Faust Bürgerliches Gesetzbuch Allgemeiner Teil · Nomos NomosLehrbuch Bürgerliches Gesetzbuch...

24
NomosLehrbuch Bürgerliches Gesetzbuch Allgemeiner Teil Nomos 4. Auflage Faust

Transcript of Faust Bürgerliches Gesetzbuch Allgemeiner Teil · Nomos NomosLehrbuch Bürgerliches Gesetzbuch...

NomosLehrbuch

Bürgerliches Gesetzbuch Allgemeiner Teil

BGB

| A

llgem

eine

r Tei

l 4.

Auf

lage

Nomos

4. Auflage

Faust

Nom

osLe

hrbu

chFa

ust

ISBN 978-3-8487-0123-0

BUC_Faust_0123-0_4A.indd 1 19.08.13 12:58

Nomos

NomosLehrbuch

Bürgerliches GesetzbuchAllgemeiner Teil

4. Auflage

Professor Dr. Florian Faust, Bucerius Law School, Hamburg

BUT_Faust_0123-0_4A.indd 3 19.08.13 12:59

http://www.nomos-shop.de/20277

4. Auflage 2014© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2014. Printed in Germany. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wie-dergabe und der Übersetzung, vorbehalten.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-8487-0123-0

BUT_Faust_0123-0_4A.indd 4 19.08.13 12:59

http://www.nomos-shop.de/20277

Vorwort

Zwar ist seit dem Erscheinen der dritten Auflage erst ein Jahr vergangen, und in diesemJahr hat sich im Allgemeinen Teil des BGB nichts Weltbewegendes (sofern es das imZivilrecht überhaupt gibt…) „getan“. Doch ist eine Neuauflage immer Gelegenheit, deneigenen Standpunkt und die Art der Darstellung kritisch zu überprüfen, und so findensich zahlreiche kleinere Änderungen gegenüber der Vorauflage: Ich habe beispielsweisemeine Ansicht zum Wirksamwerden nicht gespeicherter Willenserklärungen klarer her-ausgearbeitet (§ 2 Rn. 26 f., 30, 34), mich zur Ablehnung der altehrwürdigen Regel„protestatio facto contraria non valet“ durchgerungen (§ 3 Rn. 2) und manches bei derBotenschaft präzisiert (§ 29 Rn. 4, 12 ff.). Viele dieser Änderungen gehen auf Anregun-gen von Studenten der Bucerius Law School und von Lesern zurück – ihnen allen seiherzlich gedankt. Dank gebührt auch meinen Mitarbeitern Morten Mittelstädt und Mi-chael Peter für die kritische Durchsicht großer Teile des Manuskripts und etliche Ver-besserungsvorschläge. Anregungen aus dem Leserkreis sind immer willkommen!

Das Grundkonzept der Vorauflagen habe ich beibehalten: Wie schon ein Blick auf denFußnotenapparat zeigt, verfolgt dieses Buch nicht in erster Linie wissenschaftliche Ziele.Es wurde vorrangig unter didaktischen Gesichtspunkten geschrieben, die ich im Ab-schnitt „Über den Umgang mit diesem Buch“ kurz erläutern möchte. Ich bitte, diesenAbschnitt unbedingt zu lesen! Diese Orientierung an didaktischen Aspekten bedeutetfreilich nicht, dass ich nicht Meinungsstreitigkeiten ausführlich darstelle und dabei auchpointiert Stellung beziehe. Ganz im Gegenteil bin ich fest überzeugt, dass man Spaß anJura nur gewinnen kann, wenn man es nicht als vorgegebene und mehr oder minderauswendig zu lernende Materie kennenlernt, sondern als Geflecht widerstreitender In-teressen und Prinzipien, die häufig auf mehr als eine Weise zum Ausgleich gebracht wer-den können.

Der Hochschulalltag lehrt, dass es oft die kleinen Dinge sind, die die größten Problemebereiten, und dass sich daran mit wachsender Semesterzahl nicht viel ändert: die exakteAuslegung von Willenserklärungen, der Unterschied zwischen Vertretungs- und Verfü-gungsmacht, Formulierungen, die gegen das Abstraktionsprinzip verstoßen, oder die ge-naue Prüfung des Vertragsschlusses eines beschränkt Geschäftsfähigen. Ich habe michbemüht, diese Probleme anzusprechen und Tipps für ihre Bewältigung zu geben.

Die Zwänge, die der notwendig beschränkte Umfang eines Kurzlehrbuchs mit sich bringt,habe ich dadurch zu meistern versucht, dass ich den behandelten Stoff nach seiner Klau-surrelevanz ausgewählt und gewichtet habe. So bleibt etwa das Vereinsrecht völlig aus-geklammert, weil es üblicher- und sinnvollerweise als Teil des Gesellschaftsrechts unter-richtet wird, das Verjährungsrecht ist extrem knapp gehalten. Der gewonnene Platz wirdfür die vertiefte Behandlung typischer Klausurprobleme genutzt. Der Platzbeschränkungzum Opfer fiel auch ein Kapitel über die Stellung des Bürgerlichen Rechts im Rahmender Gesamtrechtsordnung, die Entstehung des BGB und seine rechtspolitischen Grund-lagen; kurze Hinweise zu Letzteren habe ich an geeigneten Stellen eingestreut. Als Recht-fertigung mag die Hoffnung dienen, dass die Leser dadurch, dass sie sofort mit Sach-problemen konfrontiert werden, Interesse am Bürgerlichen Recht gewinnen und sichdeshalb diese Grundlagen andernorts aneignen, wo sie fundierter vermittelt werden, alsein Einführungskapitel in einem Kurzlehrbuch es könnte.

Hamburg, 9. Juli 2013 Florian Faust

5

http://www.nomos-shop.de/20277

Inhalt

Vorwort 5

Über den Umgang mit diesem Buch 17

Abkürzungsverzeichnis 21

Willenserklärungen und VertragsschlussA.Grundlagen: Erfüllungsanspruch und Konsensprinzip§ 1 25

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 26

Die Willenserklärung§ 2 27BegriffI. 27Arten von WillenserklärungenII. 27Der Tatbestand einer WillenserklärungIII. 28

Subjektiver Tatbestand der Willenserklärung1. 28Objektiver Tatbestand der Willenserklärung2. 29

Die Auslegung von WillenserklärungenIV. 30Empfangsbedürftige Willenserklärungen1. 30Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen2. 33

AbgrenzungenV. 33Gefälligkeitsverhältnisse1. 33Geschäftsähnliche Handlungen2. 36Realakte3. 36

Das Wirksamwerden von WillenserklärungenVI. 36Abgabe1. 36Zugang2. 38

Problema) 38Die grundlegende Definitionb) 38Die Mindermeinungenc) 40Einzelheitend) 41

Abgabe der Willenserklärung gegenüber dem Empfängeraa) 41Der Anwendungsbereich von § 130 Abs. 1 S. 1 BGBbb) 42Der Machtbereich des Empfängerscc) 42Erwartbarkeit der Kenntnisnahmedd) 44

Zugangsvereitelung3. 46Der Widerruf einer Willenserklärung (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB)4. 47

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 48

Der Vertragsschluss§ 3 49GrundsatzI. 49Der AntragII. 50

Inhaltliche Anforderungen1. 50Bestimmtheita) 50Rechtsbindungswilleb) 51

7

http://www.nomos-shop.de/20277

Die Bindung an den Antrag2. 52Die Dauer der Bindunga) 52Der Ausschluss der Bindungb) 54Der Einfluss von Tod oder Verlust der Geschäftsfähigkeitc) 54

Die AnnahmeIII. 55Inhaltliche Anforderungen1. 55Rechtzeitigkeit2. 57

Verzögerung des Zugangs der Annahmea) 57Verspätete Annahmeb) 57

Annahme durch nicht empfangsbedürftige Willenserklärung gemäߧ 151 BGB

3.58

Einigungsmangel/DissensIV. 61Fälle des Einigungsmangels1. 61Rechtsfolgen2. 62

Besondere Anforderung im elektronischen GeschäftsverkehrV. 63Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 64

Trennungs- und AbstraktionsprinzipB.Sachenrechtliche Grundlagen§ 4 65

Besitz und EigentumI. 65Die Übertragung des Eigentums an beweglichen SachenII. 66Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 67

Verpflichtungsgeschäfte und Verfügungsgeschäfte§ 5 68BegriffeI. 68Die rechtliche Unabhängigkeit von Verpflichtungsgeschäft undVerfügungsgeschäft

II.68

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 70

Die Rückabwicklung bei Unwirksamkeit von Verpflichtungs- und/oderVerfügungsgeschäft

§ 671

Kausale und abstrakte GeschäfteI. 71Die einzelnen AnsprücheII. 72

Eigentumsherausgabeanspruch bei Unwirksamkeit der Übereignung1. 72Bereicherungsanspruch bei Unwirksamkeit des Verpflichtungs-geschäfts

2.73

Zusammenfassung der einzelnen FallkonstellationenIII. 74Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 75

Der Sinn von Trennungs- und Abstraktionsprinzip§ 7 76Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 77

Inhalt

8

http://www.nomos-shop.de/20277

Formale und inhaltliche Wirksamkeitsvoraussetzungen vonRechtsgeschäften

C.

