Fluumlgen uumlber 700 km wegen der dann groszligen Flughoumlhe nicht allein das Kohlendioxid klimaschaumldlich wirkt Hinzu kommen u a auch Kondensstreifen und Zirruswolken die sich in groszliger Houmlhe bilden und das regionale Klima beein-flussen koumlnnen

Der IPCC hat daher die gesamte Klimawirkung der verschiedenen Effekte ausgedruumlckt durch den so-genannten bdquoRadiative Forcing Indexldquo (RFI) auf min-destens das Zwei- bis Vierfache des CO2-Ausstoszliges geschaumltzt123 Neuere wissenschaftliche Forschungen deuten darauf hin dass diese Werte noch houmlher lie-gen koumlnnten124 Allerdings bestehen einige wissen-schaftliche Unsicherheiten Der Gesamtanteil am menschgemachten Treibhauseffekt wird auf bis zu 14 Prozent geschaumltzt (im Jahr 2005)125 Besonders problematisch sind die ndash trotz Wirtschaftskrise ndash ins-

gesamt sehr hohen Wachstumsraten die natuumlrlich auch zu einem Anstieg der Emissionen fuumlhren Je nach Szenario koumlnnten sich die Emissionen aus dem Flug-verkehr bis 2050 verdreifachen

Verschiedene Wege sind zudem denkbar wie man die Fluggaumlste und die Branche in die Verantwortung nehmen kann ndash trotz fehlender oder unzureichender politischer Regulierung Am wirkungsvollsten ist es auf unnoumltige Fluumlge zu verzichten Fluggaumlste haben aber auch die Moumlglichkeit bereits jetzt auf freiwil-liger Basis aktiv zu werden durch die Unterstuumltzung von Klimaschutzprojekten die Emissionen in einer Houmlhe einsparen welche aumlquivalent zur Erwaumlrmungs-wirkung des Fluges sind126 Angesichts des im Ver-gleich zur Wachstumsrate des Flugverkehrs recht geringen Potenzials von technischen Verbesserungen ist jedoch eines klar Moumlchte man das Wachstum der Flugverkehrsemissionen zumindest deutlich abbrem-sen so reichen solche freiwilligen Loumlsungen mittel- bis langfristig nicht aus Sie sind nur als Ergaumlnzung zu verbindlichen Regelungen und oumlkonomischen Instrumenten zu sehen Neben dem Einbezug in den Emissionshandel sollten daher auch eine Emissions-abgabe und der Abbau verschiedener Subventionen angestrebt werden insbesondere auch um zu der international notwendigen Klimafinanzierung in Ent-wicklungslaumlndern beizutragen

125 Lee et al 2010126 Siehe z B httpwwwatmosfairde

65

Info-Kasten 8 Geo-Engineering

Neben den bisher beschriebenen Ansaumltzen gibt es die Vorstellung der Mensch koumlnne die Entwicklung des Klimasystems gezielt steuern Im Englischen wer-den solche Methoden unter dem Begriff des bdquoGeo-Engineeringldquo zusammengefasst Ein Ansatz an dem zunehmend intensiver geforscht wird besteht darin die CO2-Aufnahmekapazitaumlt der Ozeane zu erhoumlhen ndash durch Duumlngung mit Eisenspaumlnen Eine solche Duumln-gung haumltte ein beschleunigtes Wachstum des Phyto-planktons zur Folge Dies wuumlrde im Prinzip zu einer houmlheren Aufnahme von CO2 fuumlhren Wenn diese Al-gen dann absterben sollen sie auf den Meeresboden sinken und das CO2 quasi mit in die Tiefe nehmen

Der IPCC bemerkt dazu kritisch dass die wenigen bisher durchgefuumlhrten Studien moumlgliche negative Nebeneffekte nicht ausreichend untersucht haumltten Dazu zaumlhlen die erhoumlhte Produktion von CH4 und N2O sowie die moumlglichen Auswirkungen des schnellen Al-genwachstums auf die Oumlkologie der Meere und die Nahrungskette Eine weitere Option besteht darin die Sonneneinstrahlung kuumlnstlich zu verringern und so die Wirkung des Treibhauseffekts abzuschwaumlchen

Einer der Vorschlaumlge die in diese Richtung zielen sieht vor eine Art riesigen etwa 106 Quadratkilome-ter groszligen Spiegel ins All zu transportieren So soll ein Teil der Sonnenstrahlung vom Eintritt in die At-mosphaumlre abhalten werden Ein weiterer Vorschlag sieht vor die kuumlhlende Wirkung stratosphaumlrischer Aerosole wie sie zum Beispiel von Vulkanausbruuml-chen oder Luftverschmutzung bekannt ist kuumlnstlich zu verstaumlrken Groszlige Mengen Schwefel oder andere Aerosole muumlssten dabei in die Stratosphaumlre gebracht werden

Allen diesen Optionen ist gemeinsam dass sie enor-me oumlkologische und klimatische Nebeneffekte mit sich bringen koumlnnten Wie bei einem Menschen der an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen wird wird auch hier die Eigensteuerung des Systems Erde-Klima auszliger Kraft gesetzt Viele Akteure halten des-halb diese Aktivitaumlten insbesondere wenn sie die Strahlungsaktivitaumlt in der Atmosphaumlre verringern fuumlr indiskutabel

Andererseits zeigt sich uumlberall dass die Umsetzung von Energieeffizienz und die dezentrale Nutzung Erneuerba-rer Energien eine aktive Zivilgesellschaft zur Grundvor-aussetzung hat Die Buumlrger draumlngen ndash trotz zunehmen-der Politikverdrossenheit ndash auf staumlrkere Partizipation

Keine Frage die Demokratie wird sich erneuern muumlssen wenn sie auf Herausforderungen von der Groumlszligenord-nung des Klimawandels angemessene Antworten finden will Aber nicht zuletzt die Ereignisse in der arabischen Welt und der Mittelmeerregion zeigen Demokratie ist eine erneuerbare Ressource der Politik ndash und dieses Potenzial sollten wir nutzen Historisch gesehen haben

sich Diktaturen als zu starr erwiesen um auf dynamische Veraumlnderungsanforderungen reagieren zu koumlnnen Die Wahrnehmung der groszligen Transformation als Veraumlnde-rungschance und nicht als Veraumlnderungszumutung ist daher gerade ein Argument fuumlr eine Staumlrkung der Buumlr-gergesellschaft als Schluumlsselinstrument fuumlr mehr Klima-schutz in Demokratien127 Zugleich sollte es ein wichti-ges Entscheidungskriterium fuumlr politisch eingeleitete Klimaschutzmaszlignahmen sein dass sie die Freiheit des Einzelnen nicht einschraumlnken Allerdings endet die Frei-heit wo sie die Freiheit oder gar die Existenz anderer Menschen gefaumlhrdet

127 Vgl Leggewie und Welzer 2010

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Moderne Zugtechnik traumlgt nicht nur in Deutschland immer mehr zum Klimaschutz bei indem sie eine attraktive Alternative zu Kurzstreckenfluumlgen darstellt

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Wer muss handeln

Ein wichtiger Grund dafuumlr dass bisher erforderliche Maszlignahmen trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse nur zoumlgerlich vorankommen ist die mangelnde Uumlbernah-me von Verantwortung Politik Wirtschaft und Buumlrger schieben diese gerne in jeweils andere Bereiche oder gar auf andere Laumlnder ab Das liegt auch darin begruumlndet dass die Klimaproblematik ein Kollektivgutproblem ist da jeder freien Zugang zu der Atmosphaumlre hat selbst wenn er sie stark verschmutzt

Die besondere Verantwortung der industrialisierten Laumlnder beruht jedoch auf der Tatsache dass sie die Hauptverursacher des menschgemachten Treibhausef-fekts sind und uumlber weit groumlszligere finanzielle Moumlglichkei-ten verfuumlgen als die Entwicklungslaumlnder (siehe auch Ka-pitel 4 5 und 6) Letzteres aumlndert sich allerdings seit der Finanzkrise dramatisch ndash und ist inzwischen angesichts der groumlszligeren finanzpolitischen Spielraumlume dort ein wei-teres Argument dafuumlr auch die Schwellenlaumlnder in die Pflicht zu nehmen

Nur wenn Politik Wirtschaft und Buumlrger die erforder-liche Veraumlnderung auch als Chance begreifen ist ein Wandel moumlglich Fuumlr ein neues Wohlstandsmodell und die Vermeidung eines gefaumlhrlichen Klimawandels sind folglich alle gefragt ndash Politik Wirtschaft und Buumlrger

Zugleich kann Deutschland kurz- und langfristig von sei-nem Engagement im Klimaschutz profitieren Einerseits weil die sonst eintretenden Auswirkungen der Erwaumlr-mung auch Deutschland treffen wuumlrden (Extremwetter-ereignisse Meeresspiegelanstieg usw) Andererseits weil durch Klimainvestitionen und die Vorreiterrolle im Klimaschutz Arbeitsplaumltze geschaffen und wirtschaft-liche Zukunftsmaumlrkte erschlossen werden

Deutschland hat als groszlige Industrienation mit uumlber-durchschnittlichem Pro-Kopf-Ausstoszlig an CO2 maszliggeb-lich zur bisherigen Erderwaumlrmung beigetragen Eine Minderung von mindestens 40 Prozent bis zum Jahr 2020 im Vergleich zum Niveau von 1990 ist daher er-forderlich um zur Begrenzung der weltweiten Erwaumlr-mung auf unter 2 degC beizutragen Seine Verantwortung kann Deutschland jedoch nur uumlbernehmen wenn Politik Wirtschaft und Buumlrger diese nicht in die jeweils anderen Bereiche abschieben sondern jeder seinen Beitrag leis-tet Dieses Kapitel fasst zentrale Aufgaben in verschie-denen gesellschaftlichen Bereichen zusammen

71 Was kann die Politik tun

I Internationale Politik

rarr 1 Forderung nach einer globalen Strategie

Eine globale Aufgabe wie der Klimaschutz braucht eine globale Strategie128 ndash nicht zuletzt wegen der Flexibili-taumlt von Unternehmen die den nationalen Regelungen oft durch Standortverlagerungen ausweichen Folglich muumlssen nicht nur auf nationaler sondern auch auf inter-nationaler Ebene Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz ge-troffen werden Die jaumlhrlich stattfindenden Klimagipfel bieten bereits die Moumlglichkeit zur Vereinbarung einer globalen Strategie

Der bedeutendste erste Schritt hin zu einer globalen Strategie war der Abschluss des voumllkerrechtlich ver-bindlichen Kyoto-Protokolls (siehe Kapitel 6) Dieses ist zwar ein erster Schritt kann aber nur einen nachhaltigen Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels leisten wenn er als Basis fuumlr weitaus ehrgeizigere Maszlignahmen in den folgenden Jahren genutzt wird

Nach den schwachen Ergebnissen von Kopenhagen zeigt sich immer staumlrker dass eine globale Strategie im Zu-sammenspiel von Vorreiterkoalitionen und internationa-len Rahmensetzungen die sich wechselseitig dynamisie-ren verstanden werden muss Fuumlr Deutschland heiszligt das auch dass bilaterale Abkommen mit besonders verletz-lichen besonders progressiven und besonders relevan-ten Staaten eine wichtige Bedeutung haben

rarr 2 Vorsorgepolitik betreiben

Um angemessene Antworten auf den Klimawandel zu fin-den und effektive Vorsorgemaszlignahmen zu treffen ist es wichtig dass die Politik Klimaschutzmaszlignahmen als In-vestitionen in bessere Lebensbedingungen erkennt und Vorsorgepolitik betreibt Die bisherigen Anstrengungen der internationalen Politik werden der Herausforde-rung einen gefaumlhrlichen Klimawandel zu vermeiden und gleichzeitig die Anpassung in besonders betroffenen Regionen zu unterstuumltzen nicht gerecht denn mit den bisher angekuumlndigten Emissionsverminderungszielen steuert die Welt weiterhin auf eine Erderwaumlrmung von 3 bis 4 Grad zu ndash wenn alle Vorhaben umgesetzt werden und was keineswegs gesichert ist ndash keine Schlupfloumlcher die Ernsthaftigkeit der Ziele untergraben Bisher spricht wenig dafuumlr dass der globale Scheitelpunkt der Emissi-onsentwicklung vor 2020 erreicht wird ndash und damit duumlrf-te das 2-Grad-Limit auszliger Reichweite geraten Nachdem

7 Maszlignahmen zum Klimaschutz

128 Zur Diskussion der Moumlglichkeiten den Klimaschutz in die Systemlogik von Politik Wirtschaft und Technologie zu uumlbersetzen siehe Bals 2002

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sich die USA in eine Situation der Handlungsunfaumlhigkeit manoumlvriert haben kann die notwendige Dynamik nur entstehen wenn sich die EU und China uumlber ihre Mini-malziele von Kopenhagen hinaus bewegen

rarr 3 Finanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen gerecht regeln

Damit eine angemessene globale Klimaschutzstrategie moumlglich wird muss die internationale Politik entspre-chende Rahmenbedingungen schaffen und die Finan-zierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen gerecht regeln Zum einen geht es darum moumlglichst verursachergerecht ndash etwa durch Erloumlse aus dem Emis-sionshandel und eine Abgabe auf den internationalen Flug- und Schiffsverkehr die notwendigen oumlffentlichen Gelder einzusetzen Zum anderen sollten diese Gelder vor allem soweit es um Gelder fuumlr den Klimaschutz geht mit optimaler Hebelwirkung so fuumlr Rahmenbedingungen und Infrastruktur eingesetzt werden dass ein Vielfaches an privaten Finanzstroumlmen dementsprechend umgelei-tet wird Die Industriestaaten als Hauptverursacher fuumlr Auswirkungen und Schaumlden des Klimawandels tragen die groumlszligte Verantwortung Sie stehen nach dem Verursa-cherprinzip somit in der Pflicht die besonders betroffe-nen Laumlnder und Bevoumllkerungsgruppen bei Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen technisch und finanziell zu unterstuumltzten Eine gerechte und verlaumlssliche Finanzie-rung ist zugleich ein aktiver Beitrag fuumlr eine sicherere Welt und sollte daher im Sinne der Industrienationen sein Aufgrund des zweiten Prinzips der Frage nach der Handlungsfaumlhigkeit der Staaten muss allerdings nach der Finanzkrise auch die Frage nach einer finanziellen Beteiligung der Schwellenlaumlnder gestellt werden

II Nationale Politik

rarr 1 Rahmenbedingungen fuumlr ein klima-freund liches Wohlstandsmodell schaffen

Die Industriestaaten koumlnnen die Rahmenbedingungen fuumlr ein klimafreundliches Wohlstandsmodell vorantrei-ben indem sie klimafreundliche Handlungen foumlrdern und klimaschaumldliche Handlungen einschraumlnken

n Klimafreundliche Handlungen foumlrdern und klima-schaumlndliche Handlungen einschraumlnken

Klimafreundliche Handlungen koumlnnen durch erfolg-reiche Klimaschutzpolitikmodelle Gesetze und Klima-investitionen gefoumlrdert werden Langfristig sind sie schon deshalb fuumlr die Gesellschaft ein finanzieller Ge-winn weil die entstehenden Kosten sehr wahrschein-lich niedriger sein werden als die zu erwartenden Fol-gekosten eines Klimawandels insbesondere wenn man

positive Nebeneffekte von Klimaschutzmaszlignahmen ein bezieht129 Aber auch kurzfristig koumlnnen sich diese Investitionen auszahlen weil Gelder nicht in meist un-demokratische Staaten fuumlr Oumll- und Gas uumlberwiesen son-dern in der Region investiert werden weil Innovationen vorangetrieben Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen geschaffen werden Am Beispiel der Energieversorgung werden im Folgenden konkrete Handlungsmoumlglichkei-ten der Politik veranschaulicht

n Erneuerbare Energien muumlssen ausgebaut und effiziente Energiestrukturen gefoumlrdert werden

Die Politik in Deutschland hat bereits einige wichtige Fortschritte gemacht wie zum Beispiel die Einfuumlhrung des Energieeinspeisegesetzes (EEG) zeigt Das auf einem Ansatz aus dem Jahr 1990 fuszligende im Jahr 2000 offiziell implementierte und fortwaumlhrend weiter entwickelte Ge-setz garantiert Produzenten von Erneuerbaren Energien uumlber einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren einen festen Verguumltungssatz und verpflichtet die Netzbetreiber zur vorrangigen Abnahme der erzeugten Strommengen Innerhalb weniger Jahre ist damit der Anteil der Erneu-erbaren an der Stromversorgung auf ca 17 Prozent ge-stiegen Auch im Bereich der Gebaumludesanierung und der Waumlrmeversorgung aus Erneuerbaren Energien gab es durch verschiedene Foumlrderprogramme bereits beacht-liche Fortschritte doch entscheidende Weichenstellun-gen hin zu einer 100-prozentigen Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien stehen noch aus

Um das 2-Grad-Limit einzuhalten sind daruumlber hinaus noch weitere Maszlignahmen erforderlich wie zum Beispiel ein sich selbst dynamisierendes Foumlrderprogramm fuumlr die Marktfuumlhrer der Energieeffizienz bei verschiedenen Ge-raumlten (Top-Runner-Ansatz) die Forschungsfoumlrderung im Bereich Energieeffizienztechnologien oder die Einfuumlh-rung eines Foumlrdergesetzes fuumlr Erneuerbaren Energien im Bereich Gebaumludeheizung -kuumlhlung und Warmwasserbe-reitung

Am erstrebenswertesten waumlre eine Komplettversorgung mit Oumlkostrom in Europa und angrenzenden Regionen zu sozialvertraumlglichen Kosten Die Idee hinter dem so ge-nannten bdquoSuperSmartGridldquo-Ansatz (SSG) ist die Kombi-nation von zwei Ansaumltzen die all zu oft gegeneinander ausgespielt werden Zum einen das dynamische Voran-treiben von dezentral erzeugten Erneuerbaren Energien Dies hat aus Gruumlnden der regionalen Wertschoumlpfung und der Aufwertung ganzer Regionen der Identifizierung der Buumlrger und Buumlrgerinnen mit ihrer Stromversorgung und der Energiesicherheit viel fuumlr sich Ein Smart Grid ermoumlglich die optimale Abstimmung der dezentralen Er-zeugung mit dem Verbrauch von Wirtschaft und privaten Verbrauchern so dass sich das Problem der fluktuieren-den Verfuumlgbarkeit von Strom relativiert

129 Stern 2006

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Zum anderen aber geht es ndash unter dem Stichwort Super-grid ndash um ein europaweites Stromnetz bei dem jedes Land die besonders effizient nutzbaren und groszligen Po-tenziale nutzt die es bezuumlglich Erneuerbarer Energien hat Wind- und Wasserkraft aus Nordeuropa Biomasse aus Zentraleuropa Solarstrom aus der Sahara usw Die-ses Kontinente uumlbergreifende Stromnetz kann Realitaumlt werden wenn die Politik sich fuumlr folgende Maszlignahmen einsetzt eine massive Foumlrderung Erneuerbarer Ener - gien einen auf Erneuerbare Energien ausgerichteten Stromnetzausbau und eine verbesserte nationale so-wie europauml ische Energierahmengesetzgebung Studien zeigen dass eine entsprechende Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien gemeinsam mit einem starken Schub fuumlr Effizienz mit aumlhnlichen Kosten verbunden waumlre wie wenn man einen hohen Anteil an Kohle- und Atomstrom beibehalten wuumlrde130 Aber wenn es die Vollversorgung Europas mit Erneuerbaren Energien vor 2050 geben soll dann muumlssen jetzt die Weichen dafuumlr gestellt werden

n Abschaffung von klimaschaumldlichen Subventionen ndash keine Foumlrderung von Kohle und Atom

Der Neubau von Kohlekraftwerken ist hochproblema-tisch auch wenn neue Kraftwerke deutlich effizienter sind als aumlltere weil beim Verbrennen von Stein- und Braunkohle im Vergleich zu Oumll und Gas ein Mehrfaches an CO2 entsteht Da die Kohlevorraumlte deutlich groumlszliger sind als die Reserven aller anderen fossilen Energietrauml-ger ist daruumlber Hinaus zu erwarten dass die CO2-Pro-blematik durch entsprechend lange Laufzeiten bis weit in die Zukunft ungeloumlst bliebe Subventionen in Kohle Atom und beim Flugverkehr muumlssen abgeschafft wer-den Milliardensubventionen in diesen Bereichen schauml-digen das Klima einerseits durch den Ausstoszlig von Treib-hausgasen und andererseits weil sie die oumlkonomische Wettbewerbsfaumlhigkeit klimaschonender und generell risikoaumlrmerer Alternativen reduzieren

n RegulierungVerteuerung von klimaschaumldlichen Handlungen

Theoretisch ist unumstritten dass der Markt nur eine gewuumlnschte Lenkungswirkung erzielen kann wenn die Internalisierung externer Kosten gelingt Dabei werden die verursachten Kosten in die Preise klimaschaumldlicher Produkte und Dienstleistungen eingerechnet und somit internalisiert Beispiele dafuumlr sind das Verursacherprin-zip beruumlcksichtigende verbrauchsabhaumlngige Steuern (Oumlkosteuer etc) bzw Abgaben (z B auf Mineraloumll) Der Emissionshandel internalisiert prinzipiell die externen Kosten da er zum einen CO2 einen Preis gibt und da-mit in die Wirtschaftslogik einfuumlhrt und zum anderen weil er die Menge der erlaubten Emissionen nach oben begrenzt Eine volle Internalisierung waumlre das aber nur wenn das Ziel einer 80 bis 95-prozentigen Reduktion von

Treibhausgasen bis 2050 jetzt schon rechtlich verbind-lich den Akteuren vorgegeben wuumlrde Eine Kombination von verbrauchsabhaumlngigen Steuern und Emissionshan-del mit ausreichend scharfen Zielen ndash je nach Sektoren ndash kann einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz leis-ten

rarr 2 Vorreiterrolle im Klimaschutz einnehmen

Auch wenn die internationale Politik fuumlr eine globale Strategie verantwortlich ist kann sich jedes Land und jede Region Deutschlands fuumlr den Klimaschutz enga-gieren Deutschland kann dabei als Exportweltmeister seine Position nutzen und eine Multiplikatoren- bzw Vorreiterrolle hinsichtlich effizienter Klimaschutzpoli-tik einnehmen denn auch erfolgreiche Politikmodelle koumlnnen bdquoexportiertldquo werden Das in Deutschland sehr erfolgreiche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist in mittlerweile in mehr als 45 Laumlndern Vorbild fuumlr gesetz-liche Rahmenbedingungen

Auch einzelne Regionen Deutschlands sind gefragt denn kommunalpolitische Beispiele koumlnnen als Vorbild fuumlr die Bundesebene dienen Wenn Deutschland zeigt dass man auch ohne Kohle und Atom eine international fuumlhrende Volkswirtschaft mit einem attraktiven Wohl-standsmodell bleiben kann waumlre dies ein fundamental wichtiger Beitrag fuumlr die internationale Debatte Viele Laumlnder schauen auf Deutschland ob es gelingt den an-gekuumlndigten beschleunigten Ausstieg aus der Atomener-gie mit den ambitionierten Klimazielen zu kombinieren Wenn dies gelingt kann diese Strategie zum Exportmo-dell werden Im Gegenzug sollten Deutschland und die EU die positiven Erfahrungen nutzen die andere Laumln-der gemacht haben Derzeit wird dabei das japanische bdquoTop-Runner-Modellldquo diskutiert das sich am jeweiligen Effizienzspitzenreiter orientiert und dynamische Effi - zienzstandards fuumlr Energie verbrauchende Geraumlte setzt

rarr 3 Die Politik sollte mit gutem Beispiel vorangehen

Es reicht insgesamt nicht wenn Politiker nur die Rah-menbedingungen fuumlr Klimaschutz schaffen Sie muumlssen den Waumlhlern gegenuumlber offensiv vertreten dass Kli-maschutzmaszlignahmen Investitionen in zukunftsfaumlhige Lebensbedingungen sind Am glaubwuumlrdigsten ist es wenn die Politik und die einzelnen Politiker selbst zu Vorbildern werden Zum Beispiel koumlnnte der Staat mit einer klimafreundlich ausgerichteten oumlffentlichen Be-schaffung Investitionsstroumlme in Richtung nachhaltiger Produkte und Unternehmen lenken131 Etwa im Ver-kehrsbereich ndash von Bussen uumlber Dienstfahrzeuge bis hin zum regelmaumlszligigen hochqualitativen Ausgleich bei Flug-verkehrsreisen ndash bei effizienten Computern oder im Ge-baumludebereich koumlnnte die Marktmacht der oumlffent lichen Hand erhebliche Lenkungswirkung erzielen

130 ECF 2010131 Germanwatch 2010d

70

Der Lebensstil von Bundes- oder EU-Politikern ist ndash an-gesichts der Anforderungen an Mobilitaumlt ndash nur schwer wirklich klimavertraumlglich zu gestalten Aber umso mehr koumlnnen sie sichtbare Signale fuumlr einen klimavertraumlg-lichen Lebensstil geben Wichtiger ist jedoch dass sie ihre Unabhaumlngigkeit bewahren und sich nicht von kli-makritischen Lobbygruppen beeinflussen lassen Wer wissenschaftlich abgesicherte Positionen zu einer kaumluf-lichen Ware macht verkauft kuumlnftige Generationen

72 Was kann die Wirtschaft tun

Herausforderungen fuumlr die Wirtschaft

Kaum ein Unternehmen aus dem CO2-intensiven Bereich verfolgt derzeit eine mit dem 2 degC-Limit vertraumlgliche Unternehmensstrategie obwohl sie nach den OECD-Leit linien132 sogar dazu verpflichten sind sich an der er-klaumlrten Politik ihres Landes auszurichten

Der globale Klimawandel birgt fuumlr Wirtschaft und Unter-nehmen erhebliche Risiken wodurch die Wertentwick-lung von Investitionen und Unternehmen nachhaltig bedroht werden kann Eine ernsthafte Klimaschutzstra-tegie bietet zwar auch Risiken aber auf der anderen Seite ndash insbesondere bei klaren langfristigen politischen Rahmensetzungen ndash groszlige Chancen fuumlr die Wirtschaft So entstehen sehr groszlige neue Geschaumlftsfelder wie die Bereiche Zukunftstechnologien (Erneuerbarer Energi-en Energieeffizienz Elektromobilitaumlt etc) sozial-oumlko-logische Stadtplanung oder klimafreundliche Finanz-anlagen Gelingt es den Unternehmen sich an diese neue Situation schnell und umfassend anzupassen kann neben dem effektiven Klimaschutz auch sozialer und oumlkonomischer Mehrwert gesichert werden

Jedes Unternehmen weiszlig Wenn die Weltgesellschaft sich in Richtung Klimaschutz bewegt dann sind die eige-nen Klimaschutzinvestitionen von heute gut angelegtes

Vertreter der Finanzwirtschaft beraten uumlber den EU-Emissionshandel Workshop von UNEP-Finanzinitiative und Germanwatch mit Finanz-Ratingagenturen im April 2004 Foto Gerold Kier

132 Siehe wwwgermanwatchorgcorpuvhtm

Geld Die Strategie der Gegner zielt deshalb darauf ab vor allem in den USA Zweifel an einer solchen Strategie zu saumlen Doch die positiven wenn auch in Geschwin-digkeit und Ausmaszlig nicht ausreichenden Tendenzen in vielen Schwellenlaumlndern zeigen bereits heute Schon mittelfristig gehoumlrt eine ambitionierte Klimaschutzstra-tegie ebenso zur Grundausruumlstung eines erfolgreichen Unternehmens wie dies fuumlr zukunftsfaumlhige Arbeitsplaumltze der Fall ist

rarr Direkte und regulative Finanzrisiken erkennen

Wichtig fuumlr die Unternehmen sind die Identifizierung von Klimarisiken und -chancen sowie ein darauf beru-hendes Risikomanagement Welche direkten Klima- und Wetterrisiken koumlnnten relevant fuumlr uns sein Wo sind wir auf die absehbaren klimapolitischen Rahmensetzungen nicht vorbereitet Welcher Imageschaden droht uns als Klimaschutz-Verweigerer Auf welche Klagen muumlssen wir uns als Verursacher des Klimawandels einstellen Welche Chancen ergeben sich fuumlr uns aus einer aggres-siven Klimaschutzstrategie Wie muumlssen wir uns auf-stellen um diese nutzen zu koumlnnen Dafuumlr bedarf es der Entwicklung von Methoden die ndash moumlglichst modular aufgebaut ndash eine systematische Beruumlcksichtigung von Klimarisiken im Risikomanagement ermoumlglichen

Durch die Anwendung der Methoden wird eine bessere Bewertung der Folgen des Klimawandels und ihrer finan-ziellen Implikationen moumlglich

rarr Chancen des Klimawandels nutzen ndash Investitionen in Zukunftstechnologien

Wenn die Chancen identifiziert sind gilt es diese auch zu nutzen Besonders vielversprechend sind Investi-tionen in Zukunftstechnologien die zugleich einen klimafreundlichen Lebensstil ermoumlglichen Diesbezuumlg-

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lich sind besonders die Bereiche Erneuerbare Energien Effizienztechnologien und Verkehr (Innovative Schie-nenkonzepte Elektromobilitaumlt Hybridtechnologien etc) zukunftstraumlchtig Ganze Branchen setzen ihre Zu-kunft aufs Spiel wenn sie die neuen Trends verpassen So hat die deutsche Automobilindustrie den Trend zum Hybrid- und Elektroauto zunaumlchst verschlafen Das Ge-schaumlftsmodell der groszligen Energieversorger in Deutsch-land hat sich nicht bzw voumlllig unzureichend auf den massiven Ausbau von Energieeffizienz (etwa durch Con-tracting) und Erneuerbaren Energien eingestellt Die Stahl- und Zementindustrie blockiert klimavertraumlgliche Alternativen etwa basierend auf beschichteten Kohlen-stofffasern anstatt diese zuumlgig voranzubringen

rarr Nachhaltiges und klimafreundliches Wirtschaften in Unternehmen

Neben der Wahlmoumlglichkeit von Guumltern die ein Un-ternehmen produziert bzw anbietet koumlnnen Klima-schutzaspekte auch im Unternehmensbetrieb und in der Produktion beruumlcksichtig werden

Betriebliche Oumlkobilanzen oder Nachhaltigkeitsberich-te bieten zum Beispiel die Chance klimafreundliche Einsparungspotenziale zu identifizieren Haumlufig gibt es ndash besonders bei den nicht ganz so energieintensiven Branchen wo schon der Energiepreis ein starker Antrieb ist ndash in den Bereichen Energie Beschaffung Produktion Absatz und Verkehr groumlszligere Einsparpotenziale die den Unternehmern nicht bewusst sind

n Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Im Bereich Energie gilt es auf Erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu setzen Auch der Stromverbrauch im Unternehmen kann haumlufig gesenkt werden wofuumlr es zahlreiche Wege gibt (siehe 73 bdquoBuumlrgerldquo)

Regionale Wirtschaftsfoumlrderung In den Bereichen Beschaffung Produktion und Absatz ist es manchmal wichtig in der Naumlhe zu suchen statt in die Ferne zu schauen Lange Transportwege bewirken einen hohen CO2-Ausstoszlig weshalb von Umweltorganisationen und Verbaumlnden zunehmend die Staumlrkung regionaler Wirt-schaftskreislaumlufe gefordert wird Bei der Produktion mag Outsourcing ins Ausland augenscheinlich erst ein-mal Kosteneinsparungen mit sich bringen Doch mit langen Transportwegen wird haumlufig die Kommunikation und Kontrolle im Unternehmen erschwert und der CO2-Ausstoszlig erhoumlht133

n Nachhaltige Ressourcen

Bei der Produktion und Beschaffung sollte auch auf die Klimabilanz und Nachhaltigkeit der verwendeten Res-sourcen und Produkte geachtet werden Mittlerweile

gibt es fuumlr viele Bereiche (Holz Papier Lebensmittel etc) Zertifizierungen die nachhaltige Produkte kenn-zeichnen

n Nachhaltige Dienstreisetaumltigkeiten

Der Bereich Verkehr umfasst die Dienstreisetaumltigkeiten der Mitarbeiter sowie die bereits erwaumlhnten Bereiche Beschaffung und Absatz Generell gilt es den CO2-Ausstoszlig kleinstmoumlglich zu halten indem man nur den notwendigen Verkehr taumltigt und z B bei routinemaumlszligig abgehaltenen Besprechungen die Nutzung von Video- oder Telefonkonferenzen in Betracht zieht Durch eine systematische Optimierung der Dienstreisetaumltigkeit koumlnnen Unternehmen Geld sparen und zugleich den Aus-stoszlig von Treibhausgasen reduzieren Ein weiterer Weg zur Reduktion des CO2-Ausstoszliges ist die Nutzung von klimafreundlichen Verkehrsmitteln bei gleichzeitigem Verzicht auf klimaschaumldliche Verkehrsmittel wie das Flugzeug Eine Moumlglichkeit fuumlr CO2-freie Dienstreisetauml-tigkeiten bietet die Deutsche Bahn mit ihrem Programm bdquoUmwelt-Plusldquo Dabei wird der Energiebedarf des Rei-sens im Voraus kalkuliert und in Form von Oumlkostrom ins Netz der Bahn eingespeist Die Initiative Atmosfair (wwwatmosfairde) bietet allgemein die Moumlglichkeit getaumltigte Emissionen durch Spenden fuumlr serioumlse Klima-schutzmaszlignahmen auszugleichen

rarr Gemeinsam ihr Interesse am Klimaschutz aussprechen

Neben diesen beschriebenen Maszlignahmen steht es je-dem Unternehmen offen sich gegenuumlber der Politik aktiv fuumlr mehr Klimaschutzmaszlignahmen einzusetzen Einige Unternehmen haben sich bereits in progressiven Unternehmergruppen wie der 2deg-Initiative oder dem Un-ternehmerrat e5 zusammengeschlossen und koumlnnen so gemeinsam die Beruumlcksichtigung ihrer Klimaschutzinter-essen von der Politik einfordern

Solarthermische Anlagen verringern in immer mehr Haumlusern den fossilen Energiebedarf fuumlr Warmwasser und Heizung Foto Dietmar Putscher

133 Einen interessanten Artikel zum Thema Vor- und Nachteile von Outsourcing bietet bdquoDie Zeitrdquo httpwwwzeitde201016Globalisierung

72

73 Was koumlnnen die Buumlrger tunNeben Politik und Wirtschaft haben die Buumlrger eine zentrale Bedeutung in der Realisierung der Klimaziele Wie beschrieben erfordert eine nachhaltige Loumlsung der Klimaprobleme eine kulturelle und industrielle Revolu - tion womit der Buumlrgergesellschaft eine viel gewichti-gere Rolle zukommt als wir ndash ihre Mitglieder ndash bislang wahrzunehmen bereit waren Dass Buumlrgerbewegungen viel bewegen koumlnnen zeigt die Geschichte der Bundes-republik in der die meisten kulturellen Veraumlnderungen nicht auf Anstoszlig der professionellen Politik sondern auf Basis der Initiative Einzelner oder kleiner Gruppen ent-standen sind134 Ein Beispiel dafuumlr ist die Frauenbewe-gung welche eine Aumlnderung der Geschlechterverhaumllt-nisse in der Gesellschaft bewirkte lange bevor auch die Politik Genderaspekte (Gleichstellungsgesetze Frauen-quoten usw) aufgriff Auch die Anti-Atombewegung hat den jetzt verkuumlndeten Atomausstieg durch jahrzehnte-langes Engagement gegen eine steinharte industrienahe Mentalitaumlt durchgesetzt Folglich ist Politik nicht nur was die Politiker machen sondern vielmehr auch das was wir Buumlrger bewegen

Handlungsmoumlglichkeiten

Im Allgemeinen stehen uns verschiedene Wege offen zu handeln doch allen voraus steht die Aufgabe sich zu in-formieren womit auch der Bildungsarbeit eine zentrale Rolle zukommt Jede(r) Einzelne sollte sich uumlber die Fol-gen des eigenen Handelns sowie uumlber Klimaschutzmaszlig-nahmen auf dem Laufenden halten Jede kleine Aktion die zum Klimaschutz beitraumlgt ist wichtig In den folgen-den drei Bereichen gibt es besonders effiziente Hand-lungsmoumlglichkeiten

rarr 1 Einfluss auf die Politik ausuumlben

Buumlndnisse und Buumlrgerinitiativen koumlnnen die Politik haumlu-fig beeinflussen weil sie entweder ein Gegengewicht oder auch einen Partner staatlichen Handelns darstel-len koumlnnen Durch die Beruumlcksichtigung von Klima- und Umweltaspekten bei der politischen Wahlentscheidung kann ebenfalls Einfluss auf die Politik genommen wer-den Dies gilt nicht nur fuumlr Bundestags- und Europapar-laments- sondern auch fuumlr Landtags- und Kommunal-wahlen Denn wichtige Entscheidungen fuumlr oder gegen den Klimaschutz werden auf allen Ebenen getroffen Kli-maschutz sollte daher in allen Faumlllen ein wichtiges Wahl-kriterium sein bdquoWahlpruumlfsteineldquo die von Umweltver-baumlnden und Organisationen vor Wahlen veroumlffentlicht werden koumlnnen bei der Entscheidung helfen

rarr 2 Sich vernetzen

Gemeinsam mit anderen Aktiven ist es haumlufig leichter einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten In der klei-

nen Gemeinde Schoumlnau im Schwarzwald begann zum Beispiel eine private Initiative 1998 mit der Investition in Erneuerbare Energien Anfangs mit Wind- und Solar-energie spaumlter mit Kraft-Waumlrme-Koppelung und Bio-masse konnten sie soviel Energie produzieren dass sie das oumlrtliche Stromnetz uumlbernahmen und ein eigenes Elektrizitaumlts-Werk errichteten Heute versorgen sie mehr als 100000 Kunden135 Betriebe und Industrieun-ternehmen im ganzen Bundesgebiet mit Oumlkostrom und investieren die Gewinne wiederum in eine nachhaltige Energieversorgung Ein weiterer nennenswerter Akteur in Sachen Klimaschutz ist die Klima-Allianz136 ein Buumlnd-nis von mehr als 100 Organisationen aus einem breiten gesellschaftlichen Spektrum das sich gemeinsam fuumlr die Schaffung politischer Rahmenbedingungen einsetzt

Gemeinsames Handeln ist haumlufig nicht nur erfolgreich sondern macht auch viel Spaszlig Ist das Interesse ge-weckt Dann schauen Sie mal unter wwwutopiade oder wwwklimaretterinfo

rarr 3 Nachhaltig konsumieren

Die Einflussnahme auf die Politik und die Vernetzung mit anderen Aktiven sind wichtige Beitraumlge zum Klima-schutz Sie entbinden aber nicht von der eigenen Ver-

Auf wwwutopiade findet man viele interessante Hinweise zu klimafreundlichen Leben

Nachhaltigkeitssiegel koumlnnen eine Orientie rung fuumlr den nachhaltigen Konsum geben

134 Eine ausfuumlhrliche Auseinandersetzung mit der Rolle der Buumlrgergesellschaft bieten Leggewie und Welzer 2010135 Siehe httpwwwews-schoenaudeewshtml 136 Siehe httpwwwdie-klima-allianzde

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antwortung Der Buumlrger hat in seiner Verbraucherrolle besonders viel Handlungsspielraum weil exzessiver Konsum fuumlr die Zerstoumlrung der globalen Oumlkosysteme und den Klimawandel mitverantwortlich ist Wie der Bericht des fuumlhrenden US-amerikanischen Umweltin-stituts Worldwatch zeigt uumlbernutzen wir derzeit die natuumlr lichen Kapazitaumlten der Erde um rund ein Drittel wobei die Hauptverantwortung bei den hoch industria-lisierten Laumlndern liegt137 Abhilfe koumlnnte ein Wandel der Konsumkultur ermoumlglichen wenn er auf Nachhaltigkeit abzielt138 Das heiszligt in anderen Worten Wir Buumlrger und Buumlrgerinnen koumlnnen uumlber unser Konsumverhalten die Lebensqualitaumlt steigern und zugleich das Klima schonen

Folgende vier Grundregeln helfen klima freund-licher und nachhaltiger zu konsumieren

Informieren und Vergleichen vor der Kaufentscheidung Mittlerweile gibt es in vielen Bereichen Zertifizierun-gen die umweltfreundliche Produkte und Sparpoten-ziale auszeichnen An ihnen koumlnnen Verbraucher z B besonders energieeffiziente Geraumlte erkennen So gibt es in einigen Bereichen mittlerweile auch Produkte (z B bei Kuumlhlschraumlnken oder Spuumllmaschinen) die noch deutlich effizienter sind als Energieklasse A

Klima-Konsequenzen bei Kaufentscheidungen beruumlcksichtigen Bei fast allen Einkaumlufen koumlnnen wir Klimakonsequenzen beruumlcksichtigen Wenn sie regionale Produkte einkau-fen verhindern sie zum Beispiel lange Transportwege bei den Produkten

Einkaufen nach Bedarf Haumlufig wird mehr konsumiert als notwendig Auch wenn viele Produkte durch Groumlszlige oder neue technische Moumlg-lichkeiten und Raffinessen beeindrucken sollten Sie uumlberlegen welche Funktionen Sie wirklich brauchen und auf welche Sie verzichten koumlnnen Denn fuumlr viele Gerauml-te gilt je leistungsstaumlrker desto houmlher der Energiever-brauch

Sinnvoll sparen Besonders in den Bereichen die besonders klimaschaumld-lich sind und wo es Einsparpotenziale gibt Im privaten Bereich haben den mit Abstand groumlszligten Anteil am direk-ten und indirekten Treibhausgasausstoszlig der Auto- und Flugverkehr das Heizen sowie die Ernaumlhrung

Die moumlglichen Maszlignahmen werden im Fol-genden anhand verschiedener Bereiche veran-schaulicht

1 Was gibtrsquos zu beachten im Bereich Energie und Heizen

n Energetische SanierungDie energetische Sanierung von Gebaumluden und Raumlumen rechnet sich langfristig haumlufig weil die eingesparten Energiekosten die entstehenden Renovierungskosten meistens ausgleichen insbesondere bei steigenden Kosten fuumlr fossile Energien Im Bereich Waumlrmedaumlm-mung Isolierung (Fenster etc) und Heizungsanlage (siehe oben) gibt es besonders hohe EinsparpotenzialeDie staatseigene Kreditanstalt fuumlr Wiederaufbau (KfW wwwkfwde) bietet z B zinsguumlnstige Kredite oder Zu-schuumlsse fuumlr solche Sanierungen Auch ohne Geld gibt es uumlber bdquoContractingldquo die Moumlglichkeit seine Gebaumlude energetisch zu renovieren Die Idee der Zusammenarbeit mittels bdquoContractingldquo ist einfach Ein Unternehmen das sich auf effiziente Waumlrme- und Energietechnik spezia-lisiert hat renoviert Gebaumlude oder Raumlume Kommunen oder Wohnungsbaugesellschaften bezahlen dafuumlr kei-nen Cent mehr als sonst weil der Sanierer fuumlr mehrere Jahre nur das Geld erhaumllt das der jeweilige Besitzer bis-lang fuumlr Oumll Gas und Strom mehr bezahlt hat Eine klassi-sche Win-Win-Situation

Einen Ratgeber fuumlr Energiespar-Contracting in oumlffent-lichen Liegenschaften hat das Umweltbundesamt ver-oumlffentlicht (siehe httpwwwumweltbundesamtdeproduktebeschaffungenergieversorgungcontractinghtml)

n Passivhaumluser und Plus-Energie-Haumluser Besonders energieeffiziente Gebaumlude sind Passivhaumluser oder Plus-Energie-Haumluser Das Passivhaus ist ein Bau-konzept bei dem Waumlrmedaumlmmung und Luftdichtheit im Vordergrund stehen um die Heizkosten zu reduzieren Das Plus-Energie-Haus geht daruumlber hinaus und ist in der Regel ein Passivhaus in Kombination mit Photovoltaik-anlagen das mehr Primaumlrenergie produziert als es an Heizenergie verbraucht

Waumlrmedaumlmmung vermindert effektiv CO2-Emissionen und wird durch Foumlrdermaszlignahmen unterstuumltztFoto Dietmar Putscher

137 Worldwatch Institute 2010138 Die Vereinten Nationen definieren diesen nachhaltigen Konsum als bdquodie Nutzung von Guumltern und Dienstleistungen die ele-

mentare menschliche Beduumlrfnisse befriedigen und eine bessere Lebensqualitaumlt hervorbringen wobei sie gleichzeitig den Einsatz natuumlrlicher Ressourcen toxischer Stoffe und Emissionen von Abfall und Schadstoffen uumlber den Lebenszyklus hinweg minimieren um nicht die Beduumlrfnisbefriedigung kuumlnftiger Generationen zu gefaumlhrdenldquo

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n EnergiepassBei Mietwohnungen erleichtert der Energiepass der seit 01072008 fuumlr alle Vermieter und Verkaumlufer von Immobilien Pflicht ist die Identifizierung von energie-sparenden GebaumludenRaumlumen Als Mieter lohnt es sich den Vermieter nach dem Energiepass zu fragen und auf moumlgliche Maumlngel hinzuweisen

n In Erneuerbare Energie investierenDurch einen Wechsel von Kohle Oumll- und Gas zu Erneu-erbaren Energien koumlnnen die Emissionen im Haushalt stark gesenkt werden

n Bezug von Oumlko-StromIn den meisten Faumlllen sind der Bezug von Strom aus Er-neuerbaren Energien und der Wechsel des Stromversor-gers heute problemlos moumlglich und nur Sache eines ein-zigen Telefonats Guumlnstige Angebote gibt es bei vielen lokalen Stromversorgern aber auch uumlberregional An-bieter mit den Siegeln bdquook-Powerrdquo oder dem bdquoGruumlner-Strom-Labelrdquo sind aus oumlkologischer Sicht zu empfehlen Zudem sollten die Anbieter eigentumsrechtlich unab-haumlngig von den groszligen Energieversorgern sein

Investitionen in gruumlnen Strom koumlnnen langfristig gese-hen haumlufig Geld sparen und als Beitrag zur Altersvorsor-ge betrachtet werden Teilweise koumlnnen Solarpaneele zum Beispiel bis zu 40 Jahre halten und somit langfristig die Stromkosten senken Der Bau oder die Beteiligung an Projekten zur Nutzung Erneuerbarer Energien (z B Solarstrom Windkraft) sind dabei Geldanlagen die Rendite und Klimaschutz verbinden Buumlrgersolarparks ermoumlglichen eine Beteiligung auch mit kleinen Geldbe-traumlgen und auch wenn man kein eigenes Dach besitzt139

