11. Deutscher Lebertag - 20. November 2010 11. Deutscher Lebertag 20. November 2010.
grün:fläche WiSe 2010/11
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Liebe Student_innen,
ihr haltet die zweite Ausgabe der grün:fläche in
den Händen. Diese Zeitung wird herausgegeben
von campus:grün köln. Wir sind eine partei-
enunabhängige Hochschulgruppe an der Uni
Köln. Unserem Selbstverständnis nach sind wir
geschlechtergerecht und basisdemokratisch or-
ganisiert. Wir treffen uns in lockerer Runde jeden
Dienstag um 1 9:30 Uhr im Raum C über dem AStA
Café - Eingang Studiobühne (Eine Wegbeschrei-
bung gibts auf unserer Homepage), um uns über
pol itische Themen auszutauschen, zu diskutieren
und Veranstaltungen zu planen.
Am 1 2. Oktober werden wir wieder ein Kennen-
lerntreffen veranstalten, wo wir unsere Gruppe,
unsere Aktivitäten und die 'demokratische' Struk-
tur der Uni vorstel len möchten. Zu diesem möch-
ten wir dich herzl ich einladen. Insgesamt sol l es
also ein netter Abend für al le Menschen werden,
die sich schon immer mal gefragt haben, was wir
denn eigentl ich so machen oder die sich überle-
gen, auch mal die Hochschule aktiv gestalten zu
wollen. Aber auch bei jedem anderen wöchentl i-
chen Treffen kannst du natürl ich gerne vorbei-
kommen.
Nach den gescheiterten Verhandlungen für einen
neuen AStA (siehe http://ukoeln.de/928WI), ha-
ben wir im letzten Semester mit vielfältigen Aktio-
nen, sei es im Bildungsstreik oder auf dem
Campus, auf uns und unsere Anl iegen aufmerk-
sam gemacht.
Vom 1 3. bis zum 1 7. Dezember finden wieder die
studentischen Wahlen statt. Hier würden wir uns
natürl ich über deine Stimme und Unterstützung
sehr freuen.
Fal ls ihr Interesse an uns oder unseren Themen
habt, kommt doch zu einer unseren Veranstaltun-
gen oder zu unserem Kennenlerntreffen am
1 2. Oktober.
Mehr Infos über uns und weitere Termine:
www.campusgruen.uni-koeln.de
Wie sich Schwarz-Gelb die Atomenergie vom
Kölner EWI schön rechnen lässt
Als „Revolution in der Energieversorgung“ bezeich-
nete Kanzlerin Merkel den „Energiefahrplan 2050“
der Bundesregierung. Der Beschluss zur Laufzeitver-
längerung der Atomkraftwerke um zehn bis 1 4 Jah-
re zeigt jedoch, dass die Regierung primär die
Interessen der Atomlobby vertritt. Denn wenig
spricht für eine Laufzeitverlängerung. Als Grundlage
für den Energiefahrplan l ieß sich die Regierung ein
Gutachten vom Energiewirtschaftl ichen Institut
(EWI) der Uni Köln erstel len. Dieses ist an die WISO-
Fakultät angegl iedert und erhält nach einem im Jah-
re 2008 geschlossenen Kooperationsvertrag je vier
Mil l ionen Euro von Eon, RWE und dem Land NRW,
das damals noch schwarz-gelb regiert wurde. Im Köl-
ner Stadtanzeiger vom 31 .1 0.09 sprach RWE-Vor-
stand Rolf-Martin Schmitz davon, dass die Tatsache,
dass das Land NRW ebenfal ls Geld gibt, verhindern
würde, dass es zu Gefäl l igkeitsgutachten kommen
könne. Diesen Eindruck kann das aktuel le Gutach-
ten jedoch nicht bestätigen.
Darüber hinaus sind die Vorgaben der Bundesregie-
rung zu kritisieren. So bezog sich die Studie al leine
auf wirtschaftl iche Aspekte, ökologische Auswirkun-
gen sol lten nicht behandelt werden. Die Fragestel-
lung war, inwieweit ein „Ausstieg aus dem
Ausstieg“ die Strompreise senken könne. Das Sze-
nario des Atomausstiegs, wie er von Rot-Grün ge-
plant war, wurde dabei nicht berücksichtigt. Eine
Laufzeitverlängerung war deshalb eine schon im
Vorhinein beschlossene Sache, unabhängig da-
von, ob dies aus wirtschaftl icher oder ökologi-
scher Perspektive sinnvol l ist.
Außerdem gab es weitere Unstimmigkeiten in-
nerhalb der Studie. In der Financial Times
Deutschland vom 28.09.201 0 ist zu lesen, dass in
der Diskussion um Laufzeitverlängerungen keine
fairen Zahlen verwendet werden. So würde
Atomstrom mit 3,9 Cent pro Kilowattstunde sub-
ventioniert. Dies schl ießt Mittel für die Forschung,
Sti l legung und Sicherung von alten Kraftwerken
sowie schl ießl ich die teure „Endlagersuche“ ein,
dessen Ende nicht abzusehen ist.
Auch die entwicklungspol itische NGO German-
watch hat bei einer Analyse des Gutachtens eini-
ge Unregelmäßigkeiten gefunden. So rechnet das
Institut etwa mit sinkenden Steinkohl- und Uran-
preisen bis 2050, wodurch eine Preissenkung von
Atom- und Kohlestrom stattfinden würde. Für
viele Expert_innen ist dies jedoch sehr unwar-
scheinl ich.
Doch selbst ohne diese Unstimmigkeiten kann das
Gutachten keine wesentl ichen Strompreissenkun-
gen durch eine Laufzeitverlängerung feststel len.
Atomkraft ist aber auch aus anderen Gründen keine
Energie der Zukunft. Die unlösbare Endlagerfrage -
das Problem, eine sicherere Lagerstätte für 240.000
Jahre lang strahlendes Material zu finden - ist schon
Grund genug aus dieser Technologie schnel lstmög-
l ich auszusteigen. Unkalkul ierbare Risiken wie zum
Beispiel Wassereinbruch können zu radioaktiver
Kontaminierung führen, die zu Lasten von zukünfti-
gen Generationen gehen. Die KiKK-Studie aus dem
Jahre 2007, die im Auftrag des Bundesamtes für
Strahlenschutz durchgeführt wurde, zeigt, dass das
Krebsrisiko im 5km Umkreis von Atomkraftwerken si-
gnifikant steigt. Unter anderem zeigt sich ein um
1 1 8% gestiegenes Leukämierisiko für Kinder. Auch
beim Abbau des Urans, der häufig in Ländern mit ge-
ringen Arbeitsschutzmaßnahmen stattfindet, ist das
Gesundheitsrisiko nicht nur für die Bergarbeiter_in-
nen hoch, sondern auch für die Menschen, die in
der Umgebung wohnen. Desweiteren ist die Reak-
torsicherheit nur bedingt gewährleistet. Eine
1 00%ige Sicherheit der Atomkraftwerke, die al le aus
den 70er und 80er Jahren stammen, ist nicht gege-
ben, da sich Unfäl le oder Anschläge immer ereignen
können.
Neben dem EWI war auch das Schweizer Institut Pro-
gnos an dem Gutachten für die Bundesregierung be-
teil igt. Vor wenigen Monaten hat das Institut in
einer anderen Studie herausgefunden, dass eine
95%ige Treibhausgasreduktion bis 2050 ohne Lauf-
zeitverlängerung möglich ist, in der aktuel len Studie
für die Bundesregierung werden ledigl ich 85% ver-
anschlagt. Dies zeigt deutl ich, dass die Laufzeitver-
längerung zu einer Verdrängung von regenerativen
Energien führt und deren Ausbau deshalb langsa-
mer voran geht. Mit dem Atomausstieg sind daher
wesentl ich ehrgeizigere Emissionsreduktionsziele
möglich. Die Argumentation Atomkraftwerke als
„Kl imaretter“ darzustel len ist damit eindeutig, und
ohne dies zu intendieren, widerlegt. Auch in Zu-
kunft werden die großen Energieunternehmen auf
bereits abgeschriebene, bil l ige AKWs setzen und
deswegen weniger in erneuerbare Energien investie-
ren. Außerdem werden in absehbarer Zeit flexiblere
Kraftwerke für die Stromproduktion benötigt. Die
Stromproduktionsmenge kann bei Atomkraftwer-
ken aber nur schwierig an die schwankende Pro-
duktionsmenge der erneuerbaren Energien
angepasst werden. Kommt es an besonders windi-
gen oder sonnigen Tagen zur Überproduktion, wer-
den bevorzugt regenerativ stromerzeugende
Kraftwerke abgeschaltet, da sie flexibler sind. AKWs
laufen dagegen weiter, weil deren Hoch- und Run-
terfahren für die Energiekonzerne teuer ist. Erneuer-
bare Energien werden somit unrentabler, was deren
nötigen Ausbau verhindert. Damit den Anbieter_in-
nen von erneuerbaren Energien keine Nachteile
entstehen, werden sie entschädigt. Die Kosten da-
für tragen nicht etwa die unflexiblen Atomstroman-
bieter, sondern natürl ich die Endnutzer_innen.
Durch den Atomausstieg würde keine Stromversor-
gungslücke entstehen, wie eine Studie des Umwelt-
bundesamtes bereits 2008 herausfand. Derzeit ist
Deutschland sogar Stromexporteur - bedenkt man
dabei noch die Effizienzziele der Bundesregierung,
nach denen Deutschlands Energieverbrauch zu-
künftig fal len sol l , ist das Vesorgungsargument un-
haltbar.
Das Ziel einer dezentralen Stromproduktion kann
mit Atomkraftwerken ebenfal ls nicht erreicht wer-
den. Es gibt nur vier große Energieunternehmen in
der BRD, die den Markt kontrol l ieren und als einzige
Anbieter Atomkraftwerke besitzen. Eine Verlänge-
rung der Laufzeit stärkt ihre Marktmacht und
verringert den Wettbewerb auf dem Strom-
markt. Dies führt zu höheren Energiepreisen.
Die dezentrale Stromproduktion dagegen kann
gewährleisten, dass die Gewinne nicht auf weni-
ge Energieriesen fäl lt, sondern auch Stadtwerke,
Kommunen oder Einzelne profitieren können.
Ökostromanbieter sind schon heute eine Alter-
native zu den großen Energiekonzernen. Sie
nehmen ihre ökologische Verantwortung wahr
und reduzieren die Abhängigkeit von fossilen
Brennstoffen. Gerade bei der Diskussion um die
Laufzeitverlängerung sol lte auch die Knappheit
des Rohstoffs Uran bedacht werden. Die Preise
des Ökostroms dagegen sind nicht von der Ver-
knappung der Ressourcen abhängig und häufig
nicht einmal teurer als konventionel le Anbie-
ter_innen. Den Atomausstieg könnt ihr über
einen Wechsel des Energieanbieters ganz ein-
fach in die eigenen Hände nehmen. Hierfür
empfehlen sich im Besonderen die Anbieter, die
ihre Gewinne in den Neubau von Anlagen zur
Erneuerbaren Energie stecken. Eine Liste findet
ihr unter www.atomausstieg-selber-machen.de.
Zusätzl ich müssen wir aber natürl ich auch Druck
auf die Regierenden ausüben, damit der Atom-
ausstieg doch schnel lstmöglich umgesetzt wird.
Hierfür bieten sich auf jeden Fal l die Proteste
gegen den Castor-Transport im November im
Wendland an.
(von Timo Gedlich und Oliver Tietjen)
Von Lobbys und Atomenergie-Gutachten
Ausgabe 2 - Wintersemester 201 0/201 1
Dienstag, 1 2.1 0.201 0
Kennenlernabend campus:grün köln
Beginn: 1 9.30 Uhr - Ort: Raum C (Über dem AStA Café)
Donnerstag, 1 4.1 0.201 0
Podiumsdiskussion zusammen mit Oikos und Misereor:
"Wirtschaftswachstum – Rezept gegen Armut?"
Beginn: 1 9.30 Uhr - Ort: Raum XXIV (Wiso-Schlauch)
Donnerstag, 21 .1 0.201 0
Info- & Mobiveranstaltung: Castor-Proteste Wendland
Beginn: 1 9.30 Uhr - Ort: Hörsaal XI I I (Hauptgebäude)
Termine
Im Jahr 2000 zeigten sich nach jahrzehntelangen Pro-
testaktionen der Anti-AKW-Bewegung endl ich erste
Erfolge. Die Restlaufzeit für die Atomkraftwerke wur-
de im Rahmen des so genannten Atomkompromisses
auf 32 Jahre festgelegt. Die BRD beschloss als eines
der ersten Länder weltweit, aus der Atomkraft auszu-
steigen. Dieser Teilerfolg, der noch immer viele Gefah-
ren zul ieß, führte leider dazu, dass die
Anti-Atom-Bewegung schrumpfte und der Großteil
der ehemaligen Gegner_innen sich entspannt zurück-
lehnte. Erst dadurch war es möglich eine Rücknahme
dieses Kompromisses in Angriff zu nehmen.
Mit der jetzt erfolgten Laufzeitverlängerung durch die
schwarz-gelbe Bundesregierung wurde die BRD wie-
der ganz weit ins Atomzeitalter zurückgeworfen.
Gleichzeitig wurde die Förderung für regenerative
Energieformen eingeschränkt.
Im Wendland, dem Landstrich rund um das kleine nie-
dersächsische DorfGorleben, hat die Anti-Atom-Bewe-
gung schon seit langem ihren Ausgangspunkt. Seit
1 979 der Standort für das geplante Endlager aufGorle-
ben festgelegt wurde, hat sich hier eine Protestkultur
entwickelt, die ihresgleichen sucht.
Zeitgleich mit der Laufzeitverlängerung wird im Okto-
ber die Erkundung des Salzstocks Gorleben wieder
aufgenommen, die durch ein Moratorium der rot-grü-
nen Bundesregierung gestoppt wurde. Für die Bewoh-
ner_innen des Wendlandes ist dies eine doppelte
Kriegserklärung.
Auch in diesem Herbst werden
wieder viele Tonnen Atommüll
aus dem Wiederaufbereitungs-
lager in La Hague (Frankreich)
nach Gorleben transportiert.
Diese Transporte sind die Kri-
stal l isationspunkte für den Pro-
test gegen die Atomkraft. Die
Mobil isierung läuft auf Hoch-
touren und für den Protest wer-
den so viele Menschen
erwartet wie schon lange nicht
mehr. Schon beim letzten Trans-
port vor zwei Jahren sprach
man von einer Wiederaufste-
hung der Anti-Atom-Bewe-
gung. Am 6. November wird
der zentrale Demonstrations-
zug von Gorleben zum Zwi-
schenlager ziehen. Bundesweit wird es wieder Busse
nach Gorleben geben - natürl ich auch aus Köln. Wir
werden diese auf unserer Homepage bewerben. In
den Tagen nach der Demo wird es verschiedene Prote-
ste an den Schienen und auf der Straße gegen den Ca-
stor-Transport geben.
