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2 / 2009 Die technische Zeitschrift des ABB-Konzerns www.abb.com/abbreview ABB Technik a Grüne Perspektiven Umweltfreundlichere Produkte durch Recycling Seite 10 Effizienzsteigernde Antriebe Seite 25 ABB-Roboter im Einsatz bei ABB Seite 47

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2 / 2009

Die technische Zeitschrift des ABB-Konzerns

www.abb.com/abbreview

ABBTechnik

Pioneering spirits

A revolution in high dc current measurement

page 6

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Best innovations 2004page 43

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Grüne Perspektiven

Umweltfreundlichere Produkte durch Recycling Seite 10

Effizienzsteigernde AntriebeSeite 25

ABB-Roboter im Einsatz bei ABBSeite 47

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Diese traditionellen asiatischen Reisfelder sichern seit Generati-onen das Überleben der lokalen Bevölke rung. Obwohl die entste-henden Treibhausgase ein Problem darstellen, bearbeiten die Bauern ihre Felder mit Respekt, sodass die Grund lage ihres Ertrags auch zukünftigen Generationen erhalten bleibt. Wie diese Bauern ist die menschliche Gesellschaft der Hüter eines äußerst fragilen Systems. So müssen Unternehmen von heute neben der Optimierung ihrer Profitabilität dafür sorgen, dass die elementaren Faktoren geschützt werden, die die Grundlage für ihren Erfolg bilden: die Umwelt und die natürlichen Ressourcen.

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3ABB Technik 2/2009

Editorial

In den frühen Tagen der Industrialisierung schienen die verfügbaren Rohstoffe für den Menschen noch schier uner-schöpflich. Der Umfang der industriellen Aktivität war so gering, dass die negativen Auswirkungen des entstehenden Abfalls und der Verschmutzung vernachlässigt werden konnten. Mittlerweile haben die anthropogenen Auswir-kungen auf die Umwelt so weit zugenommen, dass der Zusammenhang zwischen der Nutzung von Ressourcen und ihrer Verfügbarkeit nicht länger ignoriert werden kann. Nicht einmal die Sauberkeit des Wassers und der Luft, die wir zum Leben benötigen, kann als selbstverständlich vor-ausgesetzt werden. Heutzutage müssen Unternehmens-führungen nicht nur die Leistungsfähigkeit ihrer eigenen Unternehmen optimieren, sondern auch die möglichen weitreichenden Folgen ihres Handelns bedenken.

Das Motto von ABB „Power and productivity for a better world” steht für eine Vision, in der unsere Produkte und Dienstleistungen nicht nur unsere Kunden beim Erreichen ihrer geschäftlichen Ziele unterstützen, sondern sich symbi-otisch in das Gesamtbild der Gesellschaft und der Welt, in der wir Leben, einfügen. Nur durch nachhaltiges Denken und indem wir die Grundlagen unseres Erfolgs schützen, können wir seine Fortdauer sicherstellen. Das Engagement von ABB für mehr Nachhaltigkeit zeigt sich zum Beispiel daran, dass 50 % des konzernweiten F&E-Budgets in ener-giesparende Lösungen investiert werden.

ABB bietet eine Vielzahl von äußerst energieeffizienten Produkten, die dabei helfen, die CO

2-Bilanz ihrer jeweiligen

Anwendungen durch effizientere Umwandlung, Übertra-gung oder Nutzung von Energie zu ermöglichen. Beispiele für eine effiziente Energieumwandlung, die in dieser Aus-gabe der ABB Technik vorgestellt werden, sind die neue Turbolader-Baureihe A100 und der BORDLINE® M-Hilfs-betriebeumrichter für Traktionsanwendungen.

Drehzahlgeregelte Antriebe gehören im Hinblick auf die Energieeinsparungen, die damit erzielt werden können, regelmäßig zu den Spitzenprodukten unseres Unterneh-mens. Bei einer objektiven Umweltbilanz sollte nicht nur der Energiebedarf, sondern auch eine Vielzahl weiterer Aspekte berücksichtigt werden. Ein Artikel in dieser Aus-gabe der ABB Technik zeigt, dass die Gesamtumweltaus-wirkung über den Lebenszyklus dieser Antriebe hinweg ebenfalls äußerst günstig ausfällt.

Ein weiterer Artikel aus einem ähnlichen Bereich zeigt, wie durch bessere Wiederverwertbarkeit von Isolationsmaterial Abfall vermieden werden kann.

Die Verwendung von Permanentmagneten in großen Elek-tromotoren war lange Zeit ein schwer erreichbares Ziel, doch dank der Fortschritte auf dem Gebiet der magneti-schen Werkstoffe können solche Anwendungen nun reali-siert werden. Diese Motoren ermöglichen nicht nur eine Reduzierung des Energiebedarfs und der Komplexität durch den Wegfall des Erregersystems, sondern kommen aufgrund des niedrigen Drehzahlbereichs auch ohne Getriebe aus. Neben der daraus resultierenden höheren Energieeffizienz hat dies auch Vorteile im Hinblick auf den Platzbedarf, die Zuverlässigkeit und die Lebenszyklus-kosten. Maschinenkonzepte dieser Art sind sowohl für industrielle Antriebsanwendungen als auch für Windkraft-anlagen interessant.

Energieeinsparungen lassen sich auch durch Verbesserun-gen in den Regelungskonzepten erzielen. So hilft cpmPlus Expert Optimizer dabei, industrielle Prozesse effizienter zu gestalten. Ein weiterer Artikel befasst sich mit der Frage, wie sich die Energieeffizienz durch verbesserte Software steigern lässt.

Roboter sind nicht nur ein Symbol für Produktivität, son-dern auch ein leistungsstarkes Instrument der Nachhaltig-keit. Sie sind in der Lage, in für den Menschen gefährli-chen Umgebungen zu arbeiten und tragen durch die Präzi-sion und Wiederholbarkeit ihrer Handlungen zur Reduzie-rung von Abfall bei. Während sich die Beiträge in der ABB Technik aus diesem Bereich meist mit dem Einsatz von ABB-Robotern in Kundenanwendungen befassen, zeigen wir in dieser Ausgabe, dass wir unsere Roboter auch selbst einsetzen – zum Beispiel bei der Fertigung von Elektro-motoren.

Wir hoffen, Ihnen mit den Artikeln in diesem Heft den Beitrag von ABB zur Nachhaltigkeit näher bringen zu können und einen Eindruck davon zu vermitteln, wie die fortwährenden Bemühungen unseres Unternehmens kontinuierlich zu weiteren Verbesserungen führen.

Ein interessante Lektüre wünscht Ihnen

Peter TerwieschChief Technology OfficerABB Ltd.

Im Blickpunkt: Nachhaltigkeit

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4 ABB Technik 2/2009

ABB Technik 2/2009Grüne Perspektiven

Inhalt

Globaler Ausblick

6Globale EnergieherausforderungenEin Interview mit Professor Ernest Moniz zu

den dringendsten globalen Herausforderungen im

Energiesektor

Nachhaltige Prozesse

10Zum Wohle der UmweltMöglichkeiten zum Recycling von Isolationskomponenten

17Die optimale LösungMit gehobener Prozessregelung zu mehr Energieeffizienz

und Umweltverträglichkeit

23Das „grüne“ Gate-ModellEntwicklung nachhaltiger Produkte mithilfe des richtigen

Designprozesses

25Eine lohnende InvestitionElektrische Antriebe helfen, Emissionen zu reduzieren

und den Energieverbrauch zu senken

Nachhaltigkeit und Energie

29Die Anziehungskraft der EinfachheitPermanentmagnetmaschinen auf dem Weg in die

Zukunft

35BORDLINE® MEine hocheffiziente AC/DC/DC-Umrichterarchitektur

für die Stromversorgung an Bord von Zügen

42Immer eine Umdrehung besserDie neue Turboladergeneration A100 hilft,

Motoremissionen zu reduzieren

47Mit gutem Beispiel voranABB nutzt ihre eigenen Roboter für die Fertigung

von Produkten

50Jedes Bisschen zähltSteigerung der Energieeffizienz durch verbesserte

Regelungssoftware und optimierte Prozesse

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5

6

10

25

58

Nachhaltige Ergebnisse

55Intelligenter HausserviceDie ABB i-bus® KNX-Gebäudesystemtechnik

bietet Hotelgästen mehr Komfort und senkt die

Energiekosten

58MetamorphoseSchnelle Anpassung an Veränderungen mithilfe

des IDEAL-Verbesserungsmodells

64ZuverlässigkeitsanalyseBestimmung von Instandhaltungsstrategien und

Steigerung der Betriebsmittelzuverlässigkeit in einer

NGL-Anlage mithilfe von Daten und Modellierungs-

software

www.abb.com/abbreview

ABB Technik 2/2009

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6 ABB Technik 2/2009

Globaler Ausblick

Angesichts eines stetig steigenden Energiebedarfs,der raschen Erschöpfung von Ressourcen und desKlimawandels steht die Welt vor einer ganzen Reihevon Herausforderungen. ABB sprach mit Ernest Moniz,Professor für Physik am Massachusetts Institute ofTechnology und Leiter der MIT Energy Initiative, überseine Ansichten zur globalen Energiekrise.

Globale Energie-herausforderungenEin Interview mit Ernest Moniz zu den dringendsten globalenHerausforderungen im Energiesektor

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7ABB Technik 2/2009

Globale Energieherausforderungen

Globaler Ausblick

Kann man sagen, dass die Industrie- und Entwicklungsländer grundsätzlich vor denselben Herausforderungen stehen?Die offensichtliche gemeinsame Heraus-forderung ist der Klimawandel, da die Auswirkungen weltweit zu spüren sind. Allerdings machen sich die Auswirkun-gen überall unterschiedlich bemerkbar. In China dehnen sich die Wüsten aus, und der Nahe Osten hat mit erheb-lichen Wasserproblemen zu kämpfen. Gleichzeitig ist ein gefährlicher Rück-gang des Schneefalls und der Gletscher im Himalaja zu verzeichnen, wobei häufig vergessen wird, dass davon die großen Ströme des Ganges und des Mekong gespeist werden. Können Sie sich vorstellen, welche Auswirkungen es für über eine Milliarde Menschen hat, die in diesem Gebiet leben, wenn die Flüsse weniger Wasser führen?

Doch es gibt auch Chancen. Die Ent-wicklungsländer werden im Hinblick auf eine wirksame Reaktion auf den Klimawandel zwar den Industrieländern hinterherhinken, doch das Wachstum ihrer Energieinfrastrukturen ist viel größer, was wiederum bessere Möglich-keiten für den Einsatz neuer Technolo-gien bietet. Wir müssen allerdings dafür sorgen, dass sich die Entwicklungslän-der diese Technologien leisten können. Veränderungen brauchen Zeit, doch wenn diese Länder ihre Energieinfra-strukturen mit alter Technologie ent-wickeln, bedeutet dies eine viel größe-re Hypothek auf die Zukunft.

Die dritte große Herausforderung liegt in den Gefahren, die mit dem Klima-wandel verbunden sind. Dies ist meiner Ansicht nach die dramatischste der drei Herausforderungen, da unser globales Energiesystem zu etwa 85 % von fossilen Brennstoffen abhängt. Wenn wir also eine drastische Reduzie-rung der Verwendung von Kohlenstof-fen in einem System anstreben, das hauptsächlich auf Kohlenstoffen basiert, ist eine drastische Veränderung erfor-derlich. Aber warum ist es nun ein „perfekter Sturm“? Weil sich aus den Reaktionen auf diese drei Herausforde-rungen einige naturgemäße Spannun-gen ergeben.

Was ist falsch an der Strategie, so weiter zu machen wie bisher und die notwen-digen Maßnahmen zu treffen, wenn es so weit ist?Die verbleibenden Unsicherheiten in unserem Verständnis der Klimaauswir-kungen sind eine starke Motivation, die Ansammlung von Treibhausgasen in der Atmosphäre so weit wie irgend möglich zu begrenzen. Unsere Befürch-tung ist es, dass wir noch plötzlicheren, nichtlinearen Veränderungen unseres Klimas ausgesetzt sein könnten, die katastrophale Folgen haben können. Wir müssen die Reduzierung der Klimagefährdung so stark wie möglich vorantreiben und erkennen, dass von unserem heutigen Standpunkt aus gesehen ein deutliches Maß an Anpas-sung nicht zu vermeiden ist.

Worin liegen Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen im Hinblick auf die globale Energieversorgung?Was wir haben, ist eine Art „perfekter Sturm“ von drei zentralen Herausforde-rungen. Eine davon dreht sich um das globale Thema von Angebot und Nach-frage. Auch wenn wir in den nächsten Jahren einen Rückgang verzeichnen, ist dies nur eine vorübergehende Reaktion auf den globalen wirtschaftlichen Abschwung im Hinblick auf einen starken Anstieg des Energiebedarfs in der Zukunft, der zu einem großen Teil von den Schwellenwirtschaften verur-sacht wird. Die Komponente mit dem stärksten Zuwachs ist der Bedarf an elektrischer Energie, der sich vom Jahr 2000 bis 2050 ungefähr verdreifachen dürfte. Dabei sollten wir nicht verges-sen, dass dies in etwa der Steigerung entspricht, die sich ergibt, wenn der Pro-Kopf-Stromverbrauch des Großteils der zu erwarteten Weltbevölkerung von neun Milliarden Menschen im Jahr 2050 auf ein nach heutigen Maßstäben der OECD relativ geringes Niveau steigt. Mit anderen Worten, es gibt einen sehr realen Druck für Wachstum.Die zweite Herausforderung, würde ich sagen, umfasst den gesamten Themen-kreis der Energiesicherheit, einschließ-lich der Anhängigkeit von einigen weni-gen Öl- und Gaslieferanten und den Bedenken um eine verbreitete Nutzung der Kernenergie. Diese Themen sind akut spürbar, insbesondere für die Menschen in den wohlhabenderen Ländern.

Ernest Moniz ist Professor für Physik am

Massachusetts Institute of Technology

(USA) und Leiter der MIT Energy Initiative,

einem institutweiten Programm zur

Umwandlung des globalen Energiesystems

zur Erfüllung der zukünftigen Herausforde-

rungen. Von 1997 bis 2001 war Professor

Moniz Unterstaatssekretär im US-amerika-

nischen Energieministerium. Seit 2008

besteht eine Forschungspartnerschaft

zwischen ABB und der MIT Energy Initiative.

Infobox Professor Moniz

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8 ABB Technik 2/2009

Globale Energieherausforderungen

Globaler Ausblick

an guten Standorten einen zunehmend bedeutenden Beitrag zu akzeptablen Kosten, während die Sonnenenergie aufgrund rasch sinkender Kosten bedeutendes Potenzial besitzt. Die ver-besserte Bereitstellung der Elektrizität wird dabei eine wichtige Rolle spielen. Es gibt also mehrere technologische Wege, die Probleme im Energiesektor anzugehen. Die wirkliche Herausforde-rung besteht darin, am Ball zu bleiben.

Die Politik wird mit Sicherheit eine große Rolle bei allen diesen Strategien spielen, doch wie können Regierungen helfen, ohne die technologischen Gewinner zu bestimmen?Es ist im Prinzip recht einfach, auch wenn es politisch schwierig erscheint. Zunächst einmal sollte eine Politik zur Förderung eines geringeren Kohlen-stoffausstoßes genau dies tun und nicht die Technologie bestimmen. Dann sollte die Technologieentwicklung und –demonstration so technologieneutral wie möglich sein. Wenn es darum geht, Demonstrationsprojekte zu finanzieren, muss eine Auswahl getroffen werden. Aber vielmehr müssen wir versuchen, ein Portfolio von Demonstrationsprojek-ten zu fördern, die uns in eine kohlen-stoffärmere Richtung führen.

Ist ein Emissionshandel nach dem Cap-and-Trade-System, zum dem sich scheinbar viele Märkte entwickeln, neutral genug, um das Ziel der Kohlen-stoffreduzierung zu erreichen?Ein Cap-and-Trade-System ist im Prinzip neutral, wenn sich die Emissionsober-grenzen wirklich auf die gesamte Wirt-

zu Erdgas. Eine andere Möglichkeit ist die Kohlenstoffabscheidung und -sequestrierung. Die Technologie muss sich zwar noch im kommerziellen Ein-satz beweisen, doch sie ist eine wichti-ge Option. Und dann es gibt natürlich den möglichen Ausbau der Kernener-gie, die mit einem Sechstel der welt-weiten Stromerzeugung neben der Wasserkraft die bedeutendste kohlen-stofffreie Energiequelle darstellt. In bestimmten Regionen bietet auch die Wasserkraft noch weitere Möglichkei-ten. Von den anderen erneuerbaren Energiequellen leistet die Windenergie

Was sind für Sie die meistversprechends-ten Strategien im Hinblick auf die erwähnten Herausforderungen?Das oberste Ziel sollte eine Steigerung der Energieeffizienz in Wohn- und Gewerbegebäuden sein – also die sprichwörtlich niedrig hängenden Früchte.Ein weiterer Schwerpunkt in relativ naher Zukunft wird wahrscheinlich die Dekarbonisierung der Elektrizitätswirt-schaft sein. Eine Möglichkeit ist das Umschwenken von kohlenstoffintensi-ven auf weniger kohlenstoffintensive Brennstoffe – zum Beispiel von Kohle

Weltweite Stromerzeugung nach Regionen(Quelle: IEA World Energy Report 2007)

Milliarden kW

Jahr

Bisher

OECD-Länder

Nicht-OECD-Länder

Prognosen20.000

15.000

10.000

5. 000

01980 1995 2004 2015 2030

Prognostiziertes Wachstum in der Stromerzeugung für OECD- und Nicht-OECD-Länder (Quelle: IEA World Energy Outlook 2007)

OECD-Länder

Nordamerika

Europa

Asien

Nicht-OECD-Länder

Europa/Eurasien

China

Indien

Übriges Asien

Naher Osten

Afrika

Zentral-/Südamerika

Durchschnittlicher jährlicher Zuwachs in Prozent

1,5

1,4

2,3

4,4

3,9

3,8

2,9

3,5

2,9

0,8

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9ABB Technik 2/2009

Globale Energieherausforderungen

Globaler Ausblick

schaft beziehen und die Emissionsgut-schriften versteigert werden. Wenn man ein wirksames System zur Erfassung der Staatseinkünfte und deren Rückzahlung an die Bevölkerung – in Form von Lohn- und Einkommensteuererleichte-rungen, Einkaufschecks für die Bevöl-kerung usw. – entwickelt, sollte sich dies nicht merklich auf das BIP auswir-ken. Doch verschiedene Regionen und Industrien sind auf sehr unterschied-liche Weise betroffen, was unweigerlich dazu führt, dass das politische System einen entsprechenden Ausgleich schaf-fen muss. Dadurch entfernen wir uns zwar von der Kohlenstoffneutralität und dem wirtschaftlich effizientesten System, doch es werden die Realitäten berück-sichtigt, mit denen sich jedes politische System befassen muss.

Wie kommt es, dass der Bedarf an elekt-rischer Energie so viel schneller gestiegen ist als der Gesamtenergiebedarf?Strom ist enorm einfach und sauber in der Benutzung. Man legt einen Schalter um und bekommt Energie, ohne dass man lokal Brennstoff verbrennen muss. Auch ist Elektrizität ein bedeutender Indikator für Lebensqualität. Es gibt also einen enormen Druck zur Modernisie-rung durch die Elektrifizierung der Gesellschaft. Das soll nicht heißen, dass wir eine totale Elektrifizierung haben sollten, aber ich denke, es gibt einen starken Antrieb, der die Basis für das schnelle Wachstum bildet. Aus gutem Grund hat die US National Academy of Engineering die Elektrizität zur größten technischen Errungenschaft des 20. Jahrhunderts erklärt.

Wenn also der Bedarf an Elektrizität weiterhin stark ansteigt, ist unsere I nfrastruktur in der Lage, dies zu bewältigen?Im Hinblick auf die Zukunft ist unsere Infrastruktur zweifellos unzureichend. In den USA arbeiten wir im Grunde mit einem 50 Jahre alten System, das viele Schwächen aufweist. Doch genau hier, denke ich, kann eine neue Generation von Energieübertragungstechnologien etwas bewirken. So können Hoch-spannungs-Gleichstrom-Übertragungs-netze zum Beispiel die durch erneuer-bare Energiequellen hervorgerufenen Schwankungen ausgleichen, und Infor-mationstechnologien können auf intel-ligentere Weise in das Netz integriert werden, sodass die Zuverlässigkeit und

Übertragungseffizienz erhöht wird. Die dazu erforderlichen Technologien gibt es im Grunde genommen schon. Natür-lich ist noch etwas Forschung und Ent-wicklung erforderlich, aber mit den heute verfügbaren Technologien und einem gezielten Programm könnten wir innerhalb von 10 Jahren eine drastische Veränderung des Energieversorgungs-systems erreichen. In den USA hat die neue Regierung dem eine hohe Priorität beigemessen, und ich hoffe, dass das nationale Engagement da ist, dies auch umzusetzen.

Dies bringt uns zu einem weiteren Punkt. Welche Auswirkungen glauben Sie wird der wirtschaftliche Abschwung auf den Energieinfrastruktursektor haben?Die Rezession hat bereits die Energie-preise und die Nachfrage reduziert. Die Frage ist, ob diese Faktoren dazu führen, dass wir unseren Fehler der 1980er Jahre wiederholen und so weiter machen wie bisher und die notwendigen Arbeiten weiter hinaus-zögern. Ich denke, wir können diesmal einiges davon vermeiden, da die Welt-bevölkerung – einschließlich den USA – viel sensibler für das Thema Klima-wechsel geworden ist. In den USA, in Europa, China und Indien werden große Anreizpakete geschnürt, deren Hauptziel die kurzfristige Sicherung und

Schaffung von Arbeitsplätzen ist. In allen diesen Ländern wird darüber dis-kutiert, einen beträchtlichen Teil dieser Pakete auf den Aus- und Umbau der Energieinfrastruktur auszurichten, was großartig ist. Wenn es richtig gemacht wird, ist es eine gute Investition und wird die Sicherung von Arbeitsplätzen ebenso unterstützen wie unsere Ziele im Hinblick auf Energie, Sicherheit und Klima.

Wenn Sie heute eine Karriere im Energiesektor anstreben würden, für welchen Bereich würden Sie sich entscheiden?Zunächst würde ich mit einer soliden naturwissenschaftlichen und/oder technischen Grundlage beginnen. Ich glaube das ist eine wichtige Vorausset-zung, um etwas am System bewirken zu können, nicht nur in technologischer Hinsicht. Solide, technisch fundierte Analysen an der Schnittstelle von Energietechnik und Politik bieten eine bedeutende Möglichkeit, das System positiv zu beeinflussen und sind ein wichtiger Schwerpunkt unserer MIT Energy Initiative.

Das Interview führte Malcolm Shearmur,

ABB Corporate Communications

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10 ABB Technik 2/2009

Nachhaltige Prozesse

Wenn elektrische Energieversorger ihre Infrastruktur erneuern, fallen erhebliche Mengen an Epoxidharz-, Silikon- und Porzellanabfällen an. In naher Zukunft wird die Einführung der sogenannten Smart Grid-Technologie nicht nur zur Realisierung eines energieeffizienten, intelligenten Stromnetzes, sondern auch zur Verstärkung des Entsorgungsproblems beitragen, wenn alte Betriebsmittel durch neue ersetzt werden. Zurzeit gibt es keine klar definierten Technologien für das Recycling von Isolationskomponenten, sodass diese Art von Abfall häufig auf Mülldeponien entsorgt wird.

Mit dem Ziel, die Umweltauswirkung ihrer Produkte zu reduzieren und den Kunden die Erfüllung immer strengerer Umweltauflagen zu ermöglichen, hat ABB eine Reihe von Machbarkeits-studien zum Produktrecycling durch-geführt. Diese Studien zeigen einige Möglichkeiten zum Recycling bzw. zur Wiederverwendung von Iso-lationskomponenten auf, die die Nachhaltigkeit von Pro-dukten für die elektrische Energieübertragung und -verteilung verbessern könnten.

Zum Wohle der UmweltMöglichkeiten zum Recycling von IsolationskomponentenRobert Sekula, Till Ruemenapp, Marlene Ljuslinder, Bernhard Doser

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11ABB Technik 2/2009

Zum Wohle der Umwelt

Nachhaltige Prozesse

Frankreich Verbot der Entsorgung von nicht als Restmüll klassifizierten Abfällen auf Deponien (2002)Deutschland Verbot der Entsorgung von unbehandelten (1993) und brenn-baren Abfällen (2001) auf DeponienNiederlande Verbot der Entsorgung aller Abfälle, die wiederverwendet oder zurückgewonnen werden können, auf Deponien (1995)Schweden Verbot der Entsorgung nicht behandelter Siedlungsabfälle (1996), brennbarer Abfälle (2002) und organi-scher Abfälle (2005) auf Deponien

Eine ähnliche neue Vorschrift, die Richtlinie 2002/96/EG des Europäi-schen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 2003 über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (Waste Electrical and Electronic Equipment, WEEE), fordert das Recycling aller Elektro- und Elektronikgeräte (Electrical and Electronic Equipment, EEE)2) und verbietet die Entsorgung von Elektro-abfällen auf Deponien [2]. Angesichts der bestehenden und zukünftigen

Verwendung von Polymerabfällen zur Strom- oder Wärmeerzeugung besteht darin, dass die meisten Polymere einen hohen Energiegehalt besitzen. Allerdings muss die Verbrennung unbedingt unter kontrollierten Bedin-gungen in Anlagen mit effektiven Einrichtungen zur Abgasbehandlung erfolgen, da Polymere oft Chlor, Fluor, Brom, Schwefel oder andere umwelt-schädliche Additive enthalten. Die beste Methode zur Behandlung von Polymeren mit schädlichen organi-schen Additiven ist eine sorgfältig kontrollierte Verbrennung, bei der diese Verbindungen zerstört und entfernt werden. Ob ein Produkt oder Produktteil recycelt oder verbrannt werden sollte, ist eine komplexe Entscheidung, die von Fall zu Fall getroffen werden muss.

Viele in der Energiewirtschaft genutzte Produkte enthalten Metalle, die in ausgehärtete (d. h. vernetzte) Duro-plaste wie Epoxidharz oder Silikon eingebettet sind 1 . Inwieweit solche Komponenten zurückgewonnen wer-den können, wird zurzeit im Labor geprüft.In Europa gibt es verschiedene Vorschriften zum Abfallmanagement, die eine Entsorgung auf Deponien einschränken und somit die Rückge-winnung und das Recycling fördern. Beispiele dafür sind:Österreich Zusätzliche Einschränkun-gen bei der Entsorgung auf Deponien (2004)Dänemark Verbot der Entsorgung von zur Verbrennung geeigneten Abfällen auf Deponien (1997)

Silikongummi1) und andere duro-plastische Werkstoffe werden auf-

grund ihrer ausgezeichneten dielektri-schen Eigenschaften und ihrer Robust-heit häufig in elektrischen Anlagen eingesetzt. Sowohl bei Herstellern als auch bei Energieversorgern fallen jedes Jahr große Mengen an ausran-gierten Isolationskomponenten an. Damit diese nicht auf Mülldeponien landen, sondern recycelt bzw. wieder-verwendet werden können, ist ein geeignetes Abfallmanagement erfor-derlich.

Jüngsten Schätzungen zufolge werden in Westeuropa jährlich 40 Millionen Tonnen Kunststoff verbraucht [1]. 20 % davon sind Duroplaste. Dies führt unweigerlich zu enormen Abfallmen-gen – geschätzte 22 Millionen Tonnen jährlich, von denen weniger als 40 % wiederverwendet werden [1]. Polymer-abfälle können recycelt, verbrannt oder auf Deponien entsorgt werden. Mehrere Lebenszyklusstudien haben gezeigt, dass das Recycling und die Verbrennung mit Energierückgewin-nung die effizientesten Möglichkeiten zur Behandlung dieser Abfälle darstel-len. Eine Endlagerung auf Deponien sollte vermieden werden, da hierbei keinerlei Material oder Energie aus dem Abfall zurückgewonnen wird. Ist das Abfallmaterial „sauber“ und ein-deutig definiert, kann es leicht gesam-melt, zerlegt und für die Verwendung in neuen Produkten aufbereitet wer-den. Sind diese Voraussetzungen jedoch nicht gegeben, ist die Verbren-nung mit Energierückgewinnung meist die beste Methode. Der Vorteil der

Fußnoten1) Silikone sind Polymere, die neben Silizium auch

Kohlen stoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Füllstoffe und

manchmal noch weitere chemische Elemente ent-

halten. Flüssig silikon (Liquid Silicone Rubber, LSR)

ist eine Silikonart.2) Der Ausdruck „EEE“ bezeichnet Geräte, die zu

ihrem ordnungsgemäßen Betrieb elektrische Ströme

oder elektromagnetische Felder benötigen, und

Geräte zur Erzeugung, Übertragung und Messung

solcher Ströme und Felder, die unter die in Anhang

IA aufgeführten Kategorien fallen und für den

Betrieb mit Wechselstrom von höchstens 1.000 V

bzw. Gleichstrom von höchstens 1.500 V ausgelegt

sind.

1 Produkte aus duroplastischem Kuststoff

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12 ABB Technik 2/2009

Zum Wohle der Umwelt

Nachhaltige Prozesse

Eine interessante Alternative zum Recycling ist die Ener-gierückgewinnung aus Duro-plasten. Generell besitzen Duroplaste einen hohen Energiegehalt – mit unteren Heizwerten von 10 bis 20 MJ/kg je nach Füllstoff-gehalt –, was sie zu einem attraktiven Brennstoff für die Wärme- und Stromerzeugung macht. Der Nachteil ist, dass bei der Verbrennung von

Duroplasten durch die Füllstoffe große Mengen anorganischer Stoffe entstehen, die wirtschaftlich und mit minimalen Auswirkungen auf die Umwelt ent-sorgt werden müssen. Ein positiver Aspekt ist, dass die Luftverschmutzung bei der Verbrennung von Duroplasten relativ harmlos ist; bei sorgfältig kont-rollierter Verbrennung entstehen keine schädlichen Emissionen [3].

Die Umwandlung von Kunststoffen in Materialien mit niedrigerem Moleku-largewicht durch photochemischen, chemischen oder biologischen Abbau (Degradation) ist ebenfalls eine inter-essante Möglichkeit zum Recycling duroplastischer Polymere. Ökologisch und wirtschaftlich besonders interes-sant ist hierbei die Pyrolyse, eine Son-derform der chemischen Degradation, die keine vorhergehende Trennung von Komponenten zur Rückgewinnung von Material und Energie erfordert.

Von ABB untersuchte LösungenABB untersucht derzeit verschiedene Alternativen zur Wiederverwendung von Isolationskomponenten.

Epoxidharzbasis häufig zur Isolierung elektrischer Bauteile verwendet, d. h. vor einer möglichen Wiederverwen-dung müssen erst verschiedene Metallteile (z. B. Kerne, Wicklungen) entfernt werden. Einige Unternehmen wenden kryogene Verfahren an, um die eingegossenen Teile zu recyceln, doch die Qualität der wiedergewonne-nen Teile ist recht gering.

Das Recycling von Gummiwerkstoffen wie Flüssigsilikon (Liquid Silicone Rubber, LSR) war bisher auf mechani-sche Trennmethoden wie das Mahlen beschränkt. Gummiwerkstoffe sind hochelastische, vernetzte (vulkanisier-te) Polymere, die aufgrund ihrer Ver-netzung nicht geschmolzen und neu verarbeitet werden können. Deshalb beschränkt sich ihre Wiederverwen-dung bislang auf die Herstellung von Asphalt und Sportplatzbelägen. Allerdings werden derzeit neue Devul-kanisationsmethoden entwickelt, die den Einsatzbereich recycelter Gummi-werkstoffe erheblich erweitern könn-ten.

strengen Auflagen für die Behandlung von Elektroab-fällen sind die Hersteller und Nutzer von Hochspannungs-geräten gezwungen, sich nach alternativen Methoden zum Abfallmanagement umzusehen.

Entsorgungsmethoden für DuroplastabfälleAusgehärtete Duroplaste sind nicht als gefährlich eingestuft und dürfen auf Mülldeponien entsorgt werden. Mehr als 90 % dieser Abfälle werden auf diese Weise entsorgt [1]. Angesichts immer größerer Abfallmen-gen und einem beschränkten Platzan-gebot für die Entsorgung werden aus-gereiftere, nachhaltige Technologien zur Wiederverwendung dieser Materi-alien benötigt.

Hierzu gibt es verschiedene Möglich-keiten als Alternative zur Entsorgung auf der Deponie: Wiederverwendung in Baustoffen Mechanisches Recycling Energierückgewinnung Degradation

Eine einfache Möglichkeit zur Wieder-verwendung von Abfällen aus gehär-tetem Epoxidharz ist ihre Zugabe zu Beton- oder Asphaltbaustoffen. Da jedoch im Vergleich zur benötigten Baustoffmenge relativ wenig Abfall mit einer weiten geografischen Streu-ung anfällt, ist der wirtschaftliche Anreiz zur Wiederverwendung dieser Materialien in Baustoffen eher gering. Darüber hinaus werden Werkstoffe auf

b

2 Produkte aus der Pyrolyse von gebrauchten Epoxidharzprodukten

Feste Reststoffe Gas Flüssige Reststoffe

3 Experimentelle Pyrolyseanordnung a und Pilotanlage b

Leitsystem

Pyrolysegas

Pyrolyse-reaktor

Kondensator

Demister

Kondensattank Kondensattank

Brennkammer

Luft

Verbrennungs-gase

Verbrennungsgasanalysator

zur chromatografischen AnalyseThermometer

Rot

amet

er

Zyklon

a

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13ABB Technik 2/2009

Zum Wohle der Umwelt

Nachhaltige Prozesse

relativ hohen Energiegehalts kann das Epoxidharz als zusätzliche Wärmequelle bei der Klinkerherstellung einge-setzt werden. Darüber hinaus könnte der anorganische Füll-stoff (SiO

2 oder Al

2O

3 in den

meisten Rezepturen) in den Klinker selbst eingebunden werden. Hierzu würde fein gemahlenes Pulver aus gehär-tetem Epoxidharz (vorzugs-weise gemischt mit Kohlen-staub) in die Flamme des Drehrohrofen eingeblasen 5 . Beim normalen Betrieb eines Zementofens fallen schädliche

Stickoxide an. Diese entstehen durch Oxidation von chemisch gebundenem Stickstoff im Brennstoff (brennstoff-bedingte NO

x) und durch thermische

Bindung von Stickstoff in der Luft (thermische NO

x). Diese Stickoxide

können möglicherweise durch Ein-blasen von Epoxidharzpulver in die Brennkammer reduziert werden. Die Menge und Art des erzeugten NO

x

hängt dabei vom verwendeten Brenn-stofftyp und der Temperatur ab, mit der er verbrannt wird (bei Temperatu-ren von über 1.400 °C werden deutlich mehr Stickoxide produziert). Bei der Zementherstellung werden in der Sinterzone des Drehrohrofens und in der Sinterzone des Vorcalcinators Temperaturen von über 1.500 °C erreicht, was die Bildung von NO

x för-

Insgesamt wurden drei verschiedene Reihen von Experimenten durchge-führt. Dabei sollten die organischen Stoffe im besten Fall einwandfrei zersetzt werden (d. h. das Ziel ist es, den Kohlenstoffgehalt der festen Rückstände auf ein Minimum zu reduzieren) und gleichzeitig Metall-teile in guter Qualität für das Recyc-ling zurückbleiben 4 .

Die Ergebnisse dieser Experimente zeigen, dass die Pyrolyse zur Degra-dation von Kunstharzabfällen einge-setzt werden kann, um Metallkompo-nenten für das Recycling zurückzuge-winnen. Das bei der Pyrolyse entste-hende Gas und Öl kann als Brennstoff zur Rückgewinnung der in den alten ausrangierten Produkten gespeicher-ten Energie eingesetzt werden.

Neuer Ansatz – ZementherstellungEine weitere Möglichkeit zur Nutzung von Epoxidharzabfällen ist die Ver-brennung in Drehrohröfen für die Zementherstellung. Aufgrund seines

PyrolyseDie Pyrolyse ist eine interes-sante Möglichkeit zur Wie-derverwendung von Duro-plasten. Hierbei handelt es sich um einen thermischen Degradationsprozess, der in einer sauerstofffreien Um-gebung abläuft und bei dem drei Arten von Produkten entstehen 2 : Pyrolysegas Flüssige Stoffe Feststoffe (verkohlte Rückstände, mineralische Füllstoffe, Metalle)

Bei Laborexperimenten wurde ein Pyrolysereaktor entwickelt, der haupt-sächlich aus elektrischen Heizelementen und einem Thermoelement besteht 3 . Die Anordnung wurde so konstruiert, dass sich die Temperatur innerhalb des Reaktors über einen breiten Bereich regulieren lässt.