Formbedürftige Rechtsgeschäfte§ 8 78Formfreiheit und FormzweckeI. 78Arten der FormII. 79

Textform (§ 126b BGB)1. 79Elektronische Form (§ 126a BGB)2. 79Schriftform (§ 126 BGB)3. 80Öffentliche Beglaubigung (§ 129 BGB)4. 81Notarielle Beurkundung (§ 128 BGB)5. 81

Auslegung und FormIII. 82Folgen von FormverstößenIV. 83

Verstoß gegen gesetzliche Formvorschriften1. 83Verstoß gegen vereinbarte Formerfordernisse2. 85

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 86

Gesetzwidrige Rechtsgeschäfte (§ 134 BGB)§ 9 87Regelungsgehalt von § 134 BGBI. 87VerbotsgesetzeII. 87UmgehungsgeschäfteIII. 88Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 89

Sittenwidrige Rechtsgeschäfte (§ 138 BGB)§ 10 90GrundlagenI. 90Sittenwidriges Verhalten gegenüber dem GeschäftspartnerII. 91Sittenwidriges Verhalten gegenüber Dritten und der AllgemeinheitIII. 94Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 94

Veräußerungsverbote (§§ 135–137 BGB)§ 11 95Absolute VerfügungsverboteI. 95Relative VerfügungsverboteII. 95Rechtsgeschäftliche VerfügungsverboteIII. 96Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 96

Die Folgen der Unwirksamkeit von RechtsgeschäftenD.Teilnichtigkeit (§ 139 BGB)§ 12 97

GrundsätzeI. 97Einheitlichkeit und Teilbarkeit des RechtsgeschäftsII. 98

Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts1. 98Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts2. 99

Grundsatza) 99Quantitative Teilbarkeit und geltungserhaltende Reduktionb) 99

Der ParteiwilleIII. 100Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 100

Inhalt

9

http://www.nomos-shop.de/20277

Umdeutung (§ 140 BGB)§ 13 101AllgemeinesI. 101Das ErsatzgeschäftII. 102Der ParteiwilleIII. 102Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 102

Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts (§ 141 BGB)§ 14 103Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 104

Allgemeine Geschäftsbedingungen und Verbraucherschutz-recht

E.

Die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen§ 15 105Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGBI. 105Begriff der Allgemeinen GeschäftsbedingungenII. 106Die Funktion von Allgemeinen GeschäftsbedingungenIII. 107Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den VertragIV. 108

Einbeziehungsvoraussetzungen1. 108Überraschende Klauseln (§ 305c Abs. 1 BGB)2. 109Kollision von Allgemeinen Geschäftsbedingungen3. 110

Auslegung von Allgemeinen GeschäftsbedingungenV. 110Inhaltskontrolle von Allgemeinen GeschäftsbedingungenVI. 111

Überblick1. 111Voraussetzung der Inhaltskontrolle2. 111Die Generalklausel des § 307 Abs. 1 und 2 BGB3. 112

Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit einer KlauselVII. 113Möglichkeiten der Kontrolle Allgemeiner GeschäftsbedingungenVIII. 114Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 114

Verbraucherschutzvorschriften§ 16 115HintergrundI. 115InformationspflichtenII. 116WiderrufsrechteIII. 117Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 119

Rechts- und GeschäftsfähigkeitF.Rechtsfähigkeit§ 17 120

ÜberblickI. 120Beginn der Rechtsfähigkeit natürlicher PersonenII. 121Ende der Rechtsfähigkeit natürlicher PersonenIII. 121Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 122

Geschäftsfähigkeit§ 18 123GrundlagenI. 123

Begriff der Geschäftsfähigkeit1. 123Stufen der Geschäftsfähigkeit2. 123

Inhalt

10

http://www.nomos-shop.de/20277

Der Konflikt zwischen dem Schutz nicht voll Geschäftsfähiger und derVerkehrssicherheit

3.124

Die gesetzliche Vertretung nicht voll Geschäftsfähiger4. 125Der gesetzliche Vertretera) 125Handeln des gesetzlichen Vertreters und Handeln des nicht vollGeschäftsfähigen

b)126

Sonderfälle der Geschäftsfähigkeit5. 127Die beschränkte GeschäftsfähigkeitII. 127

Überblick1. 127Partielle unbeschränkte Geschäftsfähigkeit des beschränktGeschäftsfähigen

2.128

Abgabe von Willenserklärungen durch beschränkt Geschäftsfähige3. 129Rechtlich lediglich vorteilhafte Geschäftea) 129

Grundsatzaa) 129Einzelfällebb) 129Rechtlich neutrale Geschäftecc) 132

Einwilligung des gesetzlichen Vertretersb) 133Allgemeines zur Einwilligungaa) 133Die Einwilligung nach § 107 BGBbb) 135Die Einwilligung durch Überlassung von Mitteln nach§ 110 BGB

cc)136

Wirksamwerden von Willenserklärungen gegenüber beschränktGeschäftsfähigen

4.139

Verträge ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichenVertreters

5.140

Regelungstechnika) 140Genehmigungb) 142Der Schutz des Vertragspartnersc) 143

Einseitige Rechtsgeschäfte6. 144Die GeschäftsunfähigkeitIII. 145Bewusstlosigkeit und vorübergehende Störung der GeistestätigkeitIV. 146Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 147

WillensmängelG.Der Konflikt zwischen dem Schutz der Privatautonomie und demVerkehrsschutz

§ 19149

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 153

Bewusstes Auseinanderfallen von Wille und Erklärung§ 20 154Geheimer Vorbehalt (§ 116 BGB)I. 154Scheinerklärung und Scheingeschäft (§ 117 BGB)II. 154Scherzerklärung (§ 118 BGB)III. 156ZusammenfassungIV. 157Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 157

Inhalt

11

http://www.nomos-shop.de/20277

Unbewusstes Auseinanderfallen von Wille und Erklärung§ 21 158Mängel des GeschäftswillensI. 158

Fehler bei der Äußerung des Willens1. 158Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB)a) 158Inhaltsirrtum (§ 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB)b) 158Unrichtige Übermittlung (§ 120 BGB)c) 159Gemeinsame Voraussetzungend) 159Die Anfechtbarkeit des Verfügungsgeschäftse) 160

Fehler bei der Willensbildung2. 161Grundsatza) 161Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB)b) 161

Rechtsnaturaa) 162Voraussetzungenbb) 162Die Anfechtbarkeit des Verfügungsgeschäftscc) 165

Problemfälle3. 166Rechtsfolgenirrtuma) 166Kalkulationsirrtumb) 167Automatisch generierte Erklärungenc) 169

Mängel des ErklärungsbewusstseinsII. 172Mängel des HandlungswillensIII. 174Zusammenfassung: Feststellung des Inhalts einer Erklärung und Folgenvon Willensmängeln

IV.175

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 176

Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung§ 22 177VorbemerkungI. 177Arglistige Täuschung (§ 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB)II. 177

Täuschung1. 177Erregung eines Irrtumsa) 177Täuschung durch Tun oder Unterlassenb) 177Person des Täuschendenc) 178

Widerrechtlichkeit der Täuschung2. 179Kausalität3. 181Arglist4. 181Die Anfechtung des Verfügungsgeschäfts5. 182

Widerrechtliche Drohung (§ 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB)III. 183Drohung1. 183Widerrechtlichkeit2. 183

Widerrechtlichkeit des angestrebten Zwecksa) 183Widerrechtlichkeit des eingesetzten Mittelsb) 183Widerrechtlichkeit der Mittel-Zweck-Relationc) 184