Wir werden in der dritten Woche des Semesters eine
Informations- und Mobil isierungsveranstaltung zu
den Protesten gegen den Castor organisieren. Diese
findet am 21 . Oktober um 1 9:30 im Hörsaal XI I I
(Hauptgebäude) statt. Weitere Informationen gibt es
auch auf unserer Homepage:
www.campusgruen.uni-koeln.de
Kommt ins Wendland - auf nach Gorleben: Der Castor bleibt auf der Strecke
Vor 201 2 kein Platz für Solarstrom auf dem Kölner
Uni-Campus
Die Bedeutung von erneuerbaren Energien zur Be-
schränkung der Erderwärmung wird heute kaum
noch bestritten. Universitäten, als wichtige gesel l-
schaftl iche Institutionen, beteil igen sich jedoch nur
im geringen Maße an der nötigen Energiewende. Die
Situation an der Uni Köln ist besonders schlecht – ver-
altete, energieineffiziente Gebäude und der Bezug
von fossiler Energie zeichnen die jetzige Situation aus.
Die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen
hat daran einen erhebl ichen Anteil . Unis können und
wollen es sich nicht leisten, mehr für den Klimaschutz
zu tun. Seit nunmehr zwei Jahren bereitet cam-
pus:grün auch deshalb den Bau einer von Student_in-
nen finanzierten Photovoltaikanlage (PV) auf einem
Uni-Gebäude vor.
Unter dem Namen „UniSolar“ wurde 2007 in Leipzig
das erste Projekt dieser Art umgesetzt. Student_innen
erreichten dort die Instal lation einer PV-Anlage auf
dem geisteswissenschaftl ichen Zentrum. Betreiber
der Anlage dort ist das Studentenwerk, doch finan-
ziert wurde sie zu einem großen Teil von Student_in-
nen. Mit fast 70.000€ zahlten sie mehr als ein Drittel
der Anlage. Der Betrag setzt sich jedoch nicht aus
Spenden, sondern aus Mikrokrediten von 250€ pro
Student_in zusammen. Über einen Zeitraum von 1 0
Jahren erhalten die Kreditgeber_innen neben der jähr-
l ichen Tilgungsrate eine Rendite von 4% auf ihre Einla-
ge. Aufgrund des „Erneuerbare Energien Gesetztes“
(EEG) ist die Einspeisevergütung für den Strom auf 20
Jahre festgelegt. Das Risiko für die Student_innen ist
daher minimal . Gegenüber Spenden hat dieses Beteil i-
gungsmodel l den Vorteil , dass die Student_innen lan-
ge in das Projekt eingebunden sind, ihr Geld zurück
erhalten und Klimaschutz somit nicht als etwas Kost-
spiel iges erlebt wird.
UniSolar Köln
Ähnliche Projekte entstanden bald in Hannover, Ber-
l in, Karlsruhe und Heidelberg. Heute sind 24 Initiati-
ven im bundesweiten UniSolar-Netzwerk
zusammengeschlossen. campus:grün Köln ist eben-
fal ls vertreten. Im April 2009 fand auch ein Netzwerk-
treffen in Köln statt. Auf die Umsetzung unseres
Projekts müssen wir al lerdings noch zwei Jahre war-
ten.
Zentral gelegen, große Dachflächen, wenig Verschat-
tung – die Hauptmensa war von Beginn an unser favo-
risiertes Gebäude. Im Januar 2009 stel lten wir unsere
Idee beim Studentenwerk, als Betreiber, und später
bei der der Uni, als Besitzerin der Mensa, vor. Bei bei-
den war die Resonanz groß, die Voraussetzungen für
weitere Schritte waren also gegeben. Mit Solar Pro-
gress hatten wir ein verlässl iches Unternehmen gefun-
den, das uns beratend zur Seite stand und die
Bauplanung übernehmen sol lte. Es folgten weitere Ge-
spräche mit Studentenwerk und Uni sowie eine ge-
meinsame Besichtigung des Mensadachs im Sommer
2009. Beide scheuten jedoch Haftung und Verwal-
tungsaufwand und wollten deshalb nicht Betreiber
der PV-Anlage werden.
Nach monatelanger Betreibersuche wurden wir
schl ießl ich fündig: die fairpla.net e.G.. Die Genossen-
schaft betreibt bereits mehrere Bürger_innensolaran-
lagen und initi iert mit ihren Gewinnen
Selbsthilfeprojekte in Entwicklungsländern. Zusätzl ich
stel lte uns der BUND-NRW-Landesverband bis zu
50.000€ als Einlage in Aussicht. Eine mit 60kWpeak-
Leistung wesentl ich größere Solarstromanlage hätte
damit errichtet werden können. Das Mensadach hätte
fairpla.net für einen symbolischen Euro von der Uni
mieten können und Student_innen hätten sich mit An-
teilen ab 200€ für 20 Jahre an den 200.000€ Gesamtko-
sten beteil igen können. Die Geduld, die wir in den
Verhandlungen mit Studentenwerk und Uni gezeigt
hatten, schien sich auszuzahlen.
Doch kurz bevor wir mit dem Werben für Mikrokredite
auf dem Campus beginnen wollten, kam die vorzeiti-
ge Absage seitens des Studentenwerks. Das Konjunk-
turpaket I I der Bundesregierung sorgt für Geld in den
Kassen des Studentenwerks. Konsequenz: Die Mensa
wird umgebaut. Wann genau mit der Sanierung be-
gonnen wird, ist jedoch noch unklar. Feststeht, dass
„vor 201 2 der Umbau nicht abgeschlossen sein wird“,
wie uns ein Vertreter des Studentenwerks mitteilte.
Vor al lem angesichts der Kürzung der
Solarstromvergütung durch die
schwarz-gelbe-Bundesregierung (ab
Jul i 201 0 wurde sie um 1 3%, ab Okto-
ber um weitere 3% gekürzt), wol lten
wir eine zeitnahe Umsetzung des Pro-
jekts. Wir erkundigten uns deshalb
nach anderen Gebäuden des Studen-
tenwerks und der Uni. Wir erhielten je-
doch für al le Gebäude ein Absage.
Entweder Verschattung oder Sanie-
rungsarbeiten standen unserem Vorha-
ben im Weg.
Energiewende? Bitte nicht in Köln!
Unser vorzeitiges Fazit fäl lt ernüchternd aus. Was in
anderen Städten meist innerhalb eines Jahres umge-
setzt werden konnte, braucht in Köln vier Jahre. Zwar
wollen wir den Vertreter_innen des Studentenwerks
und der Uni nicht ihr Bemühen absprechen, doch
stel lt sich uns die Frage, ob die Bedeutung des Kl ima-
wandels auch schon in Köln angekommen ist. Auf
dem neuen Seminargebäude beispielsweise kann kei-
ne PV-Anlage instal l iert werden, da der Architekt ein
„Copyright“ darauf hat und nicht möchte, dass es
durch Solarmodule „verschandelt“ wird, wohlge-
merkt: es handelt sich dabei um ein Flachdach!
Schl ießl ich wollten wir wenigstens eine rechtl ich un-
bedeutende Absichtserklärung für die Errichtung der
PV-Anlage auf der Mensa aushandeln. Dies hätte den
Einstieg in das Projekt in zwei Jahren erleichtert, da
wesentl iche, bereits ausgehandelte Punkte darin hät-
ten festgehalten werden können. Dies ist ebenfal ls
nicht gewünscht, da in die Erklärung Uni und Studen-
tenwerk hätten eingebunden werden müssen und
dies zu aufwendig sei. Ledigl ich das Kölner Studen-
tenwerk tut sich mit einer PV-Anlage auf einem
Wohnheim der humanwissenschaftl ichen Fakultät
positiv hervor. Die Anlage stammt al lerdings aus den
90ern, seit dem ist nicht viel passiert. Andere Unis
sind hier wesentl ich weiter. Zum Beispiel bezieht in
Hessen ein Großteil der Hochschulen Strom aus er-
neuerbaren Energien.
Immerhin beachtet die Uni Köln die gesetzl ichen Min-
destanforderung bei der Sanierung und dem Bau von
Gebäuden, wie uns versichert wurde. Viel mehr
scheint hier jedoch vorerst nicht möglich zu sein. Es
bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung die Solar-
energie bis 201 2 nicht kaputt gekürzt hat und wir mit
der Errichtung des – aus unserer Sicht – wunderschö-
nen solaren Campus beginnen können.
Weitere Infos: www.unisolar-netzwerk.de,
www.fairpla.net und www.solar-progress.de
(von Oliver Tietjen)
Viele Dächer, wenig Licht
Umweltfreundliches Verhalten – ein Problem der Verantwortung?Was bewegt unser Handeln in der Gesel lschaft? Wie
kommt unser Verhalten zu Stande? Ein gängiges psy-
chologisches Erklärungsschema ist, dass sich Handeln
aus Einstel lungen ableitet und durch Verstärker modi-
fiziert und aufrechterhalten wird. Bei umweltfreundl i-
chem Verhalten hat sich jedoch gezeigt, dass
verstärkende Anreize nur so lange wirken, wie sie
auch präsent sind. Eine langfristige Verhaltensände-
rung stel lt sich nicht ein.
Gerade im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes
scheint unser Handeln nicht so einfach zu erklären zu
sein und oft handeln wir unserem Wissen entgegen,
sei es aus Bequemlichkeit, Vergessl ichkeit oder Resi-
gnation. Wir leben in einer Zeit, in der die Warnungen
von Expert_innen stetig lauter werden. Wenn wir un-
ser Kl ima und unsere (Um-)Welt retten wollen, muss
unsere Generation Verantwortung übernehmen und
konsequent umweltbewusst handeln - weltweit. Der
Al ltag sieht anders aus. Was sind Prädiktoren für um-
weltbewusstes Handeln im Alltag? Diese Frage haben
Auhagen und Neuberger¹ am Umweltverhalten einer
Gruppe von Student_innen un-
tersucht. In Anlehnung an eine
Theorie der Verantwortung von
Hans Jonas untersuchten sie
den Einfluss der drei Komponen-
ten „Sol len“ – normative Über-
zeugung sich umweltfreundl ich zu verhalten;
„Wollen“ – emotionales Bedrohungsempfinden, das
veranlasst sich umweltbewusst zu verhalten; und
„Können“ – Handlungsalternativen für umweltbewus-
stes Verhalten und Vorl iegen umweltpol itischer Ein-
flussmöglichkeiten. Für die Sol lens- und
Wollenskomponenten fanden sich positive Zusam-
menhänge zu umweltbewusstem Handeln im Alltag,
nicht jedoch für die Könnenskomponente. Den größ-
ten Einfluss hatte das Sol len, also die normative Ein-
stel lung gegenüber der Umwelt. Zusammen mit dem
Angsterleben gegenüber Umweltzerstörung scheint
sie ein Prädikator für umweltfreundl iches Handeln zu
sein.
Was ist also das Problem? Ein Mangel an moral ischer
Verpfl ichtung gegenüber unserer Umwelt und eine zu
große emotionale Distanz? Natürl ich sind dies nur Be-
funde einer älteren Studie mit recht kleiner Stichpro-
be. Trotzdem lohnt sich die Frage, welche Hindernisse
normativer Verpfl ichtung und emotionaler Betroffen-
heit im Wege stehen könnten. Die Problematik, sich
umweltbewusst zu verhalten, ruht auch auf den kom-
plexen Distanzverhältnissen. Es l iegen keine einfa-
chen Ursache-Wirkungs-Verhältnisse vor, die wir
wahrnehmen können. Dies l iegt zum einen an der
Komplexität unseres Ökosystems und zum anderen
an der schwer greifbaren räumlichen und zeitl ichen
Distanz der Konsequenzen unseres Handelns. Deswe-
gen können wir auch keine direkte „Schuldzuschrei-
bung“ vornehmen und müssen Verantwortung
gegenüber der Umwelt als kol lektive Verantwortung
begreifen.
Zudem liegt hier ein klassisches Kol lektivgüter-Dilem-
ma vor, bei dem aus einem begrenzten Pool kol lekti-
ver Ressourcen geschöpft wird. Es handelt sich hierbei
um ein soziales Dilemma, bei dem die vorteilhafteste
Handlung für die/den Einzelne_n, wenn von al len ge-
wählt, sich für al le Beteil igten schädl ich auswirkt. Die
Einzelnen wählen die für sie kurzfristig vorteilhafteste
Handlung, das heißt den Konsum, die Ressourcenver-
schwendung etc.. Aggregiert man diese Handlungen
auf, tragen al le einen Schaden davon. Wenn wir nicht
kol lektiv schonend mit Ressourcen umgehen, werden
die Folgen verheerend sein. Solange wir jedoch einen
individuel len Nutzen davon tragen nicht zu verzich-
ten, ist es schwer dies zu tun. Vor al lem, wenn wir das
Gefühl haben, dass andere dies auch nicht tun, da kei-
ne sogenannten deskriptiven Normen, die Wahrneh-
mung, dass dieses Verhalten von anderen gebil l igt
wird oder nicht, dagegen sprechen. Mehr Beispiele
umweltbewussten Verhaltens im Alltag würden hier
ihren Teil tun. Sei es umweltbewusstes Verhalten von
Personen der Öffentl ichkeit oder Regularien der Uni-
versität zum Umweltschutz wie beispielsweise eine So-
laranlage auf der Mensa, die aufmerksam macht, dass
es sozial anerkannt und sinnvol l ist Strom aus erneu-
erbaren statt konventionel len Energien zu beziehen.
Es ist nur al lzu menschl ich und psychologisch durch-
aus sinnvol l , nicht in konstanter Angst vor der Zerstö-
rung des Planeten zu leben. Problematisch ist es
jedoch, wenn zum Schutze des eigenen Gewissens
und der angenehmen Empfindung jegl iche Reflexion
über Konsequenzen unseres Handelns für die Weltbe-
völkerung, nachfolgenden Generationen aber auch
unsere persönl iche Lebensqual ität in einigen Deka-
den oder viel leicht auch Jahren ausgelassen wird.
Wenn das Verantwortungsbewusstsein ein wesentl i-
cher Prädikator für umweltbewusstes Verhalten ist,
muss mehr Information, aber auch vor al lem Diskussi-
on darüber im öffentl ichen Raum stattfinden, um die-
se kol lektive Verantwortung auch begreifl ich zu
machen und Handlungen anzuregen.
¹ Auhagen, A. E. & Neuberger, K. (1 994). Verantwor-
tung gegenüber der Umwelt: Eine Studie über um-
weltbewusstes Handeln. Gruppendynamik 26 (3), S.
31 9-332.
(von Maruschka Schmitz)
Kölner Unistudent_innen schimpfen über Fachhoch-
schüler_innen, die Uni über das Land NRW und al le ge-
meinsam über die Umsetzung des Bologna-Prozesses.
Was ist nur bei der Masterplatzvergabe im Sommer
201 0 schief gelaufen? Wirtschafts- und Sozialwissen-
schaftl iche Fakultät Köln, August 201 0: Viele Bachelor-
Student_innen der WiSo-Fakultät mussten mit Er-
schrecken feststel len, dass ein Bachelor-Abschluss
selbst mit einer Endnote von 1 ,9 nicht zum erhofften
Masterplatz an der l ieb gewonnenen Uni reicht. Vor al-
lem Kölner BWL-Student_innen fühlen sich von der
Uni im Stich gelassen. Auf 21 5 Masterplätze im Be-
reich „Business Administration“ gab es über 1 700 Be-
werber_innen. So manchem wird jetzt klar, dass die
Konkurrenz sich nicht nur aus den eigenen Reihen zu-
sammensetzt, sondern auch Fachhochschüler_innen
und Student_innen anderer Unis um die begehrten
Plätze buhlen.
