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Universität Würzburg Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger Grundkurs Bürgerliches Recht III Sachenrecht (ohne Kreditsicherung) Wintersemester 2019/20 VORLESUNGSMATERIAL

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  • Universität Würzburg

    Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger

    Grundkurs Bürgerliches Recht III Sachenrecht (ohne Kreditsicherung)

    Wintersemester 2019/20

    VORLESUNGSMATERIAL

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    Gliederungsübersicht

    1. Teil: Grundlagen § 1 Die Stellung des Sachenrechts in der Rechtsordnung § 2 Gegenstand des Sachenrechts § 3 Einteilungen des Sachenrechts § 4 Prinzipien des Sachenrechts § 5 Das dingliche Rechtsgeschäft im Überblick 2. Teil: Der Besitz § 6 Besitzarten - Erwerb des Besitzes § 7 Besitzschutz 3. Teil: Erwerb des Eigentums an beweglichen Sachen § 8 Übereignung beweglicher Sachen § 9 Der gutgläubige Erwerb § 10 Sonstige Erwerbsgründe 4. Teil: Erwerb von Rechten an Grundstücken § 11 Das Grundbuch § 12 Übereignung und Belastung von Grundstücken § 13 Vormerkung § 14 Das unrichtige Grundbuch § 15 Erwerb kraft öffentlichen Glaubens des Grundbuchs 5. Teil: Inhalt und Schutz des Eigentums § 16 Herausgabeanspruch und Eigentümer-Besitzer-Verhältnis § 17 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch § 18 Nachbarrecht und nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch

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    Literaturvorschläge

    Baur, Fritz/ Baur, Jürgen F./Stürner, Rolf Sachenrecht

    18. Auflage 2009 1086 Seiten; Preis: 74,00€

    Brehm, Wolfgang/Berger, Christian Sachenrecht

    3. Auflage 2014 583 Seiten; Preis: 26,00 €

    Gottwald, Peter BGB Sachenrecht Prüfe dein Wissen

    16. Auflage 2014 213 Seiten; Preis: 19,80 €

    Gursky, Karl-Heinz Klausurenkurs im Sachenrecht

    12. Auflage 2008 212 Seiten; Preis: 18,00 €

    Gursky, Karl-Heinz 20 Probleme aus dem BGB, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis 9. Auflage 2015 123 Seiten; Preis: 17,90 €

    Gursky, Karl-Heinz 20 Probleme aus dem Sachenrecht ohne Eigentümer-Besitzer-

    Verhältnis 8. Auflage 2014 136 Seiten; Preis: 16,90 €

    Habersack, Mathias Examens-Repetitorium Sachenrecht 8. Auflage 2016 222 Seiten; Preis: 20,99 €

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    Koch, Jens/Löhnig, Martin Fälle zum Sachenrecht

    5. Auflage 2017 222 Seiten; Preis: 22,90€

    Lange, Hermann/Schiemann, Gottfried Fälle zum Sachenrecht

    6. Auflage 2008 177 Seiten; Preis: 16,90 €

    Lüke, Wolfgang Sachenrecht 4. Auflage 2018 201 Seiten; Preis: 24,90 € (über Beck ebibliothek abrufbar)

    Müller, Klaus/Gruber, Urs Peter Sachenrecht 2016 850 Seiten; Preis: 59,00 €

    Neuner, Jörg Beck`sches Examinatorium Sachenrecht

    5. Auflage 2017 230 Seiten; Preis: 24,90 €

    Schellhammer, Kurt Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen samt Wohnungseigentums- und Grundstücksrecht

    5. Auflage 2017 692 Seiten; Preis: 98,99 €

    Prütting, Hanns Sachenrecht. Ein Studienbuch. 36. Auflage 2017 411 Seiten; Preis: 24,90 €

    Schreiber, Klaus Sachenrecht

    7. Auflage 2018 336 Seiten; Preis: 29,80 €

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    Vieweg, Klaus/Werner, Almuth Sachenrecht

    8. Auflage 2018 671 Seiten; Preis: 29,00 € (erscheint im Oktober)

    Weber, Ralph Sachenrecht I 4. Auflage 2015 437 Seiten; Preis: 22,00 €

    Weber, Ralph Sachenrecht II 4. Auflage 2014 376 Seiten; Preis: 22,00 €

    Westermann, Harm Peter/Staudinger, Ansgar BGB-Sachenrecht 13. Auflage 2017 277 Seiten; Preis: 22,99 €

    Westermann, Harm Peter/Eickmann, Dieter/Gursky, Karl-Heinz Sachenrecht

    8. Auflage 2011 1099 Seiten; Preis: 179,95 €

    Wieling, Hans Josef Sachenrecht 5. Auflage 2007 533 Seiten; Preis: 29,99€

    Wilhelm, Jan Sachenrecht

    5. Auflage 2016 1071 Seiten; Preis: 199,95 €

    Wellenhofer, Marina Sachenrecht 33. Auflage 2018 552 Seiten; Preis: 23,90 € (Vorauflage über Beck ebibliothek abrufbar)

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    Wörlen, Rainer/Kokemoor, Axel Sachenrecht

    10. Auflage 2017 201 Seiten; Preis: 21,90 €

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    Detaillierte Gliederung mit Hinweisen zur Vor- und Nachbereitung

    sowie zur Vertiefung

    1. Teil: Grundlagen § 1 Die Stellung des Sachenrechts in der Rechtsordnung

    I. Sachenrecht und Schuldrecht II. Beziehungen zum Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht III. Sachenrecht und öffentliches Recht

    Zur Vertiefung: Zu § 1 I: Loose, Sachenrecht kompakt – ein Überblick für Studienanfänger zum dritten Buch des BGB, JA 2016, 808 ff. § 2 Gegenstand des Sachenrechts

    I. Der Begriff der Sache - Sachen = körperliche Gegenstände (= sinnlich wahrnehmbar, be-

    herrschbar, abgegrenzt) - Aggregatzustand (fest, flüssig, gasförmig) ist gleichgültig - Keine Sachen (aber sehr wohl Gegenstände des Rechtsverkehrs: For-

    derungen, Immaterialgüterrechte): Übertragung nach §§ 398 ff. BGB II. Bestandteile, Zubehör, Nutzungen und Früchte

    1. Wesentliche Bestandteile einer Sache (§ 93, 94 BGB) 2. § 95 BGB: sog. Scheinbestandteile 3. Einfache Bestandteile 4. Zubehör (§§ 97, 98 BGB) 5. Nutzungen und Früchte (§ 99 BGB)

    Zur Vor- und Nachbereitung: Baur/Stürner, Sachenrecht, § 3 A; Petersen, JURA 2010, 763ff. Fall 1.1 A ist Eigentümer von Ackerland, das er zur Hälfte selbst mit Getreide bebaut, zur Hälfte an seinen Nachbarn N verpachtet, der darauf Zuckerrüben anbaut. Qualifizieren Sie die Sach- und Rechtsfrüchte im System des § 99 BGB! § 3 Einteilungen des Sachenrechts

    I. Immobiliar- und Mobiliarsachenrecht II. Eigentum und beschränkte dingliche Rechte III. Eigentum und Besitz

    Zur Vertiefung: Schreiber, JURA 2006, 270ff. § 4 Prinzipien des Sachenrechts

    I. Absolutheit II. Numerus clausus III. Spezialität IV. Publizität V. Abstraktions- und Trennungsprinzip

    Zur Vor- und Nachbereitung: Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4 und § 5 IV.; Lorenz, JuS 2009, 489ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rdn. 6-20, 33-51; Wellenhofer, Sachenrecht, § 3; Schreiber, JURA 2010, 272ff.; insbesondere zur Klausurtechnik: Bayerle, Trennungs- und Abstraktionsprinzip in der Fallbearbeitung, JuS 2009, 1079ff.

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    § 5 Das dingliche Rechtsgeschäft im Überblick

    I. Die drei Elemente des dinglichen Rechtsgeschäfts II. Einigung III. Kundbarmachung IV. Berechtigung des Veräußerers

    Zur Vor- und Nachbereitung: Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 I.-III; Hofmann, JA 2008, 253ff.; insbesondere zu Berechtigung und Verfügungsbefugnis Schreiber, JURA 2010, 599ff.

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    Beschränkte dingliche Rechte1 Nutzungsrechte Sicherungs- und Erwerbsrechte Verwertungsrechte (Pfandrechte)

    1 Nach Baur/Stürner, Sachenrecht17, S. 27

    1. Nießbrauch (§ 1030) volles Nutzungsrecht

    1. Hypothek (§ 1113) Sicherung des Gläubi-gers einer Geldforde-rung durch Verwer-tungsrecht am Grund-stück

    1. Dingliches Vorkaufs-recht (§ 1094)

    2. Grunddienstbarkeit (§ 1018) Beschränktes, zuguns-ten eines anderen Grundstücks beste-hendes Nutzungsrecht an einem Grundstück, z.B. Wegerecht

    2. Grundschuld (§ 1191) zweckgleich mit Hypo-thek

    2. Vormerkung (§ 883) Sicherung des An-spruchs auf dingliche Rechtsänderung am Grundstück

    3. Beschränkte persön-liche Dienstbarkeit (§ 1090) Beschränktes, zuguns-ten einer bestimmten Person bestehendes Nutzungsrecht an ei-nem Grundstück z.B. dingliches Wohn-recht

    3. Pfandrecht an beweg-lichen Sachen (§ 1204) Sicherung des Gläubi-gers einer Geldforde-rung durch Verwer-tungsrecht an bewegli-chen Sachen

    4. Praeter legem Sicherungsübereignung bewegl. Sachen und Ei-gentumsvorbehalt an bewegl. Sachen

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    § 5 Das dingliche Rechtsgeschäft

    Berechtigung des Veräußerers

    Kundbarmachung

    Einigung

    Bewegliche Sachen

    Übergabe

    §§ 929 S. 1, 1205 I 1

    = Realakt,

    keine Stell-vertretung möglich

    Grundstücke

    Eintragung im Grundbuch

    § 873 I

    „dinglicher Vertrag“ Rechtsgeschäfts-

    lehre anwendbar Ausnahmen: • § 925 II: Auflassung

    bedingungsfeindlich • Widerruflichkeit der

    Einigungserklärung Ausnahme § 873 II

    Einigung muss noch

    im Zeitpunkt der Kundbarmachung vorliegen

    Veräußerer = Eigentümer oder kraft Ermächtigung verfü-gungsbefugt (§§ 185 I + II) Falls ein Nichtberech-tigter veräußert

    gutgläubiger Erwerb bzw. Erwerb kraft öf-fentlichen Glaubens zu prüfen

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    2. Teil: Der Besitz § 6 Besitzarten - Erwerb des Besitzes

    I. Unmittelbarer und mittelbarer Besitz 1. Unmittelbarer Besitz - § 854 BGB = tatsächliche Sachherrschaft, gewisse räumliche Distanz

    unschädlich (geparktes Auto), vgl. § 856 Abs. 2 BGB - Recht zum Besitz für den Besitz selbst unerheblich - ≠ Gewahrsam im Strafrecht. Beispiele: Besitzdiener hat keinen Besitz,

    aber Gewahrsam; mittelbarer Besitzer hat Besitz, aber keinen Gewahr-sam;

    - §§ 857, 1922 BGB: Erbe erhält mit dem Tod des Erblassers Besitz, auch wenn er abwesend ist und/oder vom Erbfall noch gar keine Kenntnis hat.

