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Fender ’63 Telecaster und ’63 Stratocaster Custom Relic

Palisander-Schwestern

Früher war alles besser. Ganz sicher nicht,aber Instrumente aus bestimmten Jahrgän-gen und Bauphasen haben konstruktionsbe-dingt bestimmte Eigenschaften, die heute

immer noch bei vielen hoch im Kurs stehen.Bei den beiden Testkandidaten aus dem Fen-

der Custom Shop handelt es sich um eine’63er Tele und eine ’63er Strat mit dreifarbi-gem Sunburst-Finish, die natürlich nicht 52Jahre alt sind, als Relic-Modelle jedoch aufden ersten Blick authentisch herunterge-

rockt aussehen. Den Optik-Schnickschnackbraucht sicher nicht jeder, spätestens beimGriff zum lackbefreiten Griffbrett wird aller-dings klar, dass stilvolles Altern weit mehr

sein kann als bloße Kosmetik.

Von Michael Nötges

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In der „zweiten“ Bauphase der Fender-Gitar-ren zwischen 1958 und 1965 waren Palisan-dergriffbretter plötzlich en vogue. Das lagkeinesfalls ausschließlich an gründlichenÜberlegungen des damaligen FirmenchefsLeo Fender, wie man die klanglichen Eigen-schaften der Strats und Teles verändern oderverbessern könnte. Vielmehr brachte der Ur-vater der Gitarren-Serienfertigung Ende der1950er Jahre das Jazzmaster-Modell heraus,um dem im Jazz-Segment starken Konkur-renten Gibson Paroli zu bieten und ihmMarktanteile abzuluchsen. Da die Hälse derunterschiedlichen Fender-Spezies weitestge-hend identisch waren, folgte schon aus öko-nomischen und produktionstechnischenÜberlegungen heraus die Konsequenz, auchStrat- und Tele-Hälse kurzerhand mit demdunklen Tropenholz zu versehen. Massenfer-tigung war und ist eben eine günstige Ange-legenheit. Nichtsdestotrotz bekamen die’60er Modelle nicht nur einen jazzigerenLook, sondern im Gegensatz zu reinenAhornhälsen in den unteren Mitten einenetwas kräftigeren und insgesamt wenigerklirrenden Grundsound. Außerdem –schließlich hatte Gibson mit den „großen“und ausgangsstarken Pickups Erfolg – wurdemehr Wert auf einen höheren Output bei denTonabnehmern gelegt.

’63er TeleSo weit, so gut, aber mit Stangenware habendie beiden Gitarren aus dem Custom Shop si-cher nichts zu tun, denn sie sind handgefertigt,hingebungsvoll und authentisch geaged undaus besten Zutaten zusammengeschraubt. Derzweiteilige Body der Tele besteht aus leichterSumpfesche. Das dreifarbige Sunburst-Finishmit Vintage-Shell-Pickguard ist ein Klassiker.Die Nitrolackierung ist unverwechselbar anden feinen Haarrissen zu erkennen, die nebenMacken, Kratzern und Lackabplatzungen – somuss man bei Relic-Instrumenten sagen – dasInstrument zieren. Der Body ist double bound.Das heißt, ein weißes, weitestgehend unver-sehrtes Kunststoff-Binding befindet sich aufder Ober- und Unterseite des Korpus. Übrigensein Merkmal, das damals schon für die Cus-tom-Modelle stand. Standard-Teles musstenohne Body-Protection auskommen. Ein klaresHighlight ist der Ahorn-Hals im 60ties C-Sha-ping. Unwissende würden im ersten Momentvielleicht zurückschrecken und den abgenutz-ten Hals nur mit Widerwillen anfassen. Docheben nur Unwissende, denn nicht nur, dass erob seines Shapings sehr gut in der Hand liegt,

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DETAILSHersteller: Fender Modell: 60 Strat

Herkunftsland: USA (Custom Shop)

Body: Sumpfesche (2-teilig)

Finish: Nitrolack Hals:Ahorn

Halsprofil: 65 Strat C-Shape

Griffbrett: Palisander

Griffbrettradius: 9,5“

Dots:Micarta (weiß)

Bünde: 21 (Sanko 6105, Narrow Tall)