Die Zunahme der Konkurrenz um die begrenzte An-
zahl von Masterplätzen, ergibt sich aus der nationalen
Umsetzung des Bologna-Prozesses. Dieser sieht den
Bachelor als einen berufsqual ifizierenden Abschluss
an, welcher den Master nicht zwingend notwendig
macht. Student_innen sol len damit schnel ler in das
Berufsleben gebracht werden. Der dadurch entstande-
ne Mangel an Masterplätzen wird deutl ich, wenn man
die Studierendenanfänger_innenzahlen des BWL-Ba-
chelors und die gleichzeitige Masterplatzsituation ver-
gleicht. Auf etwa 1 000 BWL-Bachelor-Studierende, die
das Studium an der Uni Köln bisher pro Jahr begon-
nen haben, kommen nur 21 5 Masterplätze. Im Zuge
des Hochschulpakts I I , der ab 201 1 mehr Studieren-
denplätze für Studienanfänger_innen schaffen sol l ,
wird sich dieses Verhältnis in den kommenden Jahren
unter Umständen noch verschlechtern. Dies ist ein ge-
nerel les Problem, meist unabhängig davon, an wel-
cher Fakultät studiert wird. Die Uni ist sich diesem
Mangel durchaus bewusst. Stel lvertretend betont Wi-
So-Studiendekan Mell is in einer Stel lungnahme auf
der Uni-Homepage: „Die Aufteilung der Kapazität auf
die Bachelor- und Masterstudiengänge wurde mit
dem Ministerium abgestimmt. Sie drückt nicht das In-
teresse der Fakultät aus, sondern ist Ausdruck der pol i-
tischen Zielsetzung“.
Während die Uni jegl iche Verantwortung von sich
weist, haben die Student_innen neben der Uni einen
weiteren Sündenbock gefunden. Mitte August konnte
man sich die Haltung vieler gefrusteter Student_in-
nen auf einer Diskussionsveranstaltung anhören, wel-
che die Fachschaft WiSo kurzfristig organisiert hatte.
FH-Student_innen und Student_innen anderer Unis
wurden hierbei als Student_innen zweiter Klasse ab-
gestempelt, die nun den Kölner Student_innen die
Plätze wegnehmen. O-Ton: „An Fachhochschulen be-
kommen die Leute ihre Noten sowieso hinterher ge-
schmissen!“. Wenn ganze Lebensträume zerplatzen,
sind solche Reaktionen natürl ich menschl ich nachvol l-
ziehbar, gehen aber gleichzeitig ein Stück an der Real i-
tät vorbei. Nur knapp 1 4% der gesamten
WiSo-Masterplätze gingen an FH-Student_innen.
Statt sich mit dem Grundproblem, der mangelnden
Anzahl an Masterplätzen, auseinanderzusetzen, ver-
l iert sich die Kölner Student_innenschaft in einer Dis-
kussion um Schuldige und wie man möglichst vielen
„Kölner“ Bachelor-Student_innen einen Masterplatz
verschafft. An diesen protektionistischen Gedanken
orientiert sich auch der im Studierendenparlament
vertretene „Ring Christl ich Demokratischer Studieren-
der“ (RCDS) in Köln in einer Pressemitteilung.
Eines wird deutl ich: Mit einem schützendem Zulas-
sungssystem für Student_innen der eigenen Uni wird
sich in Zukunft die Möglichkeit eines Studienplatz-
wechsels für viele Student_innen noch weiter er-
schweren. Vergessen sind die Ideen des Kölner
Bildungsstreiks, der in den letzten Semestern mit der
Forderung „Masterplätze für al le“ auf die Straße zog.
Stattdessen werden Auswahlkriterien diskutiert, die
möglichst zum eigenen Vorteil ausgestaltet sein sol-
len. Die Diskussion gipfelt in dem Wunsch der Uni,
einen kostenpfl ichtigen „Taugl ichkeitstest“ (GMAT)
an der WiSo-Fakultät einzuführen. Die Studierfähig-
keit der eigenen Bachelor-Student_innen würde hier-
bei angezweifelt. Ein komischer Gedanke einer
Universität, die sich gerade im wirtschaftswissen-
schaftl ichen Bereich als internationale Spitzenuniver-
sität versteht. Die Universität zu Köln sol lte sich
unserer Meinung nach eher bemühen, beim Land
NRW Rahmenbedingungen einzufordern, die eine hö-
here Masterplatzanzahl ermöglichen und harte Selek-
tionsmechanismen obsolet machen. Ohne weiteren
Druck von Seiten der Student_innenschaft, wird es
bei diesem Thema aber in absehbarer Zeit keine
deutl ichen Verbesserungen geben.
(von Thomas Heise)
Protektionismus statt großem Protest – Zur Masterplatzsituation an der Uni Köln
Zur Abschaffung der Studiengebühren in NRW
Bei den Landtagswahlen wurde die Regierungskoal iti-
on von CDU und FDP abgewählt. Nach einigem Hin
und Her beschlossen die Fraktionen von SPD und Grü-
nen, auf die Linkspartei zu verzichten und bildeten ei-
ne Minderheitsregierung. Während des Wahlkampfes
wurde versprochen die Studiengebühren abzuschaf-
fen. Der genaue Zeitpunkt war damals noch nicht klar
und variierte zwischen Sommersemester 201 1 und ir-
gendwann im Jahr 201 3, wobei man sich beeilte klar
zu stel len, dass die Aussagen von Hannelore Kraft, zur
Abschaffung im Jahr 201 3, nicht so gemeint waren
und der frühstmögliche Termin geprüft werde. Ob-
wohl es in beiden Parteien weiterhin Studiengebüh-
renbefürworter_innen gibt - es sei erwähnt, dass
Rot-Grün mit den Langzeitkonten den Grundstein für
al lgemeine Studiengebühren in NRW legte - scheint
es nun tatsächl ich wahr zu werden: Die Gebühren wer-
den abgeschafft. Über die genaue Form und den Zeit-
plan wird momentan gestritten.
Es gibt mehrere Punkte, die kritisiert werden müssen:
So sol lten die Kompensationszahlungen, welche die
Hochschulen erhalten sol len, zunächst nach der so ge-
nannten Regelstudienzeit verteilt werden, wodurch
auf viele Student_innen ein erhöhter Druck ausgeübt
worden wäre, ihr Studium zügig zu beenden. In letz-
ter Konsequenz hätte dies zur Einführung von Malus-
punkten für zu wenig belegte Kurse, oder sogar
Zwangexmatrikulationen nach einer bestimmten Se-
mesteranzahl führen können. Darunter hätten im Be-
sonderen arbeitende und kranke Student_innen und
solche, die Angehörige oder Kinder pflegen, gel itten,
oder auch die, die sich besonders für ihr Studienfach
interessieren und daher vertiefend studieren wollen.
Wie es momentan aussieht, könnte die Verteilungsfra-
ge anders gelöst und diese Gefahr somit verhindert
werden. Ein weiterer Punkt ist die Höhe der Kompen-
sationszahlungen an sich. Diese sol len bisher nämlich
nicht von der Höhe der eingeschriebenen Student_in-
nen, sondern von den zuletzt bezahlten Gebühren ab-
hängen und müssen in jedem Haushalt neu
ausgehandelt werden. Zielführender wäre es wahr-
scheinl ich einen Wert festzulegen und diesen an die
Zahl der Student_innen zu koppeln. Al les andere wird
während der doppelten Abiturjahrgänge zu einer
noch stärkeren Unterfinanzierung der Hochschulen
führen. Der letzte und womöglich umstrittenste
Punkt ist der Zeitraum der Abschaffung. Die Rot-Grü-
ne Regierung möchte die Gebühren erst zum Winter-
semester 201 1 /201 2 abschaffen, was bedeutet, dass
in ihrer Amtszeit noch ein Jahr lang die sozial selekti-
ve Wirkung von Studiengebühren verhindern würde,
dass al le Menschen, die gerne studieren wollen, auch
die Möglichkeit dazu erhalten. Viele Gruppen und Or-
ganisationen haben das Gefühl , dass Rot-Grün nicht
al le Möglichkeiten auslotet, das Gesetz früh genug
für eine Abschaffung bereits zum Sommersemester
201 1 auf den Weg zu bringen. So wurden beispiels-
weise durch das Aktionsbündnis gegen Studienge-
bühren (ABS) Vorschläge gemacht, wie es vermutl ich
früher möglich wäre, die Gebühren abzuschaffen.
Rot-Grün ist auf diese Vorschläge noch nicht erschöp-
fend eingegangen. Warum die Landesregierung sich
bisher nicht auf eine Abschaffung zum Sommerseme-
ster 201 1 einlässt, ist unklar. Geht es darum, 249 Mil-
l ionen Euro zu sparen? Wird sich Sorgen darüber
gemacht, dass die FDP gegen den Haushalt klagen
könnte? Gibt es einfach zuviel Nervosität aufgrund
der Minderheitenregierung?
Herauskommen könnte ein Minimalkompromiss. Da-
her muss es unser Ziel sein, weiterhin für die
schnel lstmögliche Abschaffung der Gebühren zu
streiten, anstatt sich zurück zu lehnen oder aufzuspal-
ten. Denn dies hat schon zu häufig dazu geführt, dass
Erfolge innerhalb kürzester Zeit wieder rückgängig
gemacht wurden. Leider haben das nicht al le verstan-
den. So entsol idarisierte sich der Bundesvorstand von
Campusgrün, in dem al lerdings keine aktiven Mitgl ie-
der von NRW-Hochschulgruppen vertreten sind, in ei-
ner Pressemitteilung vom ABS und den
Student_innen NRWs, in dem sie die Forderungen der
Grünen als die einzig möglichen und die Forderun-
gen des ABS und des Landes-ASten-Treffen (LAT) als
gefährl ich darstel lten. Mehrere grüne Hochschul-
gruppen in NRW, unter anderem campus:grün köln,
versuchten durch eigene Erklärungen den Schaden
möglichst zu begrenzen. Für die Grünen und die SPD
ist ein Angriff auf das ABS letztendl ich ein Schnitt ins
eigene Fleisch, da diese ohne das ABS al leine den
wirtschaftsnahen Lobbygruppen, wie zum Beispiel
dem Stifterverband, entgegen treten müssten.
Machen wir uns nichts vor - nur, wenn wir weiterhin
gemeinsam für offene und demokratische Hochschu-
len kämpfen, können wir etwas erreichen. Denn die
Abschaffung der Studiengebühren ist ledigl ich der
erste Schritt. Im Jahr 201 1 sol l das Landeshochschul-
gesetz überarbeitet werden. Eine gute Gelegenheit
um weitere Probleme aus unserem Alltag zu strei-
chen.
(von Jonas Thiele)
Intransparenz bei Bayer-Kooperation mit der Uni
Bereits in der letzten grün:fläche haben wir uns mit
dem Kooperationsvertrag zwischen der Unikl inik Köln
und der Bayer HealthCare AG beschäftigt. Nun haben
die Kritiker_innen dieser Zusammenarbeit durch den
Landesdatenschutzbeauftragten Unterstützung be-
kommen. Seit 2008 arbeitet der Pharmakonzern auf
verschiedenen medizinischen Gebieten mit der Unikl i-
nik zusammen. Während die Unikl inik, als öffentl iche
Einrichtung, Grundlagenforschung betreibt und Pati-
ent_innenfäl le l iefert, stel lt Bayer wissenschaftl iche
und finanziel le Mittel zur Verfügung. Solch ein Public-
Private-Partnership-Model l ist zwar heute nicht mehr
unüblich, al lerdings handelt es sich bei der Zusam-
menarbeit mit der Universität Köln um die bis dahin
weitreichendste des Landes.
Der steigende Einfluss von privaten Unternehmen auf
öffentl iche Einrichtungen wie Universitäten schlägt
zunehmend hohe Wellen. Von Kritker_innen bemän-
gelt wird vor al lem die Tatsache, dass weder Bayer
noch die Kl inik sich dazu verpfl ichtet fühlen, ihren Ko-
operationsvertrag offen zu legen. Dies wirft natürl ich
einige Fragen auf – so ist zum Beispiel unklar, inwie-
weit der Vertrag zusammen erarbeitet wurde und wie
viel Einfluss die Unikl inik auf die betriebenen Studien
hat. Befürchtungen, dass die Ergebnisse vor ihrer Ver-
öffentl ichung Bayer vorgelegt werden müssen und
eventuel le Misserfolge verschwiegen werden, stehen
im Raum. Auf einen Fragenkatalog an die Vertrags-
partnerinnen, unterzeichnet von verschiedenen Ver-
bänden und Organisationen, wurde bislang nicht
reagiert. Als Grundlage für ihre Verschwiegenheit ver-
weisen Unikl inik und Bayer auf das 2002 in Kraft getre-
tene Informationsfreiheitsgesetz des Landes (IFG
NRW), das einerseits zwar regelt, welche Informatio-
nen von öffentl ichem Interesse sind und daher zu-
gängl ich gemacht werden müssen, solche aus dem
Bereich Forschung und Lehre jedoch gleichzeitig da-
von befreit, eingesehen werden zu können. Es ent-
stünde ein Wettbewerbsnachteil und eine
Gefährdung von Betriebsgeheimnissen, sol lte der
Vertrag publik gemacht werden.
Im Jul i äußerte sich der Landesdatenschutzbeauftra-
ge Ulrich Lepper zu diesem Fal l . Er unterstützt die
Forderung der Kritiker_innen, den Vertrag offen zu le-
gen und sieht keinen Einschnitt in die Wissenschafts-
freiheit. Es ginge darum, Rahmenbedingungen des
Vertrags zu veröffentl ichen, aus denen keine Schlüsse
über Forschungsinhalte oder aktuel len Forschungs-
stand zu ziehen seien. Rechtl ich bindend ist die Aus-
sage des Datenschutzbeauftragten jedoch nicht.
Daher ist vorerst nicht damit zu rechnen, dass sich die
Universität von dieser Empfehlung umstimmen lässt.
Durch ihren Pressesprecher, Dr. Patrick Honecker, l ieß
sie bereits verlauten, dass die Wissenschaftsfreiheit
höher eingeschätzt werde als die Informationsfrei-
heit. Es wird Zeit für klare, gesetzl iche Richtl inien, die
sich mit der wachsenden Zahl solcher Partnerschaf-
ten befassen.
Das vol lständige Schreiben des Landesdatenschutz-
beauftragen kann auf der Webseite der Coordination
gegen Bayer-Gefahren, www.cbgnetwork.de, einge-
sehen werden.
(von Philip Oeser)
Science for a better li(f)e?Wann wirds mal wieder endlich gebührenfrei?
Der Gendergap
Statt des übl ichen Binnen-I (StudentInnen) nutzen wir
den „Gender Gap“ (Student_innen). Diese Schreibwei-
se geht auf die Queer-Theorie zurück. Das Binnen-I
schl ießt zwar Frauen in den Sprachgebrauch ein, ze-
mentiert jedoch gleichzeitig die Zweigeschlechtl ich-
keit. Dieses binäre Verhältnis spiegelt aber nicht die
gesel lschaftl iche Real ität wider. Der „Gender Gap“
schl ießt auch al l diejenigen ein, die sich keinem Ge-
schlecht eindeutig zugehörig fühlen oder fühlen wol-
len (wie zum Beispiel Intersexuel le, Transgender oder
Transsexuel le).