Immer mehr Neubauten werden durch geringen Ener-gie verbrauch und Stromproduktion durch Solarzellen zu bdquoPlusenergiehaumlusernldquo die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen Foto fotoliacom Daniel Schoenen

n Effiziente Heiz- und Warmwasseranlagen nutzenEffiziente Heizanlagen sind z B moderne Pelletheizun-gen Waumlrmepumpen oder auch Gas-Brennwertkessel Warmes Wasser laumlsst sich wiederum kostenguumlnstig und klimaschonend durch Solarwaumlrme erzeugen Besonders lohnenswert ist die Koppelung von Heizenergie- und Warmwassererzeugung und die Ergaumlnzung der Anlage durch Sonnenkollektoren (Der Einbau wird derzeit noch staatlich gefoumlrdert)

n Klimakonsequenzen bei Renovierung Neubau oder Umzug beruumlcksichtigenBei der Errichtung von Gebaumluden der Renovierung oder dem Umzug in neue Gebaumlude gibt es viele Energiespar-moumlglichkeiten

n Wohnung und GroumlszligeNeben dem Energiestandard koumlnnen die CO2-Emissio-nen durch die Wohnortwahl und die Groumlszlige der beheiz-ten Wohnflaumlche beeinflusst werden Bei der Wahl des Wohnorts kann man auf folgende Punkte achten die Naumlhe zum Arbeitsort zur Schule und zu Einkaufsmoumlg-lichkeiten sowie auf eine gute Anbindung an oumlffentliche Verkehrsmittel Dadurch kann eine Reduzierung der Au-tonutzung erzielt werden womit CO2- und Gelderspar-nisse einhergehen Zugleich sollte man sich immer fra-gen wie groszlig die Wohnung oder das Haus wirklich sein muumlssen Eine kleine Wohnung hat auch Vorteile denn Je kleiner die Wohnung desto kleiner ist nicht nur der Energieverbrauch sondern auch die StromrechnungWeitere Infos siehe auch CO2-Online wwwco2onlinede oder Institut Wohnen und Umwelt wwwiwude

n Technik im HausBei dem Kauf von Elektrogeraumlten ist die Wahl von klei-nen Energie einsparenden Geraumlten langfristig betrach-tet gut fuumlr die Umwelt und fuumlr den Geldbeutel

n Energieeffizienz beruumlcksichtigenBei dem Kauf von Haushaltsgeraumlten hilft die Beruumlcksich-tigung der Energieeffizienzklasse die Skala reicht von A-G Fuumlr Kuumlhl- und Gefrierge-raumlte gibt es seit Maumlrz 2004 bun-desweit zusaumltzlich die Katego-rien A+ und A++ die besonders sparsame Produkte kennzeich-nen (httpwwwstromeffizi-enzdeeu-labelhtml)

139 Zum Thema Stromwechsel siehe auch wwwgermanwatchorgstromhtm

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n Kuumlhlen und GefrierenKuumlhl- und Gefriergeraumlte die vor mehr als zehn Jahren gekauft wurden sind meist in der Energieeffizienzklas-se B C oder noch schlechter einzustufen Eine Neuan-schaffung rechnet sich fast immer weil demgegenuumlber moderne Spitzengeraumlte deutlich Kilowattstunden pro Jahr einsparen Natuumlrlich ist es auch wichtig die Groumlszlige an den Bedarf anzupassen Als allgemeine Faustregel gilt Ein Ein- bis Zweipersonenhaushalt braucht 100 bis 120 Liter zum Kuumlhlen und 50 bis 80 Liter zum Gefrieren Wenn man auf das Gefrierfach verzichten kann kann noch einmal deutlich eingespart werden

n Waschen und TrocknenAuch bei Waschmaschinen und Trocknern gilt es Ener-gieeffizienz und Groumlszlige zu beruumlcksichtigen Waschma-schinen muumlssen nach der Energieeffizienzklassifizie-rung (ABC) gekennzeichnet sein (z B AAB) Dabei gibt der erste Buchstabe Auskunft uumlber den Energie-verbrauch der zweite uumlber die Waschwirkung und der dritte uumlber die Schleuderwirkung Eine Uumlbersicht uumlber gute Waschmaschinen und Trockner finden Sie unter wwwecotoptende

Trotz guter Effizienzklassen gibt es auch beim Waschver-halten einige Spartipps Generell gilt es auch die WaschTrockentrommel moumlglichst auszunutzen und nicht nur zur Haumllfte zu befuumlllen wobei moderne Maschinen haumlu-fig Sensoren haben so dass Wasser- und Energieeinsatz entsprechend der Beladung angepasst werden

Bei Trocknern ist uumlberhaupt die Frage ob man sie benouml-tigt oder die Waumlsche nicht auf der Leine kann Wo dies nicht moumlglich ist sind Waumlrmepumpentrockner in der Effizienzklasse A zum Teil 40 Prozent sparsamer als die effizientesten Geraumlte der Klasse B

n Kochen und Backen Generell sind Gasherde kostenguumlnstiger und aufgrund geringerer Umwandlungsverluste umweltfreundlicher als Elektroherde zumindest dann wenn diese nicht mit Oumlkostrom laufen Kochfelder mit Gasbrenner oder aus Glaskeramik sind wiederum energiesparender als guss-eiserne Kochplatten Bei elektrischen Herden verbrau-chen die Induktionskochzonen am wenigsten Strom Insgesamt gilt dass es bei der konkreten Nutzung eine Reihe von Verhaltensweisen gibt mit denen man ener-giesparend kochen kann vom Kochen mit Deckel uumlber die Vorerhitzung groumlszligerer Mengen Wasser mit dem Wasserkocher Auch spielt die Qualitaumlt der Toumlpfe und Pfannen eine wichtige Rolle Tipps dazu finden sich un-ter wwwecotoptende

n IT-GeraumlteAuch bei IT-Geraumlten gilt die Faustregel Je groumlszliger und technisierter desto houmlher ist haumlufig der Stromverbrauch

Aktuelle Werte fuumlr Computer und effiziente Buumlrogeraumlte unter wwwoffice-toptende

n Beleuchtung Energiesparlampen werden immer mehr zur Normali-taumlt ihre Qualitaumlt und ihre Vielseitigkeit haben sich in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt In der Regel verbrauchen sie 80 Prozent weniger Strom als Gluumlhbirnen so dass sich der anfangs houmlhere Preis uumlber die Lebensdauer mehr als rechnet Die klassische Gluumlh-birne wird in den naumlchsten Jahren dank der von Deutsch-land mitgetragenen Beschluumlsse auf EU-Ebene komplett vom Markt verschwinden Immer mehr im Kommen sind heutzutage LED-Lampen die ebenfalls sehr sparsam und noch langlebiger als die Energiesparlampen sind Die Anwendungspalette wird immer breiter und es wird mit einem deutlichen Preisruumlckgang gerechnet

2 Mobilitaumlt ndash Umweltbewusst Verkehrsmit-tel nutzen

Der Verkehr ist ein besonderes Sorgenkind im Klima-schutz weil die Emissionen in diesem Bereich trotz bes-serer Techniken weiterhin sehr hoch sind Der private Pkw-Verkehr beeinflusst in groszligem Maszlig das Klima und besteht zum groumlszligeren Teil aus Freizeitverkehr Ein Jahr Autofahren in Deutschland entspricht mit ca 2000 kg CO2 dem jaumlhrlichen CO2-Ausstoszlig eines Menschen in der Dominikanischen Republik Daher sollte man sich zu-naumlchst grundsaumltzlich fragen ob man uumlberhaupt ein Auto braucht und welche Funktionen es erfuumlllen muss oder ob man nicht mit einer Kombination aus oumlffentlichem Personenverkehr Fahrrad und evtl auch Car-Sharing (s u) besser bdquofaumlhrtldquo

Das Argument bdquoich habe das Auto ja ohnehinldquo ver-kehrt sich ins Gegenteil wenn man eine sich schon bei zwei drei weiteren Fahrten pro Jahr rechnende Bahn-card 50 die Jahreskarte fuumlr die Region oder bestimmte

Das Fahhrad als modernes umweltfreundliches Verkehrsmittel Foto Dietmar Putscher

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Strecken oder bei Vielfahrern gar die Bahncard 100 (wwwd-bahnde) nutzt mit der man deutschlandweit mit der Bahn und dem oumlffentlichen Verkehr in den Staumld-ten fahren kann

Wer nicht auf das Auto verzichten kann oder will sollte ein sparsames Fahrverhalten pflegen und beim Autokauf Umweltkriterien beruumlcksichtigen Der Verkehrsclub Deutschland (wwwvcdorg) veroumlffentlicht jedes Jahr im August mit seiner Auto-Umweltliste140 ein ausfuumlhrliches Ranking der Umweltfreundlichkeit neu auf den Markt gekommener Autos und gibt weitere Tipps beim Auto-kauf

Empfehlenswert sind besonders sparsame Autos z B durch einen Hybridantrieb oder Elektroautos so-weit sie mit Strom aus Erneuerbaren Energien betrie-ben werden Je nach Nutzung des Autos gibt es auch sinnvolle Alternativen Fuumlr kurze Strecken bietet sich das Fahrrad an was nicht nur gesuumlnder sondern in der Stadt auch haumlufig schneller ist Wenn man nur sel-ten ein Auto benoumltigt kann man sich zum Car-Sharing (wwwcarsharingde) anmelden oder Mitfahrgelegen-heiten (wwwmitfahrgelegenheitende) nutzen

Fliegen ist das am schnellsten wachsende Klimaproblem Der Flugverkehr ist besonders klimaschaumldlich weil die Abgase in den hohen Schichten der Atmosphaumlre eine zwei- bis sechsmal houmlhere Treibhauswirkungen haben als am Boden Im Sinne des Klimaschutzes gilt es folg-lich das Flugzeug als Transportmittel soweit wie moumlg-lich zu meiden Fuumlr nicht vermeidbare Fluumlge gibt es die Moumlglichkeit die getaumltigten Emissionen durch Spen-den fuumlr serioumlse Klimaschutzmaszlignahmen auszugleichen (wwwatmosfairde)

3 Ernaumlhrung

Da die Produktion von Fleisch und Milchprodukten meist deutlich mehr Energie verbraucht als die Herstellung einer gleichwertigen Menge von Gemuumlse und Obst ist fleischarme Ernaumlhrung ein Beitrag zum Klimaschutz Die Produktion von 1 kg Rindfleisch ist beispielsweise mit etwa 250 km Autofahren gleichzusetzen Auch der Kauf von regionalen saisonalen Produkten ist ein Beitrag zum Klimaschutz weil die CO2-Emissionen mit steigenden Transportwegen zunehmen Die CO2-Last der Ernaumlhrung haumlngt zugleich auch von der Herstellung der Produkte ab Anteile von Duumlngern und Pestiziden der Einsatz von Tranktoren und Transportern usw spielen eine Rolle Im Allgemeinen werden Biolebensmittel umweltschonen-der hergestellt als konventionelle weil der Einsatz von Pestiziden synthetischen Duumlngemitteln und Gentechnik verboten ist Aus Klimasicht ist die Art der Lebensmit-tel (Fleisch oder Gemuumlse) allerdings viel entscheiden-der als der Unterschied zwischen der Art des Anbaus (konventio nell oder oumlko) So verursacht ein Kilo Biorind-fleisch die 90fache Klimabelastung wie ein Kilo frisches Gemuumlse aus konventio nellem Anbau141 Die wichtigste Frage fuumlrs Klima ist folglich Gemuumlse oder Fleisch

4 Geldanlagen

Auch Geld kann man klimaschaumldlich oder klimafreund-lich anlegen Waumlhrend viele Menschen versuchen klima-freundlich Auto zu fahren oder energieeffiziente Geraumlte zu nutzen machen sich die wenigsten daruumlber Gedan-ken was mit ihrem angesparten Geld passiert

Mittlerweile gibt es jedoch eine ganze Reihe von Finanz-angeboten bei denen soziale ethische und oumlkologische Aspekte bei der Geldverwendung beruumlcksichtigt wer-den Eine Moumlglichkeit sein Geld klimafreundlich arbei-

Auch an der Gemuumlsetheke kann man durch den Kauf von Bio-Produkten und von regionalem und saisonalem Gemuumlse einen Beitrag zum Klimaschutz leisten Foto Dietmar Putscher

Der Flugverkehr ndash eines der am schnellsten wachsenden Probleme fuumlr das Weltklima

140 Die Auto-Umweltliste siehe httpwwwbesser-autokaufendeaulihtml 141 Bals et al 2008 S 299

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ten zu lassen sind Anleihen bei denen man einem bdquogruuml-nenldquo Unternehmen einen festen Geldbetrag (z B 1000 Euro) fuumlr mehrere Jahre leiht und dabei eine jaumlhrliche Verzinsung von 6 Prozent oder mehr bekommt Wer sich genauer informieren moumlchte kann auch auf der Home-page des Forums Nachhaltige Geldanlagen schauen ei-nem Zu sammenschluss von knapp 100 Unternehmen und Organisationen die sich fuumlr nachhaltige Geldanlagen einsetzen (wwwforum-ngde)

5 Holz und Papier

Waumllder haben eine wichtige Funktion im Klimaschutz weil Baumlume einerseits CO2 binden und speichern und anderseits Sauerstoff produzieren Als Verbraucher hat man die Moumlglichkeit durch die Wahl der Holzprodukte (Papier Moumlbel usw) die Abholzung von Tropenwaumlldern und borealen (noumlrdlichen) Nadelwaumlldern zu verhindern Bei dem Kauf von Holz oder Holzprodukten sollte man darauf achten dass sie aus regionalen und nachhaltig bewirtschafteten Waumlldern stammen Das heiszligt zugleich dass man auf Gartenmoumlbel aus Tropenholz verzichtet und stattdessen Moumlbel vorzieht die aus heimischen Waumlldern stammen Damit ist auch eine nachhaltige Be-wirtschaftung garantiert weil sich die deutsche Forst-wirtschaft seit Jahrzehnten am Leitbild der Nachhal-tigkeit orientiert Wo doch die Nutzung von Tropenholz als zwingend erachtet wird sollte es zumindest vom Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert sein (s wwwfsc-deutschlandde)

Die Nutzung von Holz im Allgemeinen ist unterstuumltzens-wert weil Holz CO2 bindet und bei der Produktion nur Energie fuumlr die Verarbeitung benoumltigt wird Somit ist zum Beispiel die Verwendung von Holz als Baumaterial umweltschonender als die Nutzung von Stahl Beton Kunststoff usw

Jeder Mensch hat in seinem alltaumlglichen Leben mehr mit Holzprodukten zu tun als es ihm haumlufig bewusst ist Taumlglich benutzen wir Klopapier lesen Zeitung oder entnehmen Produkte ihren Papierverpackungen Wer Recyclingpapier und -taschentuumlcher und allgemein Recyclingmaterialen nutzt kann auf einfache Weise un-sere Waumllder und unser Klima schonen

Wie in diesem Kapitel beschrieben gibt es fuumlr jeden Einzelnen von uns viele Wege einen Beitrag zum Klima-schutz zu leisten und jede Initiative zaumlhlt ndash denn beson-ders wir Buumlrger koumlnnen den Weg zu neuen Lebensstilen und einem neuen Wohlstandsmodell ebnen

Weblinkswwwgermanwatchorgwwwverbraucherfuersklimadewwwdie-klima-allianzdewwwecotoptende

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Wir sind eine gemeinnuumltzige unabhaumlngige und uumlberpar-teiliche Nord-Suumld-Initiative Seit 1991 enga gieren wir uns in der deutschen europauml ischen und internationalen Nord-Suumld- Handels- und Um welt politik

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Unser Engagement gilt vor allem jenen Menschen im Suumlden die von den negativen Aus wirkungen der Glo-balisierung und den Konse quenzen unseres Lebens- und Wirtschaftsstils besonders betroffen sind Wir treten dafuumlr ein die Globalisierung oumlkologisch und sozial zu gestalten

Germanwatch arbeitet an innovativen und umsetzbaren Loumlsungen fuumlr diese komplexen Proble me Dabei stimmen wir uns eng mit Organi sa tionen in Nord und Suumld ab

Wir stellen regelmaumlszligig ausgewaumlhlte Informationen fuumlr Entscheidungstraumlger und Engagierte zusammen mit Kampagnen sensibilisieren wir die Bevoumllkerung Daruumlber hinaus arbeiten wir in gezielten strategischen Allianzen mit konstruktiven Partnern in Unter nehmen und Gewerkschaften zusammen um intelligente Loumlsungen zu entwickeln und durchzusetzen

Zu den Schwerpunkten unserer Arbeit gehoumlren

nVerantwortungsuumlbernahme fuumlr Klimaschutz und Klimaopfer durch wirkungsvolle gerechte Instru-mente und oumlkonomische Anreize

nGerechter Welthandel und faire Chancen fuumlr Entwicklungslaumlnder durch Abbau von Dumping und Subventionen im Agrarhandel

nEinhaltung sozialer und oumlkologischer Standards durch multinationale Unternehmen

nOumlkologisches und soziales Investment

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12 Der natuumlrliche Treibhauseffekt

Erst durch den natuumlrlichen Treibhauseffekt und die damit verbundene Erwaumlrmung der Erdoberflaumlche ist Leben auf der Erde moumlglich Der Treibhauseffekt be-zeichnet den Erwaumlrmungseffekt der bodennahen Atmosphaumlre Kurzwellige Sonnenstrahlen koumlnnen die Atmosphaumlre fast ungehindert bis zur Erdoberflaumlche durchdringen Die von der Erdoberflaumlche reflektier-te langwellige Waumlrmestrahlung jedoch wird von so genannten Treibhausgasen zu Teilen absorbiert wieder zur Erde zuruumlck emittiert und dadurch in der Atmosphaumlre gehalten (siehe Abbildung 1) So wird die globale Mitteltemperatur in Bodennaumlhe die ohne das Vorhandensein einer derartigen Atmosphaumlre -18 degC betragen wuumlrde um 33 degC auf ca +15 degC ange hoben2 Ohne diesen bdquoWaumlrmestauldquo waumlre es so kalt auf der Erde dass sich kein houmlheres Leben entwickeln koumlnnte Das Klima der Erde ist somit das Ergebnis einer einfachen Energiebilanz innerhalb derer sich Einstrahlung auf die Erdoberflaumlche und Waumlrmestrahlung zuruumlck ins Weltall im Mittel ausgleichen

Zu den bdquoklimawirksamenldquo Treibhausgasen der Atmos-phaumlre welche die Waumlrmestrahlung absorbieren gehouml-ren vor allem Wasserdampf (H2O) Kohlendioxid (CO2) Distickstoffoxid (N2O) Methan (CH4) und Ozon (O3) Diese Gase sind in unterschiedlicher Konzentration auch ohne menschliches Zutun in der Atmosphaumlre ent-halten und somit fuumlr den natuumlrlichen Treibhauseffekt verantwortlich Aumlndert sich die Zusammensetzung der atmosphaumlrischen Gase so aumlndert sich auch die Durch-laumlssigkeit fuumlr die Waumlrmeabstrahlung der Erde und somit letztendlich auch die Energiebilanz Klimaaumlnderungen sind die Folge

Die einzelnen Treibhausgase unterscheiden sich aller-dings deutlich in ihrer Erwaumlrmungswirkung So hat ein Molekuumll Methan die gleiche Erwaumlrmungswirkung wie etwa 23 Molekuumlle Kohlendioxid (siehe Tabelle 1 S 21) Um diese Effekte besser vergleichbar zu ma-chen und in ihrer Gesamtheit zu berechnen verwen-den die Klimawissenschaftler den Vergleichsmaszligstab der CO2-Aumlquivalente Allen Treibhausgasen werden Werte zugerechnet welche die Erwaumlrmungswirkung in Relation zum CO2 in einer bestimmten Zeitperi-ode etwa 100 Jahre ausdruumlcken Die Wirkung der Treibhausgase wird als eine Veraumlnderung des Strah-lungsantriebs bezeichnet Unter bdquoStrahlungsantriebldquo versteht man das Verhaumlltnis von solarer Einstrahlung und terrestrischer Abstrahlung in der unteren Atmos-phaumlre Er wird in der Regel in Watt pro m2 angegeben (s Tabelle 2 S23) Satellitendaten und Klimamodelle zeigen dass sich die Strahlungsbilanz der Erde gegen-

uumlber dem Weltall derzeit nicht vollstaumlndig im Gleichge-wicht befindet Die im Mittel eingestrahlte Energie von 342 Wm2 ist um etwa 085 Wm2 houmlher als die Abstrah-lung der Erdoberflaumlche Die Konsequenz daraus ist dass die Erde gegenwaumlrtig mehr Energie aufnimmt als sie ans Weltall wieder verliert Dieser Effekt entsteht durch die Ozeane die sich nur traumlge durch den menschgemachten Treibhauseffekt aufwaumlrmen (siehe Kapitel 2)3

13 Der Kohlenstoff kreislauf

Der Anteil kohlenstoffbasierter Treibhausgase wie CO2 und CH4 in der Atmosphaumlre ist fuumlr das Ausmaszlig des Treib-hauseffektes von zentraler Bedeutung und wird durch die Prozesse des Kohlenstoffkreislaufs bestimmt (siehe Abbildung 2) Dieser Kreislauf erstreckt sich uumlber die natuumlrlichen Teilsysteme Ozean Atmosphaumlre und Land-oumlkosysteme zwischen denen ein CO2-Austausch statt-findet Weiterhin funktioniert jedes Teilsystem wie ein eigener Kreislauf in dem Kohlenstoff abgegeben und aufgenommen wird In der Atmosphaumlre befinden sich nach Angaben des UN-Klimawissenschaftlergremiums IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) rund 775 Gigatonnen Kohlenstoff in den Boumlden und der Vegetation rund 2000 Gigatonnen Den groumlszligten Koh-lenstoffspeicher stellen jedoch mit rund 39000 Giga-tonnen die Meere dar4

Die Systemkomponenten aus denen der Atmosphaumlre treibhauswirksame Gase zugefuumlhrt werden bezeichnet man als bdquoQuellenldquo Fossile Energietraumlger wie Erdoumll oder Kohle oder die Zerstoumlrung der tropischen Regenwaumllder sind bdquomenschgemachte Quellenldquo da sie erst durch den Eingriff des Menschen zu atmosphaumlrisch wirksamen Emittenten von Treibhausgasen werden Den Quellen stellt man die sogenannten bdquoSenkenldquo gegenuumlber Sen-ken wie zum Beispiel Ozeane Boumlden oder Pflanzen sind bis zu einem bestimmten Grad in der Lage aus der Atmos phaumlre CO2 aufzunehmen und zu speichern Bei-spielsweise binden Waumllder waumlhrend ihrer Wachstum-sphase in der Regel groszlige Mengen an CO2 in Holz und Boden Wenn dann zu einem spaumlteren Zeitpunkt das Holz verbrannt wird oder es verrottet wird das CO2 wieder in die Atmosphaumlre freigesetzt

Ohne die Faumlhigkeit der Senken Treibhausgase aus der Atmosphaumlre zu binden und uumlber lange Zeitraumlume hinweg zu speichern laumlge die atmosphaumlrische Konzentration von Kohlenstoffdioxid heute um ein Vielfaches uumlber dem gegenwaumlrtigen Wert Doch diese Senkenwirkung funkti-oniert nicht unbegrenzt Klimawandel und Veraumlnderung der Landnutzung koumlnnen zu einer Destabilisierung der CO2-Reservoire fuumlhren und tragen zu einer Reduzierung der Effektivitaumlt von natuumlrlichen CO2-Senken im Ozean und auf dem Land bei

2 vgl Kraus 2004 3 Hansen J et al 20054 IPCC 2000

8

Am Beispiel der Ozeane zeigt sich die Endlichkeit die-ser Senken Die Ozeane spielen im Kohlenstoffkreislauf der Erde als Kohlenstoffsenke eine wichtige Rolle da fast drei Viertel der Erdoberflaumlche von Wasser bedeckt sind5 Etwa 30 Prozent des vom Menschen zusaumltzlich freigesetzten CO2 wird in den Ozeanen gebunden Die Senkenfunktion hat jedoch auch eine Kehrseite Mit steigenden Temperaturen und wachsendem atmosphauml-rischem CO2-Anteil sinkt auch die CO2-Aufnahmefaumlhig-keit der Meere Erste Hinweise deuten daraufhin dass der Prozess einer deutlich abnehmenden Pufferkapazi-taumlt des Meeres fuumlr atmosphaumlrisches Kohlendioxid be-reits eingesetzt hat und der Anteil der Kohlendioxid -

emissionen die vom Meer aufgenommen wurden in den letzten 50 Jahren immer weiter zuruumlckgegangen ist (siehe auch Kapitel 4)6 Die vom Menschen verursachte Erwaumlrmung der Ozeane sowie ein weiter ungebremster Treibhausgasausstoszlig tragen somit zur zusaumltzlichen glo-balen Erwaumlrmung der Atmosphaumlre bei

Zudem erschweren die steigende Wassertemperatur und der sinkende pH-Wert die Schalen- und Skelett-entwicklung zahlreicher Kalk bildender Organismen wie beispielweise der Koralle und gefaumlhrden die Funktions-weise von Meeresoumlkosystemen (siehe auch Kapitel 22)

Abb 2 Der Kohlenstoffkreislauf

Die Abbildung zeigt die Komponenten und Funktionsweise des Kohlenstoffkreislaufs Quelle Harmeling et al 2008

5 IPCC 2007a 6 Schuster U und A J Watson 2007

BodenlebewesenDestruenten

abgestorbenesorganisches

Material

Torf KohleErdoumll Erdgas

TierePflanzen

fossileBrennstoffe

Assimilation durch PflanzenPhotosynthese

Diffusionvon CO2

CO2

Org Material Carbonate

Verbrennung

Dissimilation durchPflanzen und Tiere

Kohlendioxidin der

Atmosphaumlre

AquatischeBakterien

WasserpflanzenAlgen

Cyanobakterien

Photosynthese

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Tornados treten als kleinraumlumige Phaumlnomene auf koumlnnen aber in kuumlrzester Zeit groszlige Schaumlden verursachen

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Globale und kontinentale Temperaturaumlnderungen

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Klimamodelle die nur natuumlrliche Antriebskraumlfte beruumlcksichtigen

Klimamodelle die natuumlrliche und menschliche Antriebskraumlfte beruumlcksichtigen

Beobachtungen

21 Das Klima aumlndert sich

Der menschgemachte Klimawandel bedeutet zunaumlchst eine Erhoumlhung der globalen Temperatur Diese setzt das Klimasystem der Erde unter Druck und kann zu einer Veraumlnderung des durchschnittlichen Wetters und somit des Klimas fuumlhren Waumlhrend der letzten 130 Jahre ist die durchschnittliche Lufttemperatur in Bodennaumlhe global um ca 08 degC angestiegen Dieser Anstieg verlief aller-dings weder zeitlich noch regional gleichmaumlszligig Bis 1940

2 Klimawandel heutegab es eine fruumlhe Erwaumlrmungsphase der sich eine kur-ze Stagnation bis in die 1970er Jahre anschloss Seither gibt es einen neuen ungebrochenen Erwaumlrmungstrend dessen Tempo sich zunehmend erhoumlht und mittlerweile ca 02 degC pro Dekade betraumlgt Mehr als zwei Drittel der Erwaumlrmung des vergangenen Jahrhunderts fanden dabei seit 1975 statt Der Temperaturanstieg ist vor allem uumlber den Landflaumlchen und hier besonders uumlber der noumlrdlichen Erdhalbkugel zu beobachten weniger uumlber den sich ver-zoumlgert erwaumlrmenden Ozeanen (siehe Abbildung 3)7

Abb 3 Gemessene und simulierte Temperaturabweichungen vom langjaumlhrigen Mittel (1901-1950) seit 1906 fuumlr verschiedene Regionen der Erde

Schwarze Linie Gemessene Temperaturabweichungen Blaues Band Simulationen nur mit natuumlrlichen Antriebs fak- toren Rotes Band Kombinierte Simulation der natuumlrlichen und anthropogenen Antriebsfaktoren Quelle IPCC 2007a

7 GISS 2010

11

Info-Kasten 1 IPCC ndash houmlchste Autoritaumlt der Klimawissenschaft auf dem Pruumlfstand

Ohne Forschungen unabhaumlngiger Wissenschaftler-Innen kann die Politik keine fundierten und wir-kungsvollen Entscheidungen fuumlr den Klimaschutz treffen Es bedarf folglich einer Institution die den Sachverstand der weltweiten Klimawissenschaft so umfassend und konsensorientiert wie moumlg-lich buumlndelt Zu diesem Zweck gruumlndeten die Weltorganisation fuumlr Meteorologie (WMO) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) 1988 den Zwischenstaatlichen Ausschuss zum Klimawandel (Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC) der auch als bdquoWeltklimaratldquo bezeich-net wird

Seine umfangreichen Sachstands- und Sonderbe-richte wurden zu der zentralen Grundlage fuumlr wissen-schaftlich fundierte klimapolitische Entscheidungen So war der erste Bericht (1990) die wichtigste wissen-schaftliche Grundlage fuumlr die Klimarahmenkonven-tion und der zweite Bericht (1995) hatte diese Funktion fuumlr das Kyoto-Protokoll Die klimawis-senschaftlichen Fakten des dritten Berichts (Third Assessment Report TAR 2001) waren ein hilfreicher Antrieb fuumlr viele Regierungen das Kyoto-Protokoll mit seinen verbindlichen Klimaschutzpflichten zu ratifizieren und damit in Kraft zu setzen Der 2007 erschienene vierte Bericht (Fourth Assessment Report AR4) hat weltweit die oumlffentliche und poli-tische Diskussion uumlber den Klimawandel und seine

Konsequenzen stark befoumlrdert Fuumlr seine Arbeit erhielt der Weltklimarat bestehend aus rund 450 Haupt- und rund 800 Nebenautoren gemeinsam mit dem damaligen US-Vizepraumlsidenten Al Gore im Jahr 2007 den Friedensnobelpreis

Vergleicht man die ersten drei Berichte mit dem jeweils nachfolgenden Bericht so zeigt sich klar Zentrale Aussagen wurden zunaumlchst sehr vorsichtig formuliert und spaumlter durch sicherere bestaumltigt In vielen Faumlllen folgten sogar deutlich dramatischere Feststellungen die sich aus dem zunehmenden wis-senschaftlichen Sachstand ableiten lieszligen (vgl auch Abbildung 4)

Diskussionen um die Arbeit des IPCC dessen letz-ter Sachstandsbericht (2007) rund 18000 wissen-schaftliche Quellen zitierte sind dabei nicht neu wobei ihm dabei von unterschiedlicher Seite sowohl Uumlber- als auch Untertreibung vorgeworfen wird Neu allerdings ist die Heftigkeit und Konzentration mit der die Glaubwuumlrdigkeit des aktuellen Reports seit den Klimaverhandlungen in Kopenhagen Ende 2009 in Frage gestellt wird Dabei ist es jedoch keines-falls der Klimawandel bzw der menschgemachte Einfluss der in Frage gestellt wird Kein einziger ernstzunehmender Wissenschaftler zweifelt an der Realitaumlt des Klimawandels oder dessen Ursachen Vielmehr entzuumlndet sich die juumlngste Kritik an ei-

Das erste Jahrzehnt des 21 Jahrhunderts war mit Ab-stand das waumlrmste weltweit je gemessene Jahrzehnt gefolgt von den 1990er Jahren die wiederum waumlrmer waren als die 1980er Jahre Alle vergangenen zwoumllf Jah-re (1998-2009) zaumlhlen zu den waumlrmsten seit Beginn der Temperaturmessungen im Jahr 18808

Frage Macht die globale Erwaumlrmung seit 1998 eine Pause

Das Jahr 1998 war heiszliger als einige Jahre danach wes-halb manche Beobachter die Frage stellen ob die Er-waumlrmung seit 1998 eine Pause gemacht hat Nein Nach neuesten Messungen der NASA liegt die beobachtete Erwaumlrmung des vergangenen Jahrzehnts weltweit mit 019 degC gleichauf mit der IPCC-Projektion (02 degC) und unterscheidet sich in diesem Zusammenhang nicht von den vorangegangen Jahrzehnten Von einer Unterbre-chung der globalen Erwaumlrmung kann also keineswegs die Rede sein Der Grund fuumlr eine solche Behauptung lag in einem einfachen Datenfehler der die Arktis ndash wo die

Temperaturen in den vergangenen Jahren am staumlrksten angestiegen sind ndash aufgrund luumlckenhafter Messpunkte aus den globalen Temperaturmessungen ausgeschlos-sen hatte (bdquoArktis-Lochldquo) Nachdem das bdquoArktis-Lochldquo geschlossen und in die globale Energiebilanz integriert wurde kann eine Pause des Erwaumlrmungstrends auch fuumlr das erste Jahrzehnt des 21 Jahrhunderts nicht bestauml-tigt werden Neben der Datenluumlcke bdquoArktis-Lochldquo wird ferner auch eine geringere Sonnenaktivitaumlt als Ursache einer moumlglichen Unterbrechung der Erwaumlrmung aus-geschlossen Zwar befindet sich die Sonneneinstrah-lung gegenwaumlrtig auf dem Rekordminimum des letzten Sonnenfleckenzyklus doch wird 2010 mit dem Beginn neuer Sonnenfleckenaktivitaumlten und infolge dessen so-wohl mit einer Zunahme der solaren Leuchtkraft als auch einem weiteren Erwaumlrmungsschub in den kommenden Jahren gerechnet

8 GISS 2010

12

nigen Teilergebnissen der Arbeitsgruppe welche die moumlglichen Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme und Gesellschaften analysiert (Arbeits-gruppe 2)

Da ist erstens ein Zahlendreher in Bezug auf den Zeitpunkt an dem die Himalaya-Gletscher zu einem groszligen Teil abgeschmolzen sein koumlnnten Aus dem Jahr 2350 wurde das Jahr 2035 Dieser Fehler haumlt-te eigentlich durch die Kontrollstandards des IPCC entdeckt werden muumlssen An der Gesamtaussage der Passage aumlndert dies jedoch reichlich wenig Die Gletscher in Asien schmelzen zu Beginn des 21 Jahrhunderts schneller als zuvor

Zweitens die Angabe dass rund 55 Prozent der Niederlande unter dem gegenwaumlrtigen Meeres-spie gel niveau laumlgen Diese Aussage war urspruumlng-lich von der niederlaumlndischen Regie rungsbehoumlrde an den IPCC uumlbermittelt worden Richtig gewe-sen waumlre 55 Prozent der Niederlande sind von Uumlberschwemmungen bedroht 26 Prozent liegen un-ter dem Meeresspiegel und 29 Prozent sind anfaumlllig fuumlr Flusshochwasser

Und drittens dass bis zum Jahr 2020 die landwirt-schaftlichen Ertraumlge im Regenfeldbau in Afrika durch den Klimawandel bzw Wasserknappheit halbiert werden koumlnnten Hier liegt das Problem in einer fehlerhaften Zusammenfassung im Synthesekapitel Richtig heiszligt es im Text des Regionalkapitels zu Afrika dass das Risiko in der Periode 2000-2020 in der die Ernteausfaumllle im Regenfeldbau 50 Prozent betragen durch den Klimawandel verstaumlrkt wird Wissenschaftlich haltbar ist diese Aussage allerdings nur bei drei nordafrikanischen Laumlndern Tunesien Algerien und Marokko9

Diese Fehler wurden mittlerweile allesamt einge-standen und korrigiert In allen drei Faumlllen wurde insbesondere die Verwendung sogenannter grauer Literatur kritisiert Graue Literatur stammt dabei nicht aus dem klassischen Wissenschaftsprozess son-dern etwa von Organisationen oder Unternehmen Es handelt sich also um Publikationen die nicht in wissenschaftlichen Zeitschriften veroumlffentlicht wurden Ohne eine entsprechende wissenschaft-liche Uumlberpruumlfung (Peer-Review) ist die Kritik an den Aussagen grauer Literatur berechtigt Allerdings sind viele der fuumlr den IPCC relevanten Daten nur als graue Literatur verfuumlgbar Manche Forscher halten solche

Quellen fuumlr hilfreich Nur uumlber die Beruumlcksichtigung dieser grauen Literatur ist es beispielsweise moumlglich auch Informationen aus aumlrmeren Laumlndern zu erhalten und das Uumlbergewicht westlicher und englischsprachi-ger Forschung auszubalancieren

Auch wenn die Diskussion uumlber die Fehler wichtig ist um ein Dokument wie den IPCC-Bericht weiter zu verbessern bleibt festzuhalten dass sie nichts an der Bedeutung und den Kernaussagen des Berichtes aumlndern Im Gegenteil Eine so groszlige Gruppe von Wissenschaftlern wie sie an der Erstellung der IPCC-Berichte beteiligt ist wird sich in einem politisch bedeutsamen Dokument grundsaumltzlich auf eher zu konservative Schlussfolgerungen einigen koumlnnen Insbesondere die Zusammenfassungen fuumlr politische Entscheidungstraumlger werden zudem von Vertretern aller Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention ausgehandelt es wird um jede Formulierung gerun-gen Aussagen des IPCC neigen demnach eher zu einer Verharmlosung als zu einer Dramatisierung des aktuellen Sachstands

Die derzeitige Debatte ist somit keine Diskussion uumlber Ursachen und Folgen des Klimawandels wie sie faumllschlicher Weise in den Medien dargestellt wur-de Sie ist auch kein Streit uumlber die Notwendigkeit politischer Gegenmaszlignahmen In erster Linie ist sie eine Kritik an den Strukturen und Arbeitsweisen des IPCC im Allgemeinen Als entsprechende Reaktion und um zukuumlnftige Fehler zu vermeiden wird von nun an eine Gruppe von Wissenschaftlern die Aussagen der Sachstandsberichte uumlberpruumlfen UNO-Generalsekraumlter Ban Ki-moon hat dazu im Februar 2010 den InterAcademy Council (IAC) als Kontrollinstrument des Weltklimarates engagiert Dieser hat den Auswahlprozess der wissenschaft-lichen Quellen und insbesondere die Qualitaumlt grauer Literatur evaluiert ndash mit dem Ziel die Unsicherheiten und Fehler des IPCC zu reduzieren Dies ist insbe-sondere wichtig da die Vorbereitung des 5 Sach-standsberichts der 201314 herausgegeben werden soll bereits anstehen Der im August 2010 vom IAC vorgestellte Bericht bestaumltigt insgesamt eindeu-tig die Ergebnisse und die Rolle des IPCC Er gibt allerdings eine Reihe von Empfehlungen zur Ver-besserung des Managements des IPCC-Prozesses die auch dazu dienen sollen die Einhaltung der selbst gesetzten wissenschaftlichen Richtlinien strenger zu uumlberwachen10

9 S InterAcademy Council (IAC) 201010 IAC 2010

13

Abbildung 4 zeigt dass die Grenze zum gefaumlhrlichen Klimawandel fruumlher uumlberschritten werden koumlnnte und auch die Risiken negativer Auswirkungen auf Mensch und Umwelt heute houmlher eingestuft werden muumlssen als noch von wenigen Jahren angenommen wurde Der Vergleich des aktuellen Sachstandberichts mit dem vorangegan-genen dritten IPCC-Bericht zeigt dass viele Oumlkosysteme viel sensibler auf Temperaturveraumlnderungen reagieren koumlnnten und auch dass die Auswirkungen auf Regionen Bevoumllkerungsgruppen und Wirtschaftssektoren bisher unterschaumltzt wurden (siehe auch Kapitel 41 und 42)11 Mehrere Beispiele deuten darauf hin dass auch der vierte IPCC-Sachstandsbericht in vielerlei Hinsicht sehr vorsichtige konservative Abschaumltzungen praumlsen-tiert Dies gilt u a fuumlr die Annahmen zur weltweiten Emissionsentwicklung und zum Meeresspiegelanstieg (siehe auch Kapitel 34)

Die Klimaforschung wurde von diesen sich beschleuni-genden Entwicklungen uumlberrascht Das IPCC-Prinzip nur sorgfaumlltig uumlberpruumlfte und bestaumltigte Erkenntnisse zu publizieren wird solche Uumlberraschungen auch in Zukunft in Kauf nehmen muumlssen zugunsten ihrer pro-fessionellen Glaubwuumlrdigkeit Das darf aber nicht aus-schlieszligen dass uumlber moumlgliche zukuumlnftige Risiken auch dann informiert wird wenn diese noch nicht im Detail erhaumlrtet sind

11 Smith JB et al 2009

Die Risiken der globalen Erwaumlrmung muumlssen heute houmlher eingeschaumltzt werden als vor zehn JahrenQuelle Smith JB et al 2009

22 Auswirkungen des Klimawandels

Trotz einer sich gering anhoumlrenden globalen Erwaumlrmung (08 degC seit 1880) lassen sich weltweit bereits zahlrei-che physische Auswirkungen des Temperaturanstiegs beobachten Laut des letzten IPCC-Reports weisen von allen Untersuchungen die hinsichtlich moumlgli-cher Veraumlnderungen physikalischer und biologischer Systeme ausgewertet wurden fast 90 Prozent signifi-kante Veraumlnderungen auf die in einer waumlrmeren Welt zu erwarten waumlren Zudem haumlufen sich die empirischen Belege insbesondere in Regionen in denen sich die Temperaturen am staumlrksten erhoumlht haben wodurch na-tuumlrliche Schwankungen als primaumlre Ursache unwahr-scheinlich werden Im Folgenden sollen einige dieser bereits heute beobachtbaren Auswirkungen vorgestellt werden

n Ruumlckzug der Gebirgsgletscher

Zu den bisher am deutlichsten sichtbaren Auswirkungen der Klima erwaumlrmung zaumlhlt der weltweite Ruumlckzug der Gebirgs gletscher Er begann im 19 Jahrhundert und hat sich seitdem drastisch beschleunigt Gletscher werden aufgrund ihrer Sensibilitaumlt gegenuumlber Tem-

Abb 4 bdquoReasons for Concernrdquo Vergleich IPCC 2001 mit IPCC 2007

IPCC 2001 Basierend auf IPCC 2007

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pe raturveraumlnderungen auch als die bdquoKanarienvoumlgel in der Kohlengrubeldquo des globalen Klimasystems be-zeichnet Auch gibt es deut liche Anzeichen fuumlr das Aufweichen von Permafrostboumlden in Teilen der Polar- und Subpolarregionen12 Der World Glacier Monitoring Service (WGMS Welt-Gletscher-Beobachtungsdienst) kommt zu dem Ergebnis dass sich die Gletscherschmelze fast uumlberall auf der Erde beschleunigt Zusammengefasst schrumpfen die Gletscher mittlerweile viermal so schnell wie noch vor 30 Jahren ndash in den Anden und Alaska ebenso wie im Himalaya und in den Alpen13 In der Alpenregion haben die Gletscher seit Beginn der indus-triellen Revolution mehr als die Haumllfte an Masse verlo-ren14 Waumlhrend die Alpengletscher zwischen 1975 und 2000 noch ein Prozent an Volumen pro Jahr einbuumlszligten hat sich die Verlustrate zu Beginn des 21 Jahrhunderts

fast verdreifacht15 Bis auf wenige Ausnahmen ist ein aumlhnlich weitraumlumiger Verlust in allen alpinen Gebieten der Erde zu beobachten

Gletscher sind fuumlr viele Regionen eine der wichtigsten Trinkwasserquellen da sie im Winter wertvolles Suumlszlig-wasser in Form von Schnee und Eis akkumulieren und dieses im Sommer in Form von Schmelzwasser an die Fluumlsse abgeben Der Ruumlckzug der Eismassen betrifft da-bei insbesondere zahlreiche Staumldte im Einzugsbereich des Himalaya wo das Wasser der Gletscher u a die sieben groumlszligten Fluumlsse Asiens ndash Ganges Indus Brahma-putra Mekong Thanlwin Jangtse und den Gelben Fluss ndash speist und so die Wasserversorgung Hunderter Millio-nen Menschen sichert

Innerhalb der vergangenen zwei Jahrhunderte ist in den Alpen uumlber die Haumllfte des Eises abgeschmolzenQuelle Bayerische Akademie der Wissen-schaften

Abb 5 Veraumlnderung des Vernagtferners in den Oumltztaler Alpen 1844-2001

12 IPCC 2007a13 WGMS 2008

14 Zemp M et al 200615 Haeberli 2007

15

n Ruumlckgang des arktischen Meereises

Die Analyse neuester Satellitenmessungen laumlsst keinen Zweifel zu Das Meereis der Arktis schmilzt Inner-halb der letzten 30 Jahre hat sich die sommerliche Ausdehnung der Eisdecke um mehr als 20 Prozent verringert Besonders dramatisch an der derzeitigen Schrumpfung ist dass sie sich in den letzten Jahren sig - ni fikant beschleunigt hat und die gegenwaumlrtig beob-achteten Verlustraten selbst die Extremwerte voran - gegangener Computersimulationen uumlbertroffen haben Und waumlhrend bis vor kurzem noch 2005 als das Jahr der geringsten jemals gemessenen Eisflaumlche galt uumlber-traf das Jahr 2007 diese Werte in jedem Monat (siehe Abbildung 6)

Von den vormals etwa 78 Millionen km2 Eisflaumlche im Jahr 1979 wurden im September des Rekordjahrs 2007 lediglich noch 413 Millionen km2 erreicht Dies ent-spricht einem Ruumlckgang von etwa 43 Prozent gegenuumlber dem langjaumlhrigen Mittelwert 1979-2000 und ist die ge-ringste je gemessene Eisausdehnung in der Arktis16

Auch in den folgenden Jahren wurde eine aumlhnlich kleine Eisausdehnung auf dem arktischen Nordmeer gemes-sen Mit dem Ergebnis dass 2008 und 2009 erstmals seit Menschengedenken sowohl die Nordwest- als auch die Nordostpassage gleichzeitig eisfrei waren Auch im Jahr 2010 lag die Ausdehnung mit ca 51 Millionen km2 deutlich unter dem langjaumlhrigen Mittelwert

Berichte vom Klimawandel ndash Nepal

bdquoNepal erlebt zurzeit stark schwankende Regenzyklen Im Winter 20082009 gab es gar keinen Regen Auszligerdem hatten wir wenig Schneefall Unser Land braucht in dieser Zeit Regen und Schnee damit Weizen und Mais vor allem auch im Sommer wachsen koumlnnen Die Bauern im Distrikt Rukum sorgen sich zunehmend uumlber kurze aber heftige Niederschlaumlge Schon jetzt sind dort Nahrungsmittel knapp ndash durch den Klimawandel wird das Leid noch groumlszliger Immer mehr Menschen wan-dern nach Indien aus Ebenso gibt es in der Rupandehi-Gemeinde einen Fluss der bis vor 20 Jahren noch aus-reichend Wasser fuumlhrte Jetzt ist er ausgetrocknet Das andere Extrem sind Flusshochwasserwellen waumlhrend der Regenzeit die sich verheerend fuumlr die dort leben-den Menschen auswirken Die groumlszligte Herausforderung fuumlr Nepal ist jedoch die rasche Gletscherschmelze im

Himalaya Dort wo der Gletscher lag bildet sich ein See Bricht der ehemals vom Gletscher aufgescho-bene Erddamm entstehen katastrophale Flutwellen Teile des darunter liegenden Landes werden uumlberflu-tet Dennoch werden wir wohl auf lange Sicht unter Wassermangel leiden Denn die Gletscher verschwinden langsam und koumlnnen bald kein Wasser mehr im Sommer fuumlr die Landwirtschaft liefern Fuumlr ein armes Land wie Nepal das zur Bewaumlsserung in der Landwirtschaft auf Schmelzwasser angewiesen ist ist dieses Problem nicht zu bewaumlltigenldquo

Raju Pandit Chhetri Juristischer Berater United Mission to Nepal (UMN) Kathmandu Nepal

Seit 1979 hat sich die arktische Eisausdehnung um mehr als 20 Prozent verringert Quelle NASA 2007 httpearthobservatorynasagovIOTDviewphpid=8126

Abb 6 Ausdehnung des arktischen Meer eises 2007 im Vergleich zu 1979-2000

16 NSIDC 2008

2005 Minimum

2007 Minimum

1979-2000 Durchschnittliches Minimum

500 km

16 September 2007Konzentration des Meereises (in )

0 50 100

16

n Schrumpfende Festlandeisschilde

Kontinentale Eisschilde groumlszliger als 50000 km2 existie-ren lediglich an zwei Plaumltzen auf der Erde in der Antarktis und auf Groumlnland Wuumlrden sie abschmelzen entspraumlche dies einem globalen Meeresspiegelanstieg von etwa 70 Metern Bis vor einigen Jahren nahmen Wissenschaftler an die Eisschilde wuumlrden auf Klimaveraumlnderungen nur sehr langsam und meist uumlber Jahrtausende reagieren Allerdings muss diese Annahme aufgrund modernster Satellitenmessungen nun revidiert werden Galten bei-de Eisschilde noch bis vor einigen Jahren als bdquoschlafende Riesenldquo legen neueste Erkenntnisse uumlber bis vor kurzem fuumlr unmoumlglich gehaltene Schmelz- und Rutschprozesse die Vermutung nahe die beiden Riesen seien nun aus ihrem tausend Jahre andauernden Tiefschlaf erwacht Beide Eisschilde schmelzen ndash und das mit einem atembe-raubenden Tempo