Das bei der thermischen Degradation der Duroplaste (Pyrolyse) entstehende Gas muss vor seiner Verbrennung in der Brennkammer aufbereitet werden. Dies wurde mithilfe eines Demisters3) und eines Zyklons4) erreicht, mit denen die Verunreinigungen im Gas zu flüssigen Stoffen kondensiert wur-den.

Im Labor dauerte die pyrolytische Degradation des Epoxidharzabfalls je nach Abfallmenge und Pyrolysetempe-ratur zwischen drei und fünf Stunden. Die Niedertemperaturpyrolyse wurde bei 450 °C durchgeführt, während die Hochtemperaturprozesse bei 750 °C oder 850 °C abliefen.

Fußnoten3) Ein Demister ist ein Gerät zum Entfernen flüssiger

Tröpfchen aus einem Gasstrom.4) Ein Zyklon ist ein Gerät zum Entfernen von Partikeln

aus einem Luft-, Gas- oder Wasserstrom durch

Wirbelablösung.

4 Experimentelle Bedingungen für die Pyrolyse bei verschiedenen Temperaturen

Prozess Niedertemperatur-pyrolyse

Hochtemperatur-pyrolyse

Hochtemperatur-pyrolyse

Duroplastabfall 1.820 g 4.390 g 1.270 g

Pyrolysezeit 3 Stunden 3 Stunden 5,5 Stunden

Pyrolysetemp. 450 °C 750 °C 850 °C

Produkte

Gasförmig 97 dm3/kgKunstharzabfall

103 dm3/kgKunstharzabfall

98 dm3/kgKunstharzabfall

Flüssig 43,96 g/kgKunstharzabfall

62,19 g/kgKunstharzabfall

226,77 g/kgKunstharzabfall

Fest 854,40 g/kgKunstharzabfall

895,22 g/kgKunstharzabfall

689,76 g/kgKunstharzabfall

5 Konzept zur Nutzung von Epoxidharzabfall in einem Drehrohrofen für die Zementherstellung (dargestellt ist das „heiße“ Ende des Ofens)

Rohstoffe

Epoxidharz-pulver

Zementdreh-rohrofen

Einblasung vonEpoxidharzpulver

Primär-brennstoff

6 Experimentelle Anordnung zur Nutzung von gebrauchten Porzellanisolatoren

a

b

e

c

d

a Tank für Öl und Keramikpulverb Motorc Brennerd Ofene Ölpumpe

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14 ABB Technik 2/2009

Zum Wohle der Umwelt

Nachhaltige Prozesse

Stickoxidbildung im Flammbereich entlang der Brennkammer zurückzu-führen. Unabhängig davon lassen 7 und 8 erkennen, dass die Beimi-schung von Keramikpulver sowohl bei Dieselöl als auch bei Erdgas dabei helfen kann, die bei der Verbrennung entstehenden NO

x-Emissionen zu

reduzieren.

Die beobachteten Senkungen der NO

x-Emissionen lassen sich durch

eine katalytische Wirkung der Bestandteile im Keramikpulver erklä-ren 8 . Hierbei handelt es sich wahr-scheinlich um den gleichen Effekt, der bereits von DeSoete beobachtet wurde [6]. Dieser zeigte, dass NO bei Anwesenheit eines Reduktionsmittels (z. B. CO) an Cenosphären6) oder sogar an der Wand eines leeren Quarzreaktors zerstört werden kann. DeSoete entwickelte reaktionskineti-sche Modelle für die Zerstörung von NO und HCN an Flugasche, in der

von Keramikpulver zum Dieselöl auf die Konzentration der erzeugten Stick-oxide. Um die Auswirkungen auf thermische Stickoxide zu prüfen, wur-den zusätzliche Tests mit derselben Laborausrüstung, doch mit Erdgas als Brennstoff durchgeführt. In diesem Fall wurde der Ölbrenner durch einen Erdgasbrenner (6 kW Heizleistung) ersetzt, an dem das Pulvereinblas-system installiert wurde 6 . Um die Ergebnisse der Verbrennungstests mit und ohne Pulvereinblasung verglei-chen zu können, wurden sämtliche NO-Konzentrationen auf einen Sauer-stoffgehalt von 3 % umgerechnet.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Bil-dung von Stickoxiden bei beiden Brennstoffarten durch das Beimischen von Keramikpulver deutlich reduziert wurde. Das Ausmaß der Reduktionen der jeweiligen NO

x-Konzentrationen

ist in 7 dargestellt. Die NOx-Konzen-

trationen in 7a sind höher als in 7b , da die linke Abbildung neben den ther-mischen NO

x auch die brennstoff-

bedingten NOx enthält, die durch den

Pyridinzusatz entstehen. Interessant ist, dass das Ausmaß der Reduktion der NO

x-Konzentration in 8a mit dem

Abstand zum Brenner zunimmt, wäh-rend dies in 8b genau umgekehrt ist. Dies ist auf verschiedene Temperatur-verteilungsprofile bei beiden Brenn-stoffen und die daraus resultierenden unterschiedlichen Mechanismen der

dert. Durch die katalytische Wirkung des eingeblasenen Epoxidharzpulvers kann jedoch die Reduktion von NO

x

zu Stickstoff begünstigt werden. Stick-oxide sind die gefährlichsten Substan-zen, die in einem Zementofen entste-hen, und stellen ein großes ökologi-sches Problem für die Zementhersteller dar. Beim Nassverfahren5) können die NO

x-Emissionen bei über 4 kg/Tonne

Klinker liegen [4].

Diese Möglichkeit zur Reduzierung der Stickoxidemissionen mithilfe von Epoxidharzabfällen ist zwar noch nicht erprobt, doch eine Reihe von Laboruntersuchungen zur Entsorgung gebrauchter Porzellanisolatoren haben eine ähnliche Wirkung bei der Redu-zierung von Stickoxiden ergeben [5]. So haben Labortests gezeigt, dass die Stickoxidemissionen gesenkt werden können, wenn dem Brenner ein Gemisch aus Dieselöl und Keramik-pulver aus gemahlenen Porzellan-isolatoren zugeführt wird.

Um die erzeugte Stickoxidmenge im Prozess experimentell zu erhöhen, wur-den dem Dieselöl bis zu 10 Gewichts-prozent pro Volumen Pyridin (C

5H

5N)

hinzugefügt. So konnten Stickoxid-konzentrationen in den Verbrennungs-gasen von über 2.000 mg/m3 erreicht werden. Die hohen Konzentrationen erleichterten die Beobachtung der Auswirkungen durch die Beimischung

Fußnote5) Bei der Zementherstellung wird je nach dem

Wassergehalt der verwendeten Rohstoffe zwischen

Nass- und Trockenverfahren unterschieden. Beim

Nassverfahren werden statt trockenen Pulvern

Schlämme verarbeitet. Obwohl hier die chemischen

Abläufe einfacher zu kontrollieren sind, wird

wesentlich mehr Energie benötigt, um dem

Schlamm durch Verdampfen das Wasser zu ent-

ziehen. Das Trockenverfahren ist deutlich weniger

energieintensiv.

a Dieselöl mit Pyridinzusatz

7 NO-Konzentration beim Einblasen von Keramikpulver

b Erdgas

2.600

2.400

2.200

2.000

1.800

1.600

1.400

1.200

1.000

800

600

400

200

0

180

160

140

120

100

80

60

40

20

0

NO

-Kon

zent

ratio

n (m

g/m

3 )

NO

-Kon

zent

ratio

n (m

g/m

3 )

Entfernung vom Brenner (m) Entfernung vom Brenner (m)

ohne Pulvereinblasung mit Einblasung von Pulver Nr. 120

mit Einblasung von Pulver Nr. 130 ohne Pulvereinblasung mit Einblasung von Pulver Nr. 110

mit Einblasung von Pulver Nr. 120 mit Einblasung von Pulver Nr. 130

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2

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15ABB Technik 2/2009

Zum Wohle der Umwelt

Nachhaltige Prozesse

Nach Möglichkeiten zum Recycling von Isolationsmaterial aus Flüssigsili-kon (LSR) wird bereits gesucht. Die Zersetzungsmethoden für Silikongum-mi sind begrenzt. Die gängigste Ent-sorgungsmethode ist die Verbrennung. Hierzu sind jedoch Temperaturen von über 900 °C erforderlich, was zur Freisetzung von Schwermetallen führen kann. Das Silikongummi selbst hat einen relativ hohen Heizwert (17.000 kJ/kg), der in der Nähe des Heizwerts von Steinkohle liegt (25.000 bis 30.000 kJ/kg).

Ausrangierte ÜberspannungsableiterSeit einiger Zeit werden in vielen Mittel- und Hochspannungssystemen zunehmend Überspannungsableiter mit Silikongehäuse verwendet. Ein Polymer-Überspannungsableiter besteht aus einem Polymergehäuse mit Metallflanschen und Anschlüssen aus Aluminium, Stahl oder Kupfer (Metalloxid-Varistorblöcke7) sind die wichtigsten Komponenten von Über-spannungsableitern).

Die Metalloxid-Varistoren sind gesin-terte8) Körper, die hauptsächlich aus ZnO (90 %) und anderen Oxiden (hauptsächlich von Schwermetallen) bestehen. Da diese Art von Silikon-gummi relativ neu ist, gibt es noch keine kommerzielle Methode für ein effizientes Recycling gebrauchter Überspannungsableiter.

Gasphase gebildetem Ruß und ceno-sphärischem Ruß. In allen Fällen wurde die jeweilige Art von Stickoxid effektiv zerstört. Die Bestandteile von Keramikisolatoren ähneln denen von Flugasche, was auf einen ähnlichen Mechanismus bei der NO-Reduktion mit Keramikpulver schließen lässt. Zurzeit ist über den Einfluss von Metalloxidkonzentrationen auf die Reaktionskinetik der NO- und CO-Reduktion an der Oberfläche des Keramikpulvers noch wenig bekannt. Ein ähnlich positiver Effekt auf die Senkung der NO

x-Emissionen wird

von Epoxidharzpulver mit minerali-schen Füllstoffen erwartet. Dabei ist wichtig zu wissen, dass Fe

2O

3, das

üblicherweise als Farbstoff in Epoxid-harzmischungen verwendet wird, für seine ausgeprägte katalytische Wir-kung bekannt ist.

9 Recycelte Komponenten aus ausrangierten Überspannungsableiterna b

10 Produkte nach falschem Recyclingvorgang

Fußnoten6) Eine Cenosphäre ist eine leichte, inerte, hohle

Kugel, die mit inerter Luft oder inertem Gas gefüllt

ist und als typisches Nebenprodukt bei der Kohle-

verbrennung entsteht.7) Ein Varistor ist ein elektrischer Widerstand mit

einer stark nichtlinearen Strom-Spannungs-Charak-

teristik.8) Sintern ist ein Verfahren zur Herstellung von Objek-

ten aus Pulver. Hierzu wird das Material auf eine

Temperatur unterhalb seines Schmelzpunkts erhitzt,

bis seine Partikel aneinander haften.

a Dieselöl mit Pyridinzusatz

8 Reduzierung der NO-Konzentration beim Einblasen von Keramikpulver

b Erdgas

80

70

60

50

40

30

20

10

0

50

45

40

35

30

25

20

15

10

5

0

NO

-Red

uktio

n (%

)

NO

-Red

uktio

n (%

)Entfernung vom Brenner (m) Entfernung vom Brenner (m)

mit Einblasung von Pulver Nr. 110 mit Einblasung von Pulver Nr. 120 mit Einblasung von Pulver Nr. 130

mit Einblasung von Pulver Nr. 110 mit Einblasung von Pulver Nr. 120 mit Einblasung von Pulver Nr. 130

0,05 0,10 0,15 0,20 0,25 0,30 0,40 0,50 0,70 1,00 0,05 0,10 0,15 0,20 0,25 0,30 0,40 0,50 0,70 1,00

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16 ABB Technik 2/2009

Zum Wohle der Umwelt

Nachhaltige Prozesse

gungsunternehmen mit Unterstützung der örtlichen Behörden initiiert wer-den sollte. So kann dafür gesorgt wer-den, dass die Menge an Duroplastab-fällen auf Mülldeponien reduziert und der Anteil an zurückgewonnenen Komponenten für die Wiederverwen-dung bei den Herstellern erhöht wird.

Robert Sekula

ABB Corporate Research

Krakau, Polen

[email protected]

Till Ruemenapp

ABB Power Products

Ratingen, Deutschland

[email protected]

Marlene Ljuslinder

Bernhard Doser

ABB Power Products

Wettingen, Schweiz

[email protected]

[email protected]

lichen Untersuchungen zur Bestim-mung der elektrischen Leistungsfähig-keit der recycelten Varistorblöcke und ihrer möglichen Wiederverwendung durchgeführt wurden.

Langfristige PerspektivenLaboruntersuchungen von ABB bestä-tigen die Verfügbarkeit von Technolo-gien zur Wiederverwendung (Recyc-ling) verschiedener duroplastischer Komponenten. Diese Verfahren wur-den von ABB patentiert und bieten die Möglichkeit einer Kommerzialisie-rung. Um den Erfolg dieser Maßnah-men zu gewährleisten, ist allerdings ein geeignetes Konzept für die Samm-lung ausrangierter Komponenten erforderlich, das von den Abfallentsor-

Unter Berücksichtigung aller Recyc-ling-Kriterien wurden mithilfe des Pyrolyseprozesses Labortests zur ther-mischen Degradation des Silikons durchgeführt. Hierbei wurde der gleiche Versuchsaufbau wie für die Epoxidharzabfälle verwendet. Ver-schiedene Temperaturen wurden aus-probiert, um die Prozessparameter so zu optimieren, dass interne Bauteile von guter Qualität (hauptsächlich Zinkoxid-Varistoren und andere Metallteile) für das Recycling zurück-gewonnen werden konnten 9 . Unter nichtoptimierten Bedingungen wurden die Teile zerstört und waren für jede weitere Verwendung unbrauchbar 10 . Dabei sollte erwähnt werden, dass in dieser Phase der Studie keine ausführ-

Literaturhinweise

[1] Association of Plastic Manufacturers in Europe (2004): „An analysis of plastics consumption and recovery in Europe 2002–2003“, Brüssel

[2] Richtlinie 2002/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (2003), Brüssel

[3] Pickering, S.J., Benson, M. (1991): „The recycling of thermosetting plastics“. Plastic Recycling Meeting, London

[4] European Environment Agency (1996): „Atmospheric Emission Inventory Guidebook“, Kopenhagen

[5] Sekula, R., Wnek, M., Slupek, S. (1999): „Potential utilization method for scrap ceramic insulators“. Journal of Solid Waste Technology and Management, 26 (2)

[6] DeSoete, G.G. (1980): „Heterogeneous nitric oxide reduction on flame borne solid particles“. Proceedings of Sixth Members Conference. IFRF,

Noordwijkerhout

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Die optimale LösungMit gehobener Prozessregelung zu mehr Energieeffizienz und UmweltverträglichkeitKonrad S. Stadler, Eduardo Gallestey, Jan Poland, Greg Cairns

Die moderne Industrie arbeitet hart daran, eine effiziente Produktion zu realisieren. Doch häufig gestaltet sich dies schwierig, da viele Unternehmen an komplexe vertragliche Bedingungen und Umweltauflagen gebunden sind. Dies wiederum erschwert die Arbeit sowohl für das Bedienpersonal, das die Prozesse steuert, als auch für das Anlagenmanagement, das die Produkti-onsziele festlegt. Schließlich gilt es, die optimale Lösung für den Zielkonflikt zwischen Produktionsmenge und -art, Verfügbarkeit der Energie und Volati-lität des Energiepreises zu finden.

Nun haben Unternehmen der Prozessindustrie die Möglichkeit, praktisch allen Anforderungen unter allen Marktbedingungen gerecht zu werden. Der ABB cpmPlus Expert Optimizer stellt Kunden sämtliche Automatisie-rungswerkzeuge zur Verfügung, die zur Stabilisierung und Regelung eines Prozesses angesichts der Komplexität neuer Marktbedingungen erforderlich sind. Gleichzeitig ermöglichen modernste mathematische Algorithmen die Bewältigung von Optimierungs- und Regelungsproblemen, die noch vor wenigen Jahren als unlösbar galten.

17ABB Technik 2/2009

Nachhaltige Prozesse

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Es ist flexibel genug, um Anwendun-gen in verschiedenen Industriezwei-gen mit unterschiedlichen Anforde-rungen zu unterstützen.

Es ist benutzerfreundlich und kann auch von Nichtspezialisten verwendet werden, da die Komplexität für den Benutzer unsichtbar ist.

Es verkürzt die Implementierungszeit durch Modularität, Wiederverwend-barkeit und Skalierbarkeit.

Fachkundiger Einsatz von ProzesswissenEine der Stärken von ABB cpmPlus Expert Optimizer ist der Einsatz von Fuzzy-Logik- und Neuro-Fuzzy-Tools für die Anwendungsentwicklung. Fuzzy-Logik-Inferenzsysteme binden menschlichen Wissen ein, um im Laufe eines Prozesses wirksame Entscheidun-gen treffen und umzusetzen zu können, während Neuro-Fuzzy-Netze zum Erler-nen von Beziehungen zwischen wichti-gen Prozessgrößen verwendet werden. Die Integration dieser sich ergänzenden Regelungsverfahren in Verbindung mit der umfangreichen Prozesserfahrung und dem Wissen von ABB und dem Kunden ermöglicht die Entwicklung leistungsstarker, robuster Lösungen, die der Fabrik über längere Zeiträume erhebliche finanzielle Vorteile sichern.

Ein Experte für MPCNeben den klassischen Werkzeugen der künstlichen Intelligenz bietet cpmPlus Expert Optimizer eine Reihe von aus-gereiften Werkzeugen für die modell-prädiktive Regelung (Model Predictive Control, MPC).Bei der modellprädiktiven Regelung wird mithilfe der prädiktiven Fähigkei-ten eines mathematischen Modells eine Reihe von zukünftigen optimalen Rege-lungsvorgängen ermittelt1). Der erste Term der ermittelten Sequenz wird auf die Anlage angewandt. Liegen Messun-gen (oder neue Informationen) vor, wird eine neue Sequenz bestimmt. Jede Sequenz wird mittels einer Opti-mierungsprozedur errechnet, die zwei Ziele verfolgt: Optimierung der Performance Schutz des Systems vor Verletzungen der Nebenbedingungen

Expert Optimizer unterstützt lineare, nichtlineare und hybride Modelle mit kontinuierlichen und Booleschen Varia-blen. Dies ist bemerkenswert, denn

Veränderungen gerecht zu werden, hat ABB ein umfangreiches Engineering-Tool mit dem Namen cpmPlus Expert Optimizer entwickelt. Expert Optimizer unterstützt alle modernen Regelungs-verfahren und erleichtert die schnelle Implementierung von Reglern zur Erfül-lung anspruchsvoller Projektkriterien.cpmPlus Expert Optimizer nutzt verfüg-bare Messwerte zur automatischen Anpassung von Stellgliedern innerhalb der Anlage, um bei einer bestimmten Produktqualität eine Steigerung der Prozesseffizienz zu erreichen. Zusätz-lich werden die Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit verbessert. Wie ein Autopilot in einem Flugzeug sorgt Expert Optimizer dafür, dass präzise, unermüdlich und konsistent jederzeit die bestmöglichen Maßnahmen getrof-fen werden. Darüber hinaus folgt die Implementierung strengen Standardisie-rungsverfahren, um ein hohes Maß an Erfolg und langfristiger Wartbarkeit zu gewährleisten. Mit über 300 Referenz-standorten weltweit kann cpmPlus Expert Optimizer eine eindrucksvolle Erfolgsbilanz auf dem Markt vorweisen.

Das Softwarewerkzeug zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus: Es verbindet optimale Produktions-planungsverfahren mit klassischer gehobener Prozessregelung und künstlicher Intelligenz.

Angesichts sich ständig verändern-der Marktbedingungen können es

sich Unternehmen nicht leisten, sich zurückzulehnen und sich auf den Lor-beeren vergangener Erfolge auszuruhen. Akira Mori, einer der erfolgreichsten Unternehmer Japans, behauptet sogar, dass vergangene Erfolgsgeschichten generell nicht auf neue Situationen anwendbar sind. Laut Mori müssen „wir uns ständig neu erfinden und mit innovativen, neuen Geschäftsmodellen auf sich verändernde Zeiten reagieren.“ Neben den entsprechenden Geschäfts-modellen sind auch innovative Produk-te, Prozesse und Dienstleistungen erfor-derlich, wenn Unternehmen und ihre Kunden die schwierigen Zeiten von heute überstehen wollen. Statt auf Bes-serung zu warten, sollten Unternehmen nach Veränderungen im Markt Aus-schau halten, die sich zu einem Trend entwickeln könnten. Wer in der Lage ist, die möglichen Auswirkungen dieser Trends auf den langfristigen Erfolg eines Unternehmens zu erkennen, hat die Möglichkeit, die bestmögliche Lösung zu finden.Seit einiger Zeit nutzen erfolgreiche Engineering-Teams bei ABB Optimie-rungsverfahren auf täglicher Basis, um ihre Kunden zu unterstützen. Vor dem Hintergrund sich verändernder Markt-bedingungen und der zukünftigen Notwendigkeit für die Kunden, diesen

18 ABB Technik 2/2009

Die optimale Lösung

Nachhaltige Prozesse

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19ABB Technik 2/2009

Die optimale Lösung

Nachhaltige Prozesse

zont berechnet. Die entsprechenden Verläufe für die Stellgrößen, Modell-zustände und Modellausgaben (Regel-größen) stehen dann zu Anzeigezwe-cken und zur weiteren Verarbeitung zur Verfügung.

Planung mithilfe von MLD-SystemenDie modellbasierte Umgebung des neuen Expert Optimizer unterstützt die Modellierung mit gemischt logisch-dynamischen (Mixed Logical Dynami-cal, MLD) Systemen [1]. MLD-Systeme wurden am Institut für Automatik der Eidgenössischen Technischen Hoch-schule2) (ETH) Zürich entwickelt und verallgemeinern eine Vielzahl von Modellen, insbesondere solche, die sowohl ein kontinuierliches als auch ein diskretes Verhalten ausweisen, d. h. Modelle, die ein hybrides System beschreiben. Durch die Fähigkeit zur Modellierung von hybriden Systemen wird der Anwendungsbereich von ABB Expert Optimizer maßgeblich erweitert. Dies liegt daran, dass MLD-Systeme anders als lineare Modelle in der Lage sind, Nebenbedingungen wie logische Beziehungen vom Typ „wenn Einheit 1 EIN, dann Einheit 2 AUS“ oder Produk-tionsbedingungen wie „entweder KEINE Produktion oder Produktion zwischen MIN und MAX“. zu modellieren.Durch die Verwendung von MLD-Syste-men wird die Optimierungsaufgabe in ein gemischt-ganzzahliges lineares oder quadratisches Problem umgewandelt, für das es rechnerisch effiziente Löser (sog. Solver) gibt. Je nach Anforderun-gen kann dasselbe Framework entwe-der als ein rückführungsfreies Entschei-dungsfindungswerkzeug (zur Planung) oder mit Rückführung als Werkzeug zur Störungsunterdrückung (Umplanung) eingesetzt werden [2].Kurzum, zu den Hauptvorteilen des kombinierten MLD/MPC-Ansatzes ge hören eine höhere Flexibilität bei der Modellierung und akzeptable Anforde-rungen an die Rechenleistung.

Grafische ModellerstellungEines der Ziele von Expert Optimizer ist es, die MPC-Methodik für Nicht-spezialisten zugänglich zu machen.

der folgenden drei sich ergänzenden Aufgaben verwendet, die bei der ge-hobenen Prozessregelung eine wichtige Rolle spielen:

Zustandsschätzung mit bewegtem Zeit-horizont (Moving Horizon Estimation, MHE). Dabei wird die jüngste Vergan-genheit (der Horizont, über den die Messungen betrachtet werden) zur Schätzung der aktuellen Zustände des Modells herangezogen. Diese Schät-zungen dienen dann als Anfangsbedin-gungen für die Minimierung eines Ziel-konflikts (Kostenfunktion) zwischen Sensor- und Prozessrauschen. Diese Methode kann unter Verwendung von „erweiterten Zuständen“ (augmented states) zur Parameterschätzung einge-setzt werden.Prozesssimulation: Auf der Basis einer gegebenen Anfangsbedingung für die Modellzustände wird das Modell in die Zukunft simuliert, wobei die aktuellen Werte der Stellgrößen beibehalten wer-den. Das Ergebnis ist eine Darstellung des Systemverhaltens ohne Rückfüh-rung unter den aktuellen Bedingungen.Prozessoptimierung: Unter Vorgabe einer Anfangsbedingung für die Modell-zustände und einer Kostenfunktion werden die optimalen Werte für die Stellgrößen zur Minimierung der Kos-tenfunktion über einen bewegten Hori-

während lineare mathematische Model-le in der Regelung von industriellen Prozessen bereits wohletabliert sind, ist die Anwendung von nichtlinearen und hybriden Modellen (d. h. Modelle mit gemischten kontinuierlichen und binären Zuständen) auf Prozesse, die für ABB-Kunden interessant sind, noch neu.Die modellprädiktive Regelung erfor-dert nicht nur die Entwicklung eines mathematischen Modells zur Beschrei-bung des Prozesses, sondern auch die Wahl – bzw. Erstellung – eines geeigne-ten Kosten-Erlös-Index (auch Kosten-funktion genannt), der die zu errei-chenden Ziele beinhaltet. Je nach Aus-führung könnte die Funktion Abwei-chungen von vorgegebenen Betriebs-punkten „bestrafen“ oder einfach die Betriebskosten darstellen. Die optima-len Stellgrößen für das System werden durch Minimierung dieser Funktionen unter Berücksichtigung der durch das Prozessmodell definierten Nebenbedin-gungen berechnet. Um erfolgreich zu sein, müssen die Minimierungsalgorith-men auf die durch die Art des Modells (linear, nichtlinear, hybrid usw.) beschriebene Struktur des Problems und die Eigenschaften der Optimie-rungsfunktion zurückgreifen.Beim Expert Optimizer wird das glei-che MPC-Framework zur Ausführung

1 Die Expert-Optimizer-Bibliothek für generische Mixed Logical Dynamical (MLD) Blöcke

Fußnoten1) Ein typischer Umfang ist die kurz- bis mittelfristige

Entwicklung des Systems.2) Seit etwa neun Jahren besteht eine strategische

Kooperation zwischen ABB und der ETH.

2 Modellierung eines einfachen Tank-Pumpe-Systems in Expert Optimizer

Sollwert Füllmenge

Füllmenge Kosten

AbflussPumpe

Tank Füllmenge

Füllmenge Kosten

u

y

u

u

X $$

y

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20 ABB Technik 2/2009

Die optimale Lösung

Nachhaltige Prozesse

realisiert, die in unterschiedlichen Anwendungsbreichen erfolgreich laufen. Die bedeutendsten Anwendungen sind: Prozessregelung mit Rückführung, d. h. Zementmühlenregelung, Misch-optimierung und Vorcalcinatorrege-lung [3]

Produktionsplanung und Betriebs-planung, d. h. Einsatzplanung von Zementmühlen [4], Planung der Titandioxidproduktion und Wasser-verteilung

Ökonomische Prozessoptimierung, d. h. Management von alternativen Brennstoffen

Optimierung von Wärmekraftwerken [5]

ZementofenregelungEine Standardanwendung für Expert Optimizer ist die Regelung des Dreh-rohrofens bei der Herstellung von Zementklinker. Eine Produktionsanlage für Zementklinker ist in 3 dargestellt. Die Klinkermineralien bilden sich bei etwa 1.400 °C im Drehrohrofen. Dieser Prozess erfordert eine große Menge Wärmenergie, die aus fossilen Brenn-stoffen und zu einem großen Teil aus alternativen Brennstoffen (Altreifen, Kunststoffe usw.) gewonnen wird. Zur Verbesserung der Energieeffizienz dieses Prozesses strömen die heißen Abgase durch den Ofen in einen Vor-wärmerturm. Das Rohmehl bewegt sich in die entgegengesetzte Richtung und nimmt auf dem Weg durch den Vorwär-merturm in den Drehrohrofen Energie vom Gas auf. Beim Erwärmen durch-läuft das Mehl verschiedene chemische Reaktionen (z. B. Kalzinierung), bevor es im letzten Drittel des Drehrohrofens zur Mineralienbildung kommt. In einem anschließenden Kühler wird Umge-bungsluft durch das Klinkerbett gebla-sen, um einen effizienten Wärmeaus-tausch und ein rasches Abkühlen des Klinkers zu gewährleisten. Dies wieder-um sorgt dafür, dass die gebildeten Mineralien in ihrer gewünschten Form erhalten bleiben.Der Klinkerherstellungsprozess ist stark verkoppelt, d. h. die Veränderung eines der Hauptstellglieder (Rohmehlzufuhr, Abgasdurchsatz, Brennstoffzufuhr, Drehgeschwindigkeit des Ofens) hat Einfluss auf alle wichtigen Prozess-kenngrößen (Sinterzonentemperatur, Temperatur der zweiten Zyklonstufe, Sauerstoffanteil im Ofen). Außerdem ist eine Stabilisierung des Prozesses stark von der Zusammensetzung des Roh-

rung und Pflege der Modelle. Darüber hinaus ermöglicht sie die Erstellung von Bibliotheken mit Standardblöcken, die per Drag & Drop in verschiedenen Prozessen wiederverwendet werden können.

Ein Beispiel der Expert-Optimizer- Bibliothek für generische MLD-Blöcke ist in 1 dargestellt. Diese Bibliothek enthält grundlegende Elemente wie E/A-Variablen, Prozessverzögerungen, Verstärkungsfaktoren, Zustandsraum-modelle, Summierungen von MLD-Vari-ablen sowie harte und weiche Neben-bedingungen. Ähnliche Bibliotheken existieren für die Modellierung des logischen Teils von hybriden Systemen. Generell lässt sich jeder Prozess durch einfaches Verbinden dieser MLD-Blöcke modellieren, wie das Beispiel des ein-fachen Tank-Pumpe-Systems in 2 zeigt. Die Kostenfunktionen werden mithilfe der Bausteine von stückweisen linearen Funktionen erstellt. Natürlich können Benutzer auch eigene MLD-Modelle (die z. B. aus Blackbox-Identifizerungs-algorithmen stammen) in Expert Opti-mizer importieren. Tatsächlich bietet Expert Optimizer 6.1 ein vollwertiges Tool zur Modellidentifizierung.

Expert Optimizer im EinsatzEs wurden bereits mehrere Projekte mit den neuen modellbasierten Optimie-rungsfunktionen von Expert Optimizer

Der Nachteil des MPC-Verfahrens ist, dass ein Prozessmodell mit ausreichen-der Genauigkeit erstellt werden muss. Um dies sicherzustellen, sollte der Pro-zesses in kleinere, aber solide Kompo-nenten heruntergebrochen werden. So könnte ein Wasserkraftwerk zum Bei-spiel in Reservoir, Staudamm, Turbine, Generator und Netz unterteilt werden. Die Überlegung ist es, die einzelnen Teile unabhängig voneinander zu modellieren und grafisch in Form von Blöcken darzustellen. In jedem Block sind die dazugehörigen Nebenbedin-gungen und die Dynamik gespeichert, und die Eingänge und Ausgänge (E/As) der Blöcke entsprechen den Eingaben und Ausgaben des mathematischen Modells. Das Modell des Gesamtprozes-ses wird dann durch grafisches Verbin-den der Ein- und Ausgänge der ver-schiedenen Blöcke erstellt. Die Kosten-funktion, die das optimale Regelungs-problem definiert, wird ebenfalls als grafischer Block dargestellt. Wenn das Ziel des Wasserkraftwerks zum Beispiel die Maximierung der Gewinne aus dem Verkauf der Elektrizität ist, sollte der Ausgang des Generatorblocks (der die erzeugte Energie repräsentiert) mit dem Block der Kostenfunktion verbunden werden, in dem die zeitveränderlichen Stromtarife gespeichert sind.Die Modularität dieses Ansatzes ver-einfacht die Modellierungsphase und erleichtert die Entwicklung, Modifizie-

3 Produktionsanlage für Zementklinker: Der Gasfluss ist durch rote Pfeile und der Rohmehlfluss durch blaue Pfeile gekennzeichnet.

Abgas

Zyklonstufe 4

Zyklonstufe 3

Vorwärmer

Zyklonstufe 2

Rohmehl-zufuhr

Primärbrennstoffe

Kühler

Drehrohrofen

Mehlfluss

Gas-/Luftfluss

Zyklonstufe 1

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21ABB Technik 2/2009

Die optimale Lösung

Nachhaltige Prozesse

keit der nichtlinearen MPC und des Expert-Optimizer-Systems zu demonst-rieren. Der in diesen Anlagen verwen-dete Prozess ist insofern anspruchsvoll, als die richtige Mischung aus chemi-schen Zusatzstoffen im richtigen Moment und unter den richtigen Bedin-gungen eingesetzt werden muss, um die strengen Qualitätsanforderungen zu erfüllen.

Das nichtlineare MPC-Schema ermög-licht eine bessere Anlagennutzung durch kontinuierliche Überwachung des aktuellen Anlagenzustands und die Bereitstellung von Entscheidungsunter-stützung in Echtzeit für einen maxima-len Profit bei minimalen Kosten. Das Werkzeug optimiert den Anlagenbetrieb durch den Ausgleich von Angebot und

ihrem Sollwert gehalten, während die Temperatur im Vorwärmerturm (BET) innerhalb eines engen Bereichs gere-gelt wird. Der Zielkonflikt zwischen der Maximierung der Produktion (FEED) und der Anforderung, die kritischen Prozessgrößen innerhalb zulässiger Grenzen zu halten, ist deutlich sichtbar. Typischerweise passt der Regler die Brennstoffzufuhr (ENERGY) an. Doch sobald die Prozesstemperaturen ein rasches Abkühlen des System erkennen lassen, vermindert der Regler die Zufuhr (FEED), um eine schnellere Erholung zu unterstützen.

Betriebsplanung in einer Zellstoff- und PapierfabrikZellstoff- und Papierfabriken sind ideale Umgebungen, um die Leistungsfähig-

mehls abhängig, da die Energieanforde-rungen in den verschiedenen Phasen des Prozesses von den unterschiedli-chen Bestandteilen im Mehl beeinflusst werden. Um die Kosten für fossile Brennstoffe zu senken, werden (je nach Prozesskonfiguration) bis zu 70 % alter-native Brennstoffe (z. B. Abfall) ver-wendet. Dies wiederum sorgt für eine stark veränderliche Wärmezufuhr von der Verbrennung. Da die Qualität des Klinkers davon abhängt, ist es wichtig, die Auswirkungen auf die Reaktions-bedingungen in jeder Phase zu kennen. Mit anderen Worten, wenn das System nicht in der Lage ist, rechtzeitig zu reagieren, während sich das kalte Rohmehl durch den Prozess bewegt, können die erforderlichen chemischen Reaktionen zur Klinkerbildung nicht stattfinden.Der Prozess ist daher in Abschnitte oder Zonen unterteilt, wobei jede Zone die daneben liegende beeinflusst. So kön-nen Vorhersagen hinsichtlich der Ener-gieentwicklung in einer Zone und somit über das Temperaturprofil entlang des gesamten Produktionsprozesses getrof-fen werden. Bis vor Kurzem wurde hierzu ein Regler auf Fuzzy-Logik-Basis verwendet, der nun durch den modell-basierten MPC-Ansatz ersetzt wurde.Die in 4 dargestellte Vorhersage der Temperaturprofile für das Einsatzma-terial (blau) und Gas (rot) liefert wert-volle Informationen für die Stabilisie-rung des Prozesses zur Sicherung der gewünschten Klinkerqualität und Pro-duktionsrate. Das Problem ist aller-dings, dass die Temperaturprofile aus einer begrenzten Zahl von Messungen abgeleitet werden müssen, die an weni-gen Punkten entlang des Prozesses (dunkelblaue Punkte in 4 ) vorgenom-men werden. Diese Einschränkung kann mithilfe der MHE überwunden werden. Indem das Optimierungspro-blem dahingehend umformuliert wird, dass statt eines zukünftigen Zeitraums (wie bei der MPC) ein zurückliegender Zeitraum betrachtet wird, kann ein genaues Temperaturprofil geschätzt werden. Mithilfe dieser Schätzung ist der MPC-Algorithmus in der Lage, die bestmögliche Sequenz zur Veränderung der Stellgrößen abzuleiten, um ein opti-males Erreichen der Prozessziele zu gewährleisten.Die Wirkungsweise des Reglers ist in 5 dargestellt. Die Temperatur der Sinter-zone (BZT) wird möglichst nahe an

4 Temperaturprofil für das Einsatzmaterial (Rohmehl) und Gas (Luft) in den charakteristischen Zonen des Klinkerherstellungsprozesses

Die Pfeile geben Auskunft über die Richtung und die Geschwindigkeit des Gas- und Materialflusses. Die hellblauen und dunkelblauen Punkte zeigen an, wo die Temperatur gemessen werden kann bzw. geschätzt werden muss.