    2. Erwerb und Verlust des unmittelbaren Besitzes - Durch Erlangung der tatsächlichen Gewalt, § 854 Abs. 1 BGB

    Willenselement? - § 854 Abs. 2 BGB: abgeleiteter Erwerb durch bloße Einigung - Verlust des unmittelbaren Besitzes: § 856 BGB 3. Mittelbarer Besitz: Begriff, § 868 BGB - Unmittelbarer Besitzer (Besitzmittler) und mittelbarer Besitzer sind

    beide „vollwertige“ Besitzer. Entscheidend ist das Besitzmittlungsver-hältnis (auch Besitzkonstitut genannt von lat. constitutum possessori-um)

    4. Erwerb (und Verlust) des mittelbaren Besitzes - Durch Begründung eines BMV: z.B. Vermieter übergibt Sache dem

    Mieter: Vermieter wird mittelbarer Besitzer) - § 870 BGB: Durch Übertragung des mittelbaren Besitzes: z.B. Ver-

    mieter veräußert die Wohnung und tritt dabei den Anspruch gegen den Mieter auf Herausgabe an den Erwerber ab

    II. Besitzer – Besitzdiener III. Alleinbesitz - Teilbesitz – Mitbesitz IV. Eigenbesitz – Fremdbesitz

    - Entscheidend: Willensrichtung - § 872 BGB: Eigenbesitz - Fremdbesitz: der Besitzer besitzt als Inhaber eines obligatorischen

    Rechts oder eines beschränkten dinglichen Rechts - Beispiele: Mieter, Dieb

    Zur Vor- und Nachbereitung und zur Vertiefung: Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7; Schreiber, Die Besitzformen, JURA 2012, 514 ff.

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    § 7 Besitzschutz I. Begriff der verbotenen Eigenmacht

    • Grundbegriff der §§ 859 ff. BGB • Besitzentziehung oder Besitzstörung (Wegnahme einer beweglichen

    Sache, Benutzung; Betreten eines fremden Grundstücks, Campieren auf fremdem Grundstück)

    • ohne Willen des Besitzers • keine Gestattung der Entziehung oder Störung durch Gesetz (Rechtfer-

    tigungsgrund) II. Gewaltrecht des unmittelbaren Besitzers

    • Besitzwehr (§ 859 Abs. 1 BGB): spezieller Fall der Notwehr (§ 227 BGB); Beeinträchtigung droht oder dauert noch an

    • Besitzkehr (§ 859 Abs. 2 und 3 BGB): spezieller Fall der Selbsthilfe; zeitliche Schranken zu beachten. Beeinträchtigung schon abgeschlos-sen

    III. Possessorischer Besitzschutz IV. Petitorischer Besitzschutz V. Besitzschutz im Delikts- und Bereicherungsrecht

    Zur Vor- und Nachbereitung: Baur/Stürner, Sachenrecht, § 9; Prütting, Sachenrecht, §§ 12-14, § 50. Zur Vertiefung: Gottwald, PdW BGB Sachenrecht, Fälle 5, 6, 7, 9 und 10; Pöschke/Sonntag, Fortgeschrittenen-klausur-Zivilrecht, JuS 2009, 711ff.; Westermann/Staudinger, BGB-Sachenrecht, § 2 II 2. Insbesondere zur Klausurtechnik: Petersen, JURA 2002, 160 ff.; Kieninger/Selke/Wilhelm, Fortgeschrittenenklausur – Zivilrecht, JuS 2012, 815 ff. (mit EBV); Omlor/Gies, der Besitz und sein Schutz im System des BGB, JuS 2013, 12 ff.; Lorenz, Grundwissen – Zivilrecht: Besitzschutz, JuS 2013, 776 ff. Fall 2.1 E hat sein Cello dem Geigenbaumeister G zur Aufbewahrung während eines längeren Aus-landsaufenthalts anvertraut. Der Lehrling L nimmt das Instrument an sich und veräußert es an den gutgläubigen Z. Als G den Sachverhalt erfährt, verlangt er das Cello von Z heraus, damit er es E bei dessen Rückkehr wiedergeben kann. Hat G gegen Z einen Anspruch auf Herausgabe? Fall 2.2 Vermieter (V) kündigt Mietverhältnis mit Mieter (M); einen Tag nach Ende der Kündigungs-frist setzt V den M gewaltsam vor die Tür anstatt Räumungsklage zu erheben.

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    Besitzschutz

    Selbsthilferecht §§ 858-860

    „possessorischer Besitzschutz“ §§ 861-864 „petitorischer Besitzschutz“

    § 1007

    § 1007 I Anspruch des früheren Be-sitzers gegen den aktuellen bösgläubigen Besitzer auf Herausgabe

    § 1007 II Anspruch des früheren Be-sitzers gegen den aktuellen gutgläubigen Besitzer bei Abhanden-kommen

    unfreiwilliger Besitzverlust

    „Besitzwehr“ und „Besitzkehr“ • unmittelbarer Besitzer oder

    Besitzdiener; ob mb. Besit-zer str.

    • verbotene Eigenmacht:

    widerrechtliche Entziehung oder Störung ohne Willen des Besitzers

    • unmittelbarer oder mittelba-rer Besitzer (§ 869)

    • Entzug oder Störung durch

    verbotene Eigenmacht • Frage des Rechts zum Be-

    sitz unerheblich (Ausschluss „petitori-scher“ Einwendungen, § 863)

    • Erlöschen nach 1 Jahr

    (§ 864)

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    Voraussetzungen des § 10072

    Anspruch des früheren Besitzers gegen den bösgläubigen Besitzer, § 1007 I:

    Vortrag des Klägers (kumulativ) • Kläger ist ehemaliger Besitzer • Beklagter ist jetziger Besitzer • Beklagter war beim Besitzerwerb bösgläubig Verteidigung des Beklagten (alternativ) • Kläger hat den Besitz selbst bösgläubig erworben (§ 1007 III) • Kläger hat den Besitz freiwillig aufgegeben (§ 1007 III) • Beklagter hat ein Recht zum Besitz (§§ 1007 III, 986:

    sog. petitorische Einwendungen nicht ausgeschlossen!)

    Anspruch des früheren Besitzers gegen den gutgläubigen Besitzer, § 1007 II:

    Vortrag des Klägers (kumulativ) • Kläger ist ehemaliger Besitzer • Beklagter ist jetziger Besitzer • Sache ist dem Kläger abhanden gekommen Verteidigung des Beklagten (alternativ) • Kläger hat den Besitz selbst bösgläubig erworben (§ 1007 III) • Beklagter ist Eigentümer (§ 1007 II 1) • Beklagter hat ein Recht zum Besitz (§§ 1007 III, 986: sog.

    petitorische Einwendungen nicht ausgeschlossen!) • Sache war, bevor sie der Kläger hatte, dem Beklagten ab-

    handen gekommen (§ 1007 II) Es handelt sich um Geld oder Wertpapiere (vgl. auch § 935 II).

    2 Nach Schwab/Prütting, Sachenrecht, S. 289.

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    3. Teil: Erwerb des Eigentums an beweglichen Sachen § 8 Übereignung beweglicher Sachen

    I. Übereignung nach § 929 S. 1 Exkurs: Eigentumsvorbehalt (Grundlagen) – nicht Stoff der Klausur Einfacher EV: Übergabe sofort, aber dingliche Einigung steht unter der Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung (§ 449 Abs. 1 BGB). • Wirtschaftlicher Sinn: Sicherungsrecht. • Problem: Durchbrechung des Faustpfandprinzips (§ 1205 BGB) • Rechtfertigung Verkäufer leistet vor • Durch Gesetz klar anerkannt, siehe § 449 BGB • Im Konkurs des Vorbehaltskäufers kann der Verkäufer die Kaufsachen „aussondern“,

    da sie noch ihm gehören Erweiterter EV: • Sicherung weiterer Forderungen • Zahlung dieser zusätzl. Forderungen = Bedingung des Eigentumsübergangs. • Unzulässig: Konzernvorbehalt (§ 449 Abs. 1 BGB). Verlängerter EV: • Verlängerung des EV in die Verarbeitungsprodukte • Verlängerung des EV in die Erlöse: Vorausabtretung der künftigen Forderungen ge-

    gen die Abnehmer des Vorbehaltskäufers II. Übereignung nach § 929 S. 2 III. Übergabesurrogate (§§ 930, 931)

    Exkurs: Sicherungsübereignung • Durchbrechung des Faustpfandprinzips • Aber gesetzlich anerkannt, vgl. § 51 Nr. 1 InsO • Grundgeschäft: Sicherungsvertrag; darin auch Besitzkonstitut. • Merke: treuhänderische Bindung! Sicheigt. kann die Sache nur herausverlangen, wenn

    der Sicherungsfall eingetreten ist (zB Kreditraten nicht mehr bezahlt werden); er muss einen Verwertungsüberschuss an SG herausgeben

    Zur Vor- und Nachbereitung: Mohamed, Der rechtsgeschäftliche Erwerb an beweglichen Sachen gemäß §§ 929 ff. BGB im Überblick, JA 2017, 419; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51; Prütting, Sachenrecht, § 32; Wester-mann/Staudinger, BGB-Sachenrecht, § 5. Zur Vertiefung: Weber, JuS 1998, 577 ff.; speziell zur Übereignung mittels Traditionspapier: Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 Rdn. 40; Gottwald, PdW BGB Sachenrecht, Fall 54-62. Fall 3.1: Der Inhaber eines Modegeschäfts (I) beauftragt seine Angestellte A, beim Großhändler G 80 Sektgläser für den bevorstehenden Eröffnungsempfang zu kaufen. Die Freundin der A (F) bittet A, zusätzlich Cocktailgläser für ihre nächste Party mitzubringen. A führt die Aufträge aus. Hinter der Kasse des Großhändlers wird A von einem anderen Kunden (K) so unge-schickt angerempelt, dass die Hälfte der Sekt- und Cocktailgläser zu Bruch geht. Ansprüche des I und der F gegen K auf Schadensersatz?