Kausalität3. 184Subjektive Voraussetzungen4. 184Die Anfechtung des Verfügungsgeschäfts5. 184

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 185

Inhalt

12

http://www.nomos-shop.de/20277

Ausübung des Anfechtungsrechts und Rechtsfolgen§ 23 186Die Erklärung der AnfechtungI. 186Die AnfechtungsfristII. 187

Anfechtung nach §§ 119, 120 BGB1. 187Anfechtung nach § 123 BGB2. 187

Der Ausschluss der Anfechtung bei Bestätigung des anfechtbarenRechtsgeschäfts (§ 144 BGB)

III.188

Die Folgen der AnfechtungIV. 188Nichtigkeit des angefochtenen Rechtsgeschäfts (§ 142 Abs. 1 BGB)1. 188Einschränkung der Anfechtungsfolgen nach Treu und Glauben(§ 242 BGB)

2.190

Die Schadensersatzpflicht des Anfechtenden nach § 122 BGB3. 191Die Anfechtbarkeit nichtiger RechtsgeschäfteV. 194Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 194

Stellvertretung und BotenschaftH.Einführung§ 24 196

Die praktische Bedeutung der StellvertretungI. 196Das Wesen der direkten StellvertretungII. 196Die Voraussetzungen der direkten StellvertretungIII. 197

Aktive Stellvertretung1. 197Passive Stellvertretung2. 198Zusammenfassung3. 199

Die Unterscheidung von direkter und indirekter StellvertretungIV. 199Die Zulässigkeit der StellvertretungV. 200Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 200

Der Offenheitsgrundsatz§ 25 201GrundprinzipI. 201Das Handeln in fremdem NamenII. 201Das Handeln unter fremdem NamenIII. 202Das Geschäft für den, den es angehtIV. 204Die subjektiven VoraussetzungenV. 205Passive StellvertretungVI. 206Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 207

Die Vertretungsmacht§ 26 208ÜberblickI. 208Gesetzliche VertretungsmachtII. 209Rechtsgeschäftliche VertretungsmachtIII. 209

Allgemeines1. 209Die Erteilung einer Vollmacht2. 209

Allgemeinesa) 209Formb) 210

Das Erlöschen der Vollmacht3. 211Grundsatza) 211Erlöschen nach Maßgabe des Grundverhältnissesb) 211

Inhalt

13

http://www.nomos-shop.de/20277

Widerrufc) 212Die Abstraktheit der Vollmacht4. 214Einseitige Rechtsgeschäfte5. 215

Vertretungsmacht kraft RechtsscheinsIV. 216Grundlagen1. 216Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins bei Erlöschen einerAußenvollmacht (§ 170 BGB)

2.218

Rechtsscheina) 218Zurechenbarkeitb) 218Kausalitätc) 218Gutgläubigkeit des Drittend) 219

Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins bei Kundgabe einer Vollmacht(§ 171 BGB)

3.220

Rechtsscheina) 220Zurechenbarkeitb) 220Kausalitätc) 220Gutgläubigkeit des Drittend) 220

Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins bei Vorlage einerVollmachtsurkunde (§ 172 BGB)

4.221

Rechtsscheina) 221Zurechenbarkeitb) 221Kausalitätc) 222Gutgläubigkeit des Drittend) 222

Die Anscheinsvollmacht5. 222Begriffa) 222Der Streit um die Anscheinsvollmachtb) 222Voraussetzungenc) 223

Rechtsscheinaa) 223Zurechenbarkeitbb) 223Kausalitätcc) 224Gutgläubigkeit des Drittendd) 224

Die Anfechtbarkeit einer Rechtsscheinvollmacht6. 224Rechtsfolgen einer Rechtsscheinvollmacht7. 225

Die DuldungsvollmachtV. 226Rechtsscheinhaftung bei Handeln unter fremdem NamenVI. 227Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 228

Vertretung ohne Vertretungsmacht§ 27 230GrundsätzeI. 230Vertragsschluss ohne VertretungsmachtII. 230Einseitige RechtsgeschäfteIII. 231

Aktive Stellvertretung1. 231Passive Stellvertretung2. 232

Die Haftung des falsus procurator nach § 179 BGBIV. 232Abschluss eines Vertrags ohne Vertretungsmacht1. 232Verweigerung der Genehmigung2. 233Ausschluss der Haftung nach § 179 Abs. 3 BGB3. 233

Inhalt

14

http://www.nomos-shop.de/20277

Haftungsinhalt4. 233Kenntnis vom Mangel der Vertretungsmacht (§ 179 Abs. 1 BGB)a) 233Keine Kenntnis vom Mangel der Vertretungsmacht(§ 179 Abs. 2 BGB)

b)234

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 235

Einzelne Probleme des Stellvertretungsrechts§ 28 236UntervertretungI. 236GesamtvertretungII. 238Die Anfechtung der VollmachtIII. 239Willensmängel und Wissenszurechnung (§ 166 BGB)IV. 243

Prinzipielle Maßgeblichkeit der Person des Vertreters(§ 166 Abs. 1 BGB)

1.243

Willensmängela) 244Kennen und Kennenmüssenb) 244

Ausnahmsweise Beachtlichkeit der Person des Vertretenen(§ 166 Abs. 2 BGB)

2.245

Kennen und Kennenmüssena) 245Willensmängelb) 246

Der Missbrauch der VertretungsmachtV. 248Problem1. 248Kollusion2. 248Nicht-kollusiver Missbrauch3. 249

Insichgeschäfte (§ 181 BGB)VI. 250Problem1. 250Rechtsfolge2. 251Anwendungsbereich3. 252

Selbstkontrahieren und Mehrvertretunga) 252Verträge und einseitige Rechtsgeschäfteb) 252Einschränkung und Ausweitung des Anwendungsbereichsc) 252

Problemaa) 252Einschränkung des Anwendungsbereichsbb) 253Ausweitung des Anwendungsbereichscc) 253

Zulässige Insichgeschäfte4. 254Gestattunga) 254Erfüllung einer Verbindlichkeitb) 254

Das Problem der Erkennbarkeit von Insichgeschäften5. 257Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 257

Boten§ 29 259Boten und StellvertreterI. 259

Der Begriff des Boten1. 259Die Abgrenzung von Boten und Stellvertretern2. 259

Aktive Stellvertretera) 259Passive Stellvertreterb) 261

Inhalt

15

http://www.nomos-shop.de/20277

Erklärungs- und EmpfangsbotenII. 263Fehler bei der Übermittlung von WillenserklärungenIII. 266

Pseudo-Boten1. 266Fehler von „echten“ Empfangsboten2. 267Fehler von „echten“ Erklärungsboten3. 267

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 269

GegenrechteI.Einreden und Einwendungen§ 30 270

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 271

Grundzüge des Verjährungsrechts§ 31 272Begriff und ZweckI. 272Gegenstand der VerjährungII. 272Die VerjährungsfristenIII. 272

Regelmäßige Verjährungsfrist1. 272Sonderverjährungsfristen2. 273Verjährung bei Rechtsnachfolge3. 273

Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der VerjährungIV. 274Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 274

Definitionen 275

Literaturverzeichnis 283

Sachregister 285

Inhalt

16

http://www.nomos-shop.de/20277

Die Willenserklärung

Begriff

Eine Willenserklärung ist eine private Willensäußerung, die auf die Vornahme einesRechtsgeschäfts gerichtet ist. Dabei gibt es Rechtsgeschäfte, die nur einer Willenserklä-rung bedürfen, wie etwa die Kündigung eines Mietvertrags, und Rechtsgeschäfte, für diezwei oder mehr Willenserklärungen erforderlich sind, wie beispielsweise ein Vertrag(siehe näher § 18 Rn. 27).1

Durch das Erfordernis, dass es sich um eine private Willensäußerung handeln muss,werden Willensäußerungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ausgenommen.

u Beispiele: Wenn eine Behörde eine Baugenehmigung erlässt oder verweigert, handelt essich dabei nicht um eine private Willensäußerung und damit nicht um eine Willenserklärung,sondern um einen Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG). Ebensowenig liegt eine Willenserklärungvor, wenn jemand bei einer Wahl seine Stimme abgibt. t

Der Erklärende muss mit der Willenserklärung eine bestimmte Rechtsfolge anstreben;das Anstreben eines bloß wirtschaftlichen oder sozialen Erfolgs genügt also nicht.

u Beispiele: Wer im Laden erklärt, eine Zeitung kaufen zu wollen, strebt damit den wirt-schaftlichen Erfolg an, die Zeitung gegen Zahlung des Kaufpreises mitnehmen und behaltenzu dürfen. Da der Weg zu diesem wirtschaftlichen Erfolg aber über den Abschluss eines Kauf-vertrags führt, erstrebt der Erklärende als rechtlichen Erfolg den Abschluss eines solchen Ver-trags; es handelt sich also um eine Willenserklärung in Form eines Antrags zum Vertrags-schluss (§ 145 BGB). Wer einen Mietvertrag kündigt, erstrebt damit den rechtlichen Erfolgder Beendigung des Mietverhältnisses (§ 542 Abs. 1 BGB).