Vorwärmzone Kalzinierungszone Übergangszone Sinterzone Kühlzone

Temperatur

Gastemperatur-profil Materialflusstemperatur

Materialflussrichtung und -geschwindigkeit

Gasflussrichtung und -geschwindigkeit

5 Wirkungsweise eines MPC-Ofenreglers

17.–19. März 2009

1.455

1.450

1.445

1.440

110

100

90

80

780

760

740

06:00 12:00 18:00 00:00 06:00 12:00 18:00 00:00 06:00 06:00 12:00

06:00 12:00 18:00 00:00 06:00 12:00 18:00 00:00 06:00 06:00 12:00

06:00 12:00 18:00 00:00 06:00 12:00 18:00 00:00 06:00 06:00 12:00

Soll BZT

FEED ENERGY

BET hoch BET BET niedrig

°C

Zeit (h)

Zeit (h)

Zeit (h)

%

°C

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22 ABB Technik 2/2009

Die optimale Lösung

Nachhaltige Prozesse

zeroberfläche leicht zugänglich 7 , während die entsprechende Flexibilität durch eine modulare Struktur und die Bereitstellung von Bibliotheken mit wiederverwendbaren Komponenten gewährleistet wird.Die Entwicklung von cpmPlus Expert Optimizer 6.1 ist das Ergebnis einer langen und fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen den ABB-Geschäftseinheiten und der Konzernforschung. Diese Zusammenarbeit ist ein anschauliches Beispiel dafür, welche Vorteile sich aus der Erfüllung industrieller Bedürfnisse durch die Errungenschaften langfristiger Forschung ergeben können.

Eduardo Gallestey

Greg Cairns

ABB Process Automation

Baden-Dättwil, Schweiz

[email protected]

[email protected]

Konrad S. Stadler

Jan Poland

ABB Corporate Research

Baden-Dättwil, Schweiz

[email protected]

[email protected]

Nachfrage zwischen den Teilsystemen. Jedes Teilsystem bzw. jeder Puffer muss mit Material versorgt werden, und es muss ausreichend Material vorhanden sein, damit das betreffende Teilsystem wie gefordert produzieren kann.Die Verhältnisse werden nichtlinear, weil sie einen großen Betriebsbereich von Anlagensollwerten abdecken müs-sen. In vielen Fällen ist für eine ein-wandfreie Planung eine Vielzahl von Modellen erforderlich, um zum Beispiel die Natrium- und Schwefelchemie sowie die Faserbilanz zu beschreiben. Häufig werden detailliertere Modelle für Faserlinien entwickelt, um zum Bei-spiel die Kappa-Zahl und die Helligkeit zu beschreiben 6 .

Das nichtlineare MPC-Schema von ABB bietet Kunden folgende typische Funk-tionalitäten: Online-Produktionsplanung Werkzeug zur Planung von Stopps (stoppt und begrenzt die Kapazität in bestimmten Prozessabschnitten)

Softsensor-Funktionalität Diagnose für Messpunkte Engpassanalyse

Mithilfe der nichtlinearen Modelle und Echtzeitdaten aus dem Produktionsbe-reich und unter Berücksichtigung von Ereignissen wie der Wartung wichtiger Betriebsmittel liefert Expert Optimizer Vorhersagen für alle wichtigen Größen mit einer Gültigkeit von mehreren Tagen. Die Modelle sind typischerweise sehr groß und umfassen Dutzende, wenn nicht Hunderte von dynamischen Zuständen, Stellgrößen und Regelgrö-ßen. Darüber hinaus sind sie so konzi-

Literaturhinweise

[1] Bemporad, A., Morari, M. (1999): „Control of systems integrating logic, dynamics, and constraints“.

Automatica 35(3): 407–427

[2] Gallestey, E., Stothert, Castagnoli, D., Ferrari-Trecate, G., Morari, M. (2002): „Using model predictive

control and hybrid systems for optimal scheduling of industrial processes“. Automatisierungstechnik 6:

285–293

[3] Stadler, K. S., Wolf, B. and Gallestey, E. (2007): „Precalciner control in the cement production using MPC“.

Proceedings of the 12th IFAC Symposium on Automation in Mining, Mineral and Metal Processing: 201–206

[4] Castagnoli, D., Gallestey, E., Frei, C. (2003): „Cement mills optimal (re)scheduling via MPC and MLD

systems“. Proceedings, ADHS 03: 82–87

[5] Ferrari-Trecate, G., Gallestey, E., Letizia, P., et al. (2004): „Modeling and control of co-generation power

plants: A hybrid system approach“. IEEE Trans. Contr. Syst. Tech., 12(5): 694–705

6 Ein Modelica-Modell im Expert-Optimizer-Laufzeitwerkzeug 7 Eine typische Expert-Optimizer-Bedienoberfläche

piert, dass die Prozessgrößen, die nicht direkt gemessen werden können, vor-hergesagt werden.Diese „Regelungsanwendungen“ haben mehr mit der ökonomischen Prozess-optimierung zu tun als mit der Regelung an sich. Mit anderen Worten, sie versu-chen, Freiheitsgrade auszunutzen, um die finanzielle Performance der Anlage zu steigern.

Eine mustergültige PartnerschaftZwanzig Jahre Erfahrung in der Prozess -industrie und das Wissen über etablier-te Regelungsverfahren wie Fuzzy-Logik, regelbasierte Steuerung und Neuro-Fuz-zy-Tools sind in die Entwicklung hoch-moderner ausgeklügelter modellbasier-ter Optimierungsverfahren eingeflossen.Komplexe, reale Anwendungen aus den Bereichen Prozessregelung (mit Rückführung) und Entscheidungsunter-stützung (ohne Rückführung), gehobene Produktionsplanung und Betriebspla-nung sowie ökonomische Optimierung können nun mit einem einzigen Pro-dukt in Angriff genommen werden. Modellierungs-, Optimierungs- und Simulationsfunktionalitäten sind über die grafische Expert-Optimizer-Benut-

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Das „grüne“Gate-ModellEntwicklung nachhaltiger Produkte mithilfe des richtigen DesignprozessesLennart Swanstrom

Viele ABB-Technologien sind von Natur aus umweltfreundlich, denn Elektrizität ist wohl eine der saubersten und effizientesten Möglichkei-ten der Energieübertragung. Doch auch viele andere ABB-Produkte sind mit Umweltvorteilen verbunden. So helfen Prozessleitsysteme zum Beispiel, Verluste in der Fertigung zu reduzieren. Im Laufe der Jahre wurden diese Technologien weiterentwickelt und ihre Effizienz weiter verbessert. Der Hauptantriebsfaktor war meist die Steigerung der Pro-duktivität durch die Reduzierung von Verlusten – ökologische Vorteile waren häufig das Nebenprodukt von wirtschaftlichen Verbesserungen. Mit wachsendem Umweltbewusstsein hat sich dieses Paradigma verändert. Mittlerweile werden Prozesse und Produkte sowohl unter wirtschaftlichen als auch ökologischen Gesichtspunkten optimiert. Dieser Artikel zeigt, wie ABB umweltfreundlichere Produkte durch Berücksichtung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Designphase entwickelt.

23ABB Technik 2/2009

Nachhaltige Prozesse

Für ABB ist die kontinuierliche Suche nach Möglichkeiten zur Minimie-

rung der Umweltauswirkungen ihrer Produkte und Aktivitäten zu einem Kernschwerpunkt geworden, der mitt-lerweile bei allen Aspekten der Unter-nehmenstätigkeit eine wichtige Rolle spielt. So ist ABB der Ansicht, dass ein entsprechendes Bewusstsein für dieses Thema von der Vorstandsetage bis in den Fertigungsbereich vorhanden sein muss. Um dieses Ziel zu erreichen, hat das Unternehmen eine Reihe von Nach-haltigkeitsmanagementzielen definiert. Dazu gehören unter anderem: die Integration von Nachhaltigkeits-aspekten in Entscheidungsfindungs-prozesse auf allen Managementebe-nen,

die Stärkung des Bewusstseins und des Engagements jedes Mitarbeiters.

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Das Ziel bestand also darin, das Gate-Modell um die erforderlichen Nach-haltigkeitskriterien zu ergänzen. Dazu gehörten: eine Umwelt-Checkliste (z. B. gefähr -liche Materialien, Energieeffizienz und Recyclingfähigkeit)

Unterstützende Werkzeuge

Ein wichtiges Ziel bestand darin, sicherzustellen, dass das erweiterte Gate-Modell im gesamten Unterneh-men angenommen und verwendet wird. Eine Voraussetzung dafür war, dass es von allen, die es verwenden sollten, verstanden werden konnte. Bei der Einführung neuer Prozesse besteht manchmal die Gefahr, dass sie in der Praxis umgangen werden, weil sie schwierig umzusetzen sind und von der Belegschaft nicht unterstützt werden. Daher wurde beim Entwurf der „Nachhaltigkeitsversion“ des ABB Gate-Modells besonders darauf geach-tet, dass alle Anforderungen realisier-bar sind. Die einzelnen Entwicklungs-einheiten sollten in der Lage sein, den Plan ohne Aufsicht anzuwenden.

Um dies zu ermöglichen, wurde eine Reihe von „Nachhaltigkeitswerkzeu-gen“ (die sog. Sustainability Toolbox) entwickelt und im Intranet des Unter-nehmens bereitgestellt. In dieser Tool-box sind alle zu berücksichtigenden Aspekte enthalten wie: Energieeffizienz und CO

2

Materialwahl Eingeschränkte Substanzen Lebenszyklusanalyse/Ökobilanz Umwelt- und Klimaschutzerklärung Lieferantenqualifikation

24 ABB Technik 2/2009

Das „grüne“ Gate-Modell

Nachhaltige Prozesse

Beim Produktentwicklungsprozess sind insbesondere die folgenden Punkte zu berücksichtigen:1) die ABB-Liste der verbotenen und

eingeschränkten Substanzen2) Vorschriften hinsichtlich Umwelt-

schutz, Gesundheit und Sicherheit3) Möglichkeiten zur Reduzierung des

Energieverbrauchs bei der Produkt-nutzung

4) Risiken bei der Herstellung und/oder beim Betrieb des Produkts

5) Recycling und Aspekte zum Lebens-dauerende

Diese Checkliste wird am Gate 1 und erneut an den Gates 2 und 4 des ABB Gate-Modells herangezogen. Bei den späteren Gates ist außerdem eine Prü-fung erforderlich, die sicherstellt, dass die identifizierten Probleme behandelt wurden und die Anforderungen noch immer gültig sind.

Diese Nachhaltigkeitsaspekte gelten innerhalb der gesamten ABB-Gruppe, und alle neuen Produkte, die jetzt eingeführt werden, wurden unter Ver-wendung dieser Methodik entwickelt.

Lennart Swanstrom

ABB Corporate Research

Västerås, Schweden

[email protected]

Die ABB-Umweltstrategie umfasst darüber hinaus Audits und Reviews der Fertigungsprozesse sowie die Implementierung von Nachhaltigkeits-managementsystemen an einzelnen Fertigungs- und Wartungsstandorten. Neben den streng ökologischen Aspekten beinhalten diese Maßnah-men auch Aspekte wie das Gesund-heits- und Sicherheitsmanagement.

Das Aufzeigen von Problemen und das Überprüfen und Besprechen bestimmter Themen hilft dabei, diese im Bewusstsein der Menschen zu halten und Entscheidungen zu beein-flussen. Um jedoch wiederholt und kontinuierlich die geforderten Ergeb-nisse liefern zu können, müssen nachweisbare Schritte in Prozessdefi-nitionen verankert werden. Glück-licherweise verfügt jeder ordentlich verwaltete Prozess über eine solche Definition. Ohne sie wäre das Management eines Prozesses schwie-rig, und die damit verbundenen Risi-ken würden außer Kontrolle geraten bzw. die Zeit- und Budgetbedingun-gen würden überschritten. Ein Quali-tätsmanagement wäre nahezu unmög-lich. Die Definition liegt also schon vor, die Herausforderung besteht nun darin, diese Definition um entspre-chende nachhaltigkeitsbezogene Maßnahmen zu ergänzen oder zu erweitern.

In allen Bereichen der ABB-Gruppe wird bei der Produktentwicklung bereits seit einiger Zeit eine Prozess-definition verwendet, die als ABB Gate-Modell bezeichnet wird Infobox .

Analyse Planung NachbereitungAusführungRedesign Pilotierung Implementierung

0 1 2 3 4 5 6 7

Vereinbarung Projektbeginn

Definition Projektumfang

Projektdurch-führungsplan

Vereinbarung endgültige

Lösung

Pilot-ergebnisse

Projekt-übergabe

Projektab-schluss

Validierung der Ergebnisse

Infobox Das ABB Gate-Modell

Das Gate-Modell ist die Abbildung eines Entwicklungsprozesses in Form einer Zeitleiste, die durch sogenannte „Gates“ unterteilt ist. Diese

Gates markieren wichtige Meilensteine, an denen formell entschieden wird, ob der Prozess in die nächste Phase gehen kann. Grundlage

dafür ist eine Prüfung des Projektstatus, bei der alle für diese Phase relevanten Aspekte untersucht werden und zukünftige Maßnahmen

beschlossen werden. ABB hat eine spezielle Version des Gate-Modells definiert, die mittlerweile bei allen Entwicklungsprozessen innerhalb

des Unternehmens eingesetzt wird, um eine geregelte, kontrollierbare und verlässliche Entwicklung zu gewährleisten.

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Eine lohnende InvestitionElektrische Antriebe helfen, Emissionen zu reduzieren und den Energieverbrauch zu senkenJukka Tolvanen, Timo Miettinen

Drehzahlgeregelte Antriebe (Variable Speed Drives, VSDs) regulieren die Drehzahl von Maschinen, Pumpen, Mischern, Lüftern und Kompressoren entsprechend den Anforderungen des jeweiligen Prozesses. In vielen Anwen-dungen sparen VSDs so viel Energie ein, dass sie sich nach wirtschaftlichen Gesichtpunkten in wenigen Monaten amortisieren. Ein neuer Ansatz zur Bewertung der Umweltauswirkungen zeigt, dass die ökologische Amortisa-tionszeit von VSDs noch sogar kürzer sein kann – in vielen Fällen sogar nur ein oder zwei Tage.

25ABB Technik 2/2009

Nachhaltige Prozesse

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Pumpe, die mit voller Drehzahl läuft.Es besteht also ein großes Potenzial für Energie- und Emissionseinsparun-gen durch Drehzahlregelung mithilfe von VSDs. Rund zwei Drittel des industriellen Stromverbrauchs entfallen auf Pumpen, Lüfter, Kompressoren, Extruder und andere elektromotorge-triebene Anwendungen. Dies ent-spricht 40 % des weltweiten Gesamt-stromverbrauchs. Allerdings werden nur weniger als 10 % aller Motoren von elektrischen Antrieben gespeist, und von den elektromotorgetriebenen Anwendungen unter 2,2 kW werden sogar 97 % ohne jegliche Drehzahlre-gelung betrieben. Würden in Europa alle elektromotorgetriebenen Systeme flächendeckend mit VSDs betrieben, könnten im Jahr schätzungsweise 50 Millionen MWh Strom eingespart werden. Das entspricht 25 Millionen Tonnen CO

21) oder ungefähr einem

Viertel der jährlichen Emissionen Finn-lands.

AmortisationszeitDie wirtschaftlichen Vorteile von VSDs lassen sich relativ leicht errechnen, da die Investitionskosten, das Energieein-sparungspotenzial und die Stromkos-ten bekannt sind. Daraus lässt sich problemlos die Amortisationszeit errechnen. Die Quantifizierung der ökologischen Auswirkungen von VSDs ist hingegen etwas komplizierter.

Das allgemein übliche Verfahren zur Untersuchung der Umweltauswirkun-gen bei der Herstellung, Nutzung und Entsorgung von Produkten ist die Öko-bilanz (engl. Life Cycle Assessment, LCA). ABB führt alle Arbeiten zur Öko-bilanz gemäß den Anforder ungen der Umweltmanagementnormen der ISO 14000-Reihe durch. Ökobilanzen sind so konzipiert, dass sie sämtliche Phasen eines Produktlebenszyklus von der Gewinnung der Rohstoffe und Herstel-lung der Komponenten bis zur Entsor-gung umfassen. Zu allen relevanten Eingaben und Ausgaben werden Daten gesammelt und Umweltwirkungskate-gorien wie dem Treibhaus potenzial

anwendungen treibt der Elektromotor die Pumpe bzw. den Lüfter mit voller Drehzahl an, während die gewünschte Durchflussmenge mithilfe von Venti-len, Klappen oder ähnlichen „Drosse-lungseinrichtungen“ eingestellt wird.

Das System mit voller Drehzahl zu betreiben und dann den Durchfluss zu begrenzen, ist offensichtlich nicht sehr effizient. Bei einigen Anwendungen hat sich herausgestellt, dass schon durch eine geringe Reduzierung der Motordrehzahl der Energieverbrauch deutlich gesenkt werden kann. Nach den Affinitätsgesetzen, die die Dreh-zahlabhängigkeit der Förderkenn-größen von Pumpen und Lüftern beschreiben, benötigt eine Pumpe, die mit 80 % der vollen Drehzahl läuft, zum Beispiel nur 64 % der Energie und etwas mehr als 50 % der Leistung einer

Drehzahlgeregelte AC-Antriebe (Variable-Speed Drives, VSDs)

wandeln die feste Netzspannung ent-sprechend einem elektrischen Regel-signal in eine veränderliche Spannung mit variabler Frequenz um. Die Verän-derung der Frequenz bewirkt eine ent-sprechende Änderung der Drehzahl (und des Drehmoments) des ange-schlossenen Motors. Das bedeutet, dass die Drehzahl des Motors – und somit auch die Drehzahl der angetrie-benen Ausrüstung – auf der Basis externer Parameter wie Durchfluss-menge oder Temperatur eingestellt werden kann.

Durch Regelung der Drehzahl lässt sich die Effizienz des gesamten vom Motor angetriebenen Systems erheb-lich steigern. Bei herkömmlichen Systemen wie Pumpen- und Lüfter-

26 ABB Technik 2/2009

Eine lohnende Investition

Nachhaltige Prozesse

Drehzahlgeregelte Antriebe sind die effizienteste Methode zur Regelung der Drehzahl von Elektromotoren, denn sie tragen erheblich zur Reduzierung des Energiebedarfs bei.

Fußnote1) Dieser Wert basiert auf dem durchschnittlichen CO2-

Ausstoß pro erzeugter Kilowattstunde elektrischer

Energie. Der Durchschnitt ist wiederum abhängig

vom Mix aus fossilen Kraftwerken und erneuerbaren

Energiequellen bei der Stromerzeugung.

1 Gängige Umweltwirkungskategorien, wie sie bei der Erstellung von Ökobilanzen analysiert werden

Wirkungskategorie Beschreibung

Treibhauspotenzial(Global Warming Potential)

GWP Einheitliches Maß für den potenziellen Beitrag der freigesetzten Gase zum Treibhauseffekt (durch Absorption der Infrarotstrahlung von der Erde) über einen Zeitraum von 100 Jahren. Als Vergleichs-wert dient Kohlendioxid.

Versauerungspotenzial(Acidification Potential)

AP Einheitliches Maß für den potenziellen Beitrag der freigesetzten Schwefel- und Stickoxide zur Versauerung (durch Bildung von Wasserstoffionen)

Eutrophierungspotenzial(Eutrophication Potential)

EP Einheitliches Maß für den potenziellen Beitrag der freigesetzten Nährstoffe (hauptsächlich Stickstoff und Phosphor) an der Über-düngung (gemessen an der erforderlichen Menge Sauerstoff zur Degradation toter Biomasse)

Ozonabbaupotenzial(Ozone Depletion Potential)

ODP Einheitliches Maß für den Beitrag der freigesetzten FCKW und Halone zur Zerstörung der Ozonschicht. Als Vergleichswert dient das Freon CFC-11.

Photochemisches Oxidantien-bildungspotenzial (Photoche-mical ozone creation potential)

POCP Einheitliches Maß für den Beitrag der VOCs und Stickoxide am Sommersmog (durch Bildung von photochemischen Oxidantien). Als Vergleichswert dient Ethylen.

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27ABB Technik 2/2009

Nachhaltige Prozesse

Eine lohnende Investition

im Hinblick auf die Ressourcennut-zung, den Energieverbrauch und Ver-luste sowie Emissionen aus der UPD für den Industrial Drive vom Typ ACS800 sind in 2 bis 4 aufgeführt.

UPDs bieten Nutzern die Möglichkeit, die Umweltverträglichkeit verschiede-ner Produkte zu vergleichen, da die Daten in Bezug auf eine Funktionsein-heit aufgeführt sind (in 2 bis 4 z. B. 1 kW der Ausgangsleistung). Außer-dem helfen UPDs den Herstellern bei der Verbesserung ihrer Produkte, indem sie einen Vergleichsmaßstab für die Umweltverträglichkeit liefern.

UPDs weisen zwar die Umweltauswir-kungen eines Produkts aus, enthalten aber keinerlei Hinweise auf die öko-logischen Vorteile, die sich aus der Verwendung bestimmter Produkte wie elektrischer Antriebe anstelle weniger effizienter Lösungen ergeben. Nach den in 2 bis 4 aufgeführten UPD-Informationen ist die Umweltaus-wirkung eines ABB Industrial Drives während seiner Nutzungsphase am größten. Tatsächlich kann durch einen VSD der Energieverbrauch in vielen Anwendungen gegenüber der oben erwähnten Alternative (d. h. Betrieb des Motors mit voller Drehzahl und Begrenzung des Durchflusses) leicht halbiert werden. Leider werden die durch die Verwendung eines elektri-schen Antriebs erzielten Energie- und Emissionseinsparungen in der UPD in keiner Weise berücksichtigt. Ange-sichts der Größe der Vorteile – laut Schätzungen sorgte allein im Jahr 2008 der weltweit installierte Bestand von ABB Drives für Einsparungen in Höhe von 170 TWh bzw. 142 Millionen Ton-nen CO

22) – ist dies ein bedeutender

Nachteil der UPD. Eine Möglichkeit, dies zu berücksichtigen, ist die Bestim-mung der ökologischen Amortisation von Produkten.

Ökologische AmortisationDie Bestimmung der ökologischen Amortisation ist ein neues Verfahren

Umweltauswirkungen unter der LupeDie aus den Ökobilanzen gewonnenen Informationen (bzw. Ergebnisse) bilden die Grundlage für Umwelt-Produkt-deklarationen (UPDs). Diese beschrei-ben die bedeutendsten Umweltaus-wirkungen eines Produkts während der Herstellungs-, Nutzungs- und Entsorgungsphase. UPDs können von einer unabhängigen Drittorganisation zertifiziert werden, was den Angaben zusätzliche Glaubwürdigkeit verleiht. ABB gibt UPDs für alle ihre Kernpro-dukte einschließlich der drehzahlgere-gelten Antriebe heraus. Einige Angaben

oder dem Ozonabbaupotenzial zuge-ordnet. Die Auswahl der Wirkungs-kategorien hängt dabei vom Zweck der Bilanz ab. Die bei Ökobilanzen am häufigsten verwendeten Kategorien sind in 1 aufgeführt. Die Bereiche mit der größten Auswirkung werden bestimmt und dann im Hinblick auf die Reduzierung der Gesamtumwelt-belastung behandelt. Auf diese Weise unterstreichen Ökobilanzen die Bedeu-tung von Öko-Design (Design for the Environment, DfE) und anderen umweltfreundlichen Konstruktions- und Produktentwicklungsmethoden.

Fußnote2) Dieser Wert bezieht sich auf die Stromerzeugung

mit fossilen Brennstoffen und basiert auf einem

angenommenen CO2-Ausstoß eines konventionellen

Kraftwerks von ungefähr 0,84 t/MWh. Windkraft-

anlagen, Kernkraftwerke oder Wasserkraftwerke

hingegen produzieren nur wenig bzw. gar kein CO2.

2 Angaben zur Ressourcennutzung aus der Umweltprodukterklärung (UPD) für den ABB Industrial Drive ACS800 mit 250 kW. Negative Zahlen bei der Entsorgung kennzeichnen Wiederverwendung und Recycling.

HerstellungsphaseEinheit/kW

NutzungsphaseEinheit/kW

EntsorgungsphaseEinheit/kW

Nicht erneuerbare Ressourcen

Kohle kg 0,66 560,8 -0,46

Aluminium (Al) kg 0,06 0,00 -0,00

Kupfer (Cu) kg 0,12 0,00 -0,11

Eisen (Fe) kg 0,61 0,00 -0,49

Mangan (Mn) kg 0,00 0,00 0,00

Erdgas kg 0,18 65,35 -0,02

Uran (U) kg 0,00 0,02 0,00

Öl kg 2,26 58,51 -0,06

Erneuerbare Ressourcen

Wasserkraft MJ 0,04 109 0,00

Holz kg 0,02 28,83 -0,00

3 UPD-Daten zu Energieverbrauch und -verlusten für den ABB Industrial Drive ACS800 mit 250 kW

kWh / Produkt kWh / kW

EnergieformHerstellungs-

phaseNutzungs-

phaseEntsorgungs-

phaseHerstellungs-

phaseNutzungs-

phaseEntsorgungs-

phase

Elektrische Energie

57,0 625.331 – 0,23 2.501 –

Wärmeenergie 31,1 – – 0,12 – –

4 EPD-Daten zu Emissionen für den ABB Industrial Drive ACS800 mit 250 kW

Umweltwirkung Äquivalenzeinheit Herstellungsphase Nutzungsphase

Treibhauspotenzial (GWP) kg CO2 / kW 3,65 1.570

Versauerungspotenzial (AP) kmol H+ / kW 0,00 0,27

Eutrophierungspotenzial (EP) kg O2 / kW 0,05 18,20

Ozonabbaupotenzial (ODP) kg CFC-11 / kW 0,00 0,00

Photooxidantienbildung (POCP) kg Ethylen/kW 0,00 0,27

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28 ABB Technik 2/2009

Nachhaltige Prozesse

Eine lohnende Investition

Prioritätsregelung. Die Pum-pen werden normalerweise im Turbinenmodus betrieben und nur in Notfällen im Pumpmodus. Die Leistungs-abgabe beträgt typischer-weise 200 kW. In der Pump-station wurden vorher Turbi-nen mit verstellbaren Leit-schaufeln eingesetzt, bis man sich für VSDs als wirtschaftli-chere und flexiblere Lösung entschied.

Zementhersteller senkt Energie- und WartungskostenDas Zementwerk von Castle Cement in Padeswood, Nordwales, verfügt über einen der modernsten Zementöfen Europas und nutzt ABB „Industrial Drive“ Frequenzumrichter für den Betrieb der Gebläse. Diese umfassen ein 2-MW-Saugzuggebläse, ein 750-kW-Abluftgebläse und ein 560-kW-Kühlge-bläse. Die Gebläse müssen entspre-chend unterschiedlichen Durchfluss- und Lüftungsanforderungen geregelt werden, die aus sich verändernden Witterungs- und Prozessbedingungen resultieren. Weitere vier Gebläse mit 110, 160, 200 und 250 kW transportie-ren Luft zum Rostkühler, um die Tem-peratur des heißen Klinkers auf den Sollwert herunterzukühlen.

Die Gebläseregelung erfolgte vorher mithilfe von Schleifringen und Gleich-strommotoren, die eine regelmäßige Wartung erfordern. Durch die Installa-tion der Industrial Drives von ABB und den Austausch der Schleifringe und Gleichstrommotoren gegen war-tungsfreie AC-Motoren konnte das Werk bis zu 30 % der Gesamtenergie-kosten für die Gebläse einsparen und bedeutende Einsparungen im Hinblick auf die Wartungskosten der alten Motoren erzielen.

Jukka Tolvanen

Timo Miettinen

ABB LV Drives

Helsinki, Finnland

[email protected]

[email protected]

können VSDs bei der Reduzierung der Energiekosten und CO

2-Emissionen

eine bedeutende Rolle spielen.

Eine stromerzeugende PumpstationEin deutsches Energieversorgungsun-ternehmen in Stuttgart nutzt Frequenz-umrichter von ABB zur Regelung von Pumpen, die auch als Turbinen zur Stromerzeugung verwendet werden können. Dazu wird Wasser aus dem Bodensee entnommen und nach einer Aufbereitung rund 120 km weiter in einen Speicherbehälter in Rohr in der Nähe von Stuttgart geleitet. Von dort gelangt das Wasser zur Pumpstation Gallenklinge, wo es durch die Pum-pen/Turbinen fließt und in einem Behälter gespeichert wird, bevor es in das Stuttgarter Wassernetz gespeist wird. Der Höhenunterschied zwischen Rohr und Gallenklinge beträgt 120 m.

Im Rahmen eines Modernisierungs-projekts wurden kürzlich drei ABB Industrial Drives vom Typ ACS800 in der Pumpstation installiert. Hierbei handelt es sich um rückspeisefähige Frequenzumrichter mit einer aktiven Einspeiseeinheit, die einen vollen Leistungsfluss sowohl im motorischen als auch im generatorischen Betrieb ermöglichen. Außerdem verfügen die Frequenzumrichter über EMV-Filter für die erste Umgebungsklasse. Die erzeugte Leistung wird in das normale Netz eingespeist.

Die Frequenzumrichter speisen 400-V-Motoren mit 315 kW, und die Pumpen sind aus Gründen der Redun-danz in einer parallelen Konfiguration angeordnet. Die intelligente Pumpen-regelungssoftware IPC von ABB ermög-licht zusätzliche Funktionalitäten wie Energieoptimierung, Mehrpumpen-regelung, PID-Regelung und Pumpen-

zur Beurteilung der Umwelt-belastung über die Lebensdau-er von Produkten hinweg, das sowohl ihre positiven als auch die negativen Auswirkungen berücksichtigt. Natürliches Kapital, d. h. natürliche Res-sourcen, wird sowohl in der Herstellungs- als auch in der Entsorgungsphase verbraucht. Doch durch die Verwendung von ökologisch effizienten Produkten und Prozessen wie elektrischen Antrieben anstelle von älteren, weniger effizienten Lösungen kann die Gesamtbelastung der Umwelt erheblich reduziert wer-den. Die ökologische Amortisationszeit gibt an, wie lange ein Produkt genutzt werden muss, um die einmalige, bei seiner Herstellung und Entsorgung entstehende Umweltbelastung zu kom-pensieren.5 zeigt die ökologische Amortisation in Tagen für drei verschiedene Fre-quenzumrichter von ABB. Die Amorti-sationszeiten sind kurz und nehmen mit steigender Nennleistung weiter ab. So liegt die errechnete Amortisations-zeit für einen Antrieb mit 250 kW (ACS800) zum Beispiel bei einem Tag.

Negative CO2-BilanzDie Emissionsdaten der UPD für einen Frequenzumrichter vom Typ ACS800 mit 250 kW weisen einen CO

2-Ausstoß

bei seiner Herstellung von 3,65 kg CO

2/kW bzw. 912,5 kg CO

2 insgesamt

aus 4 . Laut den in 5 aufgeführten Angaben beträgt die ökologische Amortisationszeit für denselben Fre-quenzumrichter im Hinblick auf das Treibhauspotenzial (GWP) 0,5 Tage. Wird also der Frequenzumrichter einen halben Tag lang betrieben, kön-nen genügend Emissionen vermieden werden, um die bei der Herstellung anfallenden CO

2-Emissionen vollstän-

dig zu kompensieren. Danach wird die Bilanz „negativ“, da der Frequenz-umrichter im Laufe seiner Lebensdauer weiterhin Emissionen zum Wohle der Umwelt einspart. Tatsächlich liegen die typischen Einsparungen für einen ABB Industrial Drive vom Typ ACS800 über seine gesamte Lebensdauer hin-weg bei rund 7.500 MWh oder 3.800 Tonnen CO

2.

In einer Welt, in der AC-Asynchronmo-toren noch immer die unbestrittenen „Arbeitspferde der Industrie“ sind,

5 Ökologische Amortisationszeit (in Tagen) für drei ABB-Frequenzum-richter nach Umweltwirkungskategorien. Dabei wird bei einem durch-schnittlichen EU-25-Strommix von einer Energieeinsparung in typi-schen Pumpen- oder Lüfteranwendungen von 50 % ausgegangen.

Quelle: Technische Universität Tampere

Produkt Leistung (kW) GWP AP EP POCP

ACS140 0,75 6 6 8 15

ACS350 7,5 1,1 0,9 1,2 1,3

ACS800 250 0,5 0,4 0,9 1,0

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29ABB Technik 2/2009

Nachhaltigkeit und Energie

Die Anziehungskraft der EinfachheitPermanentmagnetmaschinen auf dem Weg in die ZukunftJussi Salo

Interessanterweise wurden viele Systemkomponenten, die wir heute für selbstverständlich halten, einmal als Behelfslösung entwickelt. Vor nicht allzu langer Zeit galt es noch als selbstverständlich, dass ein großer Elektromotor über ein Getriebe zur Umwandlung von Drehzahl und Dreh-moment sowie über ein Erregersystem

zur Erzeugung der Magnetfelder ver-fügen muss.Manchmal kann eine Überarbeitung der Konstruktion dabei helfen, diese Behelfslösungen zu beseitigen und das System auf eine elegante Einfachheit zu reduzieren. Dank der Fortschritte auf dem Gebiet der magnetischen Werkstoffe können heute niedertourige

Antriebe mit hohen Drehmomenten mithilfe von Permanentmagneten realisiert werden, die ohne Erreger-system und Getriebe auskommen.Das ermöglicht nicht nur Energieein-sparungen, sondern bietet noch viele andere Vorteile in Anwendungen wie Industrieantrieben, Azipod-Schiffs-antrieben und Windkraftanlagen.

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netfluss, der von den Statorwicklun-gen erzeugt wird. Die PM-Maschine läuft somit synchron.Die Baugrößen der bislang gelieferten Maschinen reichen von Motoren mit 280 mm Wellenhöhe bis zu Windkraft-generatoren mit 2.500 mm Wellenhöhe. Die Permanentmagnetmaschinen der Serien M3BJ, AMZ und AMG haben sich dabei als ausgereifte Produkte bewährt.Elektrische Maschinen mit niedriger Polzahl, die für eine höhere Nenn-drehzahl ausgelegt sind, lassen sich auch mit niedrigen Drehzahlen betrei-ben, wenn sie mit einer niedrigen Frequenz gespeist werden. Dies ist jedoch nicht besonders effizient, da die Ausgangsfrequenz des Umrichters deutlich unter seiner Nennfrequenz liegt. Bei einer derart niedrigen Fre-quenz sind überdimensionierte Leis-tungsschalter erforderlich, um den daraus resultierenden Schaltverlusten standzuhalten. Deshalb sind für Anwendungen mit niedrigen Drehzah-len Maschinen mit hohen Polzahlen vorzuziehen.Asynchronmaschinen, die für Dreh-zahlen von 750 bis 3.000 min-1 ausge-legt sind, eignen sich nicht besonders für niedertourige Direktantriebe, da mit sinkender Drehzahl auch ihre Effizienz abnimmt. Zudem ist ihre Drehmomentkurve im unteren Dreh-zahlbereich oft nicht gleichmäßig genug.

Darüber hinaus nimmt der Leistungs-faktor von Asynchronmaschinen mit höheren Polzahlen (aufgrund der höheren Streuinduktivität) ab. Deshalb sind auch Asynchronmaschinen mit hohen Polzahlen für niedertourige Direktantriebe nicht besonders geeig-net.