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    Beispielsfall zu § 929 S. 2 BGB: A least vom Autohaus L einen Mercedes A-Klasse. Nach dem Ende der Leasingdauer (3 Jahre) übt er die Kaufoption aus und bezahlt an L den Restbetrag von 2500 €. Den Wagen behält er. Ist A Eigentümer geworden? Fall 3.2: K kauft beim Einzelhändler E Bürostühle. E hat die Stühle nicht auf Lager und bestellt sie seinerseits beim Lieferanten L. Die Verkaufsbedingungen des L enthalten einen Eigentums-vorbehalt bis zur vollständigen Bezahlung. E weist L an, die Stühle direkt an K zu liefern. Wie ist die Rechtslage, wenn E in Konkurs fällt, nachdem die Stühle bereits an K geliefert sind, aber bevor E den Kaufpreis an L gezahlt hat? § 9 Der gutgläubige Erwerb

    I. Grundgedanke der gesetzlichen Regelung II. Die rechtfertigende Besitzlage bei den einzelnen Übereignungstatbestän-

    den III. Der gute Glaube IV. Bereicherungsrechtlicher Ausgleich V. Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs bei abhanden gekommenen Sachen VI. Der lastenfreie Erwerb

    Zur Vor- und Nachbereitung: Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52; Prütting, Sachenrecht, § 35; Wester-mann/Staudinger, BGB-Sachenrecht, § 7. Zur Vertiefung: Frahm/Würdinger, JuS 2008, 14ff.; Gottwald, PdW BGB Sachenrecht, Fälle 63 -72; Neuner, JuS 2007, 401ff.; Zeranski, JuS 2002, 340 ff.; Medicus, JURA 2001, 294 ff.; Weber, JuS 1999, 1 ff.; Werner, Der gutgläubig lastenfreie Erwerb beweglicher Sachen, JA 2009, 411ff.; Lorenz/Eichhorn, Grundwissen Zivil-recht: Der gutgläubige Erwerb, JuS 2017, 822 ff.; Mohamed, Der rechtsgeschäftliche Erwerb an beweglichen Sachen gemäß §§ 929 ff. BGB im Überblick, JA 2017, 419 Fall 3.3: V hat sich von E dessen Espressomaschine ausgeliehen. V unterschlägt und verkauft sie an K, der einen Pizza-Service betreibt. V und K einigen sich über den Eigentumsübergang. Ein Fah-rer des K holt die Maschine ab. Ist K Eigentümer geworden? Fall 3.4: M betreibt eine Software-Entwicklungsfirma. Zur Sicherung eines Kredits für sein Unterneh-men übereignet er die Computeranlage an die Bank B, wobei M im Besitz der Computeran-lage bleibt und M und B einen Sicherungsvertrag schließen. Sechs Monate später benötigt M einen weiteren Kredit und wendet sich an die Bank X. Sie ist nur gegen Sicherheiten zur Vergabe des Kredits bereit. Da M keine anderen wertvollen Gegenstände besitzt, übereignet er die Anlage ein weiteres Mal sicherungshalber an X. Als M die Zahlung der Kreditraten an X einstellt, erscheint ein Mitarbeiter der X (F) bei M und nimmt ohne weitere Erklärungen den besten der drei Computer mit. M bleibt völlig verdutzt zurück. Zehn Tage später ruft M bei F an und klärt ihn über den wahren Sachverhalt auf. Wer ist Eigentümer des von F mitgenommenen Computers? Fall 3.5: V hat von der Leasingfirma L einen Kran geleast und vermietet ihn für zwei Wochen an sei-nen Freund M, der Bauunternehmer ist und wegen eines Unfalls dringend einen Ersatzkran benötigt. Während dieser Zeit tritt die Bank B an V heran und verlangt für seinen Geschäfts-kredit zusätzliche Sicherheiten. Da V bereits in finanziellen Schwierigkeiten steckt, sieht er

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    keine andere Möglichkeit, als B gegenüber zu behaupten, er sei Eigentümer des gerade ver-mieteten Krans und könne diesen zur Sicherheit übereignen. V und B schließen einen Siche-rungsvertrag und einigen sich über den Eigentumsübergang. V tritt an B seinen Anspruch gegen M auf Herausgabe des Krans ab. Hat B Eigentum an dem Kran erworben? Fall 3.6 (nach BGH NJW 1974, 1132): Der Hemdenfabrikant E ist in finanziellen Schwierigkeiten. Sein Freund M will ihm unter die Arme greifen und verhandelt mit B, der sich verpflichtet, 5.000 Hemden abzunehmen. Dies teilt M dem E mit. B erscheint bei E und verlangt die 5000 Hemden, die ihm von E übergeben werden. B zahlt den Kaufpreis an M und veräußert die Hemden an X weiter. M entpuppt sich als schlechter Freund, denn er gibt den Veräußerungserlös nicht an E heraus, sondern wird seinerseits zahlungsunfähig. Im Übrigen stellt sich heraus, dass M dem B gegenüber im eige-nen Namen aufgetreten ist, während E selbstverständlich davon ausgegangen war, dass M in seinem, des E Namen, die Verhandlungen mit B führen würde Kann E von B den Erlös aus dem Verkauf der Hemden an X herausverlangen? Fall 3.7: A hatte von seinem Freund F eine Erstausgabe des „Steppenwolf“ ausgeliehen. Da beide schon recht betagt waren, hatten sie die Angelegenheit rasch wieder vergessen. Als A ohne Hinterlassen einer letztwilligen Verfügung stirbt, nimmt sein einziger Sohn und Alleinerbe S den Nachlass an sich. Darin findet er unter anderem die Erstausgabe und schenkt sie seiner Nichte N. N jedoch hat ihr Herz bereits anderen Autoren zugewendet und verkauft das wert-volle Buch an den Buchantiquar B, der auf Grund einer Widmung sofort erkennt, dass das Buch dem F gehört hat; B erinnert sich auch daran, dass F ihm einmal erzählt hat, er habe das Buch dem A ausgeliehen. Da B jedoch großes Interesse an dem Buch hat - er hat bereits einen reichen Kunden, für den er eine Erstausgabe des „Steppenwolf“ suchen soll - schließt er den Kaufvertrag ab, ohne über den Sachverhalt ein Wort zu verlieren, und lässt sich das Buch von N übereignen. Ist B Eigentümer des Buches geworden? Fall 3.8: C hat während einer längeren Auslandsreise sein wertvolles Cello bei seinem Orchesterkolle-gen O deponiert. O ist, da er sich am Neuen Markt mit geliehenem Geld verspekuliert hat, in großen finanziellen Nöten. Schweren Herzens veräußert er das Instrument an den gutgläubi-gen Sammler S, dem er es sogleich übergibt. Als C nach seiner Rückkehr den Sachverhalt erfährt, verlangt er von S das Cello heraus. Variante A: C deponiert das Cello bei O. Dort wird es vom Dieb D gestohlen. D gibt sich als seriöser Hobbymusiker aus, der sich umständehalber von seinem Instrument trennen muss und veräußert es zu einem dem Wert angemessenen Preis an den gutgläubigen Sammler S. Kann C von S Herausgabe verlangen? Variante B: Wie Fall 10 (Ausgangsfall) mit dem einzigen Unterschied, dass C das Cello nicht dem O anvertraut, sondern es im Haus unter der Obhut seines Butlers B belässt. B unter-schlägt und veräußert das Instrument an S. Kann C von S Herausgabe verlangen? Fall 3.9: K verhandelt seit längerer Zeit mit seinem Geschäftskollegen V über den Kauf von V's ge-brauchtem BMW. Am 1.5. werden beide über den Preis von 8400.- € handelseinig, wobei sich

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    V verpflichtet, das Auto auf seine Kosten in der Werkstatt des W generalüberholen zu lassen. Noch während der BMW bei W ist, drängt K auf Vollzug des Kaufvertrags. V ist einverstan-den und tritt dem K seinen Herausgabeanspruch gegen W ab. Daraufhin erscheint K bei W und verlangt Herausgabe des nunmehr überholten BMW. W weigert sich, da V die Rechnung noch nicht bezahlt hat; ihm stünde ein Pfandrecht an dem Wagen zu. Kann K von W Herausgabe verlangen? § 10 Sonstige Erwerbsgründe

    I. Verarbeitung, Verbindung und Vermischung II. Ersitzung

    Fahrnisersitzung §§ 937 – 945 • bewegliche Sache • 10 Jahre Eigenbesitz (Willensrichtung entscheidend - auch der Dieb

    hat Eigenbesitz!) • Gutgläubigkeit in Bezug auf das vermeintliche Eigenum des Ersitzen-

    den beim Erwerb des Besitzes. Keine Kenntniserlangung der fehlen-den Eigentümerstellung während der Ersitzungszeit.

    • Praktischer Anwendungsbereich wegen § 932 BGB gering Problem: Ist die Ersitzung kondiktionsfest? Bsp.: Dieb D stiehlt dem Eigentümer E dessen goldene Armbanduhr und veräußert sie an den gutgläubigen K. 11 Jahre später entdeckt E die Uhr zufällig bei K. Kann er das Eigentum von K kondizieren?