„Wil lkommen zu einem neuen Abenteuer von Andi
und seinen Freunden. Wie ihr sicher schon aus den er-
sten beiden Heften wisst, setzt sich Andi für Demokra-
tie und gegen Extremismus ein.“ Diese
verheißungsvol len Sätze, die Jugendl iche als Sprech-
blasentext neben der Comicfigur-Version Dr. Ingo
Wolfs (ehemaliger Innenminister NRWs) bei der Lektü-
re des vom Verfassungsschutz NRWs publizierten Co-
mics begrüßen sol len, heißen die Leser_innen
zugleich wil lkommen auf den Spuren imposanter be-
griffl icher Leere.
Sobald pol itische Bewegungen oder Positionen diffa-
miert werden sol len, ist die Rede nämlich nicht, wie es
noch vor einiger Zeit übl ich zu sein pflegte, von Radi-
kal ismen, sondern vom „Extremismus“. Radikal hat
nach Karl Marx schl ießl ich den analysierenden Griff an
die Wurzel des Gegenstandes zur Bedeutung, der
zum Ziel der Kritik wird, sodass der Begriff des Radika-
l ismus durchaus mit dem jeweil igen Selbstverständ-
nis konform zu gehen vermochte. In welcher Hinsicht
diese Radikal ität nun bestand, erforderte eine differen-
zierte Betrachtung der jeweil igen politischen Denkmo-
del le, inklusive langwieriger theoretischer
Erörterungen und ähnl ichen unbequemen Umwegen.
Viel einfacher gestaltet sich das Vorgehen, wenn man
simplifizierend al l das, was der eigenen Position fern-
zustehen scheint oder sich gar im widersprüchl ichen
Verhältnis hierzu befindet, mit einem einzigen Begriff
versieht. Natürl ich unter Vernachlässigung al ler inhalt-
l icher Differenzmomente.
Das Resultat ist ein Begriff, der letztl ich nichts über sei-
nen Gegenstand aussagen kann. Definiert werden sol l
er über die Gegnerschaft zur so genannten Freiheit-
l ich demokratische Grundordnung (FdGo), die der
Bundeszentrale für pol itische Bildung zufolge sowohl
Normen und Ordnungsprinzipien des demokrati-
schen Verfassungsstaates, als auch die ökonomische
Verfasstheit desselben, umfasst. Extremistisch sei dar-
über hinaus die Opposition gegen gesel lschaftl iche
Plural ität und Toleranz, wie auch die Verwendung mo-
nokausaler Erklärungsschemata. Das jeweil ige Verhält-
nis zur FdGo fungiert dann als al leiniges
Definitionsmerkmal, wenn nicht mehr von Radikal is-
mus, sondern von Extremismus gesprochen werden
sol l . Die vorherrschende Gesel lschaftsordnung und
der ihr angeblich immanente Erneuerungsdiskurs bö-
te durchaus Raum für radikale Meinungsgehalte, aber
gegen die FdGo zielende Aktivitäten wären als extre-
mistische Bestrebungen verfassungsrechtl ich stets zu
beobachten. Dem Verfassungsschutz l iefert diese Klas-
sifizierung dann neben bloßen Benennungsdifferen-
zierungen auch die Definition dafür, welche Objekte
unter die offiziel le Beobachtung fal len und sich im Ver-
fassungsschutzbericht wiederfinden.
Zum Teil verzichtet man auch auf diese mit den Begrif-
fen, radikal sowie extremistisch, operierende Termino-
logie. Der umstrittene Pol itikwissenschaftler Eckard
Jesse, der nicht müde wird vor heraufdämmernden
„Linksextremismus“ zu warnen, greift ausschl ießl ich
auf graduel le Variationen innerhalb des Extremismus-
feldes zurück. Als Hintergrund sol l nicht unerwähnt
bleiben, dass Jesse beispielsweise von der „Initiative
gegen jeden Extremismusbegriff“ begründet Kontak-
te zu Protagonist_innen der Neuen Rechten unter-
stel lt werden, was als außerwissenschaftl iche
Motivation solche Begriffsverwendungensaspiratio-
nen plausibel macht. Das Kernstück der Extremismus-
theorie ist das (implizite) Postulat einer abgrenzbaren
politischen Mitte. Problematische Positionen erschei-
nen dann außerhalb dieses neutralen Konstrukts ange-
siedelt, sodass dieses gegen jene verteidigt werden
muss. Inhärent ist dieser Logik die formale Gleichheit
von al lem, was einmal als extremistisch stigmatisiert
wurde. Ergo wird al les Extremistische auch in gleicher
Weise bekämpft – neuerdings sogar aus denselben
(begrenzten) Finanztöpfen. Diesem Versuch der Dele-
gitimation sehen sich diverse Kräfte des l inken Spek-
trums ausgesetzt, seien es Antifaschist_innen,
Linksautonome, Umweltaktivist_innen oder emanzi-
patorische Kulturprojekte. Verschleiert wird mit der
Annahme dieses „Hufeisenmodel ls“, dessen „extremi-
stische“ Enden sich womöglich auch noch zukünftig
berühren könnten, die Existenz und Konsensfähigkeit
zahlreicher Versatzstücke nationalsozial istischer oder
deutschnational istischer Ideologie in der gesamtge-
sel lschaftl ichen „Mitte“, sodass Kritik an dieser mit Hil-
fe des Extremismusbegriffs tabuisiert wird. Außerdem
können Überschneidungen vermeintl ich nicht-extre-
mistischer konservativer Strömungen, für die eigene
Strukturkategorien formuliert werden, mit rechts-„ex-
tremistischem“ Gedankengut der Thematisierung ent-
zogen werden.
Entgegen dieser Klassifikationspraxis, die letztl ich kei-
ne Erklärung für das vorgefundene soziale Phänomen
liefern kann, muss anerkannt werden, dass auch „ex-
tremistische“ Einstel lungen im gesel lschaftl ichen All-
tag wurzeln und genau diese gesel lschaftl iche
Bedingtheit Eingang in die Analyse finden muss. Wil l
man nämlich eine Reduktion auf bloße Deskription
verhindern, auf die der Extremismusbegriff unweiger-
l ich zurückfäl lt, wenn anstatt einer Definition auf eine
Addition von Merkmalen, die sein Wesen bestimmen
sol l , verwiesen wird, wird die Zuwendung zu dem Ur-
sachenkomplex rechter Einstel lungen erzwungen. Sol-
che Einstel lungen werden oft, wie der Bielefelder
Konfl iktforscher Wilhelm Heitmeyer darlegt, von Älte-
ren an Jüngere weitergegeben, wobei nur letztere auf-
grund sichtbarerer Gewaltneigungen die
Problemwahrnehmung selektiv prägen. Rechtsextre-
mismus wird so zum Jugendproblem (v-)erklärt. Ge-
nau solche Reproduktionsmechanismen innerhalb
der vermeintl ichen „Mitte“, wie die Weitergabe zwi-
schen Generationen, geraten durch den Extremismus-
begriff aus dem Blick. Darüber hinaus erweist sich
solch ein suggeriertes bipolares Achsenmodel l , beste-
hend aus der einen Mitte zwischen zwei Extremen, als
unterkomplex. Dieser Umstand l ieß alternative, doch
bisher leider wenig beachtete, zweidimensionale Pol i-
tikmodel le entstehen, deren Skalen einerseits zwi-
schen Marktfreiheit und sozialer Gerechtigkeit und
andererseits zwischen Liberal ismus und Autoritaris-
mus differenzieren (vgl . das Model l Gero Neugebau-
ers) und so die eindimensionale Logik durchbrechen.
Fragt man nämlich nach substanziel len Unterschie-
den zwischen *sehr *l inken und *sehr *rechten Posi-
tionen, die einen identifizierenden (Sammel-)Begriff
verunmöglichen, so lässt sich in Anschluss an Bern-
hard Schmid das Argument in Anschlag bringen, dass
sich innerhalb der Bandbreite l inker Pol itik sowohl
emanzipatorische, als auch reaktionäre Entwicklun-
gen finden lassen, während rechte Agitation stets
darauf zielt, (zumeist als natürl ich verklärte) gesel l-
schaftl iche Hierarchiebildungen zu legitimieren und
vorgefundene Ressentiments in mobil isierungswirk-
same Programmatik zu überführen. Beides in seiner
Mannigfaltigkeit an Variationen kategorial gleichzu-
setzen hat also einen aussagelosen Oberbegriff zur
Folge, der nur von dem Hintergrund eines Konstrukts
pol itischer Mitte Bestand haben kann.
Auf eine andere Ebene zielen strukturel l orientierte
Extremismuskonzeptionen, die eine Gruppierung ge-
nau dann als extremistisch ausweisen, wenn Kriterien
wie eine dogmatisch ausgelegte Programmatik, das
Bestehen strenger Hierarchien und die Reduktion
menschl ichen Seins auf pure Funktion, mithin die ein-
hergehende Liquidation des Individuums, erfül lt wer-
den. Solche übergreifenden Strukturmerkmale zum
Teil inhaltl ich gegensätzl icher pol itischer Bewegun-
gen, die im Sinne von Befürchtungen einer „Quer-
front“ nicht ignoriert werden dürfen, l ießen sich zwar
sinnvol l begriffl ich fassen, doch kann dies ein Extre-
mismusbegriff solange nicht leisten, wie er in seiner
Funktion als Kampfbegriff Teil konkreter pol itischer
Kalküle ist. Vergleichbar erging es schon sehr viel frü-
her dem Total itarismusbegriff, der Kommunismus
bzw. Stal inismus in die Analyse antizivil isatorischer
Systemformen integrieren sol lte, was vom Faschis-
musbegriff so nicht geleistet werden konnte. Doch
auch er wurde zum Propagandainstrument und ist
somit, spätestens seitdem er den Kalten Krieg ideolo-
gisch begleitete, als normativer Begriff zu verstehen.
Gerade aufgrund der exekutiven Gleichsetzung theo-
retisch diskutierter Paral lelen, die den notwendigen
legitimen Diskussionsraum über kol lektive Zukunfts-
fragen einschränkt, ist dem derzeitig ziemlich in Mo-
de gekommenen Extremismusbegriff und damit
zugleich der Generalapotheose*(Erklärung im Kasten)
der pol itischen „Mitte“ entgegenzutreten!
Zumindest bei den Comics steht das Mittel der Wahl
glückl icherweise schon bereit: als Antwort auf „ANDI“
brachte die antifaschistische „Gruppe 5“ aus Marburg
das kritische Gegencomic „MANDI“ heraus, das ihr
euch unter http://mandi.blogsport.de/ anschauen
oder gleich bestel len könnt, um Menschen in eurer
Umgebung auf diese Problematik aufmerksam zu
machen.
(von Cedric Waßer)
Wider jeden Extremismusbegriff?
Die reaktionären Kinder der deutschen „Revolution“
Student_innenverbindungen und Burschenschaf-
ten an der Uni Köln
An der Uni Köln gibt es etwa 30 Student_innenverbin-
dungen. In die Uniöffentl ichkeit trauen sich diese al-
lerdings eher selten. Solange man nicht das Pech hat,
in der Nähe eines Burschenschafts- oder Verbindungs-
hauses zu wohnen, kann man die Herren in den alber-
nen Uniformen (meistens sind keine Damen
zugelassen) höchstens am Erstsemester_inneninfotag
betrachten.
Die Verbindungen können nach folgenden Kriterien
grob gegl iedert werden: 1 . Danach, ob die Verbin-
dung schlagend oder nichtschlagend ist. Das heißt,
ob ihre Mitgl ieder die Mensur fechten (rituel les Fech-
ten, bei dem sich die Mitgl ieder ihre Schmisse holen)
oder nicht. Bei den Schlagenden ist noch zu unter-
scheiden zwischen pfl ichtschlagenden und den fakul-
tativ (also freiwil l ig) schlagenden Verbindungen. 2.
Danach, ob die Verbindung farbentragend oder nicht-
farbentragend ist. Also danach, ob die Korporations-
mitgl ieder die Farben des Verbindungswappens in
Form von Uniform, Bändern und Mützen zu bestimm-
ten Anlässen am Körper tragen oder nicht. 3. Danach,
ob die Verbindung konfessionel l gebunden ist oder
nicht.
Auch wenn es vereinfacht ist, ist
es nicht ganz falsch zu sagen,
dass in der Regel Verbindungen,
die nicht farbentragend sind,
weniger reaktionär sind als die
Farbentragenden. Diejenigen,
die nichtschlagend sind, sind weniger reaktionär als
die Schlagenden. Praktisch al le schlagenden Verbin-
dungen sind zugleich farbentragend.
Obwohl sich die Burschenschaften zu ihren Zielen auf
ihren Homepages eher wortkarg geben, lässt sich aus
ihrer Mitgl iedschaft in Dachverbänden doch recht viel
über die pol itische Ausrichtung dieser Gruppen her-
ausfinden. So sind in Köln drei Burschenschaften Mit-
gl ieder des Dachverbands „Deutsche Burschenschaft“
(DB), und zwar die „Kölner Burschenschaft Aleman-
nia“, „Kölner Burschenschaft Germania“ und die „Köl-
ner Burschenschaft Wartburg“. Ihr Wahlspruch lautet
„Ehre - Freiheit - Vaterland”. Es werden keine Frauen,
Ausländer, Homosexuel le und Kriegsdienstverweige-
rer aufgenommen. Die DB wird von einer völkisch-na-
tional istischen Pol itik bestimmt. So fordert die DB
zum Beispiel die Rückgabe der im zweiten Weltkrieg
verlorenen deutschen Ostgebiete. Die meisten DB-
Burschenschaften verfügen über gute Kontakte zu
neonazistischen Kreisen oder sind selbst diesem La-
ger zuzuordnen. Veranstaltungen mit NPD-Funktio-
nären in Burschenschaftshäusern sind an der
Tagesordnung. Die „Kölner Burschenschaft Germania“
etwa bekennt sich in ihrem Selbstverständnis freimü-
tig dazu, al le drei Strophen des Deutschlandl iedes zu
singen und ein lockeres „Von der Maas bis an die Me-
mel, von der Etsch bis an den Belt“, ebenso wie
„Deutschland über al les“, aus ihrem Haus erschal len
zu lassen.
Aber auch andere Verbindungen, die sich etwa unter
dem Dachverband „Coburger Convent“ zusammenge-
schlossen haben, sind pfl ichtschlagend und farbentra-
gend. In Köln sind etwa die „Landsmannschaft
Macaria“ und die „Turnerschaft Merovingia-Zittavia“
Mitgl ied dieses Dachverbandes.
Die Universität verweist auf ihrer Homepage im Be-
reich der privaten Wohnheime unter anderem auch
auf verschiedene Burschenschaften und Verbindun-
gen hin, die Zimmer anbieten. Es sol lte klar sein, dass
es sich bei diesen keineswegs um ideologisch wert-
freie „Wohnheime“ handelt, wie auf der Internetseite
der Universität suggeriert wird. Darüber hinaus ver-
weist die Universität auch im Bereich Hochschulgrup-
pen auf Verbindungen und Burschenschaften. Wir,
campus:grün , haben im vergangenen Semester
einen offenen Brief an das Rektorat verfasst, in dem
wir diesen Umstand kritisieren und die sofortige Strei-
chung der Burschenschaften aus der Wohnheim-Liste
verlangen.