Noch waumlhrend der 1990er Jahre so belegen Studien be-fand sich der groumlnlaumlndische Eisschild nahezu im Gleich-gewicht ndash Schneeakkumulation und Schneeschmelze glichen sich in etwa aus Waumlhrend dieser Zeit wuchs der Eisschild im Inneren und verlor seine Eismassen an den Raumlndern

Als Folge der schon seit einigen Jahren bekannten ho-hen Sensibilitaumlt der arktischen Region gegenuumlber den Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung hat sich die Situation nun gravierend veraumlndert Waumlhrend der Jah-re 2000-2008 hat sich der Massenverlust auf Groumlnland verdreifacht und trug im Jahr 2008 mit 273 Gigatonnen

zu einem Anstieg des Meeresspiegels um 075 mm pro Jahr bei17 Zwar geht nach wie vor ein groszliger Teil des Eisverlustes auf das Konto der Ausduumlnnung des Eises in den tieferen Lagen Besonders beunruhigend jedoch ist eine andere Beobachtung Denn neben den linearen Abschmelzprozessen spielen dynamische Veraumlnderun-gen des Eisabflusses eine immer bedeutendere Rolle Die Auswertung von Satellitendaten beweist dass die Eisdecke durch die Schmelzvorgaumlnge nicht in erster Linie duumlnner wird ndash sie bewegt sich vielmehr schneller Das groumlnlaumlndische Eis draumlngt dabei immer schneller vom Zentrum des Eispanzers im Landesinneren uumlber die Glet-scher nach auszligen und ins Meer18

Ein aumlhnliches Bild ergibt sich auch in der Antarktis wo innerhalb des Untersuchungszeitraums April 2002 bis Januar 2009 ein jaumlhrlicher Verlust an Eismasse von durchschnittlich 190 (+- 77) Gigatonnen Eis gemessen wurde ndash was umgerechnet einem Meeresspiegelanstieg von rund 04 mmJahr entspricht19 Mehr als zwei Drittel (132 Gt) des Eismassenverlustes betrafen dabei die West antarktis20 Besonders groszlige Sorge bereitet Klimaforschern die enorme Dynamik mit der das Eis der Westantarktis ans Meer verloren geht Entscheidend ist dabei die Rolle der vorgelagerten Schelfeisgebie-te Aumlhnlich wie u a in manchen Kuumlstenregionen Groumln-lands ist ihre Instabilitaumlt die Ursache fuumlr das verstaumlrkte Abflieszligen der westantarktischen Auslassgletscher und Eis stroumlme Denn das Eis schmilzt weniger an Land als vielmehr durch den Kontakt mit waumlrmerem Ozeanwas-ser Normalerweise wird durch die Barriere des Schelf-eises der Abfluss der Auslassgletscher und Eisstroumlme

Immer schneller rutschen die groumlnlaumlndischen Gletscher ins MeerQuelle NASA 2007 httpearthobservatorynasagovFeaturesGreenlandprintallphp

Abb 7 Ruumlckzug der Aufsetzlinie des Jakobshavn Isbrae 1850-2006 an der Westkuumlste Groumlnlands

17 Van den Broeke M et al 200918 Van de Wal RS et al 2008

19 Velicogna I und J Wahr 200920 Chen JL et al 2009

GroumlnlandEisschild

17

gebremst Wird dieses jedoch bruumlchig oder kollabiert so nimmt die Abflussgeschwindigkeit der hinter dem Eisschelf liegenden Gletscher zu und sie koumlnnen nahezu ungebremst ins offene Meer ablaufen Seit dem Wegfall des Larsen-B-Eisschelfs 2002 hat sich der Abfluss der da-hinterliegenden Auslassgletscher deutlich erhoumlht ndash und zwar um das bis zu Achtfache21 Viele der westantarkti-schen Gletscher (z B der Pine Island Gletscher und der Smith Gletscher) haben sich innerhalb der letzten Jahre (2004-2007) enorm beschleunigt und flieszligen mittler-weile mit einer Geschwindigkeit von bis zu neun Metern pro Jahr ins Meer22 27 Kubikkilometer Eis gehen nun jaumlhrlich dort verloren wo sich vor wenigen Jahren noch das Eisschelf befand23 Ein aumlhnliches Schicksal wie das des Larsen-B-Eisschelfs koumlnnte in einer waumlrmeren Zu-kunft auch weitere Eisschelfe ereilen

n Anstieg des Meeresspiegels

Als eine der wichtigsten Folgen des anthropogenen Klimawandels gilt der Anstieg des globalen Meeresspie-gels Im 20 Jahrhundert ist der Meeresspiegel weltweit durchschnittlich zwischen 12-22 cm angestiegen24 Ak-tuelle Satellitenmessungen zeigen dass er sich gegen-waumlrtig um 33 mm pro Jahr erhoumlht25 Dies hat im Wesent-lichen zwei Ursachen Zum einen tragen die veraumlnderten Abflussregime der Gebirgsgletscher sowie die beiden Festlandeisschilde auf Groumlnland und der Antarktis zur Erhoumlhung des Meeresspiegels bei Zum anderen dehnt sich der Wasserkoumlrper als physika lische Reaktion der Erwaumlrmung der Ozeane auch staumlrker aus ndash rund 18 mm gehen momentan auf das Konto dieser thermischen Aus-

dehnung Der gegenwaumlrtige Anstieg des Meeresspiegels mag zurzeit noch harmlos erscheinen aber die Anstiegs-rate wird vermutlich in Zukunft nicht auf ihrem momen-tanen Niveau verweilen Vielmehr wird damit gerechnet dass sie umso rascher ansteigen wird je schneller die Temperaturen die Eismassen zum Schmelzen bringen (siehe auch Kapitel 33)

n Zunahme extremer Wetterereignisse

Die Erkenntnisse der Physik legen nahe dass ein Anstieg der globalen Temperaturen auch zu einer Zunahme wet-terbedingter Extremereignisse in bestimmten Regionen der Erde fuumlhrt Um jedoch eine Antwort auf die Frage zu finden ob im Rahmen des globalen Klimawandels extreme Wetterereignisse zugenommen haben ist es erforderlich Zeitreihen uumlber mehrere Jahrzehnte aus-zuwerten Das Ergebnis Waumlhrend wetterunabhaumlngige Ereignisse wie Erdbeben oder Tsunamis sich im Grunde nicht veraumlndert haben kommen Starkniederschlags-ereignisse heftige Stuumlrme Hochwasser Duumlrren und auszligergewoumlhnliche Hitzeperioden weltweit immer haumlu-figer vor

Es ist niemals moumlglich einen eindeutigen Kausalzusam-menhang zwischen einem einzelnen Extremwetterereig-nis und dem menschgemachten Klimawandel herzustel-len da Aussagen uumlber das Klima die Betrachtung eines mindestens 30-jaumlhrigen Zeitabschnitts voraussetzen Der Trend im Hinblick auf Anzahl Heftigkeit und Ort des Auftretens von Extremwetterereignissen ndash nicht das Einzelereignis fuumlr sich genommen ndash ist fuumlr Beschrei-

Info-Kasten 2 Was ist eine Wetterkatastrophe

Sturm ist nicht gleich Sturm denn die Auswirkungen sind abhaumlngig davon in welcher Region der Sturm stattfindet Ereignet sich ein Sturm in der Wuumlste so wird in der Regel nicht von einer Wetterkatastrophe gesprochen weil Menschen nicht davon betroffen sind Zu einer Katastrophe wird ein Sturm erst dann wenn er Menschen oder deren Sachguumlter in groszligem Maszlige schaumldigt Wetterkatastrophen ereignen sich demnach dort wo extreme Wetterereignisse auf eine dafuumlr anfaumlllige Gesellschaft treffen Eine Zunahme an Wetterkatastrophen kann somit zwei wesentliche Ursachen haben 1 Eine tatsaumlchliche Zunahme extremer Wetter-

ereignisse und 2 eine Erhoumlhung der Vulnerabilitaumlt (Verletzlichkeit)

wegen nicht ausreichend eingefuumlhrter Schutz-maszlignahmen bzw einer nicht angepassten Lebens weise des Menschen an seine Umgebung Dies kann die Besiedlung bisher wenig genutz-

ter oumlkologisch sensibler Raumlume umfassen Um-welteingriffe (z B erosionsanfaumlllige Boumlden nach Abholzung oder groumlszligeres Hochwasserrisiko nach der Begradigung von Fluumlssen) oder aber auch den Anstieg der Bevoumllkerung in Gebieten klimatischer Risikozonen

In den vergangenen 60 Jahren ist dabei nicht nur eine Zunahme wetterbedingter Naturkatastrophen zu be-obachten auch haben die volkswirtschaftlichen bzw versicherten Schaumlden durch extreme Wettereignisse zugenommen (siehe Abbildung 8) Auch wenn die-se Zunahme zum groszligen Teil noch auf soziooumlko-nomischen Veraumlnderungen wie Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum zuruumlckzufuumlhren ist und teil-weise auch das Ergebnis natuumlrlicher Schwankungen sein koumlnnte so ist zu erwarten dass der Klimawandel eine immer entscheidendere Rolle spielen wird26

21 Scambos T et al 200422 Hamish D et al 200923 Rignot E et al 2004

24 IPCC 2007a25 Beckley et al 200726 Munich Re 2010

18

Berichte vom Klimawandel ndash Uganda

bdquoDer Klimawandel ist fuumlr alle Ugander bereits Realitaumlt Wir erleben mittlerweile viel mehr waumlrmere Tage und Naumlchte laumlngere ungewohnte Duumlrren und heftige Regenfaumllle auch auszligerhalb der Regenzeit Unsere Bauern und Verbraucher sind irritiert und zeigen mit anklagendem Finger auf die Wetterdienste Was sie aber benoumltigen sind Informationen und Aufklaumlrung was tatsaumlchlich geschieht und ihnen [den Bauern] zeigt wie wichtig es ist die Treibhausgasemissionen einzudaumlmmen Diese Erkenntnis muss zu allen Be-troffenen durchdringenldquo

Kimera Henry Richard Geschaumlftsfuumlhrer Consumer Education Trust Kampala ndash Uganda

Innerhalb der letzten 60 Jahre ist insgesamt eine Zunahme groszliger wetterbedingter Naturkatastrophen zu beobach-ten Quelle Munich Re 2010

bungen des Klimas relevant In einigen Regionen konnte ein Anstieg der Intensitaumlt von klimatisch bedingten Ex-tremereignissen in den letzten Jahrzehnten festgestellt werden

Bei einer allgemeinen Temperaturerhoumlhung verschiebt sich auch die Haumlufigkeit des Auftretens von Hitzewel-len Wie gefaumlhrlich dies sein kann zeigte sich im Som-mer 2003 in Europa als eine Hitzewelle mit den houmlchsten Sommertemperaturen seit mindestens 500 Jahren uumlber 7000027 Menschenlebenforderte und sich zudem nega-tiv auf die Bereiche Landwirtschaft Waldwachstum und Verkehr auswirkte

Ein anderes Extremereignis war die Elbeflut 2002 die viele Staumldte entlang des Elbe-Flusslaufs uumlberflutete Bruumlcken wegspuumllte und ganze Landstriche verwuumlstete

Eine weitere Art extremer Wetterereignisse die waumlh-rend der letzten Dekaden an Zerstoumlrungskraft gewon-nen hat sind starke Tropen- und Winterstuumlrme wie bei-spielsweise der Hurrikan Katrina in den USA oder wie der Sturm Kyrill in Deutschland Ihre Intensitaumlt hat vor allem bedingt durch houmlhere Temperaturen aber auch aufgrund natuumlrlicher dekadischer Schwankungen stark zugenommen28 Die auszligerordentlich starke Hurrikan-

Abb 8 Groszligkatastrophen weltweit (1950-2009)

Geophysikalische EreignisseErdbeben Vulkanausbruch

Hydrologische EreignisseSturzflut Flussuumlberschwem- mung Sturmflut Massen-bewegung (Erdrutsch)

Trend

Meteorologische EreignisseTropischer Sturm Winter-sturm Unwetter Hagel Tornado Lokaler Sturm

Klimatologische EreignisseHitze- Kaumlltewelle WaldbrandDuumlrre

Anzahl

14

12

10

8

6

4

2

01950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005

27 Robine JM et al 200828 Webster PJ et al 2005

19

Berichte vom Klimawandel ndash Kamerun

bdquoFruumlher startete die Regenzeit gewoumlhnlich Mitte Maumlrz aber heute ist es kaum mehr moumlglich vor-herzusagen wann sie beginnt Manchmal haumllt die Trockenzeit zu lange an das Saatgut vertrocknet in der Erde Wenn aber der Regen zu fruumlh einsetzt und es dann viel zu viel regnet koumlnnen wir den Boden nicht bearbeiten und auch nicht aussaumlen Oder die Ernte verdirbt wenn die Regenzeit zu lange dauert Mais zum Beispiel schimmelt wenn er waumlhrend der Regenzeit nicht richtig trocknen kann Auch der Transport wird durch starke Regenfaumllle sehr schwer Deshalb verdirbt die Ernte haumlufiger schon auf den Farmenldquo

Carole Mboube Sekretaumlrin und Baumluerin ADEID (bdquoAktion fuumlr eine gerechte integre und nach hal-tige Entwicklungldquo Umwelt- und Entwicklungs-organisation) Kamerun

Saison in der Karibik und den USA im Jahr 2005 (u a Hur-rikan Katrina) hat direkte Schaumlden von mehr als 150 Mrd US-Dollar verursacht sowie alleine in den USA mehr als 1000 Menschenleben gefordert Vor der Kuumlste Brasili-ens im Suumldatlantik wurde im Jahr 2004 erstmals ein Hur-rikan in der suumldlichen Hemisphaumlre beobachtet29 Auch wenn innerhalb der kommenden Jahrzehnte immer wie-der einmal natuumlrliche Schwankungen die Intensitaumlt star-ker Sturmereignisse beeinflussen werden so wird damit gerechnet dass sich nach 2050 der Effekt der globalen Erwaumlrmung immer deutlicher von diesen natuumlrlichen Dekadenschwankungen abheben wird30

n Ertragsruumlckgaumlnge in der Landwirtschaft

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Nahrungs-mittelertraumlge der Landwirtschaft ergeben sich sowohl aus den Veraumlnderungen von Temperatur und Nieder-schlag als auch aus der Anpassungsfaumlhigkeit der Land- wirtschaft selbst Der IPCC ist zu dem Ergebnis gekom-men dass sich der hydrologische Kreislauf (Wasserkreis-lauf) infolge des Temperaturanstiegs veraumlndert hat Zum Beispiel kam es in vielen Regionen der Nordhalbku-gel im letzten Jahrhundert zu einer Zunahme der konti-nentalen Niederschlaumlge waumlhrend in anderen Regionen (u a Nord- und Westafrika) ein Ruumlckgang zu beobachten war Durch die sich aumlndernden Anbaubedingungen bzw durch unregelmaumlszligige Niederschlaumlge und hohe Tempe-raturen ist es schon heute in vielen Regionen der Erde sehr schwierig mit traditio nellen Anbaumethoden bzw angebauten Pflanzen die notwendigen Ernteertraumlge

zu steigern bzw zu erhalten Besonders betroffen sind dabei die traditionell trockenen Gebiete in denen eine Unterbrechung der Nahrungsmittelversorgung durch die Landwirtschaft bereits heute zu erheblichen huma-nitaumlren und wirtschaftlichen Problemen fuumlhrt

Diese Anzeichen zeigen einerseits dass der Klimawan-del schon heute deutliche Spuren im Leben der Men-schen hinterlassen hat und stuumltzen damit die nuumlchternen Datenreihen der Wissenschaftler Andererseits sind sie auch erste Vorboten dafuumlr was zukuumlnftig und im Zuge weiter ansteigender Temperaturen noch an Auswirkun-gen des Klimawandels auf uns zukommen kann

n Oumlkosysteme in der Falle

Weltweit findet ein dramatischer Artenschwund in der Tier- und Pflanzenwelt statt der sich waumlhrend der ver-gangenen 50 Jahre stark beschleunigt hat und zu Beginn des 21 Jahrhunderts um den Faktor 100 bis 1000 uumlber dem natuumlrlichen Wert liegt31 Neben direkten mensch-lichen Auswirkungen wie der Umwandlung natuumlrlicher Oumlkosysteme durch eine immer intensiver werdende Landwirtschaft die Zergliederung durch Siedlungen und Verkehrswege sowie den Raubbau natuumlrlicher Res-sourcen hinterlaumlsst auch der Klimawandel in zahlreichen Oumlkosystemen bereits deutliche Spuren Im Zuge der Klimaveraumlnderungen verschieben sich sowohl die Klima- und Vegetationszonen in Richtung der Pole oder in grouml-szligere Houmlhen als auch die klimatischen Jahreszeiten Die Tropen haben sich in 25 Jahren um mehrere Breitengrade ausgedehnt32 Fruumlhlingscharakteristika ndash wie beispiels-weise Blattentfaltung Pflanzenbluumlte Vogelzug und Brutverhalten ndash treten fruumlher ein Um ein Uumlberleben zu ermoumlglichen sind deshalb viele Tier- und Pflanzenarten einerseits gezwungen ihre traditionellen Lebensraumlume aufzugeben und den wandernden Klimazonen zu folgen sowie andererseits auch ihr saisonabhaumlngiges Verhalten an die jahreszeitliche Verschiebung anzupassen

Nicht allen Arten ist jedoch eine derartige Anpassung an die sich veraumlndernden Rahmenbedingungen moumlglich da sie sehr eng an spezifische Klimaregime und arttypische Rhythmen gebunden sind Zu den ersten Opfern gehoumlren insbesondere die artenreichsten Oumlkosysteme wie etwa die Regenwaumllder in Brasilien die Korallenriffe im Suumldpa-zifik oder die Flora und Fauna der alpinen Regionen und der Arktis In diesen Gebieten koumlnnen viele Tiere und Pflanzen mit dem Tempo des Klimawandels nicht mehr mithalten sterben aus und hinterlassen tiefe Luumlcken in Nahrungsketten und natuumlrlichen Gefuumlgen

29 Swiss RE 2004 330 Walsh K 2004

31 Millennium Ecosystem Assessment 200532 Seidel DJ 2008

20

Tem

pera

turauml

nder

ung

Ant

arkt

is (deg

C)

23 Der menschgemachte Treibhauseffekt

Das Klima unserer Erde hat in der Erdgeschichte immer wieder spektakulaumlre Wandlungen vollzogen Innerhalb der vergangenen zwei bis drei Millionen Jahre pendel-te es beispielsweise regelmaumlszligig zwischen Kalt- und Warmphasen hin und her Diese Pendelbewegung laumlsst sich sehr gut fuumlr die letzten 800000 Jahre anhand von Eisbohrkernen insbesondere aus der Antarktis belegen Sie ist das Ergebnis zyklischer Schwankungen der Erd-umlaufbahn um die Sonne bzw des Neigungswinkels der Erdachse (siehe Abbildung 9) Hier bestaumltigt sich u a die wichtige Rolle des CO2 als Treibhausgas (siehe weiter unten) Da die Umlaufbahn der Erde zudem ellip-tisch ist bringt sie die Erde in regelmaumlszligigen Abstaumlnden sowohl naumlher an die Sonne heran als auch weiter von ihr weg Die Folge Die Intensitaumlt der Sonneneinstrahlung auf der Erde schwankt auch im Jahreslauf In der Vergan-genheit haben vor allem die Kaltphasen laumlnger angehal-ten (90000 Jahre) als die Warmphasen (10000 Jahre)

rarr Frage In der Erdgeschichte stieg zuerst die Tempe-ratur dann die CO2-Konzentration Ist somit der gegen-waumlrtige CO2-Anstieg nicht eher die Folge als die Ursache der Erwaumlrmung

Abbildung 9 zeigt dass es einen direkten Zusammen-hang zwischen Temperatur und CO2-Gehalt in der At-mosphaumlre gibt Ausloumlser der zyklischen Klimaschwan-kungen innerhalb der letzten 800000 Jahre waren dabei in erster Instanz die regelmaumlszligigen Schwankungen der Erdbahnparameter Diese wirken durch die Umvertei-lung der solaren Einstrahlung direkt auf die Temperatur Der Anstieg der CO2-Konzentration kommt erst in einem zweiten Schritt durch eine positive Ruumlckkopplung und mit einer zeitlichen Verzoumlgerung von rund 800 Jahren zum Tragen Durch die steigenden Temperaturen koumln-nen die sich erwaumlrmenden Ozeane weniger CO2 halten und erhoumlhen dadurch den atmosphaumlrischen CO2-Gehalt ndash die Temperaturen steigen weiter an Somit waren in der Vergangenheit die Erdbahnveraumlnderungen der Ausloumlser fruumlherer Temperaturschwankungen allerdings ist die vollstaumlndige Temperaturentwicklung nur im Zusammen-hang mit einer positiven CO2-Ruumlckkopplung zu erklaumlren Der CO2-Anstieg der erdgeschichtlichen Vergangenheit war also sowohl Folge als auch Ursache der Erwaumlrmung Fuumlr die gegenwaumlrtige Situation koumlnnen jedoch Veraumlnde-

Konzentration (in Teilchen pro MillionMilliarde Volumeneinheit ppmvppbv) der beiden Treibhausgase Kohlendioxid (blau) und Methan (gruumln) in der Erdatmosphaumlre waumlhrend der letzten 800000 Jahre im Vergleich mit der Temperaturentwicklung (rot) Quelle Luumlthi D et al 2008

Abb 9 Temperatur- u Treibhausgasentwicklung in den letzten 800000 Jahren

4

0

-4

-8

-12

CH

4 (p

pbv)

CO

2 (p

pmv)

800

300

700

280

600

260

500

240

400

220

200

180

300800 700 600 500 400 300 200 100 0

Alter (1000 Jahre vor heute)

21

rungen der Erdbahnparameter ausgeschlossen und so-mit der globale Temperaturanstieg der letzten 130 Jahre nur durch den menschgemachten Treibhausgasausstoszlig erklaumlrt werden

Waumlhrend uumlber mehrere Jahrtausende vor allem die langperiodischen Variationen der solaren Einstrahlung fuumlr die Wechselhaftigkeit des Klimas verantwortlich waren so werden auf kuumlrzeren Zeitskalen noch wei-tere Einflussfaktoren deutlich Unterschiedlich starke Sonnenflecken aktivitaumlten lassen die Einstrahlung der Sonnenenergie auf die Erdoberflaumlche schwanken Vul-kanausbruumlche koumlnnen eine Abkuumlhlung bewirken wenn groszlige Mengen Asche in die Atmosphaumlre geschleudert werden und dort die Durchlaumlssigkeit der Sonnenein-strahlung verringern Letzteres war beispielsweise in den Jahren 1991-1993 der Fall die in Folge des Aus-bruchs des philippinischen Vulkans Pinatubo relativ kuumlhl waren33 Auch koumlnnen interne Wechselwirkungen und Ruumlckkopplungsmechanismen zwischen Atmosphaumlre und Ozeanen wie z B El-Nintildeo-Ereignisse das globale Klima uumlber mehrere Jahre hinweg beeinflussen Fazit Das Kli-ma der Erde ist ein aumluszligerst sensibles System welches in der Vergangenheit haumlufig schon auf kleine Aumlnderungen der solaren Einstrahlung empfindlich reagiert hat

Aus neuesten wissenschaftlichen Studien leitet sich eine bdquosehr hohe Sicherheitldquo ab (nach IPCC-Definition in mindestens neun von zehn Faumlllen) dass menschliche Ak-tivitaumlten seit Beginn der Industrialisierung groumlszligtenteils die Erhoumlhung der globalen Durchschnittstemperatur verursacht haben muumlssen Das internationale Wissen-schaftlergremium stuumltzt sich in seiner Aussage uumlber den Beitrag des Menschen an der globalen Klimaaumlnderung im Wesentlichen auf drei Pfeiler die menschgemachte Zunahme von Treibhausgasen die hohe Korrelation zwi-schen globaler Mitteltemperatur und der Kohlendioxid-konzentration in der Vergangenheit sowie Hochrech-nungen mit Klimamodellen34

Vor allem fuumlr die Erwaumlrmung in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts gilt mittlerweile der menschgemach-te Anstieg der Treibhausgasemissionen mit 90 bis 99- prozentiger Wahrscheinlichkeit als Hauptursache Die Menschheit setzt heute durch eine Vielzahl von Prozes-sen groszlige Mengen an Treibhausgasen frei und stellt so-mit selbst einen Klimafaktor im System dar Eine groszlige Bedeutung haben in diesem Zusammenhang insbeson-dere die Verbrennung fossiler Energietraumlger (Braun- und Steinkohle Erdoumll Erdgas) die groszligflaumlchige Aumlnderung der Landnutzung (z B Rodung von Waumlldern) landwirt-

Tabelle 1 Die wichtigsten anthropogenen Treibhausgase

33 Schoumlnwiese CD 200434 Graszligl H 1998

Ppmppb (parts per millionbillion = Teilchen pro MillionMilliarde Teilchen) Relative Maszligangabe die in der Klima-wissenschaft beispielsweise das Konzentrationsniveau von Treibhausgasen in der Atmosphaumlre beziffert Eine atmos-phaumlrische Konzentra tion von 387 ppm bedeutet dass das Volumen von 387 Teilchen CO2 im Volumen von einer Millionen Luftteilchen enthalten ist Quelle WMO 2008

Spurengas

Kohlendioxid (CO2)

Methan (CH4)

Distickstoff-oxid (N2O Lach gas)

Anthropogene Herkunft

Verbrennung fossiler Energietraumlger Waldrodungen und Bodenerosion Holzverbrennung

Reisanbau Viehhaltung Erdgaslecks Verbren-nung von Biomasse Muumllldeponien Nut-zung fossiler Energien

Verbrennen von Bio-masse und fossilen Ener gie traumlgern Duumlngemitteleinsatz

Derzeitige (und vorindustrielle) Konzentration

ca 387 (280) ppm

ca 1797 ppb (730 ppb)

319 3218 (270) ppb

Konzentrations-anstieg pro Jahr (Durchschnitt 1998-2008)

193 ppm

25 ppb

0788 ppb

Anteil am an-thropogenen Treibhauseffekt(seit 1750)

635

182

62

Treibhaus-potential pro Teilchen CO2 = 1

1

ca 23

ca 200-300

22

schaftliche Taumltigkeiten (v a Viehwirtschaft und Reis-anbau) und industrielle Prozesse sowie Verkehr Dieser menschliche Einfluss ist verantwortlich fuumlr den signifi-kanten Konzentrationsanstieg von Treibhausgasen in der Atmosphaumlre seit Beginn der Industrialisierung (siehe Tabelle 1) und die dadurch ausgeloumlste Verstaumlrkung des Treibhauseffektes Daher bezeichnet man den Anteil am gesamten Treibhauseffekt den der Mensch durch sein Handeln verursacht als menschgemachten oder anthro-pogenen Treibhauseffekt

Die drei Hauptverursacher des menschgemachten Treib-hauseffektes sind Kohlendioxid Methan und Distick-stoffoxid Das Treibhausgas CO2 ist dabei der Haupt-faktor menschlicher Treibhausgasemissionen und traumlgt mit ca 635 Prozent zum menschgemachten Anteil am Treibhauseffekt bei Der Beitrag von Methan (CH4) liegt bei etwa 182 Prozent (siehe Tabelle 1) Distickstoffoxid (N2O Lachgas) hat einen Anteil von 62 Prozent

Neben diesen Gasen gehoumlren auch industriell erzeugte Gase wie Fluorkohlenwasserstoffe (FKWs) zu den wich-tigsten anthropogenen Treibhausgasen Ozon (O3) wird nicht direkt ausgestoszligen sondern entfaltet seine Wirk-samkeit als Folgeprodukt u a bei der Verbrennung fos-siler Energietraumlger35

rarr Frage Ist nicht Wasserdampf statt CO2 das wich-tigste Treibhausgas

Wasserdampf ist das Treibhausgas mit der houmlchsten na-tuumlrlichen Konzentration in der Atmosphaumlre und mit rund zwei Dritteln am natuumlrlichen Treibhauseffekt beteiligt Riesige Mengen Wasserdampf verdunsten taumlglich aus den Ozeanen in die Atmosphaumlre kondensieren und fallen als Niederschlag wieder zu Boden Innerhalb von nur 10 Tagen wird dabei die gesamte Menge an Wasserdampf auf der Erde einmal ausgetauscht Beim anthropogenen Treibhauseffekt jedoch spielt Wasserdampf kaum eine Rolle Denn anders als es beim CO2 der Fall ist nimmt die Atmosphaumlre in Abhaumlngigkeit von ihrer Temperatur nur eine begrenzte Menge an Wasserdampf auf Der Mensch kann somit den Wasserdampfgehalt der Atmosphaumlre nicht direkt (auszliger durch den Flugverkehr) sondern houmlchstens indirekt durch die Veraumlnderung der Tempe-ratur bzw die erwaumlrmungsbedingte Veraumlnderung des Wasserkreislaufs beeinflussen Steigt die Temperatur steigt auch der Wasserdampfgehalt und es intensiviert sich der Wasserkreislauf Damit wirkt Wasserdampf als Verstaumlrker der globalen Erwaumlrmung und wird deshalb auch in allen Klimamodellen beruumlcksichtigt Allerdings verbleibt der Wasserdampf durch menschliche Aktivitauml-ten ausgeloumlst nur fuumlr kurze Zeit und in vergleichsweise geringen Mengen in der Atmosphaumlre Aus diesen Gruumln-den ist der Anteil von Wasserdampf am anthropogenen Treibhauseffekt vernachlaumlssigbar gering

Bohrungen im antarktischen Eis zeigen (siehe Abbildung 9) dass die CO2-Konzentration der Atmosphaumlre in den vergangenen 800000 Jahren nie uumlber 300 ppm lag36 Seit Beginn der Industrialisierung zum Ende des 19 Jahrhun-derts stieg sie jedoch um 38 Prozent an und betrug 2009 im Jahresmittel bereits 387 ppm Allein innerhalb der letzten Dekade (2000-2008) wuchs der atmosphaumlrische CO2-Anteil mit einer jaumlhrlichen Rate von etwa 19 ppm37

1990-1999 waren es noch durchschnittlich 15 ppm pro Jahr gewesen Die Methankonzentration steigerte sich sogar um 157 Prozent seit Ende des 19 Jahrhunderts38

Allerdings gibt es auch menschliche Handlungen mit ei-nem kuumlhlenden Effekt beispielsweise die industriellen Emissionen von Schwefeldioxid (SO2)39 Dieses reflek-tiert Sonnenlicht zuruumlck in den Weltraum und kann zu-dem die Bildung von Wolken ausloumlsen Beide Prozesse tragen dazu bei dass weniger Sonnenstrahlen die Erd-oberflaumlche erreichen Schwefeldioxid hilft also die Erde direkt oder durch Wolkenbildung indirekt zu kuumlhlen Ins-gesamt aber uumlberwiegt der Ausstoszlig erwaumlrmend wirken-der Treibhausgase deutlich (siehe Tabelle 2)

24 Belege fuumlr den menschlichen Einfluss auf das Klima

Wenn man bei der Simulation der Temperaturentwick-lung der letzten eineinhalb Jahrhunderte sowohl die natuumlrlichen als auch die menschgemachten Faktoren mit einbezieht laumlsst sich der tatsaumlchliche Temperaturver-lauf fuumlr viele Regionen der Erde sehr genau simulieren (siehe Abbildung 3 S10) Die Simulation der natuumlr lichen Entwicklung beschraumlnkt sich dabei auf die Faktoren bdquoVariation der Solarstrahlungrdquo bdquoVulkanausbruumlcherdquo und bdquoEl-Nintildeo-Ereignisserdquo Der menschliche Einfluss auf die Klimaentwicklung hingegen bezieht nur die Faktoren bdquoTreibhausgasemissionenrdquo und bdquoEmissionen von Sulfat-aerosolenrdquo mit ein

Bereits die Simulation der menschgemachten Faktoren wuumlrde eine plausible Erklaumlrung fuumlr den groumlszligten Teil der beobachteten Temperaturentwicklung liefern Die Inte-gration beider Faktorenbuumlndel hingegen stellt eine noch groumlszligere Annaumlherung an die in der Realitaumlt beobachtete Entwicklung dar Allerdings schlieszligt dies nicht prinzi-piell die Moumlglichkeit aus dass noch weitere Faktoren eine begrenzte Rolle fuumlr den Temperaturanstieg gespielt haben koumlnnten

rarr Frage Ist nicht die Aumlnderung der Sonnenstrahlung bedeutender als der menschliche Einfluss

Aumlnderungen der solaren Leuchtkraft sind auf unter-schiedlichen Zeitskalen ein wichtiger Grund von Klima-

35 WMO 2008 36 Luumlthi D et al 200837 Global Carbon Project 2009

38 IPCC 2007a39 IPCC 2001

23

aumlnderungen Relativ geringe Schwankungen der Sonnen-fleckenaktivitaumlt haben das Klima in der Erdgeschichte bedeutend mitgepraumlgt und geringfuumlgige Abschwaumlchun-gen der Strahlungsintensitaumlt wiederholt zu signifikanten Abkuumlhlungserscheinungen gefuumlhrt Als juumlngere Beispie-le des solaren Einflusses gelten die Kleine Eiszeit (1350 bis 1880 n Chr) sowie das Mittelalterliche Waumlrmeopti-mum (950 bis 1250 n Chr) Innerhalb des Zeitraums seit der Industrialisierung bis heute spielen Aumlnderungen der Sonnenstrahlung jedoch eine weniger bedeutende Rol-le Vor allem fuumlr die zweite Haumllfte des 20 Jahrhunderts ist der beobachtete Anstieg der globalen Durchschnitts-temperatur hauptsaumlchlich durch den menschgemachten Treibhausgasausstoszlig verursacht worden (siehe Abbil-dung 3 S10)

Die Betrachtung des Strahlungsantriebs unterschied-licher groszligraumlumig wirksamer Klimafaktoren (Tabelle 2) und die daraus berechneten Temperatursignale unter-stuumltzen die Hypothese dass der Mensch uumlber die Treib - hausgase einen deutlich groumlszligeren Einfluss auf die Tem-peraturveraumlnderung seit 1880 genommen hat als natuumlr-liche Faktoren Insgesamt sind das demnach ca 07 degC was in etwa dem beobachteten Anstieg von 08 degC im 20 Jahrhundert entspricht Die natuumlrlichen Klimasignale sind demgegenuumlber relativ klein und treten episodisch bzw fluktuativ auf haben also zu dem Langfristtrend der letzten 130 Jahre kaum beigetragen

Insgesamt ist die Antwort auf die Frage ob sich das Kli-ma aumlndert und ob der menschgemachte Treibhauseffekt in den letzten Jahrzehnten wesentlicher Antrieb dieser Veraumlnderung war nicht mehr wissenschaftlich umstrit-ten Diskutiert wird lediglich uumlber das genaue Ausmaszlig und die zu erwartenden Konsequenzen in verschiedenen Regionen

40 Die natuumlrlichen internen Schwankungen des Klimas sind das bdquoRauschenrdquo gegenuumlber dem sich Klimaaumlnderungen durch be-stimmte externe Anstoumlszlige ob durch natuumlrliche Ursachen oder den Menschen als bdquoSignalrdquo abheben Will man eine unge-woumlhnliche Klimaaumlnderung wie z B die Erwaumlrmung der letzten Jahrzehnte erklaumlren so muss man zunaumlchst untersuchen ob es sich dabei um ein Phaumlnomen handelt das sich signifikant von

dem natuumlrlichen bdquoRauschenrdquo des Klimas unterscheidet und nicht als natuumlrliche interne Variabilitaumlt erklaumlrt werden kann Falls das so ist muss man in einem zweiten Schritt versuchen die Ursache des bdquoSignalsrdquo herauszufinden also zu bestim-men ob es durch natuumlrliche oder anthropogene externe Antriebsfaktoren bedingt ist Vgl Schoumlnwiese CD 20048

(a) anthropogen Pinatubo-Ausbruch 1991 24 Wm2 1992 32 Wm2 1993 09 Wm2Quellen IPCC 2007a Schoumlnwiese CD 2004

Tabelle 2 Groszligraumlumig wirksame Klimafaktoren und die zugehoumlrigen Strahlungsantriebe und Temperatursignale (seit 1880)

Klimafaktor

Treibhausgase TR (a)

Sulfataerosol SU (a)

Kombiniert TR + SU (a)

Vulkaneruptionen

Sonnenaktivitaumlt

El NintildeoSouthern Oscillation

Strahlungsantrieb

207 bis 253 Wm2

-01 bis -09 Wm2

18 bis 243 Wm2

max -1 bis -3 Wm2

006 bis 03 Wm2

ndash

Signal40

09 bis 13 degC

-02 bis -04 degC

05 bis 07 degC

-01 bis -02 degC

01 bis 02 degC

02 bis 03 degC

Signalstruktur

Progressiver Trend

Uneinheitl Trend

Uneinheitl Trend

Episodisch (1-3 Jahre)

Fluktuativ (+ Trend)

Episodisch

24

Infolge der Erderwaumlrmung geraten immer mehr Eismassen in Arktis und Antarktis ins Schmelzen und rutschen ins Meer

Foto

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25

Neben den Ursachen und den bereits gegenwaumlrtig beo-bachteten Auswirkungen des Klimawandels sind insbe-sondere Aussagen uumlber das zukuumlnftige Klima von groszliger Wichtigkeit Die zentrale Frage dabei ist Wie veraumlndert sich das globale Klima infolge des weiteren Ausstoszliges von Treibhausgasen und mit welchen Auswirkungen fuumlr Mensch und Natur

Um abschaumltzen zu koumlnnen in welchem Ausmaszlig Treib - hausgasemissionen verringert und Anpassungs maszlig nah-men ergriffen werden sollen werden wissenschaftlich fundierte Aussagen uumlber die zukuumlnftigen Auswirkungen des Klimawandels benoumltigt Klimaforscher stellen hier-fuumlr sogenannte bdquoSzenarienldquo auf Sie legen also zunaumlchst unterschiedliche Grundannahmen uumlber die Entwicklung von Bevoumllkerung Technologien Wirtschaft etc fest und kommen dementsprechend zu einer Vielfalt moumlglicher bdquoZukunftsvorstellungenldquo die dann als bdquoProjektionenldquo bezeichnet werden Bei der Betrachtung dieser Projek-tionen ist zu beachten dass sie auf einer begrenzten Anzahl von Annahmen beruhen also Aussagen uumlber moumlgliche Zukunftstrends Sie koumlnnen demnach keine sicheren Prognosen liefern Trotz ihrer Einschraumlnkung bieten Szenarien jedoch eine gute Grundlage um Wenn-Dann-Entscheidungen zu treffen auch wenn gewisse Unsicherheiten verbleiben

3 Klimawandel der ZukunftTabelle 3 zeigt eine Uumlbersicht uumlber die zentralen Szenarien die die Grundlage der dritten und vier-ten Sachstandsberichte des IPCC waren Aus den Annahmen zu Aspekten wie oumlkonomischer und sozia-ler Entwicklung Bevoumllkerungswachstum Ausbreitung neuer Technologien etc ergibt sich dass die B-Szena-rien grundsaumltzlich einen geringeren Anstieg der CO2-Emissionen projizieren (siehe Abbildung 10) Wenngleich z B die Ausbreitung von klimafreundlichen Energietechnologien in dem fuumlr die Erreichung der opti-mistischen Szenarien notwendigen Ausmaszlig wahrschein-lich auf foumlrderliche politische Rahmenbedingungen an-gewiesen ist beziehen diese Szenarien nicht explizit po-litisch vereinbarte Klimaschutzziele wie die Umsetzung des Kyoto-Protokolls mit ein

Generell kommen alle Szenarien bei der Berechnung der Temperaturaumlnderungen bis etwa 2030 zu aumlhnlichen Ergebnissen und laufen erst danach deutlich auseinan-der Dieser Umstand ist vor allem darin begruumlndet dass sich technische Umbauprozesse des Energie- Verkehrs- und Gebaumludesystems weltweit uumlber Jahrzehnte hinzie-hen und die Atmosphaumlre ndash vor allem wegen der nur lang-samen Erwaumlrmung der Meere ndash auf die Treibhausgase um Jahrzehnte verzoumlgert reagiert41

Szenarien - familie

Leitgedanken Technologien wirtschaftliche Strukturen

Weltbevoumllkerung

A1 Konvergenz zwischen Regionen

Schnelles Wirtschafts wachs tum schnelle Einfuumlhrung effizienter Technologien (A1FI fossil-intensiv A1T nicht-fossil A1B gemischt)

Ab Mitte 21 Jh abnehmend

A2 Heterogene Welt Entwicklung aus eigener Kraft

Technologische Entwicklung und Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen langsam und regional stark unter-schiedlich

Kontinuierlich wachsend

B1 Konvergenz zwischen Regionen Fokus auf Nachhaltigkeit + Gerechtigkeit

Schneller Wandel in Richtung Dienstleistungs- und Informations-oumlkonomie abnehmende Material-intensitaumlt saubere + ressourcen-schonende Technologien

Ab Mitte 21 Jh abnehmend

B2 Heterogene Welt Fokus auf Nachhaltigkeit + Gerechtigkeit

Entwicklung relativ langsam und sehr heterogen

Wachsend (aber langsamer als in A2)

Tabelle 3 Die zugrundeliegenden Annahmen der Szenarien des IPCC

Quelle IPCC 2007a

41 IPCC 2007a

26

31 Veraumlnderungen der Klimaparameter

Die Ergebnisse der IPCC-Szenarienberechnungen zei-gen die Bandbreite der zu erwartenden Entwicklung fuumlr die wichtigsten Klimaparameter ndash Temperatur Niederschlaumlge und Wind ndash sowie den Meeresspiegel und Extremwetterereignisse Laumlngerfristig haumlngt die Veraumlnderung der Klimaparameter dabei sehr stark vom globalen Emissionsausstoszlig und hierbei insbe-sondere von der Entwicklung der weltweiten CO2-Emissionen ab Je groumlszliger die Emissionen und damit der Temperaturanstieg desto groumlszliger die Risiken Im folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der IPCC-Szenarienberechnungen zusammengefasst

n Anstieg der Treibhausgaskonzentration Die CO2- Konzentration wird nach verschiedenen Stabilisierungs-szenarien im Jahr 2100 zwischen 350 und 790 ppm betra-gen (vgl heute 387 ppm siehe Tabelle 1)42 Das Niveau am unteren Ende der Skala wird nur bei sehr drastischem Klimaschutz erreicht werden koumlnnen Um zwei Grad Temperaturanstieg nicht zu uumlberschreiten muumlssten die

globalen Emissionen bis 2050 global um mindestens 80 Prozent gegenuumlber 1990 sinken43 Neben den unter-schiedlichen Grundannahmen der Szenarien ruumlhrt die groszlige Bandbreite der Vorhersagen auch von der Un-sicherheit uumlber die Fortdauer der Senkenfunktion von Ozeanen und des tropischen Regenwaldes her

n Erhoumlhung der weltweiten Durchschnittstemperatur Bis zum Jahr 2100 wird eine Erhoumlhung der mittleren globalen Erdoberflaumlchentemperatur von 11 bis 64 degC gegenuumlber 1990 projiziert44 Diese Werte sind etwa zwei- bis neunmal houmlher als die beobachtete Erwaumlrmung waumlhrend des 20 und beginnenden 21 Jahrhunderts Betrachtet man die am besten gesicherten Schaumltzungen (bdquobest guessldquo) der jeweiligen Szenarien ergibt sich eine Spannbreite von etwa 18 bis 40 degC Der IPCC rechnet damit dass die Klimasensitivitaumlt ndash also der bei Verdop-pelung der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre erwar-tete Temperaturanstieg ndash etwa 3 degC betragen koumlnnte45

Allerdings sind hierbei nicht alle moumlglichen Ruumlckkopp-lungsprozesse beruumlcksichtigt die zum Teil schwer zu quantifizieren sind Einige Studien die auch langfristige Effekte wie die CO2-Aufnahmekapazitaumlt der Ozeane die Veraumlnderungen der Oberflaumlchenalbedo ndash der Anteil der

Die schwarze Linie in der linken Haumllfte des Diagramms zeigt die Messwerte bis zum Jahr 2000 Die drei oberen Linien stehen dabei fuumlr drei standardisierte Szenarien zum weiteren CO2-Ausstoszlig Besonders warm wuumlrde es demnach im A2-Szenario werden (rote Linie) Die orange Linie zeigt den Anstieg der Globaltemperatur selbst wenn alle Emissio-nen im Jahr 2000 gestoppt werden wuumlrden (durch die Traumlgheit des Systems) Die Balken repraumlsentieren die Spannwei-te der Resultate aller IPCC-Klimamodelle Quelle IPCC 2007a

Abb 10 Temperaturkurven der IPCC-Leitszenarien bis 2100

Tem

pera

turauml

nder

ung

(degC

)

60

50

40

30

20

10

00

-10

A2A1BB1Konzentrationsstabilisierung auf dem Niveau des Jahres 200020 Jahrhundert

1900 20002000

Jahr

2100

B1 A1T

B2 A1B

A2

A1F

I

42 IPCC 2007a 43 Meinshausen M et al 2006

44 IPCC 2007a45 IPCC 2007a

27

Sonnenstrahlung der reflektiert wird ndash oder die Veraumln-derung der Eisschilde beruumlcksichtigen halten jedoch auch eine Klimasensitivitaumlt von bis zu 6 degC fuumlr moumlglich46 Die IPCC-Szenarien koumlnnten folglich sogar die moumlg-lichen Erwaumlrmungseffekte unterschaumltzen

In jedem Fall wird die Erwaumlrmung nicht gleichmaumlszligig stattfinden sondern uumlber Landflaumlchen staumlrker ausge-praumlgt sein als uumlber den Ozeanen Auszligerdem ist davon auszugehen dass die Temperaturen in den hohen Brei-ten sowie in Gebirgsregionen vor allem im Winter uumlber-durchschnittlich ansteigen werden

n Intensivierung des hydrologischen Kreislaufs Bei weltweiter Betrachtung ist bis 2100 eine Steigerung der Niederschlagssummen um bis zu 20 Prozent zu erwarten da eine erwaumlrmte Atmosphaumlre auch mehr Wasserdampf aufnehmen kann Gerade beim Niederschlag wird je-doch ein stark raumlumlich differenziertes Bild projiziert Als Faustregel gilt dass in solchen Gebieten die be-reits eine ausreichende Niederschlagsmenge erhalten von einer deutlichen Steigerung auszugehen ist die mit staumlrkeren Schwankungen der Regenmengen zwischen den einzelnen Jahren einhergeht In Regionen die be-reits unter Wassermangel leiden wird hingegen eine Verschaumlrfung erwartet mit einzelnen auszligergewoumlhnlich starken Niederschlagsereignissen Folge des intensi-vierten hydrologischen Kreislaufs wird also insgesamt eine Aumlnderung der Haumlufigkeit Intensitaumlt und Dauer von Starkniederschlaumlgen sein (siehe auch 32)47

n Tropische Wirbelstuumlrme Obgleich Aussagen uumlber die zukuumlnftige Entwicklung tropischer Wirbelstuumlrme mit groszligen Unsicherheiten behaftet sind ist es wahrschein-lich dass zukuumlnftige tropische Wirbelstuumlrme in einer waumlrmeren Welt und in Verbindung mit dem Anstieg der Meeresoberflaumlchentemperaturen in den Tropen intensi-ver werden48