Diese Probleme erklären, warum für derartige Anwendungen Getriebe ein-gesetzt wurden, um die Maschinen bequem mit höheren Drehzahlen laufen lassen zu können. Dank des hervorragenden Leistungsvermögens von PM-Maschinen in Anwendungen mit niedrigen Drehzahlen und hohen Drehmomenten kann nun jedoch auf das Getriebe verzichtet werden.

Geringere VerlusteEin bedeutender Vorteil der Erregung durch Permanentmagneten besteht

dem kann durch den Wegfall des Getriebes und der Antriebsspindeln wertvoller Platz eingespart werden.Eine PM-Maschine kann ebenso robust und einfach ausgeführt werden wie ein vergleichbarer Asynchronmotor mit Käfigläufer. Wird eine solche PM-Maschine zusammen mit einem dreh-zahlgeregelten Frequenzumrichter von ABB mit direkter Drehmomentrege-lung (Direct Torque Control, DTC) eingesetzt, ist nicht einmal ein Geber zur Rückmeldung der Rotordrehzahl erforderlich. Der Wegfall dieser poten-ziell unzuverlässigen Komponente trägt ebenfalls zur höheren Zuverläs-sigkeit von PM-Direktantriebslösungen bei. Hinsichtlich der Verfügbarkeit ist ein solcher Antrieb anderen derzeit verfügbaren Technologien im niedri-gen Drehzahl- und hohen Drehmo-mentbereich überlegen. Und dank der höheren Verfügbarkeit können auch die Lebenszykluskosten gesenkt werden.

PM-Maschinen für DirektantriebeABB stellt seit fast 10 Jahren Perma-nentmagnetmaschinen her. PM-Ma-schinen sind Synchronmaschinen mit normalerweise drei oder mehr Statorphasen in der Statorwicklung. Im Rotor montierte Permanentmagne-ten erzeugen einen praktisch konstan-ten Magnetfluss im Luftspalt. Dieser „hängt“ sich an den rotierenden Mag-

Der Gedanke, Permanentmagneten (PM) zur Erregung in elektri-

schen Maschinen einzusetzen, ist alles andere als neu. In den letzten zehn Jahren hat sich die PM-Technologie insbesondere bei Direktantrieben mit niedrigen Drehzahlen und hohem Drehmoment jedoch zu einer tech-nisch und wirtschaftlich praktikablen Lösung entwickelt.Die PM-Technologie bietet einige klare Vorteile gegenüber anderen Erregungsmethoden für elektrische Maschinen. Ihre Verbreitung wurde jedoch erst in jüngerer Zeit durch Fortschritte in der Permanentmagnet-technologie und sinkende Kosten ermöglicht. ABB hat Produkte auf Basis der PM-Technologie vor allem für Anwendungen mit niedriger Dreh-zahl und hohem Drehmoment entwi-ckelt, wie sie zum Beispiel in der Prozessindustrie, bei Schiffsantrieben und in der Windenergiebranche zu finden sind.

Weitere Vorteile lassen sich durch den Einsatz von vollständig elektrischen Direktantrieben erzielen, bei denen das Getriebe und die dazugehörigen Anbauteile entfallen 1 . Dies sorgt für geringere Verluste und eine höhere Zuverlässigkeit des gesamten Antriebs. So mindert ein dreistufiges Getriebe in einer 3-MW-Windkraftanlage die Gesamteffizienz um etwa 3 %. Außer-

30 ABB Technik 2/2009

Die Anziehungskraft der Einfachheit

Nachhaltigkeit und Energie

1 Antriebskonfigurationen mit herkömmlichem Asynchronmotorantrieb, Getriebe und Antriebsspindel a und Direktantrieb b

Angetriebene Walze(n)

Angetriebene Walze(n)

600 min-1

600 min-1 600 min-1

1.500 min-1

Antriebsspindel

Entfernbare Teile

Untersetzung

GeberMotor

Motor

315 mm

1200 mm/925 kg

3.500 mm/2.500 kg

(Typische Abschnittsanordnung)

315 mm

1.040 mm/860 kg (IC 31 W)

a

b

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31ABB Technik 2/2009

Die Anziehungskraft der Einfachheit

Nachhaltigkeit und Energie

herkömmliche Kombination aus elekt-rischer Maschine, Antriebsspindel und Getriebe, da die damit verbundenen Verluste entfallen. Doch damit sind die Vorteile dieser Lösung in puncto Effizienz noch nicht erschöpft.

PM-Maschinen können ebenso einfach und robust ausgeführt sein wie Asyn-chronmaschinen mit Käfigläufer. Da das Getriebe, die dazugehörigen An-bauteile, eine Antriebsspindel, zusätz-liche Kupplungen und der Drehzahl-geber entfallen, kommen PM-Direkt-antriebe mit einem Minimum an rotie-renden Teilen und somit minimalem Wartungsaufwand aus. Dies bedeutet

eine hohe System effizienz im Vergleich zu anderen der-zeit verfügbaren Technolo-gien.

Alle diese Faktoren zusam-men führen zu einer höheren Verfügbarkeit, Energieeinspa-rungen und minimierten Lebenszykluskosten.

Entwicklung von Permanent-magnetenSeit den 1960er Jahren ist die Entwicklung von Perma-nentmagneten rasch voran-geschritten 2 . Permanent-magneten finden breite Anwendung in Motorantrie-ben mit geringer Leistung,

auch ohne einen Drehzahl geber erreicht werden, da die genaue Win-kelposition und Drehzahl des Rotors auch ohne einen solchen Geber berechnet werden kann.

Derzeit bietet ABB Umrichter vom Typ ACS8000 (Niederspannung) und PCS6000 (Mittelspannung) mit direkter Drehmomentregelung für PM-Maschi-nen.

Höhere Systemeffizienz und -verfügbarkeitWie bereits erwähnt, ermöglicht eine Direktantriebslösung mit PM-Maschine eine höhere Gesamteffizienz als eine

darin, dass hierfür über den Strom-richter keine Leistung aus dem Netz entnommen muss und daher kein zusätzlicher Stromverbrauch anfällt. Außerdem fallen die Umrichterverluste geringer aus, da der aus der Erregung resultierende Blindstrom entfällt. Dies liefert zusätzliche Reserven im Hin-blick auf die Belastbarkeit des Wech-selrichters im Vergleich zu Antrieben für Asynchronmaschinen mit gleicher Ausgangsleistung.Oberschwingungen in der Wechsel-richterspannung verursachen Wirbel-ströme an der Oberfläche des PM-Rotors und der Magneten. Diese können durch geeignete konstruktive Maßnahmen deutlich reduziert wer-den. Die meisten Verluste entstehen bei PM-Maschinen jedoch in den Statorwicklungen und im Statorkern. Aus diesem Grund ist die Temperatur des PM-Rotors unter Lastbedingungen im Vergleich zu elektrisch erregten Maschinen recht niedrig. Dadurch erwärmen sich auch die Lager meist weniger stark, was wiederum zur Verlängerung der Lebensdauer der Schmierung und der Lager beiträgt.

Gerberlose direkte DrehmomentregelungDirektantriebsanwendungen mit nied-riger Drehzahl und hohem Drehmo-ment erfordern normalerweise eine Regelung von Drehmoment und Dreh-zahl. Die Drehzahl einer Synchronma-schine wie einem PM-Motor kann nur über einen drehzahlgeregelten Antrieb in Form eines Frequenzumrichters geregelt werden. Außerdem muss die Regelung der PM-Maschine speziell für die Flussregelung von Permanentmagneten ausgelegt sein. Aus diesem Grund hat ABB ihr Verfahren zur direkten Drehmomentre-gelung (DTC) auf drehzahl-geregelte PM-Maschinenan-triebe ausgedehnt.

Niedertourige Direktantriebs-anwendungen sind häufig mit hohen Anforderungen in puncto Regelbarkeit und Dynamik verbunden, die mit der DTC-Antriebstechnik von ABB erfüllt werden können. Durch die Verwendung einer PM-Maschine kann die gefor-derte hohe Betriebsleistung

2 Entwicklung des Energieprodukts von Permanentmagneten

Quelle: Masato Sagawa: „NdFeB magnets: Past, Present and Future“. Prizztech Seminar on Advanced Magnetic Materials and their

Applications. Pori, 10.-11.10.2007

Das Energieprodukt ist ein Maß für die Güte eines Magneten und entspricht dem Produkt aus der magnetischen Flussdichte B (gemessen in Gauß) und der Feldstärke H (gemessen in Oersted bzw. Ampere pro Meter). Die Einheit des Energieprodukts ist Megagauß-Oersted (MGOe) bzw. kJ/m³.

Entwicklung von Permanentmagneten

Ba, Sr-Ferrite

480

400

320

240

160

80

0

60

50

40

30

20

10

0

Max

imal

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J/m

3 )

Max

imal

e E

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FeCrCo

MnAl

Sm2Fe17N3

Co-Ferrit

1900 1920 1940 1960 1980 2000 2020

KS

Stahl

MKAlNiCO

NKS

Nd2Fe14B

Sm2Co17

(Sm Pr) Co5

Gesintertes SmCo5

Jahr

3 Entwicklung der Produktion von gesinterten NdFeB-Magneten

Quelle: Masato Sagawa: „NdFeB magnets: Past, Present and Future“. Prizztech Seminar on Advanced Magnetic Materials and their Applications. Pori, 10.-11.10.2007

1984 1989 1994 1999 2004

Pro

dukt

ions

men

ge (t

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35.000

30.000

25.000

20.000

15.000

10.000

5.000

0

Japan USA Europa China

Jahr

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32 ABB Technik 2/2009

Die Anziehungskraft der Einfachheit

Nachhaltigkeit und Energie

Kobalt, ein weiterer Seltenerde-Werk-stoff, der in den 1980er Jahren weit verbreitet war. Aus diesem Grund werden in PM-Maschinen von ABB für gewöhnlich NdFeB-Magnete ver-wendet.

Die Produktion von Seltenerdmetallen zur Herstellung von Permanentmagne-ten begann Mitte der 1980er Jahre in China. Eine starke Marktdurchdrin-gung sorgte schließlich für einen Zusammenbruch der Preise für Selten-erdmetalle 3 . NdFeB ist zurzeit der bedeutendste Werkstoff für Perma-nentmagneten. Neben Neodym (Nd) werden auch Dysprosium (Dy) und Terbium (Tb) benötigt. Seit den 1980er Jahren sind die Preise für NdFeB-Magneten erheblich gesunken 4 , doch nach einem Tiefstand ist nun wieder ein gemäßigter Anstieg zu ver-zeichnen.

Bei einer 2- bis 4-MW-Windkraftan -lage mit PM-Generator und Direkt-antrieb machen die Kosten für die NdFeB-Magneten etwa 15–30 % der Materialkosten für den Generator aus. Seit dem Rückgang der Preise für NdFeB-Magneten Anfang des ersten Jahrzehnts dieses Jahrtausends sind große PM-Maschinen für niedertourige Direktantriebslösungen attraktiver als je zuvor.

PM-Motoren in der ProzessindustrieHochpräzise Antriebe für niedrige Drehzahlen sind in der Prozessindust-rie weit verbreitet. Mit der PM-Direkt-antriebstechnologie kann in einer Vielzahl von Anwendungen auf Getriebe verzichtet werden. Ein Bei-spiel ist eine Papiermaschine, in der

Im Jahr 1987 wurden Magneten aus Neodym-Eisen-Bor (NdFeB) entwi-ckelt. NdFeB ist der neueste und leis-tungsstärkste magnetische Werkstoff, der zurzeit auf dem Markt erhältlich ist. Er zeichnet sich durch eine hohe Flussdichte bei sehr hoher Magnetisie-rung aus. Darüber hinaus ist er extrem entmagnetisierungssicher, günstiger und weniger spröde als Samarium-

wie sie in Festplatten und der Unter-haltungselektronik zu finden sind. Der Einsatz von Permanentmagneten in elektrischen Maschinen hat sich jedoch erst in den letzten zwei Jahr-zehnten etabliert, was hauptsächlich auf den relativ hohen Preis und die hohen Herstellungskosten des Magnetwerkstoffs zurückzuführen ist.

4 Entwicklung des relativen Preises von gesinterten NdFeB-Magneten

Als Basiswert dient der Preis von 1983.

Quelle: Magnews Sommer 2008

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010

Rel

ativ

er In

dex

Jahr

5 ABB Compact-Azipod-Schiffsantrieb mit Permanentmagnetmotor

Antriebs-modul

Steuermodul

Schiffs-bug

6 Wachstumschance: Kumulative globale Windenergieleistung 1990–2007

Quelle: EWEA Windenergieszenarios bis 2030

130.000120.000110.000100.000

90.00080.00070.00060.00050.00040.00030.00020.00010.000

01990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

1.304 1.354 1.477 1.590 1.848 2.324 2.628 2.883 3.700 3.916 4.470 7.133 8.150 10.940 13.248 18.591 23.102 37.587 55.850

438 629 844 1.211 1.683 2.497 3.476 4.753 6.453 9.578 12.887 17.311 13.098 28.491 34.372 40.500 18.031 56.535 64.948

Win

dene

rgie

leis

tung

(MW

)

Übrige Welt EU

7 Szenario der Windenergie-Investitionen in der EU bis 2030

Quelle: EWEA Windenergieszenarios bis 2030

25.000

20.000

15.000

10.000

5.000

0

2000

2001

2002

2003

2004

2005

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2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

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2024

2025

2026

2027

2028

2029

2030

Offshore-Investitionen

Onshore-Investitionen

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33ABB Technik 2/2009

Die Anziehungskraft der Einfachheit

Nachhaltigkeit und Energie

wasser gekühlt werden, was bei hohen Rotorverlusten nicht möglich wäre. Gleich-zeitig kann das Gondelge-häuse kleiner ausfallen, was eine höhere hydrodynamische Effizienz und somit einen geringeren Kraftstoffverbrauch ermöglicht.

PM-Maschinen in Windkraft-anlagenDie Windenergiebranche hat in den letzten 20 Jahren einen enormen Aufschwung erlebt 6 und sich vom experimentel-len Neuland zu einer ausge-reiften globalen Industrie ent-wickelt. Nicht zuletzt gilt die Windkraft heute als vielver-sprechendste erneuerbare Energiequelle.

Dabei ist zukünftig im Off-shore-Bereich ein stärkeres Wachstum zu erwarten als im Onshore-Bereich 7 . Dies hat verschiedene Gründe: Zum einen lässt sich der Platz für einen großen Windpark auf dem Meer leichter finden als an Land. Zum anderen sind Offshore-Windparks weniger störend für das öffentliche Leben als Onshore-Anlagen. Und schließlich ist auf dem

Meer deutlich mehr Wind zu erwarten als auf dem Festland.

Um so viel Energie wie möglich aus dem vorhandenen Wind zu gewinnen, sollte der Kapazitätsfaktor möglichst hoch sein. Der Kapazitäts faktor (oder Lastfaktor) einer Windkraftanlage bzw. eines Windparks ist ein Maß für die jährlich erzeugte Elektrizität im Ver-hältnis zur installierten Leistung. Er ist jedoch kein direkter Indikator für die „Windigkeit“ einer bestimmten Region oder eines Standorts, da die Größe der Anlage und ihre Verfügbarkeit ebenfalls einen wichtigen Einfluss auf die Energieausbeute haben. Bei einer Verfügbarkeit von Offshore-Windparks von über 90 %, liegt der Kapazitätsfak-tor meistens über dem von Onshore-Windparks 8 .

Die Verfügbarkeit ist eine Funktion der Zuverlässigkeit. Ein System kann eine hohe Zuverlässigkeit haben, doch

zig Walzen nach dem her-kömmlichem Prinzip ange-trieben werden: In einer sol-chen Anwendung verfügt jeder drehzahlgeregelte Antrieb mit normallaufen-dem Asynchronmotor über einen Impulsgeber, eine Antriebsspindel und ein Getriebe. Die PM-Direktan-triebslösung ohne diese zusätzlichen Elemente ist besonders in der Papierin-dustrie von Vorteil, wo man-gelnde Zuverlässigkeit der Gebersysteme ein häufiger Grund für ungeplante Pro-duktionsausfälle ist. Ein wei-terer Vorteil der höheren Verfügbarkeit des PM-Direkt-antriebs ist eine Reduzierung der Lagerhaltungskosten, da weniger Ersatzteile benötigt werden.

PM-Technologie bei Schiffs-antriebenDas elektrische Schiffs-antriebskonzept„Azipod“ von ABB ist mittlerweile seit 20 Jahren auf dem Markt. In dieser Zeit hat der Azipod-Antrieb neben großen Kreuzfahrtschiffen auch bei anderen Schiffstypen wie Kabellegeschiffen, Bagger-schiffen, Shuttletankern, Chemikalien- und Produktentankern, Versorgungs-schiffen, Motoryachten, Bohrschiffen und Halbtaucherplattformen rasch an Popularität gewonnen.

Bei der Azipod-Technologie ist der Elektromotor in einer beweglichen Gondel untergebracht, die am Schiffs-rumpf befestigt ist. Beide zusammen bilden das Hauptantriebssystem. Die Motordrehzahl und die Richtung der Antriebskraft werden in Bezug zum Schiff geregelt. Der typische Leis-tungsbereich der Motoren liegt zwi-schen 400 kW und 20 MW. Ein Schiff verfügt normalerweise über eine bis drei solcher Antriebseinheiten, wäh-rend Plattformen mit dynamischen Positionierungssystemen mit bis zu 10 Einheiten ausgestattet sein können. Die Azipod-Technologie zeichnet sich durch eine hervorragende Manövrier-fähigkeit, geringe Vibrations- und Geräuschpegel, eine hohe Effizienz,

geringe Emissionen und einen hohen Passagierkomfort aus.

Die PM-Motortechnologie kam auch bei der Entwicklung des hoch standar-disierten, modularen „Compact Azipod“-Antriebskonzepts 5 zum Ein-satz, das für einen Leistungsbereich zwischen 400 und 5.000 kW ausgelegt ist. Permanentmagneten und das DTC-Konzept spielten bei der Verbesserung des Leistungsvermögens und der Erweiterung des Anwendungsbereichs des Compact-Azipod-Antriebs eine entscheidende Rolle.

Im PM-Rotor treten keinerlei Erre-gungsverluste auf. Stattdessen konzen-trieren sich die Verluste auf die Stator-wicklung und den Statorkern, von wo sie leichter abgeführt werden können. Dadurch ist mit der PM-Technologie eine höhere Leistungsdichte möglich. Bei PM-Azipod-Lösungen kann das Motormodul vom umgebenden Meer-

8 Verfügbarkeit, Kapazitätsfaktor und Windgeschwindigkeit von vier Windparks

Quelle: Fabio Spinato: „The Reliability of Wind Turbines“

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Tornadomonat in den USA

Scroby Sands – 30 x V80 (2 MW, offshore UK) North Hoyle - 30 x V80 (2 MW, offshore UK) Kentish Flats - 30 x V90 (3 MW, offshore UK) Standort in Texas - 160 x M1000 (1 MW, onshore USA)

9 Gesamtprojektkosten pro kWh in Abhängigkeit vom Kapazitätsfaktor

Kapazitätsfaktor (%)

Quelle: Garrad Hassan Studie „European Wind Farm Project Costs History and Projections 2008“

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(€/k

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34 ABB Technik 2/2009

Die Anziehungskraft der Einfachheit

Nachhaltigkeit und Energie

Antriebsstrang und die elektrischen Unterbaugruppen. Getriebe für 3 MW und mehr werden zwar zuverlässiger, doch noch immer sind Getriebeprob-leme die Ursache für die meisten Ausfallzeiten und Kosten. Elektrische Komponenten (mit Ausnahme der Generatoren) verursachen relativ wenig Ausfallzeiten, doch ihre Repara-tur ist besonders im Offshore-Bereich mit hohen Kosten verbunden.

In den letzten zehn Jahren lag der Anteil der Anlagen mit Direktantrieb bei 13–15 % der jährlich installierten Kapazität.

Es mag überraschen, dass der Direkt-antrieb nicht immer automatisch zuverlässiger ist als ein indirekter Antrieb. Dies liegt daran, dass die Technologie noch recht jung ist und in mancher Hinsicht noch immer in der Entwicklung steckt.

Bevor noch größere Offshore-Wind-kraftanlagen realisiert werden können, muss ihre Verfügbarkeit weiter verbes-sert werden. Da es einfacher sein dürfte, die Zuverlässigkeit der elektri-schen Systeme zu verbessern als die der mechanischen Systeme, kann davon ausgegangen werden, dass die Verfügbarkeit von Windkraftanlagen mit Permanentmagnetmaschinen und Direktantrieben zukünftig über der von herkömmlichen Anlagen mit Getriebe und elektrischer Erregung liegen wird.

Jussi Salo

ABB Machines, Technology Center

Helsinki, Finnland

[email protected]

Literaturhinweis

[1] Spinato, F. (2008): „The reliability of wind

turbines“. PhD-Thesis, Durham University

MTTR). Die MTBF ist ein Maß für die Zuverlässigkeit, und die MTTR ist ein Maß für die Reparaturzeit, die durch die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, Personal und der erforderlichen Aus-rüstung sowie durch die Zugänglich-keit der Anlage beeinflusst wird.Die Gesamtprojektkosten und die Energiekosten werden vom Kapazi-tätsfaktor beeinflusst 9 . Eine größere Windkraftanlage kann mehr Energie aus dem Wind gewinnen, wodurch der Preis für die erzeugte Energie sinkt 10 .

Momentan herrscht ein eindeutiger Trend zum Bau von immer größeren Windkraftanlagen an immer weiter von der Küste entfernten Standorten. Jüngste Studien haben jedoch gezeigt, dass mehr als ein Ausfall pro Wind-kraftanlage im Jahr nicht ungewöhn-lich ist und größere Anlagen weniger zuverlässig sind [1]. Eine derart gerin-ge Zuverlässigkeit ist für Offshore-Anlagen problematisch, da hier nicht mehr als 0,5 Ausfälle pro Jahr akzep-tabel sind.

Die Zuverlässigkeitsprobleme konzen-trieren sich hauptsächlich auf den

wenn die erforderliche Wartung nicht rechtzeitig durchgeführt wird, kann die Verfügbarkeit einer Windkraftan-lage sinken.

Die Verfügbarkeit kann definiert werden als Funktion der mittleren Betriebszeit zwischen Ausfällen (Mean Time Between Failures, MTBF) und der mittleren Reparaturdauer (Mean Time To Repair, MTTR). Dabei gilt: Verfügbarkeit = MTBF/(MTBF+

Die Windkraftanlage Zephyros Z72 mit ABB Direct Drive PM-Generator (grüner Teil)

10 Jahresenergieertrag (AEP) pro Kosten in Abhängigkeit von der Nennleistung

Quelle: Hui Li, Zhe Chen: „Design Optimization and Comparison of Large Direct-drive Permanent Magnet Wind Generator Sys-tems“. Proc. ICEMS 2007

AE

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20

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BORDLINE® M Eine hocheffiziente AC/DC/DC-Umrichterarchitektur für die Stromversorgung an Bord von ZügenAntonio Coccia, Francisco Canales, Hans-Rudolf Riniker, Gerold Knapp, Beat Guggisberg

Die Anforderungen an die elektrische Energieversorgung an Bord von Zügen sind vielfältig. Neben dem Antrieb selbst gibt es noch eine Reihe weiterer Verbraucher – vom Erregungssystem für den Antrieb über die Beleuchtung bis hin zur Klimaanlage –, die Energie benötigen. Räumliche und finanzielle Einschränkungen führen zunehmend zur Forderung nach einem einzigen Umrichter, der in der Lage ist, alle diese Anforde-rungen zu erfüllen und sowohl Gleich- als auch Wechselstrom bereitzustellen. Seine Energieabgabe muss hohen Standards genügen, während er gleichzeitig mit Strom-versorgungen verschiedener Art und Qualität auskommen muss.

Dieser Artikel befasst sich mit den Technologien hinter den Umrichtern der ABB BORDLINE® M-Serie und beschreibt einige der Herausforderungen bei ihrer Entwicklung.

35ABB Technik 2/2009

Nachhaltigkeit und Energie

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Bahnstromversorgungen der neues-ten Generation müssen nicht nur

die lastcharakteristischen Anforderun-gen erfüllen, sondern müssen auch in der Lage sein, große Energiemengen zu bewältigen (bedingt durch die zunehmende Zahl von Verbrauchern, die sich zum Beispiel aus den steigen-den Anforderungen an den Komfort in den Zügen ergeben) – und das mit hoher Effizienz, Zuverlässigkeit und Leistungsdichte. Darüber hinaus spielen Kosten eine wichtige Rolle. In modularen Umrichtern mit hoher Leistungsdichte werden normalerweise Leistungshalbleiter mit hohen Schalt-frequenzen eingesetzt. Der Nachteil dabei ist, dass hohe Schaltfrequenzen mit höheren Schaltverlusten verbun-den sind. In PWM-Umrichtern (PWM = Pulsweitenmodulation) können die Schaltverluste so hoch sein, dass sie den Betrieb des Systems bei sehr hohen Frequenzen unmöglich machen.

All die genannten Probleme lassen sich mithilfe der geringeren Schaltver-luste von resonant (und dadurch weich) geschalteten Umrichtern1) umgehen [1]. Die Verwendung solcher Architekturen stellt eine interessante

36 ABB Technik 2/2009

BORDLINE® M

Nachhaltigkeit und Energie

Möglichkeit für Anwendungen mit den oben genannten Leistungsanforderun-gen dar.

Für heutige Traktionsanwendungen eignen sich bipolare Transistoren mit isoliertem Gate (IGBTs) am besten als Schaltelemente, sowohl im Hinblick auf die Spannungs- und Stromanforde-rungen als auch aufgrund ihrer hohen Isolationsspannungen. Bei diesen mit hohen Schaltfrequenzen arbeitenden Elementen ist das spannungslose Schalten (Zero Voltage Switching, ZVS) eine wertvolle Möglichkeit zur Steigerung der Effizienz des Umrich-ters. Dabei wird die Schaltenergie, die mit der parasitären Kapazität der Module (die sich auf die Einschaltver-luste auswirkt) und der Sperrverzöge-rung von Antiparalleldioden (nach deren Abschalten) verbunden ist, auf null reduziert.

Eine der größten Herausforderungen für die Konstrukteure von Umrichtern für Traktionsanwendungen liegt in dem extrem breiten Spannungsbereich an den Eingangsklemmen des Umrich-ters. Diese Schwankungen der Ein-gangsspannung sollten sich während der verschiedenen Betriebszustände

nicht auf die Gesamtleistungsfähigkeit und Effizienz des Systems auswirken. Die Schwankungsbreite der Speise-spannungen für die verschiedenen elektrischen Traktionssysteme ist in 1 aufgeführt. Bei einer Bemessungsein-gangsspannung von 1.000 V AC effek-tiv variiert die entsprechende Betriebs -spannung zwischen 700 V effektiv und 1.200 V effektiv – ein sehr großer Bereich.

Obwohl viele Beiträge über Methoden zur Kompensation des breiten Ein-gangsspannungsbereichs von Umrich-tern veröffentlich wurden, gibt es nicht viele, die sich mit der Bewälti-gung derart stark variierender Betriebs-bedingungen befassen.

Bei einer extremen Schwankungsbreite der Eingangsspannung, wie sie in 1 dargestellt ist, bleibt die Optimierung des Umrichters ein Problem, wenn resonante Topologien verwendet werden. Tatsächlich kann der breite Eingangsspannungsbereich zu einer hohen Energiezirkulation innerhalb des Geräts führen, was wiederum die Gesamteffizienz und die Leistungs-dichte des Umrichters deutlich redu-zieren kann.

In der Vergangenheit wurden mehrere Lösungen vorgestellt, um diesen Anforderungen und auch den Aus-gangslastschwankungen gerecht zu werden. Beim herkömmlichen Serien-resonanzumrichter werden die aktiven Elemente beim Nulldurchgang der Spannung geschaltet (ZVS). Bei stark variierender Eingangsspannung und Ausgangslast muss der Umrichter jedoch mit einer großen Bandbreite von Schaltfrequenzen arbeiten. Dies kompliziert die Optimierung des Umrichters [2, 3].

2 Einschaltkommutierung: hart a , L in Reihe b , weich c

v v vi ii

a b c

3 Ausschaltkommutierung: hart a , L in Reihe b , weich c

i i iv vv

a b c

Fußnoten1) Wie der Name sagt, nutzen Resonanzkreise (auch

Schwingkreise genannt) Resonanzeffekte bei der

Erzeugung des AC-Ausgangssignals.

1 Speisespannungen für Bahnsysteme nach EN50163. Der große Spannungsbereich birgt besondere Herausforderungen.

EN50163, UIC550

System-spannung

Minimale nicht per-manente Spannung

Minimale perma-nente Spannung

Normale Spannung

Maximale perma-nente Spannung

Maximale nicht per-manente Spannung

Umin2 (V) Umin1 (V) Unom (V) Umax1 (V) Umax2 (V)

DC-System

400 400 600 720 800

500 500 750 900 1.000

1.000 (900 UIC 10 min)

1.000 1.500 1.800 1.950

2.000 (1.800 UIC 10 min)

2.000 3.000 3.600 3.900

AC-Systeme

700 V effektiv 800 V effektiv 1.000 V effektiv16,67 Hz/50 Hz

1.150 V effektiv 1.200 V effektiv

1.050 V effektiv 1.140 V effektiv 1.500 V effektiv 50 Hz 1.650V effektiv 1.740 V effektiv

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37ABB Technik 2/2009

BORDLINE® M

Nachhaltigkeit und Energie

pung zwischen der Spannung über dem Halbleiterelement und dem kom-mutierten Strom. 2b zeigt die typische Kommutierung mit einer Snubber-schaltung (mit einer Induktivität L), die mit dem Halbleiter in Reihe geschaltet ist. Die Snubberschaltung reduziert die Steilheit des Stroms (dI/dt), was dabei hilft, die Überlap-pung zwischen Spannung und Strom zu reduzieren und die Schaltverluste

Factor Correction, PFC) und die Kom-pensation der Schwankungen der Ein-gansspannung ermöglicht. Dadurch kann über den gesamten Betriebs-spannungs- und Leistungsbereich ein Leistungsfaktor von nahezu Eins gewährleistet werden. Die zweite Umrichterstufe ist in Form eines iso-lierten LLC-Dreipunkt-Resonanzum-richters2) ausgeführt, der im ZVS- und Quasi-ZCS-Modus betrieben wird (ZCS = Zero Current Switching).

Die Reihenschaltung ermöglicht die Verwen-dung von Elementen mit einer niedrigeren Bemes-sungsspannung bei gleichzeitiger Erhaltung des Schaltverhaltens der Umrichter.Hartes und weiches SchaltenBei der Kommutierung von Halbleiter-elementen wird je nach Größe der Energieverluste beim Übergang zwi-schen den Zuständen (eingeschaltet oder ausgeschaltet) normalerweise zwischen hartem Schalten, teilentlaste-tem Schalten mit Snubber und voll-ständig entlastetem („weichem“) Schalten unterschieden.

Diese drei Kommutierungsarten sind in 2 dargestellt. Beim harten Schalten 2a gibt es eine beträchtliche Überlap-

Erschwerend kommt hinzu, dass bei hohen Eingangsspannungen, wie sie bei Bahnanwendungen auftreten, die Verwendung von Elementen mit hohen Bemessungsspannungen er forderlich ist. Eine Möglichkeit, die Spannungsbelastung über den Haupt-elementen zu reduzieren, ist die Rei-henschaltung von Umrichtern [4, 5]. Dies ermöglicht die Verwendung von Elementen mit einer niedrigeren Bemessungsspannung bei gleichzeiti-ger Erhaltung des Schaltverhaltens der Umrichter. Dabei ist jedoch eine zusätzliche Regelungsstrategie erfor-derlich, um die Eingangsspannung über den Eingangkondensatoren aus-zugleichen.

Um die Komplexität dieser verschie-denen Ansätze zu minimieren, hat ABB mit der Umrichterserie BORDLINE® M eine neue Lösung zur Minderung der Auswirkungen eines breiten Eingansspannungsbereichs auf die Leistungsfähigkeit von isolierten AC/DC/DC-Umrichtern für Traktions-hilfsbetriebe entwickelt. Die Geräte liefern eine galvanisch getrennte Gleichspannung zum Laden von Batterien sowie eine sinusförmige dreiphasige Wechselspannung zur Speisung von AC-Motoren. Die sinus-förmige Ausgangsspannung kann optional ebenfalls galvanisch getrennt werden. Die eingangsseitige Architek-tur besteht hier aus einem Hochsetz-steller in Dreipunktschaltung, der eine Leistungsfaktorkorrektur (Power

Fußnoten2) Ein LLC ist ein Resonanzkreis mit einem Konden sator

und zwei Induktivitäten. Letztere könnten zum Beispiel

die Wicklungsparameter des Transformators sein.

4 Weichschaltverhalten eines 1.700-V-IGBT mit ZVS und ZCS

c Einschaltvorgang mit ZVS

b Ausschaltvorgang mit ZCS

a Schaltzyklus

Spannung über dem Element Strom durch das Element

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38 ABB Technik 2/2009

BORDLINE® M

Nachhaltigkeit und Energie

luste zu begrenzen. Durch das geeig-nete zeitliche Versetzen der Zündsig-nale für die Halbleiter des Dreipunkt-Hochsetzstellers (um 180° in Bezug auf die Schaltperiode), ist die äquiva-lente Schaltfrequenz für den gesamten Umrichter vom Netz aus gesehen höher als 6,5 kHz. Dank dieser Erhö-hung der Schaltfrequenz kann sowohl die Größe der Drossel (die etwa einem Viertel der Größe eines her-kömmlichen Zweipunkt-Hochsetzstel-lers entspricht) als auch die des EMI-Eingangsfilters, dessen Größe durch die erforderliche Minderung der Strom-oberschwingungen bestimmt wird, reduziert werden.

Durch eine aktive Kompensation können alle Probleme mit uner-wünschten Oberschwin-gungen gemindert werden.

PFC-UmrichterregelungZur Regelung der Leistungsfaktorkor-rektur kommen standardmäßige PI-Regler zum Einsatz 6 . Eine standard-mäßige Kaskadenregelung sorgt mit-hilfe eines „äußeren und langsameren“ Regelkreises für die gewünschte Rege-lung der DC-Zwischenkreisspannung und mithilfe eines „inneren und schnelleren“ Regelkreises für die Regelung des Stroms in der Hochsetz-drossel. Dadurch kann der erforder-liche hohe Leistungsfaktor auf der Netzseite realisiert werden. Die für die

ausgeführt und arbeitet im LLC-Reso-nanzmodus. Aufgrund der Resonanz-technologie ist die zweite Umrichter-stufe in der Lage, ein spannungsloses Schalten (ZVS) und ein quasi-strom-loses Schalten (ZCS) in allen Betriebs-zuständen zu gewährleisten und somit die Schaltverluste in den Halbleiterele-menten deutlich zu reduzieren. Die dritte Stufe umfasst einen Dreiphasen-Wechselrichter und ein DC/DC-Batte-rieladegerät, die mit dem sekundärsei-tigen Gleichspannungs-Zwischenkreis verbunden sind.

Dreipunkt-Hochsetzsteller mit PFCDer im hartschaltenden Modus arbei-tende Dreipunkt-Hochsetzsteller mit Leistungsfaktorkorrektur wird mit einer variablen Eingangsspannung (in diesem Fall zwischen 700 und 1.300 V effektiv) gespeist. Durch Modulation des Tastverhältnisses wird eine kons-tante Spannung an den Ausgangs-klemmen erzeugt. Darüber wird die zweite Resonanzstufe gespeist, wobei stets ein sinusförmiger Netzeingangs-strom gewährleistet wird, der mit der Netzspannung phasengleich ist. Der PFC-Dreipunkt-Hochsetzsteller besteht aus einem eingangsseitigen Dioden-brückengleichrichter und einem DC/DC-Dreipunktumrichter. Eine Drossel (Ls) speichert die Netzenergie für den Hochsetzvorgang, während ein EMI-Eingangsfilter (EMI = Electromagnetic Interference) benötigt wird, um die relevanten Standards im Hinblick auf die Netzrückwirkungen zu erfüllen.