Der Kampf gegen diese pol itisch zweifelhaft motivier-
ten und patriarchal organisierten studentischen Zu-
sammenschlüsse kann aber nicht nur über solche
Verbote laufen. Es bedarf vielmehr permanenter Öf-
fentl ichkeitsarbeit, um auf das Treiben dieser Verbin-
dungen hinzuweisen und ihm Einhalt zu gebieten. In
anderen Städten haben ASten sogenannte „Burschi-
reader“ erstel lt, die die Aktivitäten von Verbindungen
aufdecken. Auch für Köln wäre ein solcher Reader mit
Sicherheit lohnenswert.
(von Fabian Kaske)
Wirtschaftsethik an der Universität zu Köln –
Interview mit Prof. Dr. Bernd Irlenbusch
Die zurückl iegende Diskussion über Verfehlungen
von einzelnen Manager_innen während der Finanzkri-
se ist eine typische Diskussion über fehlende soziale
Verantwortung und die Maximierung des monetären
Eigennutzens auf Kosten der Gesel lschaft. EU-Binnen-
marktkommissar Michel Barnier bringt es im Septem-
ber 201 0 in einem Interview in der „Zeit“ auf den
Punkt: „Banker haben sich unverantwortl ich, unmora-
l isch und unethisch verhalten.“ Wie ist aber ein sol-
ches Verhalten erklärbar? Unter welchen
Organisationsbedingungen findet dies statt? Und wie
lässt es sich vermeiden?
Mit solchen Punkten setzt sich die Forschungsrich-
tung der Wirtschaftsethik auseinander. Die noch rela-
tiv junge Diszipl in versucht ethische und moral ische
Prinzipien auf den Bereich des wirtschaftl ichen Han-
delns anzuwenden. Im engl ischsprachigen Raum ist
das Thema Wirtschaftsethik weitaus populärer als in
Deutschland. Bedeutende Business Schools wie Har-
vard und Stanford, besitzen schon seit den 70er Jah-
ren Wirtschaftsethiklehrstühle. Ethische
Fragestel lungen wurden bislang in wirtschaftl ichen
Fächern an der Universität zu Köln eher wenig beach-
tet. Immerhin durften sich Gesundheitsökonom_in-
nen über Lehrveranstaltungen zum Thema „Ethik des
Gesundheitswesens“ freuen. Prof.'in Dr.'in med. Chri-
stiane Woopen, die auch Mitgl ied des Deutschen Ethi-
krats ist, diskutiert hierbei mit Studierenden
beispielsweise grundlegende Gerechtigkeitsfragen
und diskussionswürdige Themen, wie die Priorisie-
rung von medizinischen Leistungen. Betriebs- und
Volkswirt_innen hatten lange Zeit keine äquivalente
Möglichkeit in Lehrveranstaltungen ethische und mo-
ral ische Fragestel lungen zu behandeln. Studentische
Organisationen wie PEUK und Oikos engagieren sich
deswegen außerhalb vom regulären Lehrangebot
und bieten eigene Veranstaltungen an. Wiederholt for-
derten die Gruppen auch gegenüber dem Dekan der
WiSo-Fakultät, die Schaffung eines Wirtschaftsethik-
lehrstuhls.
Zum Sommersemester 201 0 folgte eine Positivmel-
dung, die auch campus:grün köln freute. In Fol-
ge eines Berufungsverfahrens wurde der
umbenannte, um Wirtschaftsethik ergänzte, Lehrstuhl
für „Al lgemeine Betriebswirtschaftslehre Unterneh-
mensentwicklung und Wirtschaftsethik“ geschaffen.
Lehrstuhl inhaber ist seitdem der Informatiker, Be-
triebs- und Volkswirt Prof. Dr. Bernd Irlenbusch. Seine
Promotion schrieb er unter Betreuung von Reinhard
Selten, dem bekannten Spieltheoretiker und einzigem
deutschen Ökonomie-Nobelpreisträger. Zuletzt war
er Reader an der renommierten London School of Eco-
nomics.
Wie kam es dazu, dass Ihrneues Seminar, neben klassi-
schen betriebswirtschaftlichen Themengebieten wie
allgemeiner BWL und Unternehmensentwicklung,
auch das ThemaWirtschaftsethik behandelt?
Zunächst habe ich mich auf eine Stel le an der Uni
Köln zu „Corporate Development“ (Unternehmensent-
wicklung) beworben. In langen Verhandlungen zur
Besetzung der Stel le mit der Fakultät hat sich gezeigt,
dass es im Bereich Wirtschaftsethik gemeinsame
Interessen gibt. Ich selbst habe mich immer schon für
Fragen der Wirtschaftsethik interessiert, welches in
zahlreichen Forschungsprojekten und Publikationen
sowie in meiner Lehre in London zum Ausdruck
kommt. Auch die Fakultät sah die Notwendigkeit das
Thema Wirtschaftsethik stärker im Lehrangebot zu
verankern. So konnte der neue Lehrstuhl
„Unternehmensentwicklung und Wirtschaftsethik“ an
der Universität zu Köln entstehen.
Welches Ziel verfolgt Ihr Lehrstuhl?
Wir wollen ein Wirtschaftsethiklehrstuhl sein, der in
gewisser Weise komplementär zu anderen deutschen
Ethiklehrstühlen ist. Es gibt nicht viele Wirtschaftsethi-
klehrstühle, die versuchen, die Erkenntnisse aus der
experimentel len Forschung, aus der Psychologie und
der Ökonomie, für die Wirtschaftsethik nutzbar zu ma-
chen. Das ist ein relativ neuer Trend, der in Harvard
entstanden ist. Max Bazerman hat hierbei den Begriff
„Behavioral Ethics“ geprägt. Die Idee dahinter ist, dass
das menschl iche Verhalten auf ethische Fragen hin un-
tersucht wird, beispielsweise wie sich Entscheidungs-
träger in Bezug auf ethische Problemfelder verhalten.
Kann man ethisches Verhalten Ihrer Meinung nach in
Veranstaltungen erlernen?
Wenn man eine Vorlesung über ethische Werte ge-
hört hat, ist das noch lange keine Garantie dafür, dass
man sich auch ethisch verhält. Die Evidenz hierfür ist
relativ gering. Dann stel lt sich die Frage, ob man den
Studierenden viele ethische Theorien aus der Philoso-
phie beibringen sol l . Dies ist bestimmt interessant
und wichtig, es macht aber unser Wirtschaftszusam-
menleben nicht unbedingt besser. Wenn man dann
hinaus in Unternehmen und Organisation geht, dann
ist man so vielen Zwängen unterlegen, dass man zwar
ein ethisches Bewusstsein besitzt, aber nicht unbe-
dingt danach handeln kann. Deswegen ist die Aus-
gangslage interessant, unter welchen Umständen
Menschen unethisch handeln. Darauf aufbauend
kann man sich Mechanismen überlegen, die dieses
Problem lindern können. Der Fokus unseres Lehr-
stuhls l iegt auf dem eingeschränkt rationalen Verhal-
ten der Menschen, angewendet auf moral ische
Probleme. In Lehrveranstaltungen werden wir aber
auch ethische und wirtschaftsethische Theorien leh-
ren.
Was haben Sie für Themen in ihrem ersten Semester
an derUni Köln gelehrt?
In der Veranstaltung „Behavioral Ethics“ haben wir
uns Entscheidungsbiases angeschaut. (Anm. der
Redaktion: „Biases sind regelmäßig beobachtete
Verhaltensmuster bei Entscheidungen, die von
rationalem Verhalten abweichen können") Diese stam-
men eigentl ich aus der psychologischen Forschung.
Ein Bias ist beispielsweise das „Stereotyping“. Also die
unbewusste Einkategoriesierung von Menschen, die
einem das erste Mal begegnen. Anhand von Merkma-
len versucht man den Mensch einzuschätzen und hat
direkt Vorurteile. Es gibt Studien, die belegen, dass
durch diesen Bias bei Vorstel lungsgesprächen man-
che Menschen kategorisch benachteil igt werden.
In Amerika verzichtet man bei Bewerbungen auf Be-
werbungsfotos. IstdieseAntidiskriminierungsmaßnah-
me aus so einer Erkenntnis heraus entstanden?
Ja richtig, genau um diesem Stereotyping nicht zu viel
Raum zu geben. Man versucht eine objektivere Bewer-
tung zu erhalten. Neben diesem Bias gibt es noch wei-
tere Biases, die im wirtschaftl ichen Zusammenleben
eine Rol le spielen. Der „Self Serving Bias“ ist einer von
ihnen. Wenn man sich überlegt, was eine faire Vertei-
lung von Gewinnen in einem Team zum Beispiel ist,
neigen Menschen eher dazu, eigene Fairness-Normen
anzuwenden, die für einen selbst vorteilhaft sind. Je-
der hat den eigenen Eindruck mehr zum Erfolg eines
Teams beigetragen zu haben, als es meistens der Rea-
l ität entspricht. Wenn einem dieser Bias bewusst ist,
kann man viel leicht ethisch adäquatere Aufteilungen
innerhalb eines Unternehmens finden.
Zu welchen Themen forschen Sie momentan?
Zusammen mit der Kol legin Christine Harbring habe
ich ein Papier zum Thema „Sabotage bei Turnierent-
lohnungen“ fertiggestel lt. Es gibt eine steigende Ten-
denz in Unternehmen eine sogenannte
Turnierentlohnung einzusetzen. Dies ist eine Entloh-
nungsform, bei der Mitarbeiter relativ zu der Leistung
von anderen Mitarbeitern entlohnt werden. Es geht
nicht primär um den Umfang, den man erreicht hat,
sondern darum, besser zu sein als andere Mitarbeiter.
Was wir uns nun angeschaut haben ist, dass es zwei
Möglichkeiten gibt dieses „Turnier“ zu gewinnen.
Zum einen kann man versuchen den eigenen Output
zu vergrößern, auf der anderen Seite kann man versu-
chen den Output der anderen Person zu verringern.
Also man kann versuchen die andere Person beispiels-
weise dadurch zu behindern, dass man ihm nicht al le
Informationen zur Verfügung stel lt. Dieses Verhalten
nennt man Sabotage. Wir haben untersucht, wie sich
die Turnierpreishöhe auf das Sabotage-Verhalten aus-
wirkt. Es zeigt sich, dass Sabotage zum Nachteil der
anderen Turnierteilnehmer tatsächl ich auftritt und sie
ist umso stärker, je höher die Turnierpreisdifferenz ist.
Turnierentlohnungssysteme sol lten also
insbesondere in Arbeitsumgebungen vermieden
werden, in denen die Mitarbeiter eng zusammen
arbeiten und auf Kooperation angewiesen sind, wie
zum Beispiel in Teams. In diesem Fal l haben wir also
untersucht wie das Anreizsystem eines Unterneh-
mens zu unethischem Verhalten beiträgt, welches zu-
dem noch wirtschaftl ich schlecht für das
Unternehmen ist.
Welche Rolle spielt die Umwelt in Ihrer Forschung?
Vor einigen Jahren haben wir mal eine intergeneratio-
nale Studie hierzu durchgeführt. Intergenerationale
Studien sind etwas schwierig zu gestalten, da in einer
Laborbedingung, Generationen von Menschen nach-
gebildet werden müssen. Nacheinander eintretende
Versuchsteilnehmer bildeten jeweils eine Generation.
Bei diesem Versuch gab es einen Fischteich, der ei-
gentl ich der Gemeinschaft, als intakte Ressource, ge-
hörte. Jede Generation durfte in ihm fischen,
gleichzeitig regenerierte sich der Teich um einen be-
stimmten Teil . Wenn man aber zu viele Fische gefischt
hatte, wurde es mit dem Fischen für zukünftige Gene-
rationen schwierig. Als Versuchsteilnehmer wusste
man die Nachwachsrate und wie viel man ungefähr
entnehmen durfte. Dieser Versuchsaufbau wurde ein-
mal mit und einmal ohne nachfolgenden Generatio-
nen der Menschen durchgeführt. Das Ergebnis war,
dass das Bewusstsein um eine nachfolgende Generati-
on keine großen Auswirkungen auf die Ausbeutung
des Teichs hatte. Die Menschen scheint es also nicht
zu motivieren, dass andere Generationen existieren.
Nachfolgende Generationen hatten zudem nur noch
sehr wenige Fische im Teich, da dieser überfischt wur-
de. Die Versuchsteilnehmer dachten: „Die anderen
werden sich ja bestimmt zurückhalten“
Also eineVerschiebung des Umweltproblems aufnach-
folgende Generationen?
Genau. Man verschob das Problem auf die anderen
Generationen und dachte: „Die werden schon das
Richtige tun“. Das hatte den perversen Effekt, dass der
Teich mit nachfolgenden Generationen sogar zum
Teil stärker überfischt wurde.
Versuchen Sie neben Studierenden auch Angestellte
von Unternehmen oder Organisationen für Untersu-
chungen zu gewinnen?
Momentan führen wir unsere Experimente nur mit
Studierenden durch, aber wir versuchen Kontakte in
die Praxis zu knüpfen. Es sol l dann auch Experimente
mit Mitarbeitern in Unternehmen geben. Unterneh-
men sind bei solchen Anfragen immer eher zurück-
haltend und empfinden es meist als lästig. Man
bindet die Arbeitszeit der Mitarbeiter und bekommt
einen Einbl ick in deren Unternehmenskultur, viele
Unternehmen wollen dies nicht. Effekte und Unter-
schiede zwischen Mitarbeitern und Studierenden
sind aber eher gering. Die Studenten der Uni sind ir-
gendwann die Mitarbeiter der Unternehmen und in
ihrer „Personal ity“ verändern sie sich nicht so stark.
Wie wird der Mensch bei Ihren Fragestellungen mo-
delliert? Wird er als rein rational handelnder Homo
Oeconomicus gesehen?
In der klassischen Spieltheorie geht man bislang wei-
testgehend vom Bild des Homo Oeconomicus aus.
Durch die experimentel le Forschung weicht sich die-
se Haltung ein wenig auf. Man hat doch ziemlich viel
Evidenz, dass Menschen nicht nur an ihrem eigenen
Nutzen interessiert sind, sondern auch Dinge wie
Fairness-Überlegungen in ihre Entscheidungen mit
einbeziehen und Menschen nicht vol lständig rational
denken und handeln. Menschen haben durchaus Ver-
haltensweisen, die man nicht mit rationalen Erklärun-
gen verstehen kann. In der Forschung steckt dieses
Thema noch ein wenig in den Kinderschuhen. Inner-
halb der Spieltheorie gibt es inzwischen Ansätze, dass
man den Nutzen von anderen Personen, in seine ei-
gene Nutzenfunktion mit reinschreibt. Dieser Ansatz
ist zwar auch vom Individuum her gedacht, aber man
bezieht neben dem Eigennutzen auch einen Nutzen
daraus, wenn es der anderen Person gut geht. Fair-
ness-Aspekte sind somit innerhalb der Spieltheorie
darstel lbar. Es gibt aber auch Probleme bei dieser
Herangehensweise. Meistens wird bei diesen Model-
len ein Endnutzenvergleich betrachtet, menschl iches
Verhalten funktioniert aber irgendwie noch anders. Es
kommt im menschl ichen Handeln auch auf Intentio-
nen an: wil l man beispielsweise dem anderen Men-
schen gegenüber etwas Gutes tun?