Wer verbreitet, die Produkte seines Konkurrenten seien qualitativ minderwertig, will seinenAbsatz auf Kosten des Absatzes dieses Konkurrenten steigern. Er strebt einen wirtschaftlichenErfolg an, aber keinen rechtlichen. Eine Willenserklärung liegt deshalb nicht vor. Wer seinenTischnachbarn im Restaurant bittet, ihm den Salzstreuer hinüberzureichen, will lediglich seinEssen salzen können; irgendwelcher Rechtswirkungen bedarf es dazu nicht, und deshalb han-delt es sich nicht um eine Willenserklärung. t

Arten von Willenserklärungen

Man unterscheidet zwischen empfangsbedürftigen und nicht empfangsbedürftigen Wil-lenserklärungen. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind an einen bestimmtenEmpfänger gerichtet und müssen diesen erreichen, damit sie wirksam werden (vgl. § 130Abs. 1 S. 1 BGB, siehe Rn. 17 ff.). Dabei muss dieser Empfänger in der Erklärung abernicht konkret bezeichnet sein; eine empfangsbedürftige Willenserklärung kann auch aneinen Empfänger oder einen Kreis von Empfängern gerichtet werden, der im Zeitpunktder Abgabe der Willenserklärung noch nicht bestimmt ist.

u Beispiel: Wenn in einer Kirche Postkarten mit dem Vermerk ausgelegt werden, der Kauf-preis für die entnommenen Karten solle in den Opferstock geworfen werden, liegt darin einAntrag zum Vertragsschluss an jeden Kirchenbesucher. Man spricht auch von einem Antrag„ad incertas personas“ (an noch ungewisse Personen). t

§ 2I.

II.

1 Einen ganz eigenen Ansatz in der Rechtsgeschäftslehre verfolgt Leenen, indem er strikt zwischen der Wirksam-keit der einzelnen Willenserklärungen und der Wirksamkeit des durch sie vorgenommenen Rechtsgeschäftsunterscheidet; siehe grundlegend Leenen, § 4 Rn. 101 ff.

§ 2

27

1

2

http://www.nomos-shop.de/20277

Die Empfangsbedürftigkeit ist der Regelfall, da normalerweise derjenige, der von denFolgen einer Willenserklärung betroffen wird, hierüber informiert werden und deshalbdie Willenserklärung empfangen muss. Nicht empfangsbedürftig sind demgemäß Wil-lenserklärungen, bei denen ein solches Informationsbedürfnis nicht besteht.

u Beispiele: Durch die Auslobung (§ 657 BGB) erwirbt auch derjenige einen Anspruch aufdie versprochene Belohnung, der die Handlung, für die die Belohnung ausgelobt war (z.B. dasZurückbringen eines entlaufenen Haustiers), ohne Kenntnis der Auslobung vorgenommenhat; die Auslobung ist daher eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Das Gleiche giltfür letztwillige Verfügungen in einem Testament (§§ 2231 ff. BGB), da die in einem TestamentBedachten vor dem Tod des Erblassers keinerlei Rechte erwerben und daher auch nicht überdie Existenz und den Inhalt des Testaments informiert werden müssen. Nicht empfangsbe-dürftig ist auch die Erklärung zur Aufgabe des Eigentums (§ 959 BGB). t

Der Tatbestand einer Willenserklärung

Wie schon das Wort Willens-erklärung aussagt, kann man zwischen dem äußeren (ob-jektiven) Tatbestand einer Willenserklärung, nämlich der Erklärung, und dem inneren(subjektiven) Tatbestand, dem erklärten Willen, unterscheiden. Da der objektive Tatbe-stand auf den subjektiven Bezug nimmt, wird Letzterer zuerst behandelt, auch wenn beider Rechtsanwendung der objektive Tatbestand vorrangig ist (siehe Rn. 8).

Subjektiver Tatbestand der WillenserklärungDer erklärte Wille muss, wie sich aus der Definition der Willenserklärung ergibt (Rn. 1),darauf gerichtet sein, durch die Erklärung unmittelbar eine Rechtsfolge herbeizuführen.Dieser Wille wird herkömmlich in drei Komponenten unterteilt:

n Handlungswille

Der Handlungswille ist der Wille, sich überhaupt in bestimmter, nach außen hervor-tretender Weise zu verhalten.

u Beispiele: Am Handlungswillen fehlt es etwa bei Reflexbewegungen oder bei Hand-lungen im Schlaf. t

n Erklärungsbewusstsein

Das Erklärungsbewusstsein ist der Wille, irgendeine rechtserhebliche Erklärung ab-zugeben.

u Beispiele: Wer einen Brief unterschreibt, der den Antrag zum Verkauf eines Autos für10.000 € enthält, handelt mit Erklärungsbewusstsein, wenn er einen derartigen Antragabgeben will. Er handelt aber auch dann mit Erklärungsbewusstsein, wenn er einen Antragnur zu einem Kaufpreis von 11.000 € abgeben will oder wenn er meint, der Brief beinhaltedie Kündigung eines Mietvertrags; denn auch ein Antrag zum Verkauf für 11.000 € unddie Kündigung eines Mietvertrags sind rechtserhebliche Erklärungen. Dagegen fehlt es amErklärungsbewusstsein, wenn der Betreffende meint, der Brief beinhalte Glückwünschezum Geburtstag des Empfängers, oder wenn er diesen nur unverbindlich darüber infor-mieren will, dass er sein Auto verkaufen will; denn dann will der Absender mit dem Briefnoch keinerlei rechtserhebliche Erklärung abgeben.

Der klassische Schulfall für das fehlende Erklärungsbewusstsein ist die Trierer Weinver-steigerung: Bei einer Weinversteigerung sieht jemand einen Bekannten und winkt ihm zu,ohne zu wissen, dass nach den örtlichen Gebräuchen das Heben der Hand die Abgabe einesum 50 € höheren Gebots bedeutet. t

III.

1.

A. Willenserklärungen und Vertragsschluss§ 2

28

3

4

http://www.nomos-shop.de/20277

n Geschäftswille

Der Geschäftswille ist der Wille, eine ganz bestimmte rechtserhebliche Erklärung ab-zugeben.

u Beispiel: Wenn jemand einen Brief in der Meinung unterschreibt, dieser enthalte einenAntrag zum Kauf eines Autos für 10.000 €, während im Brief 11.000 € steht, fehlt es ihmam Geschäftswillen. t

Die Unterscheidung zwischen den drei Komponenten des Willens ist wichtig, weil ihrFehlen unterschiedliche Rechtsfolgen auslöst. Siehe dazu § 21.

Der Wille kann auch antizipiert gebildet werden. Wer etwa einen Automaten aufstellt,hat in dem Moment, in dem durch die Bedienung des Automaten einerseits und dasErbringen der betreffenden Leistung andererseits ein Vertrag geschlossen wird (siehe§ 3 Rn. 4), keinerlei konkreten, auf einen Vertragsschluss gerichteten Willen. Da derAutomat aber entsprechend seiner Konstruktionsweise funktioniert, ist die Erklärungdurch diese Konstruktion schon in allgemeiner Form festgelegt. Sie geht damit auf denWillen dessen zurück, der den Automaten in Kenntnis dieser konstruktionsbedingtenFestlegung aufgestellt hat. Dass niemand weiß, wann dieser Wille durch die Ingangset-zung des Automaten aktualisiert werden wird, ist unerheblich. Ebenso verhält es sich mitvon einem Computer automatisch generierten Willenserklärungen, wenn etwa über dasInternet eingehende Bestellungen vom Computer automatisch bearbeitet und ausgeführtwerden.