    III. Erwerb von Erzeugnissen und Bestandteilen und Aneignung herrenloser Sachen

    Zur Vor- und Nachbereitung: Prütting, Sachenrecht, §§ 36-46. Zur Vertiefung: Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53; Gottwald, PdW BGB Sachenrecht, Fälle 73-89; Schreiber, JURA 2006, 113ff.; Süß, JURA 2011, 81ff.; Buchwitz, Bereicherungsausgleich nach gesetzlichem Eigentumser-werb – Ein Überblick, JuS 2016, 1067 ff. Aktuelle Rechtsprechung: BGH, Urt. v. 10.7.2015 – V ZR 206/14, NJW 2016, 317 = JuS 2016, 357 (Karsten Schmidt): Helmut Kohl (Kl.) klagte gegen einen Journalisten (Bekl.) auf Herausgabe von Tonbändern mit Auf-zeichnungen von Interviews. Beide Parteien hatten jeweils eigene Verträge mit einem Verlag zum Zweck der Herstellung von „Memoiren“ des ehemaligen Bundeskanzlers geschlossen. Kl. sollte „Au-tor“ und Eigentümer des Buchmanuskripts sein, das der Bekl. als „Ghostwriter“ verfassen sollte. Ein-zelheiten der Zusammenarbeit sollten die Parteien selbst besprechen. Der Kl. war berechtigt, die Zu-sammenarbeit mit dem Bekl. jederzeit zu beenden und einvernehmlich mit dem Verlag einen Ersatz für ihn zu bestimmen. Zur Vorbereitung des Manuskripts fanden nach Absprache der Parteien im Wohnhaus des Kl. an 100 Tagen 630 Stunden lange Gespräche sowohl über die politischen Amtszeiten als auch über den priva-ten Werdegang des Kl. statt. Die Tonbänder (die offenbar dem Bekl. gehörten) nahm der Bekl. zur Vorbereitung der Buchveröffentlichung jeweils mit nach Hause. Im Jahr 2009 kündigte der Kl. nach einem Zerwürfnis der Parteien die Zusammenarbeit mit dem Bekl. auf. Der Kl. forderte den Bekl. daraufhin erfolglos auf, ihm alle Aufzeichnungen herauszugeben. Mit der Klage verlangt der Kl. von dem Bekl. die Herausgabe „sämtlicher Tonaufnahmen, auf denen die Stimme des Kl. zu hören ist und die in den Jahren 2001 und 2002 von dem Bekl. aufgenommen wur-den“. Lösung des BGH: • § 985 BGB: Hat der Kl. durch das Besprechen der Tonbänder mit seiner Stimme Eigentum an den

    vormals dem Bekl. gehörenden Bändern durch Verarbeitung (§ 950 BGB) erlangt? • BGH: nein (anders als Vorinstanz) • Aber Anspruch auf Herausgabe nach § 667 (Tonbandaufzeichnungen durch die Ausführung des

    Auftrags erlangt)

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    Verlängerter Eigentumsvorbehalt mit Verarbeitungsklausel: Rechtsprechung (hier z.B. OLG Frankfurt, 21.5.2014): „Durch die Verarbeitungsklausel sagte die Insolvenzschuldnerin als Inhaberin des verarbeitenden Be-triebes ihren Rohstofflieferanten im Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts zu, für diese verarbeiten zu wollen. In diesem Fall gilt dann der Lieferant als Hersteller im Sinne von § 950 BGB und erwirbt das Eigentum an der neuen Sache ohne Durchgangserwerb der verarbeitenden Insolvenz-schuldnerin. Ein bis zur Verarbeitung an den gelieferten Ausgangsstoffen bestehender Eigentumsvor-behalt setzt sich an der neuen Sache fort.“ Nota bene: Das OLG Frankfurt behandelt die Möglichkeit, den Hersteller privatautonom festzusetzen, wie einen Gewohnheitsrechtssatz und zitiert entgegenstehende Ansichten nicht einmal. Zum Wertverhältnis bei § 950 BGB Grundsatzurteil des BGH 12.1.1972, JZ 1072, 165: „Aus seiner grundsätzlichen Einstellung, den Verarbeiter zu bevorzugen, schließt deshalb das Gesetz dessen Eigentumserwerb nach § 950 BGB erst aus, wenn der Verarbeitungswert in einem solchen Umfang geringer ist als der Stoffwert, daß die Verkehrsauffassung den Unterschied als erheblich an-sieht. Das ist bei einem Verhältnis von 100 (Stoffwert) : 60 (Verarbeitungswert) , also bei einer Wert-differenz von 40 % immer der Fall.“ Beispiel: Aus hochwertigem Stoff (100.- € pro Meter) werden Vorhänge genäht, der fertige Vorhang (zwei Meter Breite) hat einen Herstellerpreis von 300.- €. Wert der Verarbeitung = 100.- €. Verhältnis Stoffwert (200.- €) : Verarbeitung (100.-) = 100:50, Wert der Verarbeitung erheblich gerin-ger als der des Stoffes Ausnahme zu § 950 beim Werkvertrag? (Herstellung einer neuen Sache, nicht Reparatur) Bsp: Maßschneider stellt einen Anzug her • Altes Schuldrecht differenzierte: Wer liefert Stoff? Unternehmer: Stoff und Arbeit stammen beide vom Unternehmer; Unternehmer erwirbt Eigentum und übereignet die ganze neue Sache an Besteller. Besteller: nur Werkvertrag (§ 651 II a.F. ); entgegen § 950 wird der Besteller und nicht der Werkun-ternehmer originärer Eigentümer der neuen Sache wird. Grund: Werkvertrag nicht auf Eigentumsverschaffung angelegt; Werkunternehmerpfandrecht. • Neues Schuldrecht: Lieferung herzustellender Sachen = nur Kaufrecht, egal von wem der Stoff

    stammt. Also: Eigentumsverschaffungspflicht; kein Werkunternehmerpfandrecht. Folge str.: (i) e. A. (Hagen, Röthel, Prütting) § 950 ist unabdingbar. Unternehmer erwirbt auch dann Eigentum an der neuen Sache, wenn der Besteller den Stoff liefert (wenn Verarbeitung nicht erheblich gering-wertiger als Stoff) . Übereignungspflicht nach § 433. Daher: Nach neuem Recht bildet der Werkvertrag keine Ausnahme mehr zu § 950 BGB (ii) A.A. zB Baur/Stürner (§ 53 Rn. 15): Abstellen auf den Parteiwillen: Sollte der Besteller, der den Stoff liefert, sogleich Eigentümer der neuen Sache werden, dann ist Anspruch auf Übereignung nach § 433 überflüssig, geht ins Leere. Fall 3.10: Holzlieferant H verkauft an den Bauunternehmer U Holz zur Renovierung eines Fachwerk-hauses. Das Hausgrundstück gehört dem B, der mit U einen Vertrag über die schlüsselfertige Renovierung des Hauses abgeschlossen hat. H behält sich das Eigentum an dem Holz bis zur Bezahlung des Kaufpreises vor, gestattet dem U jedoch, die Balken für Bauaufträge zu ver-wenden. Nachdem die neuen Holzbalken eingefügt sind, fällt U in Konkurs. Kann H von B Wertersatz für die Balken verlangen? Fall 3.11: Mieter M hat während der Mietzeit das Bad auf eigene Kosten renoviert und eine neue Bade-wanne eingebaut. Die alte Badewanne steht auf dem Dachboden. Als M kündigt, will er wis-sen, ob er die Badewanne ausbauen und mitnehmen darf und ob er gegebenenfalls den frühe-ren Zustand wiederherstellen muss. Ihn interessiert auch, ob er wahlweise vom Eigentümer der Wohnung, E, die Kosten für die neue Badewanne (abzüglich eines Abschlags für den Ge-brauch) ersetzt verlangen kann. Im Mietvertrag finden sich dazu keine Regelungen.

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    Gutgläubiger Erwerb beweglicher Sachen

    § 929 S. 1

    ¯

    § 932 I S. 1

    Übergabe durch

    • Veräußerer als unmb. Besitzer

    • Besitzdiener des Veräußerers

    • Besitzmittler des Veräußerers

    • Geheißperson des Veräußerers

    an

    • Erwerber als unmb. Besitzer

    • Besitzdiener des Erwerbers

    • Besitzmittler des Erwerbers

    • Geheißperson des Erwerbers

    bei Abschluss des Erwerbstatbestandes

    § 929 S. 2

    ¯

    § 932 I 2

    Besitz muss vom Veräußerer erlangt sein

    bei Einigung

    Guter Glaube

    § 930

    ¯

    § 933

    Übergabe an Erwerber

    ® Veräußerer darf keinen Besitz zurückbehalten (siehe § 929 S. 1/§ 932 S. 1)

    bei Übergabe nach Abschluss des Erwerbstatbestandes des § 930

    § 931

    ¯

    § 934

    Abtretung des nur § 985 Herausgabe- ® Besitzer- anspruches aus langung Besitzmittlungs- notwendig verhältnis genügt im Zeitpunkt im Zeitpunkt der Abtretung der Besitzer- langung

    Guter Glaube

    Guter Glaube

    Guter Glaube

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    ¯ ¯ ¯ ¯

    Übersicht zu § 946 - 951

    Verbindung Vermischung, Vermengung

    Verarbeitung

    § 950

    Ausgleich für Rechtsverlust: §§ 951, 812 ff.

    Bewegliche Sache wird durch Verbin-dung wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks

    Bewegliche Sachen werden durch Ver-bindung wesentliche Bestandteile einer einheitlichen Sache

    Untrennbare Vermi-schung von Flüssig-keiten oder Vermen-gung von festen be-weglichen Sachen

    Herstellung einer neuen beweglichen Sache durch Verarbeitung oder Umbil-dung; Wert des Stoffes nicht wesentlich höher als Wert der Verarbeitung

    Grundstückseigen-tümer wird auch Al-leineigentümer der bewegl. Sache

    Miteigentum; Alleineigentum wenn eine Sache Hauptsache

    Miteigentum; Alleineigentum wenn eine Sache Hauptsache

    Hersteller wird Allein-eigentümer der neuen Sache

    § 946 § 947

    § 948

    § 950

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    4. Teil: Erwerb von Rechten an Grundstücken § 11 Das Grundbuch

    I. Funktionen des Grundbuchs 1. Publizität

    - Übertragungswirkung (§ 873 BGB) - Vermutungswirkung (§ 891 BGB) - Erwerb vom Nichtberechtigten (§ 892 BGB) 2. Ermöglichung der Bestellung mehrerer beschränkter dinglicher Rechte

    Bsp.: Grundstück im Wert von 500.000 € wird zuerst wegen des Neubaus eines Geschäftshauses mit einer Hypothek zugunsten der Stadtsparkasse in Höhe von 300.000 € belastet, später zugunsten der Deutschen Bank für ei-nen Geschäftskredit mit einer zweiten Hypothek in Höhe von 100.000 €.