Die Schaltfrequenz der IGBT wurde niedrig gewählt, um die Halbleiterver-

deutlich zu senken. Eine typische weiche Kommutierung (durch ZVS) ist in 2c dargestellt. Hierbei wird die Überlappung durch eine externe Schaltung praktisch beseitigt. Der Halbleiter beginnt erst zu leiten, wenn die Spannung über den Anschlüssen den Nulldurchgang erreicht hat. Ein-schaltverluste werden somit beseitigt.

Die Ausschaltkommutierung 3 ist ver-gleichbar. Bei der harten Abschaltung 3a entstehen die größten Verluste. Die gedämpfte Abschaltung 3b wird mit-hilfe einer Snubberschaltung mit Kon-densator erreicht, die parallel zum Element geschaltet wird und die Steil-heit der Spannung (dV/dt) reduziert. 3c schließlich zeigt die „weiche“ Aus-schaltkommutierung mit ZCS (Zero Current Switching).

Ein weicher Ein-/Ausschaltvorgang für ein IGBT-Element ist in 4 dargestellt.

Beschreibung der AC/DC/DC-TopologieDie in 5 dargestellte Architektur der BORDLINE M-Serie verbindet eine hohe Leistungsfähigkeit mit hoher Zuverlässigkeit und geringen Kosten. Hier wurden sowohl PWM- als auch Resonanztechnologien eingesetzt, um eine hohe Umwandlungseffizienz unter allen Betriebsbedingungen zu erzielen.

Die erste Umrichterstufe ist in Form eines direkten AC/DC-Hochsetzstellers ausgeführt, der im hartschaltenden PWM-Modus arbeitet. Die zweite iso-lierte DC/DC-Stufe hingegen ist als Dreipunkt-Halbbrückenkonfiguration

5 Elektrischer Aufbau des Umrichters

L1_IN L1L2L3N

L2_IN

Main control

SV+ / SV-

VBatt+

VB+

VB-

L1_IN / L2_IN

6

13 4

7

8

~

= =

=

=

=

PCB

2

5

=

=

=

=

Ethernet

BatteryTemp

BatteryV

START+UE_OKSV+SV-SV++SV--AC_OKDC_DEFU_DEFDC_OKVDC_OK

6 Blockschaltbild der Regelungsstrategie zur Leistungsfaktorkorrektur (PFC)

V_out_ref

[V_out]

K-

[I_L]

1

Impulse

P_out /V_out

Aktive Filterung

PLL

PI

PIModulator

+

+

+

+

×

×

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39ABB Technik 2/2009

BORDLINE® M

Nachhaltigkeit und Energie

chender Filterung der Oberschwin-gung der Schaltfrequenz kann auch der Strom in der Hochsetzdrossel ver-wendet werden) und zum sinusförmi-gen Referenzstrom, der theoretisch im Netz zirkulieren sollte, hinzuaddiert. Dieses modifizierte Referenzsignal wird dann mit dem tatsächlichen Hochsetzstrom verglichen und von einem PI-Regler verarbeitet. 8 zeigt einen Vergleich des kompensierten Netzstroms und der Netzspannung.

Isolierte Dreipunkt-HalbbrückeDie Resonanzumrichterstufe, in der die galvanische Trennung implemen-tiert ist 9 , besteht aus mehreren Elementen: einem DC/AC-Dreipunkt-umrichter (der mit der stabilisierten Zwischenkreis-Gleichspannung gespeist wird), einem Resonanzkreis mit drei passiven Elementen (realisiert durch externe Resonanzkondensato-ren und parasitäre Impedanzen des Transformators), einem galvanisch getrennten Transformator mit dem passenden Windungsverhältnis und einer ausgangsseitigen Diodenbrücke zur Gleichrichtung der Transformator-Ausgangsspannung.

tive Eingangsspannung und 2.000 V Sollspannung für den DC-Zwischen-kreis 7 . Das implementierte Rege-lungsschema weist ein recht gutes Verhalten bei allen Lastbedingungen im gesamten Eingangsspannungs-bereich auf. Gleiches gilt für leichte Lastbedingungen (Ausgangsleistung weniger als 20 % der Nennleistung) und bei hoher Eingangsspannung (über 1.200 V effektiv). Unter diesen Bedingungen weisen die Netzströme normalerweise einen hohen Ober-schwingungsgehalt auf, doch durch die Implementierung einer aktiven Kompensation können alle mit uner-wünschten Oberschwingungen ver-bundenen Probleme gemindert und die internationalen Standards für die elektromagnetische Belastung von Bahnstromnetzen erfüllt werden. Der Netzstrom wird erfasst (bei entspre-

innere Stromregelung erforderliche Netzspannungssynchronisation (PLL) ist unmittelbar hinter der eingangs-seitigen Diodenbrücke implementiert. Ein (sinusförmiges) Referenzsignal für das Tastverhältnis wird mit zwei drei-eckigen Trägern (deren Frequenzen gleich der gewünschten Schaltfre-quenz der Elemente sind) verglichen, sodass zwei zeitlich versetzte Zündsig-nale für die Elemente des Dreipunkt-Hochsetzsteller erzeugt werden kön-nen. Zwei zusätzliche Vorsteuerungen (eine für den Referenzstrom und eine für die Referenz-Netzfrequenz) ermög-lichen schnellere Reaktionen bei der Regelung zum Erreichen eines stati-schen Betriebszustands.

Es wurden Simulationen unter folgen-den Bedingungen durchgeführt: 50 kW Ausgangsleistung, 700 V effek-

9 Blockschaltplan der zweiten Umrichterstufe

~

~

7 PFC-Simulationsergebnisse bei Bemessungsausgangsleistung und -spannung

a Netzspannung und -strom b Hochsetzstellerstrom und sein Referenzwert

Zeit (ms)

Zeit (ms)

Y1 Y1

0 20 40 60 80 100 120

80

60

40

20

0

-20

-40

-60

-80

70

60

50

40

30

20

10

020 ms/Teilstrich

10 ms/Teilstrich Fahrleitungsspannung Strom

80 90 100 110 120 130 140 150 160

8 PFC-Simulationsergebnisse unter leichten Lastbedingungen (30 % Ausgangsleistung) und bei hoher Eingangsspannung (1.300 V effektiv)

30

20

10

0

-10

-20

-30

-40

2

1,5

1

0,5

0

-0,5

-1

-1,5

-2

Y1Y2

Zeit (ms) 20 ms/Teilstrich

100 120 140 160 180 200 220 240 260 280

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Nachhaltigkeit und Energie

12 Die neue BORDLINE® M-Serie

Der Resonanzkreis ist so ausgelegt, dass die Elemente des DC/AC-Drei-punktumrichters im ZVS-/Quasi-ZCS-Modus (beim Einschalten) und im nahezu ZCS-Modus (beim Ausschal-ten) betrieben werden. Der ZVS/ZCS-Einschaltmodus sorgt dafür, dass die Einschaltverluste der vier aktiven Ele-mente und die Sperrverzögerung der dazugehörigen Freilaufdioden gegen null reduziert werden. Außerdem ermöglicht die aus dem Resonanzkreis resultierende Stromform den Betrieb des Diodenbrückengleichrichters (am

Ausgang des Transformators) ohne Sperrverzögerungsenergie. Gleichzei-tig hat der fast sinusförmige Reso-nanzkreisstrom mit seinem geringen Oberschwingungsgehalt eine deutliche Reduzierung der Verluste in den passi-ven Komponenten zur Folge 11 . Zusammenfassend werden sämtliche Schaltverluste der zweiten Umrichter-stufe also im Grunde gegen null redu-ziert, wodurch die Gesamteffizienz des Umrichters deutlich erhöht wird.

ResonanzumrichterregelungDa die Eingangsspannung des Reso-nanzwandlers bereits durch die ein-gangsseitige PFC-Hochsetzstufe stabili-siert wird, ist das Regelungsverfahren für die Resonanzstufe recht einfach. Tatsächlich arbeitet der Umrichter (entkoppelt durch die Hochsetzstufe) unabhängig von der variierenden Netzeingangsspannung stets an einem einzigen Punkt. Dank der Funktion des Magnetisierungsstroms des Trans-formators ist das Verhalten des Umrichters lastunabhängig. Außerdem sind die Schaltfunktionen der in 9 dargestellten Elemente des DC/AC-Dreipunktumrichters aufgrund des versetzten Modulationsschemas um 180° verschoben. So entspricht die äquivalente Frequenz aus der Sicht der passiven Elemente des Resonanz-kreises dem Doppelten der Schaltfre-quenz des Halbleiterelements. Bei den Umrichtern der BORDLINE® M-Serie sind alle passiven Elemente des Reso-nanzkreises für eine Hauptfrequenz von 15 kHz ausgelegt, während die Halbleiterelemente mit der halben Frequenz (7,5 kHz) geschaltet wer-den 11 .

Einer der wichtigsten Aspekte im Zusammenhang mit Resonanzumrich-tern ist die Robustheit des Systems angesichts von Schwankungen in den Parametern der passiven Komponen-ten. Aus diesem Grund war eine Prü-fung erforderlich, um festzustellen, welche Auswirkungen solche Verände-rungen auf die Umrichterverluste haben und ob dennoch ein einwand-freies spannungsloses Schalten (ZVS) bzw. stromloses Schalten (ZCS) gewährleistet werden kann. 10 zeigt eine Darstellung der „mittleren Verlus-te des IGBT pro Periode“, die durch Simulationen mit Simetrix® ermittelt wurden. Das Diagramm zeigt, dass

10 Mittlere Verluste des Resonanzumrichter-IGBT pro Periode in Abhängigkeit von der Resonanzkreisfrequenz (aufgrund von Komponententoleranzen)

100

80

60

40

20

0

Frequenz (Hz)

11 12 13 14 15 16

32,38 31,9

30,7 32,2339,7

57,6

92,5

PVe

rlust (W

)

11 Resonanzkreisstrom bei Nennlast

150

100

50

0

-50

-100

-150

Zeit (ms)

A

10 µs/Teilstrich

4,91 4,92 4,93 4,94 4,95 4,96

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41ABB Technik 2/2009

BORDLINE® M

Nachhaltigkeit und Energie

seinem Verhalten weitgehend unemp-findlich gegenüber Schwankungen der Last oder der Systemparameter. Prob-lematisch wird die Situation erst, wenn die Resonanzkreisfrequenz unterhalb der Schaltfrequenz zu liegen kommt. In diesem Fall geht der ZCS-Betrieb verloren. Dadurch können die Verluste in den Schaltelementen auf ein mehrfaches des Auslegungspunkts ansteigen.

Experimentelle ErgebnisseDie bei Tests mit der neuen BORDLINE® M-Serie 12 erzielten expe-rimentellen Ergebnisse sind in 13 und

14 dargestellt. Dabei wurde insbeson-dere die Effizienz des Umrichters bei verschiedenen Betriebspunkten im gesamten Eingangsspannungsbereich von 700 V effektiv bis 1.300 V effektiv und bei verschiedenen Kühlkörper-temperaturen untersucht.

Antonio Coccia

Francisco Canales

ABB Corporate Research

Baden-Dättwil, Schweiz

[email protected]

[email protected]

Hans-Rudolf Riniker

Gerold Knapp

Beat Guggisberg

ABB Automation Products

Turgi, Schweiz

[email protected]

[email protected]

[email protected]

Literaturhinweise

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[3] Raju, G. and Doradla, S. (März 1995): „An LCL resonant converter with PWM control – analysis, simulation, and implementation“. IEEE Trans. on Power Electronics,

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[4] Nomura, Y. (Mai 2002): „Power supply device for electromotive railcar“. U.S. Patent No. 6,388,904 B2

[5] Rieux, O., Ladoux, P., Meynard, T. (1999): „Insulated DC to DC ZVS converter with wide input voltage range“. EPE Proceedings

Weiterführende Literatur

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Canales, F., Barbosa, P., Burdio, J., Lee, F. C. (2000): „A zero voltage switching three-level DC/DC converter“. IEEE Intelec Rec.: 512–517

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Gu, Y., Hang, L., Chen, U., et al. (2005): „A simple structure of LLC resonant DC-DC converter for multi-output applications“. 20th Annual Meeting of Applied Power

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Coccia, A., Canales, F., Barbosa, P., Ponnaluri, S. (2007): „Wide input voltage range compensation in DC/DC resonant architectures for on-board traction power

supplies“. EPE 2007, Aalborg, Dänemark

durch Festlegen der Resonanzfrequenz z. B. bei 15 kHz (wie in der vorliegen-den Anwendung) die mittleren Verlus-te pro Periode für jeden IGBT des DC/DC-Resonanzumrichters tief gehal-ten werden können, auch wenn die Schaltfrequenz um bis zu 20 % des Auslegungswerts variiert. Im realen Umrichter bleibt die Schaltfrequenz natürlich stabil, während sich die Resonanzkreisfrequenz aufgrund von Komponententoleranzen, Temperatur und Alterung auf unerwünschte Weise verändern kann. Dank der Wirkung der Magnetisierungsinduktivität des Transformators ist der Umrichter in

14 Effizienz des Resonanzumrichters bei unter-schiedlichen Kühlkörper-Betriebstemperaturen

99

98

97

Kühlkörpertemperatur (°C)

Eta

45 50 55 60 65 70 75 80

13 Verhalten der Resonanzstufe

Impuls IGBT2

Spannung IGBT1

Resonanzkreisstrom

Abgeschalteter Strom Abgeschalteter

Strom

Spannung IGBT2

Impuls IGBT1

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Immer eine Umdrehung besserDie neue Turboladergeneration A100 hilft, Motoremissionen zu reduzierenDirk Wunderwald, Tobias Gwehenberger

Auch wenn die Kraftstoffpreise aufgrund des weltweiten Konjunkturrückgangs gefallen sind, dürfte es sich dabei um einen vorübergehenden Trend handeln, der sich zweifelsohne wieder umkehren wird, sobald sich die Weltwirtschaft erholt. Natürlich hat ein solcher Rückgang der Nachfrage positive Auswirkun-gen auf die Verfügbarkeit von fossilen Brennstoffen und die Reduzierung von Emissionen, doch im Großen und Ganzen ist langfristig mit einer stetigen Zunahme des Kraftstoffverbrauchs und der Emissionen zu rechnen.

Die neuen ABB-Turbolader vom Typ A100 wurden entwickelt, um zukünftigen Anforderungen im Hinblick auf höhere Verdichter-Druckverhältnisse und gerin-gere Motoremissionen gerecht zu werden. Die neue Turboladerfamilie ermög-licht höhere Motorleistungen bei geringerem Kraftstoffbedarf und hilft somit, den Schadstoffausstoß zu reduzieren.

42 ABB Technik 2/2009

Nachhaltigkeit und Energie

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43ABB Technik 2/2009

Immer eine Umdrehung besser

Nachhaltigkeit und Energie

punkt der Motorenentwicklung für die jeweiligen Verdichter-Druckverhältnisse und den Volumenstrom, haben sich die technischen Anforderungen an die thermodynamische und mechanische Leistungsfähigkeit von Turboladern im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt. Allgemein ist bei schnelllaufenden Die-sel- und Gasmotoren ein zunehmender Trend zu höheren mittleren effektiven Drücken und höheren Verdichter-Druckverhältnissen zu verzeichnen 2 . Außerdem sind bei Gasmotoren auf-grund der höheren steuerungsbeding-ten Systemverluste und der unter-schiedlichen Kraftstoffaufbereitung normalerweise höhere Druckverhältnis-se erforderlich als bei Dieselmotoren. Volllast-Druckverhältnisse von bis zu 5,8 bei Dauerbetrieb mit Verdichter-rädern aus Aluminium und hohe Wir-kungsgrade setzen neue Maßstäbe in puncto Leistungsdichte für die Konst-ruktion von Turboladern und erweitern die bekannten Grenzen der einstufigen Turboaufladung um ein beträchtliches Maß.

Vom TPS zum A100-M/HZehn Jahre nach Einführung der ABB-Turbolader vom Typ TPS arbeiten über 25.000 Einheiten zuverlässig in kleinen mittelschnelllaufenden Dieselmotoren und großen schnelllaufenden Diesel- und Gasmotoren im Leistungsbereich von 550 bis 3.300 kW. Während diese Turbolader weiterhin bevorzugt für Motoren mit modernen Leistungsanfor-derungen eingesetzt werden, verlangt der Markt nach Motoren mit immer höheren Leistungen und Wirkungsgra-den bei geringeren Emissionen. Hierfür sind wiederum neue Konzepte im Motorenbau und eine neue Generation von Turboladern erforderlich. Für die-

Ansaugdruck, der dem auf Meereshöhe entspricht.

Um eine höhere Motorleistung erzielen zu können, sind zur Steigerung der effektiven Drücke (d. h. die Fähigkeit des Motors, Arbeit zu verrichten) höhe-re Druckverhältnisse im Turbolader erforderlich. Die Erhöhung der Druck-verhältnisse des Turboladers muss jedoch mit einer Optimierung der Verbrennungstechnologie einhergehen. Bei der Entwicklung moderner Turbo-ladersysteme müssen daher neue motorinterne Messungen und Abgas-nachbehandlungssysteme berücksich-tigt werden. Kurzum, ein energieeffizi-enter Motor erfordert auch ein hoch-effizientes Turboladersystem.

Leistung – ein entscheidender FaktorIn den letzten zehn Jahren ist es den Motorenbauern gelungen, eine erheb-liche Steigerung der durchschnittlichen Motorleistung zu erzielen. Im Bereich der schnelllaufenden Motoren lag die Steigerung bei etwa 50 %, während der spezifische Kraftstoffverbrauch um etwa 10 % und die Emissionen um bis zu 80 % gesenkt wurden 1 . Betrachtet man die Verdichterleistung zum Zeit-

Der Wettlauf um die knappen Energieressourcen, unvorherseh-

bare Kraftstoffkosten und strengere Emissionsvorschriften haben einen bedeutenden Einfluss auf die Entwick-lung von Diesel- und Gasmotoren Infobox 1 . Die Auswirkungen dieser Faktoren und der fortwährende Trend zu höheren Leistungsdichten (d. h. Leistung pro Volumen) bei Motoren und höheren Motorleistungen wirken sich auch auf die Turboladertechnik Infobox 2 aus.

Ein Turbolader ist ein Verdichter, der durch die Abgase eines Motors ange-trieben wird. Er drückt Luft in den Einlasskrümmer des Motors und erhöht so den Sauerstoffanteil im Kraftstoff-Luft-Gemisch. Das Ergebnis ist eine effizientere Verbrennung und eine höhere Leistung.

Hohe Verdichter-Druckverhältnisse1) dienen heutzutage nicht nur zur Steige-rung der Motorleistung, dem ursprüng-lichen Hauptziel von Turboladern, son-dern auch zur deutlichen Reduzierung von Emissionen. Sie sind erforderlich, um z. B. den Wirkungsgrad des Miller/Atkinson-Prozesses2) zu erhöhen, der die Grundlage für nahezu alle moder-nen Diesel- und Gasmotoren bildet. Bei Dieselmotoren können durch den Einsatz eines Turboladers die NO

X-

Emissionen reduziert werden, wohin-gegen in Gasmotoren die Klopfneigung verringert3) wird. Die vom Turbolader erzeugten höheren Druckverhältnisse werden auch in Motoren benötigt, die in großen Höhen betrieben werden. Sie kompensieren den verminderten Luftdruck und sorgen für einen

Neue internationale Bestimmungen, z. B. im Bereich der Schifffahrt und der Energie-erzeugung, setzen strenge Grenzwerte für den Ausstoß von Stickoxiden (NOX) und Schwefeloxiden (SOX) bei Diesel- und Gas-motoren und sehen eine weitere Reduzie-rung der CO2- und Feinstaubemissionen (Rußpartikel) vor. Mögliche Lösungen sind höhere Ladedrücke, höhere Wirkungsgra-de, die Optimierung des Kraftstoff-Luft-Gemischs sowie eine verbesserte Zylinder-füllung bei geringer Last. All diese Kriterien werden von den neuen ABB-Turbolader-generationen unterstützt.

Infobox 1 Umweltauswirkungen von Motorabgasen

Um die steigenden Leistungs- und Emissi-onsanforderungen eines zunehmend umweltorientierten Schifffahrtssektors zu er füllen, bringt ABB den A175-L, den größ-ten und leistungsstärksten Turbolader der neuen A100-Baureihe, auf den Markt. Der A175-L ist der erste der nächsten Genera-tion von A100-Turboladern, der speziell für langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren und Verdichter-Druckverhältnisse von bis zu 4,7 bei höchsten Turbolader-Wirkungs-graden entwickelt wurde.

Das A100-L-Programm ist speziell auf die fortschrittlichen Zweitakt-Motorgeneratio-nen ausgerichtet, die zurzeit in der Planung bzw. Entwicklung sind. Derzeit beliefert ABB den Zweitaktmarkt mit Turboladern vom Typ TPL..-B, mit denen bereits 2.600 Motoren mit einer Gesamtleistung von mehr als 60 Millionen Kilowatt ausgerüstet wur-den. ABB wird die Turbolader vom Typ TPL..-B auch weiterhin für Zweitaktmotoren anbieten, die Verdichter-Druckverhältnisse von bis zu 4,2 benötigen.

Infobox 2 A100-L – der neue Maßstab für die einstufige Zweitaktaufladung

Fußnoten1) Das Verdichter-Druckverhältnis beschreibt den Unter-

schied im Luftdruck am Eintritt und am Austritt des Verdichters. Der Wert ist immer größer als 1,0. Wenn der Druck am Verdichtereintritt einen Wert P2 und am Austritt einen Wert P3 aufweist, gilt P3/P2 = Ver-dichter-Druckverhältnis.

2) Verfahren zur Ventilsteuerung bei Viertakt-Verbren-nungsmotoren zur Erhöhung des Wirkungsgrads.

3) Das Klopfen (auch Klingeln genannt) tritt auf, wenn sich Teile des Kraftstoff-Luft-Gemischs außerhalb des normalen Verbrennungsvorgangs, der durch die Zündkerze initiiert wird, selbst entzünden oder unkon-trolliert verbrennen. Diese Störung im Zündablauf erzeugt Druckwellen, die auf die Wände des Brenn-raums treffen und das charakteristische metallische Geräusch verursachen.

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44 ABB Technik 2/2009

Immer eine Umdrehung besser

Nachhaltigkeit und Energie

reihe A100-M für kleine mittelschnell-laufende Motoren auch mit Schweröl oder Stoßaufladungssystemen4) betrie-ben werden. Da die Abgastemperatu-ren dieser Motoren normalerweise niedriger sind als bei schnelllaufenden Motoren, können die Lagergehäuse der A100-M-Turbolader mit oder ohne Wasserkühlung ausgerüstet werden.

Verdichterräder aus AluminiumBei den Radialturboladern vom Typ A100 kommt ein von ABB entwickeltes Kühlsystem zum Einsatz, das trotz der hohen Druckverhältnisse, mit denen die Lader jetzt arbeiten müssen, den dauerhaften Einsatz von Verdichter-rädern aus Aluminium ermöglicht. So kann auf teure Titanbauteile verzichtet werden, während die hohe Betriebs-

Entwicklung von größeren oder kleine-ren Baugrößen des Typs A100-H hängt von der zukünftigen Nachfrage am Markt ab.

KonstruktionsprinzipDie Radialturbolader vom Typ A100 sind modular aufgebaut und verfügen über eine minimierte Anzahl von Bauteilen, die auf die spezifischen Anforderungen jeder Diesel- und Gasmotoranwendung zugeschnitten sind. Zudem stehen verschiedene Gehäuse materi alien für unterschied-liche Turbinen-Eintrittstemperaturen zur Verfügung.

Dank einer Reihe spezieller Konstruk-tions- und Konfigurationsmerkmale können die Radialturbolader der Bau-

se hochentwickelten Motoren hat ABB die Hochdruck-Lader der Baureihe A100-M/H entwickelt – den Typ A100-H für schnelllaufende Motoren und die Radialturbolader vom Typ A100-M für kleine mittelschnelllaufen-de Motoren 3 .

Die Baugrößen des A100-M/H haben die gleichen äußeren Abmessungen wie die bewährten Turbolader vom Typ TPS. Die Öleinlass- und Ölauslass-kanäle sind wie bei den TPS-Turbo-ladern im Sockel integriert. Dadurch ist gewährleistet, dass bei der Weiter-entwicklung von aktuellen Motorplatt-formen mit TPS-Turbolader die Moto-ren ohne große Veränderungen an der Befestigung auch mit A100-Radialturbo-ladern ausgerüstet werden können. Die

3 A140-Turbolader der neuen Generation

2 Entwicklungen bei der Turboaufladung moderner schnelllaufender Motoren

Verd

icht

er-D

ruck

verh

ältn

is

π C (-

)

6

5

4

3

Mittlerer effektiver Druck (bar)

Viertakt-

Dieselmotoren

Zukünftige zweistufige Turboladeranwendungen

15 20 25

Heutige Dieselmotoren

Heutige Gasmotoren

Dieselmotoren der nächsten Generation

Gasmotoren der nächsten Generation

1 Steigende Anforderungen an die Leistungsfähigkeit von Turboladern

Niv

eau

(%)

200

150

100

50

Jahr

RR ..1

TPS ..-D/E

TPS ..-F

A100-H

2000 2004 2008 2012

Motorleistung

Motor BSFC

Genutzte Turboladerleistung

Motoremissionen

BSFC = Brake Specific Fuel consumption (spezifischer Kraftstoffverbrauch)

4 Druckverhältnis und Volumenstrom bei Turboladern vom Typ A100 bei Volllast (bei bestimmten Spezifikationen lassen sich sogar noch höhere Werte erzielen)

5,5

5,0

Volumenstrom (m3/s)

TPS

44-

F

A 1

30

TPS

48-

F

A 1

35

TPS

52-

F

A14

0

TPS

57-

F

A14

5

TPS

61-

F

Verd

icht

er-D

ruck

verh

ältn

is

π C (-

)

1,0 2,0 3,0 4,0 5,0

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45ABB Technik 2/2009

Immer eine Umdrehung besser

Nachhaltigkeit und Energie

Neue TurbinenstufenZusätzlich zur vorhandenen Mixed-Flow-Turbinenstufe der TPS-Baureihe wurde eine neue Generation von Mixed-Flow-Turbinen für die Turbo-lader vom Typ A100 entwickelt. Ein besonderes Merkmal dieser neuen Tur-binenfamilie ist der größere Betriebs-bereich. Damit kann das Potenzial des hohen Druckverhältnisses der neuen Verdichterstufe über einen noch breite-ren Anwendungsbereich genutzt wer-den. Das Turbinendesign wurde für

Darüber hinaus besitzen die Turbo-lader vom Typ A100 eine Vorrichtung zur Zentrierung der Turbine innerhalb des Gehäuses, die einen sicheren und effizienten Betrieb des Turboladers gewährleistet und bereits erfolgreich bei den ABB-Turboladern vom Typ TPS..-F eingesetzt wurde.

Thermodynamische LeistungsfähigkeitABB hat für die neuen A100-M/H-Turbolader drei komplett neue Ver-dichterstufen mit unterschiedlicher Beschaufelung entwickelt, die erheb-lich höhere Druckverhältnisse bei gleichem Verdichter-Volumenstrom wie die heutigen TPS..-F-Turbolader ermöglichen 4 .

Der A100-Turbolader ist mit einem einteiligen Verdichterrad aus Alumini-um ausgestattet. Neben einer inno-vativen Kühlung wurden neue Hoch-druck- Diffusoren5) und Verdichter-schaufeln entwickelt, um die Druck-verhältnisse von rund 5,8 bei Volllast auch mit Aluminium-Schaufelrädern erreichen zu können. Um eine opti-male Anpassung an jede Anwendung zu ermöglichen, steht für jede Turbo-lader-Bau größe eine Reihe von Ver-dichterstufen zur Verfügung. Das Ver-dichterkennfeld in 5 , das auf Messun-gen mit dem kürzlich eingeführten Typ A140 basiert, zeigt den hohen Wirkungsgrad, die ausgezeichnete Kennfeldbreite und die mehr als aus-reichende Überdreh zahl toleranz. Bei einer typischen Betriebs linie wurde bei einem Volllast-Druckverhältnis von 5,8 ein Verdichter- Wirkungsgrad von 80 % erreicht.

zuverlässigkeit und die langen Aus-tauschintervalle, die von ABB-Turbo-ladern mittlerweile erwartet werden, erhalten bleiben.

Bei einem umfangreichen Testpro-gramm hat sich die Kühlung mit Ver-dichterluft als die für Motorenbauer am effizientesten und kostengünstigs-ten zu realisierende Lösung heraus-gestellt. Das Konzept hat sich in der Praxis bereits bewährt und wird seit mehreren Jahren als Option für die größeren ABB-Turbolader vom Typ TPL..-C angeboten.

Containment-PrüfungDie Gehäuse der A100-Turbolader sind entsprechend den wesentlich höheren mechanischen Anforderungen ausge-legt, die an sie gestellt werden. Bei ihrer Entwicklung arbeitete ABB eng mit Motorenbauern zusammen, um eine optimale Befestigung der Turbo-lader an der Motorkonsole zu gewähr-leisten und die kompakten Abmessun-gen der früheren TPS-Lader zu erhal-ten. Die Sicherheitsspezifikationen für das Turboladergehäuse, ein wichtiger Aspekt im Hinblick auf die erheblich gestiegene Leistungsdichte, wurden sowohl numerisch als auch experimen-tell durch Containment-Prüfungen bestätigt.

Neben den höheren Gehäusespezifika-tionen war eine stärkere Welle erfor-derlich, um die größere Kraftübertra-gung zu bewältigen. Die Änderung der Wellenspezifikation machte eine stär-kere Lagereinheit erforderlich, die auf der früheren TPS-Lagertechnik aufbaut.

Fußnoten4) Bei der Stoßaufladung wird der Eintritt der Turbine

über schmale Röhren mit bestimmten Zylindern des Motors gekoppelt, sodass die Turbine einem synchron zum Öffnen und Schließen der Ventile pulsierenden Strömungsfeld ausgesetzt ist.

5) Der Diffusor befindet sich hinter dem Verdichterrad und wandelt die Bewegungsenergie in statischen Druck um.

5 Verdichterkennfeld (A140-H)

Verd

icht

er-D

ruck

verh

ältn

is π

C (-

)

6,5

6,0

5,5

5,0

4,5

4,0

3,5

3,0

2,5

2,0

1,5

Volumenstrom

Verdichter-Wirkungsgrad ηC

Betriebslinie

πC = 5,8 (100 % Last)

ηC

0,80

0,78

0,74

0,70

0,65

6 Vergleich der Turbinen-Wirkungsgrade von A140-H und TPS57-F

Turb

inen

-Wirk

ungs

grad

(5 %

/Tei

lstr

ich)

Turbinen-Expansionsverhältnis πT (-)

1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5

A 140-H TPS 57-F

7 Wirkungsgrad des A140-H mit volllastoptimierter Spezifikation

Turb

olad

er-W

irkun

gsgr

ad η

TC (%

)

Verdichter-Druckverhältnis πC (-)

1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5

65

60

55

50

45 A 140-H TPS 57-F

Volllastspezifikation

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46 ABB Technik 2/2009

Immer eine Umdrehung besser

Nachhaltigkeit und Energie

Einführungsprogramm und erste ErgebnisseMitte 2007 wurden die ersten Proto-typen des A140 erfolgreich auf ABB-Prüfständen in Betrieb genommen. Das strenge Prüfprogramm wurde für die erste Baugröße der neuen Turbo-lader-Baureihe erfolgreich abgeschlos-sen und die Turbolader für die Serien-fertigung freigegeben Infobox 3 . Zurzeit ist ABB dabei, weitere Baugrößen der A100-M/H-Turbolader auf dem Markt einzuführen.

Im Vorfeld der Einführung der A100-Baureihe wurden zum Nachweis der thermodynamischen Leistungsfähigkeit Testläufe auf dem Motorenprüfstand durchgeführt. Die hohen Druckver-hältnisse und Wirkungsgrade, die mit der A100-Baureihe erzielt werden können, zeigen deutlich, dass diese Turbolader in der Lage sind, die zu erwartenden hohen Leistungsdichten zukünftiger Motorenanwendungen zu bewältigen. Hunderte von Stunden im Dauerbetrieb auf dem Prüfstand bestä-tigen ebenfalls das hohe Leistungs-niveau der A100-Baureihe. Diese neue Turboladergeneration wird zurzeit in ausgewählten Installationen vor Ort erprobt, und erfolgreiche Motorentests weiterer Baugrößen laufen bereits.

Dirk Wunderwald

Tobias Gwehenberger

ABB Turbo Systems

Baden, Schweiz

[email protected]

[email protected]

bei höheren Drehzahlen als die TPS-Turbolader vorgesehen. An den Radi-allagern der A100-Baureihe wurden umfangreiche Messungen der Wellen-bewegungen bei bis zu 120 % der Überdrehzahl durchgeführt, um eine optimale Rotordynamik der neuen Bauteile bei Drehzahlen oberhalb des Drehzahlbereichs der aktuellen TPS-Baureihe sicherzustellen. Die Kombination aus den neuen Radial-lagern und den neuen Verdichter- und Turbinenstufen zeigte hervorra-gende Stabilitätseigenschaften bei den erforderlichen hohen Betriebs-drehzahlen.

Wartung und ServiceDie Wartungsintervalle für die A100-Turbolader gleichen denen der TPS-Familie. Trotz höherer Anforderungen an die thermodynamische und mecha-nische Leistungsfähigkeit wird die For-derung an eine hohe Zuverlässigkeit und einen wartungsarmen Betrieb erfüllt. Ein weltweites Netzwerk von 100 ABB-Servicestationen bietet die notwendige Servicekompetenz und logistische Unterstützung zur Erfüllung der Kundenbedürfnisse. Kunden mit hochentwickelten Diesel- und Gas-motoren mit A100-Turboladern kön-nen sich bei Betrieb und Wartung dieser neuen Generation von Turbo-ladern auf die gewohnte hohe Qualität von ABB verlassen.

jeden einzelnen Volumenstrombereich optimiert, wodurch die Turbine im Betrieb höhere Wirkungsgrade erzielt als die aktuellen TPS-Turbinenstufen. Durch den Einsatz flexibler Dichtun-gen konnten zudem die Strömungs-verluste weiter gesenkt werden. Das Ergebnis ist eine erhebliche Verbesse-rung der Ladeleistung bei höheren Ladedrücken 6 .

Ein Quantensprung in der EntwicklungDurch ein breites Angebot an verfüg-baren Verdichter- und Turbinenspezi-fikationen eignet sich die Turbolader-baureihe A100 von ABB besonders für den Einsatz in der Schifffahrt, Indust-rie, Energieerzeugung und im Eisen-bahnsektor. Ein Vergleich der Turbo-laderfamilien A100 und TPS verdeut-licht das hervorragende thermodyna-mische Potenzial der neuen Turbo-ladergeneration bei einer volllastopti-mierten Turboladerspezifikation 7 . Der Vergleich mit dem Turbolader-Wirkungsgrad des Typs TPS zeigt deutlich den Leistungszuwachs, der durch den Einsatz von A100-Turbola-dern bei genau dem Verdichter-Druck-verhältnis erzielt wird, das von neuen Motorendesigns gefordert wird. Die neue Turbolader generation vom Typ A100 stellt einen Quantensprung in der Entwicklung von Turboladern für die einstufige Aufladung von moder-nen mittelschnell- und schnelllaufen-den Motoren dar.

QualifikationsprogrammWie alle neu entwickelten Turbolader musste auch die ABB-Turboladerfamilie A100 ein obligatorisches Qualifi-kationsprogramm an Brenn-kammerprüfständen durch-laufen, um den zuverlässi-gen Betrieb in zukünftigen Motorenanwendungen sicherzustellen. Die umfas-senden Testreihen reichten von thermodynamischen Prüfungen an neuen Ver-dichter- und Turbinenstufen bis zur mechanischen Prü-fung aller neu entwickelten Bauteile.

Die neuen A100-Turbolader sind für den Dauerbetrieb in Hochdruck-Anwendungen

In Luttelgeest (Niederlande) wurden die Generatoren in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage zur Beheizung großer Gewächshäuser mit Turboladern vom Typ A140-H ausgestattet. Das von den Genera-toren erzeugte CO2 wird zur Verbesserung des Pflanzenwachstums eingesetzt.

Infobox 3 Der A140-H-Turbolader

Generatoren mit Turboladern vom Typ A140-H versorgen große Gewächshäuser in den Niederlanden mit Strom und Wärme.