32 Zunahme von wetterbeding-ten Extremereignissen

Bei houmlheren Temperaturen erhoumlht sich auch das Risiko von Starkniederschlaumlgen und Uumlberschwemmungen da waumlrmere Luft mehr Wasser aufnehmen kann Weiter muss damit gerechnet werden dass sich vor allem in bereits trockenen Regionen die Wahrscheinlichkeit von mehr Hitzewellen Duumlrreperioden und Waldbraumlnden erhoumlhen wird Extremwetterereignisse wie z B die Hit-zewelle 2003 in Europa koumlnnten in der zweiten Haumllfte dieses Jahrhunderts schon in jedem zweiten Jahr in Eu-ropa auftreten Auch wird erwartet dass tropische Wir-belstuumlrme in der Karibik und in Suumldasien sowie heftige Winterstuumlrme uumlber Europa in Zukunft mehr Zerstoumlrun-gen anrichten werden49

33 Anstieg des MeeresspiegelsAussagen uumlber den Meeresspiegelanstieg der Zukunft sind mit groszligen Unsicherheiten behaftet Die Modell-projektionen des IPCC ergeben einen Meeresspiegelan-stieg bis zum Jahr 2100 um 18 bis 59 cm je nach Szena-rio und Modell Nicht enthalten ist darin allerdings die Gefahr eines Abrutschens des groumlnlaumlndischen Eisschilds oder des Eispanzers der Westantarktis Dadurch koumlnn-te der Meeresspiegelanstieg deutlich houmlher ausfallen Insbesondere neuere Daten lassen die Vermutung auf-kommen dass der Meeresspiegel schneller reagieren koumlnnte als noch 2007 in den Klimamodellen des IPCC aufgezeigt Seit Anfang der 1990er Jahre ist der Mee-resspiegel jaumlhrlich um 33 mm gestiegen knapp doppelt so schnell wie im Durchschnitt des 20 Jahrhunderts und vom IPCC vorhergesagt (19 mmJahr)50

Diese Ergebnisse zeigen dass die tatsaumlchliche Entwick-lung des Meeresspiegels mittlerweile die pessimistisch-sten Projektionen des IPCC von 2007 uumlbertrifft (siehe Abbildung 11) Im Kontext der signifikanten Beschleuni-gung des Anstiegs wird eines immer deutlicher Je houmlher die Temperaturen steigen umso schneller erhoumlht sich auch der Wasserpegel Vor diesem Hintergrund kommen neuere Studien die die Korrelation von Temperatur und Meeresspiegelanstieg im 20 Jahrhundert in die Zukunft projizieren und dabei sowohl die thermische Ausdeh-nung des Wasserkoumlrpers als auch die Dynamik der gro-szligen Eisschilde beruumlcksichtigen zu einer anderen Aussa-ge Selbst bei einem relativ niedrigen Emissionsszenario mit einer Erwaumlrmung um zwei Grad Celsius bis Ende des 21 Jahrhunderts wird der Meeresspiegel wahrscheinlich um mehr als einen Meter ansteigen Bei ungebremsten Emissionen und einem Temperaturanstieg von mehr als vier Grad Celsius gegen 2100 koumlnnte der Anstieg sogar mehr als 140 cm betragen Werden saumlmtliche Emissions-szenarien und die geschaumltzten Unsicherheiten beruumlck-sichtigt ergeben sich Werte zwischen 75 und 190 cm51 Bereits der Anstieg um einen Meter wuumlrde ndash ohne ent-sprechende Schutzmaszlignahmen ndash in Bangladesch und Vietnam ca 3 Millionen bzw 25 Millionen Hektar Land-flaumlche uumlberfluten In Bangladesch wuumlrden dadurch ca 15-20 Millionen Menschen vertrieben in Vietnam etwa 10 Millionen Menschen52

Der Meeresspiegelanstieg wird dabei an den Kuumlsten der Erde unterschiedlich ausfallen Erstens steigt der abso-lute Meeresspiegel nicht uumlberall gleich da ein regional unterschiedlicher Temperaturanstieg eng verknuumlpft mit Veraumlnderungen der Meeresstroumlmungen die Neigung der Meeresoberflaumlche beeinflusst Zweitens hebt oder senkt sich auch das Land an manchen Kuumlsten An den deutschen Nordseekuumlsten beispielsweise werden beide Effekte dazu beitragen dass der Meeresspiegel mehr als im globalen Mittel ansteigt Entscheidend ist allerdings

46 Hegerl CG et al 200647 IPCC 2007a48 IPCC 2007a

49 IPCC 2007a50 Beckley D et al 2007

51 Vermeer M und S Rahmstorf 200952 Conisbee M und A Simms 2003

28

Abb 11 Beobachteter Meeresspiegelanstieg seit 1975

auch dass der Anstieg nicht mit Erreichen des Jahres 2100 aufhoumlren wird selbst wenn wir den Anstieg der Erwaumlrmung bis dahin gestoppt haben sollten In diesem Zusammenhang erwartet der WBGU fuumlr ein moderates Erwaumlrmungsszenario einen Anstieg um ca 300-500 cm bis zum Jahr 230053

34 Kipp-Elemente des Klima-systems und ihre Folgen

Bisher wurden in dieser Publikation als Folge der Erwaumlr-mung vergleichsweise kontinuierliche und langsame Entwicklungen betrachtet auf deren Konsequenzen sich die betroffenen Staaten der Erde vergleichsweise ein-fach einstellen und dementsprechend reagieren und sich anpassen koumlnnen Allerdings belegen die Klimadaten der Erdgeschichte dass auf dem Planeten Erde nicht immer alles glatt und in geregelten Bahnen verlaumluft Das Klima-system der Erde ist ein komplexes nichtlineares System Bereits kleine Stoumlrungen koumlnnen ploumltzliche und tiefgrei-fende Auswirkungen haben selbst wenn die Triebkraumlfte des Klimawandels ndash menschverursachte Treibhausgase ndash gleichmaumlszligig und stetig ansteigen

Die menschliche Hochzivilisation der letzten 10000 Jahre entstand in einer Phase ungewoumlhnlicher Klimasta-

bilitaumlt Diese Stabilitaumlt war eine der grundlegenden Be-dingungen dafuumlr dass menschliche Hochkulturen ent-standen sind Ob sich die Menschheit in Zukunft weiter auf stabile Klimaverhaumlltnisse verlassen kann ist unge-wiss Denn innerhalb des Klimasystems gibt es Regime und Prozesse die besonders empfindlich auf Klimaveraumln-derungen reagieren Diese sogenannten Kipp-Elemente koumlnnten durch den Klimawandel derart gestoumlrt werden dass sie einen bestimmten Temperaturschwellenwert uumlberschreiten und in der Folge in einen grundlegend an-deren Zustand bdquokippenldquo Ein solches Umkippen koumlnnte bei einigen Kipp-Elementen schon bei einem Tempera-turanstieg von 2-3 degC gegenuumlber dem vorindustriellen Niveau eintreten54 Viele Wissenschaftler halten es da-her fuumlr notwendig den mittleren globalen Temperatur-anstieg auf unter zwei Grad gegenuumlber vorindustriellem Niveau zu begrenzen um einen in groszligem Maszligstab ge-faumlhrlichen Klimawandel zu vermeiden (siehe Info-Kasten 3 S 29)55 Dabei liegt die Temperatur heute um 08 degC uumlber dem vorindustriellen Niveau Weitere 06 bis 09 degC sind durch die verzoumlgerte Reaktion des Klimasystems auf bereits ausgestoszligene Treibhausgase vorprogram-miert Es ist also houmlchste Zeit eine Trendumkehr bei den Emissionen einzuleiten und den so genannten Peak der Emissionen herbeizufuumlhren

Mittlerweile liegt der beobachtete Meeresspiegelanstieg uumlber den IPCC-Projektionen Quelle WBGU 2006

SatellitenmessungenLinearer TrendIPCC-Szenarien

Unsicherheitsbereich der IPCC-Szenarien

Mee

ress

pieg

elan

stie

g (c

m)

1995 2000 2005

Jahr

5

4

3

2

1

0

53 WBGU 200654 Kriegler E et al 200955 WBGU 2007

29

Info-Kasten 3 Zwei Grad und nicht mehr

Die Klimaforschung ist sich einig dass der globale Temperaturmittelwert nicht um mehr als zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit steigen darf um einen gefaumlhrlichen Klimawandel zu verhin-dern Diese Zwei-Grad-Leitplanke laumlsst sich auf viel-faumlltige Weise wissenschaftlich untermauern

Waumlhrend der gesamten Entwicklungsgeschichte des modernen Menschen und der Entstehung von Hochkulturen haben zu keinem Zeitpunkt auf glo-baler Ebene houmlhere Temperaturen geherrscht als vorindustrielles Niveau plus zwei Grad Sollten die Temperaturen nun uumlber zwei Grad hinaus anstei-gen so wird es fuumlr den uumlberwiegenden Teil der Weltgemeinschaft aufgrund seiner landwirtschaft-lichen und infrastrukturellen Abhaumlngigkeiten sehr schwierig bis unmoumlglich mit der dann drohenden Beschleunigung des Klimawandels Schritt zu halten

Zusaumltzlich nimmt die Gefahr selbstverstaumlrkender Ruumlckkopplungen und das Risiko des Umkippens von Kipp-Elementen im Klimasystem ab einem Temperaturanstieg uumlber zwei Grad deutlich zu

Auch aus der Analyse geowissenschaftlicher Daten ergibt sich ein sofortiger Handlungsdruck zur Stabilisierung der globalen Temperatur auf unter zwei Grad Eine um drei Grad waumlrmere Erde mit einer at-mosphaumlrischen CO2-Konzentration von uumlber 400ppm gab es zuletzt vor rund drei Millionen Jahren waumlh-rend des Pliozaumlns Damals war die Nordhemisphaumlre nahezu eisfrei und der Meeresspiegel mindestens sieben Meter houmlher als heute Fuumlnf Grad waumlrmere Temperaturen 800ppm CO2 in der Atmosphaumlre und einen 70 Meter houmlheren Meeresspiegel als heute ndash das gab es vor rund 40 Millionen Jahren Sollte es der Weltgemeinschaft nicht gelingen den CO2-Gehalt in der Atmosphaumlre auf unter 450ppm und die Temperatur auf unter zwei Grad zu stabilisieren so droht der Erde langfristig ein Klimaregime wie vor etwa drei Millionen im schlimmsten Fall sogar wie vor etwa 40 Millionen Jahren Viele der heuti-gen Kuumlstenzonen waumlren dann uumlberschwemmt die kontinentalen Gletscher und polaren Eisschilde ver-schwunden fruchtbare Boumlden ausgetrocknet und mehrere Milliarden Menschen auf der Flucht vor extremen Wettereignissen

Die Wahrscheinlichkeit die Zwei-Grad-Leitplanke zu verfehlen steigt mit der Houmlhe der atmosphaumlrischen CO2-Konzentration Um einen gefaumlhrlichen und in vielerlei Hinsicht unbeherrschbaren Klimawandel zu vermeiden muumlssten die globalen Emissionen inner-halb der naumlchsten 4-10 Jahre zu ihrem Houmlhepunkt gelangen und anschlieszligend weltweit um 80 Prozent bis 2050 gesenkt werden

Jedoch bedeutet das Einhalten der Zwei-Grad-Leit-planke nicht fuumlr alle Laumlnder und Oumlkosysteme eine sichere Welt Daher fordern die verletzlichsten Staaten eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 15 Grad (siehe auch Kapitel zu Klimapolitik S 51ff)

Die Karte der Kipp-Elemente (Seite 30) verleiht einen Uumlberblick uumlber Groszligrisiken deren Eintritts-wahrscheinlichkeit jenseits eines bestimmten Tem-peraturanstiegs ndash des jeweiligen Kipp-Punkts ndash deut-lich erhoumlht wird (siehe Abbildung 12)56 Wuumlrden diese Schwellenwerte uumlberschritten koumlnnten ab-rupte starke und unwiderrufliche Veraumlnderungen einsetzen die durch ihre direkten sowie indirek-ten Folgen regional und auch global unzumutbare Schaumlden fuumlr Mensch und Natur erwarten lieszligen Diese Abschaumltzung betrifft u a die negativen Auswirkun-gen fuumlr Oumlkosysteme die Nahrungsmittelproduktion und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung Es koumlnnte sogar ein galoppierender Treibhauseffekt ausgeloumlst werden wenn sich diese Effekte durch ihre Wechselwirkungen gegenseitig aufschaukeln

Dabei gibt es auch Wechselwirkungen die das Tem-po des Klimawandels abbremsen koumlnnten Groszlige Unsicherheiten herrschen z B bei der Abschaumltzung der Rolle von Wolken Bisher sieht es allerdings so aus als sei die Wahrscheinlichkeit fuumlr positive (d h verstaumlrkende hier waumlrmende) Ruumlckkopplungen deutlich groumlszliger als die fuumlr negative Ruumlckkopplungen Einige ausgewaumlhlte Kipp-Elemente und ihre Konse-quenzen werden im Folgenden naumlher erlaumlutert

56 Schellnhuber HJ und C Jaumlger 2006

30

n Kollaps des groumlnlaumlndischen Eisschilds

Noch in seinem letzten Bericht vermutete der IPCC einen sehr langsamen und uumlber tausend Jahre waumlhren-den Schmelzprozess auf Groumlnland als Reaktion auf den weltweiten Temperaturanstieg der vergangenen 130 Jahre Allerdings wurde diese Einschaumltzung nun wider-legt Das Gleichgewicht zwischen Schneeakkumulation (Niederschlaumlge) und Schneeablation (Schmelzen an der Ober- und Unterseite Abfluss ins Meer) scheint auf Groumlnland vor allem innerhalb der letzten Jahrzehnte dramatisch aus der Balance gebracht worden zu sein (siehe Kapitel 2) Zwar ist der Verlust immer noch ge-ring im Verhaumlltnis zur Gesamtmasse doch sollten sich die aktuellen Schmelzprozesse fortsetzen koumlnnte auf Groumlnland der bdquoKipp-Punktldquo erreicht werden jenseits dessen der Abschmelzprozess explosiv schnell ablaumluft Modellrechnungen haben ergeben dass schon bei ei-nem lokalen Temperaturanstieg von etwa 2-4 Grad (ent-spricht etwa 1-2 Grad global) fuumlr Groumlnland der Punkt uumlberschritten werden koumlnnte ab dem ein womoumlglich stark beschleunigt ablaufender Schmelzprozess des

groumlnlaumlndischen Eispanzers ausgeloumlst werden koumlnnte57 Dieser Vorgang waumlre irreversibel da der wegfallende Albedo-Effekt die Aufheizung der Atmosphaumlre massiv verstaumlrken und die Erholung des Eisschildes nur uumlber sehr lange Zeitraumlume erfolgen koumlnnte Der Abschmelzprozess wuumlrde sich dann vermutlich uumlber mehrere Jahrhunderte (300-1000 Jahre) hinziehen und insgesamt zu einem globalen Anstieg des Meeresspiegels von sieben Metern fuumlhren58 Flache Inseln wie die Malediven verschwaumln-den dann voumlllig Kuumlstenregionen wie etwa die groszligen Flussdeltas des Nil oder des Ganges in denen ein Groszligteil der jeweiligen Landesbevoumllkerung lebt muumlss-ten aufgegeben werden ganze Landstriche waumlren dem sicheren Untergang geweiht

n Kollaps des Amazonas-Regenwaldes

Das moumlgliche Umkippen des Amazonas-Regenwaldes in eine Savannenvegetation ist ein weiteres Groszligrisiko im Klimasystem Dadurch koumlnnte die Region die bis-lang viel CO2 bindet ploumltzlich in enormem Ausmaszlig das Treibhausgas freisetzen Dabei verstaumlrken sich drei

Abschmelzen des groumlnlaumlndischen Eisschilds aufgrund nichtlinearer Abschmelzprozesse und weitere Erwaumlrmung durch Albedo-Effekt

Kollaps des arktischen Meereises und Verschaumlrfung der Erwaumlrmung durch Albedo-Effekt Methanfreisetzung durch

Auftauen des sibirischen Permafrostbodens und weitere Erwaumlrmung

Kollaps der borealen Nadelwaumllder und weitere Erwaumlrmung durch Freisetzung von CO2

Bistabilitaumlt des Indischen Sommermonsuns Abschwaumlchung aufgrund von Luftverschmutzung oder Verstaumlrkung durch globale Erwaumlrmung

Kipp-Punkt vor allem von Albedo abhaumlngig nicht von Temperatur

Unterbrechung der arktischen Nahrungskette und massives Korallen-sterben im Pazifik durch Versauerung und Erwaumlrmung

Bistabilitaumlt der Sahel-Zone zuerst Ergruumlnung dann deutlich trockener

Verlangsamung des Nordatlantikstroms aufgrund von erhoumlhtem Schmelzwassereintrag

Abschmelzen des west-antarktischen Eisschilds aufgrund nichtlinearer Abschmelzprozesse

HeftigereEl-Nintildeo-Ereignisse

Kollaps des Amazonas-Regen-walds aufgrund von Land-nutzung und Klimawandel und weitere Erwaumlrmung durch Umkehr der Senkenfunktion

El-Nintildeo

Westantarktis

Sahel-Zone

Nordatlantikstrom

Amazonas-Regenwald

Indischer Sommermonsun

ArktisGroumlnland Permafrost

Nordische Waumllder

Meere

0 degC 1 degC 2 degC 3 degC 4 degC 5 degC 6 degC

Kipp-Elemente gelten als die Achillesfersen des Klimasystems Sollten sie umkippen droht ein gefaumlhrlicher Klima-wandel Quelle Eigene Darstellung nach Lenton T et al 2008

Abb 12 Kipp-Elemente mit Temperaturschwellen (gegenuumlber 1880) die in diesem Jahrhundert angestoszligen werden koumlnnten

57 Kriegler E et al (2009)58 Polyakov I et al 2002

31

Faktoren wechselseitig 1 die Austrocknung durch einen uumlberproportionalen Temperaturanstieg 2 menschliche Aktivitaumlten wie Landnutzungswandel und Abholzung sowie 3 ein eventuelles zukuumlnftiges Ausbleiben des natuumlrlichen Naumlhrstofftransports durch Sandstuumlrme aus der afrikanischen Sahelzone nach Brasilien Viele Beobachter fragen sich seit der extremen Trockenheit im Amazonasgebiet im Jahr 2004 besorgt ob dies erste Vorzeichen eines solchen Prozesses sein koumlnnten So kommt eine Studie amerikanischer Wissenschaftler zu dem Ergebnis dass nach mehr als zwei Jahren extremer Trockenheit viele Baumlume so stark angegriffen sind dass sie beginnen abzusterben59

Ein Umkippen des Amazonas-Regenwaldes haumltte dras-tische Konsequenzen fuumlr die Artenvielfalt sowie die Lebens situation vieler Millionen Menschen in Suumldame-rika und wuumlrde zudem den globalen Treibhauseffekt durch den Ausstoszlig groszliger Mengen an CO2 weiter an-heizen

Der Amazonas-Regenwald ist nur ein Beispiel fuumlr Oumlkosysteme die vom Klimawandel betroffen sind Die Erwaumlrmung die Verschiebung der Klimazonen sowie der zusaumltzliche Stress durch menschliche Aktivitaumlt gefaumlhr-den zahlreiche Systeme und Arten (siehe auch Kapitel 41)

n Bistabilitaumlt des Indischen Monsuns

In den vergangenen zwei Jahren wird auch verstaumlrkt diskutiert wie sich der Indische Monsun durch den Kli-mawandel veraumlndern koumlnnte In fruumlheren Jahren brach-te er in jedem Jahr relativ verlaumlssliche Niederschlaumlge doch dieser Rhythmus scheint zunehmend an Kontinui-taumlt zu verlieren Ungewoumlhnliche Schwankungen haben in den letzten 30 Jahren in ganz Indien immer wieder zu katastrophalen Hungersnoumlten und verheerenden Uumlber-schwemmungen gefuumlhrt

Mittlerweile werden durch das Zusammenspiel von Kli-mawandel und Abstrahlungsveraumlnderungen (Verhaumlltnis von einfallender Strahlung und Abstrahlung = Albedo) aufgrund von Landnutzungsaumlnderungen und vor allem Luftverschmutzung sowohl eine starke Abschwaumlchung wie auch eine Verstaumlrkung der Niederschlaumlge bzw sogar ein Aufeinanderfolgen dieser Prozesse im Sinne eines Achterbahn-Szenarios fuumlr moumlglich gehalten60 Der Be-griff Bistabilitaumlt bezeichnet in diesem Fall die Situation dass das Indische Monsunsystem an bestimmten Ver-zweigungspunkten zwei sehr gegensaumltzliche Zustaumlnde einnehmen koumlnnte Einer fuumlhrt zu uumlbermaumlszligig starken Niederschlaumlgen der andere zu extremer Trockenheit Bereits heute weiszlig man dass schon eine vergleichs-weise geringe Abweichung von zehn Prozent vom durchschnittlichen Monsunniederschlag schwerwiegen-

de Duumlr ren oder Uumlberschwemmungen ausloumlsen kann Ein schwacher Sommermonsun z B kann zu Ernteeinbruuml-chen Nahrungsmittelknappheit Hunger Verschuldung und Armut der laumlndlichen Bevoumllkerung fuumlhren die zwei Drittel der 13 Mrd Bewohner Indiens ausmacht

n Bistabile Entwicklung in der Sahelzone

Eine bistabile Entwicklung wie fuumlr den Indischen Som-mermonsun wird auch fuumlr die Sahelzone fuumlr moumlglich gehalten Bis zur Mitte des 20 Jahrhunderts erlitt nur etwa ein Viertel des Gebiets ernsthafte Duumlrren Zwi-schen 1970 und 1999 gab es dann eine 20-prozentige Abnahme der Niederschlagsmenge so dass schon die Haumllfte der Region von ernsthaften Duumlrren betroffen war Mittlerweile wird ein enger Zusammenhang zwi-schen dem Niederschlagsruumlckgang und der deutlichen Temperaturerhoumlhung im Indischen Ozean die auf den menschgemachten Treibhauseffekt zuruumlckgefuumlhrt wird gesehen61 Dieser hat zu Veraumlnderungen beim Indischen Monsun gefuumlhrt der die Niederschlagsverhaumlltnisse in Afrika entscheidend beeinflusst Bei einer globalen Er-waumlrmung um 25 degC in den naumlchsten Jahrzehnten wird noch innerhalb dieses Jahrhunderts mit einer Veraumlnde-rung der Niederschlagsbedingungen in Richtung deut-lich haumlufigerer und staumlrkerer Niederschlaumlge in der Sa-helzone gerechnet62 Ein Modell das die Vergangenheit besser als die meisten anderen Modelle abbildet geht allerdings davon aus dass ab einem Verzweigungspunkt Mitte des Jahrhunderts wieder deutlich trockenere Klim-abedingungen folgen koumlnnten noch deutlich regen - aumlrmer als zur Zeit der groszligen Sahel-Duumlrre vor einigen Jahrzehnten

59 Mongabay 200660 Zickfeld et al 2005

61 Flannery 200662 Nyong 2006

32

Uumlberschwemmungen in Folge von schweren Unwettern zerstoumlren immer wieder das Hab und Gut von Millionen armer Menschen weltshyweit Sie sind diesen Gefahren haumlufig schutzlos ausgeliefert

Foto

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33

Die Auswirkungen des Klimawandels werden regional unterschiedlich ausfallen Obwohl die Industrielaumlnder gegenwaumlrtig fuumlr den groumlszligten Anteil der Erderwaumlrmung verantwortlich sind sind es die Aumlrmsten der Welt die die Auswirkungen des Klimawandels schon heute als erstes und am staumlrksten spuumlren und kuumlnftig noch drastischer darunter leiden werden Waumlhrend der Energieverbrauch in den Industrie- und Schwellen-laumlndern auf hohem Niveau verharrt bzw ansteigt haben rund 15 Milliarden Menschen bzw 22 Prozent der Weltbevoumllkerung keinen Zugang zu elektrischem Strom63 Stattdessen lei den sie schon heute erheb-lich unter Duumlrren Uumlber schwemmungen heftigeren Stuumlrmen und Trink was ser verknappung denn die Klima-wandelfolgen sind in aumlqua torialen Regionen wo viele Entwicklungslaumlnder liegen staumlrker Da sie zudem nur sehr begrenzte Kapazitaumlten haben um sich an diese klimatischen Veraumlnderungen anzupassen trifft sie der Klimawandel um ein Vielfaches staumlrker als die Industrienationen So koumlnnen sich die Niederlande bei-spielsweise bis zu einem gewissen Grad an den Anstieg des Meeresspiegels anpassen in Bangladesch sind hierzu jedoch die noumltigen finanziellen und technologi-schen Mittel wesentlichen knapper Dieses umgekehr-te Verhaumlltnis von Verantwortung fuumlr den Klimawandel und Gefaumlhrdung durch dessen Folgen wirft vieler-lei Fragen im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte auf

Im Folgenden soll zunaumlchst auf die Leidtragenden und die erwarteten Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Umwelt eingegangen werden um dann genauer die Verursacher des Klimawandels aufzuzeigen

41 Die Betroffenen des Klima-wandels Umwelt und Mensch

Welche Auswirkungen haben die in Kapitel 3 genann-ten Szenarien nun auf Mensch und Natur Wer sind die Betroffenen des Klimawandels Zu dieser Frage hat die Klimawissenschaft in juumlngster Zeit die meisten Erkenntnisse gesammelt

Unter der Annahme dass Klimaaumlnderungen in Zukunft nicht gemildert und die Anpassungsfaumlhigkeit durch engagierte Maszlignahmen nicht gefoumlrdert werden er-wartet der IPCC fuumlr das 21 Jahrhundert weitreichen-de Auswirkungen fuumlr verschiedene Erdsysteme und Sektoren die fuumlr Mensch und Umwelt relevant sind Einige Systeme Sektoren und Regionen werden beson-ders betroffen sein Eine Auswahl der wesentlichsten

Erkenntnisse des IPCC uumlber die erwarteten Auswirkun-gen auf Oumlkosysteme Ernaumlhrungs- und Wassersicherheit Gesundheit Wirtschaft und Sicherheit sowie die jewei-lige regionale Betroffenheit aufgrund eines zukuumlnftigen Klimawandels bis 2100 wird im Folgenden dargestellt (siehe Abbildung 13)64

n Oumlkosysteme

Viele Oumlkosysteme sind durch menschliche Einfluumlsse z B Landnutzungsaumlnderungen Verschmutzung und Uumlbernutzung natuumlrlicher Ressourcen ohnehin schon stark gestoumlrt (siehe auch Kapitel 22) Durch die bisher einmalige Kombination dieser Stressfaktoren mit Klima-veraumlnderungen ist eine Verschaumlrfung der Situation und somit eine Uumlberlastung zahlreicher Oumlkosysteme noch in diesem Jahrhundert wahrscheinlich Die Auswirkungen auf die Organismen der Oumlkosysteme sowie deren Re-aktionen werden allerdings unterschiedlich sein Einige Pflanzen und Tiere werden sich auf veraumlnderte Lebens-bedingungen einstellen koumlnnen Fuumlr viele Lebensge-meinschaften jedoch laufen die Veraumlnderungen durch den Klimawandel zu schnell ab um sich beispielsweise durch Abwanderung in Richtung der Pole oder in houmlhere Lagen anzupassen so dass in Zukunft bestehende Syste-me zergliedert Arten getrennt und Funktionsketten un-terbrochen werden Als besonders stark bedroht gelten polare und alpine Oumlkosysteme boreale und tropische Waumllder Korallen sowie Mangrovenwaumllder

Eine Temperaturerhoumlhung um 2 bis 3 degC uumlber dem vor-industriellen Niveau wird die Anpassungsfaumlhigkeit vieler Oumlkosysteme uumlbersteigen und zu gravierenden Veraumlnde-rungen in Struktur und Funktionsweise oumlkologischer Le-bensgemeinschaften sowie der oumlkologischen Interaktio-nen und geographischen Verbreitung von Arten fuumlhren Im Durchschnitt koumlnnten zukuumlnftig 20 bis 30 Prozent der houmlheren Pflanzen- und Tierarten dem Tempo der Veraumln-derungen nicht folgen und waumlren von einem erhoumlhten Aussterberisiko bedroht In manchen Regionen wird das Risiko sogar auf 80 Prozent eingeschaumltzt65 Viele ende-mische Arten koumlnnten verdraumlngt bzw vom Aussterben bedroht werden Andere aus anderen Regionen einwan-dernde Arten koumlnnten sich unter den veraumlnderten Be-dingungen staumlrker ausbreiten

Insbesondere die fortschreitende Versauerung der Oze-ane koumlnnte in Verbindung mit der Erwaumlrmung erheb-liche Negativfolgen fuumlr viele marine schalenbildende Lebewesen (vor allem Korallen) aber auch Salzmarschen und Mangroven und die von ihnen abhaumlngigen Tier- und Pflanzenarten haben Sollten die Meerestemperatu-

4 bdquoOpferldquo des Klimawandels

63 IEA 200964 Sofern nicht anders gekennzeichnet sind alle hier dargstellten Ergebnisse dem 4 IPCC-Bericht bdquoKlimaaumlnderungen 2007

Auswir kungen Anpassung Verwundbarkeitenldquo entnommen65 IPCC 2007b

34

ren zwischen 1 und 3 degC ansteigen und gleichzeitig die Versauerung der Ozeane zunehmen erwartet der IPCC eine weitreichende Korallenbleiche und groszligraumlumiges Absterben Ab 3 degC droht ein 30-prozentiger Verlust der weltweiten Kuumlstenfeuchtgebiete66

n Wasserknappheit und ungesicherte Was-serversorgung

Derzeitig haben rund 12 Mrd Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser Diese Situation wird sich durch die Effekte des Klimawandels verschlimmern Mit hoher

Wahrscheinlichkeit werden sich der mittlere Jahresab-fluss und die Wasserverfuumlgbarkeit in den hohen Breiten sowie in einigen tropischen Feuchtgebieten um 10-40 Prozent bis zum Ende des Jahrhunderts erhoumlhen In den mittleren Breiten und trockenen Tropen wo Wasser-mangel schon heute ein groszliges Problem darstellt wird sich die Lage dagegen voraussichtlich noch verschlech-tern Hier werden sich steigende Temperaturen dras-tisch auf die Niederschlagsverhaumlltnisse auswirken und in einer signifikanten Abnahme von Abfluss und Wasser-verfuumlgbarkeit um bis zu 30 Prozent kumulieren was in vielen Regionen zu akuter Wasserknappheit fuumlhren wird Schon bei einem Temperaturanstieg von unter 2 degC ist

Mit steigender Temperatur erhoumlhen sich auch die Risiken fuumlr Mensch und UmweltQuelle WBGU 2007 nach Stern 2006

Abb 13 Erwartete Auswirkungen des Klimawandels auf Oumlkosysteme Wasser- und Ernaumlh-rungssicherheit Gesundheit und Wirtschaft bei unterschiedlicher Erwaumlrmung (im Vgl zu 1880)

Nahrungsmittel

Wasser

Oumlkosysteme

Wetterextreme

Risiko eines schnellenKlimawandels und groszligerirreversiblen Auswirkungen

Endguumlltige Temperaturaumlnderung (im Vergleich zum vorindustriellen Niveau)0 degC 1 degC 2 degC 3 degC 4 degC 5 degC

Kleine Berggletscherverschwinden weltweit ndashpotenzielle Bedrohung derWasserversorgung in mehrerenRegionen

Erhebliche Aumlnderungen der Wasserverfuumlgbarkeit

Uumlber 30 Abnahme desOberflaumlchenabflusses in der Mittelmeerregion und imsuumldlichen Afrika

Meeresspiegelanstieg bedrohtgroszlige Staumldte wie London ShanghaiNew York Tokio oder Hong Kong

Korallenriffoumlkosystemeweitgehend und schlieszliglichirreversibel geschaumldigt

Moumlglicher Beginn desZusammenbruchs von Teilenoder des ganzen Amazonas-Regenwaldes

Groszliger Anteil von Oumlkosystemen die ihre derzeitige Gestalt nicht bewahren koumlnnen

Viele Arten vomAussterben bedroht

Steigende Intensitaumlt von Stuumlrmen Waldbraumlnden Duumlrren Uumlberflutungen und Hitzewellen

Bereits geringe Zunahme derHurrikanintensitaumlten verursacht Verdopplung der Schadenskosten in den USA

Gefahr einer Schwaumlchung der natuumlrlichen Kohlenstoffsenken und der atlantischenthermohalinen Zirkulation moumlgliche Zunahme der Freisetzung natuumlrlichen Methans

Beginn irreversiblen Schmelzensdes Groumlnland-Eisschilds

Erhoumlhtes Risiko von abrupten groszligen Verschiebungenim Klimasystem (zB Zusammenbruch der atlantischen thermo-halinen Zirkulation oder des westantarktischen Eisschilds)

Schwerwiegen-de Auswirkungenin der Sahel-Region

Steig Ernteertraumlge in entwickeltenLaumlndern in hohen Breitengradenbei starkem CO2-Duumlngeeffekt

Ruumlckgang der Ertraumlge in vielen entwickeltenRegionen selbst bei starkem CO2-Duumlngeeffekt

Sinkende Ernteertraumlge in vielen Entwicklungsregionen

Steigende Zahl der von Hungerbedrohten Menschen Staumlrkste Zunahmein Afrika und Westasien

Starker Ruumlckgang der Ernteertraumlgein ganzen Regionen (zB bis zu einem Drittel in Afrika)

66 IPCC 2007b

35

davon auszugehen dass bis zu 15 Milliarden Menschen zusaumltzlich von Wasserknappheit betroffen waumlren Zwar sind Verbesserungen hinsichtlich Wasserverbrauchs- und Speicherungstechniken zu erwarten dennoch wird der Klimawandel einen starken Einfluss auf die Wasser-verfuumlgbarkeit und -qualitaumlt haben Besonders bedroht sind Regionen die vom Schmelzwasser groszliger Gletscher abhaumlngig sind und in denen bis zum Ende des Jahrhun-derts mit einer deutlichen Abnahme der in der Eisdecke gespeicherten Wasserreserven gerechnet wird (z B Indien Pakistan Peru) In diesem Zusammenhang gilt eine flaumlchenmaumlszligige Ausweitung von Gebieten die von Trockenheit und Duumlrre betroffen werden in Zukunft als wahrscheinlich Auch prognostiziert der IPCC eine Zu-nahme schwerer Niederschlagsereignisse infolge derer sich auch das Uumlberschwemmungsrisiko vieler Regionen erheblich erhoumlhen wird

n Agrarproduktion und Ernaumlhrungssicherung

Gegenwaumlrtig gelten fast 900 Millionen Menschen als unterernaumlhrt Das Klima ist fuumlr die Nahrungsmittelpro-duktion neben anderen ein wesentlicher Faktor Sowohl die Temperatur aber auch der CO2-Gehalt der Luft be-einflussen die landwirtschaftlichen Ernteertraumlge Die Reaktion landwirtschaftlicher Systeme insgesamt auf Klimaveraumlnderungen wird u a bestimmt durch Tempe-ratur Niederschlag CO2-Duumlngeeffekt und soziooumlkono-mische Rahmenbedingungen wie Marktzugang Techno-logie oder die Verfuumlgbarkeit von Ressourcen die fuumlr die Anpassung notwendig sind67

In den mittleren bis hohen Breiten wird bis zu einem Anstieg der globalen Temperatur auf 3 degC ndash je nach Nutz-pflanzenart ndash eine leichte Zunahme der Ernteertraumlge jedoch ohne Steigerung der Qualitaumlt projiziert ab die-ser Temperaturschwelle jedoch eine Abnahme

In den niederen Breiten und insbesondere in saisonal trockenen Tropengebieten wird selbst bei geringer Er-waumlrmung mit einer Abnahme der Ernteertraumlge gerech-net Verschaumlrfen koumlnnte sich die Situation noch durch eine ebenfalls erwartete Zunahme von wetterbedingten Extremereignissen wie bspw Duumlrren und Uumlberschwem-mungen Ein erhoumlhtes Hungerrisiko waumlre die Folge

Der Klimawandel birgt vielerorts auszligerdem Risiken fuumlr die landwirtschaftliche Produktion die zwar nicht der Ernaumlhrungssicherung im eigenen Land dient aber fuumlr den Export bestimmt ist und damit eine wichtige Einnah-mequelle darstellt Beispielsweise ist bei einem Tempe-raturanstieg von 2 degC zu befuumlrchten dass in Uganda nur noch auf einem sehr kleinen Teil der Landesflaumlche der Anbau von Kaffee ndash Exportgut Nummer eins ndash moumlglich sein wird68

n Gesundheit

Durch den Klimawandel drohen nicht nur steigende Meeresspiegel oder abnehmende Getreideertraumlge houml-here Temperaturen erhoumlhen auch gesundheitliche Risi-ken Zwar koumlnnte eine gewisse Erwaumlrmung vor allem in Gebieten der gemaumlszligigten Breiten einige Vorteile fuumlr die Gesundheit mit sich bringen wie z B einen Ruumlckgang der Kaumlltetodesfaumllle waumlhrend der Wintermonate Insge-samt wird jedoch im Zuge des Klimawandels mit einer erheblichen Beeintraumlchtigung des Gesundheitszustands von Millionen von Menschen gerechnet Besonders be-troffen sind Personen die bereits gesundheitlich vorbe-lastet sind (Alte Kinder u a auch in Industrielaumlndern) und sich nur schwer vor Krankheiten schuumltzen koumlnnen (vor allem Arme und Hungernde in den Entwicklungslaumln-dern) Klimaveraumlnderungen koumlnnen dabei das Risiko fuumlr die Gesundheit auf direkte und indirekte Weise beein-flussen Extremwetterereignisse werden direkt zu einer Zunahme von Todesfaumlllen Krankheiten und Verletzun-gen durch Hitzewellen Uumlberschwemmungen Stuumlrme und Duumlrren auch in Industrielaumlndern fuumlhren

Noch viel bedeutender als die direkten Einfluumlsse sind jedoch die indirekten Auswirkungen Bei einer weiteren Erwaumlrmung koumlnnten sich viele ndash teilweise toumldlich ver-laufende ndash Infektionskrankheiten wie Malaria Dengue-fieber oder auch Uumlbertraumlger anderer Infektionen weiter verbreiten als bisher Hitze und Trockenheit aber auch Stuumlrme und Fluten fuumlhrten zu Ernteverlusten die Man-gelernaumlhrung zu einem noch groumlszligeren Problem werden lieszligen

n Wirtschaft

Auch wenn Aussagen uumlber die Abschaumltzung der Folge-kosten eines ungebremsten Klimawandels mit groszligen Unsicherheiten behaftet sind so schaumltzt das Deutsche Institut fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) dennoch dass bis Mitte des Jahrhunderts ohne ernsthaften Klima-schutz Schaumlden in Houmlhe von 200 Billionen US-Dollar zu erwarten sind69 Auch der 2006 erschienene britische Stern-Report zur Oumlkonomie des Klimawandels kommt zu einem aumlhnlichen Ergebnis Bei Tatenlosigkeit koumlnn-ten die Schaumlden des Klimawandels infolge von Stuumlrmen Uumlberschwemmungen Hitzewellen und Duumlrren zwischen 5 und 20 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts kosten und die Weltgemeinschaft in eine tiefgreifende Rezession stuumlrzen Industrielaumlnder waumlren dann eben-so betroffen wie Entwicklungslaumlnder Touristen wuumlr-den ausbleiben landwirtschaftliche Ertraumlge vor allem in vielen Entwicklungslaumlndern unsicherer werden und die versicherten Schaumlden auch in den Laumlndern des Nor-dens erheblich ansteigen Auch wenn es natuumlrlich auch Regionen gaumlbe die von einem Temperaturanstieg pro-fitierten70 wuumlrden die negativen Auswirkungen beim

67 ECFPIK 2004 68 Simonett O 198969 Kemfert C 2004

70 Beispielsweise wird in den Laumlndern der houmlheren Breiten (z B Skandinavien) mit einer erhoumlhten Pflanzenproduktivitaumlt gerechnet die zu besseren Ernten fuumlhren kann

36

UmweltbedingteMigration

Konfliktkonstellationen in ausgewaumlhlten Brennpunkten

Klimabedingte Zunahme vonSturm- und Flutkatastrophen

Klimabedingte Degradationvon Suumlszligwasserressourcen

Klimabedingter Ruumlckgangder Nahrungsmittelproduktion

Brennpunkt

UmweltbedingteMigration

Konfliktkonstellationen in ausgewaumlhlten Brennpunkten

Klimabedingte Zunahme vonSturm- und Flutkatastrophen

Klimabedingte Degradationvon Suumlszligwasserressourcen

Klimabedingter Ruumlckgangder Nahrungsmittelproduktion

Brennpunkt

Ausbleiben von Klimaschutz weltweit uumlberwiegen Effek - tive Klimaschutzmaszlignahmen dagegen waumlren mit jaumlhr-lichen Kosten von rund einem Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung vergleichbar gering71

n Gefaumlhrdung der Sicherheit

Ein ungebremster Klimawandel stellt eine ernstzuneh-mende Bedrohung fuumlr die humanitaumlre Sicherheit dar Neben der Energie(versorgungs)sicherheit ruumlckt in der Auszligenpolitik zunehmend auch die Klimasicherheit in den Fokus Diesen Begriff fuumlhrte die britische Auszligenminis-terin Beckett in die Debatte ein Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveraumlnde-rungen (WBGU) hat die vier klimabedingten Konflikt-konstellationen Nahrung Suumlszligwasser Sturm und Flut sowie Migration identifiziert die zur Destabilisierung oder gar zum Scheitern von Gesellschaften sowie zu In-stabilitaumlten und Unsicherheit im internationalen System fuumlhren koumlnnen Involviert sein koumlnnten regionale Grup-pen einzelne Laumlnder oder gar groumlszligere Laumlndergruppen Der WBGU sieht etwa den nordafrikanischen Raum die

Sahelzone das suumldliche Afrika Zentralasien die Laumln-dergruppe Indien Pakistan und Bangladesch sowie Chi-na als Regionen an in denen der Klimawandel ein neues Sicherheitsrisiko darstellen koumlnnte (siehe Abbildung 14) 72

Bei der Diskussion um die Auswirkungen des Klima-wandels auf die humanitaumlre Sicherheit geht es nicht ausschlieszliglich um die wachsenden Risiken bewaffneter Konflikte um Rohstoffe Vielmehr werden auch groszlige Risiken fuumlr wirtschaftliche Entwicklung soziale Gerech-tigkeit und Verteilungsgerechtigkeit andere Umwelt-guumlter Demokratisierung Abruumlstung Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit erwartet73 Angesichts des Sicherheitsrisikos Klimawandel bietet sich in erster Linie eine gemeinsam konzertierte praumlventive Strategie an militaumlrische Loumlsungen scheinen dagegen wenig sinnvoll

Im Umgang mit den potenziellen Konfliktverschaumlrfungen und neuen Konflikten bestehen verschiedene Moumlglich-keiten Potenzielle Konflikte duumlrfen nicht unterschaumltzt oder ignoriert sondern bereits in der Entstehung geloumlst werden So sollten sich anbahnende Differenzen fruumlh-

Insbesondere die Suumldhemisphaumlre ist von Sicherheitsrisiken im Rahmen des Klimawandels bedrohtQuelle WBGU 2007

Abb 14 Sicherheitsrisiken durch Klimawandel ausgewaumlhlte Brennpunkte

71 Stern N 200672 WBGU 200773 Annan 2005

37

zeitig erkannt und Kooperationen der beteiligten Partei-en gesucht werden bevor es zu einem Konflikt kommen kann Ein Beispiel hierfuumlr ist das Wassermanagement des Indus Pakistans groumlszligtem Fluss der aber zunaumlchst durch China und Indien flieszligt In einigen Jahrzehnten wird das sommerliche Wasservolumen des Indus durch das Schmelzen der Gletscher im Himalaya deutlich ab-nehmen und damit die Konkurrenz der ohnehin zerstrit-tenen Nachbarstaaten um das knappe zur Verfuumlgung stehende Wasser verschaumlrft Beansprucht Indien das wenige verbleibende Wasser des Indus allein fuumlr sich so stellt dies ein enormes Konfliktpoten zial dar Um einen ernsten Konflikt zwischen den beiden Atommaumlchten zu verhindern braucht es bereits heute eine strategisch ge-schickte Politik der Kooperation zwischen den vom Was-sermangel im Himalaya-Gebiet betroffenen Regionen

Die internationale Politik sollte sich in gleichem ernst-haften Maszlige der wachsenden Herausforderung klima-bedingter Migration annehmen Im Zuge der Klimaver-aumlnderung werden immer mehr Menschen aufgrund von Extremwetterereignissen Duumlrren und Wuumlstenausbrei-tung sowie des Meeresspiegelanstiegs gezwungen sein ihre Heimat zu verlassen Derzeit ist ihr voumllkerrechtlicher Schutz nicht gewaumlhrleistet

42 Regionale Betroffenheit

In einigen Regionen werden die Auswirkungen des Klimawandels staumlrker spuumlrbar werden als in anderen Entwicklungslaumlnder und arme Menschen insbesonde-re in Afrika und Asien sowie kleine Inselstaaten sind besonders betroffen Zum einen lebt der Groszligteil der Bevoumllkerung in Entwicklungslaumlndern unmittelbar von der Landwirtschaft ndash in Afrika sind dies ca 70 Prozent der gesamten Bevoumllkerung74 ndash und ist somit direkt von den Klima- und Wetterbedingungen abhaumlngig Klima-tische Veraumlnderungen haben deshalb oft verheerende Auswirkungen Ein zweiter wesentlicher Grund fuumlr die hohe Anfaumllligkeit gegenuumlber den Folgen des Klimawan-dels ist jedoch auch die Armut selbst So wird durch einen Mangel an Kapazitaumlten (technisch personell und finanziell) eine Anpassung an veraumlnderte Bedingungen und ein Schutz vor den aufgezeigten Risiken erschwert Klimawandel verschaumlrft Armut zerstoumlrt Lebensgrund-lagen und untergraumlbt Entwicklungsmoumlglichkeiten Al-lein im Zeitraum 2000-2004 waren jedes Jahr fast 300 Millionen Menschen von Naturkatastrophen betroffen ndash 98 Prozent davon in Entwicklungslaumlndern Waumlhrend in den entwickelten Laumlndern der OECD nur einer von 1500 Einwohnern durch eine Naturkatastrophe betroffen war lag das Risiko bei Einwohnern aus Entwicklungslaumlndern um den Faktor 79 houmlher ndash einer von 19 war betroffen (siehe Abbildung 15 S 38)75

Schaumltzungen zufolge koumlnnten bei einer ungebremsten globalen Erwaumlrmung im Jahr 2050 25 Millionen Men-schen durch Uumlberflutungen zwischen 180 und 250 Millionen Menschen durch Malaria und weitere 200 bis 300 Millionen Menschen durch Wasserknappheit be-droht sein76 Damit der Klimawandel nicht die Lebens-grundlage von Millionen von Menschen gefaumlhrdet und zu wirtschaftlichem Niedergang sozialer Erosion und Migrationsbewegungen fuumlhrt muss eine nachhaltige Armutsbekaumlmpfung auch als eine Schluumlsselstrategie bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels angese-hen werden77

n Afrika

Nach Einschaumltzungen des IPCC gilt Afrika aufgrund von Mehrfachbelastungen der unmittelbaren Abhaumlngigkeit von der Landwirtschaft und einer niedrigen Anpassungs-kapazitaumlt als einer der verwundbarsten Kontinente ge-genuumlber Klimaaumlnderungen78 Selbst in konservativen Szenarien wird in Afrika mit einem Anstieg der Tempe-ratur um 3-4 degC gegenuumlber der Periode 1980-1999 ge-rechnet79 Besonders hohe Temperaturen werden dabei im nordwestlichen und im suumldlichen Afrika erwartet Hinzu kommt dass die meisten Klimamodelle eine dras-tische Abnahme der Jahresniederschlaumlge fuumlr Afrika bis Ende des 21 Jahrhunderts voraussagen Auch in diesem Fall gelten die genannten Laumlnder Afrikas als besonders betroffen Um bis zu 30 Prozent koumlnnten demnach die Winterniederschlaumlge in Nordafrika zuruumlckgehen In Ost-afrika sowie in Teilen der Sahelzone wird hingegen mit einer Veraumlnderung in Richtung feuchterer Klimaregime gerechnet (siehe Abbildung 16 S 38)