    II. Organisation des Grundbuchs Das Grundbuchrecht gliedert sich in materielles Grundbuchrecht: Vor-schriften des BGB und formelles Grundbuchrecht: Vorschriften der GBO; Merke: Das Grundbuch wird in Bayern seit 2002 elektronisch geführt (Ländersache!) 1. Zuständigkeit:

    a) Sachliche Zuständigkeit: § 1 I 1 GBO b) Örtliche Zuständigkeit: Richtet sich nach der Lage des Grundstücks, § 1 I 2 GBO: Amtsgerichtsbezirk

    c) Funktionelle Zuständigkeit: Rechtspfleger 2. Was wird im Grundbuch eingetragen? NUR eintragungsfähige Rechte: siehe § 892 BGB: - dingliche Rechte am Grundstück, dingliche Rechte an solchen Rechten

    (z.B. Pfandrecht an einer Hypothek) - grundstücksgleiche Rechte (Erbbaurecht und Wohnungseigentum) - Verfügungsbeschränkungen (siehe § 892 I 2 BGB)

    Nicht eintragungsfähig: - persönliche Verhältnisse, z.B. Geschäftsfähigkeit, Betreuung - obligatorische Rechte und Vereinbarungen (z.B. Kaufvertrag) - öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse und Belastungen - rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen

    Vereinigung, Zuschreibung und Abschreibung: - Vereinigung: § 5 GBO (abgrenzen von § 4 GBO „Zusammenschrei-

    bung“) - Zuschreibung: § 6 GBO - Abschreibung: § 7 GBO 3. Die Abteilungen des Grundbuchs - Bestandsverzeichnis: Lage, Katasternummer, Parzellennummer, Größe

    des Grundstücks, Wirtschaftsart - Abt. I: Eigentum und Erwerbsgrund für das Eigentum (zB Auflassung,

    Erbfolge) - Abt. II und III: beschränkte dingliche Rechte und Verfügungsbe-

    schränkungen (zB Beschlagnahme durch Insolvenz), wegen besserer Übersichtlichkeit aufgeteilt in:

    o Abt. III: Grundpfandrechte: Hypotheken und Grundschulden o Abt. II: alle übrigen Rechte und Beschränkungen

    Zur Vor- und Nachbereitung: Baur/Stürner, Sachenrecht, §§ 14 ff.; Prütting, Sachenrecht, § 23. Zur Vertiefung: Gottwald, PdW BGB Sachenrecht, Fälle 14, 15, 16; Schreiber, JURA 2006, 502ff.

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    § 12 Übereignung und Belastung von Grundstücken I. Einigung, insbesondere die Auflassung

    Grundvorschrift ist § 873 BGB - Einigung - Eintragung (Kundbarmachung) - Berechtigung des Veräußerers Auflassung, § 925 BGB - Besondere Form der Einigung bei der Übereignung von Grundstücken. - Auflassung muss bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einer

    zust. Stelle (einem Notar) erklärt werden. - Persönliche Anwesenheit nicht erforderlich, Stellvertretung also mög-

    lich. - Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung, daher kein EV an Grundstü-

    cken! - Form der Auflassung und falsa demonstratio:

    Bsp.: Ulf Unachtsam will dem Bernd Blauauge sein Wochendgrundstück, Grund-buch des AG Würzburg, Gemarkung Veitshöchheim, Blatt 8649 verkaufen und sogleich die Auflassung erklären. Versehentlich vertippt sich die Notariatsangestellte beim Aufestzen der Urkunden und schreibt jeweils statt Blatt 8649 „Blatt 8694“. Weder der Notar noch die Par-teien bemerken diesen Fehler. Ist die Auflassung wirksam erklärt? Lösung: Falsa demonstratio in der Auflassungsurkunde (zB falsche Bezeichnung des Grundstücks nach Flurnr.) schadet nicht. Die Auflassung ist trotzdem wirk-sam und zwar hinsichtlich des von beiden Parteien übereinstimmend gemeinten Grundstücks. Keine Nichtigkeit nach § 925 I 1 iVm § 125 S. 1. So zuletzt BGH 7.12.2001, WM 2002, 763. Anhalt in der Auflassungsurkunde nicht notwendig.

    II. Eintragung in das Grundbuch und Eintragungsverfahren

    - Eintragung = Kundbarmachung bei Rechten an Grundstücken. - Ziel des Eintragungsverfahrens: Das Grundbuch soll mit größtmögli-

    cher Wahrscheinlichkeit die wahre Rechtslage widerspiegeln. 1. Antrag - Grundbuchamt wird regelmäßig nur auf Antrag tätig (§ 13 I 1 GBO) - Antragsberechtigung: § 13 I 2 GBO. Bei der Veräußerung sind so-

    wohl Veräußerer als auch Erwerber antragsberechtigt. - Antrag bedarf keiner bestimmten Form, allerdings muss er wegen

    des Eingangsvermerks in Schriftstück enthalten sein (Form des § 126 BGB dagegen nicht notw.) oder zur Niederschrift erklärt werden.

    - Eingangsvermerk wichtig wegen § 17 GBO, § 45 GBO (Reihenfolge der Eintragung) und

    - Antrag ist bis zur Vornahme der Eintragung frei widerruflich (§ 31 GBO).

    2. Eintragungsbewilligung - § 19 GBO: Bewilligung desjenigen, dessen Recht von der Eintra-

    gung betroffen wird. - Sinn: Formalisierung - Grundbuchamt prüft nur Bewilligung, nicht die Einigung. - Ausnahme: Übereignung, § 20 GBO 3. Voreintragung des Betroffenen - § 39 Abs. 1 GBO:

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    - Ersetzt die materielle Prüfung der Berechtigung. Grundbuchamt darf sich damit begnügen, dass der Veräußerer als Berechtigter eingetragen ist.

    - Ausnahmen in § 40 GBO; wichtig insbesondere der Verzicht auf die Voreintragung des verfügenden Erben.

    III. Die Auflassungsanwartschaft IV. Der Rang von Grundstücksrechten

    1. Warum Rang? An einem Grundstück können mehrere beschränkte dingliche Rechte bestehen, z.B. mehrere Grundschulden oder Hypotheken, zusätzlich ein Nießbrauch oder eine Grunddienstbarkeit. 2. Bestimmung des Rangs: § 879 I 1: bei Eintragung in derselben Abteilung (zB zwei Hypotheken oder eine Hypothek, eine Grundschuld): (zeitliche) Reihenfolge der Ein-tragungen, die meist mit der räumlichen Reihenfolge übereinstimmt. § 879 I 2: bei Eintragung in versch. Abteilungen (Hypothek und Nieß-brauch): zeitliche Reihenfolge. Korrespondiert mit § 45 GBO: Anträge sind in der Reihenfolge ihres Ein-gangs zu bewirken. 3. Was geschieht, wenn zwei Anträge nicht gleichzeitig gestellt worden

    sind, aber am selben Tag bearbeitet werden, d.h. Eintragung am sel-

    ben Tag erfolgt:

    Eintragung am selben Tag möglich, aber mit Eintragung des abweichen-den Rangverh. (§ 879 III BGB, § 45 II GBO). Sonst hätten beide Rechte gleichen Rang (§ 879 I 2). 4. Rangvereinbarung Rangverhältnis kann kraft Bestimmung der Parteien abweichend von der zeitlichen Reihenfolge der Eintragung eingetragen werden. Setzt eine Einigung der Parteien (Eigentümer sowie die Inhaber der betroffenen be-schr. dingl. Rechte) und Eintragung des abweichenden Rangverh. voraus. 5. Rangvorbehalt, § 881 BGB - Bestandteil des Eigentums - Voraussetzungen: Einigung und Eintragung (§§ 873, 881 III)

    Zur Vor- und Nachbereitung: Baur/Stürner, Sachenrecht, §§ 16, 17, 19, 22; Prütting, Sachenrecht, §§ 16, 17. Zur Vertiefung: Gottwald, PdW BGB Sachenrecht, Fälle 11, 12, 13; Zenker, Klausur Zivilrecht, JA 2010, 578ff. Fall 4.1: Der Grundstückseigentümer F vereinbart mit der Bank B, dass der B zur Sicherung eines Kredits in Höhe von 150.000 € eine erstrangige Hypothek am Grundstück des F eingeräumt werden soll. Des Weiteren verpflichtet sich F, der C-Bank eine zweitrangige Hypothek in Höhe von weiteren 100.000 € zu bestellen. Am 1. April einigt sich F sowohl mit B als auch mit C über die Hypothekenbestellung. Er stellt noch am selben Tag beim zuständigen Grund-buchamt den Antrag auf Eintragung der Hypothek zugunsten von B und fügt die notariell be-glaubigte Eintragungsbewilligung bei. Am 2. April beantragt F die Eintragung der Hypothek zugunsten der C-Bank, wiederum unter Beifügung der ordnungsgemäßen Bewilligung. Ver-sehentlich trägt der Rechtspfleger die Hypothek der C-Bank am 15. April, die der B-Bank am 16. April ein. Wie ist die Rechtslage?

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    Fall 4.2: Eigentümer E benötigt Kredit für einen Hausbau. Er erhält vom seinem Bekannten O 100.000 € zu einem äußerst günstigen Zinssatz. O gibt sich gerne mit einer nachrangigen Hy-pothek zufrieden. Kann E die Hypothek zugunsten des O jetzt schon bestellen und dennoch für die Bank X, mit der er noch in Verhandlungen für einen weiteren Kredit steht, die erste Rangstelle reservieren? § 13 Vormerkung

    I. Funktion und Rechtsnatur der Vormerkung - Funktion der Vormerkung: - Sicherung des Vormerkungsberechtigten (Geschützten) gegen ver-

    tragswidrige Zwischenverfügungen des Eigentümers und gegen zwi-schenzeitliche Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Insolvenz.

    - Rechtsnatur der Vormerkung: - Str. Detailliert erörtert bei Baur/Stürner, § 20 Rdn. 60 ff.,

    Schwab/Prütting, Rdn. 201 ff. - Ist die Vormerkung ein obligatorisches oder ein dingliches

    Recht? - Zwitterstellung. Sie ist eine dinglich wirkende Sicherung ei-

    nes Anspruchs auf dingliche Rechtsänderung.