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Roboter haben einen bedeutenden Einfluss auf die Produktivität und Sicher-heit in der Fertigungsindustrie. Sie werden in erster Linie zur Materialhand-habung, d. h. für den sicheren Transport von Produkten innerhalb der Fabrik, eingesetzt, sind aber auch in der Lage, monotone Arbeiten zuverlässig und unermüdlich auszuführen, wodurch sie besonders in Gefahrenbereichen zur Arbeitssicherheit beitragen.

Als einer der führenden Hersteller von Industrierobotern wirbt ABB nicht nur bei ihren Kunden für den Einsatz von Robotern in der Fertigung, sondern setzt sie zur Steigerung der Effizienz auch an eigenen Produktionslinien ein.

Die Herstellung effizienter Produkte mithilfe hocheffizienter Produktionsver-fahren ist ein bedeutender Aspekt für ABB. So konnte das ABB-Werk für Niederspannungsmotoren im schwedischen Västerås durch den Einsatz von ABB-Robotern nicht nur seine Produktion optimieren, sondern hat vor Kurzem auch eine neue Generation von hocheffizienten Motoren entwickelt und auf den Markt gebracht.

Mit gutem Beispiel voranABB nutzt ihre eigenen Roboter für die Fertigung von ProduktenÅsa Rylander, David Marshall

47ABB Technik 2/2009

Nachhaltigkeit und Energie

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48 ABB Technik 2/2009

Mit gutem Beispiel voran

Nachhaltigkeit und Energie

pressoren, Lüfter, Krane, Papiermaschi-nen und viele andere Maschinen anzu-treiben. Da etwa 65 % der erzeugten elektrischen Energie von Elektromoto-ren in industriellen Anwendungen ver-braucht werden, haben schon relativ kleine Verbesserungen im Wirkungs-grad der Motoren große Auswirkungen auf den Energieverbrauch und damit auf die CO

2-Emissionen. Der Wirkungs-

grad ist ein Maß dafür, wie gut ein Motor elektrische Energie in nutzbare Arbeit umwandeln kann.

Auch wenn der ABB-Produktkatalog für verschiedene Motoren einen Wirkungs-grad von 95 % ausweist, bedeutet dies,

oder mit Kranen erfolgte, größtenteils von Robotern übernommen 3 , was die Unfallgefahr für menschliche Arbeiter an der Produktionslinie deutlich redu-ziert. Das Werk in Västerås ist heute eine der modernsten Fertigungsstätten für Elektromotoren von ABB.

Natürlich ist die Automatisierung nicht der einzige wichtige Faktor, der bei der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit eines Werkes für Niederspannungsmo-toren eine Rolle spielt. Auch die Pro-dukte müssen weiterhin innovativ und wettbewerbsfähig bleiben. Motoren werden in nahezu allen Industriezwei-gen eingesetzt, um z. B. Pumpen, Kom-

Seit 1947 produziert ABB Nieder-spannungsmotoren im schwedi-

schen Västerås. In einem der Flure im Werk hängen große Schwarzweißfotos, auf denen Dutzende von fleißigen Männern und Frauen zu sehen sind, die Motoren von Hand montieren. Dies war vor 50 Jahren. Heute sorgen 19 Roboter dafür, dass das Werk trotz des zuneh-menden Drucks durch Mitbewerber in Niedriglohnländern wettbewerbsfähig bleibt. Das Werk in Västerås beschäftigt 210 Mitarbeiter und produziert 100.000 Niederspannungsmotoren im Jahr. Um die Wettbewerbsfähigkeit des Werks zu sichern, entschied man sich für eine Doppelstrategie, die die Entwicklung neuer Generationen innovativer, hoch-effizienter Motoren einerseits und die effiziente Herstellung der Produkte andererseits vorsieht.

Durch die Automatisierung des Produk-tionsprozesses konnte der Personalbe-darf im Werk reduziert werden, was wiederum eine Senkung der Produkti-onskosten und der durch Nachfrage-schwankungen verursachten Kosten zur Folge hatte. Dank der langjährigen Erfahrung des Unternehmens auf dem Gebiet der Automatisierungstechnik ist ABB für die Automatisierung von Produktionsprozessen bestens gerüstet. Durch den Einsatz von ABB-Robotern bei der Herstellung von Motoren mit einem Gewicht zwischen 30 und 500 kg konnten die Zykluszeiten der Produktion deutlich verkürzt werden. So beträgt die Zykluszeit für die Montage von kleinen Motoren nur noch 80 Sekunden. Die Verkürzung der Zykluszeiten und die Reduzierung des Personalbedarfs tragen zum Erfolg des Motorenwerks in Västerås bei. So konnte durch den Einsatz von sechs Robotern an der Fertigungslinie der Personalbedarf um 30 % gesenkt werden.

Der erste ABB-Roboter, ein IRB 6, wurde 1974 in der Gießerei des Werks installiert. Seitdem ist eine ganze Reihe verschiedener Roboter hinzugekom-men1). Diese werden zum größten Teil für den Materialtransport, aber auch zur Automatisierung der meisten Produkti-onsprozesse wie Schweißen, Gießen, Pressen, Wickeln, Montieren und Verpacken eingesetzt 1 , 2 . Seit ihrer In betriebnahme wird das Heben schwerer Lasten, das früher per Hand

1 Ein IRB 7600 beim Wickeln von Spulen

2 Ein IRB 6400 hilft beim Verpacken der Motoren.

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49ABB Technik 2/2009

Mit gutem Beispiel voran

Nachhaltigkeit und Energie

dass noch immer 5 % der elektrischen Energie in Form von Wärme verloren gehen. Dies hat ABB dazu veranlasst, eine neue Motorengeneration zu entwi-ckeln. Beim neuen Motorentyp M3BP konnten die Verluste im Vergleich zu älteren Motorentypen um etwa 5 % reduziert werden 4 .

Wenn die Stückszahl der in Västerås gefertigten Motoren der neuen Genera-tion die der älteren übersteigt, würde dies einer jährlichen Reduktion des CO

2-Ausstoßes in der Größenordnung

von 90.000 Autos entsprechen.

Das neue Produktportfolio umfasst mit dem Motortyp M4BP außerdem eine Premium-Reihe, die sich im Vergleich zu den Motoren vom Typ M3BP durch 10 % niedrigere Energieverluste aus-zeichnet. Werden diese Motoren in der Industrie verbreitet eingesetzt, können weitere CO

2-Einsparungen erwartet

werden. Trotz der wirtschaftlichen Auswirkungen, die die CO

2-Emissionen

zweifelsohne auf die Industrie haben, liegt der größte Anreiz für den Einsatz dieser neuen Motorengeneration jedoch in der Reduzierung der Energiekosten.

Åsa Rylander

ABB Automation Products

Västerås, Schweden

[email protected]

David Marshall

ABB Robotics

Milton Keynes, GB

[email protected]

Fußnote1) Im ABB-Werk in Västerås wurden drei ABB-Roboter

vom Typ IRB 4400, 10 vom Typ IRB 6400, drei vom

Typ IRB 7600, ein IRB 6000, ein IRB 60 und im Jahr

2008 ein IRB 6600 installiert.

3 Heben schwerer Lasten mithilfe eines IRB 6600

4 Motoren von Typ M3BP

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Erneuerbare Energien, Kernkraft, saubere Kohle – dies sind nur einige der vielen Schlagwörter in der Diskussion um die Zukunft der Energieversorgung. Bei den globalen Bemühungen um den Aus-gleich von Angebot und Nachfrage sind sie jedoch nur ein Teil der Gleichung. Während zur Steigerung des Angebots unweigerlich mehr Ressourcen benötigt werden, führt eine Senkung der Nach frage zu einer Reduzierung des Ressourcenbedarfs. Seit Jahrzehnten ver-suchen Umweltorganisationen, den Energieverbrauch einzuschrän-ken. Früher war dies gleichbedeutend mit einer Senkung des Lebens standards nach dem Motto „von allem ein bisschen weniger“.

Ein weitaus überzeugenderer Gedanke ist es, das gleiche mit weniger zu erreichen, d. h. durch geeignete Technologien die Effi-zienz zu steigern. Ein bekanntes Beispiel ist der Austausch von Glühlampen gegen Energiesparlampen oder LEDs. In der Industrie stehen heute ebenfalls hocheffiziente Systeme zur Verfügung, während durch bessere Isolierung von Produktionsstätten und die Nutzung von Abwärme usw. zusätzlich Energie gespart werden kann.

Dieser Artikel geht noch einen Schritt weiter und zeigt, wie die Energieeffizienz durch die optimale Nutzung vorhandener Betriebs-mittel gesteigert werden kann. Da die meisten Industrieanlagen von einem Automatisierungssystem gesteuert werden, lässt sich durch den Einsatz verbesserter Regelungssoftware mit fortschrittlichen mathematischen Optimierungsverfahren und durch optimierte Prozesse eine Steigerung der Energieeffizienz erreichen.

Jedes Bisschen zähltSteigerung der Energieeffizienz durch verbesserte Regelungssoftware und optimierte ProzesseChristopher Ganz, Alf Isaksson, Alexander Horch

50 ABB Technik 2/2009

Nachhaltigkeit und Energie

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51ABB Technik 2/2009

Jedes Bisschen zählt

Nachhaltigkeit und Energie

jeden einzelnen Regelkreis relativ klein ausfallen, ergeben sich in der Masse (größere Prozessanlagen haben Hun-derte oder gar Tausende Regelkreise) erhebliche Einsparungen.Es gibt aber auch fortschrittliche Rege-lungs- oder Optimierungslösungen, die direkt auf den Energieverbrauch abzie-len. Im Folgenden sollen einige erfolg-reiche Beispiele vorgestellt werden, bei denen erhebliche Energieeinsparungen erzielt werden konnten.

StromerzeugungEin guter Ausgangspunkt für Energie-einsparungen ist natürlich der Ursprung der Energie, d. h. der Ort der Energie-erzeugung.

Kraft-Wärme-KopplungIn Point Comfort (Texas, USA) betreibt das Unternehmen Alcoa Inc eine große Raffinerie, in der aus Bauxit Alumini-umoxid gewonnen wird 1 . Hierbei handelt es sich um einen sehr energie-intensiven Prozess, weshalb das Werk ein eigenes Kraftwerk mit mehreren Kesseln, Turbinen und Dampfsamm-lern besitzt. Der größte Teil der benö-tigten Energie wird direkt vor Ort erzeugt, während die restliche Elektri-zität aus dem örtlichen Stromnetz bezogen wird.

Angesichts schwankender Strom- und Brennstoffpreise (in diesem Fall Erd-gas) besteht die erste Herausforderung darin, den optimalen Mix aus selbst erzeugter und hinzugekaufter Energie

malen Energieverbrauch als eine der Zielfunktionen bzw. Randbedingungen beinhalten.Produktions- und Betriebsplanung: Die richtige Planung und ein optimierter Anlagenbetrieb können dabei helfen, unnötigen Zeit- und Materialaufwand zu verhindern, sodass mit der gleichen Energiemenge mehr erreicht werden kann.Überwachung: Um erkennen zu können, ob eine Anlage mit optimaler Effizienz arbeitet, ist eine genaue Überwachung erforderlich. So kann jedes anormale Verhalten identifiziert werden, das zu einem erhöhten Energieverbrauch füh-ren kann.

Geringerer Energiebedarf durch bessere RegelungViele Menschen würden eine verbes-serte Regelung nicht unmittelbar mit Energieeinsparungen, sondern eher mit einer höheren Produktqualität, einer höheren Produktionsleistung oder einem geringeren Chemikalienzusatz in Verbindung bringen. Doch wie auch immer das Ziel der Regelaufgabe lau-tet, ein positiver Nebeneffekt ist fast immer eine Senkung des Energiever-brauchs bzw. eine Erhöhung der Pro-duktionsmenge bei gleichem Energie-aufwand.

Allein durch die Neueinstellung der PID-Regelkreise auf der untersten Ebene lässt sich bereits eine deutliche Senkung des Energieverbrauchs erzie-len. Auch wenn die Einsparungen für

Was es bedeutet, eine Anlage mit optimierter Software und opti-

mierten Prozessen zu betreiben, zeigt der Vergleich mit einem Auto. Warum hat ein Auto, das von zwei verschiede-nen Personen unter den gleichen Bedingungen gefahren wird, nicht jeweils den gleichen Verbrauch? Weil jeder Fahrer einen anderen Fahrstil hat. In einer Industrieanlage wird der Energieverbrauch von der Betriebs-strategie bestimmt.

Die Strategien für einen energieeffizi-enten Anlagenbetrieb sind denen für sparsames Autofahren recht ähnlich:Motor an roten Ampeln abstellen – Produkte gemäß den Spezifikationen herstellen und die Anlage nur mit voller Auslastung betreiben.Früh schalten – Offen sein für Verän-derungen.Auf den richtigen Reifendruck achten – Eine optimale Wartung der Anlage sicherstellen.Vor roten Ampeln nicht beschleunigen – Die Anlage vorausschauend und gemäß den Wartungs- und Produkti-onsplänen betreiben.

Werden diese Strategien richtig umge-setzt, muss noch nicht einmal „gebremst“ werden, um den Verbrauch zu senken. Moderne Kurse für umwelt-freundliches Autofahren zeigen, dass man sogar schneller fahren und gleich-zeitig weniger Kraftstoff verbrauchen kann. In einer modernen, wesentlich komplexeren Anlage gilt das Gleiche: Ein optimaler Betrieb führt zu einer höheren Energieeffizienz.Dieser Artikel konzentriert sich auf die verschiedenen Ebenen der Automati-sierungshierarchie. Die verschiedenen Funktionen eines Automatisierungs-systems können verbessert werden, um eine höhere Energieeffizienz eines damit geregelten Prozesses zu errei-chen. Dabei können Funktionen mit unterschiedlichem Umfang (von einzel-nen Geräten bis zur ganzen Anlage) und unterschiedlichem Zeithorizont (Optimierung innerhalb von Millise-kunden bis zum gesamten Lebenszyk-lus einer Anlage) die Effizienz der Anlage beeinflussen. Folgende drei Bereiche werden hier behandelt:Fortschrittliche Regelung: Moderne Regelungen sind in der Lage, in jedem Schritt ein Optimierungsproblem zu lösen und können daher einen mini-

1 Schematische Darstellung des Kraftwerks von Alcoa in Point Comfort, Texas

LP1 LP2

B1 B1 B1 B1 B1 B1

850#

230# 230#475#

PRV-3

40# Dampfnutzer

475# Dampfnutzer

5# Dampfnutzer

95# Dampfnutzer

40# Ablass

PRV-5

95#

40#

5#

PRV-2 PRV-1 V1 V2 V3

G

V1 V2 V3

G

V1 V2 V3

G

V1 V2 V3

G

TG2

TG3

TG4

TG1

95# D/A 40# D/A

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52 ABB Technik 2/2009

Jedes Bisschen zählt

Nachhaltigkeit und Energie

Ein Großteil der elektrischen Energie wird allerdings zur Erzeugung von Dampf in der Refinerzone und ein kleinerer Teil für die mechanische Bearbeitung des Holzes benötigt. Ein neues Verfahren für TMP-Anlagen ermöglicht nun die Messung der Dampftemperatur im Refiner in einem geschlossenen Regelkreis 3 .Verifizierte Ergebnisse aus dem Papier-werk Hallsta von Holmen Paper in Schweden zeigen direkte Energieein-sparungen von 7–13 USD pro Tonne produzierten Holzstoffs bei gleichzeitig verbesserter Holzstoffqualität. Für eine TMP-Linie mit einer Jahresproduktion von 100.000 t belaufen sich die Gesamteinsparungen demnach auf 700.000 bis 1,3 Mio. USD pro Jahr – und TMP-Anlagen verfügen in der Regel über mehrere Linien. Rechnet man die indirekten Einsparungen durch die geringere Anzahl von Pro-duktionsstopps in der TMP-Linie und die geringere Anzahl von Bahnrissen in den Papiermaschinen hinzu, dürften die jährlichen Einsparungen bei über 2 Mio. USD pro TMP-Linie liegen.

Mehr produzieren mit weniger EnergieIn jeder Anlage, die nicht die mit der geplanten Qualität produziert, wird offensichtlich Energie verschwendet. Deshalb müssen Anfahrzeiten, Verän-derungen der Qualität und die Dauer von Anlagenstörungen minimiert wer-den. Diese Anforderungen sind nicht neu, ließen sich aber bisher nur schwer realisieren. Dank moderner Optimierungsverfahren ist es nun möglich, einen optimalen Betrieb zu erreichen.

wandigen Teilen des Kessels und der Turbine können zu Rissen im Material führen.

Mithilfe eines entsprechenden Modells und Online-Messungen lassen sich die tatsächlichen thermischen Belastungen berechnen. Deshalb wurde ein Modell des Dampferzeugers – bei dem die Randbedingungen hinsichtlich der ther-mischen Belastungen nicht verletzt werden dürfen – entwickelt und zur optimalen Einstellung des Brennstoff-durchsatzes sowie des Hochdruck-Bypassventils verwendet.ABB hat diese Technologie in sieben Kraftwerken installiert, und drei weite-re Projekte sind zurzeit im Gange 2 . Die typischen Brennstoffeinsparungen für eine einzige Anfahrt liegen zwischen 10 und 20 %. Bei 50 bis 150 Anfahrten im Jahr entspricht dies 0,8 bis 8 Millio-nen kWh pro Anlage. Weitere Informa-tionen zu dieser Anwendung sind in [2] zu finden.

Regelung von TMP-RefinernNoch typischere Regelungsprobleme finden sind natürlich auf der Verbrau-cherseite. Ein Beispiel für einen beson-ders energieintensiven Prozess ist die Herstellung von thermomechanischem Holzstoff (Thermo-Mechanical Pulp, TMP). Hierbei wird eine Mischung aus Holzschnitzeln und Wasser in einem schmalen Spalt (< 1 mm) zwischen zwei Scheiben gemahlen, von denen sich eine oder beide drehen. Die Roto-ren werden von großen elektrischen Maschinen angetrieben, wobei Motor-leistungen von 30 MW in modernen TMP-Refinern nicht unüblich sind.

zu finden. Dazu wird alle 15 Minuten ein lineares Mixed-Integer-Programm unter Zuhilfenahme der aktuellen Brennstoff- und Strompreise aus dem Internet gelöst.Die Ergebnisse der statischen Optimie-rung werden an einen modellprädikti-ven Regler (Model-Predictive Control-ler, MPC) mit einem weitaus kürzeren Zyklus (< 10 s) übergeben. Der MPC basiert auf einem empirischen, linea-ren, dynamischen Modell und liefert 28 manipulierte Sollwerte für die Rege-lung.

Das System wurde 2005 von ABB in Betrieb genommen und führte sofort zu einer deutlichen Verbesserung der Prozessstabilität. So konnte zum Bei-spiel die Standardabweichung des Dampfdrucks um 80 % verringert wer-den. Außerdem wurde eine Senkung der Gesamtenergiekosten von 1 % ermittelt, woraus sich eine Amortisa-tionszeit für den Kunden von sechs Monaten ergab. Eine genauere Beschreibung des Systems und der Lösung ist in [1] zu finden.

Anfahren von DampferzeugernEin weiteres Beispiel für mögliche Energieeinsparungen ist das optimale Anfahren eines fossil gefeuerten Kraft-werks. Auf dem deregulierten Strom-markt werden diese Kraftwerke nicht nur für die Grundlast eingesetzt, d. h. sie werden häufiger angefahren und abgeschaltet. Die Anfahrzeit eines Dampferzeugers wird vor allem durch die thermischen Belastungen beschränkt, d. h. ein allzu schneller Temperaturanstieg bzw. -abfall in dick-

2 Kraftwerk Weiher III – Installationsort des ersten Systems zur Anfahroptimierung von Dampferzeugern

3 Die stationären Mahlsegmente zur Herstellung von Refinerholzstoff (TMP) mit einer Detailansicht der Temperatursensoren

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53ABB Technik 2/2009

Jedes Bisschen zählt

Nachhaltigkeit und Energie

komplex wie bei einer Schmelzanlage, aber dennoch mit großen Herausforde-rungen verbunden.Sind diese beiden Planungsprobleme gelöst, lassen sich weitere Energieein-sparungen erzielen, indem diese Pläne so koordiniert werden, dass beide Pro-duktionsanlagen optimal genutzt und die Liegezeiten der frisch gegossenen Stahlbrammen minimiert werden. Dies ist wichtig, da die Brammen im heißen Zustand in das Warmwalzwerk gelan-gen müssen. Um eine Stahlbramme von ca. 1.000 m³ zu erhitzen, ist eine Energie von 10.000 kW erforderlich. Wenn eine von zehn Brammen im hei-ßen Zustand direkt von der Gießanlage in das Warmwalzwerk geführt werden kann (und somit nicht wieder erhitzt werden muss), können in einem typischen Walzwerk 21.000 t CO

2

bzw. 3,9 Mio. USD im Jahr eingespart werden.Von Hand sind diese Planungsproble-me nicht zu lösen. Moderne Optimie-rungssoftware ist jedoch in der Lage, solche Ergebnisse zu liefern, und ermöglicht es Anlagenfahrern und Pla-nern, die Pläne zu überwachen und bei Bedarf zu verändern.

Überwachung von übermäßigen VerbrauchernSelbst wenn die Regler, die Produk-tions- und die Betriebsplanung perfekt optimiert sind, wird die Performance der Anlage mit der Zeit aufgrund von Alterung und Prozessstörungen abneh-men. Bei defekten Betriebsmitteln ist dies offensichtlich, doch in vielen Fällen nimmt die Performance allmäh-lich ab oder lässt sich mithilfe her-

ist nicht nur eine größere Verschnitt-menge, die recycelt werden muss, sondern auch verlorener Profit.Eine innovative Softwarelösung von ABB zur qualitätsbasierten Zuschnitts-optimierung berechnet das optimale Schnittmuster anhand der tatsächlichen Qualitätsdaten 4 . Die zugrunde liegen-de patentierte Methode ist in der Lage, das extrem komplexe Optimierungs-problem innerhalb weniger Sekunden zu lösen. So kann aus jeder Jumbo- Rolle mehr hochwertiges Papier gewonnen werden, während die Menge an Papier, das nachproduziert werden muss, reduziert wird. Ange-sichts des Energieverbrauchs pro Tonne produziertem Papier machen sich bereits Einsparungen von einem Bruchteil des recycelten Papiers deut-lich bemerkbar. Geht man von einer Reduzierung der recycelten Papier-menge von nur 1 % aus, bedeutet dies bei einer Jahresproduktion von 400.000 t eine Energieeinsparung von 10.000 MWh (sowohl an Strom als auch an Gas).

Koordinierte ProduktionsplanungDie Planung von Schmelzanlagen bei der Stahlherstellung ist aufgrund der Menge an verschiedenen Materialen und Aufträgen ein schwieriges Prob-lem. ABB hat eine Lösung entwickelt, die in der Lage ist, dieses komplexe Problem zu vereinfachen und auf optimale Weise zu lösen.Die gleiche Lösung lässt sich auch auf den nächsten Schritt in der Stahlher-stellung anwenden – das Warmwal-zen 5 . Die Betriebsplanung eines Warmwalzwerks ist zwar nicht so

Strategien für den Betrieb und die Betriebsplanung von Anlagen basieren häufig auf heuristischen Methoden und Erfahrung. Das ist an sich kein Nach-teil, erschwert jedoch den Übergang zu einer echten optimierten Produktion sowohl im Hinblick auf die Optimie-rung als auch auf die Betriebsplanung.Voraussetzung für ein optimales Management der Betriebsmittel einer Anlage (Asset Management) ist, dass sich diese „Assets“ in einem für die Produktion optimalen Zustand befin-den. Ursache für eine nicht optimale Produktion sind häufig nicht optimal arbeitende Betriebmittel, was wieder-um zu einer verminderten Qualität oder Ausbeute führt.Ein weiterer Schlüssel zu einer energie-effizienten Produktion ist die Produkt-ionsplanung. Eine reibungslose (und wirklich optimale) Nutzung der Pro-duktionsanlagen verhindert einen übermäßigen Energieeinsatz einerseits und die Verschwendung von Energie andererseits. Stellglieder in der Anlage benötigen Energie (z. B. Pumpen, Heizen, Kühlen). Jede vermeidbare Abweichung dieser Prozessgrößen ist unmittelbar mit vermeidbaren Abwei-chungen der Stellgrößen verbunden.

Optimierung beim PapierzuschnittBei der Papierherstellung werden auf Basis der Kundenbestellungen opti-male Muster für den Zuschnitt der Papierrollen berechnet. Aufgrund von Schwankungen in der Produktion erweisen sich diese vordefinierten Schnittmuster angesichts der tatsächli-chen Qualität der Jumbo-Rolle jedoch häufig als nicht optimal. Das Ergebnis

4 Zweidimensionale Qualitätsdaten aus der Papierherstellung 5 Warmwalzwerk in einem Stahlwerk. Brammen aus der Schmelzanlage werden zu sogenannten Coils gewalzt.

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54 ABB Technik 2/2009

Jedes Bisschen zählt

Nachhaltigkeit und Energie

Abstimmung der Prozessmodelle auf die erfassten Signale können Informati-onen über den geregelten Prozess mit-hilfe von bereits im System vorhande-nen Signalen gewonnen werden, ohne dass neue (und kostspielige) Messun-gen implementiert werden müssen. 6 zeigt die Diagnose eines Kompres-sors mithilfe einer Analyse der Signale im Antriebssystem.

Wichtig: eine ganzheitliche SichtweiseNeben der technischen Komplexität, die mit der Senkung des Energiever-brauchs durch Optimierung verbunden ist, gibt es noch eine betriebliche Kom-plexität. Moderne Optimierungssolver ermöglichen eine schnelle und zuver-lässige Lösung komplexer technischer Probleme. Eine weitere, ebenso wichti-ge Herausforderung ist die Integration der computergestützten Produktions-planung und des automatisierten Anla-genbetriebs in die Arbeitsprozesse der Anlage.Für den Erfolg einer modernen Anla-genoptimierung ist die Unterstützung des Produktionsplanungs- und Betriebs-personals unumgänglich. Vor diesem Hintergrund gewinnen Themen wie Benutzerfreundlichkeit, Wartungs-freundlichkeit, Modularität und Schu-lung sowohl für die Anbieter als auch die Benutzer an Bedeutung. Werden diese Bereiche umfassend behandelt, stehen Produktionserfolg und Energie-einsparung nicht im Widerspruch zu einander.

Christopher Ganz

ABB Corporate Research

Control and Optimization

Baden-Dättwil, Schweiz

[email protected]

Alf Isaksson

ABB Corporate Research

Västerås, Schweden

[email protected]

Alexander Horch

ABB Corporate Research

Ladenburg, Deutschland

[email protected]

Literaturhinweise[1] Valdez, G., Sandberg, D.G., Immonen, P.,

Matsko, T. (November 2008): „Coordinated control and optimization of a complex industrial power plant”. Power Engineering Magazine, 112: 124–134

[2] Franke, R., Weidmann, B. „Unter Dampf: Anfahr-optimierung von Dampfkesseln in E.ON-Kraftwer-ken“. ABB Technik 1/2008: 57–62

bestimmter Parameter die (sich ver-schlechternde) Anlagenperformance widerspiegeln. Diese Parameter ermög-lichen einen besseren Blick auf das interne Verhalten des Systems als die im Prozessleitsystem verfügbaren Messwerte.

Überwachung mithilfe von elektrischen AntriebsdatenEin häufige Annahme bei der Einfüh-rung fortschrittlicher Überwachungs-systeme ist, dass mehr Sensoren imple-mentiert werden müssen – schließlich sind mehr Messungen erforderlich, wenn mehr Informationen über einen Prozess gewonnen werden sollen. Dabei wird jedoch oft vergessen, dass heutige Automatisierungssysteme bereits eine riesige Zahl von Daten-punkten erfassen, die sehr viel über eine Anlage aussagen können. Selbst an weniger naheliegenden Stellen werden Daten erfasst und kontinuier-lich analysiert.Ein Beispiel hierfür ist das Antriebssys-tem. Neben den Algorithmen zur Steu-erung des Systems beinhaltet es auch einen Datensammler, der normalerwei-se zur Diagnose des Antriebsverhaltens verwendet wird. Doch die erfassten Daten sagen auch einiges über den Prozess aus, der vom Motor gesteuert wird. Durch Abgleich der Signalmuster des Antriebssystems mit dem beobach-teten Prozessverhalten bzw. durch

kömmlicher Bedienerwerkzeuge wie Prozessanzeigen, Trendkurven und Alarmlisten nicht lokalisieren. Doch auch für erfahrenes Bedienpersonal nicht erkennbares anormales Prozess-verhalten hinterlässt Spuren in den Messwerten, die in der Anlage erfasst werden.Durch eine eingehende Betrachtung dieser Messwerte mithilfe fortschrittli-cher Signalanalysealgorithmen kann ein solches Verhalten verdeutlicht werden. Einige Leistungskennzahlen (sogenannte Key Performance Indica-tors, KPIs) lassen sich leicht anhand der im Prozessleitsystem erfassten Messwerte berechnen. Temperatur-unterschiede in Verbindung mit Durch-flussmessungen können in manchen Fällen gute Hinweise auf den Energie-verbrauch liefern. Vergleicht man diese Berechnung mit einer „sauberen“ Messung, die bei nahezu optimaler Anlagenleistung vorgenommen wurde (d. h. zu Beginn ihrer Lebensdauer oder nach einer Überholung), lässt sich eine Verschlechterung der Effizienz leicht erkennen. Für die Diagnose der Ursache ist dann häufig ein erfahrener Wartungsingenieur oder eine Reihe weiterer Algorithmen erforderlich.Komplexere Überwachungssysteme verwenden zur Bestimmung von Leistungskennzahlen nicht nur einfache Berechnungen, sondern nutzen erwei-terte Anlagenmodelle, die mithilfe

6 Kompressorkennfeld, ermittelt anhand von Antriebssignalen

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55ABB Technik 2/2009

Nachhaltige Ergebnisse

Wer kennt sie nicht, die langwierigen Versuche, die Klimaanlage im Hotelzimmer von arktischer Kälte auf die richtige Wohlfühltemperatur einzustellen? Oder den Kampf mit Beleuchtungen, Jalousien oder Rollläden, die ihren eigenen Willen zu haben scheinen. Während die Gäste mit der Technik kämpfen, hadern viele Hotels mit hohen Energie-kosten.

Mit dem intelligenten i-bus KNX-Installationssystem von ABB genießen Hotelgäste nun noch mehr Komfort bei minimalem Aufwand. Darüber hinaus profitieren diese „intelligen-ten“ Hotels von einem reduzierten Energiebedarf und verbesserter Effizienz, was sich direkt in Kosteneinsparungen niederschlägt.

Intelligenter HausserviceDie ABB i-bus® KNX-Gebäudesystemtechnik bietet Hotelgästen mehr Komfort und senkt die EnergiekostenWang Dajiang

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tisch in den Nachtmodus schaltet 2 . Über einen „Nachtaktivitätsschalter“ kann bei Bedarf ein Nachtlicht und ein Licht im Badezimmer eingeschaltet werden. Wenn der Gast beim Verlas-sen des Zimmers die Karte aus dem Lesegerät entfernt, werden sämtliche Lichter ausgeschaltet, und die Klima-anlage schaltet automatisch in den „Unbelegt“-Modus (d. h. 30 °C im Sommer und 18 °C im Winter).

Verbessertes HousekeepingDas ABB i-bus-System hilft auch dabei, die Effizienz im Housekeeping zu verbessern. Sämtliche Informationen über freie Zimmer und Service- oder Notrufe werden auf einem Computer in der Housekeeping-Abteilung des Hotels angezeigt. Diese Informationen werden mithilfe von Schaltsensoren in den Zimmern erfasst, die verschiedene Anweisungen über das i-bus-System an den Computer des Housekeepings übermitteln. Die Steuerung der ver-schiedenen Systeme in den Zimmern ist mit den Housekeeping-Computern an der Rezeption verbunden. So kann die Beleuchtung und die Klimaanlage im Zimmer automatisch eingeschaltet werden, sobald ein Gast eingecheckt hat, bzw. sofort nach dem Auschecken wieder abgeschaltet werden. Dadurch kann ohne Abstriche in puncto Gäste-komfort Energie eingespart werden.

AußenlichteffekteDie Lichtsteuerung in den Außenan-lagen und auf dem Parkplatz erfolgt über eine Kombination verschiedener Steuerungsarten. Allgemein ist eine integrale Steuerung in den meisten Außenanlagen und auf dem Parkplatz implementiert. Das bedeutet, das Ein- und Ausschalten der Beleuchtung wird über einen Timer und die Lichtstärke über einen Sensor gesteuert. Im Früh-ling erfolgt auch die Bewässerung ent-sprechend den Klimabedingungen und dem Bodenzustand über einen Timer. Bei Festivitäten oder anderen großen Veranstaltungen werden die Lichter in den Außen- und Gartenanlagen über den Computer im zentralen Kontroll-raum gesteuert. Die Beleuchtung auf dem Parkplatz kann über eine Schalt-tafel im Kontrollraum in unterschied-lichen Bereichen individuell gesteuert werden. Zusätzlich können Lüftungs-gebläse zu bestimmten Zeiten ein- und ausgeschaltet werden.

der Lobby und den öffentlichen Berei-chen wird die Klimaanlage und die Beleuchtung automatisch auf die erforderliche Helligkeit und Tempera-tur eingestellt. Mithilfe von natür-lichem Licht als Referenz bestimmt ein Helligkeitssensor, ob und in wel-chem Umfang das Licht eingeschaltet werden sollte, um eine konstante Ausleuchtung zu gewährleisten. Die Beleuchtungs- und Temperatureinstel-lungen variieren im Laufe des Tages. Die Vorhänge in der Lobby werden ebenfalls über einen Lichtsensor gesteuert.Während des Tages stellt sich das i-bus-System selbstständig auf den sich verändernden Besucherstrom in den öffentlichen Bereichen ein. Bewe-gungsmelder steuern die Beleuchtung in Abhängigkeit von der registrierten Aktivität. Zu belebten Zeiten werden die meisten bzw. alle Lichter einge-schaltet und die Klimaanlage optimal eingestellt. Nimmt der Besucherstrom ab, werden die Lichter und die Klima-anlage teilweise abgeschaltet, und in der Nacht, wenn die Aktivität am geringsten ist, wird die Beleuchtung und die Klimaanlage ausschließlich durch den Bewegungsmelder gesteu-ert, um den Energieverbrauch gering zu halten.

Intelligente ZimmerSobald ein Hotelgast eine spezielle Karte in das Lesegerät in seinem Zim-mer steckt, schaltet das ABB i-bus-System die Beleuchtung in den „Will-kommensmodus“ und die Klimaanlage in den Komfortmodus (d. h. 23 °C im Sommer und 28 °C im Winter). Das Dimmen der Leselampe, das Betätigen der elektrischen Vorhänge und andere Funktionen können bequem vom Bett aus ausgeführt werden 1 .Die Klimaanlage wird automatisch über ein i-bus-Thermostat gesteuert. Um die gewünschte Temperatureinstel-lung zu halten, schaltet das Gebläse vor dem Abschalten automatisch von hoch auf niedrig. Die Klimaregelung ist mit dem Schließmechanismus der Fenster und Türen gekoppelt, sodass die Klimaanlage automatisch abgestellt wird, sobald ein Fenster oder die Bal-kontür geöffnet wird.Vor dem Einschlafen kann der Gast mit einem Schalter über dem Nacht-tisch sämtliche Lichter abschalten, woraufhin die Klimaanlage automa-

Für viele Reisende sind Hotels zu einer Art „zweitem Zuhause“

geworden. Genau wie in ihrem eige-nen Heim legen Hotelgäste Wert auf Sicherheit und Bequemlichkeit, und seit jeher sind Hotels bemüht, ihren Gästen eine solche Umgebung zu bieten. In vielen Fällen ist dies jedoch mit hohen Kosten und einer ineffizien-ten Energienutzung verbunden.In den vergangenen Jahren sind eine Reihe von innovativen Produkten und Lösungen auf den Markt gekommen, die eine flexible Vernetzung verschie-dener elektrischer Verbraucher im Haus und deren einfache, aber intelli-gente Steuerung über das vorhandene Stromnetz ermöglichen. Zu den Funk-tionen dieser Systeme gehören atmo-sphärische Beleuchtung, Heizung und Lüftung, die Überwachung von Fens-tern und Türen sowie die Steuerung von Rollläden und Jalousien. Ein sol-ches System, das intelligente i-bus® KNX-System des ABB-Tochterunter-nehmens Busch-Jaeger ermöglicht das Zusammenspiel mehrerer elektrischer Verbraucher, wo und wann immer es der Nutzer verlangt [1]. Neben seinem Einsatz in Wohngebäuden findet das ABB i-bus KNX-System mittlerweile auch in öffentlichen Gebäuden wie Museen, Flughäfen, Bürogebäuden und Hotels Anwendung.Das intelligente i-bus KNX-Installati-onssystem basiert auf der bewährten KNX-Technologie, die mittlerweile als weltweit erster offener Standard (ISO/IEC 14543) für die Haus- und Gebäude-systemtechnik in Industrie-, Gewerbe- und Wohngebäuden anerkannt ist. Im Juli 2007 wurde der KNX-Standard in die nationale chinesische Norm für elektrische Systemtechnik für Heim und Gebäude GB/Z 20965-2007 über-nommen.Der Einsatz der intelligenten i-bus-Gebäudesystemtechnik in Spitzenho -tels hat nicht nur zur Verbesserung der Servicequalität im Hinblick auf den Gästekomfort beigetragen, sondern auch wichtige Energieeinsparungen durch die automatische und intelligen-te Steuerung von Lichtern, Vorhängen und Jalousien, der Klimaanlage und Fernsehgeräten ermöglicht.