Objektiver Tatbestand der WillenserklärungDer objektive Tatbestand einer Willenserklärung liegt in einem äußerlich erkennbarenVerhalten, das auf das Vorliegen eines Geschäftswillens (und damit auch von Hand-lungswillen und Erklärungsbewusstsein) schließen lässt; das Erklärungsbewusstsein wirddabei im Rahmen des objektiven Tatbestands meist „Rechtsbindungswille“ genannt2.Das Verhalten kann darin liegen, dass der entsprechende Wille ausdrücklich erklärt wird.Der Erklärende kann seinen Willen aber auch konkludent, d.h. durch schlüssiges Ver-halten, zum Ausdruck bringen.

u Beispiele: Jemand fährt durch die Schranke in ein Parkhaus ein, für dessen Benutzung einEntgelt zu zahlen ist. Jemand nimmt eine der in einer Kirche ausliegenden Postkarten an sichund wirft, wie auf einem Aushang verlangt, dafür 50 c in den Opferstock. t

Im bloßen Schweigen liegt – von Ausnahmen abgesehen – keine Willenserklärung. Denndie Teilnehmer am Rechtsverkehr müssen davor geschützt werden, durch bloßes Nichts-tun rechtlich gebunden zu werden. Diejenigen Fälle, in denen ausnahmsweise Schweigendennoch eine Willenserklärung darstellt, betreffen daher Sachverhalte, in denen derSchweigende eines solchen Schutzes nicht bedarf. Das ist etwa der Fall, wenn vereinbartist, dass dem Schweigen Erklärungswert zukommen soll („beredtes Schweigen“). Aberauch das Gesetz ordnet in bestimmten Sonderfällen an, dass Schweigen eine Willenser-klärung darstellt („normiertes Schweigen“).

So gilt nach § 516 Abs. 2 BGB Schweigen als Annahme einer Schenkung, wenn derSchenker dem Empfänger eine Frist zur Erklärung gesetzt hat, ob der Empfänger dieSchenkung annimmt, und der Empfänger diese Frist verstreichen lässt. Denn da eineSchenkung für den Beschenkten rechtlich nur vorteilhaft ist, muss der Beschenkte vor

2.

2 Vgl. Schwab, Iurratio 2010, 73 ff.

§ 2 Die Willenserklärung § 2

29

5

6

7

http://www.nomos-shop.de/20277

einem „aufgedrängten“ Vertragsschluss nicht in gleicher Weise geschützt werden wiejemand, der durch den betreffenden Vertrag zu einer Leistung verpflichtet wird.

Nach § 362 Abs. 1 HGB gilt es als Annahme des Antrags, wenn ein Kaufmann, der ge-werbsmäßig Geschäfte für andere besorgt (z.B. ein Spediteur), auf einen Antrag von je-mandem schweigt, mit dem er in Geschäftsverbindung steht oder dem gegenüber er sichzur Besorgung solcher Geschäfte erboten hat. Denn zum einen hat der Kaufmann hierzu erkennen gegeben, dass er generell zur Besorgung derartiger Geschäfte bereit ist, undzum anderen können an das Verhalten eines Kaufmanns im Geschäftsverkehr höhereAnforderungen gestellt werden als an das Verhalten einer Privatperson. Das wird sehrdeutlich durch einen Vergleich von § 362 HGB mit § 663 BGB, der auch für Nichtkauf-leute gilt. Nach § 663 BGB muss zwar auch ein Nichtkaufmann, der zur Besorgung ge-wisser Geschäfte öffentlich bestellt ist oder sich öffentlich dazu erboten hat, einen aufBesorgung solcher Geschäfte gerichteten Antrag ablehnen. Versäumt er dies, gilt seinSchweigen aber – anders als nach § 362 HGB – nicht als Annahme, sondern er machtsich lediglich schadensersatzpflichtig.

Darüber hinaus messen Rechtsprechung und Literatur dem Schweigen in manchen FällenErklärungswert zu (siehe etwa § 3 Rn. 17); insofern ist allerdings – insbesondere bei derKlausurbearbeitung – große Vorsicht angebracht.

u Weiterführender Hinweis: Im Handelsrecht kann das Schweigen auf ein kaufmänni-sches Bestätigungsschreiben zum Zustandekommen eines Vertrags oder zur inhaltlichenModifizierung eines schon geschlossenen Vertrags führen.3 t

45

V. Die Auslegung von Willenserklärungen

1. Empfangsbedürftige Willenserklärungen

10 In den meisten Fällen wird derjenige, der eine Willenserklärung abgibt,

dasjenige objektiv erklären, was er subjektiv erklären will, und der Emp-

fänger wird das Gemeinte und Erklärte richtig verstehen. Ist dies aber nicht

der Fall, fragt sich, was gilt: Das, was der Erklärende gemeint hat, das, was

der Empfänger verstanden hat, oder das, was ein objektiver Dritter hätte

verstehen müssen?

FALL 1 (NACH LG HANAU NJW 1979, 721 FF.): Ein Gros ist defi-

niert als zwölf Dutzend. Rektorin R bestellt für die von ihr geleitete

Mädchenrealschule bei Großhändler G 25 Gros Packungen Toilet-

tenpapier, weil sie irrtümlich meint, „Gros“ sei eine Bezeichnung der

Verpackungsart; sie wollte also 25 Packungen. G dagegen meint irr-

tümlich, ein Gros seien 24 Dutzend. Hat R 25, 3600 oder 7200 Pa-

ckungen bestellt?

Bei der Bestimmung der Bedeutung einer Willenserklärung stehen offen-

kundig die Interessen des Erklärenden und diejenigen des Adressaten in

Widerspruch: Der Erklärende will an nichts gebunden sein, was er nicht

gewollt hat; hierfür spricht auch der Schutz der Privatautonomie. Der Ad-

ressat dagegen will nicht von einer Erklärung betroffen werden, deren In-

halt er nicht richtig verstanden hat. Es ist also ein Ausgleich zu finden zwi-

schen dem Schutz der Privatautonomie und dem Schutz des Rechtsver-

Willenserklärung

subjektiver Tatbestand

Erklärungs-bewusstsein/Rechtsbin-dungswille

Handlungs-

wille

Geschäfts-

wille

objektiver Tatbestand

konkludente Erklärung

ausdrückliche

Erklärung

ausnahms-weise: Erklä-rung durch Schweigen

lässt schließen auf

Die Auslegung von Willenserklärungen

Empfangsbedürftige WillenserklärungenIn den meisten Fällen wird derjenige, der eine Willenserklärung abgibt, dasjenige objektiverklären, was er subjektiv erklären will, und der Empfänger wird das Gemeinte undErklärte richtig verstehen. Ist dies aber nicht der Fall, fragt sich, was gilt: Das, was derErklärende gemeint hat, das, was der Empfänger verstanden hat, oder das, was ein ob-jektiver Dritter hätte verstehen müssen?

IV.

1.

3 Siehe Steinbeck, Nomos-Lehrbuch Handelsrecht, 2. Aufl., § 26 Rn. 11 ff.

A. Willenserklärungen und Vertragsschluss§ 2

30

8

http://www.nomos-shop.de/20277

u Fall 1 (nach LG Hanau NJW 1979, 721 ff.): Ein Gros ist definiert als zwölf Dutzend.Rektorin R bestellt für die von ihr geleitete Mädchenrealschule bei Großhändler G 25 GrosPackungen Toilettenpapier, weil sie irrtümlich meint, „Gros“ sei eine Bezeichnung der Ver-packungsart; sie wollte also 25 Packungen. G dagegen meint irrtümlich, ein Gros seien 24Dutzend. Hat R 25, 3600 oder 7200 Packungen bestellt? t

Bei der Bestimmung der Bedeutung einer Willenserklärung stehen offenkundig die Inte-ressen des Erklärenden und diejenigen des Adressaten in Widerspruch: Der Erklärendewill an nichts gebunden sein, was er nicht gewollt hat; hierfür spricht auch der Schutzder Privatautonomie. Der Adressat dagegen will nicht von einer Erklärung betroffenwerden, deren Inhalt er nicht richtig verstanden hat. Es ist also ein Ausgleich zu findenzwischen dem Schutz der Privatautonomie und dem Schutz des Rechtsverkehrs. Das istein Konflikt, der Ihnen im Zivilrecht noch häufig begegnen wird.