    II. Entstehen der Vormerkung Voraussetzungen sind:

    1. Zu sichernder Anspruch (§ 883 I) 2. Bewilligung des Betroffenen oder einstweilige Verfügung (§ 885) 3. Eintragung der Vormerkung im Grundbuch (§§ 883 I, 885)

    Merke: Für die Vormerkung gilt, da sie kein Recht am Grundstück ist, § 873 BGB nicht! Daher keine Einigung notwendig.

    ad 1.: § 883: Anspruch muss gerichtet sein auf

    • Einräumung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück, oder

    • Einräumung oder Aufhebung eines Rechts an einem ein Grund-stück belastendes Recht (zB Pfandrecht an einer Hypothek), oder

    • Inhaltsänderung eines vorgenannten Rechts, oder • Rangänderung eines vorgenannten Rechts

    Anspruch kann künftig oder bedingt sein; Voraussetzung jedoch eine nicht mehr einseitig vom Schuldner zu beseitigende Rechtsgrundlage (BGH: "Rechtsboden muss so weit vorbereitet sein, dass die Entste-hung des Anspruchs nur noch vom Willen des demnächst Berechtig-ten abhängt"). Bei Fehlen oder Erlöschen des zu sichernden Anspruchs entsteht die Vormerkung nicht bzw. erlischt. Das Grundbuch ist bzw. wird unrichtig; der Belastete kann Berichtigung verlangen.

    ad 2.: Bewilligung des Betroffenen oder einstweilige Verfügung (§ 885 BGB) Nicht Einigung nach § 873 BGB; Gesetz begnügt sich mit der Bewilli-gung des Betroffenen. Bewilligung iSd § 885 BGB ist nicht identisch mit

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    der Bewilligung iSd § 19 GBO, sondern eine materiellrechtliche WE, die dem Begünstigten oder dem GBA gegenüber zu erklären ist. In der Praxis werden Bewilligung iSd § 19 GBO und iSd § 885 meist zusammenfallen. Einstweilige Verfügung (wenn der Belastete die Bewilligung nicht erklä-ren will): Hier muss nur der Anspruch glaubhaft gemacht werden, nicht dagegen die Gefährdung (§ 885 I 2 BGB im Unterschied zu §§ 935, 920 II ZPO). Die Gefährdung ergibt sich aus der jederzeitigen Möglichkeit einer Verfügung durch den eingetragenen Berechtigten.

    ad 3. Eintragung im Grundbuch: Eintragungsverfahren wie bei dinglichen Rechten: Antrag, Bewilligung iSd § 19 GBO oder einstw. Verfügung, Voreintragung des Betroffenen.

    III. Wirkung

    Siehe § 883 II 1: Keine Grundbuchsperre; der durch die Vormerkung Betroffene bleibt zur Verfügung berechtigt, aber die spätere Verfü-gung ist gegenüber demjenigen, zugunsten dessen die Vormerkung eingetragen ist, relativ unwirksam.

    Zur Vor- und Nachbereitung: Baur/Stürner, Sachenrecht, § 20; Prütting, Sachenrecht, § 18. Zur Vertiefung: Löhnig/Gietl, Grundfälle zur Vormerkung, JuS 2008, 102ff.; Tiedtke, Die Auflassungsvormer-kung, JURA 1981, 354 ff.; Gottwald, PdW BGB Sachenrecht, Fälle 19-28; Petersen, Die Vormerkung, JURA 2016, 495 ff.; Fall 4.3: V und K schließen einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über ein dem V gehörendes Grundstück. Sie vereinbaren, dass K die Hälfte des Grundstückpreises von 180.000.- € sofort, die andere Hälfte bei Auflassung bezahlen soll. Kurz nachdem die ersten 90.000.- € bei V eingegangen sind, tritt D an V heran und bietet ihm 200.000.- € für das Grundstück. V schließt, in der festen Absicht, dem K sein Geld zurückzuerstatten, mit D einen weiteren nota-riellen Kaufvertrag über das Grundstück ab. Im Kaufvertrag wird die Auflassung an D erklärt; D wird alsbald im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Welche Ansprüche hat K, wenn D sich weigert, das Grundstück, zu welchem Preis auch im-mer, an V zurück zu übereignen? Variante 1: Kurz nachdem das Geld bei V eingegangen ist, wird über das Vermögen des V das Insolvenzverfahren eröffnet. Variante 2: Das Grundstück stand im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch im Eigentum des V und fällt daher in die Konkursmasse; ebenso das Geld. Variante 3: Wie wäre Fall 4.3 zu beurteilen, wenn vor der Eintragung des D als Eigentümer zugunsten des K eine Auflassungsvormerkung eingetragen worden wäre? Fall 4.4: Bauer A will an seinen Nachbarn N ein Weidegrundstück verkaufen. Um Grunderwerbsteuer zu sparen, vereinbaren sie im notariellen Kaufvertrag einen Kaufpreis von 30.000.- €. In Wahrheit soll N an A jedoch 45.000.- € zahlen. A bewilligt dem N eine Auflassungsvormer-kung, die am 1. August im Grundbuch eingetragen wird. Am 1. September einigt sich A mit der Bank R über die Gewährung eines Kredits für eine dringend notwendige Renovierung seines Hofes. Dabei wird u.a. eine Hypothekenbestellung an dem an N verkauften Grundstück vereinbart. Die Hypothek wird am 15. September eingetragen. Am 1. Oktober erklären A und N die Auflassung; die Eintragung des N als Eigentümer wird von A bewilligt und erfolgt am 10. Oktober. Ist das Eigentum des N mit der Hypothek der R belastet?

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    Fall 4.5 (dingliches Vorkaufsrecht): Die Gemeinde G hat dem Turn- und Sportverein (TUS e.V.) an einem der Gemeinde gehö-renden und an den bestehenden Sportplatz angrenzenden Grundstück Flurnummer 195 ein dingliches Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle bestellt. Am 3. April verkauft G das Grund-stück an den Investor I für 100.000.- €. I wird im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Am 2. Mai ruft der Vorstandsvorsitzende des TUS e.V. den Bürgermeister von G an und teilt ihm mit, dass der Verein das Vorkaufsrecht ausübe. Wie ist die Rechtslage? Exkurs: Das dingliche Vorkaufsrecht In den "Dunstkreis" des Erwerbs von Grundstückseigentum gehört auch das dingliche Vor-kaufsrecht. I. Schuldrechtliches und dingliches Vorkaufsrecht

    Verdinglichte Art des allg. schuldrechtlichen Vorkaufsrechts (§§ 463 ff. BGB). Schuldrechtl. Vorkaufsrecht, § 463: sobald der Verpflichtete (Verkäufer) einen KV mit ei-nem Dr. geschlossen hat, kann der Berechtigte das Vorkaufsrecht ausüben. Folge (§ 464 BGB): Der Kaufvertrag kommt mit dem Vorkaufsberechtigten zustande zu den Bedingungen, die der Verpflichtete mit dem Dritten ausgehandelt hatte. Persönliches (schuldrechtl.) Vorkaufsrecht ist an allen Gegenständen möglich, das dingliche dagegen nur an Grundstücken. Wichtiger Unterschied: Das pers. Vorkaufsrecht begründet nur Verpflichtungen zwischen den Beteiligten (Verpflichteter, Berechtigter), dagegen wirkt das dingliche Vorkaufsrecht auch gegenüber Dritten (§1098 II). Praktische Bedeutung hat das vertragliche Vorkaufsrecht bei langjährigen Miet- und Pacht-verträge sowie zur Sicherung von Erweiterungsflächen von gewerblichen Betrieben. Außer-dem gibt es gesetzliche Vorkaufsrechte (nach BauGB, Siedlungsgesetze, BundesfernstraßenG) II. Entstehung und Wirkung des Vorkaufsrechts:

    § 873 I: Einigung und Eintragung im Grundbuch. Ein Vorkaufsrecht kann zugunsten einer best. Person bestellt werden (§ 1094 I BGB) oder zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines best. Grundstücks (§ 1094 II BGB). Es kann für einen Verkaufsfall, für mehrere oder für alle Verkaufsfälle bestellt werden (§ 1097 BGB). Wirkung: am besten an Beispiel zu verdeutlichen (vgl. Fall 4.5 zum dinglichen Vorkaufs-recht)

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    § 14 Das unrichtige Grundbuch Wie kann das Grundbuch unrichtig werden? - Nichtigkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts oder Fehlen der Eini-

    gung (z.B. wegen Dissens) Bsp.: Eintragung des Erwerbers als neuer Eigentümer, obwohl Eini-gung infolge Täuschung beim Abschluss des Grundstückskaufvertra-ges und anschließender Anfechtung ex tunc unwirksam war

    - Rechtsänderungen außerhalb des Grundbuchs - Erbfall - Umwandlung in Gesellschaftsrecht - Umwandlung der Hypothek in Eigentümergrundschuld

    - Fehler des Grundbuchamtes (beachte jedoch: nicht alle Verfahrens-verstöße führen zur Unrichtigkeit des Grundbuchs, z.B. nicht Verstoß gegen § 45 GBO, s.o.). Bsp.: Der Rechtspfleger hat versehentlich statt der nicht mehr valutier-ten Hypothek des B die Hypothek des X gelöscht.

    I. Grundbuchberichtigungsanspruch

    Voraussetzungen: - Unrichtigkeit des Grundbuchs, d.h. Abweichen der wahren Rechts-

    lage vom Grundbuchinhalt - Anspruchsinhaber ist der wahre Berechtigte (derjenige, der durch

    den Grundbuchstand in seiner Rechtsstellung beeinträchtigt ist) - Anspruchsgegner ist der "Buchberechtigte" (derjenige, dessen

    grundbuchrechtliche Bewilligung notwendig ist, um die Berichtigung durchzuführen)

    II. Widerspruch

    Vorläufige Sicherung bei Abweichen von wahrer Rechtslage und Grund-buchstand. Bis zur Korrektur des Grundbuchs aufgrund eines Berichti-gungsanspruchs kann viel Zeit vergehen; Gefahr des Erwerbs nach § 892.

    Voraussetzungen: - Einstw. Verfügung (siehe §§ 935 ff ZPO - Glaubhaftmachung der Ge-

    fährdung nicht erf. § 899 II 2) oder Bewilligung des Buchberechtig-ten (desjenigen, dessen Recht von der Berichtigung betroffen wird)

    - Voraussetzungen des Grundbuchberichtigungsanspruchs Wirkung: keine Grundbuchsperre, sondern Zerstörung des öffentlichen Glaubens, § 892. - Stimmt die Buchlage doch mit der wahren Rechtslage überein: Verfü-

    gungen unprobl. wirksam. - Ist das Grundbuch unrichtig, kann kein Erwerb kraft öff. Glaubens

    stattfinden.

