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GRUNDBEGRIFFE DER
SOZIOLOGIE
Markus Paulus DIPL.-PSYCH. (UNIV.), M.A.
Radboud University Nijmegen
IV, DER ROLLENBEGRIFF
“Die ganze Welt ist Bühne, Und alle Frau’n und Männer bloße Spieler.
Sie treten auf und gehen wieder ab. Sein Leben lang spielt einer manche Rollen…”
(Shakespeare 1599: Wie es Euch gefällt, II 7, 668ff.)
Quelle: Abels, 2009, 101ff
Kulturelles System Verbindliche Werte sichern Funktionieren der Gesellschaft
Orientierungsfunktion der Werte
Soziale Systeme Bsp. Familie, Organisationen soziale Positionen
Ausdifferenzierung und Spezifikation der Werte in Normen
Persönlichkeitssysteme Übernahme normativer Erwartungen in Rollen
Individuelle Orientierung an gesellschaftlichen Werten: Commitment
1, STRUKTURFUNKTIONALISMUS (PARSONS)
1, STRUKTURFUNKTIONALISMUS (PARSONS) ROLLE
Normativen Verhaltenserwartungen bilden Teil der Persönlichkeit
Einfügung der Möglichkeiten menschlicher Natur in ein System
FUNKTION DER ROLLEN
1, Selektionsfunktion: bringen für Struktur passende Verhaltensmöglichkeiten hervor
2, Sicherstellung des Handelns durch Motivation
INDIVIDUUM
1, soziale Belohnung, wenn man Erwartungen der Anderen entspricht
2, Internalisierung kultureller Werte (“Commitment”)
Rolle als soziales Muster existiert unabhängig von Einzelnen
Beziehung Individuum-Gesellschaft klar bestimmt
Anpassungsfunktion der Rolle
1, STRUKTURFUNKTIONALISMUS (PARSONS)
Rolle
Kulturelles System
Soziales System
Persönlichkeits-system
2, ROLLEN-SET (MERTON)
Robert Merton: Schüler Talcott Parsons Interesse an Phänomenen der Unordnung
Rollen-Set: zu jeder sozialen Position gehören eine ganze Reihe von Rollen, je nach Bezugsgruppe Erwartungen Anderer können recht unterschiedlich sein Individuum muss mit unterschiedlichen, teilweise
widersprüchlichen Erwartungen fertig werden
Theorie der Rollenkonflikte (als implizite Kritik an Parsons): Intrarollenkonflikt Interrollenkonflikt
Intrarollenkonflikt Versch. Bezugspersonen messen Rolle unterschiedliche
Bedeutung bei Bezugspersonen verfügen nicht alle über gleiche Macht Nicht jeder Teil des Verhaltens immer sichtbar
Interrollenkonflikt Räumliche oder zeitliche Trennung der Handlungsbereiche Ausschluss der Teilhabe an manchen Rollen
Gesamtbewertung: Nach Mertons Theorie existiert keine eindeutige Beziehung von Individuum und Gesellschaft
Lässt Raum für/erzwingt abweichendes Verhalten
2, ROLLEN-SET (MERTON)
Kern: Konflikttheorie Gesellschaft nicht durch Konsens zusammengehalten,
sondern durch Zwang Antagonismus Individuum-Gesellschaft Schränkt Freiheit des Individuums ein
Rollen: Einschränkung individueller Freiheit Individuum übernimmt Erwartungen, da es Sanktionen
fürchtet
Auch gesellschaftlich dysfunktionales Verhalten kann normiert sein, sich zu Rollenerwartungen verfestigen
3, HOMO SOCIOLOGICUS (DAHRENDORF)
“Die Tatsache der Gesellschaft ist ärgerlich, weil wir ihr nicht entweichen können.” (Dahrendorf, Homo sociologicus)
“Allgemein lassen sich für jede menschliche Gruppe gewisse Regeln und Sanktionen angeben, mit denen diese Gruppe auf das Verhalten ihrer Mitglieder und auf das von Nichtmitgliedern, zu denen diese Gruppe in Beziehung tritt, einwirkt und die sich prinzipiell von den Meinungen der Einzelnen innerhalb oder außerhalb der Gruppe ablösen lassen. In diesen Regeln und Sanktionen liegt der Ursprung von Rollenerwartungen und ihrer Verbindlichkeit. Die Artikulation solcher Erwartungen stellt uns also in jedem Fall vor die Aufgabe, zunächst die Bezugsgruppe einer Person zu identifizieren und sodann die Normen ausfindig zu machen, die jede Gruppe im Hinblick auf die in Frage stehende Position kennt.” (Dahrendorf, Homo sociologicus)
3, HOMO SOCIOLOGICUS (DAHRENDORF)
Wichtig:
1, Dahrendorf gibt Methode zur Bestimmung von Rollen: Identifikation von Bezugsgruppen und deren Rollenerwartungen
2, Ablösung des Begriffs der Rolle aus der allgemeinen kulturellen Normativität (a la Parsons)
3, kein Konsens der Meinungen in Gesellschaft über Verhaltensweisen erforderlich
3, HOMO SOCIOLOGICUS (DAHRENDORF)
1. Kritikpunkt
Wird die Rollentheorie “schlechthin zu einer universalhistorischen Kategorie verallgemeinert,
muss die Rollenanalyse mit ihrer eigenen geschichtlichen Bedingtheit überhaupt gesellschaftliche Entwicklung als eine
geschichtliche ignorieren.” (Habermas, Theorie und Praxis)
4, KRITIK DER ROLLENTHEORIE (HABERMAS)
• Rolle als historisches Gebilde, relativ zu gesellschaftlicher Entwicklung
• Erst in industriellen Gesellschaften mit abgelösten Verhaltensmustern quasi-dingliche Existenz von Rollen
• ergibt Freiheit in der Rollenübernahme • neue Art der Unfreiheit, da unter äußerliche Rollen genötigt
• in einfachen Gesellschaften mit naturwüchsigen Rollen nicht der Fall
2. Kritikpunkt
Rollentheorie vernachlässigt “drei Dimensionen möglicher Freiheitsgrade des Handelns”
(Habermas, Stichworte zu einer Theorie der Sozialisation)
4, KRITIK DER ROLLENTHEORIE (HABERMAS)
Klassische Rollentheorie Fundamentale Einwände
Integrationstheorem Repressionstheorem
Identitätstheorem Diskrepranztheorem
Konformitätstheorem Rollendistanz
1, Integrationstheorem: Kongruenz Wertorientierung-Bedürfnisdisposition
Repressionstheorem: mehr Bedürfnisse als zugelassen
2, Identitätstheorem: Kongruenz Rollendefinition-Rolleninterpretation
Diskrepanztheorem: Menschen interpretieren Rollen unterschiedlich
3, Konformitätstheorem: absolute Kongruenz Rolle - internalisierter Wert
Rollendistanz: nicht vollständig internalisiert wichtig: Rollenkompetenz
4, KRITIK DER ROLLENTHEORIE (HABERMAS)
Rollendistanz: Gesellschaftskritische, identitätssichernde Funktion
Reflexive Auseinandersetzung mit Erwartungen; Legitimitätskritik