Anders als in anderen landwirtschaftlichen Regionen der Welt gibt es in Afrika nur wenige Regionen in denen die Felder mit dem Wasser aus Fluumlssen oder Stauseen be-waumlssert werden Durch die projizierten Klimaaumlnderun-gen werden deshalb schwerwiegende Beeintraumlchtigun-gen der Nahrungsmittelsicherheit erwartet So schaumltzt man dass der Klimawandel schon in naumlchster Zukunft in einigen Laumlndern Nordafrikas das Risiko von trockenen Jahren in denen die auf Regenfeldbau basierenden land-wirtschaftlichen Ertraumlge um 50 Prozent zuruumlckgehen verstaumlrkt80 Dies wuumlrde die bereits kritische Situation in Afrika erheblich verschaumlrfen und die Unterernaumlhrung auf dem Kontinent verstaumlrken Dem IPCC zufolge werden in Regionen Afrikas suumldlich der Sahara bis 2020 zwischen 75 und 250 Millionen Menschen einem durch den Kli-mawandel verstaumlrkten Wasserstress ausgesetzt sein Verschlimmern koumlnnte sich diese Situation noch durch abnehmende Fischbestaumlnde als Folge von massiver Uumlberfischung verstaumlrkt durch steigende Wassertempe-raturen in Seen und Kuumlstenzonen

74 IPCC 2001b75 UNDP 200776 Parry M et al 2001

77 HarmelingBals 200778 IPCC 2007b

79 IPCC 2007b80 IPCC 2007b

38

n Asien

In fast allen Regionen Asiens wird mit einer deutlichen Erwaumlrmung weit oberhalb des globalen Mittelwerts gerechnet Auszliger in Suumldostasien wo ein Anstieg im Be-reich des globalen Mittelwertes erwartet wird koumlnnten sich die Temperaturen in den uumlbrigen Gebieten um bis zu 4 degC gegenuumlber dem Mittelwert von 1980-1999 erhouml-hen Als Folge waumlrmerer Temperaturen wird vor allem im Himalaya mit einer sich beschleunigt fortsetzenden Gletscherschmelze gerechnet Gletscherseeausbruumlche Uumlberschwemmungen Bergstuumlrze sowie erhebliche Trink wasserknappheit insbesondere in den groszligen Fluss einzugsgebieten koumlnnten sich auf mehr als eine Milliarde Menschen nachteilig auswirken

Entlang der sich veraumlndernden Temperaturmuster wer-den die Niederschlaumlge insgesamt in Asien bis Ende des Jahrhunderts zunehmen Einzige Ausnahme ist Zentral-asien wo ein Ruumlckgang der Sommerniederschlaumlge und erhebliche Trockenheit vor allem waumlhrend der Som-mermonate als wahrscheinlich gelten81 Unklar ist die Entwicklung des Indischen Sommermonsuns welcher fuumlr mehr als zwei Milliarden Menschen in weiten Teilen Asiens eine der Haupttrinkwasserquellen darstellt (siehe auch Kapitel 34)

Waumlhrend in Ost- und Suumldostasien ein moumlglicher Anstieg der landwirtschaftlichen Ertraumlge um bis zu 20 Prozent vorausgesagt wird koumlnnten diese in Zentral- und Suumld-

Risiko von einer Naturkatastrophe betroffen zu sein (auf 100000 Menschen)

Entwicklungslaumlnder

OECD-Laumlnder mit hohem Einkommen

50 von 100000 Menschen

1980-84 2000-04

Aufgrund ihrer geringen Anpassungskapazitaumlten sind Menschen in Entwicklungslaumlndern besonders verwund-bar gegenuumlber Naturkatastrophen Quelle UNDP 2008

Abb 15 Betroffenheit von Natur-katastrophen in Entwicklungs- und Industrielaumlndern

5030201510

50

-5-10-15-20-30-50

Abb 16 Temperatur- und Niederschlagsaumlnderungen in Afrika bis 2100Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestempera-turen und Jahresniederschlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999

Besonders das noumlrdliche und suumldliche Afrika gelten als besonders gefaumlhrdete Regionen im Rahmen des Klimawan-dels Quelle Hamburger Bildungsserver nach IPCC 2007b

1007050403530252015100500

-05-10

Temperatur-Veraumlnderung (degC) Niederschlags-Veraumlnderung ()40degN

20degN

0deg

20degS

40degS

40degN

20degN

0deg

20degS

40degS20degW 20degW0deg 0deg20degO 20degO40degO 40degO60degO 60degO

81 IPCC 2007b

39

asien um bis zu 30 Prozent zuruumlckgehen Eine erhebliche Zunahme der Anzahl hungernder Menschen und wirt-schaftliche Konsequenzen waumlren die Folgen und sogar die nationale Sicherheit einzelner Staaten koumlnnte ge-faumlhrdet werden

Der IPCC projiziert zudem eine Zunahme und Intensivie-rung von Hitzewellen in Ostasien sowie von Starknieder-schlagsereignissen in Suumld- und Ostasien Auch gehen die Klimamodelle von einem zunehmenden Uumlberflutungsri-siko in einigen der Groszligdeltas ndash z B dem Mekong-Delta ndash infolge des steigenden Meeresspiegels aus In Bang-ladesch wuumlrde bereits ein Meeresspiegelanstieg von ei-nem Meter dazu fuumlhren dass etwa drei Millionen Hektar Land dauerhaft uumlberflutet waumlren Fuumlr 15 bis 20 Millionen wuumlrde dies den Verlust ihrer Heimat bedeuten

n Lateinamerika

Lateinamerika und die Karibik stellen nicht nur hinsicht-lich der groszligen oumlkologischen Reichhaltigkeit sondern auch bezuumlglich der kulturellen Vielfalt eine auszligerge-woumlhnliche Region dar Es ist jedoch auch eine Region in der 44 Prozent der Bevoumllkerung in Armut lebt und wo die Ungleichheit in der Vermoumlgensverteilung zu den Houmlchsten weltweit gehoumlrt Diese Charakteristika ma-chen Lateinamerika und die Karibik zu einer der ver-wundbarsten Regionen uumlberhaupt

Waumlhrend fuumlr das suumldliche Suumldamerika eine Erwaumlrmung entlang des globalen Erwartungswerts projiziert wird werden fuumlr Mittelamerika und die noumlrdlichen Regionen Suumldamerikas dagegen deutlich houmlhere Temperaturen er-wartet Am staumlrksten werden sich dabei voraussichtlich die Amazonasregion sowie Nordmexiko waumlhrend der Sommermonate erwaumlrmen Fuumlr das Amazonasbecken wird zusaumltzlich eine Abnahme der Jahresniederschlaumlge um uumlber 30 Prozent und damit einhergehend eine Um-wandlung tropischer Regenwaumllder in Savannen vorher-gesagt (siehe Abbildung 17) Wuumlstenbildung und Ver-salzung von landwirtschaftlichen Nutzflaumlchen koumlnnten schon innerhalb der kommenden Jahrzehnte zu einem Ruumlckgang der Ertraumlge wichtiger Nutzpflanzen und zu einer Verminderung der Viehhaltung fuumlhren sowie die Nahrungsmittelsicherheit vieler lateinamerikanischer Regionen und von Millionen Menschen erheblich gefaumlhr-den

n Inseln und Atolle

Durch den steigenden Meeresspiegel koumlnnten schon in wenigen Jahren viele kleine Inselstaaten sowohl in den Tropen als auch in den houmlheren Breiten uumlberschwemmt und von den Landkarten verschwunden sein Fuumlr die Zu-kunft erwartet der IPCC im Zuge des steigenden Mee-resspiegels eine Verstaumlrkung von Uumlberflutungen Sturm-fluten und Kuumlstenerosion Zusaumltzlich werden auch die Gewinnung von Trinkwasser und die landwirtschaftliche

Abb 17 Temperatur und Niederschlagsaumlnderungen in Suumldamerika bis 2100Modellsimulation nach dem Szenario A1B des Weltklimarats IPCC Veraumlnderung der Jahrestempera-turen und Jahresniederschlaumlge 2080-2099 im Vergleich zu 1980-1999

Besonders das Amazonasgebiet gilt als besonders gefaumlhrdete Region im Zuge des KlimawandelsQuelle Hamburger Bildungsserver nach IPCC 2007b

5030201510

50

-5-10-15-20-30-50

1007050403530252015100500

-05-10

Temperatur-Veraumlnderung (degC) Niederschlags-Veraumlnderung ()

40

Info-Kasten 4 Womit wir in Deutschland rechnen muumlssen

Klimawandel geschieht nicht nur in anderen Teilen der Welt sondern auch hier in Deutschland ndash und zwar heute In den vergangenen 100 Jahren wurde hierzulande ein Anstieg der durchschnittlichen Jahrestemperatur um 08-10 degC beobachtet Wet- terextreme wie Hitze wellen Starknieder schlags-ereignisse und Winterstuumlrme traten in den letzten zwei Dekaden vermehrt auf

Fuumlr die Zukunft wird fuumlr Deutschland eine Tem-peraturerhoumlhung zwischen 25-35 degC projiziert Mit der houmlchsten Erwaumlrmung ist dabei in den Wintermonaten in Suumld- und Suumldostdeutschland zu rechnen Nach Norden und Westen in Richtung eines mehr maritim gepraumlgten Klimaregimes verringert sich der Temperaturanstieg zwar dennoch wird auch fuumlr die Kuumlstenregionen eine deutliche Erwaumlrmung vorausgesagt Auch fuumlr den Sommer werden die houmlchsten Temperaturen im Suumlden Deutschlands er-wartet

Die Niederschlagsverhaumlltnisse werden sich regio-nal und saisonal veraumlndern In Suumld- Suumldwest- und Nordostdeutschland ist mit einem bis zu 40-prozen-tigen Ruumlckgang der sommerlichen Niederschlaumlge zu

rechnen waumlhrend sich fuumlr die Wintermonate fast im ganzen Land staumlrkere Niederschlaumlge abzeichnen Durch die Trockenheit waumlhrend der Sommermonate sind in Ost- und Suumldwestdeutschland die landwirt-schaftlichen Ertraumlge gefaumlhrdet die Waldbrandgefahr wird sich erhoumlhen und das sommerliche Wasser-angebot geht zuruumlck Auch die Haumlufigkeit von Hitzewellen wird sehr wahrscheinlich zunehmen

Ferner gilt als sicher dass die Gletscher in den Alpen infolge der Temperaturerhoumlhung weiter an Volumen verlieren werden Nach neuesten Einschaumltzungen koumlnnte bei einem sommerlichen Temperaturanstieg von 3 degC etwa 80 Prozent der 1990 noch vorhande-nen Eismasse bis 2100 verloren gehen Wenn die Sommertemperaturen um 5 degC steigen waumlren die Alpen gegen Ende des Jahrhunderts praktisch eisfrei Auch ist davon auszugehen dass die Winterstuumlrme in Norddeutschland zunehmen werden

An Deutschlands Kuumlsten wird der Meeresspiegel im globalen Vergleich uumlberdurchschnittlich stark an-steigen Dafuumlr sorgen zum einen eine staumlrkere Erwaumlr-mung aber auch eine anhaltende Landabsenkung als Spaumltfolge der ausklingenden Kaltzeit83

Nutzung der Boumlden durch die Versalzung des Grundwas-sers und der Boumlden infolge des steigenden Meerwassers immer schwieriger werden Aus diesem Grund mussten innerhalb der letzten Jahre bereits 3000 Einwohner des pazifischen Inselstaates Tuvalu ihre Heimat verlassen

ndash Hunderttausende auf anderen Inseln werden ihnen folgen muumlssen sollte der zukuumlnftige Anstieg des Mee-resspiegels nicht innerhalb der kommenden Jahrzehnte gebremst werden82

82 Warner K 200983 Germanwatch 2007

41

Extreme Nieder schlaumlge und Uumlber schwemshymungen haben auch in Europa und Deutschshyland in den letzten Jahren immer wieder zu enormen wirtschaft lichen Schaumlden gefuumlhrt wie hier in Steyr Oumlsterreich

In Deutschland wird mit einem Anstieg der Niederschlaumlge im Winter gerechnet

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42

Wie gezeigt wurde greift der Mensch durch sein Handeln massiv in die chemische Zusammensetzung der Atmosphaumlre ein und ist somit der Hauptverursacher fuumlr den sich verstaumlrkenden Treibhauseffekt der Erde Allerdings war und ist der Beitrag der verschiedenen Staaten und ihrer Bewohner zum Klimawandel sehr ver-schieden ndash v a wegen ihrer unterschiedlichen wirt-schaftlichen sozialen und technologischen Situationen

51 Welche Laumlnder sind die Hauptverursacher von Treibhaus-gasemissionen

Die Frage welche Laumlnder fuumlr welche Mengen an Emissionen verantwortlich sind stellt sich sowohl fuumlr die Vergangenheit als auch fuumlr die Gegenwart und die Zukunft Aus zwei Gruumlnden ist der Blick in die Vergangenheit besonders wichtig Erstens ist CO2 ein uumlber Hunderte Jahre wirksames Treibhausgas d h die Frage nach der Verantwortung fuumlr den heute bereits sichtbaren globalen Klimawandel findet ihre Antwort in den kumu-lierten Emissionen des letzten Jahrhunderts Zweitens ha ben diejenigen Laumlnder die in der Vergangenheit be-sonders viel Energie nutzten ndash vor allem Kohle Oumll und Gas ndash und damit besonders hohe Treibhausgasemissio-nen zu verzeichnen hatten von diesem Verhalten pro-fitiert da sie Infrastruktur Produktionsanlagen und

Kapital aufgebaut haben Dieser Reichtum verschafft ihnen einen deutlich groumlszligeren Handlungsspielraum heute in die Entwicklung und Verbreitung klimafreund-licher Energietechnologien zu investieren als es in ar-men Laumlndern der Fall ist Letz tere erheben hingegen einen Anspruch auf nachholende Entwicklung mit ho-hem Wirtschaftswachstum und erwarten dass sie die Zusatzkosten fuumlr klimafreundliche Technologien vom Norden ganz oder teilweise finanziert bekommen Hieraus ergibt sich die groszlige klimapolitische Heraus-forderung zur Loumlsung des Klimaproblems (s Kapitel 6)

Wenn man die durch den Menschen verursachten CO2-Emissionen des letzten Jahrhunderts betrachtet sind die Industrielaumlnder die Hauptverursacher des anthropoge-nen Treibhauseffekts (siehe Abbildung 18) Mehr als die Haumllfte (58 Prozent) entfielen zwischen 1900 und 1999 allein auf Europa und die USA auf das Konto der ehema-ligen Sowjetunion weitere 137 Prozent Die Gesamtheit der Entwicklungslaumlnder wo rund 80 Prozent der Welt-bevoumllkerung leben war hingegen nur fuumlr 21 Prozent der angehaumluften CO2-Emissionen verantwortlich (siehe Ab-bildung 18) Die Aumlrmsten rund 800 Millionen Menschen vereinen sogar historisch gesehen weniger als 1 Prozent aller kumulierten CO2-Emissionen des 20 Jahrhunderts auf sich84 Natuumlrlich aumlndert sich dieses Bild immer mehr und die Gewichte werden sich zukuumlnftig staumlrker ver-schieben ndash hin zu einem groumlszligeren Beitragsanteil auf Seiten der sogenannten Entwicklungslaumlnder

5 Die Verursacher des Klimawandels

Die Industriestaaten tragen die historische Hauptverantwortung fuumlr den KlimawandelQuelle Eigene Darstellung nach World Resources Institute 2002

Suumld- und Mittelamerika38

Mittlerer Osten26

Afrika25

Europa277

Russland137

Japan37 Kanada

23

Australien11

China Indien und Ent -wicklungslaumlnder Asiens122

USA303

Entwicklungs-laumlnder21

Abb 18 Kumulierte energiebedingte CO2-Emissionen 1900-1999

84 Global Carbon Project 2009

43

Quelle Eigene Darstellung nach US Energy Information Administration wwweiadoegov

52 Absolute und Pro-Kopf-Emissionen heute

Historisch gesehen haben die USA insgesamt durch ihre kumulierten CO2-Emissionen mit Abstand am meisten zum Klimawandel beigetragen Auch im Jahr 2007 gin-gen fast 20 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoszliges noch auf ihr Konto Einzig Chinas Anteil welcher seit 2007 den der USA uumlberholt hat ist noch groumlszliger (208 Prozent) Das Reich der Mitte stoumlszligt mit seinen gut 13 Milliarden Ein-wohnern heute etwa so viel CO2 aus wie die 15 Laumlnder der alten EU mit ihren rund 380 Millionen Einwohnern Tendenz stark ansteigend Damit sind die beiden Ver-schmutzungs-Spitzenreiter China und USA zusammen fuumlr mehr als 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoszliges verantwortlich (siehe Abbildung 19) Ein anderes Bild ergibt sich wenn die CO2-Emissionen aus veraumlnderter Landnutzung die insbesondere Entwaldungsprozesse beinhaltet in der Statistik beruumlcksichtigt werden Dem-nach waumlren nach China den USA und der EU Indonesien und Brasilien die viert- und fuumlnftgroumlszligten Emittenten Ursachen sind in beiden Laumlndern die groszligflaumlchigen Ro-dungen der tropischen Regenwaumllder

Deutschland konnte zwar innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte auch aufgrund der Wiedervereinigung und des damit einhergegangenen Zusammenbruchs der Schwer industrien in der ehemaligen DDR seinen Aus-stoszlig deutlich reduzieren zaumlhlt allerdings nach wie vor zu den weltweit groumlszligten CO2-Emittenten Zum Vergleich Der gesamte afrikanische Kontinent mit rund einer Mil-

liarde Einwohnern traumlgt gegenwaumlrtig etwa so viel zum globalen Treibhausgasausstoszlig bei wie Deutschland mit seinen rund 82 Millionen Einwohnern Dabei sind nur vier Laumlnder naumlmlich Suumldafrika Aumlgypten Nigeria und Algerien fuumlr mehr als drei Viertel der afrikanischen Emis-sionen verantwortlich Werden diese herausgerechnet liegt der Anteil der restlichen afrikanischen Staaten am weltweiten CO2-Ausstoszlig unter einem Prozent

Waumlhrend in einigen Industrielaumlndern die CO2-Emissio-nen innerhalb der letzten zwei Dekaden stabilisiert bzw reduziert wurden stiegen sie insbesondere in den gro-szligen Schwellenlaumlndern der Welt deutlich weiter

Der Vergleich der historischen Emissionen mit dem ak-tuellen CO2-Ausstoszlig der weltweit groumlszligten Emittenten

Abb 19 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen 1992-2009

Der Autoverkehr ist eine weltweit nach wie vor wach-sende Quelle von CO2-Emissionen Foto Dietmar Putscher

ChinaUSAIndienRusslandJapanDeutschlandBrasilien

19921993

19941995

19961997

19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

20082009

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Jahr

44

verdeutlicht den wachsenden Beitrag der Schwellenlaumln-der vor allem Chinas aber auch Indiens zum Klimawan-del Aber auch in den meisten Entwicklungslaumlndern stei-gen die Treibhausgasemissionen gegenwaumlrtig rasant an

Auch wenn einige Schwellenlaumlnder bei den absoluten CO2-Emissionen vorne liegen so kommen bei den Pro-Kopf-Emissionen ausschlieszliglich Industrielaumlnder auf die vorderen Plaumltze

Waumlhrend in der Statistik der absoluten CO2-Emissionen vor allem populationsstarke Laumlnder auf den vorderen Raumlngen zu finden sind aumlndert sich die Rangfolge wenn der Pro-Kopf-Ausstoszlig betrachtet wird Eine solche Be-trachtungsweise ist insbesondere unter dem Gesichts-punkt der Klimagerechtigkeit und entsprechend der weltweit gemeinsamen aber individuell sehr unter-schiedlichen Verantwortlichkeit fuumlr Ursache und Loumlsung des Klimaproblems von Bedeutung

Abbildung 20 zeigt die Pro-Kopf-Emissionen zwischen 1990 bis 2007 fuumlr ausgewaumlhlte Laumlnder Hier liegen die USA und Kanada mit ca 191 bzw 174 t CO2 im Jahr 2007 deutlich vorn Zu beachten ist allerdings dass ei-nige der arabischen Golfstaaten noch weit houmlhere Pro-Kopf-Werte haben so liegt der Wert in Katar bei ca 60 Tonnen pro Jahr85 In Deutschland und Russland sind mit dem deutlichen Gesamtruumlckgang der absoluten Emis-sionen auch sinkende Pro-Kopf-Emissionen verknuumlpft Nichtsdestotrotz produziert jeder Deutsche im Durch-

schnitt immer noch etwa 97 t CO2 pro Jahr Die Betrach-tung der Pro-Kopf-Werte relativiert die hohen Gesamt-emissionen der beiden bevoumllkerungsreichsten Laumlnder China und Indien Dort werden die Emissionen allerdings uumlberwiegend von einer Minderheit der jeweiligen Bevoumll-kerung erzeugt So werden in China nur etwa 20 Prozent der Bevoumllkerung der globalen Konsumentenklasse zuge-ordnet die durch einen konsum- und ressourcenintensi-ven Lebensstil erhebliche CO2-Emissionen verursacht86 Der Vergleich mit Afrika macht die Pro-Kopf-Verantwor-tung am globalen Treibhauseffekt noch deutlicher Waumlh-rend ein Deutscher pro Jahr durchschnittlich 97 Tonnen CO2 verursacht liegt ein Kenianer nur bei 03 Tonnen

53 Emissionen nach Sektoren

Die derzeitige Erwaumlrmung ist auf eine Reihe von Emissi-onsquellen zuruumlckzufuumlhren Im Folgenden wird zunaumlchst die globale Ebene87 betrachtet bevor auf die Verhaumlltnis-se in Deutschland Bezug genommen wird Hauptfaktor fuumlr den weltweiten Ausstoszlig an Treibhausgasen stellte im Jahr 2004 die Energieversorgung mit ca 259 Prozent vor dem Industriesektor mit 194 Prozent dar88 Eine eindeutige Abgrenzung ist jedoch nicht ganz einfach da die Industrie auch einen groszligen Teil des Stroms aus der Energieversorgung nutzt Darauf folgen der Forst-sektor mit 174 Prozent ndash vor allem durch die Zerstoumlrung von Waumlldern in tropischen Regionen wie Brasilien oder Indonesien ndash und die Landwirtschaft mit 135 Prozent

Quelle Eigene Darstellung nach wwweiadoegov (so)

Abb 20 Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen pro Einwohner zwischen 1992 und 2009 fuumlr neun ausgewaumlhlte Laumlnder

19921993

19941995

19961997

19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

20082009

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USAKanadaRusslandDeutschlandSuumldafrikaChinaBrasilienIndienKenia

Jahr

85 wwweiadoegov86 GardnerAssadourianSarin 200487 Quelle fuumlr alle Daten hierzu IPCC 2007e

88 IPCC 2007e 2004 ist das letzte Jahr fuumlr das der 4 IPCC-Sachstandbericht alle sechs Kyoto-Gase umfassende Analysen enthaumllt Bei Betrachtung nur der energiebedingten Emissionen sind auch neuere Daten verfuumlgbar

45

Der Verkehrssektor verzeichnet mit 131 Prozent eben-falls enorme Wachstumsraten die vor allem auf den Anstieg im internationalen Schiffs- und Flugverkehr zu-ruumlckzufuumlhren sind

Von den gesamten anthropogenen Treibhausgasemis-sionen die fuumlr die Erderwaumlrmung verantwortlich sind stand CO2 im Jahr 2004 mit einem Anteil von 63 Prozent an vorderster Stelle Der Groszligteil dieser CO2-Emissionen ist energiebedingt aber auch die Freisetzung von CO2 durch die Zerstoumlrung von Waldgebieten (z B durch die Rodung tropischer Regenwaumllder) spielt eine groszlige Rolle Sie ist mit umgerechnet ca 6 Milliarden Tonnen jaumlhrlich freigesetztem CO2 nach dem Verbrennen von fossi-len Energietraumlgern global betrachtet die zweitgroumlszligte CO2-Quelle In vielen Entwicklungslaumlndern stellt sie die groumlszligte Emissionsquelle dar z B in Indonesien mit 834 Prozent und in Brasilien mit 62 Prozent Hauptursache der Waldzerstoumlrung sind landwirtschaftliche Aktivitaumlten wie die Gewinnung von Acker- und Weideflaumlche durch Brandrodung Problematisch ist vor allem die groszligflaumlchi-ge Rodung fuumlr Monokulturen zur Gewinnung von Palm-oumll Zuckerrohr und Soja die auch fuumlr den europaumlischen Markt als Futtermittel oder Agrotreibstoff produziert werden

Der uumlberwiegende Anteil an den weltweiten menschge-machten Methanemissionen entsteht durch Nassreis-feldanbau und Rinderzucht89 In diesem Zusammenhang kann man auch die Frage aufwerfen ob alle Emissionen prinzipiell als qualitativ gleichwertig anzusehen sind oder ob unterschieden werden muss zu welchem Zweck die Emissionen verursacht werden So sollten beispiels-weise die Emissionen die durch Freizeitreiseverkehr

Das Abholzen des Regenwaldes (hier in Brasilien) stellt eine groszlige Gefahr sowohl fuumlr das globale Klima als auch fuumlr die regionale Wirtschaft dar Foto Uwe Bauch pan-thermedianet

89 IPCC 2007a

Der groszlige Anteil des Energiesektors am CO2-Ausstoszlig in Deutschland verdeutlicht das Potenzial von Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz Quelle Umweltbundesamt 2010

Abb 21 Entwicklung der THG-Emissionen in Deutschland nach Sektoren 1990 bis 2008

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19981999

20002001

20022003

20042005

20062007

2008

Oslash2008-2012

Ziel 2020

Basisjahr

uumlbrige Emissionen

Haushalte

Verkehr

Gewerbe HandelDienstleistungen

Industrie

Landwirtschaft

Energiewirtschaft

Treibhausgasemissionen ndash Summe

-21 gegenuumlber

Basisjahr

-40 gegenuumlber

1990

493 493 474 471 459 467 474 477 483 480 476 481 491 468

85 8785 84 85 84 84 81 79 81 80 78 77

81

138 135 136 121 113 116 110 106 111 117 112 115 119 116

55 6556 54 50 46 53 50 42 41 41 41 35 42

179 178179 182 187 183 178 176 170 169 161 157 154 154

130 144139

133121 119 132 122 123 114 112 114 89 108

44

597

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44

3935 33

30 28 26

1121 11401104

10781044 1043 1058 1037 1031 1022 1001 1003 981 982

1232 1249

974

749

46

Germanwatch hat mit dem sogenannten Klima schutz- Index ein Instrument entwickelt das die Emissions-entwicklung das Emissionsniveau sowie die Klima-schutzpolitik der Hauptemittenten transparent gegen-uumlberstellt Der Index fungiert als Vergleichsinstrument zwischen den einzelnen Staaten und soll zu effizi-enterem Klimaschutz animieren Tabelle 4 zeigt das Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011 der im Dezember 2010 bei der Klimakonferenz von Cancuacuten vorgstellt wurde Da bisher kein Land ausreichend ambitioniert zur Vermeidung eines gefaumlhrlichen Klimawandels beitraumlgt blieben auch in diesem Jahr die ersten drei Plaumltze des Rankings unbe-setzt

Bei vielen der weltweit groumlszligten CO2-Emittenten spielt Klimaschutz nach wie vor hinter der wirtschaftlichen Entwicklung eine nachrangige Rolle obwohl es ein wachsendes Bewusstsein dafuumlr gibt dass gerade im Klimaschutz auch groszlige wirtschaftliche Potenziale lie-gen

(Luxus-Emissionen) entstehen anders bewertet werden als der Methanausstoszlig den asiatische Bauern durch den fuumlr sie uumlberlebensnotwendigen Reisanbau verursachen (Uumlberlebens-Emissionen)

In Deutschland ist die Energiewirtschaft der Hauptver-ursacher von CO2-Emissionen Aber auch im produzie-renden Gewerbe und im Transportsektor fallen viele Emissionen an Mehr als die Haumllfte der Transportemis-sionen entfallen dabei auf den Automobilverkehr Mit deutlich mehr als 80 Prozent hat CO2 unveraumlndert den groumlszligten Anteil an den deutschen Treibhausgasemissio-nen90

54 Trends bei den Treibhausgas-emissionen

Gerade beim wichtigsten durch den Menschen ver-ursachten Treibhausgas dem Kohlendioxid war der Wachstumstrend auf globaler Ebene in den letzten Jah-ren ungebrochen Zwischen 2000 und 2008 haben sich die weltweiten CO2-Emissionen um 29 Prozent von rund 7 Gigatonnen Kohlenstoff auf rund 9 Gigatonnen seit 1990 (dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls) sogar um 41 Prozent erhoumlht Da 1 kg Kohlenstoff 367 kg CO2 ent-spricht erhoumlht sich der atmosphaumlrische CO2-Gehalt mo-mentan um rund ca 33 Gigatonnen CO2 jaumlhrlich Fuumlr den Zeitraum 2000 bis 2008 betrug der Emissionszuwachs 34 Prozent (insgesamt 19 ppm pro Jahr) im Vergleich zu 10 Prozent (insgesamt 15ppm) im Zeitraum 1990-1999 (siehe Abbildung 22) Seit 2005 hat die Verbrennung von Kohle dabei Oumll als groumlszligte gegenwaumlrtige Treibhausgas-quelle abgeloumlst91

In fast allen Weltregionen ist ein deutlicher Anstieg der Emissionen in dem besagten Zeitraum zu beobach-ten wobei beachtet werden muss dass dieser auf stark unterschiedlichen Ausgangsniveaus aufbaut Waumlhrend sich der Anstieg des Emissionsausstoszliges in den Indus-trie laumlndern im Durch schnitt jedoch verlangsamt hat ha-ben die Entwicklungslaumlnder mittlerweile den schnellsten Anstieg zu verzeichnen92 Rund ein Viertel des Wachs-tums der CO2-Emissionen in den Entwicklungslaumlndern resultiert allerdings aus den Produkten die sie fuumlr an-dere Staaten vor allem die Industrielaumlnder herstellen Es sind insbesondere die exportorientierten Industrien dieser Laumlnder die es einerseits den Laumlndern des globa-len Nordens ermoumlglichen in den Entwicklungslaumlndern produzierte Guumlter zu konsumieren die andererseits maszliggeblich zu den Emissionssteigerungen der letzten Jahren beigetragen haben

Innerhalb der letzten Dekade hat sich der Anstieg der CO2-Emissionen beschleunigt Quelle Le Queacutereacute C et al 2009

Abb 22 Anstiegsrate der CO2-Emissionen

1990 2000 2010

Wachstumsrate 10 pro Jahr

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9

8

7

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Wachstumsrate 34 pro Jahr

90 Umweltbundesamt 201091 Global Carbon Project 200992 Global Carbon Project 2009

47

Infokasten 5 Wirtschaftskrise Klimaschutz und bdquogruumlneldquo Konjunkturprogramme

Weltwirtschaft und Treibhausgasausstoszlig sind eng miteinander verknuumlpft Vor diesem Hintergrund hat die Finanz- und Wirtschaftskrise auch ihre gu-te Seite Durch das verringerte Wachstum bei der Industrieproduktion ist es weltweit zu einem ent-sprechenden Ruumlckgang der energiebedingten CO2-Emissionen seit 2008 gekommen Laut den Messungen des Global Carbon Projects einer internationalen Forschungsinstitution die die Entwicklung des glo-balen Kohlenstoffkreislaufs uumlberwacht stieg zwar die atmosphaumlrische CO2-Konzentration auch im Jahr eins der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise um 18 Prozent gegenuumlber 2007 weiter an doch halbierte sich die Anstiegsrate gegenuumlber den Vorjahren (34 Prozent) Im Jahr 2009 lagen die globalen energiebe-dingten Emissionen unter denen des Vorjahres vor allem durch einen Ruumlckgang in den Industrielaumlndern93 In der EU und Deutschland war der Effekt besonders ausgepraumlgt Nach Berechnungen der EU-Kommission ist es jedem europaumlischen Mitgliedsstaat gelungen seine CO2-Emissionen gegenuumlber dem Vorjahr zu ver-ringern Allein Deutschland konnte einen Ruumlckgang seiner energiebedingten CO2-Emissionen um fast 8 Prozent verzeichnen94

Insgesamt bewegt sich der gegenwaumlrtige Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre allerdings immer noch im oberen Bereich der IPCC-Szenarien und wird sich noch verschlimmern sollte der Wachs-

tumsmotor der Weltwirtschaft kuumlnftig wieder an-springen

Es muss angenommen werden dass erneute Investitionen in weitgehend alte Strukturen und Produkte die groszligen Anteil am Kollaps des Welt-finanz systems hatten sich abermals als nicht nach-haltig erweisen werden ndash weder fuumlr die Oumlkonomie noch fuumlr die Oumlkologie Eine nachhaltige Loumlsung der Doppelkrise von Wirtschafts- und Klimasystem wird nur durch einen Investitionszyklus gelin-gen dessen Ziel eine umfassende und vor allem an Nachhaltigkeitsprinzipien orientierende Erneuerung von Wirtschaft und Gesellschaft ist Durch den Einsatz der milliardenschweren Konjunkturpakete zur Wiederbelebung der Weltwirtschaft bietet sich eine solche Chance beide Krisen mit einer Klappe zu schlagen Investitionsanreize fuumlr Energie- und Ressourceneffizienz Erneuerbare Energien und so-zial gerechte Strukturen koumlnnten im Rahmen eines bdquoNew Green Dealsldquo die Weltgemeinschaft gestaumlrkt aus der Finanz- und Wirtschaftskrise hervorgehen las-sen und gleichzeitig den Weg zu einem emissionsfrei-en Wohlstandsmodell bereiten Uumlberraschenderweise haben waumlhrend der Wirtschaftskrise Laumlnder wie China und Suumldkorea zu den Laumlndern gehoumlrt die ihre Konjunkturpakete am staumlrksten auf die Foumlrderung bdquogruumlner Technologienldquo ausgerichtet haben und damit zu einer Trendwende beitragen koumlnnten95

Tabelle 4 Abschneiden der groumlszligten CO2-Emittenten nach dem Klimaschutz-Index 2011

Deutschland 7 (7) 274 273 368 123

Groszligbritannien 8 (6) 174 170 288 092

Indien 10 (9) 486 506 675 1705

Korea Rep 34 (41) 171 185 178 073

Japan 38 (35) 392 404 563 191

Russland 48 (45) 542 560 259 212

Iran 52 (38) 172 165 092 108

USA 54 (53) 1905 1862 1839 455

China 56 (52) 2229 1737 1731 1993

Kanada 57 (59) 188 217 164 050

Summe 6533 6079 6157 5002

copy Quelle Burck 2010energiebedingten

Klimaschutz-Index Platzierung

2011 (2010)

Land Anteil an den weltweiten CO2 -

Emissionen

Anteil am welt-weiten Primaumlr-

energieverbrauch

Anteil am welt-weiten Brutto-inlandsprodukt

Anteil an der Erd -

bevoumllkerung

93 Heinzerling 201094 wwwag-energiebilanzende95 EdenhoferStern 2010

48

Der weltweite CO2-Ausstoszlig haumlngt sehr eng zusammen mit dem globalen Wirtschaftswachstum Quelle Aktualisiert und vereinfacht nach Raupach M et al 2007

Abb 23 Weltweite Entwicklung von Emissionsfaktoren

55 Ursachen fuumlr Veraumlnderungen des CO2-Ausstoszliges

Fuumlr die energiebedingten CO2-Emissionen eines Landes spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle die Zahl der Einwohner die Produktivitaumlt der Volkswirtschaft die Energieintensitaumlt und der Anteil fossiler Energietrauml-ger bei der Bereitstellung von Energie In eine Formel gepackt lassen sich daher die energiebedingten CO2-Emissionen in Marktwirtschaften errechnen als

CO2-Emissionen = Bevoumllkerung x Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf x Energienutzung pro BIP-Einheit x CO2-Ausstoszlig pro Energieeinheit

Moumlchte man ihren zukuumlnftigen Verlauf beeinflussen er-geben sich somit vier Ansatzpunkte Dies gilt gleicher-maszligen fuumlr den Ruumlckblick in die Vergangenheit In den verschiedenen Laumlndern der Welt lassen sich jeweils un-terschiedliche Entwicklungen bei der Veraumlnderung die-ser Faktoren beobachten und ebenso unterschiedliche Erklaumlrungen dafuumlr benennen

So ist beispielsweise der absolute CO2-Ausstoszlig in Deutschland und Groszligbritannien gesunken Der Ruumlck-gang laumlsst sich hier mit einer deutlichen Erhoumlhung der Energieproduktivitaumlt (d h einem verringerten Energie-bedarf pro BIP-Einheit) sowie einer Verringerung der CO2-Intensitaumlt in der Energieversorgung bei stagnieren-der Bevoumllkerungszahl und einem nur moderaten Anstieg des BIP erklaumlren Im Falle von Deutschland wurden etwa 10 Prozent der Emissionen dadurch eingespart dass viele ineffiziente Produktionsanlagen aus der DDR-Zeit stillgelegt und zum Teil durch sehr moderne Anlagen er-setzt wurden Zusaumltzlich wurden aber auch viele weitere Maszlignahmen fuumlr Energieeffizienz und die Nutzung von Erneuerbaren Energien umgesetzt etwa das bdquoErneuer-bare-Energien-Gesetzrdquo (EEG) im Strombereich

In Suumldafrika Indien und den USA hat der CO2-Ausstoszlig hingegen seit 1990 deutlich zugenommen Gleichzeitig sind sowohl in Suumldafrika und Indien als auch in den USA das Bruttosozialprodukt und die Bevoumllkerungszahl deut-lich angestiegen Indien weist eine leichte Verbesserung der Energieproduktivitaumlt auf aber eine relativ deutliche Erhoumlhung des CO2-Ausstoszliges pro Energieeinheit Dies laumlsst sich mit dem verstaumlrkten Einsatz von Kohle und mit einem Wachstum des Verkehrs erklaumlren Der CO2-Ausstoszlig Chinas hat sich seit 1990 mehr als verdreifacht waumlhrend sich das Bruttoinlandsprodukt in Kaufkraftpa-ritaumlten mehr als verzehnfacht hat Diese relative Ent-kopplung des CO2-Ausstoszliges vom Wirtschaftswachs-tum zeugt von einer signifikanten Verringerung der Energieintensitaumlt der Wirtschaft Die CO2-Intensitaumlt der Energienutzung hat sich hingegen trotz umfangreicher Modernisierung und damit verbundener Effizienzver-

besserung zahlreicher Kohlekraftwerke leicht erhoumlht96

Auch wenn China zudem immer staumlrker die Erneuerbaren Energien foumlrdert ist die CO2-Intensitaumlt pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts heute immer noch deutlich houmlher als die Indiens97

Wirft man erneut einen Blick auf die Faktoren in der obi-gen Gleichung so liegen fuumlr die Zukunft groszlige Potenzi-ale einerseits in der Verringerung der Energienutzung pro BIP-Einheit z B durch effizientere Fahrzeuge spar-samere Produktionsanlagen etc und andererseits im CO2-Ausstoszlig pro Energieeinheit z B durch Kraft-Waumlr-me-Kopplung und Nutzung von weniger CO2-intensiven Energietraumlgern bis hin zu Erneuerbaren Energien Wer-den diese beiden Faktoren optimiert so kann selbst bei einem Anstieg von Wirtschaftsleistung und Bevoumllkerung der CO2-Ausstoszlig deutlich verringert werden

Auch auf globaler Ebene laumlsst sich ermitteln welche Faktoren die CO2-Emissionen wie stark beeinflussen (siehe Abbildung 23) Wie bereits in Kapitel 2 aufgezeigt wurde ist der atmosphaumlrische CO2-Gehalt innerhalb der letzten Jahre stark angestiegen (schwarze Linie) Verant-wortlich fuumlr diesen Anstieg sind vor allem die innerhalb der vergangenen Jahre stark gewachsene Weltwirtschaft (gruumlne Linie) und deren erhoumlhte Verwendung fossiler Brennstoffe Waumlhrend lange Zeit die Weltwirtschaft im-mer effizienter wurde ndash die Kohlenstoffintensitaumlt (blaue Linie) die sich auf die pro oumlkonomischer Einheit ausge-stoszligene Menge CO2 bezieht ist stetig zuruumlckgegangen ndash hat sich dieser Trend in den letzten Jahren umgekehrt bzw verlangsamt wozu auch viele neue Kohlekraftwer-

Welt

EmissionenBevoumllkerungBIP pro KopfKohlenstoffintensitaumlt pro BIP

1980 1990 2000 2010

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96 Harmeling et al 200797 Vgl auch Germanwatch 2008

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ke in Indien und China beigetragen haben Mittlerweile sind diese Trendumkehr mit etwa 17 Prozent sowie das Wachstum der Weltwirtschaft mit 65 Prozent die bei-den Hauptursachen warum die Emissionen seit 2000 ca dreimal so schnell steigen wie im Jahrzehnt zuvor98 Faktisch fuumlhrt damit jedes Wirtschaftswachstum wel-ches nicht vom Verbrauch fossiler Rohstoffe entkoppelt ist zu steigenden Emissionen Dies macht die Dringlich-keit einer Klimapolitik die wirtschaftliche Entwicklung mit sinkenden Emissionen vereint umso deutlicher

Ebenso problematisch ist jedoch dass mit den steigen-den Emissionen der Weltwirtschaft gleichzeitig auch die Faumlhigkeit natuumlrlicher Senken zur Aufnahme von CO2 abnimmt So scheinen insbesondere die Meere dazu bei-zutragen dass die Erde momentan ihre Kapazitaumlten zur eigenstaumlndigen Erholung zu verlieren droht Waumlhrend noch vor fuumlnfzig Jahren rund 60 Prozent des vom Men-schen ausgestoszligenen CO2 durch natuumlrliche Senken auf-genommen wurden hat sich der Anteil mittlerweile auf

Waumlhrend Boumlden und Landvegetation als CO2-Senken relativ stabil geblieben sind hat die Aufnahmefaumlhigkeit der Meere fuumlr CO2 innerhalb der letzten 50 Jahre abge-nommen Quelle Canadell JG et al (2007)

Abb 24 Anteil der anthropogenen CO2-Emissionen der in der Atmos-phaumlre und im Ozean verbleibt

Atmosphaumlre

55 Prozent verringert wodurch der verbleibende Emis-sionsanteil auf 45 Prozent angestiegen ist (siehe Abbil-dung 24) Rund 18 Prozent des ploumltzlichen Anstiegs der CO2-Konzentration in der Atmosphaumlre gehen mittler-weile auf die schwindenden Kohlenstoffsenken zuruumlck

Besonders betroffen ist dabei die Aufnahmekapazitaumlt der suumldlichen Ozeane wo erste Saumlttigungstendenzen und eine bereits durch die Klimaerwaumlrmung verursachte Veraumlnderung der Westwinde zur Schwaumlchung der mari-timen Kohlenstoffsenke und somit maszliggeblich zum An-stieg des verbleibenden Emissionsanteils in der Atmo-sphaumlre beitragen (siehe Abb 24) Aber auch die fuumlr eine waumlrmere Welt typische Zunahme von Trockenperioden in den letzten Jahren (bspw die Hitzewelle 2003 in Eu-ropa) hat regional zur Abnahme der weltweiten Senken-faumlhigkeit und somit zur Erhoumlhung der atmosphaumlrischen CO2-Konzentration beigetragen

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Ozean

98 Canadell JG et al 2007

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Tuvalu gehoumlrt zu den am staumlrksten vom Meeresspiegelanstieg gefaumlhrdeten Inselshystaaten Auch dort leben viele Menschen in aumlrm lichen Verhaumlltnissen die wenig Schutz vor Extremwetterereignissen wie Pazifikshystuumlrmen bieten

Foto

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Die globale Erderwaumlrmung und somit der Klimawandel sind ndash wie beschrieben ndash zum groumlszligten Teil menschge-macht Ausloumlser ist die mit fossilen Energietraumlgern vor-angetriebene Industrialisierung Um einen gefaumlhrlichen Klimawandel abzuwenden bedarf es daher nicht nur ein-zelner Klimaschutzmaszlignahmen sondern einer industri-ellen und kulturellen Revolution Das heiszligt es geht um den Aufbau eines neuen Wohlstandsmodells das nicht laumlnger auf fossilen Energietraumlgern basiert und nachhal-tige Entwicklung ermoumlglicht eines Wohlstandsmodells bei dem sich unsere Lebensform stark veraumlndert

Der Klimawandel erfordert die Uumlberwindung von Kurz-sichtigkeit in Politik und Wirtschaft Statt dessen sind Weitblick und an langfristigen Zielen orientierte Wei-chenstellungen gefragt Bisher orientieren sich Politik Wirtschaft und jeder Einzelne jedoch haumlufig nur an ihrem kurzfristigen Wahrnehmungshorizont Wenn Politiker nur in Legislaturperioden von vier Jahren denken und die Wirtschaft nur auf den naumlchsten Quartalsbericht blickt so greift die Planung deutlich zu kurz um Erfolge von Klimaschutzmaszlignahmen messen zu koumlnnen Um den glo-balen Temperaturanstieg auf so weit wie moumlglich unter 2 degC zu begrenzen muumlssen Politik Wirtschaft und Buumlr-ger ihre Handlungsfaumlhigkeit anerkennen und langfristi-ge Entscheidungen treffen

Besonders die Wirtschaftskrise hat noch einmal ver-deutlicht wie wichtig nachhaltiges Handeln als Leitbild ist Die Krise sollte daher als Anlass und Chance gese-hen werden jetzt die Weichen fuumlr oumlkologische soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu stellen Das wird Umbruumlche und Zumutungen aber auch Neuaufbruumlche und Chancen mit sich bringen Das Zusammenspiel ei-ner engagierten nationalen und internationalen Klima-politik beide angetrieben durch Vorreiterkoalitionen in Politik Wirtschaft und Zivilgesellschaft spielt eine entscheidende Rolle um diesen Wandel einzuleiten Damit Gelder im notwendigen Ausmaszlig in den Umbau in-vestiert werden bedarf es langfristiger ambitionierter und rechtlich verbindlicher Rahmenbedingungen (bdquolong loud and legalldquo)

61 Internationale Klimagerechtigkeit Klimagerechtigkeit ist eine Art Leitbegriff geworden sowohl fuumlr die internationale Klimapolitik wie auch fuumlr die Aktivitaumlten vieler Akteure der Nord-Suumld-Zusammen-arbeit Was verbirgt sich dahinter