Willkommen in einer anderen WeltIntelligenter Service mit dem ABB i-bus-System beginnt in dem Moment, in dem ein Gast das Hotel betritt. In

56 ABB Technik 2/2009

Intelligenter Hausservice

Nachhaltige Ergebnisse

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57ABB Technik 2/2009

Intelligenter Hausservice

Nachhaltige Ergebnisse

ABB i-Bus-Systems lagen die jährlichen Energiekosten des Changbaishan Inter-national Hotels bei rund 702.000 USD. Laut Schätzung des Managements kön-nen die Betriebskosten für das zentrale Klimasystem nun um durchschnittlich 84.200 USD im Jahr gesenkt werden. Dieser Wert basiert auf der Annahme, dass die 220 Zimmer über einen Zeit-raum von 24 Stunden acht Stunden lang im Energiesparmodus, weitere acht Stunden im Nachtmodus und die übrige Zeit im normalen Modus betrie-ben werden.Die Kosten für die Installation des Systems in dem Pekinger Hotel betra-gen 322.000 USD. Bei geschätzten jährlichen Einsparungen von 84.200 USD liegt die erwartete Amortisations-zeit für das System bei weniger als vier Jahren, was auf jeden Fall eine lohnende Investition darstellt.

James-Dajiang Wang

ABB Low Voltage Products

Peking, China

[email protected]

Literaturhinweise[1] Doerstal, B. „Komfort, der sich auszahlt – Intelli-

gente Elektroinstallationstechnik für mehr Sicher-heit, Komfort und Wirtschaftlichkeit“. ABB Technik 2/2008: 10–14

[2] Bin, Y., Baoyi, G., Xiaoping, M. (1999): „Optimi-zation of indoor design parameters of comfort air conditioning“. Heating and ventilation air conditio-ning 29 (1): 44–45

Fußnoten1) Die Schalter harmonieren in Form und Farbe mit der

Umgebung.2) Dies kann durch Abschalten oder Umschalten in

den Energiesparmodus bei nicht belegten Zimmern, durch Umschalten in den Energiesparmodus bei Abwesenheit des Gastes und durch Umschalten in den Nachtmodus während der Nacht erreicht wer-den.

zum Beispiel ein Zimmer automatisch in den Standby-Modus geschaltet, wenn ein Gast auscheckt.

Bemerkenswerte EinsparungenDas intelligente ABB i-bus-System trägt nicht nur zur Verbesserung des ohne-hin hochklassigen Service in vielen Hotels bei, sondern ermöglicht auch erhebliche Energieeinsparungen.Eine Steigerung der betrieblichen Effizienz lässt sich sowohl durch regel-mäßige Wartung als auch durch Opti-mierung des Systems erzielen. In einer zentralen Klimaanlage lassen sich Energieeinsparungen durch Senkung des Verbrauchs der einzelnen Kompo-nenten wie Kältekompressor, Wasser-pumpe und den elektrischen Geräten in den Zimmern (z. B. der Gebläse-konvektoren) erzielen.

Durch entsprechende Steuerung der elektrischen Geräte in einem Zimmer2) kann der Energieverbrauch und die Gesamtlast auf das Klimasystem deut-lich reduziert werden. Dadurch wird wiederum der Energieverbrauch der Kühlwassereinheiten, der Dreistufen-gebläse bzw. der Heizkessel minimiert. Genauer gesagt bewirkt bei einem integralen Klimasystem eine Erhöhung um ein Grad im Sommer bzw. eine Senkung um ein Grad im Winter in einer typischen Raumtemperaturum-gebung eine Reduzierung des Energie-verbrauchs von 6 % [6]. Mit anderen Worten, durch die automatische An-passung der Raumtemperatureinstel-lungen über ein intelligentes Thermos-tat lassen sich die dringend erforder-lichen Energieeinsparungen erzielen.Vor der Installation des intelligenten

Spitzenservice in PekingDas Changbaishan International Hotel in Peking befindet sich im Zentrum der olympischen Geschäftszone in der Nähe des Olympiastadions (dem „Vogelnest“) und der Olympia-Schwimmhalle (dem „Wasserwürfel“). Das Fünf-Sterne-Luxushotel nutzt das intelligente ABB i-bus-System zur Steuerung der Beleuchtung und Klima-anlagen in seinen 220 Luxuszimmern, der Lobby, der Mehrzweckhalle, dem Business-Zentrum, dem Fitnessbereich, der Eingangshalle und anderen öffent-lichen Bereichen.

Die herkömmlichen Schalter1) in den einzelnen Zimmern sind benutzer-freundlich und über Kleinspannungs-kabel direkt mit dem i-bus-System ver-bunden. Die einfach zu bedienende intelligente Steuerung ermöglicht kom-fortable Lese-, Ruhe- und Fernsehein-stellungen. Über einen speziellen Schal-ter über dem Nachttisch können Gäste die Serviceruf-Funktion aktivieren. Dar-aufhin wird ein entsprechendes Signal auf einem Display außerhalb der Zim-mertür und auf den Computern im Ser-viceraum der betreffenden Etage sowie in der Housekeeping-Abteilung ange-zeigt, was dabei hilft, die Reaktionszeit des Servicepersonals zu ver kürzen.

Es gibt drei verschiedene Visualisie-rungsschnittstellen – jeweils eine für die Rezeption, die Wartungs- und die Houskeeping-Abteilung. Neben den grundlegenden Funktionen ermöglicht eine automatische Funktion, die direkt mit dem Hotelmanagementsystem ver-bunden ist, die effiziente Verwaltung und Vorbereitung der Zimmer. So wird

1 Funktionen wie das Betätigen der elektrischen Vorhänge können bequem vom Bett aus ausgeführt werden.

2 Über einen Schalter über dem Nachttisch können sämtliche Lichter ausgeschaltet werden. Die Klimaanlage schaltet daraufhin automatisch in den Nachtmodus.

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MetamorphoseSchnelle Anpassung an Veränderungen mithilfe des IDEAL-VerbesserungsmodellsAldo Dagnino, Andrew Cordes, Karen Smiley

58 ABB Technik 2/2009

Nachhaltige Ergebnisse

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen in der Lage sein, sich rasch an veränderte Marktbedingungen anzupassen und neue Technologien ein-zuführen. Solche Anpassungen sind besonders unter wechselnden wirtschaftlichen Bedingungen wichtig. Flexibilität und die Bereitschaft zu Veränderungen sind wich-tige Qualitäten, die auf allen Ebenen eines Unternehmens gefördert und unterstützt werden müssen, um eine effektive Reaktion auf Veränderungen in der Produkt-nachfrage oder veränderte Kundenanforderungen gewährleisten zu können. Um ein positives Umfeld für solche Veränderungen zu schaffen, sind eine sorg-fältige Planung, ein gutes Management, eine solide Grundlage und eine sensible Umsetzung des Veränderungsprozesses erforderlich. ABB verwendet das Modell IDEALSM 1.0 als Leitrahmen für Verbesserungsprozesse, um eine effiziente Umset-zung von effektiven Veränderungen zu gewährleisten.

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59ABB Technik 2/2009

Metamorphose

Nachhaltige Ergebnisse

3) Durchführung der Diagnose zur Bestimmung der Stärken und Schwächen der BU im Hinblick auf die Verbesserungsziele

4) Dokumentation und Kommunikation der Ergebnisse an die Organisation

An den ABB-Forschungszentren wurden mehrere interne Diagnosewerkzeuge zur Evaluierung von Produktarchitekturen1),

Jede der fünf Phasen soll im Folgenden kurz beschrieben werden.

Inititate – InitiierenIn dieser Phase wird die Grundlage für eine Reihe von Verbesserungsvorhaben gelegt. Die Phase beginnt, wenn von den entsprechenden Personen ein nach-vollziehbarer „Anreiz“ zur Verbesserung erkannt wird. Am Ende dieser Phase steht die Entwicklung eines strategischen Verbesserungsplans (Strategic Improve-ment Plan, SIP), der den Zeitraum und die Gesamtziele des Verbesserungsvor-habens definiert. Ein typischer Zeitraum umfasst mindestens zwei Verbesserungs-zyklen. Eine Zusammenfassung der Hauptaufgaben der Initiierungsphase ist in der Infobox aufgeführt.Die ABB-Forschungszentren haben mehrere Werkzeuge und Methodiken entwickelt, die in der Initiierungsphase des IDEAL-Modells zum Einsatz kom-men. Mithilfe eines betriebswirtschaft-lichen Entscheidungsfindungsmodells werden die betriebswirtschaftlichen Vorteile eines Verbesserungsprojekts identifiziert. Dann wird die Bereitschaft für Veränderungen innerhalb der betref-fenden BU untersucht. Diese Untersu-chung zeigt Bereiche mit möglichem Widerstand auf und stellt einen Plan zur Vorbereitung der Organisation auf die geplanten Verbesserungen zur Ver-fügung. Daraufhin wird ein SIP erstellt, der die Unterstützung der Verbesse-rungsvorhaben innerhalb der BU mit den entsprechenden Ressourcen sicher-stellt.

Diagnose – UntersuchenIn dieser Phase des Verbesserungspro-gramms werden die aktuellen Technolo-gien, Prozesse und Interaktionen inner-halb der Organisation untersucht und dokumentiert, um einen Ausgangspunkt für das Verbesserungsvorhaben zu bestimmen. Die dabei gewonnenen Informationen unterstützen die Planung und Priorisierung der Verbesserungen und fungieren als Indikator bei der Verfolgung und Überprüfung der Aus-wirkungen der einzelnen Aktivitäten. Die Hauptaufgaben dieser Phase sind:1) Bestimmung der Art und Anzahl der

erforderlichen Diagnosen zur Defini-tion des Ausgangspunkts für das geplante Verbesserungsvorhaben

2) Planung der für die Diagnose erfor-derlichen Aktivitäten, Ressourcen und Qualifikationen

ABB stellt ihren Geschäftseinheiten (Business Units, BUs) innovative

Lösungen zur Verfügung, um die Einfüh-rung neuer Produkte, neuer Technolo-gien, neuer Methoden und innovativer Prozesse zur Verbesserung der ABB-Produkte und Produktionsmethoden zu unterstützen. Dies wiederum hilft den BUs dabei, ihren Kunden neue Produkte und Dienstleistungen bereitzustellen und die Wettbewerbs position von ABB zu verbessern.Die Entwicklung neuer Produkte und die Einführung neuer Technologien, Methoden und anderer Verbesserungen sind spannende Tätigkeiten, die viele Vorteile mit sich bringen. Doch anderer-seits können solche Aktivitäten auch störend sein und auf verschiedenen Ebenen eines Unternehmens Widerstand gegen Veränderungen hervorrufen. Umso wichtiger ist es, bei der Umset-zung eines Veränderungs- oder Verbes-serungsprogramms einem systematischen Ansatz zu folgen. Alle Forschungszent-ren von ABB sind ständig dabei, das Unternehmen auf die eine oder andere Weise zu verändern. Verbesserungspro-gramme wirken sich direkt auf die BUs aus und beinhalten typischerweise eine enge Zusammenarbeit zur Einführung neuer Technologien, zur Entwicklung neuer Produkte, zum Einsatz neuer Werkstoffe, zur Verbesserung der Pro-duktionsmethoden, zur Verbesserung des Designs bestehender Produkte, zur Optimierung der Produktentwicklungs-methoden und zur Unterstützung vieler anderer Initiativen. Zur gemeinschaft-lichen Festlegung, Durchführung und Beschleunigung von Verbesserungspro-grammen in den BUs nutzt ABB Corpo-rate Research ein Verbesserungsmodell mit dem Namen IDEALSM 1.0. Das IDEAL-Modell wurde ursprünglich vom Carnegie Mellon® Software Engineering Institute (SEI) zur Verbesserung von Softwareentwicklungsprozessen ent-wickelt. ABB ist es gelungen, das IDEAL-Modell auch auf andere Aktivitäten innerhalb ihrer BUs anzuwenden, die ebenfalls zu Verbesserungen führen.

Phasen des IDEAL-ModellsDas IDEAL 1.0-Modell wird durch fol-gende fünf Hauptphasen definiert [1] 1 :1) Initiate – Initiieren2) Diagnose - Untersuchen3) Establish – Etablieren4) Act – Handeln5) Leverage – Lernen

Fußnote1) Die Produktarchitektur umfasst sowohl die Struktur,

die die Komponenten und Teilsysteme eines Pro-

dukts zur Erfüllung der vorgesehenen Funktion zu

einem zusammenhängenden Mechanismus zusam-

menfasst, als auch die dazugehörigen Methoden

der Nutzung, Wartung und Herstellung.

1) Definition des Ansatzes zur Durchführung

des Verbesserungsprogramms

2) Bestimmung der betriebswirtschaftlichen

Anforderungen und Treiber für die Ver-

besserung aus Sicht des Managements

3) Untersuchung der internen Bereitschaft

für das Verbesserungsprogramm und

Definition von Managementstrategien

auf der Basis dieser Informationen

4) Erstellen eines SIP, Einholen der

Genehmigung und Ressourcenunter-

stützung der Unternehmensführung

5) Schaffung von Bewusstsein, Erwartun-

gen und Unterstützung für das Verbesse-

rungsprogramm innerhalb der BU

6) Aufbau der erforderlichen Infrastruktur

zur Sicherung der Transparenz und

Unterstützung für das Verbesserungs-

programm

7) Definition von messbaren Zielen für das

Verbesserungsprogramm

8) Start des Verbesserungsprogramms

Infobox Aufgaben der Initiierungsphase

1 Der IDEAL-Verbesserungszyklus

Initiate(1)

Diagnose(2)

Establish(3)

Act(4)

Leverage(5) IDEAL-Modell

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60 ABB Technik 2/2009

Metamorphose

Nachhaltige Ergebnisse

4) Entwicklung von Rollout-Strategien auf der Basis der Pilotergebnisse und der gewonnenen Erkenntnisse

5) Rollout der ausgewählten Lösungen, Bereitstellung langfristiger Unter-stützung zur Sicherung eines sanften Übergangs

Während der Handlungsphase wird mithilfe bewährter Projektmanagement-verfahren (Good Management Practices) sichergestellt, dass die Verbesserungs-projekte termin- und budgetgerecht ungesetzt werden und zu den erwarte-ten Ergebnissen führen.

Leverage – LernenZiele dieser Phase sind die Analyse des Verbesserungszyklus, die Zusammen-stellung der gewonnenen Erkenntnisse sowie deren Einarbeitung in den SIP für den nächsten Verbesserungszyklus. Die Lernphase liefert somit Eingaben für die Initiierungsphase des zweiten Verbesse-rungszyklus. Die Hauptaktivitäten dieser Phase sind:1) Zusammenstellung der während des

Verbesserungszyklus gewonnenen Erkenntnisse

2) Analyse der gewonnenen Erkennt-nisse und Entscheidung über deren Nutzung in zukünftigen Zyklen

Nach Abschluss der Lernphase beginnt ein neuer Verbesserungszyklus mit einer weiteren Initiierungsphase entsprechend dem SIP.

Um eine wirksame Umsetzung der Verbesserungsstrategie sicherzustellen, wird ein „Change Agent“ ernannt, der für die Organisation, die Planung, den Personaleinsatz, die Überwachung und die Leitung des Verbesserungspro-gramms verantwortlich ist. So wird eine effektive Durchführung der Aktivitäten des gesamten IDEAL-Zyklus sicherge-stellt.

Verwendung des IDEAL-Modells bei ABBDas IDEAL-Modell wird in vielen BUs von ABB eingesetzt. Dies soll im Fol-genden anhand zweier konkreter Bei-

Vision aufbaut. Die Hauptaufgaben der Etablierungsphase sind:1) Überprüfung der Vision, des Geschäfts -

plans, der wichtigsten betriebswirt-schaftlichen Aspekte und Motivationen der BU, die in der Initiierungsphase identifiziert wurden, und ggf. Neuaus-richtung des Verbesserungsplans

2) Aktualisierung des SIP falls erforderlich3) Auswahl und Priorisierung der Aktivi-

täten auf der Basis der Erkenntnisse aus der Diagnosephase und den Geschäftszielen der BU sowie Ent-wicklung des taktischen Verbesse-rungsplans (Tactical Improvement Plan, TIP). Dieser Plan lenkt die Ver-besserungsaktivität durch den Zyklus.

4) Herbeiführen eines Konsenses, Über-prüfung, Einholen der Genehmigung für den TIP von der Unternehmens-führung und Bereitstellung der erfor-derlichen Ressourcen für die Umset-zung

5) Zusammenstellen der für die Umset-zung des TIP verantwortlichen tech-nischen Arbeitsgruppen (Technical Working Gropus, TWGs)

Act – HandelnIn dieser Phase wird der TIP umgesetzt. Die Verbesserungen werden von den TWGs entwickelt, pilotiert und inner-halb der BU implementiert. Die Haupt-aufgaben in dieser Phase sind:1) Ausführung des TIP als Projekt2) Entwicklung und Pilotierung poten-

zieller Lösungen gemäß TIP3) Erfassung und Analyse der Pilotergeb-

nisse, Ableitung von Erkenntnissen aus dem Verbesserungsprojekt

Technologien und Prozessen entwickelt, die allesamt auf soliden Engineering-Prinzipien und bewährten Methoden basieren, die in der Industrie und an Hochschulen entwickelt wurden. Zur Evaluierung von Produkt- und System-architekturen hat ABB einen Soft-warearchitekturansatz entwickelt, der auf dem attributorientierten Design (Attribute-Driven Design, ADD) und der Architecture Tradeoff Analysis Method® (ATAM®) basiert, die ebenfalls am SEI entwickelt wurden [2, 3, 4, 6]. Zur Evaluierung von Technologien hat ABB die sogenannte AHEAD-Methodik (Attribute Hierarchy-based Evaluation of Architectural Designs) entwickelt, die auf der AHP-Methode (Analytic Hier-archy Process) basiert [7]. Für die Diag-nose von Produktentwicklungsprozessen wurde eine interne Beurteilungsmetho-de entwickelt, die auf der sogenannten SCAMPI®-Methode (Standard CMMI® Appraisal Method for Process Improve-ment®) aufbaut [5].

Establish – EtablierenIn dieser Phase wird die Grundlage für die spezifischen Maßnahmen eines Verbesserungszyklus gelegt. Die Vor-gehensweise wird von den Ergebnissen der Diagnosephase bestimmt. Für die Umsetzung dieser Entscheidung wird ein Plan zur Durchführung der entspre-chenden Änderungen (Einführung einer neuen Technologie, Entwicklung eines neuen Produkts, Verbesserung von Pro-zessen oder Veränderung der Architek-tur eines Produkts) entwickelt, der auf der in der Initiierungsphase bestimmten

Fußnoten2) Die Nachbearbeitung einer Software ist die potenziell

vermeidbare Arbeit, die zur Korrektur von Problemen oder zur Abstimmung einer Anwendung erforderlich ist.

3) Goal-Question-Metric (GQM) ist eine zielorientierte Methode zur Verbesserung des Softwareentwick-lungsprozesses (und der daraus resultierenden Software produkte) mithilfe von Metriken unter Berück-sichtigung von geschäftlichen und technischen Zielen.

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61ABB Technik 2/2009

Metamorphose

Nachhaltige Ergebnisse

DiagnoseUm den Ausgangspunkt für die Prozess-verbesserung zu bestimmen, wurde eine Diagnose des bisherigen Entwicklungs-prozesses der BU mithilfe des CMMI-Modells und der internen CMMI-Beurtei-lungsmethode von ABB durchgeführt. Dabei wurden sowohl die Stärken als auch die potenziellen verbesserungs-würdigen Bereiche in den Prozessen der BU identifiziert, die zu einer Redu-zierung der Nachbearbeitung der Soft-ware nach den Integrationstests führen würden.

EtablierungsphaseMithilfe der GQM-Methode3) wurden Prioritätsbereiche bestimmt, die die Erreichung des Geschäftsziels unterstüt-zen würden. Einer der ausgewählten Bereiche war das Anforderungsmanage-ment (Requirements Management, REQM). Obwohl die BU über einen starken Anforderungserhebungsprozess (Requirements Engineering, RE4)) ver-fügte, erfolgte die Erhebung manuell. Änderungen der Anforderungen, die im Laufe des Entwicklungslebenszylus immer wieder auftreten, wurden nicht schnell genug erfasst, was umfangreiche Nacharbeiten an der Software nach den Systemtests zur Folge hatte. Auf der Grundlage dieser Information wurde ein TIP erstellt, um den RE-Prozess durch Automatisierung zu unterstützen, und eine TWG zusammengestellt.

Software-Engineering-Experten von ABB Corporate Research gehörten.Als Leitlinie für den Verbesserungspro-zess diente das vom SEI entwickelte CMMI® in der Version 1.2. Als Metrik zur Messung des Erfolgs des Verbesserungs-programms diente die Nachbearbei-tungszeit, d. h. die Zeit, die zur Beseiti-gung von Fehlern im Softwareprodukt benötigt wurde, die nach den Integra-tionstests festgestellt wurden. Es wurde eine Untersuchung der Bereitschaft innerhalb der Organisation für Verände-rungen durchgeführt, bei der eine Viel-zahl von Faktoren aus vier Kategorien betrachtet wurden: 1) Akzeptanz von Veränderungen innerhalb der Organisa-tion; 2) Engagement des Sponsors (dem „Vertreter“ des Projekts im höheren Management); 3) Bereitschaft des Change Agents, Veränderungen voranzu-treiben, und 4) die innerhalb der Orga-nisation vorhandene Kompetenz zur Umsetzung der Veränderung. Die Ergeb-nisse dieser Untersuchung sind in 2 zusammengefasst.

Eine eingehende Analyse der Resultate ergab, dass beim Change Agent Schu-lungsbedarf in den Bereichen CMMI und Veränderungsmanagement bestand und dass dieser seinen Zeitaufwand für das Verbesserungsprojekt erhöhen sollte. Der Sponsor sollte „den Worten Taten folgen lassen“ und sein Engagement für das Verbesserungsprojekt gegenüber der restlichen Organisation zeigen. Und schließlich bestand innerhalb der Orga-nisation technischer Schulungsbedarf, um ein besseres Verständnis der Ent-wicklungsverfahren, die die Grundlage der CMMI-Methodik bilden, zu schaffen.

spiele veranschaulicht werden. Das erste und etwas ausführlichere Beispiel beschreibt ein Projekt zur Verbesserung des Softwareentwicklungsprozesses in einer BU, während sich das zweite Bei-spiel mit einem Projekt zum Rearchitec-ting eines Softwareprodukts in einer anderen BU befasst.

Verbesserung eines SoftwareprozessesZu Beginn des Projekts wurden vom Management mehrere Unternehmens-ziele bestimmt. Eines der bedeutendsten Ziele war die Senkung der Kosten für die Nachbearbeitung2) der Software nach den Integrationstests um einen bestimm-ten Prozentsatz. Um dieses Ziel zu errei-chen, schloss sich die BU mit ABB Cor-porate Research zusammen und setzte das IDEAL-Modell als Grundlage für das Verbesserungsvorhaben ein.

InitiierungsphaseWährend der Initiierungsphase definier-te das Management der BU bestimmte Reduktionen bei der Nachbearbeitung der Software als Geschäftsziel. Dabei wurde ein Mindestzeitraum von zwei Jahren für die Umsetzung von kontinu-ierlichen Verbesserungsmaßnahmen am Softwareprozess festgelegt – nicht nur um das unmittelbare Geschäftsziel zu erreichen, sondern auch um zukünftige Ziele im Hinblick auf die Verbesserung des Softwareprozesses anzugehen. Außerdem entschied man sich, bei der Durchführung dieser Maßnahme die Unterstützung der Konzernforschung anzufordern. Dazu wurde ein Team gebildet, das für das Prozessverbesse-rungsprojekt verantwortlich war, zu dem ein Change Agent der BU sowie zwei

Fußnote4) Der hier beschriebene Anforderungserhebungspro-

zess ist eine Kombination aus Anforderungsentwick-

lungs- und Anforderungsmanagementprozessen. Die

Anforderungsentwicklung umfasst die Aufnahme,

Erstellung und Analyse sämtlicher technischer und

nichttechnischer Anforderungen eines Entwicklungs-

projekts. Das Anforderungsmanagement beinhaltet

die Verwaltung aller Anforderungen und Änderungs-

anträge, die an ein Entwicklungsprojekt gestellt

werden bzw. daraus hervorgehen.

2 Darstellung der Veränderungsbereitschaft im Rahmen der Softwareprozessverbesserung

Bereitschaft zur Veränderung

Bereitschaft des Change Agents

Interne Akzeptanz

Interne Kompetenz

Engagement des Sponsors

perf

orm

ance

Initiate Diagnose Establish Act

Leverage

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62 ABB Technik 2/2009

Metamorphose

Nachhaltige Ergebnisse

InitiierungsphaseAusgehend von der Entscheidung des Managements für ein Redesign des Produkts wurde eine Vereinbarung zwischen der BU und mehreren For-schungszentren geschlossen und ein Plan entwickelt, um die erforderlichen Ressourcen zur Durchführung des Pro-jekts innerhalb eines bestimmten Zeit-raums bereitzustellen. Dann wurde eine Reihe von Metriken bestimmt, aus denen die Bedeutung der Wartungskos-ten und der Wert der Marktdurchdrin-gung hervorging. Außerdem wurde die Bereitschaft der BU zum Redesign ihres Hauptprodukts untersucht. Da dabei eine andere Softwaretechnologie zum Einsatz kommen sollte, bestand die Möglichkeit, dass einige Software-entwickler zusätzlich geschult werden mussten.

DiagnosephaseNachdem die Softwarequalitätsattribute definiert wurden, die für das Produkt am wichtigsten waren, wurde eine Reihe von Architekturszenarios erstellt und zur Evaluierung des aktuellen Pro-duktdesigns mithilfe der internen ADD-basierten Methode von ABB herange-zogen.

EtablierungsphaseEin detaillierter Plan zur Evaluierung und Auswahl neuer Softwaredesigns wurde erstellt.

HandlungsphaseDie eigentliche Evaluierung der mög-lichen Softwaredesigns wurde mithilfe der AHP-basierten AHEAD-Methode [7] durchgeführt, und ein Prototop des Produkts mit dem ausgewählten Design wurde entwickelt.

LernphaseDie gewonnenen Erkenntnisse wurden gesammelt und dokumentiert.3 zeigt eine Zusammenfassung der Hauptaktivitäten, die bei der Anwen-dung des IDEAL-Modells im Rahmen der Softwareprozessverbesserung und des Rearchitecting durchgeführt wurden.

Vorteile des IDEAL-ModellsDie Verwendung des IDEAL 1.0-Modells bringt verschiedene Vorteile mit sich, die im Folgenden zusammengefasst werden.Erstens wird durch das IDEAL-Modell sichergestellt, dass die Einführung neuer Technologien, Produkte oder Verbesse-

und solche, die nicht wie erwartet funk-tionierten. Ein Bereich, der als sehr wichtig erachtet wurde, war die Verbes-serung der Kommunikation zwischen dem Change Agent und dem Sponsor. Darüber hinaus beschloss das Manage-ment der BU, das Projekt wie geplant mit einem weiteren einjährigen Zyklus fortzusetzen, um weitere Bereiche mit Verbesserungspotenzial zu behandeln.

Rearchitecting eines SoftwareproduktsIn einem anderen Fall bestimmte das Management einer produktentwickeln-den BU die Verstärkung der Marktdurch-dringung um einen bestimmten Prozent-satz als Geschäftsziel. Mehrere Optionen wurden in Erwägung gezogen, um die-ses Ziel zu erreichen. Schließlich ent-schied sich die BU für das Rearchitec-ting ihres Hauptprodukts und begann damit, die Verwendung einer anderen Softwaretechnologie für die Umsetzung zu evaluieren.

HandlungsphaseIn dieser Phase wurde der zur Verbesse-rung und Automatisierung des RE-Pro-zesses entwickelte TIP erfolgreich umge-setzt. Ziel war es, die grundlegenden Elemente des vorhandenen Prozesses zu nutzen und den Prozess so zu ver-bessern, dass er automatisiert werden konnte. Nach Fertigstellung des neuen RE-Prozesses wurde dieser pilotiert und dann innerhalb der Organisation einge-führt.

LernphaseMessungen, die am Ende des ersten Zyklus der kontinuierlichen Verbesse-rungsaktivität von der Qualitätsgruppe der Entwicklungsorganisation gesammelt wurden, haben gezeigt, dass durch die Verbesserung des RE-Prozesses eine 30 %ige Reduktion der Softwarenach-bearbeitung erreicht werden konnte. In der Lernphase identifizierte das Verbes-serungsteam Aspekte des Verbesse-rungsprojekts, die gut funktionierten

3 Zusammenfassung der Hauptaktivitäten bei der Anwendung des IDEAL-Modells zur Software-prozessverbesserung und zum Rearchitecting eines Softwareprodukts

IDEALSM 1.0 Phase

Softwareprozessverbesserung (SPI) Produkt-Redesign

Initiate 1. Reduzierung der Kosten für Integrationstests um einen festgelegten Prozentsatz

2. Durchführung eines kontinuierlichen SPI-Projekts für mindestens zwei Jahre

3. Bildung eines verantwortlichen SPI-Teams4. Verwendung von CMMI als Verbesserungs-

modell5. Wahl der Nachbearbeitungszeit als zu über-

wachende Metrik6. Untersuchung der Veränderungsbereitschaft

– diese ergab eine Notwendigkeit zur Verbesserung des Engagements von Sponsor und Change Agent sowie einen Schulungsbedarf

7. Erstellung eines SIP für die Prozessverbesserung

1. Erhöhung der Marktdurchdringung um einen bestimmten Prozentsatz

2. Neugestaltung des aktuellen Hauptprodukts und Evaluierung neuer Technologie(n)

3. Verwendung der ADD-Methode zum Redesign des Produkts

4. Wahl der Metriken für die prozentuale Erhöhung der Marktdurchringung und Reduzierung der Wartungskosten

5. Untersuchung der Veränderungsbereitschaft – diese zeigte einen Schulungsbedarf in neuen Technologien

6. Erstellung eines SIP für das Produkt-Redesign

Diagnose 1. Durchführung einer internen CMMI-Beurtei-lung durch Corporate Research zur Bestim-mung relevanter Prozessbereiche in der BU als Ausgangspunkt

1. Entwicklung von Designszenarios auf der Basis von Produktqualitätsattributen

2. Diagnose des aktuellen Produktdesigns mithilfe der ATAM-Methode des SEI

Establish 1. Priorisierung der Verbesserungsaktivitäten mithilfe der GQM-Methode

2. Entwicklung eines priorisierten TIP für die Prozessverbesserung

3. Bildung der TWG

1. Erstellung eines Plans zur Neugestaltung des Produkts und Evaluierung geeigneter Soft-waretechnologien für die Implementierung

2. Entwicklung eines TIP für das Redesign-Projekt

Act 1. Verbesserung und Automatisierung des RE-Prozesses

2. Testen des neuen Prozesses im Rahmen eines Pilotentwicklungsprojekts

1. Erstellung neuer Produktdesigns und Proto-typen mithilfe der geeigneten Technologien

2. Evaluierung der Prototypen und Entwicklung von Optionen mithilfe der AHP-Methode, Wahl einer Technologie

Leverage 1. Bestimmung der prozentualen Reduzierung der Kosten für Integrationstests (Ergebnis: höher als erwartet)

2. Dokumentieren der gewonnenen Erkenntnisse

1. Dokumentieren der gewonnenen Erkenntnisse

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63ABB Technik 2/2009

Metamorphose

Nachhaltige Ergebnisse

Literaturhinweise

[1] Software Engineering Institute (SEI): „IDEALSM Model: Initiating, diagnosing, establishing, acting and learning“. http://www.sei.cmu.edu/ideal/ (Stand Februar 2009)

[2] Software Engineering Institute (SEI): „Attribute-driven design method (ADD)“. http://www.sei.cmu.edu/productlines/add_method.html (Stand Februar 2009)

[3] Software Engineering Institute (SEI): „The architecture trade off analysis method (ATAM)“. http://www.sei.cmu.edu/architecture/ata_method.html (Stand Februar 2009)

[4] Bass, L., Clements, P., Kazman, R. (2003): „Software architecture in practice“. Addison-Wesley

[5] Bush, M., Dunaway, D. (2005): „CMMI Assessments: Motivating positive change“. Addison-Wesley

[6] Clements, P., Kazman, R., Klein, M. (2002): „Evaluating software architectures“. Addison-Wesley

[7] Smiley, K., He, Q., Kielczewski, E., Dagnino, A. (2009): „Architectural requirements prioritization and analysis applied to software technology evaluation“. Proceedings

of the 24th Annual ACM Symposium on Applied Computing (SAC’09)

Weiterführende Literatur

Börjesson, A., Mathiassen, L. (2002): „Making SPI happen: The IDEAL distribution of effort“. Proceedings of the 36th Hawaii international conference on system sciences

(HICSS’03)

Kinnula, A. (September 2001): „Software process engineering systems: Models and industry cases“. Report, Department of Information Processing Science,

University of Oulu

Mathiassen, L., Ngwenyama, O. K., Aaen, I. (2005): „Managing change in software process improvement“. IEEE Software, November/Dezember: 84–91

McFeeley, R. (1996): „IDEALSM – A user’s guide to software process improvement“. CMU/SEI-96-HB-001, Software Engineering Institute (SEI)

rungen bei ABB auf starken betriebs-wirtschaftlichen Treibern basiert, die wiederum die Anforderungen des Markts,die Bedürfnisse der Kunden und das Bestreben des Unternehmens zu einer kontinuierlichen Verbesserung seiner Wettbewerbsposition widerspiegeln. Zweitens stellt dass IDEAL-Modell einen soliden Rahmen für Veränderungen in den betroffenen BUs bereit und sorgt für die erforderliche Unterstützung der gewünschten Verbesserungen bzw. Ver-änderungen. Dies wiederum stärkt das Engagement gegenüber den ABB-Kun-den, die neuen Technologien bzw. Pro-dukte zu unterstützen und entsprechen-de Migrationspfade bereitzustellen. Drit-tens ist das IDEAL-Modell ein hervorra-gendes Werkzeug für die Planung der

notwendigen Ressourcen und des erfor-derlichen Aufwands zur Umsetzung der Verbesserungen bzw. Veränderungen. Dies wiederum stärkt das Vertrauen der Kunden in ABB als engagierter Partner, der die Produkt- bzw. Serviceverbesse-rungen liefert, die sie benötigen. Vier-tens fördert das IDEAL-Modell eine Kul-tur der kontinuierlichen Verbesserung innerhalb des Unternehmens. Kontinu-ierliche Verbesserung bedeutet, dass die Mitarbeiter stets bestrebt sind, nach Möglichkeiten zur Verbesserung der Produkte und Dienstleistungen zu suchen, die Bedürfnisse der Kunden zu verstehen und entsprechend zu han-deln. Und schließlich bietet die Leve-rage- oder Lernphase des IDEAL-Modells einen nützlichen Mechanismus zur

Erfassung der bei jeder Verbesserungs-maßnahme gewonnenen Erkenntnisse, die gespeichert, indiziert und zu Beginn eines neuen Verbesserungszyklus ab gerufen werden können. Durch diese wirksame Nutzung gewonnener Erkennt-nisse wird sichergestellt, dass sich die Verbesserungsmaßnahmen positiv auf die Produkte und Dienstleistungen aus-wirken, die ABB ihren Kunden bietet.