Sattel: Knochen Mensur: 648 mm

Bridge:AM Vintage Strat Tremolo Relic

Bridge Saddles: Fender Strat Saddles Relic

Schlagbrett: 60 Strat Nitro braun

Pickups: Strat JC FAT 50s

(BRG/NK, MID, BRG/ NK), handwound

Elektronik: Oak Grigsby Switch (5-Way),

CTS 250 k-Pots, Vintage White

Mechaniken: Fender Strat Relic

Besonderheiten: handgewickelte Pickups,

unlackierter „abgespielter“ Hals

Preis: 3.620 Euro inkl. Koffer

Vertrieb: Fender Düsseldorf,

Leihgabe Gitarren Studio Neustadt

www.fendercustomshop.comwww.gitarren-studio-neustadt.de

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gerade der vom Lack befreite Griffbereich fühltsich super und sehr natürlich an. Im Gegen-satz zu meiner Jerry Donahue Custom ShopTele, deren Hals mir über die Jahre wirklichans Herz gewachsen ist, gefällt mir der Vin-tage-Hals mit dem etwas breiteren Shaping ex-trem gut. Die Stärke reicht von zweiZentimetern am Sattel bis zu rund 2,5 Zenti-metern am 12. Bund. Er erinnert mich anmeine MusicMan Axxis Sport, die ein ähnlichesShaping und vor allem einen unlackierten Halshat. Es ist natürlich Geschmackssache und dervermeintlich rohe Hals ist vielleicht anfälligergegenüber Außeneinwirkung, aber wer bisherimmer nur lackierte gespielt hat, sollte einmalunlackierte probieren. Das Spielgefühl ist fürmeinen Geschmack irgendwie direkter und,wenn man so will, intimer, weil man das Holzunmittelbar berührt und die Schwingungenohne isolierende Schutzschicht auf die Fingerübergehen. Übrigens: Nicht zu unterschätzenist das Aufsaugen des Handschweißes bei län-gerem Spielen. Das Aging des Halses hat alsonicht bloß einen optischen, vielmehr ganz klarauch einen haptischen Aspekt, und, wenn mandie Ohren spitzt, ebenso einen klanglichen.Nicht nur, weil man anders spielt, sondern weildie Schwingungseigenschaften des unlackier-ten Holzes anders sind als die eines mit Lack-schicht versehenen. Die Kopfplatte istnatürlich genauso lackiert wie das Ende desHalses am Übergang zum Korpus.

Die Tele hat ein sogenanntes „Round-Lam“-Fretboard aus sehr schönem Palisander, wiees sich für die Teles der frühen 1960er Jahregehört. Auf den bereits mit dem richtigen Ra-dius gerundeten Ahorn-Hals wird ein starkesPalisander-Furnier geleimt – daher die Be-zeichnung „Round-Lam“. Der Radius desvorliegenden Instruments beträgt 9,5 Zollund die Bünde sind standesgemäß schmaleund hohe Vintage-Varianten (6105er) derFirma Sanko. Im Gegensatz zu den Teles miteinteiligem Hals haben die zweiteiligen kei-nen „Skunk-Stripe“ – den dunklen Nuß-baumstreifen auf der Griffbrettrückseite. Dasliegt ganz einfach daran, dass der Halsspann-stab (Truss Rod) vor der Verleimung dessechs Millimeter dicken Palisander-„Fur-niers“ von vorne montiert wird.

Tele-WareDie Tele hat Fender Vintage-Mechaniken,einen Sattel aus Knochen und eine FenderVintage-Bridge mit drei sogenannten Gatton-Saddles samt typischer Kompensierung aus

Messing, die auch beim Danny Gatton Signa-ture-Modell zum Einsatz kommen. Bei denklangformenden Elementen wie den Sattelrei-tern ist klar, dass keine runtergespielten Bau-teile, sondern edle Relic-Neuware verwendetwird. Gleiches gilt natürlich für die Elektro-nik. Bei den beiden Pickups handelt es sichum handgewickelte Tele Relic-Pickups, wobeider Halstonabnehmer wie damals üblich miteiner Chromkappe abgedeckt ist. DamalsStandard war allerdings ein Dreiwege-Switchund die ’63-Tele Relic hat vier Schalterpositio-nen. Dementsprechend bieten die beiden Zwi-schenpositionen des Oak Grigsby-Schalterseine serielle und eine parallele Verschaltungder PUs an. So stehen mehr Klangoptionenzur Verfügung. Die CTS-250k-Potis sind mitgriffigen Flattop-Reglern bestückt, die im Ge-gensatz zum Relic-Style völlig unversehrtsind. Hier trifft State of the Art auf authenti-schen Vintage-Look.