Wie stark ist das gesellschaftliche Interesse an den Er-
gebnissen von wirtschaftsethischen Fragen? Wie rea-
gieren Unternehmen?
Unternehmen haben bei diesem Thema schon gene-
rel les Interesse, beispielsweise wird anhand unserer
Sabotage-Studie nachgefragt, wo Team- oder Tur-
nierentlohnungen sinnvol l sind. Neuere Studien zur
Zielerreichung sind vor al lem für die Gesel lschaft rele-
vant. Max Bazerman hat in seiner neueren Studie
„Goals Gone Wild“ gezeigt, dass Zielsetzungen Mitar-
beiter so fokussieren lassen, dass sie gar nicht mehr in
der Lage sind, l inks und rechts auf ihre Umgebung zu
achten. Die Zielerreichung hat für die Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen höchste Priorität, ohne dabei die
negativen Effekte für das Umfeld und die Gesel lschaft
wahrzunehmen. In der Finanzkrise hat man das ja ge-
sehen: die Bankmanager jagen ihren Bonuszahlun-
gen hinterher und haben Aktivitäten durchgeführt
die nüchtern betrachtet, nicht nachvol lziehbar sind.
Gerade Anreiz- und Lohnstrukturen sind für Unter-
nehmen von hoher Relevanz. Daneben ist die Frage
wichtig, wie man als Unternehmen einzelnen Biasen
entgeht. Wie vermeidet man beispielsweise Stereoty-
ping in der Personalabteilung? Reicht das Bewusst-
sein, dass man einzelne Kandidatinnen und
Kandidaten unterbewusst bevorzugt oder braucht
man Maßnahmen wie vereinheitl ichte Bewerbungs-
bögen? Wir stehen da aber noch am Anfang. Die
Richtung, dass man Verhaltensforschung auf ethische
Fragen anwendet ist noch sehr jung.
Wieso sollten sich Studierende für Fragestellungen
derWirtschaftsethik interessieren?
Die Situation ist im Moment einfach unbefriedigend.
Man l iest jeden Tag in den Zeitungen, dass Dinge in
diesem Bereich in Unternehmen schief laufen. Da
hoffe ich einfach, dass Studenten noch den Ideal is-
mus haben etwas zu verändern. Bei Veranstaltungen
unseres Lehrstuhls kann man schon lernen wie Situa-
tionen des unethischen Handelns entstehen und wie
man darüber nachdenken kann, die Rahmenbedin-
gungen so zu verändern, dass unethisches Verhalten
vermieden wird. Gleichzeitig sind viele Fragen der
Wirtschaftsethik noch offen und unbeantwortet.
Vielen Dank für das Gespräch.
(von Thomas Heise)
Wenn Organisationszwänge regieren, Ethik und soziale Verantwortung verlieren
„Wer im Rol lstuhl sitzt oder andere körperl iche Proble-
me hat, ist behindert.“ Dies ist eine weitläufig verbrei-
tete Erkenntnis. Für viele bilden „die Behinderten“
eine klar definierte Gruppe von Menschen. Wer behin-
dert ist und welche Konsequenzen dies mit sich
bringt, wäre demnach also leicht erkennbar und ohne
Weiteres nicht veränderbar. Dass man es sich mit die-
sem natural istischen Bild von Behinderung zu einfach
macht, zeigt die Geschichte. Im Laufe der Jahre hat es
verschiedene Model le von Behinderung und viele
Sichtweisen auf Behinderte*² gegeben, die ich im fol-
genden skizzieren möchte, um anschl ießend auf die
dis/abil ity studies einzugehen.
Während der Entwicklung der Moderne enstand die
Kategorie Behinderung. Geprägt wurde diese Sicht
von Vorstel lungen über Gesundheit und Funktionfä-
higkeit. Körper wurden und werden nach Nützl ichkeit
bewertet. Auch um das eigene Gewissen zu beruhi-
gen wurde sich Behinderten dann trotzdem angenom-
men: Im 1 9. Jahrhundert entwickelten sich in
Deutschland die Hilfsschulen. Diese sol lten sicherstel-
len, dass auch Behinderte, die Möglichkeit erhalten Bil-
dung zu erlangen, wodurch eine Teilhabe am
„normalen“ Leben ermöglicht werden sol lte. Später
wurde die Sicht auf Behinderung systematisiert. Es
entwickelte sich das medizinische bzw. individuel le
Model l . Die Behinderung lag nun in der einzelnen Per-
son begründet und wurde medizinisch erklärt. Diese
schematische Sicht wird immer noch angewendet,
wenn es darum geht, Schwerbehindertenausweise
auszugeben, Pflegebedürftigkeit zu ermitteln sowie
den richtigen Lernort für Schüler_innen festzulegen.
Wichtig ist dieses Model l also vor al lem innerhalb des
„Rehabil itationsparadigmas“, bei dem es darum geht
Menschen eine Teilhabe an der Gesel lschaft zu ermög-
l ichen. Dabei wird jedoch nicht in die gesel lschaftl i-
chen Verhältnisse eingegriffen und eine Vebesserung
der Lebensqual ität für al le findet statt.
Behinderung wurde bis dahin nur in eine Richtung ge-
dacht. Dies wurde ab den 1 970er Jahren vor al lem
von sozialen Bewegungen, wie etwa der Krüppelbe-
wegung, kritisiert. Diese bezogen weitere Kriterien in
ihr Bild von Behinderung mit ein. Behindert war man
nicht, sondern behindert wurde man. Die Schlussfol-
gerung aus dieser Annahme ist das Ziel , nicht den
Menschen an die Umwelt anzupassen, sondern die
Umwelt an den Menschen. Daraus entstand das sozia-
le Model l von Behinderung, das, vergleichbar zu den
Gender Studies, die von Sex (biologisches Geschlecht)
und Gender (soziales Geschlecht) sprechen, eine Auf-
teilung in Impairment (Schädigung) und Disabil ity (Be-
hinderung) vornimmt. Nicht nur der biologische
Faktor gibt also den Ausschlag, sondern wie gesel l-
schaftl ich damit umgegangen wird. Mittlerweile hat
sich das soziale Model l von Behinderung in der Pol itik
ein Stück weit durchsetzen können. Neue Gebäude
sol len barrierefrei, also mit dem Rollstuhl begehbar
sein, in Museen gibt es elektrische Spulen, die eine
Tonübertragung für Hörgeschädigte erleichtern, Inter-
netseiten sol len auch für Bl inde problemlos nutzbar
sein und Sprache sol l so eingesetzt werden, dass al le
sie verstehen können. Al l dies sind Punkte, die zwar
angestrebt, aber nur in Ansätzen umgesetzt werden.
Was sind dis/abil ity studies? Dis/abil ity Studies sind ei-
ne interdiszipl inäre Wissenschaft, die vor al lem sozial-
und kulturwissenschaftl iche Methoden nutzt, um er-
stens die Konstruktion von Behinderung und zwei-
tens die Konstruktion von Normalität aus der Sicht
von Behinderung zu erforschen. Sie gehen der Frage-
stel lung nach, wie gesel lschaftl iche Ausgrenzungsme-
chanismen die soziale Randgruppe der Behinderten
geschaffen haben und schaffen. Dies tun sie, indem
gesel lschaftl iche, pol itische, historische und kulturel le
Hintergründe untersucht werden.
Wo setzen die dis/abil ity studies an? Die dis/abil ity stu-
dies sehen im Gegensatz zur Heil- und Sonderpädago-
gik sowie zur Medizin Behinderung nicht als
eindeutig definierte Kategorie an. Da Körper niemals
nur funktionstüchtige Maschinen sind, gehen die
dis/abil ity studies von Behinderung als Regel und
nicht als Ausnahme aus, dadurch erweitert sich nun
das Forschungsfeld von Behinderten auf al le Gesel l-
schaftsmitgl ieder. Die Fragestel lung lautet nun nicht
mehr „Wie entsteht Behinderung?“, sondern „Wie
wird Normalität konstruiert?“. Dazu werden sowohl
gemeinnützige Vereine wie zum Beispiel die „Aktion
Mensch“ (vorher „Aktion Sorgenkind“!) sowie deren
Werbekampagnen, als auch Institutionen der Gesel l-
schaft untersucht, die auf den ersten Bl ick nichts mit
Behinderung zu tun haben. Wird beispielsweise eine
Einkaufsstraße untersucht, könnte man sich die Frage
stel len, wie die Schaufenster aufgebaut sind. Betrach-
tet man das ganze aus der Perspektive, die ein_e Rol l-
stuhlfahrer_in einnimmt, könnte dies interessante
Aufschlüsse auf das Bild von Normalität l iefern.
Obwohl die dis/abil ity studies eine noch recht junge
Wissenschaftsdiszipl in sind, zeigt sich nach einiger
Beschäftigung, dass es sich dabei nicht um neue The-
men handelt. Al lerdings werden einige Themen noch
stiefmütterl ich behandelt und daher in der Lehre sel-
ten wahr genommen. Die dis/abil ity studies werden
dann erfolgreich sein, wenn Behinderte in Forschung
und Praxis nicht mehr als Objekte, sondern als Sub-
jekte behandelt werden und die Wissenschaft somit
dazu beitragen kann, dass Behinderte ein selbstbe-
stimmtes Leben führen können.
* Die dis/abil ity studies untersuchen nicht nur disabi-
l ity, sondern aus dem Blickwinkel der disabil ity eben-
so die Mehrheitsgesel lschaft. Daher wäre es auch
möglich von abil ity studies zu reden.
*²Ich spreche im Folgenden von Behinderten als pol i-
tische Subjekte, die ihre Anl iegen in die eigene Hand
nehmen können. Daher benutze ich nicht Formulie-
rungen wie „Menschen mit Behinderungen“ oder
ähnl iche.
(von Jonas Thiele)
Dis/ability Studies* – Eine andere Sicht auf Behinderung
Werden die Geisteswissenschaften verdrängt?
„Wir haben zu viele Soziologen und Politologen. Wir
brauchen viel mehr Studenten, die sich für anständi-
ge Berufe entscheiden, die der Gesel lschaft auch nüt-
zen.“, bemerkte der spätere Bundeskanzler Helmut
Schmidt schon in den 60er Jahren. Die Abwertung gei-
stes- und sozialwissenschaftl icher Studiengänge ist
kein neues Phänomen, wenngleich sie im heutigen Kli-
ma der zunehmenden Ökonomisierung von Bildung,
noch stärker hervortritt und auch Einfluss auf die offizi-
el le pol itische Agenda gefunden hat.
So wird unterschieden zwischen volkswirtschatl ich
„nützl ichen“ Professionen und solchen, die keinen
tieferen Nutzen haben, sondern im Wesentl ichen der
Selbstentfaltung dienen. Ein_e Ingenieur_in – so die
gängige Vorstel lung – ersinnt wertvol le technische
Neuerungen, die letztl ich al len zugutekommen. Ein_e
Philosoph_in dagegen endet bestenfal ls als Taxifah-
rer_in. In jedem Fal l ist der Beitrag zum gesamtgesel l-
schaftl ichen Reichtum minimal und steht in keinem
Verhältnis zu den Kosten des Studiums.
Der Gedanke, dass al le Bildung nach ihrer Nützl ichkeit
für ein Kol lektiv bewertet werden sol lte, ist zutiefst an-
ti-emanzipatorisch. Doch selbst, wenn die Beschrän-
kung auf das abstrakte Konzept der
volkswirtschaftl ichen „Nützl ichkeit“ hingenommen
wird: Wo liegt der volkswirtschaftl iche Nutzen der Ide-
en von Adam Smith und Karl Marx? Lassen sich die
Auswirkungen von geisteswissenschaftl ichen Revolu-
tionen, wie den Gedanken des Liberal ismus und den
der Aufklärung, in irgendeiner Weise quantifizieren?
Während es uns bei der Erfin-
dung eines neuen, größeren TV-
Geräts noch relativ einfach fäl lt,
den volkswirtschaftl ichen Nut-
zen grob zu schätzen, so ist dies
bei geistes- und sozialwissen-
schaftl ichen „Erfindungen“ oft so gut wie unmöglich.
Das heißt aber keinesfal ls, dass der Nutzen für die
Menschheit gleich nul l wäre.
Eng zusammen hängt die Beschränkung auf das
Nützl ichkeitsprinzip in der Bildung mit dem Trend zur
Rational isierung und Ökonomisierung. Das Studium
wird mehr und mehr als reine Berufsausbildung
wahrgenommen – sowohl im Verständnis pol itischer
Entscheidungsträger_innen als auch im Selbstver-
ständnis vieler Student_innen, die in ihr „Humankapi-
tal“ investieren wollen. Zunehmend wird der
Gedanke, dass Bildung auch ein emanzipatorischer
Selbstzweck ist, ersetzt durch das reine Nützl ichkeits-
prinzip und eine kühle Kosten-Nutzen-Rechnung. Die
Pol itik versucht, die Studiengangwahl über Exzel len-
zinitiativen, Mittelzuweisungen, Einflussnahme der
Unternehmen und speziel le Stipendienmodel le nach
ihren Vorstel lungen zu beeinflußen.
Der Wahn, jeden Studiengang in ein enges Korsett
aus Leistungs- und Stundenplanvorgaben zu zwän-
gen, zerstört das Ideal der selbstbestimmten Bildung.
Wo nur noch für Creditpoints und für das spätere Ein-
kommen gelernt wird, da steigt die Verachtung für
das vermeintl ich Überflüssige und Unnütze. Al l das
zeigt bereits Wirkung: Die Anzahl der eingeschriebe-
nen Studierenden an der Philosophischen Fakultät
nimmt ab.
Dabei ist die Geringschätzung der Geistes- und Sozi-
alwissenschaften ein großer Fehler: Der Mensch lebt
weder al lein vom Geist noch al lein von der Technik.
Nützl ich ist nicht das, was das Bruttoinlandsprodukt
nach oben treibt, sondern was die Menschen glück-
l ich macht und was ihren Horizont erweitert.
(von Kalle Kappner)
Welchen Einfluss hat der mögliche Bau eines neuen
Einkaufszentrums auf Ehrenfeld?
Viel leicht können mit dem Namen Heliosgelände
nicht al le etwas anfangen, trotzdem werden die mei-
sten Student_innen zumindest Teile davon schon ein-
mal besucht haben. Es handelt sich dabei nämlich um
das große Gelände in Ehrenfeld, wo Gürtel und Venlo-
er Straße aufeinander treffen und auf dem sich, ne-
ben dem etwas deplatziert wirkenden, dennoch
wunderbar ästhetischen Leuchtturm, unter anderem
das Underground befindet. Auch verschiedene Ate-
l iers, Bars und Unternehmen finden dort ihren Platz.
Und obwohl einige Teile davon brachl iegen, macht
diese Ecke viel vom Flair des charmanten „Veedels“ Eh-
renfeld aus, das mit einer bunten Vielseitigkeit von
Einzelhandelsunternehmen al ler Art daherkommt
und so manche Schätze bietet, nach denen man im
Rest Kölns vergebl ich sucht. Nun hat sich der Besitzer
des Geländes, Bauwens Real Estate, überlegt, die riesi-
ge Fläche effektiver zu nutzen. Geplant ist, neben Bü-
ros und Wohneinheiten, ein riesiges Einkaufszentrum
zu bauen - der Titel des Projektes ist „Hel ios-Höfe“.