Es ist offensichtlich nicht gerecht dass die Laumlnder die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben am

staumlrksten von seinen Folgen betroffen sein werden Ins-besondere die kleinen Inselstaaten ndash in der Klimapolitik in der bdquoAlliance of Small Islands States (AOSIS)ldquo zusam-mengeschlossen ndash und die am wenigsten entwickelten Laumlnder (die Least Developed Countries LDCs) gelten als besonders verletzliche Laumlndergruppen Daruumlber hin-aus sind auch Laumlnder in anderen Regionen und Millio-nen arme Menschen in den Schwellenlaumlndern massiven Bedrohungen durch den Klimawandel ausgesetzt Die Pro-Kopf-Emissionen in den aumlrmsten Laumlndern sind mit weniger als einer Tonne CO2 pro Jahr in der Regel um ein Vielfaches geringer als z B die in Deutschland oder den USA (s auch Abbildung 20 S 44) Aumlhnlich groszlig ist der Unterschied der Pro-Kopf-Emissionen zwischen den Eli-ten und den besonders betroffenen Personengruppen in diesen Laumlndern

Die Ungerechtigkeit zwischen historischen und heutigen Verursachern einerseits und bereits Betroffenen des Kli-mawandels andererseits spielt v a auch in den interna-tionalen Verhandlungen um ein Post-2012-Abkommen eine zentrale Rolle Es zeigte sich auf der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 dass Vertrauen in internationalen Klimaschutz und entsprechendes Engagement nur wach-sen koumlnnen wenn das Prinzip der gemeinsamen aber dif-ferenzierten Verantwortlichkeit auf drei Dimensionen der internationalen Klimagerechtigkeit erweitert wird

n 1 Die Uumlberlebenssicherung aller Staaten als Minimum jeder Fairness

Fuumlr die von den Folgen des Klimawandels am meisten betroffenen Laumlnder steht bezuumlglich der Gerechtigkeits-frage das Uumlberleben an erster Stelle Deutlich vertrat beispielsweise der Inselstaat Tuvalu auf dem Kopenha-gener Klimagipfel die Position Klimaschutz (und damit das internationale Klimaabkommen) muumlsse so ambitio-niert gestaltet werden dass das Uumlberleben aller ndash also auch der verletzlichsten Staaten und Voumllkergruppen ndash gewaumlhrleistet werde Die LDCs und AOSIS waren es die zuerst die Forderungen aufstellten den globalen Tem-peraturanstieg auf 15 degC gegenuumlber vorindustriellem Niveau zu begrenzen

n 2 Die faire Lastenverteilung fuumlr Klima-schutz und Anpassung

Das emissionsintensive Wohlstandsmodell der Indust-rielaumlnder laumlsst sich aufgrund der Begrenztheit der Res-sourcen auch der Ressource bdquoKohlenstoffsenke Erdsys-temldquo nicht auf die ganze Welt uumlbertragen Gleichzeitig sind die Bekaumlmpfung der Armut und die wirtschaftliche Entwicklung oberste Prioritaumlt der Regierungen ndash insbe-sondere der Entwicklungslaumlnder Von ihnen den Umbau

6 Herausforderungen fuumlr die Klimapolitik

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zu einem neuen noch nirgends praktizierten Wohl-standsmodells zu verlangen waumlhrend die Industrielaumln-dern weiter ihren Wohlstand durch fossile Energietraumlger befeuern wird von den Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern verstaumlndlicherweise als ungerecht empfunden Da es bei der Frage der Lastenverteilung der Emissions-reduktionen vor allem um das Gerechtigkeitsverhaumllt-nis ndash wie kann unter der Beruumlcksichtigung von Gerech-tigkeitspraumlmissen die Verantwortung zur Bekaumlmpfung des Klimawandels fair verteilt werden ndash zwischen den maumlchtigsten Staaten der Erde geht hat diese Frage u a den Klimagipfel in Kopenhagen dominiert

Wenn die notwendigen ambitionierten Klimaziele er-reicht werden sollen muumlssen sich sowohl Industrie- als auch Schwellenlaumlnder zu weitgehenden Klimaschutz-maszlignahmen verpflichten Aus Gerechtigkeitsgruumlnden werden die Industrielaumlnder dabei vorangehen und ihre Treibhausgasemissionen bis Mitte des Jahrhunderts praktisch auf Null reduzieren ndash und zugleich den Umbau sowie die Anpassungsmaszlignahmen in Entwicklungslaumln-dern massiv unterstuumltzen muumlssen

n 3 Die gerechte Beteiligung an den Chancen der klimapolitischen Transformation

Eine ungewoumlhnliche Koalition aus besonders betrof-fenen Staaten (wie den Malediven) Schwellenlaumlndern (wie Suumldkorea) einer wachsenden Zahl von Akteuren aus Industrielaumlndern sowie NGOs und Investoren welt-weit weist zunehmend auf die dritte staumlrker in die Zu-kunft gerichtete Dimension der Gerechtigkeit hin Diese immer mehr an Bedeutung gewinnende Gerechtigkeits-frage stellt sich wenn das globale Rennen zu einer kli-mafreundlichen Weltwirtschaft (mit dem 2-degC-Limit als Leitplanke) tatsaumlchlich die notwendige Dynamik auf-nimmt Dies waumlre die groumlszligte wirtschaftliche Revolution seit der Erfindung der Dampfmaschine um deren Ablouml-sung es jetzt geht Die groszlige Gerechtigkeitsfrage wird dann Wer hat welchen Anteil an den Chancen dieser Neugestaltung der gesamten Energie- Verkehrs- In-dustrie- und Gebaumludeinfrastruktur weltweit Hier wer-den Macht Einfluss und Reichtum fuumlr morgen verteilt Aber auch die soziale und kulturelle Transformation die mit einer Entwicklung zur postfossilen Gesellschaft einhergehen muss birgt Gerechtigkeitskomponenten wie die Neugestaltung von Wertesystemen die nicht vernachlaumlssigt werden sollten Diese Dimension macht auch noch einmal deutlich dass die Wahrnehmung von Klimaschutz als Last (s oben) verkuumlrzt ist Es waumlre unge-recht wenn die Menschen die ndash ohne eigenes Verschul-den ndash vom Klimawandel am heftigsten betroffen sind die Armen auf diesem Planeten auch von neuen Wohl-standsmodell ausgeschlossen werden

Die drei Dimensionen der internationalen Klimagerech-tigkeit muumlssen zusammengefuumlhrt werden um eine nach-haltige Loumlsung durch Dynamik in der Gesellschaft in den Kommunen und in der Wirtschaft weltweit zu entfachen und die Menschen die heute in den aumlrmsten Laumlndern wohnen ebenfalls an den Gewinnen der groszligen Trans-formation teilhaben zu lassen

62 Geschichte der Klimapolitik Von Rio uumlber Kyoto nach Kopen-hagen

Uumlber die Frage wer wann die Treibhausgasemission wie stark verringern soll und welchen Anteil des Kli-maschutzes und der Anpassung an die Klimafolgen in Entwicklungslaumlndern die Industrielaumlnder bezahlen ver-handeln die jeweiligen Laumlnder seit Anfang der 1990er Jahre im Rahmen der 1994 in Kraft getretenen Klimarah-menkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change UNFCCC) In dieser Konvention verpflichteten sich die Industrielaumln-der ndash wenn auch nicht rechtsverbindlich ndash ihre Treibh-ausgasemissionen bis zum Jahr 2000 auf das Niveau von 1990 zu reduzieren Wichtiger jedoch war dass sie den Rahmen fuumlr naumlher auszuhandelnde rechtlich verbind-liche Zusatzvertraumlge (Protokolle) mit weitergehenden und verbindlichen Zielsetzungen schufen Daher auch die Bezeichnung bdquoRahmenkonventionldquo Das Kernziel der Rahmenkonvention ist in Artikel 2 ausgedruumlckt Eine gefaumlhrliche Stoumlrung des Klimasystems durch den Men-schen soll vermieden werden

Auf dem Klimagipfel in Kyoto 1997 wurde das erste voumll-kerrechtlich verbindliche Klimaschutzprotokoll verab-schiedet ndash quasi als Konkretisierung der Klimarahmen-konvention ndash nach Verhandlungen die bis zur letzten Minute aumluszligerst zaumlh und dem Scheitern bis auf Haares-breite nahe waren Das Kyoto-Protokoll enthaumllt fuumlr die beteiligten Industriestaaten Emissionsbegrenzungsziele der wichtigsten Treibhausgase von im Durchschnitt 5 Prozent gegenuumlber 1990 fuumlr den Zeitraum 2008 bis 2012 (die sogenannte bdquoerste Verpflichtungsperiodeldquo) Die EU-Staaten muumlssen ihren Ausstoszlig um durchschnittlich 8 Pro-zent verringern (Deutschland minus 21 Prozent) Japan hat sich zu einer Reduktion um 6 Prozent verpflichtet99 Die US-Regierung hatte ein Reduktionsziel von 7 Pro-zent unterzeichnet aber das Kyoto-Protokoll wurde vom US-Parlament letztlich nicht ratifiziert und trat fuumlr die USA damit nicht in Kraft

In der ersten Verpflichtungsperiode uumlbernahmen nur die Industrielaumlnder rechtlich verbindliche Emissionszie-le Gemaumlszlig dem Grundsatz der bdquogemeinsamen aber dif-ferenzierten Verantwortungldquo liegen die Gruumlnde hierfuumlr

99 Der komplette Vertragstext des Protokolls kann unter httpwwwunfcccintresourcedocsconvkpkpgerpdf abgerufen werden ndash dort sind auch die Emissionsziele aller Industriestaaten im Anhang B verzeichnet Die EU hat ihr 8-Ziel allerdings im bdquoBurden Sharing Agreementrdquo modifiziert so dass manche EU-Staaten staumlrkere und andere schwaumlchere Emissionsziele haben (siehe httpwwwclimnetorgresourceseuburdenhtm und httpwwwgermanwatchorgfolieneu-etfolie003htm)

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vor allem darin dass sie ndash sowohl bezuumlglich der histori-schen Gesamt- als auch der aktuellen Pro-Kopf-Emissio-nen ndash mit Abstand die meisten Treibhausgasemissionen verantworten Hinzu kommt dass sie wirtschaftlich und technologisch leistungsfaumlhiger sind und damit einen groumlszligeren Handlungsspielraum fuumlr Investitionen in Kli-maschutzmaszlignahmen haben

Der Ausstieg der USA aus dem Kyoto-Protokoll unter Praumlsident G W Bush im Maumlrz 2001 war ein herber Ruumlck-schlag aber die internationale Staatengemeinschaft fuumlhrte die Verhandlungen um die Umsetzung des Kyo-to-Protokolls zur Uumlberraschung vieler Beobachter den-noch weiter Die von dem Unternehmerverband e5 dem World Wide Fund for Nature (WWF) und Germanwatch in Gang gebrachte Unternehmerinitiative e-mission55 gab den Verhandlungen in der entscheidenden Phase Ruumlckenwind Uumlber 200 Firmen aus der EU Japan Kana-da und Russland hatten sich unter dem Motto bdquoKyoto into forceldquo (Kyoto in Kraft setzen) zusammengeschlos-sen und damit offen demonstriert dass groszlige Teile der Wirtschaft ndash trotz des Ausscheidens der USA ndash hinter dem Kyoto-Protokoll stehen100 Auf dem Bonner Kli-magipfel im Juli 2001 konnte schlieszliglich eine Einigung uumlber die wichtigsten Streitfragen erzielt werden u a uumlber Detailfragen bezuumlglich der bdquoflexiblen Mechanis-menldquo Der letzte bdquoFeinschliffldquo erfolgte wenige Monate spaumlter auf dem Klimagipfel in Marrakesch Die rechtlich bedeutsamen Ausfuumlhrungsbestimmungen des Kyoto-Protokolls waren nun praumlzise genug ausgestaltet um von den noch zoumlgernden Laumlndern ratifiziert zu werden Fuumlr das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls mussten 55 Staaten die mindestens 55 Prozent der Treibhausgas-emissionen der Industrielaumlnder von 1990 abdeckten das Abkommen ratifizieren Dies wurde erst durch die Rati-fikation Russlands im November 2004 erreicht so dass das Protokoll drei Monate spaumlter am 16 Februar 2005 in Kraft treten konnte

Danach haben die UNFCCC-Verhandlungen insbeson-dere durch die sich aus dem 4 Sachstandsbericht des IPCC ergebende Dringlichkeit im Jahr 2007 an neuer Dynamik gewonnen Beim Klimagipfel im indonesischen Bali (Dezember 2007) wurde die so genannte bdquoBali Road-mapldquo beschlossen bdquoRoadmapldquo deshalb weil sie einen Verhandlungsfahrplan mit dem Ziel einer umfassenden Einigung bis zum Klimagipfel 2009 in Kopenhagen dar-stellte Kern element dieser von allen Mitgliedsstaaten der Konvention mitgetragenen Vereinbarung war der Bali-Aktionsplan101 Er setzte einen intensiven Verhand-lungsprozess zur bdquovollstaumlndigen wirksamen und fort-laufenden Umsetzung der Konvention durch eine lang-fristige kooperative Zusammenarbeit heute bis und jenseits des Jahres 2012ldquo102 in Gang Getragen von der im IPCC-Bericht ausgedruumlckten Dringlichkeit ndash der Ak-tionsplan verweist auf die IPCC-Ausfuumlhrungen dass die Industrielaumlnder ihre Emissionen bis 2020 um 25-40 Pro-

zent gegenuumlber 1990 verringern muumlssten ndash skizzierte er vier Verhandlungsbloumlcke mit jeweils einer Reihe von Un-terthemen Im Zentrum standen dabei gleichgewichtig die Vermeidung von Emissionen (Mitigation) sowie die Anpassung an die Klimafolgen (Adaptation) unterstuumltzt durch Finanzierung und Technologie Fuumlr die Kyoto-Staaten ging es dabei vor allem um die Ausgestaltung der zweiten Verpflichtungsperiode fuumlr den Zeitraum nach 2012 denn es war von Anfang an klar dass Kyoto I (2008 bis 2012) nur ein erster und bei weitem nicht ausreichen-der Schritt sein konnte Fast alle Industriestaaten die Kyoto ratifiziert haben werden aller Voraussicht nach die gesetzten Klimaziele erreichen Nur Kanada verwei-gert das weil sein groszliger Wettbewerber USA nicht mit-macht Eventuell koumlnnte es ndash nach Fukushima ndash auch fuumlr Japan schwierig werden die Klimaziele zu erreichen

Doch hat der IPCC sehr deutlich gemacht dass das 2 degC-Limit alleine durch Klimaschutz in den Kyoto-In-dustrielaumlndern nicht zu erreichen sein wird Ein ganz zentraler Knackpunkt ist daher die Frage zu welcher Art von Verpflichtung sich die USA als damals noch groumlszligter CO2-Emittent und Nicht-Kyoto-Mitglied bereiterklauml-ren wuumlrden und ndash mindestens ebenso wichtig ndash welche Ambition und rechtliche Form der Klimaschutz in den Schwellenlaumlndern und spaumlter auch in anderen Entwick-lungslaumlndern haben wuumlrde Wenngleich der Aktionsplan noch keine Verpflichtung zu Maszlignahmen sondern nur zu Verhandlungen uumlber bestimmte Maszlignahmen darstell-te war er doch maszliggeblich fuumlr den darauf folgenden zweijaumlhrigen Verhandlungsprozess der in der Klimakon-ferenz von Kopenhagen gipfelte

63 Die Klimagipfel von Kopen-hagen und Cancuacuten

Wie nie zuvor bei einer Klimakonferenz richteten sich im Dezember 2009 die Augen der Welt auf Kopenhagen Mit fast 30000 Teilnehmern war es die groumlszligte Klima-konferenz uumlberhaupt Kein anderes Ereignis hat jemals in aumlhnlichem Ausmaszlig dazu beigetragen das Thema auf die Agenda der Regierungschefs weltweit zu setzen Jedoch zeigte sich dass diese hohe Aufmerksamkeit kein Garant fuumlr politischen Erfolg war Zu Beginn der Verhandlungen war bereits klar dass die Chancen auf ein umfassendes rechtlich verbindliches Abkommen in Kopenhagen sehr gering waren Die von den Verhandlern in knapp zwei Jahren ausgehandelten Texte waren umfassend kom-plex und gleichzeitig noch mit Hunderten von Klammern ndash der Ausdruck fuumlr fehlenden Konsens ndash versehen als zunaumlchst die Minister und dann die Staats- und Regie-rungschefs in Kopenhagen eintrafen

Es kam die gesamte politische Fuumlhrungselite der Welt nach Kopenhagen Mehr als 120 Staats- und Regie-

100 Siehe auch Germanwatch 2008101 Der Bali-Aktionsplan kann abgerufen werden unter httpunfcccintresourcedocs2007cop13eng06a01pdfpage=3102 UNFCCC 2007 3

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rungschefs vom US-Praumlsidenten Barack Obama bis hin zu Chinas Ministerpraumlsident Wen Jiabao Von der deut-schen Kanzlerin Angela Merkel bis hin zum Praumlsidenten der Malediven Mohamed Nasheed Der Klimawandel sei bdquoeine der groumlszligten Herausforderungen unserer Zeitldquo heiszligt es dann auch im Kopenhagen-Akkord dem zentra-len Abschlussdokument der Konferenz103 Jetzt sei die Zeit vom Reden zum Handeln uumlberzugehen hatte ein Regierungschef nach dem anderen beschworen Doch mit dem Kopenhagen-Akkord gelang dieser Durchbruch nicht Zum einen da er nur bdquozur Kenntnis genommenldquo und nicht als formelle Entscheidung verabschiedet wurde Denn sowohl aus prozeduralen wie auch aus in-haltlichen Gruumlnden war die Vereinbarung von einigen Laumlndern darunter kleine Inselstaaten wie Tuvalu und la-teinamerikanische Staaten wie Venezuela und Bolivien abgelehnt worden

Schon vor der Konferenz war klar dass drei zentrale Kriterien uumlber Erfolg oder Misserfolg der Konferenz maszliggeblich entscheiden wuumlrden Die Festlegung von Reduzierungszielen die die Erwaumlrmung auf unter 2 Grad oder sogar 15 Grad begrenzen wuumlrden Zusagen fuumlr finanzielle Unterstuumltzung zum Klimaschutz und zur An-passung sowie eine voumllkerrechtlich verbindliche Form des Abkommens In allen Bereichen ist der Kopenhagen-Akkord hinter dem immer dringlicher Notwendigen zu-ruumlckgeblieben

Die Ergebnisse von Kopenhagen muumlssen im Nachhinein in engem Zusammenhang mit dem darauf folgenden Kli-magipfel im mexikanischen Cancuacuten bewertet werden der im Dezember 2010 stattfand Hier ging es vor allem

darum Beschluumlsse von Kopenhagen mindestens auf glei-chem Niveau zu bdquoformalisierenldquo also als offizielle Ent-scheidung durch alle Staaten zu verabschieden in dem klaren Verstaumlndnis dass es eher um eine Absicherung von Minimalverpflichtungen ging als Grundlage fuumlr eine zukuumlnftig groumlszligere Ambition

Was wurde in Cancuacuten im Vergleich zu Kopenhagen er-reicht Schon im Laufe des Jahres 2010 zeichnete sich eine zentrale Grundlage fuumlr die Entscheidungen von Cancuacuten ab naumlmlich die Integration derjenigen Texte die auf Verhandlerebene zu den unterschiedlichsten Themen auch in Kopenhagen diskutiert und in 2010 weiterent wickelt worden waren mit den Inhalten des Kopenhagen-Akkord der von mehr als 140 Laumlndern offi-ziell unterstuumltzt wurde So wurde in Cancuacuten neben vielen Einzelentscheidungen ein umfassendes Dokument auf der Konventionsebene sowie eines auf Kyoto-Ebene an-genommen Die zentralen Ergebnisse waren die folgen-den die maszliggeblich auf den Beschluumlssen von Kopenha-gen aufbauten und zum groszligen Teil in den Folgejahren weiter ausgearbeitet werden muumlssen 104

rarr Es ist gelungen erstmals in einem UN-Konsens der gesamten Staatengemeinschaft das 2 degC-Limit als die Messlatte fuumlr die angestrebten Klimaschutzaktivitaumlten zu verankern Zwar war dies auch schon im Kopenhagen-Akkord enthalten aber eben nicht von allen Staaten formell angenommen worden

rarr Es ist gelungen einige groszlige Klimaschutzpakete zu verabschieden die eigentlich schon in Kopenhagen haumlt-ten verabschiedet werden sollen

Der UN-Klimagipfel 2009 in Kopenhagen Photo IISD

103 S Germanwatch 2009104 Germanwatch 2010a

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nEin Paket zur Anpassung der besonders betroffenen Staaten an die Konsequenzen des Klimawandels Mit dem bdquoCancuacuten Adaptation Frameworkldquo hat man ne-ben grundsaumltzlichen Aspekten wie Prinzipien fuumlr die Umsetzung von Anpassungsmaszlignahmen und einer Liste moumlglicher Aktivitaumlten auch konkrete Prozesse angestoszligen Dazu gehoumlren ein besonderer Unterstuumlt-zungsprozess fuumlr LDCs bei der Anpassungsplanung die Einrichtung einer Institution unter der UNFCCC fuumlr eine kohaumlrentere Behandlung des Themas in den Klimaverhandlungen

nEin Paket zum Schutz des Regenwaldes Aus Kli-maschutzgesichtspunkten ist der Schutz der Waumll-der wegen ihrer Funktion als CO2-Speicher zentral Entwaldung verwandelt den CO2-Speicher in eine CO2-Quelle durch die sich die Temperaturerhoumlhung weiter verschaumlrft Wenngleich in Cancuacuten noch keine konkreten Finanzierungsinstrumente fuumlr den Walder-halt beschlossen wurden hat man sich doch auf wich-tige Grundprinzipien die die soziale und oumlkologische Integritaumlt von Klimaschutz im Waldbereich sichern sollen geeinigt

nEin Paket zur Technologiekooperation das einen Technologiemechanismus unter der UNFCCC beinhal-tet der durch die Etablierung eines Technologie-Ko-mitees und den Aufbau eines Netzwerks von Techno-logiezentren die Technologiekooperation befoumlrdern soll

nEinen Finanzierungsfonds (bdquoGreen Climate Fundldquo) der Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung finanzieren soll Dessen Leitungsgremium (bdquoBoardldquo) wird zur Haumllfte von Industrie- und zur Haumllfte von Ent-wicklungslaumlndern besetzt Mit dem Kopenhagen-Ak-kord hatten die Staats- und Regierungschefs bereits den Weg fuumlr die Gruumlndung dieses Fonds geebnet Jedoch gab es sehr unterschiedliche Vorstellungen daruumlber wie die Verbindung des Fonds zum UNFCCC-Prozess aussehen sollte da insbesondere die USA starke Einwaumlnde gegen einen Fonds unter der Aumlgide des Konventionsprozess hatten Letztendlich hat die Entscheidung einen Mittelweg aufgezeigt Die finan-zielle Groumlszligenordnung steht noch nicht fest jedoch ist klar dass der bdquoGreen Climate Fundldquo nur eine Exis-tenzberechtigung hat wenn er ein sehr viel groumlszligeres Volumen haben wird als bisherige Fonds

nEs ist gelungen die freiwilligen Selbstverpflichtun-gen der Staaten die diese im Kopenhagen-Akkord eingereicht hatten in eine formale UN-Entscheidung zu integrieren Das erhoumlht z B den internationalen Druck auf die US-Regierung trotz politischen Wider-standes zuhause bei ihrem im Kopenhagen-Akkord bestaumltigten nationalen Ziel zu bleiben die Emissionen bis 2020 um 17 Prozent zu senken Eine Entscheidung

eines hohen US-Gerichts in Washington machte prak-tisch zeitgleich mit dem Ende des Cancuacuten-Gipfels den Weg frei fuumlr die ersten CO2-Standards in den USA Die Unternehmen mit dem groumlszligten CO2-Ausstoszlig so-wie der Staat Texas wollten die Klimaschutzregeln verhindern die auf dem Weg zu den notwendigen Re-duktionen einen wichtigen Beitrag spielen koumlnnen

nEs ist in beiden Cancuacuten-Vereinbarungen (als Ergeb-nis der Kyoto- und der Konventionsverhandlungen) festgehalten dass die Staaten ihre freiwilligen Ziele nachbessern sollen Das bedeutet einen Paradigmen-wechsel gegenuumlber der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls die Maximalziele definiert hat Die zunaumlchst vereinbarten Reduktionsziele bis 2020 verstehen sich als Minimalziele die in den kommen-den Jahren angehoben werden sollen Zwischen 2013 und 2015 soll es im Rahmen der Verhandlungen unter der Konvention dann eine Uumlberpruumlfung (bdquoReviewldquo) u a dazu geben mit welcher Strategie die verblei-bende Luumlcke zum 2-degC-Limit geschlossen werden kann Dies ist dringend notwendig da die im Zuge von Kopenhagen gemachten Klimaschutzzusagen der Industrie- und Entwicklungslaumlnder zu einer durch-schnittlichen globalen Temperaturerhoumlhung im Be-reich von 4 degC oder mehr fuumlhren koumlnnten105

nDas Zwischenergebnis fuumlr die Verhandlungen unter dem Kyoto-Protokoll wird fuumlr die Industrielaumlnder noch konkreter Diese sollen ihre Ziele so nachbes-sern dass dies im Durchschnitt 25-40 Prozent Reduk-tion bis 2020 gegenuumlber 1990 ergibt (Der IPCC sieht diese Reduktion als notwendig an um den Tempera-turanstieg mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit auf we-niger als 2 degC begrenzen zu koumlnnen)

nAlle Industrielaumlnder haben sich in Cancuacuten verpflich-tet bdquoLow-Carbon Development Plansldquo (Plaumlne fuumlr eine Entwicklung in Richtung einer CO2-armen Gesell-schaft) oder entsprechende Strategien zu entwickeln ndash allerdings bisher ohne zeitliche Vorgabe

nIm Bereich Langfrist-Finanzierung wurde das in Ko-penhagen gemachte Versprechen der Industrielaumln-der bestaumltigt bis zum Jahr 2020 die Finanzierung fuumlr Klima- und Regenwaldschutz sowie Anpassung auf 100 Milliarden Dollar pro Jahr steigen zu lassen Der hierfuumlr aumluszligerst relevante Bericht der von Ban Ki- moon eingesetzten Arbeitsgruppe zur Langfristfi-nanzierung (AGF) wurde von der Konferenz zwar zur Kenntnis genommen106 Es wurde jedoch kein Prozess vereinbart im Jahr 2011 die Einfuumlhrung moumlglicher Finanzierungsinstrumente konkreter zu behandeln

nIm Gegenzug werden die Schwellen- und Entwick-lungslaumlnder aufgefordert so genannte bdquoLow-Carbon-Developmentldquo- Strategien oder -Plaumlne einzureichen

105 UNEP 2010106 Weitere Informationen zum AGF-Bericht siehe wwwgermanwatchorgklikoks46htm

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Diese sollen zeigen was ein Land ohnehin fuumlr den Klimaschutz tut und fuumlr welche Gesetzesvorhaben oder Aktivitaumlten es internationale Unterstuumltzung (Finanzen Technologie Capacity Building) braucht Es wird ein internationales Register aufgebaut das das Zusammenbringen erleichtert zwischen konkre-ten Anfragen (mit geschaumltzten Kosten und Emissions-reduktionen) und dem dafuumlr bestimmten Teil der in-ternationalen Finanzstroumlme

nChina hat in Cancuacuten schlieszliglich auf der Basis eines Vor schlags von Indien in der Frage der internationalen Uumlberpruumlfung der nationalen Klimaschutzaktivitaumlten den Weg zur notwendigen Transparenz der Maszlignah-men in Schwellenlaumlndern frei gemacht Dieses Thema war bereits in Kopenhagen ein zentraler Konflikt ins-besondere zwischen den USA und China gewesen Die Aktivitaumlten werden zwar national gemessen berich-tet und verifiziert aber anhand von unter der Konven-tion vereinbarten Richtlinien Die alle zwei Jahre vom entsprechenden Land vorgelegten Zwischenberichte werden dann international von Experten diskutiert und ein entsprechender Bericht wird vorgelegt

nBeinahe gescheitert waumlre der Gipfel von Cancuacuten an der Frage der zweiten Verpflichtungsperiode fuumlr das Kyoto-Protokoll Ein Kompromiss basierend auf bdquokonstruktiver Zweideutigkeitldquo hat hier den Weg frei gemacht Die Industriestaaten (mit Ausnahme der USA) verhandeln die zweite Verpflichtungsperio-de des Kyoto-Protokolls so zuumlgig zu Ende dass keine Luumlcke nach dem Auslaufen der ersten Verpflich-tungsperiode (2012) entsteht Es bleibt aber zu-naumlchst offen ob die Reduktionsziele dann tatsaumlchlich im Rahmen des Kyoto-Protokolls festgeschrieben werden oder ob die Verhandlungsergebnisse in ei-nem groumlszligeren gemeinsamen Rahmenabkommen an dem auch die Schwellenlaumlnder sowie die USA teilnehmen fixiert werden Angesichts des starken Widerstands von Laumlndern wie Japan Russland und Kanada besteht allerdings kein Grund fuumlr groszligen Optimismus dass es tatsaumlchlich zu einer umfassenden 2 Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls kom-men wird

Die Cancuacuten-Vereinbarungen stellen einen gewissen Teil-erfolg fuumlr den UNFCCC-Prozess dar der allerdings nicht daruumlber hinwegtaumluschen darf dass die Luumlcke zwischen politischer Ambition und wissenschaftlicher Dringlich-keit nach wie vor unakzeptabel groszlig ist Die Welt steuert auf eine Temperaturerhoumlhung von drei bis vier Grad in diesem Jahrhundert zu Es bedarf daher vielfaumlltiger Initi-ativen innerhalb und auszligerhalb des UNFCCC-Prozesses um diese Luumlcke so schnell wie moumlglich zu verkleinern

64 Handeln ndash Verhandeln ndash Koa-litionen Grundlage einer klima-politischen Aufwaumlrtsspirale

Das Verkleinern dieser Luumlcke bedarf eines dynamisches Zusammenspiels von drei Dimensionen Handeln in Poli-tik und Wirtschaft das weitere Verhandeln eines inter-nationalen Rahmens und die Koalition von Akteuren die Dynamik erzeugen wollen bzw koumlnnen

n Erste Dimension Handeln

Waumlhrend der Wirtschaftskrise der vergangenen zwei Jahre waren weltweit Energieeffizienz und Erneuer-bare Energien die Wirtschaftsmotoren Ein Blick auf die Entwicklung der Erneuerbaren Energien zeigt Im Jahr 20082009 wurden sowohl in Europa als auch in den USA Kraftwerke zur Nutzung Erneuerbarer Energien mit einer Stromleistung in Betrieb genommen die die Kapazitaumlt der neuen Kohle- Gas- und Kernkraftwerke des gleichen Zeitraums deutlich uumlbertrifft Im Jahr 2009 machten die Erneuerbaren Energien 60 Prozent der neu zugebauten Kraftwerkskapazitaumlt in Europa aus ndash und be-reits fast 20 Prozent der jaumlhrlichen Stromproduktion In China bdquoexplodiertldquo der Ausbau Erneuerbarer Energien geradezu mit 37 Gigawatt Leistung wurde dort 2009 fast die Haumllfte der neuen weltweiten Kapazitaumlt (80 GW) hinzugebaut Immer mehr spricht dafuumlr dass sich die wirtschaftlichen Chancen der Staaten weltweit maszlig-geblich daran orientieren werden wer bei Energieeffizi-enz und Erneuerbaren Energien die Nase vorne hat Fuumlr viele Entwicklungslaumlnder bietet sich jetzt die Gelegen-heit von vornherein ihre Infrastruktursysteme nachhal-tiger und effizienter aufzubauen als dies bisher in den Industrielaumlndern der Fall war waumlhrend diese mit dem Umbau ihrer existierenden Systeme vor einer enormen Herausforderung stehen Verschiedene Studien zeigen aber dass in der EU und Deutschland die Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien bis Mitte des Jahrhunderts moumlglich ist und dies ohne groszlige Zusatzkosten und bei gleicher Netzsicherheit107 Es gibt keinen Grund fuumlr die Staaten mit dem Handeln zu warten

n Zweite Dimension Verhandeln

Eine internationale Rahmensetzung kann nicht nur die Dynamik internationale Vergleichbarkeit und recht -liche Verbindlichkeit sichern Sie kann auch dafuumlr sor-gen dass nicht allein das Recht des Staumlrkeren den Aus-gang des Wettrennens in das Solarzeitalter bestimmt Sie kann dafuumlr sorgen dass auch die Lahmen und Brem-ser schrittweise mitkommen Sie ist auszligerdem wichtig um auch die internen Bremser in den Vorreiterstaaten uumlberzeugen zu koumlnnen

107 ECF 2010

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n Dritte Dimension Koalitionen

Sowohl zur Beschleunigung des Handelns als auch fuumlr neue Dynamik beim Verhandeln bedarf es neuer Koali-tionen mit den besonders betroffenen Staaten mit den Vorreiterstaaten sowie mit den Schwergewichten unter den Staaten Die Etablierung von neuen Formen der Zu-sammenarbeit die sich in den Klimaverhandlungen ab-zeichnen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin

Cancuacuten hat die in diesen Gipfel gesetzten Erwartungen erfuumlllt Damit wurde in Mexiko zumindest die Grund-lage fuumlr eine dynamisierende Aufwaumlrtsspirale gelegt Zunaumlchst ging es darum ein Mindestfundament einzu-ziehen um die bei den Industrielaumlndern sichtbare Ab-waumlrtsspirale nach Kopenhagen zu stoppen Dies wurde in Cancuacuten geleistet und muss in den folgenden UN-Kli-makonferenzen (z B Suumldafrika 2011) und anderen Pro-zessen ergaumlnzt werden Auch der Rio+20-Gipfel der im Mai 2012 stattfinden soll und Themen wie bdquogruumlne Wirt-schaftldquo und das globale umweltpolitische Institutionen-system auf seiner Agenda haben wird bietet hier eine groszlige politische Chance (Phase 1)

Zugleich wurden die naumlchsten bdquoSpiraldrehungenldquo nach oben vorgezeichnet Dass die Staaten jetzt ihre zu schwachen Ziele nachbessern sollen gehoumlrt zu den auf-

waumlrtstreibenden dynamisierenden Elementen Bis 2015 soll durch einen bdquoReviewldquo-Prozess die dann noch ver-bleibende Luumlcke zum Ziel bdquo2 degCldquo bestimmt werden und der Klimagipfel dann ndash basierend auf dem Review ndash die angemessenen Aktionen beschlieszligen (Phase 3) Das Ende dieses Reviews folgt ein Jahr nach der Veroumlffent-lichung des naumlchsten IPCC-Berichts (fuumlr 2014 geplant) der sehr wahrscheinlich ndash dies zeichnet sich in der wis-senschaftlichen Fachliteratur ab ndash die Dringlichkeit des globalen Klimaschutzes nachdruumlcklich untermauern und so hoffentlich als weiteres dynamisierendes Element ein zusaumltzliches politisches Momentum schaffen wird

65 EU Deutschland und China als Vorreiter

Auch wenn immer mehr Staaten die Chancen des Klima-schutzes sehen ist es fuumlr die internationale klimapoliti-sche Debatte zentral dass es Vorreiter gibt die zeigen dass sie bereits heute den politischen Willen besitzen den notwendigen energiepolitischen Strukturwandel einzuleiten Es geht darum den Nachweis zu fuumlhren dass ein Wohlstandsmodell jenseits der fossilen Ener-gietraumlger moumlglich und zuumlgig umsetzbar ist Um die Emis-sionen bis Mitte des Jahrhunderts um bis zu 95 Prozent

Abb 25 Die drei Phasen der angestrebten Aufwaumlrtsspirale des internationalen Klimaschutzes

Quelle Eigene Darstellung

Phase dreiTop-Down-Ansatzbull Nachbesserung der Reduktions-

und Finanzzielebull Weitere Aktionspakete werden

vereinbartumgesetztbull Rechtlich verbindliche Ziele

Phase einsBottom-Up-Ansatzbull Freiwillige Ziele und Aktions-

pakete werden formalisiertbull Erste Pakete (Regenwald usw)

werden umgesetztbull Phase drei wird angelegt

Phase zweiDynamisierende Elementebull Erste Pakete sind umgesetzt bull China und EU bewegen sich uumlber

Minimalziele hinausbull Vorreiterkoalitionen bilden sichbull Gemeinsame Anrechnungsregeln

und rechtlicher Charakter geklaumlrtbull Langfristfinanzierung gesichertbull Roadmaps vor Rio plus 20bull IPCC betont Dringlichkeit und

Kosten des Wartens

2014-15

2010-11

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in den Industrielaumlndern zu senken bedarf es fruumlhzeitiger wirtschaftspolitischer Weichenstellungen denn viele Investitionen gerade im Energiebereich werden nur auf Basis langfristiger Kalkulationen getaumltigt Werden heute Kohle- oder Atomkraftwerke gebaut sollen sie normalerweise 40 Jahre oder laumlnger betrieben werden Fuumlr eine EU die derzeit recht mutlos nach einer neuen Vision sucht kann dieses neue Wohlstandsmodell ver-bunden mit der Rolle einer bdquosoft powerldquo die statt auf Rohstoffkriege auf internationale Kooperation im Sinne der Klima- und Energiesicherheit setzt ein Aufbruchs-signal sein Die EU und Deutschland koumlnnen hier eine Schluumlsselrolle spielen indem sie jetzt entsprechende Rahmenbedingungen setzen die allen Akteuren in den Bereichen Energie Verkehr Gebaumlude sowie Land- und Fortwirtschaft signalisieren Wir stellen jetzt die Wei-chen fuumlr die notwendige groszlige Transformation

In der Vergangenheit war die EU oft das klimapolitische Zugpferd wenn auch meist nicht mit der notwendigen Dynamik Im Fruumlhjahr 2007 setzte sie sich als erster grouml-szligerer Zusammenschluss von Industrielaumlndern Emissions-minderungsziele fuumlr 2020 20 Prozent Verringerung der Emissionen gegenuumlber 1990 ndash 30 Prozent wenn andere Industrielaumlnder und Schwellenlaumlnder ihren angemesse-nen vergleichbaren Beitrag leisten Dementsprechend wurden im Jahr 2008 auch klimapolitische Gesetzge-bungen beschlossen z B die Reform des Europaumlischen Emissionshandelssystems die Vereinbarung von ndash aller-dings nicht verbindlichen ndash Energieeffizienzzielen sowie von Zielen fuumlr den Ausbau der Erneuerbaren Energien

Nach der Wirtschaftskrise und aufgrund des zuumlgigen Aufbaus von Quellen fuumlr Erneuerbare Energien zeigt sich allerdings dass dieses 20-Prozent-Ziel nicht mehr besonders ambitioniert ist und nicht die notwendigen klimapolitischen Impulse entfaltet Deshalb halten es immer mehr Akteure fuumlr sinnvoll und notwendig dass die EU ihr Emissionsziel auf 30 Prozent erhoumlht unab-haumlngig davon was andere Laumlnder machen So sieht der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung fuumlr Glo-bale Umweltfragen in einem solchen Ziel verknuumlpft mit der Langfristversion einer vollstaumlndig erneuerbaren Energieversorgung nicht nur das Potenzial einer neuen und nachhaltigen Wirtschaftsdynamik Dies wird auch als notwendiger Schritt fuumlr eine bdquoglaubwuumlrdige Basis fuumlr eine Kooperation mit Entwicklungs- und Schwellenlaumln-dernldquo108 gesehen

Ab Mitte 2011 will die Europaumlische Union erneut uumlber das 30-Prozent-Ziel beraten Der Einigung stand zu-naumlchst der Widerstand insbesondere einiger osteuropauml-ischer Laumlnder vor allem Polens entgegen Aufgrund sei-nes extrem hohen Anteils an Stromerzeugung aus Kohle fuumlrchtet das Land wirtschaftliche Lasten aus solch einem Klimaschutzziel Eine engere Zusammenarbeit gerade im

Bereich Energieeffizienz z B zwischen Deutschland und Polen koumlnnte einen Beitrag zu einer Loumlsung dieses politi-schen Problems leisten

Die deutsche Regierung ist in der Frage des 30-Prozent-Ziels zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium um-stritten ndash und leider hat die Bundeskanzlerin von ihrer Richtlinienkompetenz hier bisher keinen konstruktiven Gebrauch gemacht Ohne eine starke Rolle der groumlszligten Energie- und Wirtschaftsnation der EU kann der Durch-bruch fuumlr das 30-Prozent-Ziel jedoch nicht gelingen

Die deutsche Bundesregierung hat im Herbst 2010 ein neues Energiekonzept beschlossen das weit mehr als nur die zu Recht kritisierte Verlaumlngerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke enthaumllt109 Dieses Energiekonzept beinhaltet das Ziel die deutschen CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 und um 80 bis 95 Prozent bis 2050 zu senken (gegenuumlber 1990) Dieses soll durch eine Viel-zahl gesetzlicher Maszlignahmen erreicht werden Laut Bundesregierung sollen die Erneuerbaren Energien bis 2050 etwa 80 Prozent der Stromversorgung und den Hauptteil der Energieversorgung uumlbernehmen obgleich viele Studien zeigen dass auch 100 Prozent im Bereich des Moumlglichen und wirtschaftlich Sinnvollen sind Die Regierung setzt sich erfreulicherweise fuumlr ein moder-nes und leistungsfaumlhiges Stromnetz ein Sie setzt auch deutliche Effizienzziele im Gebaumludebereich auch wenn diese abgeschwaumlcht wurden Die Bundesregierung kuumln-digt damit an den Weg ins erneuerbare Zeitalter einzu-schlagen Gleichzeitig setzt das Konzept allerdings stark auf Atomenergie und auch weiterhin auf Kohle Zudem wurden zahlreiche Maszlignahmen die zur Zielerreichung notwendig waumlren nicht beschlossen

Insgesamt meinen daher viele Akteure dass die gesetz-ten Effizienz- und Klimaziele so nicht erreicht werden koumlnnen110 So sollen die Laufzeitverlaumlngerungen fuumlr Atomkraftwerke ndash neben den Erloumlsen des Emissions-handels ndash einen neuen Klima- und Energiefonds fuumlr den kosteneffizienten Uumlbergang zu Erneuerbaren Energien finanzieren Sie schraumlnken aber zugleich die Einnah-men aus dem Emissionshandel fuumlr den gleichen Zweck ein Die im Rahmen des Energiekonzepts vereinbarte Einrichtung eines Sondervermoumlgens zur dauerhaften Finanzierung von nationalen und internationalen Klima-maszlignahmen war ein weiterer innovativer Schritt der eine groumlszligere Verlaumlsslichkeit der Finanzierung bringen kann Trotz aller Unzulaumlnglichkeiten ist die grundsaumltz-liche Ambition des Energiekonzepts jedoch ein Zeichen dafuumlr dass es immer mehr darum geht wie ambitionier-te Klimaziele erreicht werden sollen und immer weniger darum ob ambitionierter Klimaschutz notwendig ist

Waumlhrend dieser Text geschrieben wird will die Bundes-regierung nun ausgeloumlst durch den Schock der Reaktor-

108 WBGU 2010109 Bundesregierung 2010110 S z B Germanwatch 2010a Wuppertal Institut 2010

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katastrophe in Japan einen beschleunigten Ausstieg aus der Atomkraft sowie einige der fehlenden Maszlignahmen zur Zielerreichung beschlieszligen Es ist derzeit (Mitte April 2011) noch nicht absehbar welche Luumlcke zwischen verkuumlndeten Zielen und beschlossenen Maszlignahmen nach diesen Beschluumlssen noch klaffen wird

Neben den Industriestaaten muumlssen auch Schwellen-laumlnder deren Emissionen aufgrund des mit dem Wirt-schaftswachstum einhergehenden Verbrennens fossiler Energietraumlger schnell zunehmen so bald wie moumlglich ihre Klimaschutz-Ambition erhoumlhen Der groszlige Anstieg der Treibhausgasemissionen findet ganz uumlberwiegend hier statt Eine effektive Klimapolitik ist in den Schwel-lenlaumlndern zum heutigen Zeitpunkt deshalb so wichtig weil in der industriellen Aufbauphase langfristig ent-scheidende Investitionen getaumltigt werden die gerade auch die Energieversorgung des Landes uumlber einen lan-gen Zeitraum festlegen Vom Ausbau der Energieeffizi-enz und der Nutzung Erneuerbarer Energien profitieren Schwellenlaumlnder abgesehen von der verbesserten Luft-qualitaumlt ebenfalls durch die staumlrkere Unabhaumlngigkeit von Rohstoffimporten Eine solche Strategie wirkt sich als Versicherung gegen immer haumlufiger schwankende Energiepreise aus

China ist derzeit sicherlich das klimapolitisch span-nendste und bedeutendste Schwellenland das sich gerade durch seine Widerspruumlchlichkeit auszeichnet Dort werden nach wie vor die meisten Kohlekraftwerke weltweit gebaut und das Milliardenreich hat die USA laumlngst beim Treibhausgasausstoszlig uumlberholt (wenngleich mit einem deutlich geringeren Pro-Kopf-Ausstoszlig) In den Klimaverhandlungen tritt China in gewisser Weise als Gegenpol zu den USA auf wobei der Klimagipfel von Cancuacuten gezeigt hat dass hier konstruktive Fortschritte moumlglich sind Allerdings und das wird in der Oumlffentlich-keit haumlufig unzureichend behandelt hat das Land in den beiden letzten Jahren mehr in Richtung Klimaschutz ge-tan als fast jeder andere Staat der Welt China ist laumlngst zur fuumlhrenden Weltmacht bei der Herstellung und Im-plementierung Erneuerbarer Energien geworden Und es werden nicht nur neue Kraftwerke in Betrieb genom-men Tausende von ineffizienten Kraftwerken und Un-ternehmen sind im Jahr 2010 geschlossen worden ndash mit der Folge groszliger sozialer Probleme ndash um das Land den selbst gesteckten Energieeffizienzzielen naumlher zu brin-gen Staumldten die Effizienzmaszlignahmen nicht umsetzen wird zeitweise der Strom abgeschaltet In den naumlchsten Jahren will China das Zubautempo der Kohlekraftwerke halbieren waumlhrend der Ausbau der Erneuerbaren Ener-gien schneller vorangeht als urspruumlnglich geplant111

Wenn das Land allerdings nicht massenweise neue Koh-lekraftwerke stilllegt lassen sich ernsthafte Klimaziele in China nur erreichen wenn CO2 aus Abgasen heraus-

gefiltert und geologisch tief gelagert wird (so genanntes bdquoCarbon Capture and Storageldquo CCS) Nach der Durch-fuumlhrung von 20 Pilotprojekten haben nun zwei groumlszlige-re Demonstrationsprojekte von 250 bis 400 Megawatt Leistung Prioritaumlt die bis 2016 in Betrieb gehen sollen Die Regierung erwartet ndash und daran kann der ganze Ansatz scheitern ndash dass die Industrielaumlnder die Zusatz-kosten fuumlr CCS schultern Im Nordosten Chinas wurden erste Untersuchungen zu CO2-Speicherstaumltten durchge-fuumlhrt die mit der Identifikation einer Speicherkapazitaumlt von 600 Megatonnen CO2 zu positiven Ergebnissen ka-men Wenn CCS eine groumlszligere Rolle als nur eine Nische ausfuumlllen soll muumlssen weitere Untersuchungen von salz-wasserfuumlhrenden Gesteinsschichten und leeren Oumll- und Gasfeldern folgen

Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt dass es in diesem groszligen vielfaumlltigen Land nicht einfach ist die zentral gesteckten Ziele auf den verschiedenen Ebenen zu erreichen Die Emissionen wachsen weiterhin stark an Das Erreichen der Ziele haumlngt in China daher zum ei-nen von einer besseren Durchsetzung der eingefuumlhrten Gesetze ab In Teilen der chinesischen Regierung setzt sich die Erkenntnis durch dass die massive Nutzung von Energieeffizienz und dezentralen Erneuerbaren Energie-traumlgern ohne eine aktive Zivilgesellschaft nicht gelingen kann ndash eine in mancher Hinsicht spannende Perspektive Zum anderen wird aber auch entscheidend sein in wel-cher Form sich Partnerstaaten gerade auch der Export-weltmeister Deutschland und die EU hier engagieren Durch bilaterale Energie- und Klimaabkommen Techno-logiepartnerschaften Austausch zwischen Niedrigemis-sionsregionen in China und der EU und die Beratung bei der politischen Rahmensetzung koumlnnte der Kurs hin zu Energieeffizienz und Erneuerbaren Energietraumlgern un-termauert werden112

Letzteres gilt natuumlrlich auch fuumlr die Kooperation mit an-deren Schwellenlaumlndern wie Indien Brasilien Mexiko oder Suumldafrika Brasilien spielt vor allem aufgrund des Amazonas-Regenwaldes eine wichtige Rolle fuumlr den Kli-maschutz da die riesigen Waldgebiete enorme Mengen Kohlenstoff speichern die bei ihrer Zerstoumlrung wieder freigesetzt werden Mexiko zeigt sich in der internati-onalen Klimapolitik sehr konstruktiv was nicht zuletzt der Klimagipfel von Cancuacuten gezeigt hat Suumldafrika weist eine ganz eigene Struktur auf Die Pro-Kopf-Emissionen des Landes sind fuumlr ein Schwellenland relativ hoch Zu begruumlnden ist dies mit dem hohen Lebensstandard hauptsaumlchlich der weiszligen Bevoumllkerung Bei den inter-nationalen Verhandlungen spielt das Land in der Regel eine konstruktive Rolle Die Regierung erwaumlgt moumlg-licherweise in Zusammenarbeit mit Deutschland den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Strombereich massiv voranzutreiben Suumldafrika wird Ende 2011 zudem den UNFCCC-Klimagipfel ausrichten

111 S z B httpwwwchinafaqsorg112 S auch Germanwatch 2010c

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66 USA zwischen Ambition und Bremsmanoumlvern

Mit dem Amtsantritt von US-Praumlsident Obama hatte die Welt Hoffnung dass die USA nach Jahren der klimapoli-tischen Verweigerung unter Praumlsident George W Bush zu einer neuen Dynamik in den Klimaverhandlungen beitragen koumlnnte Dass dies nicht in dem Maszlige wie er-hofft zur Realitaumlt geworden ist liegt vor allem an der zunehmenden innenpolitischen Polarisierung zwischen Demokraten und Republikanern zwischen Klimaschutz-befuumlrwortern und solchen die immer noch den anthro-pogenen Klimawandel bezweifeln

Praumlsident Obama hatte zunaumlchst die Ambition die USA schrittweise auf einen Pfad zu fuumlhren der bis zum Jahr 2050 die Emissionen um mehr als 80 Prozent gegenuumlber 2005 verringern wuumlrde Ein zentrales Instrument hier-zu sollte die Einfuumlhrung eines landesweiten Emissions-handelssystems sein bis 2020 sollten die landesweiten Emissionen um 17 Prozent gegenuumlber 2005 verringert werden Der Emissionshandel sollte auch signifikant zur internationalen Klimafinanzierung beitragen

Im Sommer 2009 also noch vor Kopenhagen beschloss dann auch das Repraumlsentantenhaus ein entsprechen-des Klimaschutzgesetz Allerdings ist es dann nicht ge-lungen einen entsprechenden Konsens in der zweiten Entscheidungskammer dem Senat der Vertretung der Bundesstaaten zu erreichen Nachdem sich dort auch noch die Mehrheitsverhaumlltnisse zugunsten der Repub-likaner veraumlndert haben besteht in dieser Legislatur-periode keine Aussicht auf ein entsprechendes Klima-schutzgesetz Zumal es auch unter den Demokraten aus kohle- und oumllproduzierenden Bundesstaaten eine groszlige Skepsis gegen ein Klimagesetz gibt Zwar treten die USA in den internationalen Klimaverhandlungen weiterhin mit dem in Kopenhagen verkuumlndeten 17-Prozent-Ziel (gegenuumlber 2005) auf aber eine klare Strategie wie dieses wirklich erreicht werden soll scheint zu fehlen Ordnungspolitische Vorgaben durch die nationale Um-weltschutzagentur (Environmental Protection Agency EPA) sind im Moment der aussichtsreichste Ansatz um Klimapolitik schrittweise voranzubringen113

Die fehlende einheimische Gesetzgebung macht es der amerikanischen Regierung schwer in den Klimaver-handlungen aktiv und glaubwuumlrdig aufzutreten so dass derzeit von Seiten der USA keine wirklich Grundlage be-steht uumlber ein rechtlich verbindliches und ratifizierba-res Abkommen zu verhandeln Angesichts der zentralen Rolle der USA stellt dies den internationalen klimapoliti-schen Prozess vor groszlige Herausforderungen

Trotzdem zeichnet sich eine gewisse Klimaschutzdyna-mik im Land ab So waumlchst die Zahl der US-Bundesstaa-

ten und Kommunen die mit ernsthaftem Klimaschutz beginnen Auch die Zwischenwahlen in den USA (2010) haben in den entsprechenden Regionen eher den Klima-schutz gestaumlrkt So setzen sich einige Staaten anspruchs-volle CO2-Minderungsziele arbeiten an der Einfuumlhrung von Emissionshandelssystemen und foumlrdern immer staumlr-ker die Erneuerbaren Energien Auch viele Akteure in Finanzmarkt und Industrie setzen inzwischen auf ernst-haften Klimaschutz Sie sehen dass sie sonst in einem ganz groszligen globalen Zukunftsmarkt den Anschluss verlieren Auch durch konjunkturpolitische Maszlignahmen im Zuge der Wirtschaftskrise hat die US-Regierung In-vestition in Erneuerbare Energien und andere Bereiche gefoumlrdert

67 Anpassung an den Klimawandel Neben der Frage des Verringerns von Emissionen wird auch die Anpassung (engl Adaptation) an die negati-ven Auswirkungen des Klimawandels ein zunehmend wichtiges Thema ganz besonders fuumlr die aumlrmsten Ent-wicklungslaumlnder die Least Developed Countries (LDCs) und die kleinen Inselstaaten Die dramatischsten und zukunftsferneren Folgen des Klimawandels koumlnnen zwar durch Minderung von Treibhausgasemissionen begrenzt werden (bdquoVermeidung des Unbewaumlltigbarenldquo) ein Teil der Folgen laumlsst sich aber nicht mehr aufhalten und An-passungsmaszlignahmen sind demzufolge unumgaumlnglich (bdquoBewaumlltigung des Unvermeidbarenldquo) Insbesondere die Entwicklungslaumlnder fragen sich daher zunehmend Wie koumlnnen wir verhindern dass der Klimawandel unsere Entwicklungsziele gefaumlhrdet und bereits erzielte Ent-wicklungserfolge zunichte macht Dies gilt speziell fuumlr besonders klimasensible Bereiche wie die Ernaumlhrungs-sichereit und die Wasserverfuumlgbarkeit aber auch fuumlr Gesundheitsaspekte (s auch vorherige Kapitel zu den Auswirkungen des Klimawandels) Die Anpassung also der Umgang mit den Klimafolgen ist damit kein Selbst-zweck Sie dient vor allem dazu Entwicklung im Zeichen des Klimawandels zukunftsfaumlhig und widerstandsfaumlhig zu machen

Wie auch die vorhergehenden Berichte betont der vier-te Sachstandbericht des IPCC die besondere Anfaumlllig-keit von Entwicklungslaumlndern insbesondere von LCDs und kleinen Inselstaaten fuumlr die Folgen des Klimawan-dels114 Diese hohe Verletzlichkeit (Vulnerabilitaumlt) der aumlrmsten Staaten begruumlndet sich neben einer uumlberdurch-schnittlichen Risikozunahme von Wetterextremen in vielen Regionen des Suumldens aus i) ihrer starken Betrof-fenheit vom Klimawandel und von Wetterextremen ins-besondere durch die uumlberproportionale Bedeutung der witterungsabhaumlngigen Landwirtschaft ii) dem Mangel an finanziellen Ressourcen sowie iii) einem mangelnden Zugang zu Informationen Krediten und anderen Dienst-leistungen Die Folge ist eine geringe Kapazitaumlt zur Be-

113 Wasserman 2010114 IPCC 2007b

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waumlltigung der Herausforderungen die der Klimawandel mit sich bringt

Vor diesem Hintergrund gibt es eine Vielzahl von Ansatz-punkten um die Anpassungsfaumlhigkeit gegenuumlber den Risiken des Klimawandels zu erhoumlhen In der Konzeption des bdquoAnpassungskontinuumsldquo (s Abb 26) bewegen sich diese zwischen sehr konkreten Interventionen zur An-passung an spezifische Klimarisiken auf der einen Seite und der Verringerung der allgemeinen Vulnerabilitaumlt auf der anderen Seite Waumlhrend konkrete Projekte kurzfris-tig zur Anpassung beitragen koumlnnen ist die Integration in politische Planungsprozesse wichtig um eine Gesell-schaft laumlngerfristig auf den Klimawandel vorzubereiten und auch z B langfristige Fehlinvestitionen zu vermei-den In der Entwicklungspolitik z B im Bereich Ernaumlh-rungssicherung koumlnnen dementsprechend spezifische Anpassungsstrategien dazu beitragen die Ernaumlhrungs-sicherungspolitik klimasicherer zu machen

Der Klimagipfel von Cancuacuten hat eine Reihe von Maszlignah-men beschlossen um die Entwicklungslaumlnder staumlrker bei der Anpassung an die Folgen zu unterstuumltzen (s 63) Zu-dem gewinnt dieses Thema auch in der konkreten Ent-wicklungszusammenarbeit immer mehr an Bedeutung

Wichtige Elemente einer Anpassungsstrategie koumlnnen beispielsweise die Nutzung von Langzeitwettervorher-sagen Fruumlhwarnsystemen und oumlffentlich-privaten Ver-sicherungsmaumlrkten (etwa bdquoMicro-Insuranceldquo) zur Verrin-gerung der Risiken durch Wetterextreme sein Duumlrren Uumlberschwemmungen und Stuumlrme bergen besonders fuumlr arme Landbewohner in den Entwicklungslaumlndern die Gefahr das fuumlr die gegenseitige Unterstuumltzung notwen-dige soziale Netzwerk zu zerstoumlren Wettervorhersagen koumlnnen sowohl die Optimierung der Pflanztermine als auch die Planung der Bildung eines Vorrats an Lebens-mitteln vor Duumlrren erleichtern Gerade fuumlr die Aumlrmsten fehlt es bisher weitestgehend an Versicherungssyste-men zum Schutz gegen die finanziellen Folgen von Ex-tremereignissen und ohne Ko-Finanzierung aus den In-dustriestaaten wird die Versicherungswirtschaft diese mangels Kaufkraft der Bevoumllkerung vor Ort auch nicht aufbauen Der Erhalt natuumlrlicher Systeme wie der Koral-len oder der Mangrovenwaumllder die eine wichtige Funk-tion zur Stabilisierung von Kuumlstenstreifen ausuumlben kann als Anpassungsmaszlignahme gegen einen steigenden Mee-resspiegel und gegen Uumlberflutungen verstanden wer-den Im konkreten Notfall koumlnnen solche Maszlignahmen zwar die Katastrophenhilfe nicht ersetzen In langfristi-ger Betrachtung besteht dennoch wenig Zweifel dass

Verringerung der Vulnera bi litaumlt

Aktivitaumlten zur Ver - ring erung der Armut und anderer nicht klimatischer Stress faktoren die Menschen verletzlich machen

Aufbau von Reaktionsfaumlhigkeit

Aktivitaumlten die dem Aufbau robuster Systeme der Problem-loumlsung dienen

Management von Klimarisiken

Aktivitaumlten zum Einbezug von Klima -informationen in Entscheidungs-prozesse

Anpassung an den Klimawandel

Aktivitaumlten zu Aus-wirkungen die direkt auf den Klimawandels zuruumlckzufuumlhren sind

Traditionelle Entwicklungsfinanzierung Neue und zusaumltzliche Anpassungsfinanzierung

VulnerabilitaumltsfokusFokus auf die Auswirkungen

des Klimawandels

Quelle Harmeling 2010

Abb 26 Das bdquoAnpassungskontinuumldquo und Strategien zur Ernaumlhrungssicherung

Nationale Anpassungs-KlimastrategienErnaumlhrungssicherungs- Wasserstrategien

Armutsbekaumlmpfungsstrategien MDG-Aktionsplaumlne

Katastrophen- vorsorgestrategien

Nationale Aktionsprogramme fuumlr Anpassung (NAPA)

Entwicklungspolitik fuumlr klimaresiliente Ernaumlhrungssicherheit

62

Info-Kasten 6 Der Wald als Senke und Reservoir von CO2

Eine bdquonatuumlrliche Technologieldquo die zur Verringerung der atmosphaumlrischen Treibhausgaskonzentration bei-tragen kann ist die Senkenfunktion der Vegetation d h die Bindung von CO2 durch Pflanzen insbeson-dere durch Baumlume (siehe 13) Belastend fuumlr das Klima ist die Freisetzung dieses CO2 durch die Vernichtung von Waumlldern wenn diese anschlieszligend nicht wieder nachwachsen bzw aufgeforstet werden Allerdings ist dem Klimaschutz aus vier Gruumlnden nicht gedient wenn das Anpflanzen von Waumlldern auf die Emissi-onsziele des Kyoto-Protokolls oder des europaumlischen Emissionshandels angerechnet werden kann

Erstens wird dadurch weniger Klimaschutz in an-deren Bereichen wie Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz geleistet Diese sind aber im Sinne des notwendigen Umbaus der weltweiten Energie-systeme dringend erforderlich Zweitens bestehen nach wie vor groszlige wissenschaftliche Unsicherhei-ten beim Berechnen der CO2-Menge die netto durch Aufforstung gebunden wird Drittens kann niemand garantieren fuumlr wie viele Jahre geschweige denn Jahrzehnte ein Wald intakt bleiben und damit CO2

binden wird So hat der Amazonasregenwald im letz-ten Jahrzehnt ndash wegen zweier groszliger Duumlrren ndash moumlg-licherweise mehr CO2 freigesetzt als gebunden Und viertens koumlnnen erhebliche soziale und oumlkologische Probleme entstehen wenn Waumllder alleine unter CO2-Aspekten optimiert werden So zeichnet sich ab dass die Artenvielfalt oder der Wasserhaushalt bei Neuan-pflanzungen alleine unter CO2-Aspekten regelmaumlszligig mit Beeintraumlchtigungen zu rechnen haben

Aufforstung sollte also zusaumltzlich zu ndash und nicht an-stelle von ndash Maszlignahmen in den Bereichen Energie-effizienz und Erneuerbare Energien geleistet werden Auszligerdem sollte sie so weit wie moumlglich zum Schutz der Artenvielfalt dienen

Nicht nur zum Klimaschutz auch im Hinblick auf die vielen anderen wertvollen Funktionen des Waldes die zum Teil auch wichtige Beitraumlge fuumlr die Anpas-sung an den Klimawandel leisten koumlnnen bedarf es eines groszligangelegten globalen Konzepts mit wir-kungsvollen Anreizen um die schnelle Entwaldung zu verhindern

vorbeugende Maszlignahmen effektiv sind da sie Verluste mindern und sich finanziell auszahlen Die Kombination von vorbeugenden Maszlignahmen und Katastrophenhilfe verspricht die besten Erfolge bei der Anpassung an den Klimawandel

Politisch relevant ist insbesondere die Frage der Finan-zierung der Anpassungsmaszlignahmen in Entwicklungs-laumlndern Im UN-Kontext sowie durch die bilaterale Ent-wicklungszusammenarbeit gibt es bereits verschiedene Finanzierungsmechanismen die aber alle weit hinter den geschaumltzten Anpassungskosten von mehr als 70 Milliarden US-Dollar pro Jahr in Entwicklungslaumlndern zuruumlckbleiben115 Die kapitalstarken Hauptverursacher des Klimawandels werden besonders gefragt sein die Kosten der Anpassung in Entwicklungslaumlndern zu tra-gen Das beim Klimagipfel in Cancuacuten bestaumlrkte Verspre-chen der Industrielaumlnder fuumlr Klimamaszlignahmen bis 2020 jaumlhrlich 100 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren wird zu einem wesentlichen Teil auch Anpassungsmaszlignah-men finanzieren muumlssen insbesondere durch den neuen Green Climate Fund Eine gewisse Finanzierungsstruk-tur fuumlr Anpassung im UNFCCC-Kontext besteht bereits Insbesondere der Anpassungsfonds unter dem Kyoto-Protokoll ist hier ein wichtiges Instrument das auch neue Wege in der internationalen Klimafinanzierung eingeschlagen hat116 Auf bilateraler Ebene bietet die

Internationale Klimaschutzinitiative der Bundesregie-rung eine innovative Moumlglichkeit Projekte staatlicher und nichtstaatlicher Akteure in Entwicklungslaumlndern zu finanzieren117 Aber auch insgesamt spielt Anpassung in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit Deutsch-lands und anderer Industrielaumlnder eine wachsende Rolle

68 Technologien und Finanzmarkt

Die langfristig notwendige Verringerung der Treibhaus-gasemissionen weltweit ist nur durch die rasche Verbrei-tung und staumlndige Innovationen im Bereich klimafreund-licher Technologien denkbar auch wenn Einsparungen durch Verhaltensaumlnderungen insbesondere in den In-dustrielaumlndern ebenfalls eine wichtige Rolle zukommt Mittel- bis langfristig ruhen die groumlszligten Hoffnungen auf Erneuerbaren Energien in Kombination mit Energieeffi-zienz Natuumlrlich gilt es auch bei deren Nutzung eine um-weltvertraumlgliche effiziente und zukunftsfaumlhige Anwen-dung sicherzustellen Kritische Aspekte (z B im Bereich der Biotreibstoffe) gilt es zu beruumlcksichtigen und gegen ihren klimapolitischen Nutzen abzuwaumlgen So zeichnet sich ab das Biotreibstoffe der ersten Generation selten aus klimapolitischer Sicht sinnvoll sind Bereits heute

115 Siehe z B Weltbank 2010 116 S Harmeling und Kaloga 2010117 S wwwbmu-klimaschutzinitiativede

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wird deutlich dass ihre Gewinnung mit Werten wie Er-naumlhrungssicherung und Artenvielfalt in Konflikt geraumlt Andererseits ist klar dass Biomasse eine wichtige Saumlule einer globalen Klimastrategie ist

Erfreulicherweise setzen immer mehr Laumlnder auf diese erneuerbare Energien und foumlrdern deren Einfuumlhrung durch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingun-gen118 Die Wachstumsraten im Bereich der Erneuerba-ren Energien sind jedoch derzeit insgesamt noch nicht hoch genug um die fossilen Energien weitgehend ab-loumlsen zu koumlnnen Bis Mitte des Jahrhunderts wird dies allerdings in vielen Regionen und Bereichen fuumlr moumlglich gehalten Technologien im Bereich Energieeffizienz koumlnnen einen sehr kurzfristig umsetzbaren und groszligen Beitrag zum Klimaschutz leisten Neben der bdquoAngebots-seiteldquo wie z B im Bereich Kraft-Waumlrme-Kopplung sind groszlige Einsparpotenziale auf der bdquoNachfrageseiteldquo vor-handen beispielsweise durch Waumlrmedaumlmmung von Ge-baumluden zur Reduktion des Heizenergieverbrauchs und effizientere Geraumlte bzw Maschinen und Motoren Dies gilt auch fuumlr den Verkehrssektor wo eine starke Effizi-enzsteigerung von Fahrzeugen dringend notwendig ist Allerdings zeigt sich auch dass ndash wenn die Energiepreise nicht durch eine Oumlkosteuer oder den Emissionshandel steigen ndash die Effizienzgewinne durch groumlszligere oder zahl-reichere Wohnungen Geraumlte Autos usw schnell aufge-fressen werden (bdquorebound effectldquo)

Als neue Technologie im Bereich der Nutzung fossiler Energietraumlger ist die CO2-Abscheidung und -Lagerung (CCS) im Gespraumlch119 Damit soll CO2 im Zuge der Ver-brennung von Kohle Oumll oder Gas abgeschieden und dann unterirdisch an einem geeigneten Ort sicher und dauer-haft gelagert werden Zwar birgt die Lagerung von CO2 in der Geosphaumlre einige Risiken und vor der Verbreitung dieser Technologie muumlssen wichtige Fragen bezuumlglich der oumlkologischen Sicherheit der oumlkonomischen Dimen-sion oder der Haftung im Schadensfall geklaumlrt werden Dennoch kann Abscheidung und unterirdische Lage-rung des CO2 gerade mit Blick auf die Entwicklungen im Energiesektor in China und andere Kohleregionen ndash dort muss weiter mit hohem Kohleverbrauch gerechnet wer-den ndash eine wichtige Bruumlckenloumlsung werden Oumlffentliche Gelder die fuumlr Forschung und Entwicklung von Techno-logien in den Bereichen Energieeffizienz und Erneuerba-re Energien vorgesehen sind sollten allerdings nicht in die CCS-Entwicklung umgeleitet werden

In Deutschland sind die notwendigen CO2-Einsparungen im Energiebereich ohne CCS moumlglich Hier liegt die Not-wendigkeit der Erforschung von CCS eindeutig im Be-reich der industriellen Prozessemissionen aus der Stahl- Zement- und Kalkproduktion wo es weniger Alternati-ven als im Strombereich gibt120 Neue Technologien in diesem Bereich sollten allenfalls getestet werden um sie in China und anderen Schwellenlaumlndern einzusetzen

In Deutschland koumlnnen die Klimaziele besser ohne Kraft-werksneubauten mit oder ohne CCS erreicht werden Insgesamt geht es letztendlich um eine Risiko-Abwauml-gung Energieeffizienz und Erneuerbare Energien soll-ten deshalb generell den Vorrang haben Im Zweifelsfall duumlrfte bei der Kohleverbrennung die Lagerung von CO2 in der Atmosphaumlre ein groumlszligeres Risiko darstellen als un-ter der Erde sollte diese Technologie wirklich funktio-nieren

Klar ist heute dass die Welt das Klimaproblem nur durch einen breiten Technologiemix in den Griff bekommen kann Mit vielen der heute bereits existierenden Tech-nologien koumlnnen CO2- und andere Treibhausgas-Emissi-onen bereits massiv gesenkt werden Gleichzeitig sind in Bezug auf kommende Jahrzehnte deutlich houmlhere Inves-titionen in Forschung und Entwicklung von Erneuerba-ren Energien Energieeffizienz und intelligenten Netzen oder auch fuumlr die Neuausrichtung einer Landwirtschaft die der Ernaumlhrungssicherung und dem Klimaschutz so dient dass sich diese Ziele unterstuumltzen dringend not-wendig In Bezug auf Erneuerbare Energien gilt es auch ganz genau auf die Ressourcenbilanz zu schauen Viele Rohstoffe die fuumlr diese Technologien heute wichtig sind sind nur in begrenztem Maszlige vorhanden

Fuumlr Investitionen in Klimaschutztechnologien sind Rah-menbedingungen notwendig die es fuumlr die Akteure am Finanzmarkt und in anderen Bereichen der Wirtschaft attraktiv machen lieber in diese Technologien zu inves-tieren als in klimaschaumldliche Auch in diesen Kreisen wird Klimawandel immer mehr als Kostenfaktor gesehen zum einen durch die direkten Schaumlden infolge von Wetter-extremen etc So hat Sir Nicholas Stern in einer viel be-achteten Studie geschaumltzt dass die Kosten die bei un-gehemmtem Klimawandel durch dessen Auswirkungen entstehen koumlnnten 5 bis 20 Prozent des jaumlhrlichen glo-balen Bruttoinlandprodukts betragen koumlnnten121 Zum anderen entstehen Kosten durch politische Regulierung wie durch den Emissionshandel oder CO2-Steuern Daruuml-ber hinaus nimmt die Bedeutung der Unternehmensver-antwortung (bdquoCorporate Social Responsibilityldquo) in der Oumlffentlichkeit zu so dass Klimaschutzmaszlignahmen sich zunehmend guumlnstig auf das Unternehmensimage aus-wirken waumlhrend das Unterlassen von Klimaschutzmaszlig-nahmen dem Image schadet Und nicht zuletzt koumlnnte das Risiko von Schadensersatzklagen eine unmittelbare Auswirkung auf den Marktwert eines Unternehmens ha-ben

Doch trotz aller Fortschritte bezuumlglich der Beruumlcksich-tigung des Klimawandels durch den Finanzmarkt In der tatsaumlchlichen Geldanlagepolitik der groszligen Banken Versicherer und Pensionsfonds spielt die Vermeidung von Klimarisiken zwar eine wachsende bisher aber noch untergeordnete Rolle Entsprechend zentral sind lang-fristig verlaumlssliche politische Rahmenbedingungen

118 REN 21 2010 119 CCS = CO2 Capture and Storage Ein umfangreicher Sonderbericht

des IPCC zum Thema CCS ist unter httpwwwipccch abrufbar

120 Germanwatch 2010b121 Stern 2006

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69 Demokratie und die groszlige Trans formation

Der Klimawandel stellt eine enorme Herausforderung fuumlr die heutigen Demokratiemodelle dar Es gibt zumin-dest fuumlnf zentrale Herausforderungen

1 Erstens gelingt es bisher nicht dass Grundprinzip der Demokratie dass die Betroffenen an Entscheidun-gen beteiligt werden sollen zu beruumlcksichtigen So haben die am staumlrksten betroffenen Menschen in Ent-wicklungslaumlndern allenfalls bei UN-Klimaverhandlungen durch ihre Regierungen ein gewisses Mitspracherecht Bei den nationalen Klimaschutzentscheidungen in In-dustrie- und Schwellenlaumlndern und bei G20- bzw G8-Gipfeln sind sie auszligen vor

2 Zweitens neigt die Politik in Demokratien aufgrund der etwa vierjaumlhrigen Wahlzyklen zu einer systemati-schen Vernachlaumlssigung von langfristigen Problemen wie dem Klimawandel Heutige Klimaschutzentschei-

dungen wuumlrden das Klima bis 2030 so gut wie nicht mehr beeinflussen das Klima in den Folgejahrzehnten jedoch gravierend Dann aber sind heutige Politiker laumlngst ab-gewaumlhlt und muumlssen sich nicht mehr dafuumlr verantworten

3 Drittens stellen irreversible Veraumlnderungen die eine Generation uumlber die naumlchste verhaumlngt das demokrati-sche Prinzip der bdquoEntscheidungen auf Zeitldquo in Frage ndash das trifft auf die Nutzung fossiler Energietraumlger und den Kli-mawandel ebenso zu wie auf den Einsatz von Kernkraft

4 Viertens sind die Interessenverbaumlnde der sich auf fossile Traumlger stuumltzenden Energiewirtschaft und der von Kurzfristinteressen gepraumlgten Finanzakteure so gut organisiert dass wichtige Demokratien ndash wie etwa die USA ndash zum Teil wie Marionetten erscheinen

5 Fuumlnftens wird die Handlungsfaumlhigkeit der Demo-kratie angesichts solcher Herausforderungen zu einem zentralen Argument in Diskussionen mit Akteuren wie China die einem aufgeklaumlrtem Autoritarismus das Wort reden

122 Siehe wwwatmosfairde 123 IPCC 1999 8124 Lee et al 2010

Info-Kasten 7 Flugverkehr und Klimaschutz

Die internationale Luft- und Schiffsverkehrsbran-che ist (neben der Landwirtschaft) die einzige treib-hausgasintensive Branche die klimapolitisch nicht reguliert ist da sie nicht durch das Kyoto-Protokoll erfasst wurde Die bisher einzige aber wichtige Aus-nahme ist der Einbezug des Flugverkehrs in den euro-paumlischen Emissionshandel durch den auch Fluumlge au-szligerhalb Europas erfasst werden soweit sie in Europa landen oder aus Europa abgehen Dabei schaumldigt ein Flug das Klima pro zuruumlckgelegtem Kilometer pro Per-son um ein Mehrfaches einer Auto- oder Bahnreise122

Dies liegt vor allem daran dass bei Fluumlgen uumlber 700 km wegen der dann groszligen Flughoumlhe nicht allein das Kohlendioxid klimaschaumldlich wirkt Hinzu kommen u a auch Kondensstreifen und Zirruswolken die sich in groszliger Houmlhe bilden und das regionale Klima beein-flussen koumlnnen

Der IPCC hat daher die gesamte Klimawirkung der verschiedenen Effekte ausgedruumlckt durch den so-genannten bdquoRadiative Forcing Indexldquo (RFI) auf min-destens das Zwei- bis Vierfache des CO2-Ausstoszliges geschaumltzt123 Neuere wissenschaftliche Forschungen deuten darauf hin dass diese Werte noch houmlher lie-gen koumlnnten124 Allerdings bestehen einige wissen-schaftliche Unsicherheiten Der Gesamtanteil am menschgemachten Treibhauseffekt wird auf bis zu 14 Prozent geschaumltzt (im Jahr 2005)125 Besonders problematisch sind die ndash trotz Wirtschaftskrise ndash ins-

gesamt sehr hohen Wachstumsraten die natuumlrlich auch zu einem Anstieg der Emissionen fuumlhren Je nach Szenario koumlnnten sich die Emissionen aus dem Flug-verkehr bis 2050 verdreifachen

Verschiedene Wege sind zudem denkbar wie man die Fluggaumlste und die Branche in die Verantwortung nehmen kann ndash trotz fehlender oder unzureichender politischer Regulierung Am wirkungsvollsten ist es auf unnoumltige Fluumlge zu verzichten Fluggaumlste haben aber auch die Moumlglichkeit bereits jetzt auf freiwil-liger Basis aktiv zu werden durch die Unterstuumltzung von Klimaschutzprojekten die Emissionen in einer Houmlhe einsparen welche aumlquivalent zur Erwaumlrmungs-wirkung des Fluges sind126 Angesichts des im Ver-gleich zur Wachstumsrate des Flugverkehrs recht geringen Potenzials von technischen Verbesserungen ist jedoch eines klar Moumlchte man das Wachstum der Flugverkehrsemissionen zumindest deutlich abbrem-sen so reichen solche freiwilligen Loumlsungen mittel- bis langfristig nicht aus Sie sind nur als Ergaumlnzung zu verbindlichen Regelungen und oumlkonomischen Instrumenten zu sehen Neben dem Einbezug in den Emissionshandel sollten daher auch eine Emissions-abgabe und der Abbau verschiedener Subventionen angestrebt werden insbesondere auch um zu der international notwendigen Klimafinanzierung in Ent-wicklungslaumlndern beizutragen

125 Lee et al 2010126 Siehe z B httpwwwatmosfairde

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Info-Kasten 8 Geo-Engineering

Neben den bisher beschriebenen Ansaumltzen gibt es die Vorstellung der Mensch koumlnne die Entwicklung des Klimasystems gezielt steuern Im Englischen wer-den solche Methoden unter dem Begriff des bdquoGeo-Engineeringldquo zusammengefasst Ein Ansatz an dem zunehmend intensiver geforscht wird besteht darin die CO2-Aufnahmekapazitaumlt der Ozeane zu erhoumlhen ndash durch Duumlngung mit Eisenspaumlnen Eine solche Duumln-gung haumltte ein beschleunigtes Wachstum des Phyto-planktons zur Folge Dies wuumlrde im Prinzip zu einer houmlheren Aufnahme von CO2 fuumlhren Wenn diese Al-gen dann absterben sollen sie auf den Meeresboden sinken und das CO2 quasi mit in die Tiefe nehmen

Der IPCC bemerkt dazu kritisch dass die wenigen bisher durchgefuumlhrten Studien moumlgliche negative Nebeneffekte nicht ausreichend untersucht haumltten Dazu zaumlhlen die erhoumlhte Produktion von CH4 und N2O sowie die moumlglichen Auswirkungen des schnellen Al-genwachstums auf die Oumlkologie der Meere und die Nahrungskette Eine weitere Option besteht darin die Sonneneinstrahlung kuumlnstlich zu verringern und so die Wirkung des Treibhauseffekts abzuschwaumlchen

Einer der Vorschlaumlge die in diese Richtung zielen sieht vor eine Art riesigen etwa 106 Quadratkilome-ter groszligen Spiegel ins All zu transportieren So soll ein Teil der Sonnenstrahlung vom Eintritt in die At-mosphaumlre abhalten werden Ein weiterer Vorschlag sieht vor die kuumlhlende Wirkung stratosphaumlrischer Aerosole wie sie zum Beispiel von Vulkanausbruuml-chen oder Luftverschmutzung bekannt ist kuumlnstlich zu verstaumlrken Groszlige Mengen Schwefel oder andere Aerosole muumlssten dabei in die Stratosphaumlre gebracht werden

Allen diesen Optionen ist gemeinsam dass sie enor-me oumlkologische und klimatische Nebeneffekte mit sich bringen koumlnnten Wie bei einem Menschen der an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen wird wird auch hier die Eigensteuerung des Systems Erde-Klima auszliger Kraft gesetzt Viele Akteure halten des-halb diese Aktivitaumlten insbesondere wenn sie die Strahlungsaktivitaumlt in der Atmosphaumlre verringern fuumlr indiskutabel

Andererseits zeigt sich uumlberall dass die Umsetzung von Energieeffizienz und die dezentrale Nutzung Erneuerba-rer Energien eine aktive Zivilgesellschaft zur Grundvor-aussetzung hat Die Buumlrger draumlngen ndash trotz zunehmen-der Politikverdrossenheit ndash auf staumlrkere Partizipation

Keine Frage die Demokratie wird sich erneuern muumlssen wenn sie auf Herausforderungen von der Groumlszligenord-nung des Klimawandels angemessene Antworten finden will Aber nicht zuletzt die Ereignisse in der arabischen Welt und der Mittelmeerregion zeigen Demokratie ist eine erneuerbare Ressource der Politik ndash und dieses Potenzial sollten wir nutzen Historisch gesehen haben

sich Diktaturen als zu starr erwiesen um auf dynamische Veraumlnderungsanforderungen reagieren zu koumlnnen Die Wahrnehmung der groszligen Transformation als Veraumlnde-rungschance und nicht als Veraumlnderungszumutung ist daher gerade ein Argument fuumlr eine Staumlrkung der Buumlr-gergesellschaft als Schluumlsselinstrument fuumlr mehr Klima-schutz in Demokratien127 Zugleich sollte es ein wichti-ges Entscheidungskriterium fuumlr politisch eingeleitete Klimaschutzmaszlignahmen sein dass sie die Freiheit des Einzelnen nicht einschraumlnken Allerdings endet die Frei-heit wo sie die Freiheit oder gar die Existenz anderer Menschen gefaumlhrdet

127 Vgl Leggewie und Welzer 2010

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Moderne Zugtechnik traumlgt nicht nur in Deutschland immer mehr zum Klimaschutz bei indem sie eine attraktive Alternative zu Kurzstreckenfluumlgen darstellt

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Wer muss handeln

Ein wichtiger Grund dafuumlr dass bisher erforderliche Maszlignahmen trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse nur zoumlgerlich vorankommen ist die mangelnde Uumlbernah-me von Verantwortung Politik Wirtschaft und Buumlrger schieben diese gerne in jeweils andere Bereiche oder gar auf andere Laumlnder ab Das liegt auch darin begruumlndet dass die Klimaproblematik ein Kollektivgutproblem ist da jeder freien Zugang zu der Atmosphaumlre hat selbst wenn er sie stark verschmutzt

Die besondere Verantwortung der industrialisierten Laumlnder beruht jedoch auf der Tatsache dass sie die Hauptverursacher des menschgemachten Treibhausef-fekts sind und uumlber weit groumlszligere finanzielle Moumlglichkei-ten verfuumlgen als die Entwicklungslaumlnder (siehe auch Ka-pitel 4 5 und 6) Letzteres aumlndert sich allerdings seit der Finanzkrise dramatisch ndash und ist inzwischen angesichts der groumlszligeren finanzpolitischen Spielraumlume dort ein wei-teres Argument dafuumlr auch die Schwellenlaumlnder in die Pflicht zu nehmen

Nur wenn Politik Wirtschaft und Buumlrger die erforder-liche Veraumlnderung auch als Chance begreifen ist ein Wandel moumlglich Fuumlr ein neues Wohlstandsmodell und die Vermeidung eines gefaumlhrlichen Klimawandels sind folglich alle gefragt ndash Politik Wirtschaft und Buumlrger

Zugleich kann Deutschland kurz- und langfristig von sei-nem Engagement im Klimaschutz profitieren Einerseits weil die sonst eintretenden Auswirkungen der Erwaumlr-mung auch Deutschland treffen wuumlrden (Extremwetter-ereignisse Meeresspiegelanstieg usw) Andererseits weil durch Klimainvestitionen und die Vorreiterrolle im Klimaschutz Arbeitsplaumltze geschaffen und wirtschaft-liche Zukunftsmaumlrkte erschlossen werden

Deutschland hat als groszlige Industrienation mit uumlber-durchschnittlichem Pro-Kopf-Ausstoszlig an CO2 maszliggeb-lich zur bisherigen Erderwaumlrmung beigetragen Eine Minderung von mindestens 40 Prozent bis zum Jahr 2020 im Vergleich zum Niveau von 1990 ist daher er-forderlich um zur Begrenzung der weltweiten Erwaumlr-mung auf unter 2 degC beizutragen Seine Verantwortung kann Deutschland jedoch nur uumlbernehmen wenn Politik Wirtschaft und Buumlrger diese nicht in die jeweils anderen Bereiche abschieben sondern jeder seinen Beitrag leis-tet Dieses Kapitel fasst zentrale Aufgaben in verschie-denen gesellschaftlichen Bereichen zusammen

71 Was kann die Politik tun

I Internationale Politik

rarr 1 Forderung nach einer globalen Strategie

Eine globale Aufgabe wie der Klimaschutz braucht eine globale Strategie128 ndash nicht zuletzt wegen der Flexibili-taumlt von Unternehmen die den nationalen Regelungen oft durch Standortverlagerungen ausweichen Folglich muumlssen nicht nur auf nationaler sondern auch auf inter-nationaler Ebene Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz ge-troffen werden Die jaumlhrlich stattfindenden Klimagipfel bieten bereits die Moumlglichkeit zur Vereinbarung einer globalen Strategie

Der bedeutendste erste Schritt hin zu einer globalen Strategie war der Abschluss des voumllkerrechtlich ver-bindlichen Kyoto-Protokolls (siehe Kapitel 6) Dieses ist zwar ein erster Schritt kann aber nur einen nachhaltigen Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels leisten wenn er als Basis fuumlr weitaus ehrgeizigere Maszlignahmen in den folgenden Jahren genutzt wird

Nach den schwachen Ergebnissen von Kopenhagen zeigt sich immer staumlrker dass eine globale Strategie im Zu-sammenspiel von Vorreiterkoalitionen und internationa-len Rahmensetzungen die sich wechselseitig dynamisie-ren verstanden werden muss Fuumlr Deutschland heiszligt das auch dass bilaterale Abkommen mit besonders verletz-lichen besonders progressiven und besonders relevan-ten Staaten eine wichtige Bedeutung haben

rarr 2 Vorsorgepolitik betreiben

Um angemessene Antworten auf den Klimawandel zu fin-den und effektive Vorsorgemaszlignahmen zu treffen ist es wichtig dass die Politik Klimaschutzmaszlignahmen als In-vestitionen in bessere Lebensbedingungen erkennt und Vorsorgepolitik betreibt Die bisherigen Anstrengungen der internationalen Politik werden der Herausforde-rung einen gefaumlhrlichen Klimawandel zu vermeiden und gleichzeitig die Anpassung in besonders betroffenen Regionen zu unterstuumltzen nicht gerecht denn mit den bisher angekuumlndigten Emissionsverminderungszielen steuert die Welt weiterhin auf eine Erderwaumlrmung von 3 bis 4 Grad zu ndash wenn alle Vorhaben umgesetzt werden und was keineswegs gesichert ist ndash keine Schlupfloumlcher die Ernsthaftigkeit der Ziele untergraben Bisher spricht wenig dafuumlr dass der globale Scheitelpunkt der Emissi-onsentwicklung vor 2020 erreicht wird ndash und damit duumlrf-te das 2-Grad-Limit auszliger Reichweite geraten Nachdem

7 Maszlignahmen zum Klimaschutz

128 Zur Diskussion der Moumlglichkeiten den Klimaschutz in die Systemlogik von Politik Wirtschaft und Technologie zu uumlbersetzen siehe Bals 2002

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sich die USA in eine Situation der Handlungsunfaumlhigkeit manoumlvriert haben kann die notwendige Dynamik nur entstehen wenn sich die EU und China uumlber ihre Mini-malziele von Kopenhagen hinaus bewegen

rarr 3 Finanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen gerecht regeln

Damit eine angemessene globale Klimaschutzstrategie moumlglich wird muss die internationale Politik entspre-chende Rahmenbedingungen schaffen und die Finan-zierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen gerecht regeln Zum einen geht es darum moumlglichst verursachergerecht ndash etwa durch Erloumlse aus dem Emis-sionshandel und eine Abgabe auf den internationalen Flug- und Schiffsverkehr die notwendigen oumlffentlichen Gelder einzusetzen Zum anderen sollten diese Gelder vor allem soweit es um Gelder fuumlr den Klimaschutz geht mit optimaler Hebelwirkung so fuumlr Rahmenbedingungen und Infrastruktur eingesetzt werden dass ein Vielfaches an privaten Finanzstroumlmen dementsprechend umgelei-tet wird Die Industriestaaten als Hauptverursacher fuumlr Auswirkungen und Schaumlden des Klimawandels tragen die groumlszligte Verantwortung Sie stehen nach dem Verursa-cherprinzip somit in der Pflicht die besonders betroffe-nen Laumlnder und Bevoumllkerungsgruppen bei Klimaschutz- und Anpassungsmaszlignahmen technisch und finanziell zu unterstuumltzten Eine gerechte und verlaumlssliche Finanzie-rung ist zugleich ein aktiver Beitrag fuumlr eine sicherere Welt und sollte daher im Sinne der Industrienationen sein Aufgrund des zweiten Prinzips der Frage nach der Handlungsfaumlhigkeit der Staaten muss allerdings nach der Finanzkrise auch die Frage nach einer finanziellen Beteiligung der Schwellenlaumlnder gestellt werden

II Nationale Politik

rarr 1 Rahmenbedingungen fuumlr ein klima-freund liches Wohlstandsmodell schaffen

Die Industriestaaten koumlnnen die Rahmenbedingungen fuumlr ein klimafreundliches Wohlstandsmodell vorantrei-ben indem sie klimafreundliche Handlungen foumlrdern und klimaschaumldliche Handlungen einschraumlnken

n Klimafreundliche Handlungen foumlrdern und klima-schaumlndliche Handlungen einschraumlnken

Klimafreundliche Handlungen koumlnnen durch erfolg-reiche Klimaschutzpolitikmodelle Gesetze und Klima-investitionen gefoumlrdert werden Langfristig sind sie schon deshalb fuumlr die Gesellschaft ein finanzieller Ge-winn weil die entstehenden Kosten sehr wahrschein-lich niedriger sein werden als die zu erwartenden Fol-gekosten eines Klimawandels insbesondere wenn man

positive Nebeneffekte von Klimaschutzmaszlignahmen ein bezieht129 Aber auch kurzfristig koumlnnen sich diese Investitionen auszahlen weil Gelder nicht in meist un-demokratische Staaten fuumlr Oumll- und Gas uumlberwiesen son-dern in der Region investiert werden weil Innovationen vorangetrieben Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen geschaffen werden Am Beispiel der Energieversorgung werden im Folgenden konkrete Handlungsmoumlglichkei-ten der Politik veranschaulicht

n Erneuerbare Energien muumlssen ausgebaut und effiziente Energiestrukturen gefoumlrdert werden

Die Politik in Deutschland hat bereits einige wichtige Fortschritte gemacht wie zum Beispiel die Einfuumlhrung des Energieeinspeisegesetzes (EEG) zeigt Das auf einem Ansatz aus dem Jahr 1990 fuszligende im Jahr 2000 offiziell implementierte und fortwaumlhrend weiter entwickelte Ge-setz garantiert Produzenten von Erneuerbaren Energien uumlber einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren einen festen Verguumltungssatz und verpflichtet die Netzbetreiber zur vorrangigen Abnahme der erzeugten Strommengen Innerhalb weniger Jahre ist damit der Anteil der Erneu-erbaren an der Stromversorgung auf ca 17 Prozent ge-stiegen Auch im Bereich der Gebaumludesanierung und der Waumlrmeversorgung aus Erneuerbaren Energien gab es durch verschiedene Foumlrderprogramme bereits beacht-liche Fortschritte doch entscheidende Weichenstellun-gen hin zu einer 100-prozentigen Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien stehen noch aus

Um das 2-Grad-Limit einzuhalten sind daruumlber hinaus noch weitere Maszlignahmen erforderlich wie zum Beispiel ein sich selbst dynamisierendes Foumlrderprogramm fuumlr die Marktfuumlhrer der Energieeffizienz bei verschiedenen Ge-raumlten (Top-Runner-Ansatz) die Forschungsfoumlrderung im Bereich Energieeffizienztechnologien oder die Einfuumlh-rung eines Foumlrdergesetzes fuumlr Erneuerbaren Energien im Bereich Gebaumludeheizung -kuumlhlung und Warmwasserbe-reitung

Am erstrebenswertesten waumlre eine Komplettversorgung mit Oumlkostrom in Europa und angrenzenden Regionen zu sozialvertraumlglichen Kosten Die Idee hinter dem so ge-nannten bdquoSuperSmartGridldquo-Ansatz (SSG) ist die Kombi-nation von zwei Ansaumltzen die all zu oft gegeneinander ausgespielt werden Zum einen das dynamische Voran-treiben von dezentral erzeugten Erneuerbaren Energien Dies hat aus Gruumlnden der regionalen Wertschoumlpfung und der Aufwertung ganzer Regionen der Identifizierung der Buumlrger und Buumlrgerinnen mit ihrer Stromversorgung und der Energiesicherheit viel fuumlr sich Ein Smart Grid ermoumlglich die optimale Abstimmung der dezentralen Er-zeugung mit dem Verbrauch von Wirtschaft und privaten Verbrauchern so dass sich das Problem der fluktuieren-den Verfuumlgbarkeit von Strom relativiert

129 Stern 2006

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Zum anderen aber geht es ndash unter dem Stichwort Super-grid ndash um ein europaweites Stromnetz bei dem jedes Land die besonders effizient nutzbaren und groszligen Po-tenziale nutzt die es bezuumlglich Erneuerbarer Energien hat Wind- und Wasserkraft aus Nordeuropa Biomasse aus Zentraleuropa Solarstrom aus der Sahara usw Die-ses Kontinente uumlbergreifende Stromnetz kann Realitaumlt werden wenn die Politik sich fuumlr folgende Maszlignahmen einsetzt eine massive Foumlrderung Erneuerbarer Ener - gien einen auf Erneuerbare Energien ausgerichteten Stromnetzausbau und eine verbesserte nationale so-wie europauml ische Energierahmengesetzgebung Studien zeigen dass eine entsprechende Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien gemeinsam mit einem starken Schub fuumlr Effizienz mit aumlhnlichen Kosten verbunden waumlre wie wenn man einen hohen Anteil an Kohle- und Atomstrom beibehalten wuumlrde130 Aber wenn es die Vollversorgung Europas mit Erneuerbaren Energien vor 2050 geben soll dann muumlssen jetzt die Weichen dafuumlr gestellt werden

n Abschaffung von klimaschaumldlichen Subventionen ndash keine Foumlrderung von Kohle und Atom