§ 133 BGB sagt, dass bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zuerforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist. Das scheintdarauf hinzudeuten, dass es darauf ankommt, was der Erklärende gemeint hat. DochVorsicht! Auch bei der Auslegung von § 133 BGB ist „nicht am buchstäblichen Sinn desAusdrucks zu haften“. Die Sicherheit des Rechtsverkehrs würde erheblich beeinträchtigt,wenn der Adressat das vom Erklärenden subjektiv Gewollte auch dann gegen sich geltenlassen müsste, wenn er diesen Willen aus der Erklärung nicht herausgelesen hat und nichtherauslesen musste. Es besteht daher heute Einigkeit darüber, dass § 133 BGB nicht soverstanden werden darf, dass es auf das subjektiv Gewollte unabhängig davon ankommt,ob es der Empfänger der Erklärung entnehmen konnte. Es gelten vielmehr folgende Re-geln:

n Wenn der Empfänger die Willenserklärung so verstanden hat, wie der Erklärende siegemeint hat, gilt die Erklärung mit diesem Inhalt. Auf die „objektive“ Erklärungsbe-deutung kommt es nicht an, da das „subjektive“ Verständnis den Interessen beiderParteien entspricht und Drittinteressen nicht auf dem Spiel stehen. Dies wird mit demlateinischen Satz „falsa demonstratio non nocet“ ausgedrückt: Eine (übereinstim-mende) Falschbezeichnung schadet nicht.

u Fall 2 (nach RGZ 99, 147 ff.): K bestellt bei V 10 t „Haakjöringsköd“. K und V gehendabei beide davon aus, dass „Haakjöringsköd“ das norwegische Wort für Walfleisch ist; inWirklichkeit bedeutet „Haakjöringsköd“ aber Haifleisch. Da K und V beide annehmen, dasssich die Bestellung auf 10 t Walfleisch bezieht, gilt die Erklärung des K mit diesem In-halt. t

n Wenn der Empfänger die Erklärung anders verstanden hat, als der Erklärende siegemeint hat, kommt es auf den „objektiven Empfängerhorizont“ an, also darauf, wieeine vernünftige Person anstelle des Empfängers die Erklärung verstanden hätte. Denndie Privatautonomie verbietet, der Erklärung einen Inhalt zu geben, der auf einemFehlverständnis des Empfängers beruht, mit dem der Erklärende nicht rechnen muss-te. Und umgekehrt wäre es mit dem Gedanken des Verkehrsschutzes nicht vereinbar,das subjektiv Gewollte gelten zu lassen, wenn der Empfänger es aus der Erklärungnicht herauslesen musste und nicht herausgelesen hat. Im Hinblick auf § 133 BGBbedeutet dies, dass der wirkliche Wille nur insoweit relevant ist, als er auch erklärtwurde. Neben § 133 BGB wird § 157 BGB herangezogen, der sich seinem Wortlautnach nicht auf Willenserklärungen, sondern auf Verträge bezieht und insofern dasobjektive Element statuiert, das im Wortlaut des § 133 BGB fehlt: Eine Willenserklä-rung ist so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben mit Rücksicht

§ 2 Die Willenserklärung § 2

31

http://www.nomos-shop.de/20277

auf die Verkehrssitte verstehen musste. Bei der Auslegung empfangsbedürftiger Wil-lenserklärungen wird deshalb heute nicht mehr zwischen § 133 BGB und § 157 BGBunterschieden, sondern man zitiert beide Vorschriften gemeinsam: Auslegung nachdem objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB. Diese Auslegung kannbewirken, dass die Willenserklärung einen Inhalt hat, den weder der Erklärende ihrgeben wollte noch der Empfänger ihr entnommen hat.4 Doch führt dieses auf denersten Blick erstaunliche Ergebnis zu einer sachgerechten Risikoverteilung, weil jedePartei (nur) die Folgen ihres eigenen Irrtums trägt.5

Die „vernünftige Person“, auf die es für die Auslegung nach dem objektiven Empfän-gerhorizont ankommt, verfügt über das Wissen, das man im Rechtsverkehr erwartenkann, und zieht aus dem Kontext – insbesondere aus früheren Geschäftsbeziehungen derParteien und der „Vorgeschichte“ der betreffenden Willenserklärung – die angemessenenSchlüsse. Dass es sich um eine vernünftige Person „anstelle des Empfängers“ handelt,bedeutet zweierlei:

Zum einen kommt es auf einen vernünftigen Angehörigen desjenigen Verkehrskreises an,dem der Empfänger angehört. Ein vernünftiger Laie wird eine Erklärung im Hinblick aufdie Eigenschaften eines technischen Geräts möglicherweise anders verstehen als ein Fach-mann, ein zehnjähriges Kind wird einer Erklärung eventuell eine andere Bedeutung bei-messen als ein Erwachsener. Der Erklärende wird durch diese Konkretisierung des ver-nünftigen Empfängers nicht unzumutbar belastet; denn er weiß ja, an wen er seine Er-klärung richtet, und kann sich daher auf den – typisierten – Verständnishorizont desEmpfängers einstellen.

Zum anderen verfügt der für die Auslegung maßgebliche hypothetische Erklärungsemp-fänger über all das Sonderwissen des Empfängers, insbesondere im Hinblick auf vorhe-rige geschäftliche Kontakte der Parteien. Entscheidend ist also nicht das Verständnis ei-nes vernünftigen außenstehenden Dritten, sondern dasjenige des konkreten Empfängers– freilich nicht das tatsächliche Verständnis, sondern dasjenige Verständnis, das der Er-klärende vom Empfänger erwarten kann. Die Auslegung nach dem objektiven Empfän-gerhorizont verbürgt damit für beide Parteien ein Höchstmaß an Rechtssicherheit, weilbeide Parteien nicht von einer Erklärungsbedeutung überrascht werden können, mit dersie nicht rechnen mussten.

Maßgeblich für die Auslegung ist auch dann die Person des Empfängers, wenn die Er-klärung von diesem nicht zur Kenntnis genommen, sondern automatisch verarbeitetwird; darauf, wie das automatisierte System die Erklärung voraussichtlich deuten undverarbeiten wird, kommt es nicht an.6

4 Erman/Armbrüster, § 155 Rn. 8; MüKoBGB/Busche, § 155 Rn. 6. A.A. Leenen, § 8 Rn. 160 sowie – polemisch – Jahr,JuS 1989, 249, 252.

5 Das wird deutlich in Fall 1. Schreibt G der R, dass er für die Bestellung danke und umgehend liefern werde, kommtein Vertrag über 3600 Packungen zustande, da G den Antrag der R zwar nicht in diesem Sinn versteht, aber soverstehen muss, und R die Antwort des G entsprechend dem objektiven Inhalt des Antrags verstehen muss(siehe § 3 Rn. 15). Jede Partei trägt damit die Folgen ihres eigenen Irrtums – R muss statt 25 Packungen 3600Packungen abnehmen und bezahlen, G kann statt 7200 Packungen nur 3600 Packungen liefern. Das Interesseder Parteien daran, nicht an nicht Gewolltes gebunden zu sein, wird durch die Möglichkeit der Anfechtunggewahrt (siehe § 21 Rn. 3): R kann dadurch wählen, ob sie lieber 3600 Packungen (statt der gewollten 25) ab-nimmt oder gar nichts erhält, und G kann wählen, ob er lieber 3600 Packungen (statt der gewollten 7200) odergar nichts liefert. Würde man dagegen annehmen, dass die Erklärung nichtig ist, würde man den Parteien dieseWahlmöglichkeit nehmen, und zwar nur deshalb, weil sich auch die andere Partei geirrt hat. Das wäre nichtinteressengerecht. Siehe auch § 23 Rn. 12 und § 29 Rn. 11, 14 f.

6 BGH NJW 2013, 598 Rn. 17.

A. Willenserklärungen und Vertragsschluss§ 2

32

http://www.nomos-shop.de/20277

u Fall 3 (nach BGH NJW 2013, 598 ff.): A bucht über das Internetportal einer Fluglinieeinen Flug und gibt in die Buchungsmaske als Vor- und Familiennamen des Reisenden jeweils„Noch unbekannt“ ein, obwohl in der Buchungsmaske deutlich darauf hingewiesen wird, dasseine Namensänderung nach der Buchung nicht möglich ist. Die Fluglinie sendet A eine Bu-chungsbestätigung, in der als Name des Reisenden „Mr. Noch unbekannt“ angegeben ist.