Mit einer Fläche von 20.000 m² sol l dieses etwa so
groß sein wie die Köln Arcaden in Kalk, welche immer-
hin 27.000 m² umfassen und in der Kritik stehen, dem
Einzelhandel auf der Kalker Hauptstraße schwer zuge-
setzt zu haben. Das Underground würde nach derzeiti-
gem ersten Entwurf einem Parkplatz weichen, weitere
Einrichtungen an diesem Ort würden ebenfal ls verlo-
ren gehen. Viele Einzelhändler_innen auf der Venloer
Straße sehen sich in ihrer Existenz gefährdet, sol lte
das Projekt umgesetzt werden. Öffentl iche Räume
sind in der bisherigen Planung nicht vorgesehen.
Die alte Arbeitersiedlung Ehrenfeld ist den Neunzi-
gern Opfer einer so genannten Gentrifizierung, also
Aufwertungspol itik, geworden. Ähnl iches erlebt man
auch in Hamburg mit dem Schanzenviertel oder in
Berl in-Friedrichshain. Die Eröffnung eines Einkaufszen-
trum in diesem Ausmaß würde den Grundstein für
weitere Umstruktierungsprozesse legen, die den Cha-
rakter des Viertels nachhaltig verändern und etwa so-
zial benachteil igte Mieter_innen durch steigende
Immobil ienpreise vertreiben würden.
Die Stadt Köln hat bereits eine Potenzialanalyse durch-
führen lassen, bei der es unter anderem darum geht,
zu prüfen, inwieweit der bereits bestehende Einzel-
handel – der zusammengenommen selber etwa
30.000 m² umfasst - durch ein derart großes Gewerbe-
gebiet ergänzt werden kann. Dort wird unterstrichen,
dass darauf geachtet würde, keinen „konkurrierenden
Branchen-Mix“ aufzubauen, welcher den Einzelhandel
gefährden könnte. Mögliche Branchen, die in solch ei-
nem Einkaufszentrum Fuß fassen könnten, wären Lä-
den mit mittelfristigen und langfristigen
Bedarfsbereichen, etwa Bekleidungs- oder Elektroge-
schäfte. Überspitzt gefragt: Saturn und H&M in Ehren-
feld? Reichen die gefühlten 1 50 Fil ialen rund um die
Schildergasse und die Ehrenstraße etwa noch nicht?
Dass bedarfsbereichernde Bebauung in der Real ität
so nicht unbedingt möglich ist, sol lte klar sein – eine
solche „Mal l“ muss für den Kunden derart attraktiv ge-
baut sein, dass er sie im besten Fal l nicht mehr verlas-
sen muss, um al le seine Erledigungen abzudecken. In
einem Zeitungsartikel des Kölner Stadtanzeigers vom
3. August 201 0 äußert sich sogar die Bauwens-Grup-
pe in diese Richtung. Es sol lte zwar ein Raum geschaf-
fen werden, der sich mit dem Rest des Viertels
vertrage und keine Schwächung darstel le, Über-
schneidungen l ießen sich jedoch nicht ganz aus-
schl ießen, wird dort gesagt.
Seit einiger Zeit leistet die „Bürgerinitiative Hel ios“
nun Widerstand gegen das Baukonzept. Über ihre
Webseite, Facebook, Twitter und auch durch Flyer
wird das Thema in die Öffentl ichkeit gebracht und
dazu aufgerufen, Alternativen zu finden, wie das
Grundstück besser und vor al lem konstruktiver ge-
nutzt werden kann. Am 1 5.09.201 0 fand eine öffentl i-
che Planungsvorstel lung des Bauherren statt, bei der
sich gut 700 Kritiker_innen versammelten und ihren
Unmut gegenüber dem Projekt äußern konnten. Ge-
fordert wird vor al lem eine größere Beteil igung der
Bürger_innen bei der Planung an dem Projekt. Man
ist wohl nicht auf taube Ohren gestoßen: Der Bezirks-
bürgermeister Josef Wirges schien der Idee einer
tieferen Bürger_innenbeteil igung nicht abgeneigt.
Anfang Oktober hat die Bezirksvertretung Ehrenfeld
entschlossen, einen Planungswettbewerb mit
Bürger_innenbeteil igung abzuhalten. Ein Schritt in
die richtige Richtung, für eine gesunde,
konkurrenzfreie Entwicklung Ehrenfelds zu sorgen.
Die Webseite der „Bürgerinitiative Hel ios“ ist unter
www.buergerinitiative-helios.de zu erreichen.
(von Philip Oeser)
Let's go to the mall - today?Über den Nutzen der Bildung
Eine Zivilklausel verpflichtet Hochschulen nur für
friedliche Zwecke zu forschen, also keine Forschung
für Rüstungsunternehmen und das Militär durchzu-
führen, sowie nicht mit diesen zu kooperieren.
Bundesweit gibt es im Moment in vielen Städten Initia-
tiven für Zivilklauseln an Hochschulen. Auch an der
Uni Köln gibt es seit dem Sommersemester 201 0 den
Arbeitskreis Zivilklausel . Gegründet wurde dieser Ar-
beitskreis nachdem das Studierendenparlament ent-
schieden hat, dass der Einsatz für eine Zivilklausel
auch an der Uni Köln zu den Zielen der Verfassten Stu-
dierendenschaft gehören sol l . Der Arbeitskreis ist of-
fen für al le Student_innen und hat al le Fraktionen des
Studierendenparlaments eingeladen, die Zivilklausel
als gemeinsames Anliegen vieler Menschen an der
Universität zu etabl ieren. Zunächst sol l der Arbeits-
kreis in Zusammenarbeit mit dem Wahlausschuss und
in Absprache mit dem Allgemeinen Studierendenaus-
schuss (AStA) eine Abstimmung zur Zivilklausel in der
Student_innenschaft vorbereiten. Dabei sol l einer-
seits ein Votum al ler Student_innen eingeholt werden
und zweitens verhindert werden, dass der Wunsch
nach einer Zivilklausel als Minderheitenmeinung ab-
getan wird.
Der genaue Text der Abstimmung wird lauten: Ich
spreche mich dafür aus, dass folgender Passus in die
Grundordnung der Universität zu Köln in den Paragra-
phen 2 „Hochschulaufgaben“, Punkt 1 , aufgenommen
wird: „Die Universität wirkt für eine friedl iche und zivi-
le Gesel lschaftsentwicklung. Sie ist selbst eine zivile
Einrichtung, betreibt keinerlei Mil itär- oder Rüstungs-
forschung und kooperiert nicht mit Einrichtungen des
Mil itärs oder der Rüstungsindustrie.“
Die Idee der Zivilklauseln kommt aus den Erfahrun-
gen des Nationalsozial ismus. Gerade die Universitä-
ten haben sich sehr schnel l gleichschalten lassen oder
sich bereits vorher freiwil l ig in den Dienst der Natio-
nalsozial isten gestel lt. Nach Ende des Zweiten Welt-
krieges sol lte nie wieder Krieg von Deutschland
ausgehen, weswegen eine Demil itarisierung statt-
fand. Im Zuge des Kalten Krieges wurde diese jedoch
nicht mehr aufrecht erhalten. BRD und DDR rüsteten
wieder auf. Was jedoch erhalten bl ieb, waren Zivilklau-
seln für Kernforschungszentren. Der Konsens, dass kei-
ner der beiden deutschen Staaten Atomwaffen
besitzen sol lte, bl ieb bestehen.
Heute findet wieder eine Mil itarisierung der Gesel l-
schaft statt. In Schulen und Arbeitsämtern wird für
den Dienst an der Waffe geworben, es finden öffentl i-
che Gelöbnisse statt und für Deutschland zu sterben
sol l mit einer Medail le belohnt werden. Die Bundes-
wehr stel lt sich als ganz normaler Arbeitgeber vor
und Kriege zu führen ist wieder Al ltag geworden.
Dieser generel le Trend macht natürl ich auch vor den
Universitäten nicht halt. Es gibt einen großen Umsatz
an Drittmitteln für gezielte Rüstungsforschung, aber
auch für so genannte „dual use“ Technologien. Das
sind solche, die offiziel l zu zivilen Zwecken erforscht
oder gebaut werden, später aber zu mil itärischen
Zwecken eingesetzt werden können.
Dies überträgt sich natürl ich auch auf die
Lehre: Statt Studiengänge zu stär-
ken, die sich mit Friedensfor-
schung beschäftigen, wurde
an der Uni Potsdam der
Studiengang „mil itary
studies“ gegründet.
Um diesem Trend et-
was entgegen zu
setzen, können Zi-
vilklauseln ein gu-
tes Mittel sein.
Auch an der Uni
Köln und ihrem Um-
feld finden Koopera-
tionen mit dem Mil itär
und mit Rüstungsunter-
nehmen statt. Einen genau-
en Überbl ick darüber gibt es
jedoch leider noch nicht. Zuletzt
wurde einer Anfrage der studentischen
Senatoren im Senat nicht stattgegeben. Es sei nicht
die Aufgabe des Senats oder des Rektorats, zu koordi-
nieren, in welchen Bereichen geforscht wird, weswe-
gen dem Senat auch keine Informationen gegeben
werden können. Weiß hier die eine Person nicht, was
die andere tut oder wird versucht zu verschleiern, an
welchen Stel len es Kooperationen gibt, die kritisch zu
sehen sind?
Dies ist eine sehr starke Paralel le zu den Geheimverträ-
gen, die die Uni mit dem Bayer-Konzern hat. Auch die-
se werden trotz Informationsfreiheitsgesetz und
Intervention des Landesdatenschutzbeauftragten von
Nordrhein-Westfalen, Ulrich Lepper, nicht offen ge-
legt. Das Informationsfreiheitsgesetz sichert eigent-
l ich al len Bürger_innen zu, Zugang zu amtl ichen
Akten zu erhalten. Aber es ist ja nicht das erste Mal,
dass die Uni Köln geltendes Recht bricht. Argumen-
tiert wird von Uni-Seite mit der Wissenschaftsfreiheit,
die der Informationsfreiheit vorgezogen wird. Fragl ich
ist jedoch, wie es Wissenschaftsfreiheit geben kann,
wenn sich die Wissenschaft in den Dienst von Drittmit-
teln stel lt. Echte Wissenschaftsfreiheit gibt es nur fern-
ab von ökonomischen Interessen, was nur durch
ausreichende Transparenz gewährleistet werden
kann. Die Uni-Leitung widerspricht sich also in ihrer ei-
genen Argumentation.
Bisher ist bekannt, dass an der Uni Köln über die Aus-
wirkungen von Senfgas geforscht wurde und dass es
kleinere Kooperationen an der Humanwissen-
schaftl ichen Fakultät mit dem achtgröß-
ten europäischen
Rüstungsunternehmen Rhein-
metal l gibt. Hier geht es um
die Integration von Men-
schen mit Behinderun-
gen auf den
sogenannten „ersten
Arbeitsmarkt“. Was so-
zial kl ingt, kann auch
anders gesehen wer-
den. Es geht darum, bil-
l ige Arbeitskräfte zu
generieren, die Panzer
zusammenschrauben.
Dass dabei durch „soziale
Unternehmensführung“ das
Image aufgebessert wird, ist na-
türl ich ein wil lkommener Nebenef-
fekt. Nur sind Kooperationen mit der
Humanwissenschaftl ichen Fakultät nicht die
erste Priorität, für Rüstungsunternehmen, die an der
Uni Köln aktiv werden, sondern werden nebenbei mit-
genommen. Entscheidendere Kooperationen dürften
an anderen Fakultäten stattfinden. Doch die Mil itari-
sierung findet nicht nur in der Forschung, sondern
auch in der Lehre statt. So wurde an der Uni Köln das
Planspiel Pol&Is entwickelt, welches mitlerweile an vie-
len Hochschulen, vor al lem jedoch an weiterführen-
den Schulen eingesetzt wird, um Werbung für die
Bundeswehr zu machen und diese zu normalisieren.
Andere Ebenen der Zusammenarbeit der Uni Köln mit
Rüstungsunternehmen und Mil itär gilt es noch aufzu-
decken. Der Arbeitskreis Zivilklausel hat schon einige
Schritte eingeleitet, die mittelfristig hoffentl ich zum
Erfolg führen werden. Auch an der FH Köln und der
Sporthochschule fl ießen hohe Summen. Die Sport-
hochschule erhielt im Jahr 2007 al leine 81 0.000 € für
verschiedene Projekte, zum Beispiel wurde die kör-
perl iche Belastung und die Ermüdung während ein-
satztypischen Überwachungsaufgaben erforscht.
Wenn es gewünscht ist, dass die Soldat_innen ans Li-
mit gehen, ist dies ein wichtiger Faktor. Daher ist es
zu wünschen, dass sich der Einsatz von Zivilklauseln
auch auf weitere Hochschulen ausweitet.
Im Moment stehen die Chancen zur Einführung von
Zivilklauseln nicht schlecht. An vielen anderen Hoch-
schulstandorten gibt es erste Erfolge gegen mil itäri-
sche Forschung zu verzeichnen. Am neu
geschaffenen Karlsruher Institut für Technologie (KIT),
das nach der Fusion von der Uni Karlsruhe mit dem
Kernforschungszentrum entstand, gab es eine Ab-
stimmung unter den Student_innen, bei der sich eine
große Mehrheit für eine Zivilklausel aussprach. Das ist
umso bemerkenswerter, da es sich um eine Techni-
sche Hochschule handelt. An der Uni Tübingen gibt
es seit dem Wintersemester 2009/1 0 einen Senatsbe-
schluss, der die Zusammenarbeit mit mil itärischen
Einrichtungen verhindern sol l . Hier wurde sich einer
wichtigen Forderung aus dem baden-württembergi-
schen Bildungsstreik angeschlossen. Auch in Hessen
und Niedersachsen gibt es Initiativen, die sich mit der
Einrichtung von Zivilklauseln befassen. Neben eini-
gen Hochschulen, die bereits Verpfl ichtungen zur zi-
vilen Forschung und Lehre haben, macht dieser
Einsatz Mut, dass es auch in Köln bald soweit sein
könnte.
Was aber natürl ich klar sein sol lte, ist, dass gerade in
Zeiten, in denen an den Hochschulen gespart wird,
immer die Gefahr besteht, dass eine Zivilklausel um-
gangen wird, um an Drittmittel zu kommen. Daher
müssen Mechanismen geschaffen werden, wie dies
verhindert werden kann. Hier wäre die Einrichtung
von paritätisch besetzten Kommissionen vorstel lbar,
die zumindest größere Forschungsvorhaben auf ethi-
sche Grundsätze prüft. Damit diese Kommissionen
ein Vetorecht haben, muss natürl ich auch das Lan-
deshochschulgesetz geändert werden.
Der Auftakt sol lte für uns jedoch sein, aufzuklären,
um im Dezember ein gutes Ergebnis bei den Abstim-
mungen zur Zivilklausel zu erreichen. Daher fordern
wir al le Student_innen auf, bei der anstehenden Ab-
stimmung für die Zivilklausel abzustimmen.
(von Jonas Thiele und RalfLüth)
Für eine friedliche Wissenschaft - Zivilklausel in die Grundordnung der Uni Köln
Student_in, nicht Kund_in!