Der Neubau von Kohlekraftwerken ist hochproblema-tisch auch wenn neue Kraftwerke deutlich effizienter sind als aumlltere weil beim Verbrennen von Stein- und Braunkohle im Vergleich zu Oumll und Gas ein Mehrfaches an CO2 entsteht Da die Kohlevorraumlte deutlich groumlszliger sind als die Reserven aller anderen fossilen Energietrauml-ger ist daruumlber Hinaus zu erwarten dass die CO2-Pro-blematik durch entsprechend lange Laufzeiten bis weit in die Zukunft ungeloumlst bliebe Subventionen in Kohle Atom und beim Flugverkehr muumlssen abgeschafft wer-den Milliardensubventionen in diesen Bereichen schauml-digen das Klima einerseits durch den Ausstoszlig von Treib-hausgasen und andererseits weil sie die oumlkonomische Wettbewerbsfaumlhigkeit klimaschonender und generell risikoaumlrmerer Alternativen reduzieren

n RegulierungVerteuerung von klimaschaumldlichen Handlungen

Theoretisch ist unumstritten dass der Markt nur eine gewuumlnschte Lenkungswirkung erzielen kann wenn die Internalisierung externer Kosten gelingt Dabei werden die verursachten Kosten in die Preise klimaschaumldlicher Produkte und Dienstleistungen eingerechnet und somit internalisiert Beispiele dafuumlr sind das Verursacherprin-zip beruumlcksichtigende verbrauchsabhaumlngige Steuern (Oumlkosteuer etc) bzw Abgaben (z B auf Mineraloumll) Der Emissionshandel internalisiert prinzipiell die externen Kosten da er zum einen CO2 einen Preis gibt und da-mit in die Wirtschaftslogik einfuumlhrt und zum anderen weil er die Menge der erlaubten Emissionen nach oben begrenzt Eine volle Internalisierung waumlre das aber nur wenn das Ziel einer 80 bis 95-prozentigen Reduktion von

Treibhausgasen bis 2050 jetzt schon rechtlich verbind-lich den Akteuren vorgegeben wuumlrde Eine Kombination von verbrauchsabhaumlngigen Steuern und Emissionshan-del mit ausreichend scharfen Zielen ndash je nach Sektoren ndash kann einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz leis-ten

rarr 2 Vorreiterrolle im Klimaschutz einnehmen

Auch wenn die internationale Politik fuumlr eine globale Strategie verantwortlich ist kann sich jedes Land und jede Region Deutschlands fuumlr den Klimaschutz enga-gieren Deutschland kann dabei als Exportweltmeister seine Position nutzen und eine Multiplikatoren- bzw Vorreiterrolle hinsichtlich effizienter Klimaschutzpoli-tik einnehmen denn auch erfolgreiche Politikmodelle koumlnnen bdquoexportiertldquo werden Das in Deutschland sehr erfolgreiche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist in mittlerweile in mehr als 45 Laumlndern Vorbild fuumlr gesetz-liche Rahmenbedingungen

Auch einzelne Regionen Deutschlands sind gefragt denn kommunalpolitische Beispiele koumlnnen als Vorbild fuumlr die Bundesebene dienen Wenn Deutschland zeigt dass man auch ohne Kohle und Atom eine international fuumlhrende Volkswirtschaft mit einem attraktiven Wohl-standsmodell bleiben kann waumlre dies ein fundamental wichtiger Beitrag fuumlr die internationale Debatte Viele Laumlnder schauen auf Deutschland ob es gelingt den an-gekuumlndigten beschleunigten Ausstieg aus der Atomener-gie mit den ambitionierten Klimazielen zu kombinieren Wenn dies gelingt kann diese Strategie zum Exportmo-dell werden Im Gegenzug sollten Deutschland und die EU die positiven Erfahrungen nutzen die andere Laumln-der gemacht haben Derzeit wird dabei das japanische bdquoTop-Runner-Modellldquo diskutiert das sich am jeweiligen Effizienzspitzenreiter orientiert und dynamische Effi - zienzstandards fuumlr Energie verbrauchende Geraumlte setzt

rarr 3 Die Politik sollte mit gutem Beispiel vorangehen

Es reicht insgesamt nicht wenn Politiker nur die Rah-menbedingungen fuumlr Klimaschutz schaffen Sie muumlssen den Waumlhlern gegenuumlber offensiv vertreten dass Kli-maschutzmaszlignahmen Investitionen in zukunftsfaumlhige Lebensbedingungen sind Am glaubwuumlrdigsten ist es wenn die Politik und die einzelnen Politiker selbst zu Vorbildern werden Zum Beispiel koumlnnte der Staat mit einer klimafreundlich ausgerichteten oumlffentlichen Be-schaffung Investitionsstroumlme in Richtung nachhaltiger Produkte und Unternehmen lenken131 Etwa im Ver-kehrsbereich ndash von Bussen uumlber Dienstfahrzeuge bis hin zum regelmaumlszligigen hochqualitativen Ausgleich bei Flug-verkehrsreisen ndash bei effizienten Computern oder im Ge-baumludebereich koumlnnte die Marktmacht der oumlffent lichen Hand erhebliche Lenkungswirkung erzielen

130 ECF 2010131 Germanwatch 2010d

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Der Lebensstil von Bundes- oder EU-Politikern ist ndash an-gesichts der Anforderungen an Mobilitaumlt ndash nur schwer wirklich klimavertraumlglich zu gestalten Aber umso mehr koumlnnen sie sichtbare Signale fuumlr einen klimavertraumlg-lichen Lebensstil geben Wichtiger ist jedoch dass sie ihre Unabhaumlngigkeit bewahren und sich nicht von kli-makritischen Lobbygruppen beeinflussen lassen Wer wissenschaftlich abgesicherte Positionen zu einer kaumluf-lichen Ware macht verkauft kuumlnftige Generationen

72 Was kann die Wirtschaft tun

Herausforderungen fuumlr die Wirtschaft

Kaum ein Unternehmen aus dem CO2-intensiven Bereich verfolgt derzeit eine mit dem 2 degC-Limit vertraumlgliche Unternehmensstrategie obwohl sie nach den OECD-Leit linien132 sogar dazu verpflichten sind sich an der er-klaumlrten Politik ihres Landes auszurichten

Der globale Klimawandel birgt fuumlr Wirtschaft und Unter-nehmen erhebliche Risiken wodurch die Wertentwick-lung von Investitionen und Unternehmen nachhaltig bedroht werden kann Eine ernsthafte Klimaschutzstra-tegie bietet zwar auch Risiken aber auf der anderen Seite ndash insbesondere bei klaren langfristigen politischen Rahmensetzungen ndash groszlige Chancen fuumlr die Wirtschaft So entstehen sehr groszlige neue Geschaumlftsfelder wie die Bereiche Zukunftstechnologien (Erneuerbarer Energi-en Energieeffizienz Elektromobilitaumlt etc) sozial-oumlko-logische Stadtplanung oder klimafreundliche Finanz-anlagen Gelingt es den Unternehmen sich an diese neue Situation schnell und umfassend anzupassen kann neben dem effektiven Klimaschutz auch sozialer und oumlkonomischer Mehrwert gesichert werden

Jedes Unternehmen weiszlig Wenn die Weltgesellschaft sich in Richtung Klimaschutz bewegt dann sind die eige-nen Klimaschutzinvestitionen von heute gut angelegtes

Vertreter der Finanzwirtschaft beraten uumlber den EU-Emissionshandel Workshop von UNEP-Finanzinitiative und Germanwatch mit Finanz-Ratingagenturen im April 2004 Foto Gerold Kier

132 Siehe wwwgermanwatchorgcorpuvhtm

Geld Die Strategie der Gegner zielt deshalb darauf ab vor allem in den USA Zweifel an einer solchen Strategie zu saumlen Doch die positiven wenn auch in Geschwin-digkeit und Ausmaszlig nicht ausreichenden Tendenzen in vielen Schwellenlaumlndern zeigen bereits heute Schon mittelfristig gehoumlrt eine ambitionierte Klimaschutzstra-tegie ebenso zur Grundausruumlstung eines erfolgreichen Unternehmens wie dies fuumlr zukunftsfaumlhige Arbeitsplaumltze der Fall ist

rarr Direkte und regulative Finanzrisiken erkennen

Wichtig fuumlr die Unternehmen sind die Identifizierung von Klimarisiken und -chancen sowie ein darauf beru-hendes Risikomanagement Welche direkten Klima- und Wetterrisiken koumlnnten relevant fuumlr uns sein Wo sind wir auf die absehbaren klimapolitischen Rahmensetzungen nicht vorbereitet Welcher Imageschaden droht uns als Klimaschutz-Verweigerer Auf welche Klagen muumlssen wir uns als Verursacher des Klimawandels einstellen Welche Chancen ergeben sich fuumlr uns aus einer aggres-siven Klimaschutzstrategie Wie muumlssen wir uns auf-stellen um diese nutzen zu koumlnnen Dafuumlr bedarf es der Entwicklung von Methoden die ndash moumlglichst modular aufgebaut ndash eine systematische Beruumlcksichtigung von Klimarisiken im Risikomanagement ermoumlglichen

Durch die Anwendung der Methoden wird eine bessere Bewertung der Folgen des Klimawandels und ihrer finan-ziellen Implikationen moumlglich

rarr Chancen des Klimawandels nutzen ndash Investitionen in Zukunftstechnologien

Wenn die Chancen identifiziert sind gilt es diese auch zu nutzen Besonders vielversprechend sind Investi-tionen in Zukunftstechnologien die zugleich einen klimafreundlichen Lebensstil ermoumlglichen Diesbezuumlg-

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lich sind besonders die Bereiche Erneuerbare Energien Effizienztechnologien und Verkehr (Innovative Schie-nenkonzepte Elektromobilitaumlt Hybridtechnologien etc) zukunftstraumlchtig Ganze Branchen setzen ihre Zu-kunft aufs Spiel wenn sie die neuen Trends verpassen So hat die deutsche Automobilindustrie den Trend zum Hybrid- und Elektroauto zunaumlchst verschlafen Das Ge-schaumlftsmodell der groszligen Energieversorger in Deutsch-land hat sich nicht bzw voumlllig unzureichend auf den massiven Ausbau von Energieeffizienz (etwa durch Con-tracting) und Erneuerbaren Energien eingestellt Die Stahl- und Zementindustrie blockiert klimavertraumlgliche Alternativen etwa basierend auf beschichteten Kohlen-stofffasern anstatt diese zuumlgig voranzubringen

rarr Nachhaltiges und klimafreundliches Wirtschaften in Unternehmen

Neben der Wahlmoumlglichkeit von Guumltern die ein Un-ternehmen produziert bzw anbietet koumlnnen Klima-schutzaspekte auch im Unternehmensbetrieb und in der Produktion beruumlcksichtig werden

Betriebliche Oumlkobilanzen oder Nachhaltigkeitsberich-te bieten zum Beispiel die Chance klimafreundliche Einsparungspotenziale zu identifizieren Haumlufig gibt es ndash besonders bei den nicht ganz so energieintensiven Branchen wo schon der Energiepreis ein starker Antrieb ist ndash in den Bereichen Energie Beschaffung Produktion Absatz und Verkehr groumlszligere Einsparpotenziale die den Unternehmern nicht bewusst sind

n Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Im Bereich Energie gilt es auf Erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu setzen Auch der Stromverbrauch im Unternehmen kann haumlufig gesenkt werden wofuumlr es zahlreiche Wege gibt (siehe 73 bdquoBuumlrgerldquo)

Regionale Wirtschaftsfoumlrderung In den Bereichen Beschaffung Produktion und Absatz ist es manchmal wichtig in der Naumlhe zu suchen statt in die Ferne zu schauen Lange Transportwege bewirken einen hohen CO2-Ausstoszlig weshalb von Umweltorganisationen und Verbaumlnden zunehmend die Staumlrkung regionaler Wirt-schaftskreislaumlufe gefordert wird Bei der Produktion mag Outsourcing ins Ausland augenscheinlich erst ein-mal Kosteneinsparungen mit sich bringen Doch mit langen Transportwegen wird haumlufig die Kommunikation und Kontrolle im Unternehmen erschwert und der CO2-Ausstoszlig erhoumlht133

n Nachhaltige Ressourcen

Bei der Produktion und Beschaffung sollte auch auf die Klimabilanz und Nachhaltigkeit der verwendeten Res-sourcen und Produkte geachtet werden Mittlerweile

gibt es fuumlr viele Bereiche (Holz Papier Lebensmittel etc) Zertifizierungen die nachhaltige Produkte kenn-zeichnen

n Nachhaltige Dienstreisetaumltigkeiten

Der Bereich Verkehr umfasst die Dienstreisetaumltigkeiten der Mitarbeiter sowie die bereits erwaumlhnten Bereiche Beschaffung und Absatz Generell gilt es den CO2-Ausstoszlig kleinstmoumlglich zu halten indem man nur den notwendigen Verkehr taumltigt und z B bei routinemaumlszligig abgehaltenen Besprechungen die Nutzung von Video- oder Telefonkonferenzen in Betracht zieht Durch eine systematische Optimierung der Dienstreisetaumltigkeit koumlnnen Unternehmen Geld sparen und zugleich den Aus-stoszlig von Treibhausgasen reduzieren Ein weiterer Weg zur Reduktion des CO2-Ausstoszliges ist die Nutzung von klimafreundlichen Verkehrsmitteln bei gleichzeitigem Verzicht auf klimaschaumldliche Verkehrsmittel wie das Flugzeug Eine Moumlglichkeit fuumlr CO2-freie Dienstreisetauml-tigkeiten bietet die Deutsche Bahn mit ihrem Programm bdquoUmwelt-Plusldquo Dabei wird der Energiebedarf des Rei-sens im Voraus kalkuliert und in Form von Oumlkostrom ins Netz der Bahn eingespeist Die Initiative Atmosfair (wwwatmosfairde) bietet allgemein die Moumlglichkeit getaumltigte Emissionen durch Spenden fuumlr serioumlse Klima-schutzmaszlignahmen auszugleichen

rarr Gemeinsam ihr Interesse am Klimaschutz aussprechen

Neben diesen beschriebenen Maszlignahmen steht es je-dem Unternehmen offen sich gegenuumlber der Politik aktiv fuumlr mehr Klimaschutzmaszlignahmen einzusetzen Einige Unternehmen haben sich bereits in progressiven Unternehmergruppen wie der 2deg-Initiative oder dem Un-ternehmerrat e5 zusammengeschlossen und koumlnnen so gemeinsam die Beruumlcksichtigung ihrer Klimaschutzinter-essen von der Politik einfordern

Solarthermische Anlagen verringern in immer mehr Haumlusern den fossilen Energiebedarf fuumlr Warmwasser und Heizung Foto Dietmar Putscher

133 Einen interessanten Artikel zum Thema Vor- und Nachteile von Outsourcing bietet bdquoDie Zeitrdquo httpwwwzeitde201016Globalisierung

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73 Was koumlnnen die Buumlrger tunNeben Politik und Wirtschaft haben die Buumlrger eine zentrale Bedeutung in der Realisierung der Klimaziele Wie beschrieben erfordert eine nachhaltige Loumlsung der Klimaprobleme eine kulturelle und industrielle Revolu - tion womit der Buumlrgergesellschaft eine viel gewichti-gere Rolle zukommt als wir ndash ihre Mitglieder ndash bislang wahrzunehmen bereit waren Dass Buumlrgerbewegungen viel bewegen koumlnnen zeigt die Geschichte der Bundes-republik in der die meisten kulturellen Veraumlnderungen nicht auf Anstoszlig der professionellen Politik sondern auf Basis der Initiative Einzelner oder kleiner Gruppen ent-standen sind134 Ein Beispiel dafuumlr ist die Frauenbewe-gung welche eine Aumlnderung der Geschlechterverhaumllt-nisse in der Gesellschaft bewirkte lange bevor auch die Politik Genderaspekte (Gleichstellungsgesetze Frauen-quoten usw) aufgriff Auch die Anti-Atombewegung hat den jetzt verkuumlndeten Atomausstieg durch jahrzehnte-langes Engagement gegen eine steinharte industrienahe Mentalitaumlt durchgesetzt Folglich ist Politik nicht nur was die Politiker machen sondern vielmehr auch das was wir Buumlrger bewegen

Handlungsmoumlglichkeiten

Im Allgemeinen stehen uns verschiedene Wege offen zu handeln doch allen voraus steht die Aufgabe sich zu in-formieren womit auch der Bildungsarbeit eine zentrale Rolle zukommt Jede(r) Einzelne sollte sich uumlber die Fol-gen des eigenen Handelns sowie uumlber Klimaschutzmaszlig-nahmen auf dem Laufenden halten Jede kleine Aktion die zum Klimaschutz beitraumlgt ist wichtig In den folgen-den drei Bereichen gibt es besonders effiziente Hand-lungsmoumlglichkeiten

rarr 1 Einfluss auf die Politik ausuumlben

Buumlndnisse und Buumlrgerinitiativen koumlnnen die Politik haumlu-fig beeinflussen weil sie entweder ein Gegengewicht oder auch einen Partner staatlichen Handelns darstel-len koumlnnen Durch die Beruumlcksichtigung von Klima- und Umweltaspekten bei der politischen Wahlentscheidung kann ebenfalls Einfluss auf die Politik genommen wer-den Dies gilt nicht nur fuumlr Bundestags- und Europapar-laments- sondern auch fuumlr Landtags- und Kommunal-wahlen Denn wichtige Entscheidungen fuumlr oder gegen den Klimaschutz werden auf allen Ebenen getroffen Kli-maschutz sollte daher in allen Faumlllen ein wichtiges Wahl-kriterium sein bdquoWahlpruumlfsteineldquo die von Umweltver-baumlnden und Organisationen vor Wahlen veroumlffentlicht werden koumlnnen bei der Entscheidung helfen

rarr 2 Sich vernetzen

Gemeinsam mit anderen Aktiven ist es haumlufig leichter einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten In der klei-

nen Gemeinde Schoumlnau im Schwarzwald begann zum Beispiel eine private Initiative 1998 mit der Investition in Erneuerbare Energien Anfangs mit Wind- und Solar-energie spaumlter mit Kraft-Waumlrme-Koppelung und Bio-masse konnten sie soviel Energie produzieren dass sie das oumlrtliche Stromnetz uumlbernahmen und ein eigenes Elektrizitaumlts-Werk errichteten Heute versorgen sie mehr als 100000 Kunden135 Betriebe und Industrieun-ternehmen im ganzen Bundesgebiet mit Oumlkostrom und investieren die Gewinne wiederum in eine nachhaltige Energieversorgung Ein weiterer nennenswerter Akteur in Sachen Klimaschutz ist die Klima-Allianz136 ein Buumlnd-nis von mehr als 100 Organisationen aus einem breiten gesellschaftlichen Spektrum das sich gemeinsam fuumlr die Schaffung politischer Rahmenbedingungen einsetzt

Gemeinsames Handeln ist haumlufig nicht nur erfolgreich sondern macht auch viel Spaszlig Ist das Interesse ge-weckt Dann schauen Sie mal unter wwwutopiade oder wwwklimaretterinfo

rarr 3 Nachhaltig konsumieren

Die Einflussnahme auf die Politik und die Vernetzung mit anderen Aktiven sind wichtige Beitraumlge zum Klima-schutz Sie entbinden aber nicht von der eigenen Ver-

Auf wwwutopiade findet man viele interessante Hinweise zu klimafreundlichen Leben

Nachhaltigkeitssiegel koumlnnen eine Orientie rung fuumlr den nachhaltigen Konsum geben

134 Eine ausfuumlhrliche Auseinandersetzung mit der Rolle der Buumlrgergesellschaft bieten Leggewie und Welzer 2010135 Siehe httpwwwews-schoenaudeewshtml 136 Siehe httpwwwdie-klima-allianzde

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antwortung Der Buumlrger hat in seiner Verbraucherrolle besonders viel Handlungsspielraum weil exzessiver Konsum fuumlr die Zerstoumlrung der globalen Oumlkosysteme und den Klimawandel mitverantwortlich ist Wie der Bericht des fuumlhrenden US-amerikanischen Umweltin-stituts Worldwatch zeigt uumlbernutzen wir derzeit die natuumlr lichen Kapazitaumlten der Erde um rund ein Drittel wobei die Hauptverantwortung bei den hoch industria-lisierten Laumlndern liegt137 Abhilfe koumlnnte ein Wandel der Konsumkultur ermoumlglichen wenn er auf Nachhaltigkeit abzielt138 Das heiszligt in anderen Worten Wir Buumlrger und Buumlrgerinnen koumlnnen uumlber unser Konsumverhalten die Lebensqualitaumlt steigern und zugleich das Klima schonen

Folgende vier Grundregeln helfen klima freund-licher und nachhaltiger zu konsumieren

Informieren und Vergleichen vor der Kaufentscheidung Mittlerweile gibt es in vielen Bereichen Zertifizierun-gen die umweltfreundliche Produkte und Sparpoten-ziale auszeichnen An ihnen koumlnnen Verbraucher z B besonders energieeffiziente Geraumlte erkennen So gibt es in einigen Bereichen mittlerweile auch Produkte (z B bei Kuumlhlschraumlnken oder Spuumllmaschinen) die noch deutlich effizienter sind als Energieklasse A

Klima-Konsequenzen bei Kaufentscheidungen beruumlcksichtigen Bei fast allen Einkaumlufen koumlnnen wir Klimakonsequenzen beruumlcksichtigen Wenn sie regionale Produkte einkau-fen verhindern sie zum Beispiel lange Transportwege bei den Produkten

Einkaufen nach Bedarf Haumlufig wird mehr konsumiert als notwendig Auch wenn viele Produkte durch Groumlszlige oder neue technische Moumlg-lichkeiten und Raffinessen beeindrucken sollten Sie uumlberlegen welche Funktionen Sie wirklich brauchen und auf welche Sie verzichten koumlnnen Denn fuumlr viele Gerauml-te gilt je leistungsstaumlrker desto houmlher der Energiever-brauch

Sinnvoll sparen Besonders in den Bereichen die besonders klimaschaumld-lich sind und wo es Einsparpotenziale gibt Im privaten Bereich haben den mit Abstand groumlszligten Anteil am direk-ten und indirekten Treibhausgasausstoszlig der Auto- und Flugverkehr das Heizen sowie die Ernaumlhrung

Die moumlglichen Maszlignahmen werden im Fol-genden anhand verschiedener Bereiche veran-schaulicht

1 Was gibtrsquos zu beachten im Bereich Energie und Heizen

n Energetische SanierungDie energetische Sanierung von Gebaumluden und Raumlumen rechnet sich langfristig haumlufig weil die eingesparten Energiekosten die entstehenden Renovierungskosten meistens ausgleichen insbesondere bei steigenden Kosten fuumlr fossile Energien Im Bereich Waumlrmedaumlm-mung Isolierung (Fenster etc) und Heizungsanlage (siehe oben) gibt es besonders hohe EinsparpotenzialeDie staatseigene Kreditanstalt fuumlr Wiederaufbau (KfW wwwkfwde) bietet z B zinsguumlnstige Kredite oder Zu-schuumlsse fuumlr solche Sanierungen Auch ohne Geld gibt es uumlber bdquoContractingldquo die Moumlglichkeit seine Gebaumlude energetisch zu renovieren Die Idee der Zusammenarbeit mittels bdquoContractingldquo ist einfach Ein Unternehmen das sich auf effiziente Waumlrme- und Energietechnik spezia-lisiert hat renoviert Gebaumlude oder Raumlume Kommunen oder Wohnungsbaugesellschaften bezahlen dafuumlr kei-nen Cent mehr als sonst weil der Sanierer fuumlr mehrere Jahre nur das Geld erhaumllt das der jeweilige Besitzer bis-lang fuumlr Oumll Gas und Strom mehr bezahlt hat Eine klassi-sche Win-Win-Situation

Einen Ratgeber fuumlr Energiespar-Contracting in oumlffent-lichen Liegenschaften hat das Umweltbundesamt ver-oumlffentlicht (siehe httpwwwumweltbundesamtdeproduktebeschaffungenergieversorgungcontractinghtml)

n Passivhaumluser und Plus-Energie-Haumluser Besonders energieeffiziente Gebaumlude sind Passivhaumluser oder Plus-Energie-Haumluser Das Passivhaus ist ein Bau-konzept bei dem Waumlrmedaumlmmung und Luftdichtheit im Vordergrund stehen um die Heizkosten zu reduzieren Das Plus-Energie-Haus geht daruumlber hinaus und ist in der Regel ein Passivhaus in Kombination mit Photovoltaik-anlagen das mehr Primaumlrenergie produziert als es an Heizenergie verbraucht

Waumlrmedaumlmmung vermindert effektiv CO2-Emissionen und wird durch Foumlrdermaszlignahmen unterstuumltztFoto Dietmar Putscher

137 Worldwatch Institute 2010138 Die Vereinten Nationen definieren diesen nachhaltigen Konsum als bdquodie Nutzung von Guumltern und Dienstleistungen die ele-

mentare menschliche Beduumlrfnisse befriedigen und eine bessere Lebensqualitaumlt hervorbringen wobei sie gleichzeitig den Einsatz natuumlrlicher Ressourcen toxischer Stoffe und Emissionen von Abfall und Schadstoffen uumlber den Lebenszyklus hinweg minimieren um nicht die Beduumlrfnisbefriedigung kuumlnftiger Generationen zu gefaumlhrdenldquo

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n EnergiepassBei Mietwohnungen erleichtert der Energiepass der seit 01072008 fuumlr alle Vermieter und Verkaumlufer von Immobilien Pflicht ist die Identifizierung von energie-sparenden GebaumludenRaumlumen Als Mieter lohnt es sich den Vermieter nach dem Energiepass zu fragen und auf moumlgliche Maumlngel hinzuweisen

n In Erneuerbare Energie investierenDurch einen Wechsel von Kohle Oumll- und Gas zu Erneu-erbaren Energien koumlnnen die Emissionen im Haushalt stark gesenkt werden

n Bezug von Oumlko-StromIn den meisten Faumlllen sind der Bezug von Strom aus Er-neuerbaren Energien und der Wechsel des Stromversor-gers heute problemlos moumlglich und nur Sache eines ein-zigen Telefonats Guumlnstige Angebote gibt es bei vielen lokalen Stromversorgern aber auch uumlberregional An-bieter mit den Siegeln bdquook-Powerrdquo oder dem bdquoGruumlner-Strom-Labelrdquo sind aus oumlkologischer Sicht zu empfehlen Zudem sollten die Anbieter eigentumsrechtlich unab-haumlngig von den groszligen Energieversorgern sein

Investitionen in gruumlnen Strom koumlnnen langfristig gese-hen haumlufig Geld sparen und als Beitrag zur Altersvorsor-ge betrachtet werden Teilweise koumlnnen Solarpaneele zum Beispiel bis zu 40 Jahre halten und somit langfristig die Stromkosten senken Der Bau oder die Beteiligung an Projekten zur Nutzung Erneuerbarer Energien (z B Solarstrom Windkraft) sind dabei Geldanlagen die Rendite und Klimaschutz verbinden Buumlrgersolarparks ermoumlglichen eine Beteiligung auch mit kleinen Geldbe-traumlgen und auch wenn man kein eigenes Dach besitzt139

Immer mehr Neubauten werden durch geringen Ener-gie verbrauch und Stromproduktion durch Solarzellen zu bdquoPlusenergiehaumlusernldquo die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen Foto fotoliacom Daniel Schoenen

n Effiziente Heiz- und Warmwasseranlagen nutzenEffiziente Heizanlagen sind z B moderne Pelletheizun-gen Waumlrmepumpen oder auch Gas-Brennwertkessel Warmes Wasser laumlsst sich wiederum kostenguumlnstig und klimaschonend durch Solarwaumlrme erzeugen Besonders lohnenswert ist die Koppelung von Heizenergie- und Warmwassererzeugung und die Ergaumlnzung der Anlage durch Sonnenkollektoren (Der Einbau wird derzeit noch staatlich gefoumlrdert)

n Klimakonsequenzen bei Renovierung Neubau oder Umzug beruumlcksichtigenBei der Errichtung von Gebaumluden der Renovierung oder dem Umzug in neue Gebaumlude gibt es viele Energiespar-moumlglichkeiten

n Wohnung und GroumlszligeNeben dem Energiestandard koumlnnen die CO2-Emissio-nen durch die Wohnortwahl und die Groumlszlige der beheiz-ten Wohnflaumlche beeinflusst werden Bei der Wahl des Wohnorts kann man auf folgende Punkte achten die Naumlhe zum Arbeitsort zur Schule und zu Einkaufsmoumlg-lichkeiten sowie auf eine gute Anbindung an oumlffentliche Verkehrsmittel Dadurch kann eine Reduzierung der Au-tonutzung erzielt werden womit CO2- und Gelderspar-nisse einhergehen Zugleich sollte man sich immer fra-gen wie groszlig die Wohnung oder das Haus wirklich sein muumlssen Eine kleine Wohnung hat auch Vorteile denn Je kleiner die Wohnung desto kleiner ist nicht nur der Energieverbrauch sondern auch die StromrechnungWeitere Infos siehe auch CO2-Online wwwco2onlinede oder Institut Wohnen und Umwelt wwwiwude

n Technik im HausBei dem Kauf von Elektrogeraumlten ist die Wahl von klei-nen Energie einsparenden Geraumlten langfristig betrach-tet gut fuumlr die Umwelt und fuumlr den Geldbeutel

n Energieeffizienz beruumlcksichtigenBei dem Kauf von Haushaltsgeraumlten hilft die Beruumlcksich-tigung der Energieeffizienzklasse die Skala reicht von A-G Fuumlr Kuumlhl- und Gefrierge-raumlte gibt es seit Maumlrz 2004 bun-desweit zusaumltzlich die Katego-rien A+ und A++ die besonders sparsame Produkte kennzeich-nen (httpwwwstromeffizi-enzdeeu-labelhtml)

139 Zum Thema Stromwechsel siehe auch wwwgermanwatchorgstromhtm

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n Kuumlhlen und GefrierenKuumlhl- und Gefriergeraumlte die vor mehr als zehn Jahren gekauft wurden sind meist in der Energieeffizienzklas-se B C oder noch schlechter einzustufen Eine Neuan-schaffung rechnet sich fast immer weil demgegenuumlber moderne Spitzengeraumlte deutlich Kilowattstunden pro Jahr einsparen Natuumlrlich ist es auch wichtig die Groumlszlige an den Bedarf anzupassen Als allgemeine Faustregel gilt Ein Ein- bis Zweipersonenhaushalt braucht 100 bis 120 Liter zum Kuumlhlen und 50 bis 80 Liter zum Gefrieren Wenn man auf das Gefrierfach verzichten kann kann noch einmal deutlich eingespart werden

n Waschen und TrocknenAuch bei Waschmaschinen und Trocknern gilt es Ener-gieeffizienz und Groumlszlige zu beruumlcksichtigen Waschma-schinen muumlssen nach der Energieeffizienzklassifizie-rung (ABC) gekennzeichnet sein (z B AAB) Dabei gibt der erste Buchstabe Auskunft uumlber den Energie-verbrauch der zweite uumlber die Waschwirkung und der dritte uumlber die Schleuderwirkung Eine Uumlbersicht uumlber gute Waschmaschinen und Trockner finden Sie unter wwwecotoptende

Trotz guter Effizienzklassen gibt es auch beim Waschver-halten einige Spartipps Generell gilt es auch die WaschTrockentrommel moumlglichst auszunutzen und nicht nur zur Haumllfte zu befuumlllen wobei moderne Maschinen haumlu-fig Sensoren haben so dass Wasser- und Energieeinsatz entsprechend der Beladung angepasst werden

Bei Trocknern ist uumlberhaupt die Frage ob man sie benouml-tigt oder die Waumlsche nicht auf der Leine kann Wo dies nicht moumlglich ist sind Waumlrmepumpentrockner in der Effizienzklasse A zum Teil 40 Prozent sparsamer als die effizientesten Geraumlte der Klasse B

n Kochen und Backen Generell sind Gasherde kostenguumlnstiger und aufgrund geringerer Umwandlungsverluste umweltfreundlicher als Elektroherde zumindest dann wenn diese nicht mit Oumlkostrom laufen Kochfelder mit Gasbrenner oder aus Glaskeramik sind wiederum energiesparender als guss-eiserne Kochplatten Bei elektrischen Herden verbrau-chen die Induktionskochzonen am wenigsten Strom Insgesamt gilt dass es bei der konkreten Nutzung eine Reihe von Verhaltensweisen gibt mit denen man ener-giesparend kochen kann vom Kochen mit Deckel uumlber die Vorerhitzung groumlszligerer Mengen Wasser mit dem Wasserkocher Auch spielt die Qualitaumlt der Toumlpfe und Pfannen eine wichtige Rolle Tipps dazu finden sich un-ter wwwecotoptende

n IT-GeraumlteAuch bei IT-Geraumlten gilt die Faustregel Je groumlszliger und technisierter desto houmlher ist haumlufig der Stromverbrauch

Aktuelle Werte fuumlr Computer und effiziente Buumlrogeraumlte unter wwwoffice-toptende

n Beleuchtung Energiesparlampen werden immer mehr zur Normali-taumlt ihre Qualitaumlt und ihre Vielseitigkeit haben sich in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt In der Regel verbrauchen sie 80 Prozent weniger Strom als Gluumlhbirnen so dass sich der anfangs houmlhere Preis uumlber die Lebensdauer mehr als rechnet Die klassische Gluumlh-birne wird in den naumlchsten Jahren dank der von Deutsch-land mitgetragenen Beschluumlsse auf EU-Ebene komplett vom Markt verschwinden Immer mehr im Kommen sind heutzutage LED-Lampen die ebenfalls sehr sparsam und noch langlebiger als die Energiesparlampen sind Die Anwendungspalette wird immer breiter und es wird mit einem deutlichen Preisruumlckgang gerechnet

2 Mobilitaumlt ndash Umweltbewusst Verkehrsmit-tel nutzen

Der Verkehr ist ein besonderes Sorgenkind im Klima-schutz weil die Emissionen in diesem Bereich trotz bes-serer Techniken weiterhin sehr hoch sind Der private Pkw-Verkehr beeinflusst in groszligem Maszlig das Klima und besteht zum groumlszligeren Teil aus Freizeitverkehr Ein Jahr Autofahren in Deutschland entspricht mit ca 2000 kg CO2 dem jaumlhrlichen CO2-Ausstoszlig eines Menschen in der Dominikanischen Republik Daher sollte man sich zu-naumlchst grundsaumltzlich fragen ob man uumlberhaupt ein Auto braucht und welche Funktionen es erfuumlllen muss oder ob man nicht mit einer Kombination aus oumlffentlichem Personenverkehr Fahrrad und evtl auch Car-Sharing (s u) besser bdquofaumlhrtldquo

Das Argument bdquoich habe das Auto ja ohnehinldquo ver-kehrt sich ins Gegenteil wenn man eine sich schon bei zwei drei weiteren Fahrten pro Jahr rechnende Bahn-card 50 die Jahreskarte fuumlr die Region oder bestimmte

Das Fahhrad als modernes umweltfreundliches Verkehrsmittel Foto Dietmar Putscher

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Strecken oder bei Vielfahrern gar die Bahncard 100 (wwwd-bahnde) nutzt mit der man deutschlandweit mit der Bahn und dem oumlffentlichen Verkehr in den Staumld-ten fahren kann

Wer nicht auf das Auto verzichten kann oder will sollte ein sparsames Fahrverhalten pflegen und beim Autokauf Umweltkriterien beruumlcksichtigen Der Verkehrsclub Deutschland (wwwvcdorg) veroumlffentlicht jedes Jahr im August mit seiner Auto-Umweltliste140 ein ausfuumlhrliches Ranking der Umweltfreundlichkeit neu auf den Markt gekommener Autos und gibt weitere Tipps beim Auto-kauf

Empfehlenswert sind besonders sparsame Autos z B durch einen Hybridantrieb oder Elektroautos so-weit sie mit Strom aus Erneuerbaren Energien betrie-ben werden Je nach Nutzung des Autos gibt es auch sinnvolle Alternativen Fuumlr kurze Strecken bietet sich das Fahrrad an was nicht nur gesuumlnder sondern in der Stadt auch haumlufig schneller ist Wenn man nur sel-ten ein Auto benoumltigt kann man sich zum Car-Sharing (wwwcarsharingde) anmelden oder Mitfahrgelegen-heiten (wwwmitfahrgelegenheitende) nutzen

Fliegen ist das am schnellsten wachsende Klimaproblem Der Flugverkehr ist besonders klimaschaumldlich weil die Abgase in den hohen Schichten der Atmosphaumlre eine zwei- bis sechsmal houmlhere Treibhauswirkungen haben als am Boden Im Sinne des Klimaschutzes gilt es folg-lich das Flugzeug als Transportmittel soweit wie moumlg-lich zu meiden Fuumlr nicht vermeidbare Fluumlge gibt es die Moumlglichkeit die getaumltigten Emissionen durch Spen-den fuumlr serioumlse Klimaschutzmaszlignahmen auszugleichen (wwwatmosfairde)

3 Ernaumlhrung

Da die Produktion von Fleisch und Milchprodukten meist deutlich mehr Energie verbraucht als die Herstellung einer gleichwertigen Menge von Gemuumlse und Obst ist fleischarme Ernaumlhrung ein Beitrag zum Klimaschutz Die Produktion von 1 kg Rindfleisch ist beispielsweise mit etwa 250 km Autofahren gleichzusetzen Auch der Kauf von regionalen saisonalen Produkten ist ein Beitrag zum Klimaschutz weil die CO2-Emissionen mit steigenden Transportwegen zunehmen Die CO2-Last der Ernaumlhrung haumlngt zugleich auch von der Herstellung der Produkte ab Anteile von Duumlngern und Pestiziden der Einsatz von Tranktoren und Transportern usw spielen eine Rolle Im Allgemeinen werden Biolebensmittel umweltschonen-der hergestellt als konventionelle weil der Einsatz von Pestiziden synthetischen Duumlngemitteln und Gentechnik verboten ist Aus Klimasicht ist die Art der Lebensmit-tel (Fleisch oder Gemuumlse) allerdings viel entscheiden-der als der Unterschied zwischen der Art des Anbaus (konventio nell oder oumlko) So verursacht ein Kilo Biorind-fleisch die 90fache Klimabelastung wie ein Kilo frisches Gemuumlse aus konventio nellem Anbau141 Die wichtigste Frage fuumlrs Klima ist folglich Gemuumlse oder Fleisch

4 Geldanlagen

Auch Geld kann man klimaschaumldlich oder klimafreund-lich anlegen Waumlhrend viele Menschen versuchen klima-freundlich Auto zu fahren oder energieeffiziente Geraumlte zu nutzen machen sich die wenigsten daruumlber Gedan-ken was mit ihrem angesparten Geld passiert

Mittlerweile gibt es jedoch eine ganze Reihe von Finanz-angeboten bei denen soziale ethische und oumlkologische Aspekte bei der Geldverwendung beruumlcksichtigt wer-den Eine Moumlglichkeit sein Geld klimafreundlich arbei-

Auch an der Gemuumlsetheke kann man durch den Kauf von Bio-Produkten und von regionalem und saisonalem Gemuumlse einen Beitrag zum Klimaschutz leisten Foto Dietmar Putscher

Der Flugverkehr ndash eines der am schnellsten wachsenden Probleme fuumlr das Weltklima

140 Die Auto-Umweltliste siehe httpwwwbesser-autokaufendeaulihtml 141 Bals et al 2008 S 299

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ten zu lassen sind Anleihen bei denen man einem bdquogruuml-nenldquo Unternehmen einen festen Geldbetrag (z B 1000 Euro) fuumlr mehrere Jahre leiht und dabei eine jaumlhrliche Verzinsung von 6 Prozent oder mehr bekommt Wer sich genauer informieren moumlchte kann auch auf der Home-page des Forums Nachhaltige Geldanlagen schauen ei-nem Zu sammenschluss von knapp 100 Unternehmen und Organisationen die sich fuumlr nachhaltige Geldanlagen einsetzen (wwwforum-ngde)

5 Holz und Papier

Waumllder haben eine wichtige Funktion im Klimaschutz weil Baumlume einerseits CO2 binden und speichern und anderseits Sauerstoff produzieren Als Verbraucher hat man die Moumlglichkeit durch die Wahl der Holzprodukte (Papier Moumlbel usw) die Abholzung von Tropenwaumlldern und borealen (noumlrdlichen) Nadelwaumlldern zu verhindern Bei dem Kauf von Holz oder Holzprodukten sollte man darauf achten dass sie aus regionalen und nachhaltig bewirtschafteten Waumlldern stammen Das heiszligt zugleich dass man auf Gartenmoumlbel aus Tropenholz verzichtet und stattdessen Moumlbel vorzieht die aus heimischen Waumlldern stammen Damit ist auch eine nachhaltige Be-wirtschaftung garantiert weil sich die deutsche Forst-wirtschaft seit Jahrzehnten am Leitbild der Nachhal-tigkeit orientiert Wo doch die Nutzung von Tropenholz als zwingend erachtet wird sollte es zumindest vom Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert sein (s wwwfsc-deutschlandde)

Die Nutzung von Holz im Allgemeinen ist unterstuumltzens-wert weil Holz CO2 bindet und bei der Produktion nur Energie fuumlr die Verarbeitung benoumltigt wird Somit ist zum Beispiel die Verwendung von Holz als Baumaterial umweltschonender als die Nutzung von Stahl Beton Kunststoff usw

Jeder Mensch hat in seinem alltaumlglichen Leben mehr mit Holzprodukten zu tun als es ihm haumlufig bewusst ist Taumlglich benutzen wir Klopapier lesen Zeitung oder entnehmen Produkte ihren Papierverpackungen Wer Recyclingpapier und -taschentuumlcher und allgemein Recyclingmaterialen nutzt kann auf einfache Weise un-sere Waumllder und unser Klima schonen

Wie in diesem Kapitel beschrieben gibt es fuumlr jeden Einzelnen von uns viele Wege einen Beitrag zum Klima-schutz zu leisten und jede Initiative zaumlhlt ndash denn beson-ders wir Buumlrger koumlnnen den Weg zu neuen Lebensstilen und einem neuen Wohlstandsmodell ebnen

Weblinkswwwgermanwatchorgwwwverbraucherfuersklimadewwwdie-klima-allianzdewwwecotoptende

Buchtipps

nBals Christoph Horst Hamm Ilona Jerger amp Klaus Milke (2008) Die Welt am Scheideweg Wie retten wir das Klima Hamburg Rowohlt Verlag ISBN 978-3-498-00653-2

nHarmeling S et al (2008) Globaler Klimawandel Diercke Spezial ndash Ausgabe 2008 fuumlr die Sekundar-stufe II Westermann Verlag ISBN 978-3-14-151053-9

nLeggewie Blaus amp Harald Welzer (2009) Das Ende der Welt wie wir sie kannten Klima Zukunft und die Chancen der Demokratie Frankfurt am Main Fischer

nPendo (2007) Einfach das Klima veraumlndern Muumlnchen Pendo Verlag ISBN 978-3-86612-123-2

nPendo (2007) Pendos CO2-Zaumlhler Muumlnchen Pendo Verlag ISBN 978-3-86612-141-6

nRainer Grieszlighammer (2007) Der Klima-Knigge Berlin Booklett-Verlag ISBN 978-3940153029

Mit der Kampagne bdquo100 Prozent Zukunftldquo engagiert sich Germanwatch gemeinsam mit anderen Organisationen fuumlr einen klimafreundlichen Umbau der deutschen Stromversorgung

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8 LiteraturAnnan K (2005) Towards a culture of peace Letters to future generationshttpwwwunescoorgopi2lettresTextAnglaisAnnanEhtml

Bals C (2002) Zukunftsfaumlhige Gestaltung der Globalisierung Am Beispiel einer Strategie fuumlr eine nachhaltige Klimapolitik In Zur Lage der Welt 2002 Fischer Verlag httpwwwgermanwatchorgriocb02sowpdf

Bals et al (2008) Die Welt am Scheideweg Wie retten wir das Klima Rowohlt Verlag

Beckley B et al (2007) A reassessment of global rise and regional mean sea level trends from TOPEX and Jason-1 altimetry based on revised reference frame and orbits In Geophysical Ressearch Letters Vol 34

Bundesregierung (2010) Energiekonzept der Bundesregierung Langfristige Strategie fuumlr die kuumlnftige Energieversorgung httpwwwbmudeenergiekonzeptdoc46394php

Burck J (2010) Der Klimaschutz-Index Ergebnisse 2011 Germanwatch Bonn httpwwwgermanwatchorgccpihtm

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Conisbee M und A Simms (2003) Environmental Refugees The Case for Recognition New Economics FoundationhttpwwwneweconomicsorgsitesneweconomicsorgfilesEnvironmental_Refugeespdf

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Wir sind eine gemeinnuumltzige unabhaumlngige und uumlberpar-teiliche Nord-Suumld-Initiative Seit 1991 enga gieren wir uns in der deutschen europauml ischen und internationalen Nord-Suumld- Handels- und Um welt politik

Ohne strukturelle Veraumlnderungen in den Indus-trielaumlndern des Nordens ist eine sozial gerechte und oumlkologisch vertraumlgliche Entwicklung weltweit nicht moumlglich Wir setzen uns dafuumlr ein die politischen Rahmenbedingungen am Leitbild der sozialen und oumlko-logischen Zukunftsfaumlhigkeit fuumlr Suumld und Nord auszu-richten

Unser Engagement gilt vor allem jenen Menschen im Suumlden die von den negativen Aus wirkungen der Glo-balisierung und den Konse quenzen unseres Lebens- und Wirtschaftsstils besonders betroffen sind Wir treten dafuumlr ein die Globalisierung oumlkologisch und sozial zu gestalten

Germanwatch arbeitet an innovativen und umsetzbaren Loumlsungen fuumlr diese komplexen Proble me Dabei stimmen wir uns eng mit Organi sa tionen in Nord und Suumld ab

Wir stellen regelmaumlszligig ausgewaumlhlte Informationen fuumlr Entscheidungstraumlger und Engagierte zusammen mit Kampagnen sensibilisieren wir die Bevoumllkerung Daruumlber hinaus arbeiten wir in gezielten strategischen Allianzen mit konstruktiven Partnern in Unter nehmen und Gewerkschaften zusammen um intelligente Loumlsungen zu entwickeln und durchzusetzen

Zu den Schwerpunkten unserer Arbeit gehoumlren

nVerantwortungsuumlbernahme fuumlr Klimaschutz und Klimaopfer durch wirkungsvolle gerechte Instru-mente und oumlkonomische Anreize

nGerechter Welthandel und faire Chancen fuumlr Entwicklungslaumlnder durch Abbau von Dumping und Subventionen im Agrarhandel

nEinhaltung sozialer und oumlkologischer Standards durch multinationale Unternehmen

nOumlkologisches und soziales Investment

Moumlchten Sie uns dabei unterstuumltzen Fuumlr unsere Arbeit sind wir auf Spenden und Beitraumlge von Mit gliedern und Foumlrderern angewiesen Spenden und Mitgliedsbeitraumlge sind steuerlich absetzbar

Bankverbindung Spendenkonto Konto Nr 32 123 00 BLZ 100 205 00 Bank fuumlr Sozialwirtschaft AG

Weitere Informationen erhalten Sie unterwwwgermanwatchorg oder bei einem unserer beiden Buumlros

Germanwatch Buumlro BonnDrWerner-Schuster-HausKaiserstr 201D-53113 BonnTelefon +49 (0)228 60492-0 Fax -19

Germanwatch Buumlro BerlinSchiffbauerdamm 15D-10117 BerlinTelefon +49 (0)30 288 8356-0 Fax -1

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