Das Buchungssystem der Fluglinie hat die Eingabe des A so verarbeitet, als wolle er einen Flugfür eine Person mit dem Namen „Noch unbekannt Noch unbekannt“ buchen. Darauf kommtes aber nicht an, sondern entscheidend ist gemäß §§ 133, 157 BGB, wie ein Mitarbeiter derFluglinie die Willenserklärung des A verstehen musste. Diesem Mitarbeiter hätte klar seinmüssen, dass A einen Flug für einen Reisenden buchen wollte, den er erst später benennenwollte. Die Willenserklärung des A ist daher in diesem Sinn auszulegen.

Als Willenserklärung der Fluglinie kam nur die Buchungsbestätigung in Betracht.7 A durftesie angesichts des Hinweises in der Buchungsmaske nicht so verstehen, dass die Fluglinie ihmdas Recht einräumen wollte, den Namen des Reisenden später zu bestimmen. Er musste daherdavon ausgehen, dass es sich lediglich um die automatische Reaktion des Buchungssystemshandelte. Die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont des A (§§ 133, 157 BGB)ergibt daher, dass jedenfalls keine Willenserklärung der Fluglinie vorlag, die mit der Willens-erklärung des A übereinstimmte. Es kam daher kein Beförderungsvertrag zustande (siehe§ 1 Rn. 1). t

Nicht empfangsbedürftige WillenserklärungenBei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen muss niemand über den Inhalt derWillenserklärung informiert werden, und es gibt keinen Empfänger, nach dessen „ob-jektivem Horizont“ die Erklärung ausgelegt werden könnte. Dem „wirklichen Willen“(§ 133 BGB) des Erklärenden kommt daher eine größere Bedeutung zu als bei empfangs-bedürftigen Erklärungen. Auch bei nicht empfangsbedürftigen Erklärungen kann derwirkliche Wille jedoch nicht völlig unabhängig davon relevant sein, ob die Erklärung ihnwiderspiegelt. Denn das Erfordernis einer „Erklärung“ zeigt, dass der bloße Wille nichtgenügt, sondern dass er auch wahrnehmbar sein muss. Für die Auslegung ist daher aufdie Verständnismöglichkeit des angesprochenen Personenkreises oder – falls niemandbesonders angesprochen wird – eines durchschnittlichen Teilnehmers am Rechtsver-kehr abzustellen. Anders als bei empfangsbedürftigen Erklärungen können dabei sämt-liche Begleitumstände – etwa die Vorgeschichte der Erklärung – berücksichtigt werden,unabhängig davon, ob eine konkrete Person diese Umstände kannte oder kennen konnte.

Abgrenzungen

GefälligkeitsverhältnisseDer Erklärende muss mit einer Willenserklärung eine bestimmte Rechtsfolge anstreben.Wenn er das nicht tut, sondern lediglich einen wirtschaftlichen oder sozialen Erfolg her-beiführen will (siehe Rn. 1), handelt er ohne Erklärungsbewusstsein (siehe Rn. 4), unddeshalb fehlt es am subjektiven Tatbestand der Willenserklärung. Erkennt der Erklä-rungsempfänger das oder muss er es erkennen (siehe Rn. 8), liegt mangels Rechtsbin-dungswillen keine Willenserklärung vor (zum Fall, dass der Empfänger das Fehlen des

2.

V.

1.

7 Das Angebot bestimmter Flüge durch die Buchungsmaske stellt mangels Rechtsbindungswillen (siehe Rn. 6)keine Willenserklärung, sondern nur eine unverbindliche invitatio ad offerendum dar (siehe § 3 Rn. 4).

§ 2 Die Willenserklärung § 2

33

9

10

http://www.nomos-shop.de/20277

Erklärungsbewusstseins weder erkennt noch erkennen muss, siehe § 21 Rn. 24 f.). ImEinzelfall kann es schwierig sein, zu entscheiden, ob jemand aus der Sicht eines vernünf-tigen Empfängers nur einen tatsächlichen Erfolg erreichen will oder ob er als Mittel zumErreichen dieses tatsächlichen Erfolgs zunächst eine rechtliche Bindung schaffen will,indem er einen Vertrag schließt. Es geht hier um das Problem der Abgrenzung von(rechtlich bindenden) Verträgen zu bloßen Gefälligkeitsverhältnissen.

u Beispiel: Jemand bittet seinen Sitznachbarn im Zug, ihn kurz vor Erreichen einer be-stimmten Station aufzuwecken. Es scheint hier möglich, dass der Betreffende allein den tat-sächlichen Erfolg anstrebt, rechtzeitig geweckt zu werden, und es sich deshalb nicht um eineWillenserklärung handelt. Ebenso kann es ihm aber auch darum gehen, den Mitfahrer recht-lich zu binden, damit dieser gegebenenfalls schadensersatzpflichtig wird, wenn er das Weckenvergisst und der Schlafende deshalb zu weit fährt; dann liegt eine Willenserklärung in Formeines auf Abschluss eines entsprechenden Vertrags gerichteten Antrags vor. t

Prinzipiell sind drei Abstufungen an rechtlicher Bindung möglich:

n Die Parteien können einen Vertrag schließen, aus dem sich klagbare Erfüllungsan-sprüche ergeben. Sie handeln dann bei Abschluss der Vereinbarung mit Erklärungs-bewusstsein, geben also Willenserklärungen ab. Falls der Schuldner seinen vertragli-chen Verpflichtungen nicht nachkommt, kann der Gläubiger Schadensersatz statt derLeistung verlangen (§§ 280 Abs. 1 und 3, 281, 283 BGB).

u Fall 4: Zwei Arbeitskollegen schließen sich zu einer Fahrgemeinschaft zusammen.Gestalten sie dies als Vertrag mit klagbaren Erfüllungsansprüchen aus, kann der eine gegenden anderen auf Erfüllung klagen und bei Nichterfüllung z.B. die Kosten für die Fahrt mitdem eigenen Auto als Schadensersatz verlangen. t

n Die Parteien können einen Vertrag schließen, aus dem sich zwar keine Erfüllungsan-sprüche ergeben, aber Rücksichtnahme- und Sorgfaltspflichten (§ 241 Abs. 2 BGB),deren Verletzung nach § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.8 Auch indiesem Fall handeln sie mit Erklärungsbewusstsein und geben Willenserklärungen ab.

u Fall 5: Zwei Arbeitskollegen schließen sich zu einer Fahrgemeinschaft zusammen.Gestalten sie dies als Vertrag aus, der keine klagbaren Erfüllungsansprüche, sondern nurRücksichtnahme- und Sorgfaltspflichten statuiert, so kann der eine vom anderen nichtverlangen, dass dieser ihn im Auto mitnimmt. Er kann aber erwarten, dass der andere ihnrechtzeitig informiert, wenn er entgegen vorheriger Absprache nicht fährt, damit der Mit-fahrer sich rechtzeitig um einen anderen Transport kümmern kann. Unterlässt der Fahrerdas, kann der Mitfahrer als Schadensersatz zwar nicht die gesamten Transportkosten ver-langen. Denn er hat ja keinen Anspruch darauf, mitgenommen zu werden, und hätte auchim Fall rechtzeitiger Information die Transportkosten selbst tragen müssen. Er kann aberdie Mehraufwendungen infolge der unterlassenen Information verlangen, z.B. die Mehr-kosten einer Taxi- gegenüber einer Busfahrt, wenn er wegen der fehlenden Informationaus Zeitgründen mit dem Taxi fahren musste. t

n Die Parteien können auf jegliche vertragliche Regelung ihrer Beziehungen verzich-ten. Sie handeln dann bei ihren Absprachen ohne Erklärungsbewusstsein, tauschenalso keine Willenserklärungen aus. Ihre Beziehungen richten sich nur nach denjenigenRechtsvorschriften, die auch zwischen einander fremden Personen gelten, insbeson-dere nach Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB).

8 Bork, Rn. 681 f. nimmt als Basis der Haftung in derartigen Fällen keinen Vertrag, sondern ein gesetzlichesSchuldverhältnis aufgrund gesteigerten sozialen Kontakts an.