Sprache als Ausdruck der Ökonomisierung
Unsere Sprache beeinflusst unser Bewusstsein und so-
mit letztl ich auch unser Handeln. Sie transportiert
Ideologien, unser Selbstverständnis und sie kann dis-
kriminieren. Al l das geschieht meist unbewusst und
fäl lt uns beim Sprechen selten auf. Dies ist ein Grund,
weshalb wir, campus:grün, darauf Wert legen, gegen-
derte, also geschlechtergerechte Sprache zu nutzen,
um so gesel lschaftl ichen und in Sprache manifestier-
ten Vorurteilen und veralteten Weltbildern entgegen-
zuwirken. Aber nicht nur in diesem Zusammenhang
ist es wichtig, sich über die Bedeutung von Sprache
und die Konsequenzen ihrer Nutzung im Klaren zu
sein.
Immer weiter dringen ökonomische Begriffe in den
Hochschulal ltag ein. Wir machen „Soft-Skil l Kurse“,
um unser persönl iches „Portfol io“ zu verbessern, er-
werben „Leistungspunkte“ und wägen mithilfe von
„Kosten-Nutzen-Rechnungen“ ab, ob der „Workload“
für eine Veranstaltung angemessen ist. Jede Uni be-
sitzt eine „Coporate Identity“ und nutzt „Standortmar-
keting“, um ihre „Produkte“ anzupreisen. Auch hört
man immer häufiger in Vorlesungen und Seminaren,
dass Student_innen eine bessere Vorbereitung der
Dozierenden oder bessere Lernbedingungen mit der
Begründung einfordern, sie würden Studiengebühren
zahlen und hätten somit als „Kund_innen“ ein An-
recht darauf ein „gutes Produkt“ konsumieren zu kön-
nen.
Al l diese Worte sind Ausdruck für die zunehmende
Ökonomisierung der Uni im Einzelnen und der Bil-
dung im Allgemeinen, die in den letzten Jahren, ver-
schärft durch den Bologna-Prozess, immer größere
Ausmaße angenommen hat.
Durch das Hochschulfreiheitsgesetz, einem verstärk-
tem Zwang zur Drittmittelerschl ießung und nicht zu-
letzt durch die immer engere Verzahnung von
Forschung und Unternehmen, bekam die Wirtschaft
einen bis dato nicht gekannten Einfluss auf Fragen
der grundlegenden Ausrichtung der Universität. So sit-
zen zum Beispiel Vorstandsmitgl ieder von Bayer und
der Deutschen Bank im Hochschulrat der Uni Köln. Ein
anderes, aufschlussreiches Beispiel ist das Energiewirt-
schaftl iche Institut an der WiSo-Fakultät, das schein-
bar unabhängige Studien publiziert, jedoch durch
Mil l ionenbeträge von RWE und E.on mitfinanziert
wird.
Durch Bachelor- und Masterstudien-
gänge, durch die Exzel lenzinitiative
und durch Rankingsysteme werden
ökonomische Ideen wie Wettbe-
werb, Konkurrenz und Dienstlei-
stung direkt in den Hochschulal ltag
und das Selbstverständnis der
Hochschule und ihrer Mitgl ieder in-
tegriert. Dies führt dazu, dass die
Sol idarität zwischen den Hochschul-
mitgl iedern immer weiter verloren
geht und sich stattdessen eine El-
lenbogenmental ität breit macht.
Gleichzeitig sind immer weniger
Student_innen bereit sich freiwil l ig
für soziale, ökologische und politi-
sche Verbesserungen, innerhalb
und außerhalb der Hochschule zu
engagieren. Dies l iegt zum einen
daran, dass uns durch die einseitige
Ausrichtung auf ökonomische Ziele
immer mehr das Gefühl für andere
Lebensbereiche verloren geht, zum
anderen aber auch schl icht an dem
immensen Prüfungs- und Leistungs-
druck, dem wir in den neuen Stu-
diengängen ausgesetzt sind. Diese
Strukturen und Zwänge der Bache-
lor und Masterstudiengänge wer-
den häufig damit begründet, dass
wir durch sie angeblich bessere
Chancen auf dem Arbeitsmarkt hät-
ten, doch selbst dieses Versprechen
kann nicht eingehalten werden. Ab-
solvent_innen, die nicht gelernt ha-
ben selbstständig zu handeln und
zu denken, werden nicht in der Lage
sein kreativ Projekte zu erarbeiten
und umzusetzen und somit große Schwierigkeiten ha-
ben einen interessanten Arbeitsplatz zu finden.
Jedes Mitgl ied der Hochschule, vor al lem wir Stu-
dent_innen, müssen diese Entwicklungen und auch
unser eigenes Verhalten und damit auch unsere Spra-
che kritisch hinterfragen. Wollen wir als Student_in-
nen wirkl ich Produkte konsumieren und
Dozent_innen nur als Dienstleister_innen betrach-
ten? Oder lebt die Wissenschaft, die Hochschule und
letztendl ich die Gesel lschaft nicht gerade davon, dass
es zu einem kritischen Dialog zwischen ihren Mitgl ie-
dern kommt und diese gewil lt sind jene mitzugestal-
ten? Wollen wir vorgefertigtes,
portioniertes Wissen konsumieren oder
suchen wir uns selbst Themen, die uns in-
teressieren und vertiefen diese? Wollen
wir primär für den Arbeitsmarkt ausgebil-
det werden oder wollen wir uns ganzheit-
l ich mit verschiedensten Themen
auseinandersetzen und uns für die kriti-
sche Teilhabe am politischen und gesel l-
schaftl ichen Leben bilden? Wollen wir eine
Uni, die sich an den Interessen der Wirt-
schaft orientiert oder sol lte sie darauf aus-
gerichtet sein, die zentralen Fragen der
Gesel lschaft zu beantworten und ihre Pro-
bleme zu lösen?
Wir glauben, eine Ökonomisierung in die-
ser Form ist ein Irrweg. Es l iegt an uns auf
Prozesse und Strukturen einzuwirken und
diese in unserem Sinne zu beeinflussen.
Hierzu müssen wir bei uns selbst begin-
nen, unser eigenes Verhalten kritisch hin-
terfragen und auf Grund dessen unser
Handeln verändern. Wir sol lten uns be-
wusst machen, was um uns herum ge-
schieht und uns nicht von angeblichen
Sachzwängen und Strukturen einengen
lassen, sondern unseren eigenen Weg ge-
hen. Zu diesem Bewusstwerdungsprozess
gehört es eben auch unsere Sprache re-
flektiert zu nutzen.
(von Johanna Glaser und Benjamin Görgen)
Viele Student_innen kennen das Problem ja sicher-
l ich. Sie haben einen Platten, das Licht geht nicht
mehr, der Bremszug ist gerissen oder das Schutzblech
verbogen. Sie wissen aber leider nicht genau, wie das
repariert werden kann oder haben kein passendes
Werkzeug dafür. Der Weg in den nächsten Fahrradla-
den ist beschwerl ich und teuer, denn wer das Rad wie-
derhaben möchte, darf auch für kleine Reparaturen
gerne mal 30€ und mehr bezahlen.
Um diesem Problem entgegen zu wirken, gibt es an
vielen Hochschulen von Student_innen oder vom
AStA organisierte Fahrradwerkstätten. Dies beinhaltet
sowohl einen sozialen als auch einen ökologischen
Aspekt. Unser derzeitiger AStA sieht dieses, wie auch
andere ökologische Projekte, nicht als seine Aufgabe
an.
Daher haben wir uns überlegt, zunächst andere Wege
zu gehen, um diese Idee bekannter zu machen. Am
1 3. Jul i , einem sonnigen Dienstag, veranstalteten wir
auf dem Albertus-Magnus-Platz unseren Fahrradakti-
onstag. Viele Student_innen ka-
men mit ihrem Fahrrad vorbei,
l ießen sich von uns helfen oder
probierten auch mal selber das Werkzeug zu schwin-
gen. So wurden an diesem Tag gut 1 00 Fahrräder re-
pariert, an denen ganz unterschiedl iche Dinge kaputt
waren – von Licht über Reifen bis zu den Bremsen, vie-
le kleinere Problemchen konnten behoben werden.
Unterstützt wurden wir von dem Fahrradmechaniker
Tilman Zschocke, der zwar selber einen Fahrradladen
betreibt, welchen er aber an diesem Tag geschlossen
l ieß, um an der Uni helfen zu können. Bei ihm konn-
ten Student_innen auch direkt Ersatzteile zum Ein-
kaufspreis erwerben. Besonders schön war es zu
sehen, wenn Menschen sich getraut haben, selber et-
was zu reparieren, obwohl sie damit noch kaum oder
auch gar keine Erfahrung hatten. Insgesamt haben
wir den Tag als sehr angenehm empfunden. Wir wa-
ren erfreut, dass es so großen Zuspruch zu unserer Ak-
tion gab und waren gleichzeitig ein wenig
überfordert, weil wir mit so vielen Student_innen
nicht gerechnet hatten. Das führte leider auch dazu,
dass manche von ihnen sehr lange warten mussten
und dann enttäuscht abzogen. Insgesamt hat uns der
enorme Andrang aber noch mal darin bestärkt, dass
wir dieses Projekt, das bislang nur als Tagesprojekt
durchgeführt werden konnte, auch als fest instal l ierte
Einrichtung ins Leben rufen wollen.
Dazu wollen wir einen Raum schaffen, in dem Stu-
dent_innen unter fachkundiger Anleitung die Mög-
l ichkeit haben, ihr Fahrrad selber zu reparieren.
Werkzeug, inklusive speziel lem Fahrradwerkzeug,
und Fachwissen sol l dabei bereitgestel lt werden. Es
geht um Hilfe zur Selbsthilfe, das Reparieren des Fahr-
rades sol l erlernt und wenn möglich sogar weitergege-
ben werden. Ersatzteile sol len gebraucht - oder wenn
sie neu sein müssen zum Einkaufspreis - gekauft wer-
den können. In einer gut ausgestatteten Fahrradwerk-
statt könnten dann auch größere Reparaturen, wie
wir sie auf dem Albertus-Magnus-Platz nicht durchfüh-
ren konnten, erledigt werden.
Sol lten wir die Möglichkeit erhalten am nächsten
AStA beteil igt zu sein, werden wir versuchen, eine
selbstverwaltete Fahrradwerkstatt durchzusetzen, da-
mit dem Radfahrvergnügen nichts mehr im Weg
steht.
(von Jan Burchard)
Kl imaschutz ist nicht nur etwas, das von Regierungen,
Gesetzen und Verordnungen abhängt, sondern kann
durch das ökologische und nachhaltige Handeln al ler
Menschen erreicht werden. Ein paar Tipps haben wir
im Folgenden aufgeschrieben, die ein paar kleine An-
regungen für den Alltag geben und die euch nicht
nur helfen Energie zu sparen, sondern auch Geld. In
dem Artikel haben wir bewusst auf al lzu offensichtl i-
che Dinge wie „Schaltet das Licht aus“ verzichtet. Wir
möchten auch nicht belehrend wirken - jede Person
kann für sich selbst entscheiden was für sie sinnvol l
und umsetzbar erscheint.
In deiner Wohnung allge-
mein Bevor die Heizung im
Herbst wieder in Betrieb ge-
nommen wird, ist das Ent-
lüften empfehlenswert.
Luft in der Heizung bedeu-
tet nämlich Wärmeverlust.
Stoßlüften ist im Winter
energiesparender als dauerhaft auf Kippstel lung ste-
hende Fenster. Eine Zimmertemperatur von 1 8-22°C
wird von den meisten Menschen als angenehm emp-
funden. Ein Thermometer ist dabei für die Selbstkon-
trol le sehr hilfreich. Reflektionsfol ien oder elastische
Dämmtapeten können in der Heizungsnische ange-
bracht werden und helfen die Hitze von der meist
recht dünnen Außenwand wieder in den Innenraum
zu reflektieren. Mit dieser kleinen Investition kann
man bis zu 20% der Heizkosten sparen. Für gewöhn-
l ich lassen sich mit einem Laptop bis zu 70% Energie
gegenüber eines Desktop-PCs einsparen. Ladegeräte
verbrauchen auch Strom. Selbst wenn kein Gerät oder
Handy geladen wird. Mehrfachsteckdosen mit Kipp-
oder Fußschalter können Stand-By-Geräte von der
Stromzufuhr trennen.
Küche Das Gefrierfach
braucht viel Strom im
Kühlschrank, wenn sich eine
dicke Eisschicht gebildet hat.
Regelmäßiges Abtauen
lohnt sich deshalb. Auch die
Raumtemperatur, die um
den Kühlschrank herrscht,
hat Einfluss auf den Energieverbrauch. Vermieden
werden sol lte es, den Kühlschrank neben die Heizung
oder den Herd zu stel len. Ein Kühlschrank in kühlerer
Umgebung verbraucht weniger Strom. Das Aufko-
chen braucht weniger Energie, wenn das Wasser in ei-
nem Wasserkocher erhitzt und dann in den Topf
gegeben wird. Topfdeckel sparen euch weitere Zeit
und Energie. Wenn ihr euren Kühlschrank oder ande-
re Geräte ersetzen möchtet, ist es ratsam beim Neu-
kauf auf A++ Geräte zurückzugreifen. Diese
Energieeffizienzklasse verbraucht am wenigsten
Strom und ist langfristig auch am günstigsten.
Bad Sparduschköpfe und
Spülkästen für Toiletten sen-
ken den Wasserverbrauch.
Beim Duschen kann man
Energie durch eine angemes-
sene Temperaturwahl spa-
ren, beim Einseifen unter der
Dusche muss auch nicht
zwangsläufig das Wasser fl ießen.
Wäsche Energiehungriges
Bügeln (oftmals bis zu 2000
Watt) könnt ihr bei vielen
Kleidungsstücken
vermeiden, wenn ihr die Klei-
dungsstücke direkt ordent-
l ich aufhängt. Trockner sind
Energiefresser, daher ist es
besser, so weit wie möglich auf sie zu verzichten.
Schleudern auf hoher Stufe macht den Trockner
obsolet. Es empfiehlt sich, die Waschmaschine immer
ganz zu fül len. Eine Socke zu waschen verbraucht
nahezu so viel Energie wie eine vol le Trommel.
Im Studium Das doppelseiti-
ge Bedrucken und mehrere
Vorlesungs-Fol ien auf einer
Seite helfen euch dabei, den
Verbrauch von (Recycl ing-
)Papier und Strom zu redu-
zieren. 500 Blatt
konventionel l hergestel ltes
Papier verbrauchen 7,5 kg Frischholz, durch den
Gebrauch von Recycl ingpapier vermeidet ihr
Raubbau an der Natur. Siegel und Zertifikate wie der
"Blaue Engel" erleichtern euch die Papierwahl .
Unterwegs Fahrradfahren
und Laufen hält fit, spart
Energie und in der Stadt ist
man damit meistens auch
schnel ler als mit dem Auto.
Carsharing-Systeme wie
cambio und Fl inkster
stel len in Köln eine gute
Möglichkeit dar, auch ohne ein eigenes Auto größere
Transporte zu tätigen und damit die Umwelt zu scho-
nen. Bei längeren Strecken sol lte man aus
Umweltgesichtspunkten auf die Bahn oder
Mitfahrgelegenheiten setzen.
(von Timo Gedlich und Oliver Tietjen)
campus:grün Tipps zum Energiesparen
Der Fahrradaktionstag – im ersten Gang Richtung Fahrradwerkstatt