    Zur Vor- und Nachbereitung: Prütting, Sachenrecht, §§ 20, 21. Zur Vertiefung: Baur/ Stürner, Sachenrecht, § 18; Daniel, Der Anspruch auf Grundbuchberichtigung, JURA 2017, 1 ff.

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    § 15 Erwerb kraft öffentlichen Glaubens des Grundbuchs

    I. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs § 891 BGB: Vermutung für die Richtigkeit des Grundbuchs - Positive Richtung: Vom eingetragenen Recht wird vermutet, dass es

    besteht. - Negative Richtung: Vom gelöschten Recht wird vermutet, dass es

    nicht besteht. § 891 kommt dem Eingetragenen zugute. Noch weiter geht § 892: Der Inhalt des Grundbuchs gilt als richtig (unwiderleglich) zugunsten desjenigen, der ein Recht an einem Grundstück (oder ein Recht an ei-nem solchen Recht) erwirbt. Das Grundbuch genießt "öffentlichen Glauben", denn nicht nur zugunsten des Eingetragenen, sondern zugunsten der Teilnehmer am Rechtsverkehr wird seine Richtigkeit unterstellt.

    II. Gutgläubigkeit

    - Keine positive Kenntnis: Im Unterschied zum gutgläubigen Erwerb von beweglichen Sachen schadet nur positive Kenntnis von der Un-richtigkeit des Grundbuchs, nicht dagegen grob fahrlässige Unkenntnis.

    - Kein Widerspruch - Zeitpunkt für den guten Glauben: § 892 II: - Stellung des Eintragungsantrags oder Einigung, je nach dem, was

    zeitlich später liegt. - Zur Erinnerung: Wenn auf Erwerberseite ein Stellvertreter einge-

    schaltet ist, kommt es auf dessen Kenntnis an, § 166 I BGB; Ausnah-me in § 166 II.

    III. Anwendungsbereich

    1. Was genau ist Gegenstand des öffentlichen Glaubens? 2. Was sind die einzelnen geschützten Erwerbsvorgänge?

    ad 1. "Inhalt des Grundbuchs", also alles? Nein; basiert auf der "Unrichtigkeit des Grundbuchs" iSd § 894. Der Rechtsverkehr kann vertrauen: - auf das Bestehen eines eingetragenen dinglichen Rechts - auf das Nichtbestehen eines nicht eingetragenen aber eintragungs-

    fähigen dinglichen Rechts - auf das Nichtbestehen einer nicht eingetragenen aber eintragungs-

    fähigen Verfügungsbeschränkung - Nicht: Am öff. Glauben nehmen sonstige Angaben über Lage, Größe,

    Wirtschaftsart (Bestandsverzeichnis) nicht teil - ebenso nicht die nicht eintragungsfähigen Rechte wie öff. rechtl. Be-

    schränkungen und Belastungen.

    ad 2. Geschützte Erwerbsvorgänge: siehe §§ 892, 893 - Erwerb eines Grundstücksrechts oder eines Rechts an einem solchen

    Recht (Pfandrecht, Nießbrauch) durch rechtsgeschäftliche Verfügung, § 892 I 1.

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    Bewirkung einer Leistung an den Buchberechtigten, § 893, 1. Alt.: X leistet an H, der aufgrund eines Versehens zu Unrecht als Hypothekar im Grundbuch eingetragen ist. X wird wegen § 893 1. Fall dem wahren Hypo-thekengl. gegenüber frei und erwirbt die Hypothek nach § 1164 I 1. - Andere Verfügungen, § 893, 2. Fall: z.B. Rangvereinbarung, Aufhe-

    bung eines Rechts (z.B. eines Nießbrauchs oder Pfandrechts) - Nicht dagegen: Erwerb kraft Gesetzes Bsp. Erbfolge: Wenn der Erblasser zu Unrecht im Grundbuch als Eigen-tümer eingetragen war, erwirbt sein Erbe nicht das Eigentum aufgrund § 892.

    Verkehrsgeschäft: Ausgeschlossen nach Sinn und Zweck des § 892 auch Erwerbsvorgänge, an denen nur eine Person beteiligt ist. Z.B. Alleingesellschafter G ist Bucheigentümer und überträgt das Eigentum an die X-GmbH, deren einzi-ger Gesellschafter er ist.

    IV. Bereicherungsrechtlicher Ausgleich

    Vollzieht sich wie beim gutgl. Erwerb beweglicher Sachen nach § 816 I 1 bzw. bei Unentgeltlichkeit nach § 816 I 2. Keine Haftung nach § 823, auch nicht bei Fahrlässigkeit seitens des Er-werbers (§ 892 schließt Widerrechtlichkeit aus).

    V. Öffentlicher Glaube des Grundbuchs und Vormerkung

    Zur Erinnerung: Vormerkung ist kein dingliches Recht, ist aber im Grund-buch eingetragen und sichert einen Anspruch auf dingliche Rechtsände-rung.

    Hinweise zur Vor- und Nachbereitung: Baur/Stürner, Sachenrecht, § 23; Prütting, Sachenrecht, § 19. Zur Vertiefung von § 15 V.: Baur/Stürner, Sachenrecht, § 20 Rdn. 62 ff.; Prütting, Sachenrecht, Rdn. 196 ff.; Gottwald, PdW BGB Sachenrecht, Fälle 23, 29, 32, 33; Schünemann/Bethge, Übungsklausur-Zivilrecht, JuS 2009, 331ff. Zusatzfall zum gutgläubigen Erwerb: A ist als Eigentümer eines mit einer Fabrikhalle bebauten Grundstücks in A-Dorf, Fl.Nr. 1345 im Grundbuch eingetragen. Er findet in K einen Käufer, der bereit ist, für das Objekt 500.000.- € zu bezahlen. Der bei A angestellte Prokurist P, der auch zur Veräußerung von Grundstücken ermächtigt ist, erklärt am 3.1. vor dem Notar gemeinsam mit dem Käufer die Einigung über den Eigentumsübergang hinsichtlich des Grundstücks Fl.Nr. 1345 und stellt gleichzeitig, vertreten durch den Notar, den Eintragungsantrag. Noch bevor die Eintragung bewirkt wird, erfährt P, dass sein Vorgänger X, der früher die Grundstückgeschäfte des A geführt hatte, dem V, der dem A das Grundstück 11 Monate zu-vor veräußert hatte, damit gedroht hatte, die außerehelichen Beziehung des V öffentlich zu machen, wenn V nicht bereit wäre, das Grundstück zu einem äußerst günstigen Preis von 250.000.- € zu veräußern. P, der eine ehrliche Haut ist, teilt dem K seine Bedenken in Bezug auf die Eigentümerstellung des A sofort mit. Tatsächlich geht nur wenige Tage später ein Schreiben des V bei A ein, in dem dieser Rück-gängigmachung des Kaufvertrags und der Veräußerung fordert. Nichtsdestotrotz wird K am 5.2. als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. V behauptet, nach wie vor Eigentümer des Grundstücks zu sein, und verlangt von K die Zu-stimmung zu seiner Wiedereintragung im Grundbuch. Wie ist die Rechtslage?

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    Fall 4.6: B ist im Grundbuch zu Unrecht als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen. Wahrer Eigen-tümer ist E. B verkauft das Grundstück mit notariell beurkundetem Kaufvertrag an den redli-chen X und bewilligt ihm eine Auflassungsvormerkung. Die Vormerkung wird auf Grund des am 2. Mai gestellten Eintragungsantrags am 13. Mai eingetragen. Am 10. Mai erfährt X, dass das Grundstück in Wahrheit dem E gehört. a) Hat X die Vormerkung erworben? b) Kann X noch Eigentum am Grundstück erwerben, wenn das Grundbuch inzwischen berich-tigt und E wieder als Eigentümer eingetragen ist? Fall 4.7: Wie Fall 6, allerdings wusste X schon zum Zeitpunkt der Stellung des Eintragungsantrags für die Vormerkung (also schon vor dem 2. Mai), dass E der wahre Eigentümer des Grundstücks ist. Am 15. Mai tritt X seine Rechte aus dem Kaufvertrag mit B an den gutgläubigen Z ab. Kann Z Eigentümer des Grundstücks werden, wenn das Grundbuch nach der Abtretung be-richtigt wird und nunmehr wieder E als Eigentümer eingetragen ist?

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    5. Teil: Inhalt und Schutz des Eigentums § 16 Herausgabeanspruch und Eigentümer-Besitzer-Verhältnis: §§ 985 ff. BGB

    I. Herausgabeanspruch II. Ansprüche aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis: Einführung

    Das „berühmt-berüchtigte“ EBV Merke: Wenn EBV „vorliegt“, grundsätzlich abschließende Regelung gegenüber Delikts-, Bereicherungsrecht und GoA • Grundvoraussetzung: Vindikationslage • Regelungsgegenstand: Nutzungen, Verwendungen, Schadensersatz • Differenzierung nach:

    – redlichem und unverklagten Besitzer – bösgl. oder verklagtem Besitzer – deliktischem Besitzer

    III. Arten von Besitzern IV. Anspruch des Eigentümers gegen den Besitzer auf Nutzungsersatz V. Anspruch des Eigentümers gegen den Besitzer auf Schadensersatz VI. Anspruch des Besitzers gegen den Eigentümer auf Verwendungsersatz VII. Konkurrenzen

    Zur Vor- und Nachbereitung: Baur/Stürner, Sachenrecht, § 11; Prütting, Sachenrecht, §§ 47 und 48. Zur Vertiefung: Gottwald, PdW BGB Sachenrecht, Fälle 90-107; Kempny, Zum Verständnis und zur Prüfung des § 992 BGB, JuS 2010, 858ff.; Rehm/Lerach, Fortgeschrittenenklausur-Zivilrecht, JuS 2008, 613 ff.; Roth, Grundfälle zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, JuS 1997, S. 518 ff., 710 ff., 897 ff. und 1087 ff.; Roth, JuS 2003, 937 ff.; Hofmann/John: Anfängerklausur – Zivilrecht, JuS 2011, 515 ff.; Krumm/Ehlers, Semesterab-schlussklausur – Zivilrecht, JuS 2014, 1090 ff.; Lorenz, Grundwissen – Zivilrecht: Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, JuS 2013, 495 ff. Fall 5.1: Am 1. November veräußert V an K ein Messgerät, das seit 1. Oktober für drei Jahre an L ver-least ist. Der Vertrag sieht nur ein außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund vor. V tritt dem K den Anspruch auf Herausgabe des Geräts am Ende der Leasingzeit ab. Am 2. November verlangt K, gestützt auf sein Eigentum, Herausgabe von L. Fall 5.2: Am Abend des 4. Februar dringt Dieb X in das Architekturbüro des A ein und stiehlt außer der Portokasse auch einen gerade neu angeschafften Computer. X veräußert den Computer an den nichtsahnenden B, der das Gerät in seinem Betrieb nutzt. Am 2. Mai lässt B das defekte CD-Laufwerk reparieren und eine Speichererweiterung vornehmen. Am 1. August lässt ein Mitarbeiter des B den Monitor bei Umräumarbeiten fallen. Der Monitor geht irreparabel ka-putt. Am 4. August gesteht der inzwischen gefasste X die Tat und gibt an, den Computer an B verkauft zu haben. Als A den Sachverhalt erfährt, verlangt er den Computer von B zurück. Wie ist die Rechtslage? Variante: Wie wäre der Fall zu lösen, wenn B aufgrund der Umstände des Geschäfts mit X hätte wissen müssen, dass der Computer gestohlen war? Fall 5.3: E verkauft und übereignet dem K ein Waldgrundstück. K holzt es komplett ab, obwohl bei ordnungsgemäßer Wirtschaft jedes Jahr nur 3 % der Bäume zu schlagen wären. Nachträglich stellt sich heraus, dass sowohl der Kaufvertrag als auch die Übereignung wegen eines Dissen-ses unwirksam waren.