’63-er StratDie Strat ist aus dem gleichen Holz geschnitztwie die Tele. Sie weist ebenfalls einen zweitei-ligen Sumpfesche-Body, einen entlacktenAhornhals mit aufgeleimtem 6 mm Palisan-dergriffbrett und einem Griffbrettradius von9,5-Zoll auf. In alter Vintage-Manier hat auchdie Strat hohe und schmale 6105er Frets,einen Knochen-Sattel und eine stark gealtertedreifarbige Sunburst-Lackierung mit Nitro-lack-Finish. Mechaniken und ab Werk frei-schwebendes Tremolo-System – Jammerhakenmit weißem Vintage-Griff inbegriffen – stam-men aus der Relic-Serie von Fender. Optischähnelt die Relic-Strat der Tele-Schwester sehr,denn sie trägt wie sie das herrlich oldschooligebraune Shell-Schlagbrett. Die Halshaptik ist jedoch etwas anders als dieder Tele, denn das 60ties Strat C-Shaping istetwas flacher und von daher eher für Spielermit kleineren Händen geeignet. Wobei immernoch ordentlich viel Material vorhanden istund beide Griffbretter halt keine Fingerflitzer-Ibanez-Flachbretter sind. Der „Vintage-Hals“liegt damit eben nicht nur sehr gut und satt inder Hand, vielmehr liefert er auch seinen Bei-trag für den guten und vollen Ton. Wie bei derTele sind die Dots im Griffbrett und am Halsaus Micarta, einem Kunstharz aus saugfähi-gem Trägerstoff wie Holz, Zellstoff oder Lei-nen, der wegen seiner hohen Festigkeit undknochenähnlichen Eigenschaften außerdemfür Sättel, gerne bei Bässen, Verwendung fin-det. Kein Perlmutt-Glimmer also, sondernhandfeste Orientierungspunkte.

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Strat-WareBei den Pickups handelt es sich um handge-wickelte Fender 50s FAT-Tonabnehmer.Wobei die genaue Bezeichnung Strat JC FAT50s mit den Initialen JC Auskunft darübergibt, dass es sich um Masterbuild und Hand-wound Pickups von John Cruz, einem deracht Custom Shop Luthier, handelt. Das bisins Detail akribisch verdrahtete PU-Set be-steht aus von Meisterhand modifizierten 50sFAT-Pickups. In einem Interview auf YouTube(https://www.youtube.com/watch?v=9lU2Xm6UKYE) wird die grundsätzliche Philosophieder JC Custom Pickups deutlich: Er setzt aufeinen etwas höheren Output und insgesamtetwas mehr Mitten und Höhen. Als Hals-Pick up sollen seine Entwicklungen sehrweich und in der Steg-Position besondersknackig und transparent klingen. Wobei ins-gesamt der Sound – Cruz orientiert sich am„Texas-Sound“ à la Steve Ray Vaughan – vollund sehr reich an Toninformationen seinsoll. Mit einem 5-Way-Switch lassen sich diePUs inklusive Zwischenpositionen anwählen.Auch die Strat setzt auf 250k-Pots von CTS,wobei die Drehregler vergilbte Relic-Modelleaus Kunststoff sind.

AngespieltGut, ich mag Teles sehr, weswegen ich definitivvorbelastet bin. Doch selbst wenn ich etwas vonmeiner Grundeuphorie zurücknehme, ist die’63 Tele ein sensationelles Instrument. Der Halsist für mich wie gemacht, liegt extrem ange-nehm in der Hand und das unlackierte Holzfühlt sich komfortabel und sehr vertraut an. DieBespielbarkeit ist ausgezeichnet und die Vin-tage-Frets führen zu einer präzisen Tongebung.Probleme bei Bendings oder der Intonationkann ich nicht feststellen. Allerdings muss ichmich als Tele-Spieler nicht umstellen. Die Teleklingt – das wundert wohl die Wenigsten – sehrdirekt und weist im Kern alle Klangeigenschaf-ten auf, die man diesem Gitarrenmodell zuwei-sen würde: Brillanz, Offenheit und einegehörige Portion Direktheit. Bei dieser Tele istetwas mehr im Spiel. Sie lässt es zwar gerademit dem Steg-Pick up ordentlich krachen undklingt herrlich ungehobelt. Dennoch, das zeigtder Hals-Pick up, hat sie auch eine weiche Seite.Gut, das trifft grundsätzlich auf alle Teles zu,aber bei dieser kommt – das Palisandergriffbrettund der freigelegte Hals lassen grüßen – eineSeite ins Spiel, die ich bei meiner reinen Ahorn-Tele so noch nicht erlebt habe. Nennen wir esetwas mehr Blues oder Jazz anstatt Funk oderCountry. Wobei besonders die beiden Zwischen-