Aldo Dagnino

Andrew Cordes

Karen Smiley

ABB Corporate Research

Raleigh, NC, USA

[email protected]

[email protected]

[email protected]

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64 ABB Technik 2/2009

Nachhaltige Ergebnisse

ZuverlässigkeitsanalyseBestimmung von Instandhaltungsstrategien und Steigerung der Betriebsmittelzu-verlässigkeit in einer NGL-Anlage mithilfe von Daten und ModellierungssoftwareFernando Vicente, Hector Kessel, Richard M. Rockwood

In den letzten Jahren hat das Thema Zuverlässigkeit – d. h. die Wahrschein-lichkeit, dass ein Produkt, Gerät oder Prozess unter bestimmten Bedingungen seine vorgesehene Funktion für einen bestimmten Zeitraum fehlerfrei erfüllt – im Rahmen von Initiativen zur kontinuierlichen Verbesserung zunehmend an Bedeutung gewonnen. Eine höhere Anlagenzuverlässigkeit senkt die Kosten von Prozess- und Betriebsmittelausfällen und trägt zu einer höheren Produk-tivität und damit auch zu höheren Gewinnspannen bei. Zusätzlich wird die Sicherheit am Arbeitsplatz erhöht, und die Gefahren für die Umwelt werden reduziert.

Angesichts des starken Wettbewerbsdrucks in der Öl- und Gasindustrie müssen Gasanlagen heutzutage eine hohe Zuverlässigkeit besitzen und dürfen keine unnötigen Kosten verursachen. ABB hilft den Betreibern solcher Anla-gen dabei, dieses Ziel durch objektive, quantifizierbare Maßnahmen zur früh-zeitigen Behandlung von Betriebsmittelausfällen zu erreichen. Dieser Artikel beschreibt die Durchführung von Zuverlässigkeitsanalysen an drei konkreten Beispielen in einer Anlage von MEGA im argentinischen Loma La Lata, die allesamt zu erheblichen Einsparungen geführt haben.

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65ABB Technik 2/2009

Zuverlässigkeitsanalyse

Nachhaltige Ergebnisse

jeweiligen Kunden, z. B. die argentinische Regierung, ver-kauft 1 .

Erfüllung der KundenerwartungenDie Betriebsmittelzuverlässig-keit der Anlage hat mittler-weile Spitzenwerte erreicht 2 , doch diese Werte spiegeln lediglich die Verfügbarkeit prozesskritischer Betriebs-mittel wider, die durch vor-gehaltene Ersatzteile oder zuschaltbare Reserven unter-stützt werden. Als Full-Ser-vice-Anbieter mit neuesten Servicetechnologien und modernsten Managementver-fahren erhielt ABB den Auf-

trag, sich andere prozesskritische Betriebsmittel vorzunehmen und deren Verfügbarkeit so weit zu stei-gern, dass die Anlage entsprechend der Marktnachfrage betrieben werden kann.

Von der Unterstützung zur MaßnahmeAnfang 2008 wurde bei MEGA die jährliche Standortbeurteilung im Rahmen der Full-Service-Vereinbarung mit ABB durchgeführt. Hierbei wird ermittelt, welche Initiativen erfolgreich und welche verbesserungswürdig sind. Zu jeder Beurteilung gehören Empfehlungen, die dem ABB-Standort-team dabei helfen, die identifizierten Performance-Lücken zu schließen.

Der Beurteilungsprozess bei MEGA war äußerst effektiv und zeigte, dass

in Loma La Lata in der argentinischen Provinz Neuquén) ist ABB für die Mechanik, Elektrik, Instrumentierung und statische Verwaltung sowie für die statische Inspektion, Planung und die komplette Ersatzteilverwaltung der Anlage verantwortlich.

Aufgabe der Anlage von MEGA ist die Gewinnung und Abscheidung von Erdgaskonzentrat (NGL) aus Erdgas. In dem Prozess wird das Methan von anderen NGL-Bestandteilen getrennt und dann in eine Pipeline zurückge-speist, die den heimischen Markt beliefert. Die anderen Bestandteile werden zur Weiterverarbeitung in eine andere Anlage in Bahia Blanca gepumpt. In dieser Fraktionieranlage wird das NGL in Ethan, Propan, Butan und Erdgasbenzin getrennt und an die

Moderne Unternehmen sind bestrebt, ihre

Fehler- und Unfallquote auf null zu reduzieren. Viele verfolgen zudem eine „Null-Toleranz-Strategie“ gegen-über Betriebsmittelausfällen und setzen sich einen aus-fallfreien Betrieb zum Ziel. Werden die Betriebsmittel jedoch sich selbst überlas-sen, kommt es irgendwann unweigerlich zu Ausfällen. Um dem entgegenzuwirken, nutzen viele führende Unter-nehmen zwei wichtige Stra-tegien zur Verwaltung ihrer Betriebsmittel: die zustands-abhängige Instandhaltung und spezielle Zuverlässig-keitsstrategien. Das Ziel dabei ist es, Ausfälle frühzeitig zu erkennen und durch geplante Maßnahmen zu kon-trollieren.Zuverlässigkeitsstrategien spielen bei diesem dualen Ansatz eine wichtige Rolle, wie die folgenden drei Fall-beispiele zeigen. Das erste Beispiel beschreibt eine Zuverlässigkeitsana-lyse für die Gleitringdichtung einer NGL-Pumpe (Natural Gas Liquid = Erdgaskonzentrat). Im zweiten Bei-spiel geht es um die Validierung einer Modifizierung in einem Schrauben-kompressor, und das dritte Beispiel beschreibt die Zuverlässigkeitsanalyse für einen Temperatur-Messumformer.

Full-Service®-Partnerschaft mit MEGAIm Rahmen ihres ABB Full-Service®-Vertrags mit MEGA (einer Gasanlage

1 Produktion der MEGA-Gasanlage in Loma La Lata, Argentinien

40 Mio. m3/dErdgas

560.000 t/y Ethan

220.000 t/yErdgasbenzin

35 Mio. m³/dRestgas

620.000 t/yPropan, Butan

NGL-AnlageLoma La LataNeuquén

FraktionieranlageBahia BlancaBuenos Aires

600 km5 Mio. m³/d

NGL-Komponenten

Pipeline

b

2 Trenddarstellungen der Betriebsmittelzuverlässigkeit a und der Kundenzufriedenheit b . Bei der Zuverlässigkeit lag die Zielsetzung bei 99,6 %, bei der Kundenzufriedenheit bei 4.0 von möglichen 5.0 Punkten.

a

2002 2003 2004 2005 2006 2007Jahr 2003 2004 2005 2006 2007

Jahr

Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov DezJul Aug Sep Okt Nov Dez

100 100 99.75 100 100 100 100 100 100 100 100 99.99

100

99

98

97

5,04,03,02,01,00,0

100908070605040302010

0

99,6

98

99,96 99,96 99,9699,6

2007 2007

Zuve

rläss

igke

it (%

)

Zuve

rläss

igke

it (%

) 2,9

3,9 3,9 3,9 3,9 3,9 3,9

3,13,6 3,8 3,9

5,04,54,03,53,02,52,01,51,00,50,0

Zufr

iede

nhei

tsw

ert

Zufr

iede

nhei

tsw

ert

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66 ABB Technik 2/2009

Zuverlässigkeitsanalyse

Nachhaltige Ergebnisse

Betriebsmittel oder Prozesse zurück-zuführen 5 .

Zuverlässigkeitsanalyse einer GleitringdichtungAusgehend von der Pareto-Analyse entschloss sich das ABB-Team, die Zuverlässigkeit der NGL-Pumpe 510-P-01C genauer zu untersuchen. Da die Prozessbedingungen von den Auslegungsbedingungen abgewichen waren, ging das Team von einer ver-ringerten Zuverlässigkeit des Pumpen-systems aus.

Eine Suche in der Datenbank des computergestützten Instandhaltungs-Managementsystems (CMMS) nach der NGL-Pumpe 510-P-01C ergab, dass die häufigste Ausfallart mit einem Versa-gen der Gleitringdichtung zusammen-hing.

Unter Zuverlässigkeitsexperten heißt es häufig, dass das Instandhaltungs-management auf Ausfallartenebene erfolgt. Eine Ausfallart ist ein Ereignis, das wahrscheinlich zum Ausfall eines Betriebsmittels (bzw. Systems oder Prozesses) führt und somit einen Funktionsausfall verursacht. Häufige Ausfallarten sind festgefressene Lager, blockierte Laufräder, ausgebrannte Motoren und verstopfte Saugleitungen.

Die NGL-Pumpe ist ein kritisches Betriebsmittel für den Produktionspro-zess, da sie das verarbeitete Produkt zur Anlage in Bahia Blanca befördert, wo es in andere Produkte (Ethan, Pro-

Ausfalls quantifiziert. Zur Berechnung dieser Wahrscheinlichkeit werden pro-babilistische und statistische Metho-den und Werkzeuge herangezogen. Typische Beispiele für die Zuverläs-sigkeitsanalyse in Gasanlagen sind der Einsatz verschiedener Werkzeuge wie Weibull-Analysen, Pareto-Analy-sen und Monte-Carlo-Simulationen Infobox 2 .

Ein Schlüsselfaktor bei der Zuverläs-sigkeitsanalyse ist die Qualität der Anlagendaten. Hierbei geht es insbe-sondere darum, wie die Daten erfasst und verwaltet werden und wer für ihre Analyse verantwortlich ist. In den meisten Anlagen in der Öl- und Gas-industrie werden über Jahre hinweg Daten gesammelt, doch nur selten ist jemand dafür zuständig, die Daten auszuwerten und daraus Informatio-nen zur Lösung von Problemen ab-zuleiten.

Anlagendaten sind bestens geeignet, um aufzuzeigen, was funktioniert und wo Verbesserungsmöglichkeiten lie-gen. Ein guter Ansatz für eine Analyse ist die Lokalisierung der Probleme durch die Untersuchung ihrer Häufig-keit. Einen ersten Überblick bietet ein Pareto-Diagramm der 10 wichtigsten Punkte. Die Pareto-Analyse liefert eine Rangfolge und somit die Mög-lichkeit, sich auf die Probleme mit den höchsten Werten zu konzentrie-ren. Dabei gilt die sprichwörtliche 80/20-Regel, d. h. 80 % der Probleme bzw. Verluste sind auf 20 % der

noch mehr getan werden konnte, um die Initiativen zum „Schließen der Lücken“ sowohl qualitativ als auch quantitativ zu verbessern. Es ging also darum, die Ausführung von Initiativen zur Steigerung der Wertschöpfung für den Kunden, die Bevölkerung und ABB entsprechend dem ABB Full-Ser-vice-Ergebnisdreieck zu verbessern 3 . Dies wird als „Unterstützung nach der Beurteilung“ (Post-Assessment Assis-tance) bezeichnet Infobox 1 .

Im Rahmen der Post-Assesment Assis-tance wird eine Art „Fahrplan“ für jeden Standort entwickelt, der die Zielsetzungen und standortspezifi-schen Initiativen zum Schließen der Lücken in der Performance und den Kundenerwartungen enthält 4 .

Zuverlässigkeit in der PraxisFür die meisten Menschen sagen Zuverlässigkeitszahlen allein wenig über Verbesserungen aus, ganz gleich ob es sich hierbei um Prozentwerte, MTBF-Werte (Mean Time Between Failures = mittlere Betriebsdauer zwischen Ausfällen) oder die Zahl von Notdienstaufträgen handelt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bedeutet eine höhere Zuverlässigkeit eine bes-sere Kontrolle der unnötigen Kosten, die durch Betriebsmittel- und Prozess-ausfälle verursacht werden und die Produktionsleistung beinträchtigen.

Aus technischer Sicht wird die Zuver-lässigkeit gemeinhin durch die Bestim-mung der Wahrscheinlichkeit eines

3 Die Standortbeurteilung ist nicht nur ein wirksames Werkzeug zur Bestimmung der aktuellen Leistungsfähigkeit, sondern auch zur Entwicklung vorausschauender Strategien.

Innovation und Lernen

Leistungsindikatoren

Führung Strategie

Erfüllung von Partnerschaften

Erhaltung der Zuverlässigkeit

Wartungshandlungen

Verbesserung der Anlagenleistung

HSE*-Qualität

Personal-führung

Finanzen und Kosten

Material-lieferanten

Information

Enabler Ergebnisse

Effektivität & Effizienz der Rentabilität

Kundenwert-schöpfung und -zufriedenheit

Sicherheit & Umwelt,

Kompetenz & Motivation

* HSE = Health, Safety, Environment (Gesundheit, Sicherheit und Umweltschutz)

4 Unterstützung nach der Beurteilung (Post-Assessment Assistance)

Überprüfung der Standort-

beurteilung

Erörterung spezieller Initiativen

Entwicklung der nächsten Schritte/

Strategie

Ausrichtung am MMMP

Ausrichtung an bestimmten KPIs

Identifizierung und Priorisierung von

Möglichkeiten

Vergleich mit führenden Verfahren

Implementierung, Unterstützung, Management

Performancemanagement-Prozess

Kontinuierliche Verbesserung

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67ABB Technik 2/2009

Zuverlässigkeitsanalyse

Nachhaltige Ergebnisse

Im nächsten Schritt führte das ABB-Team eine Kostenanalyse durch, um den optimalen Zeitpunkt für einen Austausch der Dichtung zu ermitteln. 8 zeigt, dass der optimale Zeitpunkt für einen Austausch bei etwa 650 Betriebsstunden liegt. In diesem Fall würden die stündlichen Betriebskos-ten um 103 USD gesenkt. Da diese Austauschhäufigkeit nicht praktikabel erschien, untersuchte das ABB-Team weitere Austauschmöglichkeiten an verschiedenen anderen Punkten der Betriebsdauer.

Die zweite Analyse für 4.000 Betriebs-stunden ergab eine Einsparung bei den stündlichen Betriebskosten von

Die aus der CMMS-Datenbank ent-nommenen Daten sind in 6 und die mit der Weibull-Analyse ermittelten Ausfallmuster in 7 dargestellt.

Einer der Vorteile der Weibull-Analyse ist ihr flexibles Modellierungsprofil, das sowohl frühzeitige als auch zufäl-lige und verschleißbedingte Ausfall-muster abdeckt. Der MTBF-Wert der Gleitringdichtung liegt bei 8.518 Stun-den, d. h. 50 % der Dichtungen versa-gen, bevor sie eine Betriebsdauer von 8.518 Stunden haben, und 50 % halten länger als 8.518 Stunden. Diese Analy-se veranlasste den Kunden dazu, das Pumpensystem mit einer verbesserten Dichtung nachzurüsten.

pan und Butan) fraktioniert wird. Zur Analyse der für diese Pumpe erfassten CMMS-Daten wurde eine Zuverlässig-keitssoftware gewählt, mit der Weibull-Analysen durchführt werden können. Die zur Berechnung der Zuverlässig-keit verwendete Gleichung lautet:

mit:R(t) = Zuverlässigkeitswert (0-1)t = Alter der Ausfälle

(Stunden, Zyklen)η = Skalierungsparameter

(Stunden, Zyklen)β = Formparameter (β<1; β=1; β>1)

Rt = e - – β , t > 0t

η � �

6 NGL-Pumpendaten aus der CMMS-Datenbank

Alter (Stunden) Ausfall (F) oder Abschaltung (S)

9.236 F

2.924 S

2.202 F

12.433 F

11.123 F

2.880 F

Kosten für präventiven Austausch (vor Ausfall) = 4.258 USDMittlere Reparaturzeit (MTTR) = 5 StundenAusfallkosten (Produktionsverlust + Austauschkosten) = 413.403 USD

5 Pareto-Diagramm der 10 bedeutendsten Verbesserungsmöglichkeiten bei MEGA. Von Juni bis August entfielen 80 % der Kosten auf Betriebsmittel A.

160.000

140.000

120.000

100.000

80.000

60.000

40.000

20.000

0

Betriebsmittel

Kos

ten

(US

D)

A B C D E F G H I J

Gesamtkosten Kumulierte Kosten

8 Analyse der Austauschstrategie

528,29

493,07

457,85

422,63

387,41

352,19

316,97

281,75

246,53

211,32

176,10

140,88

105,66

70,44

35,22

Präventives Austauschalter (Stunden)

Kos

ten

(US

D/h

)

0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000 14.000

Austauschkosten:Präventiv = 14.224 USDAusfall = 1.500.000 USD

Optimale Strategie ist ein Austausch nach 649,28 Stunden

Kosten für die optimale Strategie: 73,72 USD/hKosten für Austausch nur bei Ausfall: 176,10 USD/h

7 Zuverlässigkeitsfunktion der NGL-Pumpe gemäß Weibull-Analyse (zwei Parameter, lineare Regression)

Alter (Stunden)

0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000 14.000

Beta = 1,42Eta = 9.365,56

Mittlere Lebensdauer = 8.518,08 StundenGenauigkeit = 90,41 %

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68 ABB Technik 2/2009

Zuverlässigkeitsanalyse

Nachhaltige Ergebnisse

RTD), der die Lufttemperatur am Aus-tritt des Kompressors misst, traten unerwartete Störungen auf. Fällt der RTD aus, schaltet sich der Kompressor ab. Mithilfe einer Ursachenanalyse (Root Cause Failure Analysis, RCFA) fand das ABB-Team heraus, dass die Hauptausfallart durch starke Vibratio-nen im Kompressorbetrieb hervorge-rufen wurde.Daraufhin entwickelte das Team eine Lösung zur Dämpfung der Schwingun-gen, um die Zahl der Ausfälle zu ver-ringern 10 , 11 . Doch eine Frage bleibt bestehen: Wurden die Vibrationen als Ausfallursache durch die Modifizie-

Weibull-Analyse eines SchraubenkompressorsDer Schraubenkompressor gehört ebenfalls zur den prozesskritischen Betriebsmitteln. Seine Aufgabe ist es, die Anlageninstrumentierung mit Öl und Druckluft zu versorgen. Das Kriti-sche daran ist, dass eine ausbleibende Druckluftversorgung zu Fehlfunktio-nen der Anlageninstrumentierung führt, was wiederum fehlerhafte Mess-werte und somit Schwankungen in der Produktionsregelung zur Folge hat.

Im Widerstandstemperatursensor (Resistance Temperature Detector,

66 USD. Darauf folgte eine dritte Ana-lyse für 6.000 Stunden, die eine Kosten-einsparung von 46 USD pro Stunde ergab. Eine vierte Analyse für 8.000 Betriebsstunden ergab schließlich eine Einsparung von 36 USD pro Stunde.

Dank der Weibull-Analyse konnte das ABB-Team dem Kunden mehrere Möglichkeiten vorschlagen. Nach sorg-fältiger Überlegung waren sich MEGA und ABB einig, dass ein Umbau bzw. eine Modifizierung des Systems einer Instandhaltungsstrategie mit regel-mäßigem Austausch vorzuziehen sei. Die vereinbarte Modifizierung um-fasste die Installation eines Drucksys-tems zur Aktivierung der Gleitring-dichtung 9 .

Die Kosten der Modifizierung (zwei Dichtungen pro Pumpe) liegen bei ungefähr 90.000 USD. Die Zuverlässig-keit der Maßnahme wird durch regel-mäßige Datenanalyse mithilfe der Weibull-Methode überwacht. So kann die Verbesserung der Zuverlässigkeit durch die Verlängerung der MTBF über den ursprünglichen Wert hinaus bestimmt werden.

Eine Möglichkeit zur Verbesserung der Datenanalyse ist der Einsatz von Zuverläs-sigkeitssoftware mit statistischer Analyse-funktionalität. In den drei beschriebenen Fällen wurde eine solche Software für die Entscheidungsfindung eingesetzt. Wichtig bei der Wahl der Software ist, dass sie in der Lage ist, Weibull-Analysen durchzufüh-ren. Mithilfe der Weibull-Methode wird die Kategorie eines Ausfalls – frühzeitig, zufällig oder verschleißbedingt – auf Basis der Betriebszeit (d. h. des Betriebsmittelalters), nach der eine Komponente ausfällt, identifi-ziert bzw. modelliert. Da die Weibull-Analy-se die meisten Daten besser umsetzen kann als andere Modelle und schon mit relativ kleinen Datenmengen eine genaue Ausfallanalyse liefern kann, ist sie das am weitesten verbreitete Modell zur Bestim-mung der Betriebsmittelzuverlässigkeit und hat sich als bevorzugte Methode zur Modellierung und Analyse von Ausfall-mustern herauskristallisiert.

Infobox 2 Auswahl der Zuverlässigkeitssoftware

Nachdem die Beurteilung für einen ABB Full-Service-Standort erfolgreich durchge-führt wurde, hilft die „Unterstützung nach der Beurteilung“ bei der Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse und Empfehlun-gen zur Verbesserung der Standortperfor-mance. Für jede Anlage wird eine maß-geschneiderte Strategie entwickelt, die die individuellen Herausforderungen und Verbesserungsmöglichkeiten am Standort widerspiegelt. Diese Verbesserungsmöglich-keiten werden dann in einen schritt weisen Plan umgesetzt. Dieser Prozess wurde auch bei MEGA angewandt, um die Ergebnisse aus der Beurteilung aufzugreifen und die Betriebsmittelzuverlässigkeit am Standort zu verbessern. ABB arbeitete eng mit MEGA zusammen, um zu unter suchen, wie der Standort von einer höheren Zuverlässigkeit profitieren würde. Anschließend erarbeitete das ABB-Team spezifische Möglichkeiten für zuverlässigkeitsorientierte Verbesse-rungsinitiativen.

Infobox 1 Post-Assessment Assistance

9 Derzeitige Lösung des American Petroleum Institute (API) zur Installation an Pumpen a und die neue vom API vorgeschlagene Lösung b . Selbst die Prozessbedingungen können verändert werden: Auslegungsbedingung ist der Druck auf die Dichtung.

AustrittAustritt

Entlüftung, normalerweise offen Entlüftung, normalerweise offen

Druckanzeiger

Druck-anzeiger

Flüssigkeitszufuhr, normalerweise geschlossen

Druckschalter (hoch)

Füllstandschalter (niedrig)

Druckschalter (niedrig)

Kühlspirale

Eingang Kühlung

Füllstandanzeiger

Druckschalter (hoch)

Druckquelle, normalerweise geschlossen

Blasen-speicher

Ablass, normalerweise geschlossen

Öffnung

Reservoir

Ausgang Kühlung Temperaturanzeiger

Rippenrohr(alternatives Reservoir)

Flüssigkeitszufuhr, normalerweise geschlossenAblass,

normalerweise geschlossen

EintrittEintritt

DichtungSeitenansicht

DichtungSeitenansicht

a b

Nach der 80/20-Regel sind 80 % der Probleme bzw. Verluste auf 20 % der Betriebsmittel oder Prozesse zurückzuführen.

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69ABB Technik 2/2009

Zuverlässigkeitsanalyse

Nachhaltige Ergebnisse

Zur Durchführung einer Zuverlässig-keitsanalyse erfasste das ABB-Team zunächst alle historischen Ausfalldaten der Messumformer für den Zeitraum von 2001 bis 2008 aus dem CMMS. Als Nächstes modellierte das Team mithil-fe der Zuverlässigkeitssoftware eine Zuverlässigkeitskurve, um mögliche Ausfallmuster zu identifizieren 14 .

Eine einfache grafische Darstellung der Daten führte zu überraschenden Ergebnissen. Der errechnete MTBF-Wert lag bei 61 Monaten bzw. ca. 5 Jahren, während andere in der Industrie verwendete Geräte dieser Art eine MTBF zwischen 25 und 150 Jahren aufweisen. Daher führte das ABB-Team weitere Datenanalysen und Prüfungen ähnlicher Geräte unter Laborbedingungen durch. Dabei zeig-te sich, dass das Problem tatsächlich innerhalb des Geräts lag und die Ursa-che im Design des OEM-Herstellers zu finden war. Das Ergebnis der Analyse führte zu Gesprächen zwischen MEGA

serung des MTBF-Werts beobachten und sich der nächsten vorherrschen-den Ausfallart widmen.

Zuverlässigkeitsanalyse eines Temperatur-MessumformersTemperatur-Messumformer werden in prozesssensitiven, automatisierten Regelungen eingesetzt. Aufgrund von zahlreichen Ausfällen im Laufe des Vorjahrs wurden diese Betriebsmittel für die Analyse ausgewählt. Die Aus-fälle schienen zufälliger Natur zu sein

(d. h. ohne vorherrschendes Ausfall-muster), was eine Verbesserung der Zuverlässigkeit erschwerte.

rung reduziert und die Zuverlässigkeit gesteigert? Um das Maß der Zuverläs-sigkeitsverbesserung beurteilen zu können, wurde eine Weibull-Analyse durchgeführt.

Bei einer MTBF von 3.042 Betriebs-stunden vor der Modifizierung und einer MTBF von 5.000 Betriebsstunden nach der Modifizierung beträgt die tatsächliche Verbesserung ca. 2.000 Betriebsstunden. Dies entspricht einer Steigerung der MTBF von 19 % 12 , 13 . Das ABB-Team wird nun die Verbes-

10 Zur Reduzierung von Ausfällen aufgrund von Vibrationen wurde der RTD-Sensor a b mit einem Dämpfungselement c ausgestattet.

11 Defektes RTD-Kabel, verursacht durch starke Vibrationen im System

12 Zuverlässigkeitsfunktion des RTD vor der Modifizierung (gemäß Weibull-Analyse mit zwei Parametern und maximaler Genauigkeit) a und nach der Modifizierung (gemäß Weibull-Analyse mit zwei Parametern und linearer Regression) b .

100959085807570656055504540353025201510

5

100959085807570656055504540353025201510

5

Alter (Stunden) Alter (Stunden)0 700 1.400 2.100 2.800 3.500 4.200 4.900 0 1.100 2.200 3.300 4.400 5.500 6.600 7.700

Beta = 0,92Eta = 2.918,85

R35% = 3.000Vor der Modifizierung

R35% = 5.200Vor der Modifizierung

Beta = 1,00Eta = 5.000

Zuve

rläss

igke

it (Ü

berle

bens

wah

rsch

einl

ichk

eit

in %

)

Zuve

rläss

igke

it (Ü

berle

bens

wah

rsch

einl

ichk

eit

in %

)

Mittlere Lebensdauer = 3.042 StundenGenauigkeit = 97,13 %

Mittlere Lebensdauer = 5.000 StundenGenauigkeit = 100 %

a b

a b c

Die Weibull-Analyse deckt sowohl frühzeitige als auch zufällige und verschleißbedingte Ausfallmuster ab.

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70 ABB Technik 2/2009

Zuverlässigkeitsanalyse

Nachhaltige Ergebnisse

Strategie zur Instandhaltung der Betriebsmittel ist ange-sichts der vielen Möglichkei-ten und Anforderungen (vor-beugende Instandhaltung mit festen Austauschintervallen, regelmäßige Inspektionen, zustandabhängige Wartung, Austausch von Investitions-gütern und Anforderungen an Instandhaltungsressour-cen) kein leichtes Unterfan-gen. Mit der Wahl der opti-malen Instandhaltungsstrate-gie steigt auch die Wahr-scheinlichkeit einer Reduzie-rung der Betriebskosten, Steigerung der Zuverlässig-keit und Verfügbarkeit und somit einer zuverlässigeren Produktion. Darüber hinaus können Initiativen unterstützt werden, die die Wertschöp-fung für den Kunden, die Bevölkerung und ABB glei-chermaßen positiv beeinflus-sen.

Fernando Vicente

Hector Kessel

ABB Full Service®

Buenos Aires, Argentinien

[email protected]

[email protected]

Richard M.Rockwood

ABB Process Automation Full Service,

Oil, Gas, and Petrochemical

Minneapolis, MN, USA

[email protected]

Weiterführende Literatur

Desaegher, J. (2008): „Outsourced maintenance:

The ABB Full Service® solution“. ABB Review Special

Report: Process Automation Services and Capabili-

ties: 79–83

Kleine, B. „Was ist Zuverlässigkeit? Das Paradigma

der Zuverlässigkeit im Wandel“. ABB Technik 1/2009:

34–37

leistung relativiert, sodass die Instand-haltungskosten insgesamt niedriger ausfallen.

Es gibt verschiedene Strategien und Werkzeuge, die zur Entscheidungsfin-dung im Hinblick auf die Instandhal-tung und den Austausch von Betriebs-mitteln herangezogen werden können. Ziel dieser Entscheidungen ist es, die Instandhaltungsstrategie zu bestimm-ten, die zur Erhaltung der Systemfunk-tion erforderlich ist. Dabei kann ins-besondere Zuverlässigkeitssoftware mit Weibull-Funktionalität zu besse-ren, objektiven Entscheidungen beitra-gen.

Um sich in einem globalen Umfeld behaupten zu können, benötigt ein Unternehmen nicht nur eine hohe Verfügbarkeit, sondern auch eine hohe Zuverlässigkeit seiner Betriebs-mittel. Doch die Wahl der richtigen

und dem OEM-Hersteller, woraufhin MEGA für frühere Ausfälle entschädigt wurde. Im Gegenzug erhielt der OEM-Hersteller Daten für die Entwicklung einer verbesser-ten Version.

Hohe Zuverlässigkeit hat hohe PrioritätDer starke Wettbewerb und die derzeitige weltweite Finanzkrise zwingen Unter-nehmen dazu, nach Mitteln und Wegen zu suchen, ihre Betriebskosten zu senken. Ein beliebter Ansatz ist es, die Ausgaben für die Betriebsmittelinstandhaltung zu reduzieren. Dies ist jedoch kurzsichtig, denn verschobe-ne Investitionen machen sich häufig zu einem späteren Zeitpunkt bemerkbar und können dann zwei- bis fünf-mal mehr kosten, als wenn bereits in der Frühphase eines sich ankündigenden Ausfalls entsprechende Maß-nahmen getroffen worden wären.

MEGA erhielt eine Entschädigung für frühere Ausfälle, und der OEM-Hersteller bekam Daten für die Entwicklung einer verbesserten Version.

Eine rechtzeitige Instandhaltung von Betriebsmitteln und die damit verbun-dene Verbesserung der Zuverlässigkeit senkt die Kosten, die sich sowohl aus der Unzuverlässigkeit von Betriebsmit-teln als auch aus einer prozessbezoge-nen Unzuverlässigkeit ergeben. Beides zusammen sorgt wiederum für eine höhere betriebswirtschaftliche Perfor-mance und höhere Gewinne. Außer-dem können angesichts der gesteiger-ten Produktionskapazität infolge der höheren Verfügbarkeit zusätzliche Geschäfte generiert werden. Und schließlich werden die Kosten für zusätzliche Investitionen in Betriebs-mittel durch die höhere Produktions-

13 Vergleich der Zuverlässigkeitskurven. Nach der Modifizierung des RTD-Sensors verbesserte sich die MTBF um 19 %.

Betriebsstunden RTD original RTD modifiziert

100

80

60

40

20

040 10

0

300

700

1.00

0

1.50

0

2.00

0

3.00

0

4.00

0

5.00

0

6.00

0

7.00

0

8.00

0

Zuve

rläss

igke

it (%

)26 %

45 %

14 Zuverlässigkeitskurve für Temperatur-Messumformer

100959085807570656055504540353025201510

5

Alter (Monate)

0 15 30 45 60 75 90 105

Beta = 3,06Eta = 68,45

Zuve

rläss

igke

it (Ü

berle

bens

wah

rsch

einl

ichk

eit

in %

)

Mittlere Lebensdauer = 61,19 MonateGenauigkeit = 96,39 %

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71ABB Technik 2/2009

Vorschau 3/2009

Die Zukunft der elektrischen Energieversorgung

Die Elektrizität ist eine Triebfeder der Wirtschaft und der Gesellschaft, wie wir sie kennen. Doch es ist nicht nur die grundsätzliche Verfügbarkeit dieser Energie, die wir für so selbstverständ-lich halten. Sowohl industrielle als auch private Verbraucher erwarten mit Recht, dass die Versorgung mit elektrischer Energie den höchsten Anforderungen in puncto Zuverlässig-keit und Berechenbarkeit genügt.

Die Infrastruktur, die dies ermöglicht, entwickelt sich ständig weiter und muss sich rasch verändernde Anforde-rungen erfüllen. So bedeutet ein ver-stärkter Energiehandel, dass Elektrizi-tät über größere Entfernungen trans-portiert werden muss, was wiederum neue Anforderungen an die Infrastruk-tur stellt. Die rasche Entwicklung in manchen Schwellenländern führt zu umfangreichen Investitionen in die Fernübertragung, um die Versorgung der großen Städte sicherzustellen. Gleichzeitig sorgt die Suche nach alter-

nativen Energiequellen für einen Boom im Bereich der regenerativen Energien. Die schwankende Verfügbar-keit dieser Quellen ist wiederum mit neuen Herausforderungen verbunden, zum Beispiel bei der Einsatzplanung oder aufgrund der Konzentration dieser Quellen in dünn besiedelten Gebieten, in denen die vorhandene Infrastruktur für derartige Leistungs-flüsse nicht ausgelegt ist. All diese Faktoren erfordern neue Ansätze für die Planung und den Betrieb der Stromversorgungseinrichtungen. Eine mögliche Lösung ist der Übergang zu sogenannten „intelligenten Netzen“, in denen modernste Steuerungs- und Überwachungsmethoden eine bisher nie da gewesene Flexibilität in der Nutzung der Übertragungsinfrastruktur ermöglichen – und zwar ohne Abstri-che in puncto Zuverlässigkeit und Robustheit. Einige der hierzu erforder-lichen Technologien werden in der nächsten Ausgabe der ABB Technik vorgestellt.

Editorial BoardPeter TerwieschChief Technology OfficerGroup R&D and Technology

Clarissa HallerHead of Corporate Communications

Ron PopperManager of Sustainability Affairs

Axel KuhrHead of Group Account Management

Friedrich PinnekampVice President, Corporate Strategy

Andreas MoglestueChief Editor, ABB [email protected]

HerausgeberDie ABB Technik wird herausgegeben von ABB Group R&D and Technology.

ABB Asea Brown Boveri Ltd.ABB Review/REVCH-8050 ZürichSchweiz

Die ABB Technik erscheint viermal pro Jahr in Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Chinesisch und Russisch. Die ABB Technik wird kostenlos an Personen abgegeben, die an der Technologie und den Zielsetzungen von ABB interessiert sind. Wenn Sie an einem kostenlosen Abonnement interessiert sind, wenden Sie sich bitte an die nächste ABB-Vertretung, oder bestellen Sie die Zeit-schrift online unter www.abb.com/abbreview.

Der auszugsweise Nachdruck von Beiträgen ist bei vollständiger Quellenangabe gestat-tet. Ungekürzte Nachdrucke erfordern die schriftliche Zustimmung des Herausgebers.

Herausgeber und Copyright © 2009ABB Asea Brown Boveri Ltd.Zürich, Schweiz

Satz und DruckVorarlberger Verlagsanstalt GmbHAT-6850 Dornbirn, Österreich

LayoutDAVILLA Werbeagentur GmbHAT-6900 Bregenz, Österreich

ÜbersetzungThore Speck, Dipl.-Technikübersetzer (FH)D-24941 Flensburg, Deutschland

HaftungsausschlussDie in dieser Publikation enthaltenen Infor-mationen geben die Sicht der Autoren wie-der und dienen ausschließlich zu Informa-tionszwecken. Die wiedergegebenen Infor-mationen können nicht Grundlage für eine praktische Nutzung derselben sein, da in jedem Fall eine professionelle Beratung zu empfehlen ist. Wir weisen darauf hin, dass eine technische oder professionelle Bera-tung vorliegend nicht beabsichtigt ist. Die Unternehmen der ABB-Gruppe übernehmen weder ausdrücklich noch stillschweigend eine Haftung oder Garantie für die Inhalte oder die Richtigkeit der in dieser Publikation enthaltenen Informationen.

ISSN: 1013-3143

www.abb.com/abbreview

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Connect emission-free power to the grid?

Naturally.

ABB is helping construct the world’s largest offshore wind farm. Using our eco-friendly transmission technology, this 400-megawatt plant is expected to avoid 1.5 million tons of CO2 emissions per year and improve the reliability of the power grid. It’s just one of the ways that we, as the biggest supplier of electrical products and services for the wind industry, can use renewable power sources to help combat climate change. www.abb.com/energyeffi ciency

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