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    Fall 5.4: G hat von S ein möbliertes Appartement gemietet. Als S dem G im November 2003 eine Be-triebskostenerhöhung ankündigt, bekommt G einen Wutanfall und zertrümmert Teile der Ein-richtung. Der Schaden beträgt ca. 1000 €. Kann S Schadensersatz verlangen, wenn sich nunmehr herausstellt, dass der Mietvertrag un-wirksam war? Fall 5.5: V verkauft an K ein unbebautes Grundstück; die Auflassung wird erklärt und K wird im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Ein Jahr später stellt sich heraus, dass V schon zum Zeitpunkt des Geschäfts mit K geisteskrank war. In der Zwischenzeit hat K auf dem Grund-stück ein Einfamilienhaus errichtet. Das Haus hat einen Verkehrswert von 180.000 €. Kann K von V (vertreten durch den Betreuer) Zahlung von 180.000 € verlangen? Fall 5.6: V veräußert an K ein Auto auf Ratenzahlung und unter Eigentumsvorbehalt. Noch bevor der Kaufpreis bezahlt ist, muss das Auto zum ersten Mal in die Werkstatt des U zur Inspektion. Am 1.12. ist die Inspektion abgeschlossen. Am darauf folgenden Tag tritt V vom Kaufvertrag zurück, da K mit mehreren Raten in Verzug ist und V Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des K hat. V verlangt das Auto von U heraus. U will das Auto nur gegen Zahlung seines Werklohns von 250 € herausgeben. Fall 5.7: D hat bei einem Wohnungseinbruch die Perlenkette von Frau E gestohlen und veräußert die Kette an den gutgläubigen Juwelier J. Dieser veräußert sie weiter an die ebenfalls gutgläubige Kundin K zu einem Preis von 600 €. Als der Sachverhalt aufgeklärt wird, verlangt E von J Herausgabe der 600 €. Zu Recht? Fall 5.8 (Jungbullenfall, BHGZ 14, 7): Dieb D stiehlt dem Bauern B zwei Jungbullen und veräußert sie an den gutgläubigen K. K lässt die Bullen schlachten und verarbeitet das Fleisch in seiner Fleischfabrik. Kann B von K Wertersatz für die Tiere verlangen? § 17 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

    I. Voraussetzungen II. Rechtsfolgen

    Zur Vor- und Nachbereitung: Baur/Stürner, Sachenrecht, § 12; Prütting, Sachenrecht, § 49. Zur Vertiefung: Gottwald, PdW BGB Sachenrecht, Fälle 108-111; Schreiber, Der Beseitigungs- und Unterlas-sungsanspruch aus § 1004 BGB, JURA 2013, 111 ff.; Fall 5.9: Beispiele zu § 1004:

    1. Hundehalter H führt regelmäßig seinen Hund im Garten des Nachbarn N spazieren. N will das nicht weiter dulden.

    2. Naturfreund F pflanzt eine Baumhecke an der Grenze seines Grundstücks. Die Baum-wurzeln dringen in die Kanalisation des Nachbarn N und verstopfen sie. N verlangt Instandsetzung der Rohre.

    3. Zwei Häuser liegen übereinander an einem steilen Hang. Bei starkem Regen wird Erd-reich vom oberen auf das untere Grundstück geschwemmt. Der Eigentümer des unte-ren Hausgrundstücks verlangt den Bau einer Stützmauer zur Verhinderung weiterer Erdrutsche.

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    redlich und unverklagt Herausgabeanspruch

    rechtshängig bösgläubig deliktisch

    Nutzungen § 988: nur bei Unent-geltlichkeit § 993: nur Über-maßfrüchte im Übrigen (-)

    § 987 I (+) § 987 II bei Verschulden (+)

    §§ 990 I 1, 987 (+)

    §§ 990 I 1, 987 (+)

    Schadensersatz § 993 I 2. HS (-) Ausnahme: Fremdbesitzer-Exzess

    § 989 (+) §§ 990 I 1, 989 (+) § 992 à §§ 823 ff.

    Eigentümer-Besitzer-Verhältnis Übersicht I

    Eigentümer

    Recht zum Besitz keine

    Vindikationslage EBV (-)

    Besitzer

    kein Recht zum Besitz +

    Besitzer

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    redlicher, unverklagter Besitzer

    Verwendungsersatz

    unredlicher oder verklagter Besitzer

    notwendige Verwendungen

    § 994 I 1 (+) Ausnahme: gewöhnliche

    Erhaltungskosten

    nützliche Ver-wendungen

    § 996 (+) wenn Wert der Sache noch er-

    höht

    notwendige Verwendungen

    § 994 II

    GoA Rechtsgrund-

    verweis

    nützliche Ver-wendungen

    (-)

    + Wegnahmerecht § 997, aber § 258!

    Eigentümer-Besitzer-Verhältnis Übersicht II

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    KONKURRENZEN

    Grundregel: EBV ist lex specialis gegenüber Bereicherungsrecht, Deliktsrecht, GoA

    1. Unechte Ausnahmen, d.h. Verweise auf Deliktsrecht oder Bereicherungs-recht in §§ 987 ff.: Ø § 988: Nutzungen des unentgeltlichen Besitzers:

    Verweis auf §§ 812 ff. (Rechtsfolgenverweis) Ø § 992: Besitz durch verbotene Eigenmacht oder Straftat:

    §§ 823 ff. (Rechtsgrundverweis) Ø § 993 I: Übermaßfrüchte beim redlichen und unverklagten Besitzer:

    Verweis auf § 812 ff. (Rechtsfolgenverweis) Ø § 994 II: Notwendige Verwendungen des unredlichen oder verklag-

    ten Besitzers: Verweis auf GoA (Rechtsgrundverweis)

    2. Echte Ausnahmen

    a) Fremdbesitzer-Exzess: Der redliche unrechtmäßige Fremdbesitzer haftet nach Deliktsrecht, wenn er die Grenzen seines vermeintlichen Besitzrechts überschreitet.

    b) § 816

    § 816 ist neben EBV anwendbar, wenn der redliche und unverklagte Besitzer die Sache (wirksam oder unwirksam) weiterveräußert. Sonst hätte der ursprüngliche Eigentümer keine Möglichkeit, den Er-lös zu erhalten.

    c) Kein Vorrang des EBV gegenüber der Eingriffskondiktion außerhalb

    des Nutzungs- und Verwendungsersatzes Beispiel: Jungbullenfall. Merke: EBV geht der Eingriffskondiktion nur hinsichtlich der Ansprü-che auf Nutzungsherausgabe und Verwendungsersatz vor.

    d) Nutzungsherausgabe bei rechtsgrundlosem Besitz Gleichstellung der Fälle, in denen nur das Verpflichtungsgeschäft unwirksam ist (§§ 812 ff.) mit solchen, bei denen auch die Verfügung unwirksam ist (kein Vorrang des EBV).

    Eigentümer-Besitzer-Verhältnis Übersicht III

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    § 18 Nachbarrecht und nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch: § 906 BGB

    Siehe dazu Prütting, Sachenrecht S. 128 ff. Differenzierung zwischen:

    • Feinimmissionen • Grobimmissionen • Ideellen/ästhetischen Immissionen („hässlicher Anblick“) • Negative Immissionen (Entzug von Licht, Luft, Aussicht)

    Feinemmissionen (Rauch, Geruch, Geräusche): § 906 Abs. 1 BGB • Nur unwesentliche Beeinträchtigung: Duldungspflicht, § 1004 Abs. 2; kein Aus-

    gleich

    • • Wesentliche Beeinträchtigungen : Duldungspflicht, wenn ortsübliche Emissionen

    nicht in wirtschaftl. zumutbarer Weise verhindert werden können, aber: Ausgleichs-

    pflicht des Störers nach § 906 II 2

    • Wesentliche Beeinträchtigungen, die verhinderbar sind: keine Duldungspflicht; Ab-wehr nach § 1004 Abs. 1 ; SE nach § 823 Abs. 1 BGB

    „Grobimmissionen“ (Wasserrohrbruch, Steine, Baumteile etc.) • Nicht von § 906 erfasst! • Grundsatz: § 903, § 1004: Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, keine Dul-

    dungspflicht aus BGB. Aber – bei mangelndem Verschulden – keine Schadenser-

    satzhaftung! Siehe oben bei § 1004!

    • Ausnahme: Sogenannter nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch, st. Rechtspr. vgl. z.B. BGH NJW 2013, 2377 = Ausgleichsanspruch nach § 906 II 2 analog, wenn aus

    tats. Gründen keine rechtzeitige Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs mög-

    lich („faktischer Duldungszwang“) z.B. Wasserrohrbruch mit anschließender Über-

    schwemmung des Nachbargrundstücks. In Bsp. oben (Hecke, Erdrutsch daher Aus-

    gleichsanspruch +)

    • VSS ist aber, dass die störende Handlung einen inhaltlichen Bezug zu der Nutzung des Grundstücks hat, von dem die Störung ausgeht.