A. Willenserklärungen und Vertragsschluss§ 2

34

http://www.nomos-shop.de/20277

u Fall 6: Zwei Arbeitskollegen vereinbaren, dass der eine den anderen zu einem dienst-lichen Auswärtstermin im Auto mitnimmt. Liegt in dieser Vereinbarung kein Vertrag, hatder Mitfahrer gegen den Fahrer keinerlei Ansprüche, wenn dieser die Verabredung vergisst.„Versetzt“ der Fahrer den Mitfahrer dagegen vorsätzlich, damit dieser den Termin ver-säumt und dadurch berufliche Nachteile erleidet, hat der Mitfahrer einen Schadenser-satzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB. Die sitten-widrige Schädigung liegt dabei nicht darin, dass der Fahrer den Mitfahrer nicht mitnimmt,sondern darin, dass er ihn nicht rechtzeitig vorher darüber informiert hat, dass er die Ver-abredung nicht einhalten wird. Der Umfang des Schadensersatzanspruchs entspricht da-her demjenigen im Fall 5. t

Problematisch ist, dass die Parteien in solchen Fällen in aller Regel nicht darüber nach-denken, ob und in welchem Umfang sie eine rechtliche Bindung eingehen wollen. Ob dieParteien Rechtsbindungswillen hatten, muss deshalb – wie der BGH festgestellt hat –unter Berücksichtigung der Interessenlage beider Parteien nach Treu und Glauben mitRücksicht auf die Verkehrssitte geprüft werden.9 Von Bedeutung sind dabei insbesonderedie Risiken, die beide Parteien infolge der Verabredung tragen.

u Fall 7 (nach BGH NJW 1974, 1705 ff.): Fünf Personen schließen sich zu einer Lottospiel-gemeinschaft zusammen. Eine soll jeweils einen Betrag, den die fünf Teilnehmer gemeinsamaufbringen, auf bestimmte Zahlen setzen, Gewinne sollen geteilt werden. Einmal vergisst derBetreffende die Abgabe des Lottoscheins, und bei dieser Ausspielung gewinnen die verabre-deten Zahlen. Die anderen Spieler verlangen Ersatz für den entgangenen Gewinn.

Der BGH war der Auffassung, es bestünden zwar Rechtspflichten hinsichtlich des Ersatzesausgelegter Einsätze und der Verteilung wirklich erzielter Gewinne, nicht aber Schadenser-satzansprüche wegen entgangener Gewinne. Denn für die Mitspieler gehe es nur darum, dassihnen ein ohnehin unwahrscheinlicher und im Verhältnis zum Einsatz unverhältnismäßighoher Gewinn entgehe, während der für die Abgabe des Scheins Verantwortliche durch eineSchadensersatzpflicht möglicherweise existenzgefährdende Vermögensminderungen hin-nehmen müsste: „Keiner der Spieler würde, falls die Frage im voraus bedacht und ausdrücklicherörtert würde, ein solches Risiko übernehmen oder es den Mitspielern zumuten.“ t

Außer den Risiken der Parteien spielen die Dauer des verabredeten Verhältnisses undseine organisatorische Verfestigung eine Rolle. Bei der Verabredung bloß einmaligenMitnehmens wird man beispielsweise eine rechtsgeschäftliche Bindung nur sehr zurück-haltend annehmen, etwa wenn eine Partei deutlich gemacht hat, dass für sie besondersviel auf dem Spiel steht. Bei einer organisierten Fahrgemeinschaft, bei der nach einemfestgelegten Plan jeweils ein anderer Teilnehmer fährt, liegt dagegen eine rechtliche Bin-dung, die zumindest Rücksichtnahme- und Sorgfaltspflichten begründet, sehr nahe.

u Weiterführender Hinweis: Bei unentgeltlichen Verträgen – unabhängig davon, ob sieErfüllungsansprüche verschaffen oder nur zu Rücksichtnahme- und Sorgfaltspflichten nach§ 241 Abs. 2 BGB führen – stellt sich die Frage, ob im Rahmen von § 276 Abs. 1 S. 1 BGB demInhalt des Schuldverhältnisses eine mildere Haftung als diejenige für jede Art von Fahrläs-sigkeit zu entnehmen ist. Problematisch ist, dass das Gesetz insofern keine allgemeine Rege-lung enthält und die vorhandenen Regelungen nicht einheitlich sind. So ist die Haftung desSchenkers (§ 521 BGB) und Verleihers (§ 599 BGB) auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit be-schränkt, diejenige des unentgeltlichen Verwahrers nach § 690 BGB auf diejenige Sorgfalt,

9 BGH NJW 1974, 1705, 1706. Siehe auch BGH NJW 2012, 3366 Rn. 14.

§ 2 Die Willenserklärung § 2

35

11

http://www.nomos-shop.de/20277

die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (diligentia quam in suis, § 277 BGB);die Reichweite der Privilegierung ist im Einzelnen jeweils umstritten. Die Haftung des Beauf-tragten (§§ 662 ff. BGB) wird dagegen vom Gesetz nicht beschränkt. Was die deliktische Haf-tung angeht, ist bei unentgeltlichen Verträgen und bei reinen Gefälligkeitsverhältnissen einAusschluss der Haftung für einfache Fahrlässigkeit zu erwägen. Die Rechtsprechung hat bis-lang eine über die gesetzlichen Regelungen hinausgehende Haftungsprivilegierung abge-lehnt.10 t

Geschäftsähnliche HandlungenWenn eine Erklärung bestimmte rechtliche Folgen nicht deshalb auslöst, weil der Erklä-rende dies will, sondern deshalb, weil das Gesetz selbst diese Folgen an die Erklärungknüpft, liegt keine Willenserklärung vor, sondern eine sog. geschäftsähnliche Handlung.

u Beispiel: Wer seinen Schuldner mahnt, erstrebt damit den tatsächlichen Erfolg, dass derSchuldner seine Leistung erbringt. Für den Fall, dass der Schuldner das nicht tut, knüpft dasGesetz – sofern die weiteren Voraussetzungen vorliegen – in § 286 Abs. 1 S. 1 BGB an dieMahnung die Rechtsfolge des Verzugs. Ob der Mahnende dies mit der Mahnung erstrebt, istjedoch gleichgültig. Die Mahnung ist daher keine Willenserklärung, sondern eine geschäfts-ähnliche Handlung. t

Die Unterscheidung zwischen Willenserklärungen und geschäftsähnlichen Handlungenist praktisch nicht sehr bedeutend, da die meisten Vorschriften über Willenserklärungenauf geschäftsähnliche Handlungen entsprechend angewandt werden. Da es sich jedochnur um eine entsprechende Anwendung handelt, bleibt die Möglichkeit, im Einzelfallfestzustellen, dass eine bestimmte Regelung über Willenserklärungen für geschäftsähn-liche Handlungen (oder eine bestimmte geschäftsähnliche Handlung) nicht passt, und siedeshalb nicht anzuwenden.

RealakteRealakte (Tathandlungen) sind auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtete Willensbetäti-gungen, an die das Gesetz Rechtsfolgen knüpft; von den geschäftsähnlichen Handlungenunterscheiden sie sich dadurch, dass es sich nicht um Erklärungen handelt.

u Beispiele: Realakte sind etwa die Übergabe einer Sache, die Verarbeitung einer Sache, diezum Eigentumserwerb führt (§ 950 BGB), der Fund (§ 965 BGB) und der Schatzfund (§ 984BGB). t

Auf Realakte sind die Vorschriften über Willenserklärungen grundsätzlich nicht einmalentsprechend anzuwenden. So führen sie etwa die an sie geknüpften Rechtsfolgen un-abhängig von der Geschäftsfähigkeit des Handelnden herbei.

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen

AbgabeDas erste rechtlich relevante Ereignis im „Leben“ einer Willenserklärung ist ihre Abgabe.So kommt es auf den Zeitpunkt der Abgabe für die in der Person des Erklärenden lie-genden Wirksamkeitsvoraussetzungen an: Der Erklärende muss (nur) bei Abgabe derWillenserklärung rechts- und geschäftsfähig sein (siehe hierzu §§ 17, 18); § 130 Abs. 2BGB ordnet ausdrücklich an, dass es die Wirksamkeit einer Willenserklärung nicht be-

2.

3.

VI.

1.

10 BGHZ 43, 72, 76 f. A.A. Medicus, Rn. 186 ff., 194.

A. Willenserklärungen und Vertragsschluss§ 2

36

12

13

14

http://www.nomos-shop.de/20277