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positionen wunderbar quäkende Country-Sounds erzeugen. Einmal etwas direkter undhärter, einmal weicher und zurückhaltender.Die Tele hat ihren eigenen warmherzigenCharakter, der sich durch alle – und das sinddurch den 4-Way-Switch wahrlich einige –Klangmöglichkeiten zieht. Sie verleugnettrotzdem keinesfalls, was sie ist: eine wasch-echte Tele.

Bei der Strat irritiert mich ein wenig das frei-schwebende Tremolo, was wohl an meiner Ge-wohnheit liegt, das Tremolo festzustellen, ummehr Sustain zu bekommen und eine bessereStimmstabilität zu erhalten. Wer möchte,kann das Tremolo-System natürlich feststellen.Ich verzichte für den Test darauf, und vielleichtgerade deswegen wächst die Strat mir mehrund mehr ans Herz. Sie klingt sehr offen undbrillant und liefert im cleanen Betrieb einenrecht direkten, sehr drahtigen Sound. Dass sieverwandt ist mit der ’63er Tele lässt sich klang-lich ebenso wenig leugnen. Denn der eigen-tümliche Wohlfühlfaktor durch ein unter-schwelliges Mehr an wohlklingenden unterenMitten setzt auch bei der Strat ein. Bei ange-zerrten Sounds fängt der Hobel ordentlich anzu rocken und liefert besonders mit dem John-Cruz-PU auf der Stegposition einen „heißen“Texas-Sound, der reich an Klanginformationenist. Das Instrument klingt sehr lebendig undbringt auf seine eigene Art immer eine subtilePortion Blues mit ins Spiel. Keine Frage, dasssich durch den 5-Wege-Schalter unzähligeGrundsounds einstellen lassen, die von einemHals-Pickup-Sound mit angenehm üppigenunteren Mitten, über funky Zwischenpositio-nen mit herrlichem Nasal-Sound bis hin zukrachend klirrenden Rock-Klängen reichen.Wobei, und ich finde, das macht ein gutes In-strument unterm Strich aus, hat die Stratihren eigenen Charakter. In diesem Fall ver-sprüht sie klanglich wie optisch einen konse-quent durchgezogenen Vintage-Charme.

FazitDie Palisanderschwestern sind ausgezeichneteCustom-Shop-Instrumente, die schon rein op-tisch den authentischen Vintage-Gedankensehr ernst nehmen. Allen voran ihre Hälsesind wegen ihrer angenehmen Haptik und dersehr guten Bespielbarkeit absolut überzeu-gend. Auch die PU-Bestückung lässt die Her-zen eines Tele- und Strat-Fans höherschlagen,wenn authentische Vintage-Sounds der1960er Jahre, gepaart mit moderner Flexibili-tät und eigenem Charakter gefragt sind. �

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DETAILSHersteller: Fender Modell: 60 Tele Custom

Herkunftsland: USA (Custom Shop)

Body: Sumpfesche Finish: Nitrolack

Hals:Ahorn Halsprofil: C-Shape (60ties Style)

Griffbrett: Indischer Palisander (6 mm)

Binding/Korpusränder: Double Bound (weiß)

Griffbrettradius: 9,5“ Dots:Micarta (weiß)

Bünde: 21 (Sanko 6105, Narrow Tall)

Sattel: Knochen Mensur: 648 mm

Brücke: 63 Vintage Tele Relic

Bridge Saddles: Compensated Bridge

Saddles (Gatton Tele)

Schlagbrett: 4 Ply Nitro braun

Pickups: 63 Tele handwound für Bridge

und Neck

Elektronik: Oak Grigsby Switch (4-Way), CTS

250 k-Pots, Chrom, Flattop-Regler

Mechaniken: Fender Tele Relic

Besonderheiten: handgewickelte Pickups,

double bound, geaged

Preis: 3.571 Euro inkl. Koffer

Vertrieb: Fender Düsseldorf, Leihgabe

Gitarren Studio Neustadt

www.fendercustomshop.com

www.gitarren-studio-neustadt.de